Die Sache mit der Religion
Die Sache mit der Religion Ausstellung vom 12. Mai bis 30. Dezember 2017 Ein Gemeinschaftsprojekt des Museums Neukölln mit acht Neuköllner Schulklassen In acht Themenbereichen präsentiert die Ausstellung DIE SACHE MIT DER RELIGION einen vielseitigen Zugang zu den Weltreligionen in Neukölln. In Filmbeiträgen beantworten Expert*innen von Schüler*innen erarbeitete Fragen, die auch im Zusammenhang mit gegenwärtigen gesellschaftspolitischen Debatten stehen. Religiöse Alltagsobjekte, die zu einem großen Teil in Neukölln erworben wurden, verdeutlichen die religiöse Praxis der hier lebenden Menschen. Historische Zeugnisse und Objekte geben Aufschluss über die mitunter lange Tradi tion religiösen Lebens in Neukölln. Dieser Flyer bietet erste Infos zu den Ausstellungsobjekten. Weiterführende Informationen sind über die Web site www.religion-in-neukoelln.de abrufbar. Mit Ihrem Smartphone können Sie anhand von QR-Codes an jedem Objekt oder über ausleihbare iPads weitere Informationen aufrufen.
Veranstaltungsprogramm Sonntag, 8. Oktober, 11:30 Uhr Psalmen Lesung mit Uwe Kolbe Der Lyriker Uwe Kolbe taucht in seinem neuen Buch in die lange Tradition der biblischen Psalmen ein und zieht dabei alle sprachlichen Register: vom Profanen bis zum Erhabenen, vom flotten Gesang bis zum Stottern, vom tiefen Ernst bis zum Spiel mit Klängen und Formen. Sonntag, 5. November, 11:30 Uhr Was ist heute Religion? Prof. Dr. Susan Neiman im Gespräch mit Dr. Udo Gößwald In allen Weltreligionen ist die Zahl der Fanatiker*innen rasant gestiegen. Ist die Wiederkehr zu den Religionen ein Indiz für die Abkehr von Vernunft? Für die Philosophin und Direktorin des Einstein-Forums in Potsdam Susan Neiman gehören Vernunft und Religion zusammen. Diese Auffassung steht für sie im Gegensatz zum heute vielfach gepredigten Neoliberalismus.
Donnerstag, 23. November, 19 Uhr Bruno Bauers Religionskritik Vortrag von Prof. Dr. Gerald Hartung Der Religionsphilosoph Bruno Bauer ist Radikaler Denker, Atheist, Einsiedler, Antisemit. Bauer, der als „Einsied ler von Rixdorf“ in die Lokalgeschichte einging, gehört zweifelsfrei zu den umstrittensten Philosophen des 19. Jahrhunderts. Der Philosoph Gerald Hartung rückt mit seinem Vortrag Bauers Religionskritik und die seiner Zeitgenossen in den Fokus. Internationaler Tag der Menschenrechte, Sonntag, 10. Dezember, 11:30 Uhr Hawar – meine Reise in den Genozid Filmpräsentation und Gespräch mit Düzen Tekkal Die Journalistin Düzen Tekkal begibt sich 2012 auf eine Reise zu ihren jesidischen Wurzeln in den Nordirak. Dort hin, wo die Terrormiliz des islamischen Staats unfassbare Gräueltaten verübt. Die Dokumentation erzählt vom schweren Schicksal der jesidischen Bevölkerung und zeigt, dass Völkermorde bis heue traurige Realität sind. Der Eintritt zu allen Veranstaltungen ist frei.
Protestantismus Die hier gezeigte Tür stammt aus der im 13. Jahrhundert errichteten Buckower Dorfkirche. Die Kirche ist das älteste Gebäude in Neukölln und die zweitältes te Kirche Berlins. Die Tür aus Eichenholz gehört zum frühgotischen Portal der Turmwestseite, sie führt damals in das Turmgebäude und in das Kirchenschiff. Die ausgestellte Schmuckbibel ist eine Übersetzung nach Martin Luther aus dem Jahr 1649 und die älteste Bibel in der Sammlung des Museums. Das Titelbild die ser Ausgabe zeigt den christlichen Weg zum Heil aus evangelisch-lutherischer Perspektive. In dem Raum befinden sich außerdem sechs, zum Teil unterschiedliche, BibelÜbersetzungen aus heutiger Zeit.
Ausschnitt eines Fensters der Magdalenenkirche, Karl-Marx-Straße. Foto: Lukas Fischer
Die Schüler*innen der Evangelischen Schule Neukölln haben sich in einer Vitri ne mit dem Glauben der Böhmischen Brüder sowie mit deren Verständnis von Toleranz und Integration auseinandergesetzt.
Katholizismus Von der Decke hängt die in Handarbeit hergestellte Vereinsfahne des Rixdorfer Katholischen Arbeitervereins „St. Josef“. Die Zahl der Katholiken in Neukölln hat sich von 1900 bis 1911 auf 23 000 Gläubige mehr als verdoppelt. Mit fortschrei tender Industrialisierung nimmt die Gründung von Arbeitervereinen zu. Sie dien en der Artikulation von sozialpolitischen Forderungen. Auch die christliche Kirche regt die Bildung von Vereinen an, um den Glauben und die Solidarität zu fördern. An der Wand befinden sich verschiedene katholische Devotionalien. Bis heute spielen Devotionalien im Katholizismus eine wichtige Rolle. Die kleinen Objek te versinnbildlichen den Glauben oder dienen der Andacht. Sie stehen dabei in der Tradition der Votivbilder oder -gaben, die bis ins Mittelalter oder noch wei ter zurückreicht. Ein Grund dafür ist die Heiligenverehrung sowie der Glaube an Schutzheilige, der unter manchen Katholik*innen stark ausgeprägt ist. Die Schüler*innen der Katholischen Schule St. Marien haben sich mit der Bedeutung des Kreuzes und künstlerischen Kirchenfenstern befasst und diese nachgebildet.
Holzskulptur der Heiligen Maria mit Jesuskind auf dem Arm in der Kirche der St. Clara Gemeinde, Briesestraße. Foto: Lukas Fischer
Atheismus Bereits im 19. Jahrhundert gibt es eine atheistische Bewegung in Rixdorf. Als einer ihrer herausragenden Persönlichkeiten geht Bruno Bauer in die Lokalge schichte ein. In seiner 1842 erschienen Schrift „Die gute Sache der Freiheit und meine eigene Angelegenheit“ formuliert der Theologe und Philosoph seinen Bruch mit der Religion. Die in der Vitrine gezeigten Schuhe tragen ihr Statement auf der Sohle. „Ich bin Atheist“ steht unter jedem der Schuhe, die seit 2012 von einem kleinen internationalen Team in Berlin, Porto und London produziert werden. Die Idee ergibt sich aus der Überlegung, auch Nicht-Gläubigen die Gelegenheit zu ge ben, ihre Überzeugung nach außen zu tragen.
Detail eines astronomischen Messinst ruments in der Archenhold-Sternwarte, Treptow. Foto: Lukas Fischer
Judentum Die historische Postkarte zeigt den Innenraum der 1907 eingeweihten jüdi schen Synagoge, die im Hinterhof der Rixdorfer Isarstraße 8 stand. Im reichs weiten Pogrom am 9. November 1938 zerstören Antisemit*innen viele Neuköll ner Geschäfte mit jüdischen Inhaber*innen und verwüsten auch die Synagoge. Seit 1939 gibt es keine jüdische Gemeinde mehr in Neukölln. In der Wandvitrine befinden sich Mesusot in verschiedenen Ausführungen. Me susa bedeutet im Hebräischen Türpfosten und bezeichnet eine Schriftkapsel, die in einem traditionellen jüdischen Haushalt an jedem Türrahmen befestigt wird. In dieser Kapsel befindet sich ein eingerolltes Pergamentpapier mit den zwei Toraversen des täglichen jüdischen Gebets. Die Figur des Golem ist eine Legende aus der jüdischen Mystik und gilt als Helfer und Beschützer der jüdischen Gemeinde. Schüler*innen des Albert-Ein stein-Gymnasiums haben im Kunstunterricht ihren eigenen Golem erschaffen. Detail eines Wandbehangs in der Synagoge am Fraenkelufer, Kreuzberg. Foto: Lukas Fischer
Islam Die historische Postkarte stammt aus dem Jahr 1901. Darauf abgebildet ist das achtkantige Grabmonument, das bis heute auf dem Türkischen Friedhof am Columbiadamm steht. Das Grabmonument wird zur Erinnerung an die fünf ers ten Muslime aufgestellt, die auf dem Türkischen Friedhof im 18. und 19. Jahr hundert beerdigt werden. In der Wandvitrine sind Gebetsketten in verschiedenen Ausführungen zu se hen. Die im Islam gebräuchliche Gebetskette hat unterschiedliche Namen, wo bei „Tespih“ im Türkischen am häufigsten benutzt wird. Im Arabischen nennt man sie „Misbaha“ oder „Subha“. Die Gebetskette wird als Gebetshilfe genutzt. Sie besteht in der Regel aus 99 Perlen, die für die 99 Namen Allahs stehen.
Ausschnitt eines Ornaments in der sunnitischen Şehitlik Moschee, Columbiadamm. Foto: Lukas Fischer
In der Vitrine darunter befinden sich verschiedene Kopftücher und dazugehö rige Accessoires. Für viele muslimische Frauen ist es ein religiöses Gebot, den Kopf zu bedecken. Sie beziehen sich dabei auf den Koran. Doch die Deutung der Textpassagen ist vielschichtig und so gibt es auch gläubige Muslimas, die kein Kopftuch tragen. Die Schüler*innen des Albrecht-Dürer-Gymnasiums haben einen weißen Styro porkopf mit einem leuchtend roten Kopftuch bedeckt. Im Kopf der Figur ste cken Nadeln, die die kontroversen Meinungen dazu verdeutlichen. Rote Schrift bezeichnet negative, grüne Schrift positive Assoziationen zum Thema Kopftuch bei muslimischen Frauen.
Ausschnitt eines Ornaments in der sunnitischen Şehitlik Moschee, Columbiadamm. Foto: Lukas Fischer
Hinduismus Die Pfauen-Figur stammt vom Dach des Sri Mayurapathy Murugan Tempels in der Neuköllner Blaschkoallee. Der Pfau als Reittier gilt als Erkennungszeichen des Gottes Murugan, der im Tempel verehrt wird. Der hinduistische Tempel wurde 2013 eingeweiht und zählt ca. 600 Mitglieder aus ganz Berlin. Daneben befinden sich Gegenstände, die traditionell in der hinduistischen Ge betszeremonie, der Puja, Verwendung finden. Die Puja ist eine rituelle Form der Verehrung und gehört im Hinduismus zu den wichtigsten Bestandteilen des religiösen Alltags. Die Schüler*innen vom Campus Efeuweg haben einen hinduistischen Schrein nachgebaut. Im Hinduismus dienen Schreine der Verehrung von Göttern und Heiligen und befinden sich typischerweise in Tempeln, aber auch in Privaträu men.
Elefantenköpfige Gottheit Ganesha vom Sri Mayurapathy Murugan Tempel, Blaschkoallee. Foto: Lukas Fischer
Buddhismus Das großformatige Foto zeigt einen buddhistischen Altar im Neuköllner Ne ckarstraßenzentrum. Dieser Altar wird vor allem für die Durchführung der bud dhistischen Gebetszeremonie, der Puja, verwendet. Puja bedeutet „Verehrung“ oder „Ehrerweisung“. Bei den Buddhisten wird in einer Puja der historische Bud dha Siddhartha Gautama verehrt. Die hier gezeigten Figuren sind verschiedene Darstellungen des Buddha. Bei Anhänger*innen des Buddhismus sind Buddha-Darstellungen fest ins religiö se Leben integriert. Buddha-Figuren verfügen meist über typische körperliche Merkmale. In künstlerischen Arbeiten haben sich Schüler*innen des Albert-Einstein-Gym nasiums mit dem Buddhismus auseinandergesetzt. Entstanden sind u. a. ein Ölbild mit dem Porträt Buddhas, eine Tonfigur des Buddha sowie ein buddhis tisches Gewand. Ausschnitt eines Wandteppichs aus dem buddhistischen Tempel im Neckarstra ßenzentrum. Foto Lukas Fischer
Angebote für Schulen Workshop in der Ausstellung In sieben Gruppen können Schüler*innen mit Hilfe ihres eigenen Smartphones und der Website www.religion-in-neukoelln.de verschiedene Fragebögen zu den Themen Protestantismus, Katholizismus, Atheismus, Judentum, Islam, Hinduismus und Buddhismus bearbeiten. In einer Abschlussrunde präsentieren die Gruppen ihre Ergebnisse. Im Gespräch wird über die Bedeutung von Religion oder Nichtreligion in unserer heutigen Gesellschaft diskutiert. Umfang: 3 Stunden mit Pause mittwochs, donnerstags oder freitags Anfragen und Infos unter museumslehrer@museum-neukoelln.de oder 030 627 277 717 Eine Ausstellung in Kooperation mit:
Die Texte zur Ausstellung finden Sie alle auf
www.religion-in-neukoelln.de
Museum Neukölln · Alt-Britz 81 · 12359 Berlin Täglich geöffnet 10 – 18 Uhr · Tel.: 030 627 277 716 www.museum-neukoelln.de