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Dr.-Carl-Häberlin-Friesen-Museum

Das Dr.-Carl-HäberlinFriesenmuseum auf Föhr

Ein Kleinod im Norden Autorin: Göntje Christiansen

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Das Dr.-Carl-Häberlin-Friesen-Museum auf der Nordseeinsel Föhr wurde im Jahr 1908 gegründet. Man gelangt durch ein mächtiges Tor aus Walkieferknochen auf das weitläufige Museumsgelände inmitten der Stadt Wyk. Neben dem Haupthaus findet man hier einen Freilichtmuseumskomplex und den schönen Rosengarten mit etwa hundert verschiedenen Rosensorten. Die Sammlung wuchs in den vergangenen gut einhundert Jahren immer weiter, sodass das Haupthaus bereits mehrmals erweitert wurde. Auch im Außenbereich kamen nach und nach historische Gebäude dazu.

Der Museumsgründer

1902 zog der schwäbische Arzt Carl Häberlin nach Föhr. Er war sehr interessiert an der Föhrer Kultur und Geschichte, engagierte sich im Naturwissenschaftlich-kulturhistorischen Verein der Insel und trug maßgeblich zur Gründung des Museums bei. Außerdem übernahm er die Leitung des Hauses bis zu seinem Tod 1954. Zum 25-jährigen Jubiläum des Museums änderte man ihm zu Ehren den Namen in „Dr.-Carl-HäberlinFriesen-Museum“. Als Allgemeinmediziner machte er oft Hausbesuche. Entdeckte er bei seinen Patienten etwas Interessantes für sein Museum, überzeugte er diese gern, es dem Museum zu überlassen.

Das Außengelände

Gegenüber des Haupthauses befindet sich das älteste erhaltene Haus der Insel. Haus Olesen – benannt nach der letzten Familie, die das Haus bewohnte – wurde 1617 im Dorf Alkersum errichtet. 1927 wurde es dort abgetragen und auf das Museumsgelände versetzt. Es zeigt die typische uthlandfriesische Bauweise. Beim Betreten des Hauses wird man zurückversetzt in die Vergangenheit. Das Leben mit dem Vieh unter einem Dach, die vielen landwirtschaftlichen Geräte und die einfach gehaltenen Wohnräume lassen erahnen, wie entbehrungs- und arbeitsreich sich das damalige Leben gestaltete. Heute haben Brautpaare die Möglichkeit, sich in der „Dörnsk“ (die Wohnstube des Hauses) standesamtlich trauen zu lassen.

Linke Seite, oben: Haus Olesen Foto: Jutta Kollbaum-Weber Linke Seite, unten: Dr. Carl Häberlin, Museumsgründer Foto: Sönke Ehlert Rechte Seite, oben: Dörnsk (Wohnstube) im Haus Olesen. Foto: Levke Martens Alle Fotos: © Dr.-Carl-Häberlin-Friesen-Museum

Auf dem Weg zur alten Midlumer Scheune kommt man an einer kleinen Bockwindmühle von der Hallig Langeneß vorbei. Sie wurde 1953 auf das Museumsgelände versetzt. Damals musste noch die gesamte Mühle, die auf einem Bock steht, per Hand in den Wind gedreht werden.

In der historischen Midlumer Scheune wurde früher Korn gedroschen und gelagert. Außerdem konnte man landwirtschaftliches Gerät unterstellen. Heute befindet sich unter anderem eine Walfangschaluppe in authentischer Größe darin. Derzeit entsteht eine weitere Ausstellung in einem anliegenden Haus. In diesen Räumen soll ab nächstem Jahr der Frage nachgegangen werden, was uns Föhrer ausmacht – was ist unsere Identität? Im Unterschied zum Haupthaus sollen hier die Bewohner von Föhr selbst im Fokus stehen und nicht ihre Erinnerungsstücke.

Die Sammlung

Die 600 m2 große Ausstellungsfläche ist aufgeteilt in zehn thematisch geordnete Räume. Von der Entstehungsgeschichte der Insel über die ersten Menschen, die in dieser Gegend lebten, bis hin zu Bräuchen, die bis heute lebendig sind, findet man hier wertvolle Zeugnisse aus der Föhrer Kulturgeschichte. In regelmäßigen Abständen zeigt das Museum außerdem unterschiedliche Sonderausstellungen zu insularen Themen.

Das älteste von Menschenhand gefertigte Fundstück der Insel ist eine etwa 8000 Jahre alte Knochenharpune. Dieses und weitere vorgeschichtliche Exponate im Raum „Archäologie“ belegen die menschliche Besiedelung von der mittleren Steinzeit bis hin zur Wikingerzeit. Besonders viele Funde gibt es aus der Bronzezeit zu sehen. Sie stammen aus zahlreichen Hügelgräbern dieser Zeitperiode.

In der naturkundlichen Abteilung erhält man einen Einblick in die Tierwelt auf der Insel. Dazu gehören auch verschiedene Jagd- und Fangmethoden, auf die die Insulaner in den vergangenen Jahrhunderten angewiesen waren. Die karge Insel erlaubte es nicht, ausreichend Getreide für alle Bewohner anzubauen. Fleisch diente zur Erweiterung des Nahrungsangebots. Eine große Besonderheit in diesem Raum sind die verschiedenen Mitmachstationen für Kinder sowie die zweisprachigen Texttafeln und Hörstationen. Neben Deutsch ist hier die friesische Übersetzung zu finden: Eine Sprache, die seit der Einwanderung der Friesen um 700 n. Chr. auf Föhr zum Alltag gehört.

Linke Seite: Bockwindmühle Rechte Seite, oben: Historische Scheune aus Midlum Fotos: Archiv Friesen-Museum Rechte Seite, unten: Sonderausstellung Foto: Levke Martens Alle Fotos: © Dr.-Carl-Häberlin-Friesen-Museum

Im Jahr 1819 wurde Wyk zum ersten Seebad an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste ernannt. Im Ausstellungsraum zur Seebadgeschichte ist unter anderem das Modell eines Warmbadehauses zu finden, das den ersten Inselgästen die Möglichkeit bot, in erwärmtem Meerwasser zu baden und zu duschen. Meeresheilkunde wurde Ende des 19. Jahrhunderts zu einer anerkannten Wissenschaft. Dr. Carl Häberlin wurde durch seine Forschungsarbeiten zum Pionier auf diesem Gebiet. Das Seebad lockte prominente Persönlichkeiten auf die Insel. Zum Beispiel verbrachte der dänische König Christian der VIII. seine Sommerurlaube gern in Wyk. Eine Lithografie zeigt das Ankommen des hohen Besuchs. Es war

der Beginn des Tourismus auf Föhr – heute die wichtigste Einnahmequelle.

Die Zeit der Seefahrer vom 17. bis zum 19. Jahrhundert hat das Leben auf Föhr geprägt. Sie gilt bis heute als „Ein goldenes Zeitalter der Insel“. Doch es war auch eine Zeit, in der die Männer lange von ihren Familien getrennt waren oder auf See blieben. Alternative Einnahmequellen gab es hier jedoch kaum und so brachen Jahr für Jahr nahezu alle seetüchtigen Männer auf, um im nördlichen Eismeer nach Walen zu jagen. Walspeck, der zu Lampenöl verarbeitet wurde, war ein lukrativer Rohstoff. Als die Walbestände deutlich zurückgingen und schließlich Petroleum den Waltran ablöste, stiegen sie auf die Handelsfahrt um. Im Obergeschoss zeugen Schiffsportraits und etliche Mitbringsel aus fernen Ländern von den Abenteuern, die die Föhrer damals erlebten. Eine Besonderheit der Insel war das ungewöhnlich gute Ausbildungssystem in Form von privat organisierten Navigationsschulen. Es verhalf überdurchschnittlich vielen Seemännern zum Aufstieg in die oberen Ränge an Bord eines Schiffes. Aufzeichnungen aus dieser Navigationsschulzeit zeigen eindrücklich das hohe Niveau des Unterrichts.

Nachdem sich die Bedingungen für Seefahrer ab Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmend verschlechterten und es zu politischen Veränderungen auf der Insel kam, entschlossen sich immer mehr junge Föhrer gegen eine Laufbahn als Seemann und stattdessen für eine Auswanderung nach Amerika. Es folgten mehrere große Auswanderungswellen. Die Auswandererabteilung zeigt, wie gut die Insulaner in Amerika vernetzt waren und welche Lebenswege einzelne Föhrer wählten.

Linke Seite, oben links: Raum Vorgeschichte Linke Seite, Mitte: Warmbadehaus Linke Seite, unten: Walfang Rechte Seite: Auswanderung Fotos: Levke Martens Linke Seite, oben rechts: Raum Naturkunde Foto: Jutta Kollbaum-Weber Alle Fotos: © Dr.-Carl-Häberlin-Friesen-Museum

Ein wesentlicher Bestandteil der Föhrer Kulturgeschichte sind die Traditionen und Bräuche, die zum großen Teil bis heute gepfl egt werden. Vom Biikebrennen im Februar über das Ringreiten im Sommer bis hin zum „Ütj-tu-kenknin“ an Silvester stellt das Museum unterschiedliche Bräuche vor. Außerdem fi ndet man die wertvollen Föhrer Trachten in der Ausstellung. Es ist nach wie vor üblich, dass die Föhrer Mädchen in ihrer Festtagstracht konfi rmiert werden. Auch zu Familienfesten und zur eigenen Hochzeit wird die Tracht noch getragen. Seefahrer brachten den wertvollen Trachtenschmuck mit auf die Insel. Als der Schmuck immer beliebter wurde, spezialisierten sich auch heimische Goldschmiede auf den fi ligranen Silberschmuck. Die Goldschmiedewerkstatt von Richard Goos aus Nieblum ist in Originalabmessungen mit Inventar ausgestellt. Das Friesenmuseum spielt einerseits durch seine Sammlung eine wichtige Rolle bei der Sicherung des kulturellen Gedächtnisses der Insel Föhr, zum anderen hat es sich zur Aufgabe gemacht, Wissen über das Inselleben ansprechend und zielgruppenorientiert zu vermitteln. Neben einer Bildersuche für kleinere Kinder und einer Museumsrallye für größere Kinder bietet das Friesenmuseum unterschiedliche öffentliche und individuell buchbare Führungen an. Im Museumsshop fi nden Gäste Bücher und Souvenirs passend zum Museum. Die umfangreiche Bibliothek und das Archiv können für Recherchearbeit genutzt werden. Unter den Insulanern und Gästen sind der festliche Weihnachtsmarkt und das Sommerfest sehr beliebt, die durch viele ehrenamtliche Helfer tatkräftig unterstützt werden.

AUDIOGUIDE DR. CARL-HÄBERLIN FRIESEN-MUSEUM

www.museum.de/m/2142

Dr. Carl-Häberlin Friesen-Museum Rebbelstieg 34 25938 Wyk Tel. 04681 - 2571 info@friesen-museum.de www.friesen-museum.de

Linke Seite: Trachten Foto: Levke Martens © Dr.-Carl-Häberlin-Friesen-Museum

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