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Bauernhausmuseum Bielefeld
„System Hof“
Bauernhausmuseum Bielefeld – Eine Inszenierung ländlichen Lebens Autor: Dr. Lutz Volmer, Museumsleiter
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Am Rand der Innenstadt von Bielefeld, nicht weit von Kunsthalle und Sparrenburg geht es steil bergan. An einem sanft geneigten Hang knapp unterhalb des Kamms des Teutoburger Waldes liegt das Bauernhausmuseum. 1917, mitten im Ersten Weltkrieg fertiggestellt und eröffnet, gehörte die durchaus nicht gewöhnliche landschaftliche Lage zum Konzept des Museums, das von Anfang an als freilichtmuseale Anlage gedacht war. Mittelpunkt der Hofanlage war zunächst das Bauernhaus Meier zu Ummeln aus dem Jahre 1606, ein außergewöhnlich formvollendetes niederdeutsches Hallenhaus mit steilem Dach und zwei einzigartigen, korbbogenförmig geschlossenen Luchten im Inneren.
Ungewöhnliche Einsichten
Schon 1917 bot das Museum, das trotz weiterführender Planungen zunächst nur aus einem Gebäude bestand, überraschende Einsichten: Sein historisches Gebäude stellte sich bereits weithin als begehbares Exponat dar und war ob seiner gegenüber den vielen anderen Fachwerk-Bauernhäusern, die damals noch die Landschaft des Ravensberger Landes prägten, ungewöhnlich alt und hatte eine einzigartige, kraftvolle und in ungewöhnlicher Geschlossenheit erhaltene Gestaltung. Der Ansatz des Ungewöhnlichen erlebte in ganz anderer Weise eine Wiedergeburt, als das Museum ab 1995 nach einem Brand des Haupthauses neu erstehen musste. Sein neuer Mittelpunkt wurde das Haupthaus des Hofes Möllering aus Rödinghausen von 1590. Zwar hat dieses Haus nicht die bestechende Gestaltung seines Vorgängers, aber dafür einen Fries von Fächerrosetten am Giebelbalken.
Historische Authentizität
Wissenschaftliche Standards stehen bei der Inszenierung der historischen Gebäude im Bauernhausmuseum an erster Stelle. So war es keine Frage, dass bei der Gestaltung des Hauses Möllering Holz für Holz getreu und in seiner Originalsubstanz gemäß eines von Museums-
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wissenschaftlern festgelegten genauen Zeitschnittes der Zeit um 1850, rekonstruiert wurde. Es erstaunt und fasziniert die Besucherinnen und Besucher immer wieder, wenn sie erfahren, dass wirklich (fast) jedes Fachwerkholz ein historisches Original ist.
Oben: Museumsanlage des Bauernhausmuseums Bielefeld Unten links: Sorgsam inszenierter multifunktionaler Arbeits- und Lebensraum: Diele im Bauernhausmuseum Bielefeld Unten rechts: Mittelpunkt des Bauernhausmuseums ist das Haupthaus vom Hof Möllering von 1590 mit markanten Renaissance-Fächerrosetten am Giebel Fotos: Barbara Meinhardt Fotodesign. © Bauernhausmuseum Bielefeld
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Das Bauernhausmuseum Bielefeld ist nur scheinbar eine ländliche Idylle. Als Lernort mit wissenschaftlichem Anspruch steht seine Ausstellung, realisiert von Jörg Werner von „Museumsreif“, unter dem Oberbegriff „System Hof“ und provoziert und polarisiert bewusst. Damit wird ländliches Leben um 1850 nicht nur wie vielerorts museal anschaulich gemacht, sondern auch erklärt und inhaltlich in wirksamer Weise reflektiert. Funktionszusammenhänge werden vermittelt, Besucherinnen und Besucher sind aufgrund von klugen Hinweisen und dezenten Inszenierungen
Linke Seite, oben: Waschort im Hausinneren und Brunnen im Außenbereich Linke Seite, unten: Kristallisationspunkt des „System Hof“: Kuh als Milch- und Düngerlieferant Rechte Seite, oben: In der Vergangenheit eine staubige und laute Angelegenheit: Inszenierung zur Flachsbearbeitung in der Bokemühle des Bauernhausmuseums Bielefeld Rechte Seite, unten: Gewohnt wurde nur wenig, gearbeitet (fast) immer: Spinnrad in der Schlafkammer Fotos: Barbara Meinhardt Fotodesign. © Bauernhausmuseum Bielefeld
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in der Lage, sich die Ausstellungsthemen selbst zu erschließen. Ländliche Gesellschaft wird dabei als das gesehen, was sie war: Nicht als spannungsfreie „Idylle“, schon gar nicht als „nostalgische Gefühlsduselei“ oder eine „gute alte Zeit“, sondern als spannungsgeladenes Miteinander in durchaus auch krisenhafter Zeit, hier der Revolution von 1848. Im Mittelpunkt steht das soziale Miteinander, Arbeiten und Leben von Generationen und Gesellschaftsschichten im ländlichen Ravenberg. Denn wenn Bäuerin oder Bauer riefen, mussten Mägde und Knechte antreten und leisten. Die museale Inszenierung steckt voller Hinweise auf Funktionszusammenhänge auf dem Hof. Da fi ndet sich im Kuhstall etwa das Modell einer Kuh: in etwa in der Optik und Größe eines Tieres der Zeit um 1850, aber mit comichaft verfremdeten schräg abstehende Zitzen am Kuheuter. Die Inszenierung gleich am Beginn der Dauerausstellung wurde nicht von ungefähr gewählt: Den Kühen kam eine Schlüsselposition in der ländlichen Wirtschaft zu: Sie waren nicht nur Milchlieferanten für den ländlichen Haushalt, sondern produzierten auch Kuhdung und boten Zugkraft für Pfl ug und Wagen – vor Erfi ndung von Kunstdünger und Einführung von Motoren unabdingbar.
Bewusstsein für Ressourcen
Eines der großen Themen der Ausstellung ist der Umgang mit Ressourcen. Der sparsame, bewusste Umgang mit Arbeitskraft von Mensch und Tier, mit Lebensmitteln, mit Garten- und Ackerfl ächen oder dem sauberen Wasser – alle Bereiche des Lebens finden Berücksichtigung. In der Waschlucht wird beispielsweise die Bedeutung der Hygiene im ländlichen Haushalt erklärt, aber ebenso der bewusste, manchmal kräftezehrende und zeitaufwändige Umgang mit sauberem Wasser nachvollzogen, das für Mensch und Vieh da sein musste.
Selbst machen war Trumpf
Die Landbevölkerung war um 1850 in großem Umfang mit der eigenen Nahrungsproduktion beschäftigt. Es gab im ländlichen Ravensberg jedoch einen weiteren wichtigen Erwerbszweig, der fast in jedem Haushalt eine Rolle spielte: Der aufwendige Prozess der Textilproduktion für eigene Zwecke, aber ebenso für den Export in viele Teile Europas und Nordamerikas: Aus den in der Region produzierten Flachs entstand in einem aufwendigen Prozess Leinen, eine vielseitig einsetzbare und nachhaltige Textilie.
Brüche des Erwartbaren
Besucherinnen und Besucher lernen im Bauernhausmuseum neugierig zu bleiben. Wer rechnet im unscheinbaren Backhaus schon damit, neben rauchgeschwärzten Wänden und der Bedeutung des Backens mit den damaligen Luxusgütern der Nahrung beim Durchblick durch Spalten und Ritzen konfrontiert zu werden? Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt einer von Kartoffelkrankheit und Nahrungsmittelknappheit geprägten Gesellschaft werden so möglich.
Ein Veranstaltungsort
Wie jedes Museum ist auch das Bauernhausmuseum nicht nur ein begehbares museales Exponat, sondern zugleich auch ein Veranstaltungsort. Unter dem historischen Haupthaus befi ndet sich der Sonderausstellungsbereich, der individuell und wechselnd mit kulturhistorischen und aktuellen Themen bespielt wird, die die Bielefelder Stadtgesellschaft bewegen. Das Museum nutzt damit die Möglichkeit, neue Attraktionen bereitzuhalten und sich aktuellen Themen zu öffnen.
Ein neues Vermittlungsformat
Im Bauernhausmuseum haben die personelle Vermittlung und das persönliche Gespräch einen wichtigen Stellenwert. „Corona“ hat das Museum und seine Art der freien, ungezwungenen Vermittlung nun auf eine harte Probe gestellt. Schon zuvor bestand jedoch der Wunsch nach einer zeitgemäßen Möglichkeit für einen Museumsrundgang ohne persönliche Führung, in deutscher, aber auch englischer Sprache. Mit der Corona-Situation gewann dieser Wunsch an Aktualität. Ein browserbasierter, über Smartphone und Internet abrufbarer Audioguide konnte nun als sinnvolle Lösung entwickelt werden, die auch zum Ausstellungskonzept „System Hof“ passt. Für ein diverser werdendes Publikum ist das BauernhausMuseum Bielefeld damit gut aufgestellt.
Oben: Leckeres Essen war oft nur Verheißung: Überraschende Inszenierungen erwarten die Besucher Foto: Barbara Meinhardt Fotodesign. © Bauernhausmuseum Bielefeld AUDIOGUIDE BAUERNHAUSMUSEUM BIELEFELD
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www.museum.de/m/2481
Bielefelder Bauernhausmuseum gemeinnützige GmbH Dornberger Str. 82 33619 Bielefeld Tel. 0521 – 5218550 info@bielefelder-bauernhausmuseum.de www.bielefelder-bauernhausmuseum.de
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#closedbutopen
Museen sind Orte der Bildung, Zentren gesellschaftlicher Teilhabe und Erfahrungsräume für kreativen Austausch. Museen erleichtern und befördern den Zugang zum kulturellen Erbe; mit ihren originären Aufgaben Sammeln, Bewahren, Forschen, Ausstellen, Vermitteln haben sie das Potential, gesellschaftliche Debatten anzustoßen und zu begleiten. Als Wissensspeicher und Erlebnisstätten vermitteln sie das in einer Kultur zirkulierende Wissen einem breiten Publikum und reagieren dabei auf die Anforderungen sich verändernder Gesellschaften. Gelingt ihnen das?
Wie kein anderes Jahr stürzte 2020 den Museumsbetrieb in existentielle Nöte und in eine tiefe Identitätskrise. Trotz zahlreicher digitaler Programme, mit der Schließzeiten überbrückt und die Kommunikation mit Besucher*innen fortgesetzt worden ist, markiert die Krise sehr deutlich, dass es neue Strategien und Perspektiven für die Rolle von Kultureinrichtungen in der Zukunft braucht. Museen müssen sich verändern. Aber: Sie haben das Potential, ihre originären Aufgaben auch digital zu denken, erkannt.
Für die Kernaufgaben von Museen ergeben sich daraus vielfältige Anwendungsgebiete. Virtuell zugängliche Ausstellungen ermöglichen eine zeit- sowie ortsunabhängige (und dadurch auch globale) Teilhabe an Angeboten und Vermittlungsprogrammen. Sie lassen sich leicht archivieren und reaktivieren, jederzeit erweitern oder minimieren, bieten neue Chancen für den inklusiven und interaktiven Ausstellungsbesuch und fördern generationsübergreifende Medienkompetenzen.
Vor allem aber wird der Diskurs über Museen als Kompetenzzentren sowie Medien für den digitalen Kulturaustausch in einer immer stärker durch digitale Technologien geprägten Kultur forciert. Mit der Digitalisierung des Museums öffnet sich der Blick hin zu einer flächendeckenden kulturellen Infrastruktur.
... mit Augmented Reality: Ausstellungen interaktiv erweitern
Augmented Reality (AR) ist die Erweiterung der Realität um virtuelle Elemente, beispielsweise die visuelle, computergestützte Überblendung von Texten, Bildern oder Objekten mit virtuellen, dreidimensionalen Informationen. Diese Technik ermöglicht dahingehend eine praktische Erweiterung von Ausstellungsszenarien um nicht zugängliche Exponate, fragile Originale, sowie multimediale Inhalte oder Animationen . Die Verfügbarkeit von Inhalten über die örtliche und zeitliche Kapazität des Museums hinaus bietet langfristig Chancen der institutionellen Vernetzung als Leitidee, des barrierefreien Zugangs sowie der globalen Zugänglichkeit.
Die vom Universum® Bremen initiierte Wanderausstellung „Up to Space“, die Besucher*innen von Oktober 2020 bis Dezember 2023 in verschiedenen europäischen Museen Alltag und Leben von Astronaut*innen über interaktive Exponate,
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Linke Seite, oben: „Nah am Leben. 200 Jahre Gipsformerei”. In-App Ansicht des 3D-Modells der JamesSimon-Galerie © Staatliche Museen zu Berlin, Gipsformerei / Studio Jester Blank Rechte Seite, oben: Interaktive Station zu Bohrungen und Funktionen des Insight-Lander auf der Marsoberfläche. Situation in der Ausstellung mit erweitertem Tracking © Universum® Bremen Rechte Seite, Mitte: Der Raumanzug EMU gibt Besucher*innen Einblicke in seine vielen Gewebeschichten ©shoutr labs Rechte Seite, unten rechts: Eine interaktive Station in der Ausstellung im © Universum® Bremen zur Gravitation auf dem Mond Originalobjekte und AR vermittelt, macht jene erweiterte Realität thematisch an der Reise ins Weltall erlebbar. Über das eigene Smartphone oder Tablet downloaden die Besucher*innen die zur Ausstellung entwickelte AR-App „App2Space“ von shoutr labs und scannen in der Ausstellung verortete Marker, mittels dener dreidimensionale Szenen die Ausstellungsfläche um eine … erweitern.
An insgesamt elf Themengebieten animiert die App zu einem Perspektivwechsel von Besucher*in zu Forscher*in und macht realitätsgetreue AR-Szenen und Animationen, die auf Basis von 3D-Modellen der ESA und NASA entwickelt worden sind, einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Ein 3D-Modell des von Astronaut*innen beim Außenbordeinsatz getragenen Raumanzugs EMU in Lebensgröße wird in einem virtuellen Fenster in seine Bestandteile zerlegt; der Start einer SLS-Trägerrakete in den Weltraum sowie Bohrungen des Insight-Lander auf der Marsoberfläche bieten Einblicke und Detailansichten in wissenschaftliche Expeditionen und astrophysikalische Arbeit.
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Die komplexen Inhalte werden dabei über eine hybride App (eine Kombination aus native- und web-basierter App) zugänglich, indem Inhalte aus dem angebundenen Content Management System „shoutr.CMS” nachgeladen werden. Weil es nur den Download der App braucht, reduzieren sich das benötigte Datenvolumen und die erforderliche Speicherkapazität auf dem digitalen Endgerät der Besucher*innen.
Digitale Kuration und Gestaltung der vertiefenden Informationen passen sich für ein immersives Ausstellungs- und Vermittlungserlebnis im CMS individuell an die physische Ausstellungsgestaltung und -konzeption an. Während die Ausstellung im Universum® Bremen das Leben auf der Internationalen Raumstation ISS zeigt, baut sich in der AR-Animation die ISS im Raum auf und ermöglicht eine detaillierte Erkundung aus allen Perspektiven.
Über markerlose Trackings erweitert sich die Ausstellung darüber hinaus in den außermusealen Raum und die Inhalte können jederzeit und von überall mit der App aufgerufen werden. So holen sich Nutzer*innen das Museum nach Hause.
... mit 3D-Digitalisierung: Von zuhause das Museum entdecken
Die dreidimensionale Erfassung ganzer Ausstellungen bietet völlig neue Wege im Erleben, Vermitteln und Archivieren der musealen Arbeit. Indem nicht nur einzelne Exponate in 3D zur Verfügung gestellt, sondern komplette inhalts- und objektbasierte Präsentationen aus ihren zeitlichen und räumlichen Limits gehoben werden, entstehen vollkommen neue, nachhaltige und vernetzte Räume des Ausstellens. Jene Räume haben das Potential, den Ausstellungsbesuch zu erweitern und neue Zielgruppen zu erschließen. Sie beginnen dort, wo dem physischen Raum und dem physischen Exponat Grenzen gesetzt sind und überblenden analoge und digitale Potentiale.
Eine ganze Ausstellung in 3D. 200 Exponate auf 650 m2, zu erleben über die
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3D-Plattform Sketchfab und nun auch, in der eigens dafür konzipierten App „Near Life“. In Kooperation mit Studio Jester Blank machen die Staatlichen Museen zu Berlin ihre Ausstellung „Nah am Leben. 200 Jahre Gipsformerei“ (30.8.2019 - 1.3.2020) in einer dreidimensionalen Erfahrung nachhaltig zugänglich.
Linke Seite, oben: Die App kann auch zu Hause mit markerlosen Tracking genutzt werden © shoutr labs Rechte Seite, oben: Fotostation in der Sonderausstellung „Up-to-Space“ im Universum-Bremen © Universum® Bremen Rechte Seite, unten: Greenscreen in der Sonderausstellung „Up-to-Space“im Universum-Bremen © Universum® Bremen
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Im Gegensatz zu sphärischen Panoramen, in denen anhand von zweidimensionalen Aufnahmen Dreidimensionalität illusorisch erzeugt wird, baut die 3D-Ausstellung „Near Life“ erstmals auf vollständiges 3D-Landscanning und Photogrammetrie für eine akkurate dreidimensionale Rekonstruktion, der mit neuester Technik vermessenen Räume und Exponate. Auch langfristig bietet diese Herangehensweise ein großes Potential für Museen, da aufbauend auf den einmal erhobenen 3DRaumdaten weitere virtuelle Ausstellungen mit sehr viel geringen Aufwänden und Kosten erstellt werden können. Der virtuelle Ausstellungsbesuch ist dabei zu 100% selbstbestimmt. Das von Studio Jester Blank erstellte 3D-Modell der „Nah am Leben“-Ausstellung, das mit Hilfe von shoutr labs in eine App übertragen wurde, erlaubt dank der AR-Funktion einen Rundgang unabhängig von vorgegebenen Navigationspunkten. Intuition, Immersion und frei wählbare Routen bieten einen Ausstellungsbesuch, der sich am persönlichen Interesse und Interaktionsverhalten seiner Besucher*innen orientiert. Zur gezielten Vermittlung gibt es neue, digital vernetzte Möglichkeiten, die den Dialog suchen. In der Herausforderung, die Relevanz von Kulturgütern in einer komplexen, sich stetig verändernden Welt mit den Anforderungen an die kulturelle Bildung in einem digitalen Alltag zu vermitteln, spielen der Ausbau von Medienkompetenz und die Weiterentwicklung digitaler Angebote eine ausschlaggebende Rolle.
Digitalisierung muss generations- und länderübergreifend, unabhängig von sozialen und ökonomischen Faktoren Barrieren überwinden und kulturelle wie gesellschaftliche Teilhabe, wo sie analog limitiert ist, digital ermöglichen.
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Das funktioniert am besten mit einer intuitiven Nutzung und einem niedrigschwelligen Zugang. Die AR-App scannt dabei über die Kamera des Smartphones die Dreidimensionalität des umgebenden physischen Raums. Auf diesen Scan wird dann das 3D-Modell der Ausstellung projiziert.
In diesem Hybridraum gelingt die Bewegung vollkommen intuitiv und bietet dadurch einen Mehrwert, der über die zeitliche Begrenzung der Ausstellungspräsentation und einen globalen, barrierefreien Zugang hinausgeht.
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Insbesondere durch die Einnahme aller möglichen Perspektiven können Besucher*innen etwa die Gipsmodelle der Laokoon-Gruppe aus den Vatikanischen Museen oder eines 1892 abgeformten Mastermodells eines Krokodils (s.o.) wie auch Asta Grötings in akribischer Handarbeit vergoldeten „Acker“ aus jedem Blickwinkel ganz genau unter die Lupe nehmen, was nicht zuletzt neue Perspektiven für die Forschung eröffnet. Mit einer Navigation in Echtzeit sowie einer Anpassung der Blickwinkel an reale Bewegungen werden Distanz und Diskrepanz zwischen analogem und digitalem Raum zugunsten eines ganzheitlichen unmittelbaren Ausstellungserlebnisses aufgehoben.
Aktuell können die Museen nur mit erarbeiteten Hygienekonzepten eine geringe Anzahl an Besucher*innen den Zugang ermöglichen. Der praktische Diskurs über ihre digitale Zukunft ist offen denn je.
Linke Seite: 3D-Digitalisat des Gipsmodells der Laokoon Gruppe von 1844 (Detail), mit sichtbarem Mesh © Staatliche Museen zu Berlin, Gipsformerei / Studio Jester Blank Rechte Seite, oben: 3D-Digitalisat von Mastermodell eines Krokodils, 1892; Gips, schellackiert; Länge: 290 cm; Staatliche Museen zu Berlin, Gipsformerei, R-06580 zu sehen über die AR-Funktion der „Near Life App“ © Staatlichen Museen zu Berlin / Studio Jester Blank Rechte Seite, unten: Intro-Screen Near Life App zur virtuellen Begehung der Ausstellung “Nah am Leben. 200 Jahre Gipsformerei” © Studio Jester Blank / Staatlichen Museen zu Berlin
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