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Wiedenbrücker Schule Museum
Weltklasse-Schnitzkunst aus Ostwestfalen
Wiedenbrücker Schule – Museum für Kunst- und Stadtgeschichte in Rheda-Wiedenbrück Autorin: Christiane Hoffmann M.A., Museumsleiterin des Wiedenbrücker Schule Museums
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Mit der Gründung der Stiftung „Ausstellungs- und Begegnungsstätte Wiedenbrücker Schule“ und dem damit verbundenen Museumsprojekt fiel im Dezember 2005 der Startschuss zum heutigen Wiedenbrücker Schule Museum. Das ehemalige Werkstattgebäude der Altarbauwerkstatt Diedrichs & Knoche wurde bis Ende des Jahres 2008 umfassend renoviert und umgebaut und beherbergt seitdem ein außergewöhnliches Museum zur Kunstgeschichte des Historismus. Es hat zudem einen Teil seiner Ausstellung der Wiedenbrücker Stadtgeschichte gewidmet.
1905 im historistischen Stil erbaut, steht es exemplarisch für die erfolgreiche Kunst
Unter dem Begriff „Wiedenbrücker Schule“ ist ein Künstler- und Handwerkerverbund zu verstehen. Selber empfanden sich die Künstler und Handwerker als verschworene Gemeinschaft im Geiste der Dombauhütten des Mittelalters. Von 1854 bis 1920 reichte die besondere Erfolgsgeschichte dieses Wirtschaftszweiges, der die Stadt Wiedenbrück dominierte und auch viele Kooperationen mit den Nachbarstädten zuließ. Gemeinsam war man sehr erfolgreich.
Dieser Lebens- und Arbeitszusammenhang umfasst mehr als 25 Wiedenbrücker Werkstätten, die ihre weltweit beliebten Kunsthandwerksstücke im Westen bis Amerika, im Osten bis Japan und im Süden bis Afrika in die weite Welt hinaus verkauften.
Geschichte der Wiedenbrücker Schule
Das Wiedenbrücker Kunsthandwerk erlebte mit der Wiedenbrücker Schule seine Hoch-Zeit, hat seine Anfänge aber bereits im ausgehenden Mittelalter. Viele erhaltene Fachwerkhäuser aus dem 15., 16., 17. und 18. Jahrhundert, die heute noch das Stadtbild bestimmen, zeugen von dem handwerklichen Geschick der Wiedenbrücker Kunsthandwerker jener Zeit. Die Geschichte der Wiedenbrücker Schule begann 1854: Der 27-jährige Franz Anton Goldkuhle kehrte nach seiner Lehrzeit in Warendorf an seinen Geburtsort Wiedenbrück zurück, um sich mit einer Kunsttischlerwerkstatt selbstständig zu machen.
Linke Seite: Außenansicht des Museumsgebäudes der ehemaligen Altarbauwerkstatt Diedrichs & Knoche © Thomas Kleinert Rechte Seite, oben: Raum 1, Erdgeschoss mit Medientisch und Geschichte des Hauses © Thomas Kleinert Rechte Seite, unten: Raum 3, Obergeschoss – der Beginn: Franz Anton Goldkuhle © Thorsten Nienaber, Formlotse
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Zu Anfang schnitzte er vor allem Kruzifixe und Holzschuhe für die ländliche Bevölkerung. Sein Fleiß und seine handwerklichen Fähigkeiten führten jedoch recht schnell dazu, dass er auch anspruchsvollere Aufträge bekam.
1863/64 fertigte Franz Anton Goldkuhle den Hochaltar für die Wiedenbrücker Franziskanerkirche an und knüpfte dadurch gleichzeitig Kontakte zu kirchlichen Auftraggebern. Die daraus resultierenden Aufträge waren so vielfältig, dass Goldkuhle 1865 bereits 25 Mitarbeiter beschäftigte und sich auf kirchliche Inneneinrichtungen spezialisieren konnte. Viele talentierte Künstler und Kunsthandwerker arbeiteten für Franz Anton Goldkuhle bis sie sich mit ihren eigenen Werkstätten und Ateliers zwischen den 1860er und 1890er Jahren selbstständig machten. So begab es sich, dass in Wiedenbrück zwischen den 1840er und 1930er Jahren über 25 Werkstätten und Ateliers für historistische kirchliche und weltliche Kunst und Kunsthandwerk existierten.
Jede Werkstatt hatte eine eigene Spezialisierung. So gab es Kunsttischler, Bildhauer, Altarbauer, Maler, Polychromeure, Ornamentiker und andere Kunsthandwerker.
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Da die Kirchen Hauptauftraggeber waren, wurden die Arbeiten fast ausschließlich in den historistischen Stilen der Neo-Gotik oder Neo-Romanik gefertigt. Die oft akademisch ausgebildeten Künstler und Kunsthandwerker in Wiedenbrück arbeiteten als Netzwerk von Werkstätten und teilten Aufträge untereinander auf. Diese Arbeitsweise ist in der deutschen Wirtschaftsgeschichte und Kunstgeschichte einmalig.
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich der Begriff „Wiedenbrücker Schule“ für diesen Verbund von Wiedenbrücker Werkstätten für Kunst und Kunsthandwerk des Historismus entwickelt. Dabei waren es zunächst die Künstler und Kunsthandwerker selbst, die von der Wiedenbrücker Schule sprachen, und unter diesem Oberbegriff werbewirksam den besonderen Stil, die Qualität und die spezielle Arbeitsweise des historistischen Wiedenbrücker Kunsthandwerks zusammenfassten. Der Begriff Wiedenbrücker Schule umfasst in seiner heutigen Bedeutung außerdem die Ausbildung sowie die Nachwuchsförderung der Wiedenbrücker Künstler und Kunsthandwerker.
Linke Seite: Raum 3, Obergeschoss – Maler der Wiedenbrücker Schule Mitte oben: Raum 3, Obergeschoss – Reliefkästen für neugotische Flügelaltäre Mitte unten: Raum 3, Obergeschoss – Modelle von Chorräumen Alle Fotos: © Thorsten Nienaber, Formlotse
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Der Höhepunkt
Das Schaffen der Wiedenbrücker Schule erreichte um die Jahrhundertwende vom 19. auf das 20. Jahrhundert ihren Höhepunkt. In einer ausgehenden Epoche weitreichender internationaler Migration und vor dem Hintergrund des deutschen Kolonialismus breitete sich die Reputation der Wiedenbrücker Schule weit über die Grenzen Deutschlands hinaus aus. Dementsprechend stieg die weltweite Nachfrage nach Wiedenbrücker Kunsthandwerk; nicht zuletzt wegen der Erschließung neuer deutscher Siedlungsgebiete. Aufträge kamen in jener Zeit aus vielen europäischen Staaten, darunter
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Großbritannien, Frankreich, Italien und die Niederlande. Im Westen gelangten Werke der Wiedenbrücker Schule bis nach Kanada, in die USA, nach Lateinamerika und Brasilien. Im Süden wurde bis nach Zentral-Afrika geliefert. Und im Osten schließlich fand man Wiedenbrücker Kunsthandwerk unter anderem in Jerusalem, aber auch in China. Die Wiedenbrücker Schule leistete somit einen
Linke Seite, oben: Raum 3, Obergeschoss – Filialen und Gemälde | Linke Seite, unten: Raum 2, Obergeschoss – Modellfigur des Grafen Kaunitz von C. v. Zumbusch | Rechte Seite: Raum 3, Obergeschoss – Altarteile und Heiligenfiguren Alle Fotos: © Thorsten Nienaber, Formlotse
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nicht zu unterschätzenden Beitrag für die Weltgeschichte und die Kunstgeschichte des Historismus.
Stadtgeschichte
Im Dachgeschoss des Museums findet sich darüber hinaus die Stadtgeschichte der ehemals selbständigen Stadt Wiedenbrück und seit 1970 auch der Stadt Rheda-Wiedenbrück.
Wiedenbrück blickt auf eine mehr als 1000-jährige Geschichte zurück. In einer Urkunde von Kaiser Otto I. an den Bischof von Osnabrück wird Wiedenbrück erstmalig erwähnt.
Die archäologischen Funde, die im Stadtgebiet gemacht wurden, werden anschaulich und interaktiv präsentiert.
Der Patron der Hauptkirche St. Aegidius findet sich überall im Stadtbild. Auch als Gipsmodell wurde er bei den Künstlern der Wiedenbrücker Schule verwendet.
In der Abteilung Gerichtsbarkeit wird anhand spannender Objekte auf diese Aspekte der Sozial- und Herrschaftsgeschichte eingegangen.
Einen großen Raum nehmen die Handwerke und die sogenannten Ämter (ähnlich wie Gilden oder Zünfte) in Wiedenbrück ein. Besonders das Schreineramt, zu dem die Künstler und Handwerker der Wiedenbrücker Schule zählten, war sehr prägend.
Die Gründung Wiedenbrücks nennt auch das Privileg der Münzprägung für den Stadtherren. Daher gab und gibt es bis heute noch historische Münzen und Notgeldscheine, die in Wiedenbrück geschlagen, bzw. gedruckt wurden.
Das Museum wurde durch die Bundesministerin für Kultur im Rahmen des Neustart Programms mit einer Förderung unterstützt. Im Rahmen dieser Förderung
Linke Seite: Raum 7, Dachgeschoss – Gipsfigur des Heiligen Aegidius Rechte Seite, oben: Raum 7, Dachgeschoss – Präsentation der Stadtgeschichte Rechte Seite, Mitte: Raum 7, Dachgeschoss – Stadtgeschichte: Präsentation der archäologischen Funde Rechte Seite, unten: Raum 7, Dachgeschoss – Geschichte der Handwerke und Ämter Alle Fotos: © Thorsten Nienaber, Formlotse
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konnte erstmals ein Museumsaudioguide für Erwachsene und für Kinder eingerichtet werden.
Im Museum können die Besucherinnen und Besucher an 20 Stationen die Geschichte des Hauses als ehemalige Altarbauwerkstatt, die Geschichte der Wiedenbrücker Schule und der Stadtgeschichte von Rheda-Wiedenbrück hören und erfahren.
Dazu gesellen sich weitere 40 Stationen der Kunst im öffentlichen Raum im gesamten Stadtraum von Rheda-Wiedenbrück. Fundierte und unterhaltsame Audiosequenzen, die mit dem eigenen Smartphone abgerufen werden können, bringen Innenraum und Außenraum zusammen. Viele der Kunstwerke stammen von einer Künstlerin und den Künstlern der Wiedenbrücker Schule.
Foto: Raum 7, Dachgeschoss – Gerichtsbarkeit mit Richtschwert © Thorsten Nienaber, Formlotse
AUDIOGUIDE WIEDENBRÜCKER SCHULE MUSEUM
www.museum.de/m/2473
Wiedenbrücker Schule Museum Hoetger-Gasse 1 33378 Rheda-Wiedenbrück Tel. 05242 - 378 55 26 info@wiedenbruecker-schule.de https://wiedenbruecker-schule.de