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Erster Akt, zweite Szene Lizas Büro, am selben Tag

(Ein eichengetäfelter Raum in Georgianischem Stil; sehr eindrucksvoll, wie es für die Herausgeberin der erfolgreichsten Frauenzeitschrift des Landes angemessen ist. Es ist allerdings kein feminin wirkender Raum: Der Schreibtisch ist der eines Mannes, die Sessel sind groß und schwer, und vor den Fenstern hängen strenge Vorhänge.

Das Büro ist momentan leer, abgesehen von einer lebensgroßen Ankleidepuppe, die, prachtvoll in ein Abendkostüm gekleidet, in der Mitte des Raumes steht und eine erstaunliche Ähnlichkeit zu Greta Garbo aufweist. Das Telefon läutet. LIZAS Sekretärin MISS FOSTER, eine junge Frau Mitte zwanzig und sehr hübsch, nimmt am Schreibtisch den Telefonhörer ab.)

MISS FOSTER

Hallo? Nein, Miss Foster hier. Stellen Sie ihn durch. Hallo ... Nein, Mister Nesbitt, sie ist noch nicht hier. Momentchen! (Sie blickt auf ein Buch auf dem Schreibtisch.) Sie hat ein paar Besprechungen und eine Verabredung zum Essen. Ja, Mister Nesbitt, wird ausgerichtet.

(Sie legt auf und macht eine Notiz im Terminkalender. Eine großgewachsene, gertenschlanke, hübsche, BLONDE JUNGE FRAU schaut zur Tür herein. Ihre Art charakterisiert sie sofort als das, was sie ist: die Empfangsdame für den Strom von Berühmtheiten, der durch die Redaktionsräume von Allure sprudelt. Sie versichert sich, dass MISS FOSTER allein ist, und stürmt dann zu ihr.)

(Atemlos) Elinor – hast du ihn gesehen?

Randy Curtis?

Ja.

MISS STEVENS

MISS FOSTER

MISS STEVENS

Nein, zu blöde. Ich war gerade oben.

MISS FOSTER

MISS STEVENS

Oh, Gott! Was soll ich sagen? Oh, Gott!

Ist er wirklich so ...?

MISS FOSTER

MISS STEVENS

(Inbrünstig) Er ist der schönste Mann auf der ganzen Welt, ein – Adonis!

MISS FOSTER

Verdammt! Wann kommt Miss Elliott nur endlich?

MISS STEVENS

Hör zu. Ich such’ gerade im Telefonbuch ’ne Nummer, da kommt er an den Empfang. Er sagt, „Ich soll hier fotografiert werden“, und seine Stimme durchfährt mich wie ein Pfund Kokain. Ich sehe hoch – in seine Augen – und ich vergesse einfach zu atmen. Minutenlang! (Andächtig) Elinor, wirklich! So einen schönen Mann habe ich noch nie gesehen.

(MAGGIE GRANT schlendert herein. Eine gutaussehende Frau Anfang vierzig. Ein wenig säuerlich, wenn Humor gefragt ist, ansonsten jedoch fröhlich und bodenständig.)

Guten Morgen, Miss Grant!

MAGGIE

Morgen, Mädels! Ist Miss Elliott immer noch nicht da?

MISS FOSTER

Nein. Mit ihren Terminen wird es heute ziemlich knapp.

MISS FOSTER & MISS STEVENS

MISS STEVENS

(Immer noch mit leuchtenden Augen) Miss Grant, haben Sie ihn gesehen? Randy Curtis!

Flüchtig. Nicht übel.

MAGGIE

MISS STEVENS

(Empört) Nicht übel?! Das ist ja wohl nicht Ihr Ernst! „Nicht übel“!

MAGGIE

Ich habe schon ein paar Jahre mehr auf dem Buckel, Mädels, ich weiß, wovon ich Migräne kriege. Lassen Sie die Finger von ihm. Selbst wenn Sie ihn bekämen, er wäre Gift für Sie.

MISS STEVENS

Kann man sich einen schöneren Tod vorstellen? Egal – ich kann ihn ja im Kino angucken. (Auf dem Weg zur Tür hält sie bei der Kleiderpuppe inne.) Kommt dies in die nächste Ausgabe, Miss Grant?

MAGGIE

Ja, wenn Miss Elliott es absegnet. (Sie geht um die Puppe herum.) Manchmal glaube ich, die Chanel entwirft ihre Kostüme, wenn sie bei Picasso zu Besuch ist.14 .

(LIZA tritt raschen Schrittes ein, murmelt „Guten Morgen“, wirft den Hut ab und geht direkt zum Schreibtisch. Sie schaut rasch auf ihre Armbanduhr und dann auf den Terminkalender.)

LIZA

Sagen Sie mir nur, wer auf mich wartet, Miss Foster. Ich will zuerst mit Miss Grant sprechen.

MISS FOSTER

Mister Johnson ist draußen, die Drucker warten und Mister Adams. Mister Nesbitt hat versucht, Sie anzurufen. Er kommt her, um Sie zu sehen. Ich habe ihm gesagt, Sie hätten eine Verabredung zum Lunch. Er sagte, Sie mögen bitte auf ihn warten.

LIZA

In Ordnung. Ich werde Mister Johnson in ein paar Minuten empfangen – die anderen werden sich gedulden müssen. Schicken Sie Mister Nesbitt herein, wenn er kommt. Schließen Sie bitte die Tür.

(LIZA setzt sich. Sie blättert kurz in den Briefen auf dem Schreibtisch, während MISS STEVENS und MISS FOSTER hinausgehen. Dann sieht sie MAGGIE an.)

MAGGIE

(Betrachtet sie für einen Augenblick) Und? Hattest du deinen Termin beim Zauberer von Oz?

Ja.

LIZA

Was hat er gesagt?

MAGGIE

Er wusste nicht, was los ist mit mir. (Erhebt sich) Das wird eine langwierige Sache, Maggie.

MAGGIE

Sicher – zu schnell darf es nicht gehen, bei zwanzig Dollar die Stunde. Wie ist es? Was macht er mit dir?

LIZA

Er macht gar nichts.

MAGGIE

Oh, das ist ja toll! Er tut also nichts. Und du?

LIZA

Ich liege auf der Couch und rede. Er hört zu. Es ist ziemlich verblüffend.

MAGGIE

Verblüffend? Ich hör’ dir seit Jahren zu, und zwar umsonst.

LIZA

(Müde) Bitte, Maggie.

LIZA

MAGGIE

Tut mir leid. (Sie steht auf und geht zu LIZA.) Ich weiß, dass es dir gerade nicht besonders gut geht, Liza, aber es kommt mir merkwürdig vor, dass ausgerechnet du so etwas machst. Es passt nicht zu dir. Psychoanalyse ... Ich weiß, dass es andere Leute tun, aber ich wünschte, du nicht. In sich nach Dingen zu wühlen, die einem womöglich eine Heidenangst einjagen. Na, dem würde ich was erzählen!

LIZA

Ich muss es auf jeden Fall probieren. (Sie zündet sich eine Zigarette an und raucht eine Weile nachdenklich.) Am Ende der Sitzung sagte er etwas, das mich überrascht hat.

Über dich?

MAGGIE

Ja.

MAGGIE

Aha. Na, ich hoffe, es funktioniert. Ich bete zu Gott, dass es hilft. Aber ich glaube kaum, jemand könnte mich davon überzeugen, dass ich keine Artischocken mag, bloß weil meine Mama mich mit zwei Jahren verkehrtherum aufs Töpfchen gesetzt hat.

LIZA

(Die Tür fliegt auf und ALISON DU BOIS rauscht herein – unter Volldampf. Sie ist undefinierbar irgendwo zwischen dreißig und fünfzig Jahre alt und über und über mit Modeschmuck behängt. In Wirklichkeit ist sie so amerikanisch wie Appleton, Wisconsin15, aber nichts auf der Rue de la Paix16 ist auch nur annähernd so französisch wie MADEMOISELLE DU BOIS.17)

ALISON

Dingdong, Darling, segnest du wohl meine Kolumne für die Osterausgabe ab? Hoffentlich magst du sie. Sie ist so chic! Sie heißt „Pourquoi pas“. (Sie liest aus einem maschinengeschriebenen Blatt vor.) „Warum ziehen Sie nicht einfach Ihre alten Champagnerkorken auf Schnüre, um damit die Vorhänge auf Ihrer Sonnenveranda zurückzubinden? Vor dem Rittersporn werden sie entzückend aussehen! Warum schmelzen Sie nicht Ihr altes Silberbesteck ein und gießen daraus einen Kleenex-Spender fürs Boudoir? Vor der neuen quadratischen Badewanne wird er umwerfend aussehen. Warum funktionieren Sie Ihren alten Zobel nicht zu einer Spieldecke für den Sprössling um? Babys lieben Zobel.“

MAGGIE

Ihr Pudel wird langsam altersschwach? Stopfen Sie ihm einfach einen Besenstiel in den Hintern und schon haben Sie einen praktischen Mob für Ihren empfindlichen Parkettfußboden. Pourquoi pas?

ALISON

Maggie, meine Beste, darf ich dich daran erinnern, wie du dich über meine „Wollen Sie nicht mal“-Kolumne lustig gemacht hast? Sie schlug ein wie eine Bombe. Liza-Darling, findest du meine Idee nicht auch chic? Du machst etwas damit, nicht wahr?

LIZA

Lass es hier, Alison – ich überfliege es noch mal.

ALISON

(Gibt LIZA die Blätter) War eine von euch gestern bei der Premiere? Das Stück war so chic! Ich kam gerade rechtzeitig, als die Zuschauer aus dem Theater kamen. Alle sahen entzückend aus. (ab)

MAGGIE

Liza – ich wünschte ... (Es klopft.)

Herein.

LIZA

(Der hereinkommende RUSSELL PAXTON ist der Modefotograf des Blatts – der Cecil Beaton18 von Allure. Er ist noch keine dreißig, ist im Auftreten aber ganz die alte Schule und wirkt auf charmante Weise ein wenig effeminiert.)

RUSSELL

(Hysterisch, wie üblich) Mädels, dieser Mann ist ein Gott! Ich habe schon viele schöne Männer fotografiert, aber dieser hier ist einfach ... génial! Liza, du musst mit ihm plaudern. Er hat nach dir gefragt. Uh!! Ich will ein Bild von ihm in Farbe als Hauptmann der königlichen Leibgarde, aber das verdammte Kostüm ist noch nicht da. Jetzt sitzt er seit ’ner halben Stunde in einem Cowboy-Outfit im Studio herum. Maggie, hast du ihn gesehen? Hast du ihn gesehen?! Das ist doch kein Geschöpf von dieser Welt, oder? Oder?! Oder nicht? Nein! Er hat ein Gesicht, das einem quasi auf der Zunge zergeht ... Liza, sei nett zu ihm – er hat die Warterei geduldig wie ein Engel ertragen. Er ist ein Engel! (Er stürmt hinaus.) Nein, er ist ein Gott!

(Erhebt sich. Trocken) Was war das?

LIZA

Randy Curtis.

Ah, klar.

MAGGIE

Die ganze Redaktion ist aus dem Häuschen.

MAGGIE

LIZA

(Es klopft an der Tür.)

Herein.

LIZA

(CHARLEY JOHNSON schlendert herein, den Hut hat er in den Nacken geschoben, den Mantel trägt er überm Arm und lässt ihn über den Boden schleifen. Im Gesicht trägt er die Spuren eines ausschweifenden Lebens, Reste seines früheren guten Aussehens haben sich aber erhalten. Für Leute, die ihn mögen, ist CHARLEY der größte Charmeur auf Erden.)

Morgen.

CHARLEY

Guten Morgen, Charley19 .

(zwickt MAGGIEs Wange)

LIZA

CHARLEY

Hi, Puppe!

Charley!

(stößt ihn von sich)

MAGGIE

CHARLEY

Meinst du, du kriegst mich vor dem Essen noch unter?

LIZA

Würdest du wohl eine Minute warten, Charley? Ich habe ein Gespräch mit Randy Curtis. Dauert nicht lange. Warte hier.

Aye aye, mon capitain. (Er geht zu MAGGIE.) Zungenkuss gefällig?

CHARLEY

MAGGIE

(Wehrt ihn ab) Abstand, Charley – du riechst wie ’ne Eckkneipe.

CHARLEY

Du hast ja so recht. (Schlendert zur Kleiderpuppe und lüftet deren Rock) Hallo, junge Frau!

(Die Tür geht auf, und RUSSELL erscheint mit RANDY CURTIS im Schlepptau. CURTIS ist tatsächlich schön wie ein Gott – selbst das Cowboykostüm, das er verlegen am Körper trägt, kann nicht von seinem überwältigend guten Aussehen ablenken. Er ist groß, sonnengebräunt, blond, all das, was sich eine Frau gemeinhin unter einem tollen Kerl vorstellt. Er hat nichts von einem „Film-Hübschling“ an sich. Er ist markant, kraftvoll, eben, wie es MISS STEVENS so treffend formulierte, ein Adonis.)

(Als spräche er ein Gebet) Mister Randy Curtis.

RUSSELL

LIZA

Sehr erfreut, Mister Curtis. Ich bin Liza Elliott.

Sehr erfreut.

RANDY

LIZA

Das ist Margaret Grant, unsere Moderedakteurin. Und Charley Johnson, unser Werbechef. (Die anderen murmeln „Angenehm“ u. Ä.) Wir danken Ihnen wirklich sehr, dass Sie sich für uns fotografieren lassen.

RANDY

Freut mich. Mister Paxton meinte, es wäre okay, so hier aufzutauchen – mein Pferd habe ich draußen angeleint. (Reumütig) Als Filmschauspieler muss man wirklich die blödesten Sachen machen!

LIZA

(Lächelnd:) Wir sind Schlimmeres gewohnt, Mister Curtis – wir sind ein Modemagazin. Bitte setzen Sie sich.

RUSSELL

Um Himmels Willen, bloß nicht! Die Hosen sind nur geknöpft! Die haben die falsche Größe geschickt.

MAGGIE

(Lacht) Sie müssen was mitmachen, Mister Curtis!

RANDY

Oh, mich bringt nichts mehr aus der Fassung – letzte Woche bei meiner Ankunft in Grand Central hat mir der Mob fast die Hose vom Leib gerissen.

RUSSELL

Man betet ihn an! Man liegt ihm zu Füßen!

LIZA

Wie lange bleiben Sie in New York, Mister Curtis?

RANDY

Ich fahre heute Nachmittag zurück. Ich hatte nur eine Woche zwischen zwei Drehs.

Ah.

LIZA

RANDY

(Er lächelt sie an.) Sie erinnern sich wohl nicht an mich, Miss Elliott. Wir sind uns schon mal begegnet.

Nein! Wirklich? Wo denn?

RANDY

Schon gut. Es war nur ein Dinner. Aber hinterher haben wir uns ganz gut unterhalten.

LIZA

Oje. Wo war das?

RANDY

Es war bei Mrs. Brackett – etwa vor einem Jahr. Ich fuhr Sie nach Hause. Wissen Sie nicht mehr? Wir haben im Auto gesessen und geredet.

LIZA

Natürlich, natürlich! Furchtbar, dass ich es vergessen habe.

MAGGIE

Wollen Sie mich nicht mal nach Hause fahren, Mister Curtis? Ich werde es bestimmt nicht vergessen!

LIZA

LIZA

Das passiert mir ständig! Können Sie mir verzeihen? Haben wir noch Zeit für einen Drink, bevor Sie weg müssen? Furchtbar, dass ich es vergessen habe.

RANDY

Tut mir leid, aber es geht nicht. Mein Zug geht um vier, und ich muss vorher noch rasch ins Hotel, um meine Sachen zu packen. Ich melde mich, wenn ich das nächste Mal in der Stadt bin.

LIZA

Gerne. Vielleicht finden wir Zeit für ein Dinner.

CHARLEY

(Tritt plötzlich vor) Mister Curtis, darf ich Sie um ein Autogramm bitten?

(Erstaunt) Nun ... äh ... (Er sieht CHARLEY an.) Das soll ein Scherz sein, oder?

RANDY

CHARLEY

(Mit großen Augen und Unschuldsmiene) Oh, nein. Ich sammle von allen Kinostars Autogramme. Ich klebe sie in ein großes Buch und schaue sie mir an, wenn es draußen regnet.

(Unterdrückt seinen Zorn) Also wirklich!

RUSSELL

Bitte?

CHARLEY

(Hält RANDY Papier und Stift entgegen)

(Betreten; barsch)

Okay.

(Nimmt Papier und Stift) Für Regenwetter.

RANDY

(MISS STEVENS drapiert sich mit maximaler Biegsamkeit in der Tür.)

MISS STEVENS

Mister Paxton, das Kostüm ist eingetroffen.

(Sie genießt den Extrablick auf ihr Idol.)

RUSSELL

(Schnappt sich das Papier und den Stift aus RANDYS Händen und wirft sie Richtung CHARLEY) Und beachten Sie den da einfach nicht. Er ist zu seltsam, als dass es ein Wort dafür gäbe. Kommen Sie, Randy. Farbfotos brauchen ihre Zeit.

(Händeschütteln mit LIZA)

RANDY

Auf Wiedersehen, Mrs. Elliott.

LIZA

Wiedersehen, Mr. Curtis, und nochmals danke.

MAGGIE

Ehrlich, Charley, was bist du nur für ein Stinktier! Was sollte das?

CHARLEY

Keine Ahnung. Manchmal reitet mich einfach der Teufel.

MAGGIE

Lass den Scheiß – für so was bist du zu alt. (Weist im Hinausgehen auf die Kleiderpuppe) Was ist mit Morticia Adams? Machen wir was mit ihr?20

Ja.

MAGGIE

Okay. Ich lasse sie zu Russell runterbringen.

LIZA

(Sie geht hinaus. Danach herrscht eine Weile Schweigen. CHARLEY schaut LIZA an und pfeift durch die Zähne eine falschtönende, willkürliche Melodie. Dann endlich:)

LIZA

Charley! Ich weiß nicht, wie ich mich für das Unentschuldbare entschuldigen könnte. Bäte ich dich jetzt um Verzeihung, würde ich mich damit nur selbst entlasten wollen. Nach meinem Verhalten gestern gibt es dafür aber kaum eine Berechtigung, fürchte ich.

(Pause.)

CHARLEY

Darf ich den Briefbeschwerer behalten? (Er holt den Briefbeschwerer aus der Tasche und wirft ihn spielerisch in die Luft.) Später kann ich meinen Enkeln erzählen, was Opa im Krieg zu erdulden hatte. Oder willst du noch weitere Personen damit bewerfen?

LIZA

(Ärgerlich) Das wäre dann alles, Charley. Das Thema ist beendet. (Es klopft.)

Herein.

(Zwei BÜROGEHILFEN erscheinen.)

ERSTER BÜROGEHILFE

Miss Grant meinte, wir sollen die Puppe da runter ins Studio bringen.

LIZA

Ja. Sagen Sie Mister Paxton, wir brauchen davon eine Farbdoppelseite.

Ja, Miss Elliott.

ERSTER BÜROGEHILFE

(Die beiden BÜROGEHILFEN tragen die Kleiderpuppe hinaus. LIZA wartet ungeduldig, bis sie draußen sind. JOHNSON pfeift wieder durch die Zähne.)

LIZA

Schluss damit, Charley. Pfeif draußen weiter!

CHARLEY

(Er schaut sie an, und bricht dann plötzlich in Gelächter aus.) Du machst mich fertig, Führungskraft.

LIZA

(Wirft die Papierschneidemaschine, mit der sie herumgespielt hat, auf den Schreibtisch) Hör zu, Charley. Ich kann dich nicht leiden. Habe ich noch nie. Dein sogenannter Charme hat sich mir nie erschlossen, und mich stößt ab, was du für amüsant hältst, wie diese kleine Episode gerade mit Mister Curtis. Du bist hier, weil du deinen Job gut machst, und ich habe mich bei meiner Arbeit an der Zeitschrift noch nie durch persönliche Abneigungen ablenken lassen. (Das Telefon läutet.) Ja? Schicken Sie ihn herein. (Sie legt auf und stellt sich mit dem Rücken zu JOHNSON vor den Kamin.) Beschränke in Zukunft deine Äußerungen doch bitte auf deine Aufgabe. Und wenn du das nicht kannst, findest du vielleicht woanders angenehmere Arbeitsbedingungen.

Na so was!

CHARLEY

(Als er hinausgehen will, öffnet sich die Tür und KENDALL NESBITT tritt ein.)

Morgen, Johnson.

CHARLEY

Morgen. Vorsicht! Frau Lehrerin ist schlecht drauf!

KENDALL

(Er geht hinaus. NESBITT schaut ihm kurz nach, geht dann zu LIZA und nimmt sie in die Arme.)

(Küsst sie liebevoll) Hallo, Liebling. Fühlst du dich besser?

KENDALL

Hallo, Kendall. Ein wenig.

LIZA

(KENDALL NESBITT ist ein jung gebliebener Mann in den Fünfzigern. Das angenehme Leben eines wohlhabenden Mannes hat ihn mit einem Glanz ausgestattet, den er mit passender Eleganz trägt. Er ist gerade an den richtigen Stellen grau meliert und gut gekleidet, sein Gesicht ist zwar hübsch, aber weichlich und schwach.)

KENDALL

Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht, Liza – mehr, als ich dich je habe spüren lassen. In meiner eigenen dummen Art habe ich überlegt, was dir so zu schaffen macht. Liza, ich denke, das Problem ... sind wir!

(Schaut ihn lange an) Kendall, ich verstehe nicht.

LIZA

KENDALL

Liza, eine Frau kann bei einer solchen Art von Leben keine Erfüllung, keinen Frieden, keine Ruhe finden. Ich fürchte, genau da liegt das Problem. (Er zieht sie an sich.) Ich habe gestern Abend lange mit Kate geredet. Wir kommen jetzt viel besser miteinander aus. (Er dreht sie zu sich.) Sie hat in die Scheidung eingewilligt. Endlich!

Oh ...

KENDALL

Sie fährt nächste Woche nach Mexiko. Wir haben heute Morgen die finanziellen Details besprochen. (Er schüttelt reumütig den Kopf.) Kate hat hart verhandelt. Sie bekommt praktisch alles außer der Küchenmaschine. Egal. Das ist es wert. (Halbherzig)

LIZA

(Ihm wird plötzlich bewusst, dass sie nicht zuhört.) Liza, was ist los? Genau das haben wir uns doch immer gewünscht.

LIZA

Ja ... Ja, natürlich, Kendall. (Sie bedeckt mit ihren Händen die Augen.) Was ist bloß mit mir ...?

KENDALL

Liza, um Himmels Willen, warum gehst du nicht endlich nach Hause? Warum setzt du dich so unter Druck, wenn es dir nicht gutgeht? Maggie bringt das Heft raus – du weißt sehr gut, dass sie das kann.

LIZA Es ist besser für mich hier – ehrlich. Komm heute Abend zum Dinner. Dann können wir reden.

KENDALL

Du siehst nicht gut aus. Lass mich dich nach Hause bringen.

LIZA

Bitte, Kendall! Ich weiß, was gut für mich ist. Lass mich jetzt allein.

(MISS FOSTER öffnet die Tür und bleibt in der Türöffnung stehen.)

MISS FOSTER

Mister Curtis wäre noch einmal da, Miss Elliott.

Mister Curtis? Warum…? Ja…

LIZA

Treten Sie näher, Mister Curtis.

MISS FOSTER

(RANDY tritt ein. Er trägt jetzt einen konservativen schwarzen Geschäftsanzug.)

Oh, Verzeihung, ich ...

LIZA

Das geht in Ordnung. Das ist Kendall Nesbitt. Randy Curtis.

RANDY

(Sie begrüßen einander.)

Oh, ja! Sehr erfreut, Sie kennenzulernen!

RANDY

Vielleicht können wir uns heute zu diesem Dinner verabreden? Ich habe gerade einen Anruf aus Los Angeles bekommen. Ich bleibe noch drei Tage hier.

KENDALL

Oh, tut mir leid. Heute Abend geht es nicht.

LIZA

Und morgen?

LIZA

Morgen Abend ... morgen Abend. Ja. Sicher. Es würde mich freuen. (Sie steckt sich nervös eine Zigarette an.) Würde es Ihnen etwas ausmachen, mich hier abzuholen, Mister Curtis? Gegen halb acht? Morgen ist Redaktionsschluss, und ich werde bis zur letzten Minute arbeiten müssen.

RANDY

RANDY

Ich werde hier sein. Schön, dass es klappt. (Kurzes, peinliches Schweigen) Na dann, noch mal auf Wiedersehen. Und schön, Sie kennengelernt zu haben, Mister Nesbitt.

(Er rennt geradezu hinaus.)

KENDALL

(Schaut ihm nach. Er lacht) Das war doch eine Szene aus einem seiner Filme! Hattest du nicht gesagt, du bist morgen Abend zum Essen bei den Newtons?

LIZA

Oh, Gott. Ja. Das habe ich völlig vergessen. Ich rufe ihn an und sage ab. Ich habe bloß „Ja“ gesagt, um ihn loszuwerden.

Soll ich auch gehen?

LIZA

Wenn es dir nichts ausmacht? Draußen wartet eine ganze Horde von Leuten auf mich.

KENDALL

(Er geht zu ihr und küsst sie rasch auf die Stirn.)

KENDALL

Wir sehen uns zum Dinner. Sag selbst: Das sind doch tolle Neuigkeiten, Liza?

(LIZA nickt stumm.) Und schone dich ein bisschen. (Er lächelt sie an.) Wahrscheinlich wird Kate die Zeitschrift sowieso einstellen – also, arbeite nicht so hart!

(Er wirft ihr vom Ausgang einen Kuss zu und geht dann. Sie steht danach einen Augenblick still da – dann drückt sie ihre Zigarette aus. Sie tupft sich mit einem Taschentuch die Stirn und stützt sich für einen Moment müde auf den Schreibtisch. Sie geht rasch zur Tür und schließt ab. Dann geht sie langsam zur Couch und wirft sich auf sie. Sie verbirgt ihr Gesicht in den Armen. Es ist lange still.)

HOCHZEITSTRAUM

(Es wird dunkel. In der Dunkelheit wird auf sonderliche Weise immer wieder der Name „Liza“ gesungen. In der aufkommenden schwachen Beleuchtung erkennt man, dass der Gesang von einer GRUPPE VON MÄNNERN UND FRAUEN kommt, die sich langsam nach vorn bewegt. Sie sind gekleidet wie Highschool-Absolventen aus einer Generation zuvor und halten ihre Abschlusszeugnisse in der Hand. Sie singen als Chor. Die meisten Zeilen werden gesungen, einige gesprochen. Bolero-Rhythmus beginnt.)

(summt) HM ...

LIZA

LIZA ... LIZA ... LIZA ... LIZA ... LIZA ... LIZA ... LIZA ... LIZA ... LIZA ... LIZA ...

CHOR

(In der aufkommenden schwachen Beleuchtung erkennt man, dass der Gesang von einer GRUPPE JUGENDLICHER kommt, die sich langsam nach vorn bewegt. Sie sind gekleidet wie Highschool-Absolventen aus einer Generation zuvor und halten ihre Abschlusszeugnisse in der Hand. Sie singen als Chor. Die meisten Zeilen werden gesungen, einige gesprochen.)

Mapleton-High-Choral

MÄNNER

WISST IHR NOCH? LIZA ELLIOTT. IN DER HIGHSCHOOL WAR SIE IN UNSEREM JAHRGANG, BIS WIR DEN ABSCHLUSS MACHTEN.

In der Elften21 war sie Cheerleaderin.

CHOR

MAPLETON HIGH, MAPLETON HIGH, WIR LEBEN UND STERBEN FÜR DICH, WAS AUCH SEI! RAH, RAH, RAH!

MANN #1

FRAU #1

ICH VERGESSE LIZA NIE, AN REGNERISCHEN TAGEN LASEN WIR VICTOR HUGO UND CHARLES DICKENS IN IHREM RAUM.

Ich mochte sie gern.

FRAU #2

Ich fand, sie war hochnäsig.

MANN #1

AN IHR ELTERNHAUS KANN ICH MICH ERINNERN, DEN KASTANIENBAUM, AN DEM DIE SCHAUKEL HING.

MANN #2

HEUT’ SAG’ ICH ES FREI HERAUS: AM TAG DER ZEUGNISSE, ALS LIZA VOR ALLEN DIE ABSCHIEDSREDE HIELT, DA FRAGTE ICH, OB SIE MIT MIR KOMMT. SIE SCHWIEG. ICH GLAUB’, SIE FAND MICH LÄCHERLICH.

FRAU #4

Ich habe sie nie ganz verstanden. Sie hatte aber eine hübsche Stimme.

CHOR

WIR PREISEN DICH, OH, MAPLETON HIGH. ES SCHLÄGT EIN JEDES HERZ FÜR DICH. WIR LOBEN DICH, WAS IMMER AUCH SEI, UND STREBEN HIMMELWÄRTS FÜR DICH.

OH, ALMA MATER, MAPLETON HIGH, DU HEIMAT DER GELEHRSAMKEIT. SOGAR IM TOD SIND WIR DIR NOCH TREU, DER BESTEN SCHULE WEIT UND BREIT.

MANN Im Tennis war sie ein Ass. Einmal stand es 5 zu 2 mit Satzball für mich. Sie schlug mich 9 zu 7.

EIN ANDERER MANN

Wisst ihr noch, ihre Karikatur von Monsieur d’Albert, dem Französisch-Lehrer? Statt sauer zu werden, zeigte er das Blatt zu Hause seiner Frau.

FRAU #3

LE, LA, LES! PARLEZ-VOUS FRANÇAIS? OUVREZ LA FENETRE, S'IL VOUS PLAIT!

(Träumerisch) LA LA LA LA LA LA, LA LA LA LA LA. LA LA LA LA LA LA, LA LA LA LA LA.

CHOR

Tage voller Glück.

CHOR

OH, ALMA MATER, MAPLETON HIGH, DU HEIMAT DER GELEHRSAMKEIT. SOGAR IM TOD SIND WIR DIR NOCH TREU, DER BESTEN SCHULE WEIT UND BREIT.

MANN

(Ein Bolerorhythmus setzt ein. Sie verteilen sich auf zwei Gruppen auf beiden Bühnenseiten.)

EIN MÄDCHEN AUS UNSRER SCHULE WIRD SICH VERMÄHLEN. LIZA ELLIOTT TAUSCHT RINGE MIT KENDALL NESBITT.

(Spot auf KENDALL. Er schaut sich erwartungsvoll um.)

FRAU

Kendall Nesbitt ist 48 Jahre alt. Er liebt Liza, und Liza liebt ihn. Sie kommen wunderbar miteinander aus.

(LIZA erscheint in einer weißen Robe, und KENDALL geht zu ihr.)

ACH, IST DAS RÜHREND!

MANN

Er finanzierte ihr das Magazin. Es wurde ein Riesenerfolg.

CHOR

WER WÄRE DA NICHT GLÜCKLICH!

CHOR

Und jetzt kaufen sie die Ringe.

MANN

Aber warum zögert Liza?

ANDERER MANN

(Ein JUWELIER tritt mit einem Samtkissen voller Ringe auf. Es ist CHARLEY JOHNSON.)

SOLL’N ES DIAMANTEN SEIN? BRILLANTEN ODER PERLEN?

CHOR

(LIZA entscheidet sich schließlich für einen Ring. JOHNSON verbeugt sich, offeriert ihr jedoch statt des Rings einen kleinen, goldenen Dolch.22 LIZA schreckt zurück. Die beiden Männer verschwinden. Spot auf RANDY.)

MÄNNER

RANDY CURTIS, KÖNIG DES ZELLULOIDS, VOLLENDETE MISCHUNG AUS FRANK MERRIWELL23 , LAURENCE OLIVIER24 UND LANZELOT. RANDY CURTIS!

FRAUEN

JEDE WOCHE SEH’N MILLIONEN FRAU’N IHM ZU.

RANDY CURTIS!

FRAUEN

VON JEDER WIRD ER ANGEBETET. IN KANSAS, IN PATAGONIEN, IN HOLLYWOOD SOGAR IST ER DER MANN, DEN DIE FRAUEN WOLL’N.

MÄNNER

(RANDY sieht LIZA, die ihr Gesicht in den Händen vergraben hat. Er dreht sie zu sich.)

Es ist neu

RANDY

Darling, endlich! (Innig)

ICH TRAF IN BABYLON

DICH IM GARTEN VON

SEMIRAMIS25 .

ICH WAR IM ZWEISTROMLAND

DEINER ZARTEN HAND

UND GUNST GEWISS.

FÜR TAUSEND JAHRE WARST DU FORT,

NUN BIST DU WIEDER MEIN.

NEIN, GLÜCKLICHER ALS ICH KANN NIEMAND SEIN.

ES IST NEU, DASS ICH NICHT EINFACH DA BIN. ES IST NEU –ENDLICH IST ES SO WEIT, DASS VON DIR ICH WIE VERZAUBERT WERDE. DU BRINGST MIR DEN HIMMEL AUF DIE ERDE.

ES IST NEU, DASS ICH DIR NUN SO NAH BIN, UND VORBEI IST DIE FREUDLOSE ZEIT.

MEINE WELT HAST DU, MEIN STERN, ERHELLT. ICH ZOG EIN ASS UND DAS IST NEU.

LIZA

ES IST NEU, DASS ICH NICHT EINFACH DA BIN. ES IST NEU – ENDLICH IST ES SO WEIT, DASS VON DIR ICH WIE VERZAUBERT WERDE. DU BRINGST MIR DEN HIMMEL AUF DIE ERDE.

ES IST NEU, DASS ICH DIR NUN SO NAH BIN,

UND VORBEI IST DIE FREUDLOSE ZEIT. MEINE WELT HAST DU, MEIN STERN, ERHELLT. ICH ZOG EIN ASS UND DAS IST NEU.

(RANDY und LIZA tanzen.)

ENSEMBLE

ES IST NEU, DASS ICH NICHT EINFACH DA BIN. ES IST NEU –ENDLICH IST ES SO WEIT, DASS VON DIR ICH WIE VERZAUBERT WERDE. DU BRINGST MIR DEN HIMMEL AUF DIE ERDE.

ES IST NEU, DASS ICH DIR NUN SO NAH BIN, UND VORBEI IST DIE FREUDLOSE ZEIT. MEINE WELT HAST DU, MEIN STERN, ERHELLT. ICH ZOG EIN ASS UND DAS IST NEU.

(LIZA verlässt RANDYS Umarmung, nur um sich in CHARLEYS Arm wiederzufinden. Die beiden tanzen. SECHS FRAUEN mit roten Perücken, die genau wie LIZA gekleidet sind, treten auf. CHARLEY verschwindet. RANDY taucht wieder auf und besingt die SECHS FRAUEN. LIZA sieht ihnen zu, wie sie tanzen.)

RANDY

ES IST NEU, DASS ICH DIR NUN SO NAH BIN, UND VORBEI IST DIE FREUDLOSE ZEIT. MEINE WELT HAST DU, MEIN STERN, ERHELLT. ICH ZOG EIN ASS UND DAS IST NEU.

(Randy verschwindet, ebenso wie alle anderen. Am Ende ist LIZA allein auf der Bühne. Langsam summt sie den Anfang ihres Liedchens.)

HM –

AH-

UND JETZT?

CHOR

LIZA

CHOR (Offstage)

Ich kann mich nicht erinnern.

LIZA

CHOR (Offstage)

(parlando) WAS PEINIGT DICH SO, LIZA?

Weiß ich nicht.

LIZA

CHOR (Offstage)

(parlando) WAS HAST DU FÜR ÄNGSTE? DU BIST DOCH GLÜCKLICH. JEDE FRAU FREUT SICH AUF DIE EHE. UND MORGEN SCHON KOMMT ER, DEIN HOCHZEITSTAG. LASS JETZT DAS GRÜBELN SEIN!

LIZA

Merkwürdig, was mir in den Sinn kommt, ist ein kleines Theaterstück, in dem ich als Schulkind gespielt habe. Ich sollte die Prinzessin spielen, hab’s dann aber nicht getan ... Ich weiß nicht mehr, warum.

DANN ERINNRE DICH!

CHOR

Es hieß ...

LIZA

KINDER (Offstage)

„Die Prinzessin der reinen Glückseligkeit“.

Die Prinzessin der reinen Glückseligkeit

(Ein als persischer Prinz verkleidetes KIND erscheint mit ANDEREN KINDERN. Sie verbeugen sich und führen dann LIZAS Erzählung auf.)

LIZA

DER PRINZ IN FLIEDER UND DER PRINZ IN BLAU

UND DER PRINZ IN PURPUR WOLL’N DIE SELBIGE FRAU.

EIN JEDER BEWUNDERT IN ERGEBENHEIT

DIE PRINZESSIN DER REINEN GLÜCKSELIGKEIT ... ... die heimlich einen Minnesänger liebt.

DIE AUGEN DES KÖNIGS IRR’N RATLOS UMHER.

DREI CHARMANTE BEWERBER, DIE WAHL FÄLLT IHM SCHWER.

ALSO RUFT ER DEN CHEF SEINER ZAUBERER HER,

DER BEFINDEN SOLL, WER DER BESTE WÄR’ ... ... was damals so üblich war.

„EIN RÄTSEL, MEIN KÖNIG, ERSONNEN VON MIR:

EIN WORT MIT SECHS BUCHSTABEN SUCHEN WIR HIER.

EIN WORT, DAS MAN IMMER NUR FALSCH BUCHSTABIERT.26

WER’S LÖST, DER BEKOMMT SIE, UND WER NICHT, DER VERLIERT. Das macht zwanzig Gulden, Hoheit!“27

DAS RÄTSEL WIRD ALLEN DREI BEWERBERN GESTELLT,

VON DENEN NICHT EINER DER TOCHTER GEFÄLLT.

MAN WARTET GEDULDIG, DOCH KEINER KRIEGT’S RAUS.

DA STÜRZT DER VERHEIMLICHTE BARDE INS HAUS ... ... ziemlich aus der Puste.

„ICH LÖSE DAS RÄTSEL“, RUFT DER SÄNGER SOFORT. „DENN ‚FALSCH‘ IST DAS RICHTIGE FEHLENDE WORT!

UND KORREKT SCHREIBT MAN ,FALSCH‘ F-A-L-S-C-H!

NUN, HOHEIT, AB HEUTE SEID IHR MEIN PAPA!“ Das kommt nicht so gut an.

„DU SCHUFT!“, RUFT DER KÖNIG, „WAS HAST DU GEDACHT?

MEINE TOCHTER IST FÜR EINEN PRINZEN GEMACHT!“ „DOCH, SIRE“, SPRICHT DER SÄNGER, „ICH KANN HIER BESCHWÖR’N:

KEIN WIRKLICHER KÖNIG WÜRD’ LIEBE ZERSTÖR’N! Das wäre unsportlich.

UND SEID IHR KEIN KÖNIG, DANN IST SIE, GANZ KLAR,

AUCH KEINE PRINZESSIN, UND ICH KRIEG’ IHR JA!“ „BEI GOTT“, RUFT DER KÖNIG, „HIER STEHT EIN GENIE.

DU BIST ZWAR KEIN PRINZ, DOCH VERDIENT HAST DU SIE!“ Und ein Trompeter beginnt zu trompeten.

DIE SCHÖNE PRINZESSIN WACHT PROMPT WIEDER AUF, UND SIE LÄCHELT VERLIEBT ZU DEM SÄNGER HINAUF. „UNSER PAAR LEBE HOCH!“, SO RUFEN’S DIE LEUTE. UND STARB KEINER, DANN LEBEN SIE WOHL NOCH HEUTE.

(Alles verbeugt sich, die Musik schwillt an, und die KINDER verschwinden nach und nach. Hochzeitsglocken. LIZA schaut sich verwundert um und geht langsam auf die andere Bühnenseite, wo sie ihren Büroschreibtisch vorfindet. Wie durch einen Zauber gebannt geht sie zu dem Tisch und drückt einen Rufknopf. MISS FOSTER erscheint.)

(LIZA)

(MISS FOSTER sieht sie bloß an und entfernt sich langsam von ihr. LIZA drückt wie wild alle Knöpfe auf dem Tisch.) Maggie, wo sind die Korrekturabzüge? Alison, wo ist deine Kolumne? Charley, was ist mit dem Layout? Was ist los mit euch? Was ist los mit euch allen?

CHARLEY

Weißt du denn nicht, was für ein Tag heute ist, Führungskraft? Es ist dein Hochzeitstag. (Lacht.) Dein Hochzeitstag! Dein Hochzeitstag! Dein Hochzeitstag!

(Er verschwindet. Hochzeitsglocken.)

LIZA

Maggie ... Alison ... sagt doch was! Was ist das hier?

ALISON & MAGGIE

Es ist spät, Liza, spät! Du musst dich beeilen! Es ist dein Hochzeitstag.

Liza vor dem Altar

(Wieder erklingen Hochzeitsglocken. CHARLEY zieht sich zurück, MAGGIE und ALISON führen LIZA nach hinten. RUSSELL PAXTON erscheint in Stresemann28 , Zylinder und gestreiften Hosen. Hinter ihm JUNGEN und MÄDCHEN als Brautjungfern und Platzanweiser. Während LIZA als Braut gekleidet wird, verwandelt sich die Bühne in eine Kirche, im Hintergrund ein großes Kirchenfenster mit einem grotesken Hochzeitspaar-Motiv, als Altar ein riesiger Hochzeitskuchen. Der Hochzeitszug setzt sich in Bewegung.)

CHOR

ES WIRD LIZA ELLIOTT SICH HEUTE VERMÄHLEN. HEUT’ WIRD LIZA ELLIOTT SICH ENDLICH VERMÄHLEN. ES LEBE HOCH DAS PAAR! MUSIK KLINGT WUNDERBAR! STIMMT IN DEN LOBPREIS EIN! SIE MÜSSEN GLÜCKLICH SEIN!

(RANDY singt „Es ist neu“, als wäre es „Oh, Promise Me“29 . KENDALL erscheint, geht zu LIZA, reicht ihr den Arm. Die Kinder streuen nun Blumen. Der Hochzeitszug bewegt sich zum Altar.)

GÄSTE

WIE SIE UNS BEHAGT, DIESE SCHÖNE HOCHZEIT! WIR BENEIDEN IHN UM SEINE CHARMANTE BRAUT.

RANDY

ES IST NEU, DASS ICH NICHT EINFACH DA BIN. ES IST NEU –ENDLICH IST ES SO WEIT, DASS VON DIR ...

(CHARLEY ist jetzt als PFARRER aufgetaucht und murmelt unhörbar die Worte für die Hochzeitszeremonie.)

(GÄSTE)

FÜR DIE BEIDEN WURD’ ES ALLMÄHLICH DOCH ZEIT. HIER STEHT EIN PAAR, DAS AUF VERTRAUEN BAUT.

(RANDY)

... ICH WIE VERZAUBERT WERDE. DU BRINGST MIR DEN HIMMEL AUF DIE ERDE.

CHARLEY

(Jetzt ist er gut zu verstehen.)

ES IST NIE ZU SPÄT FÜR MENDELSSOHN,

DIE SUCHE DER ZWEI ZU ENDELSSOHN.

ZUWEILEN GEHT’S AUCH IN DIE BINSEN,

DA WÜRDE RICHARD LOHENGRINSEN.30 (Lauter) Wer etwas gegen die Verbindung dieses Paars im heiligen Bund der Ehe vorzubringen hat, spreche jetzt oder schweige für immer!

DÜSTERE STIMME

DIE STIMME DES GEWISSENS BRICHT HERVOR UND DRINGT UNMERKLICH VOR AN JEDES OHR. DIE ZWEI SIND SÜNDER UND DIE EHE HEILIG. DAS IST FÜR NIEMANDEN HIER VERZEIHLICH. SO WIRD VERRAT AN GOTTES PLAN GEÜBT. DIE FRAU WEISS, DASS SIE DIESEN MANN NICHT LIEBT.

CHOR

DIE FRAU WEISS, DASS SIE DIESEN MANN NICHT LIEBT.

LIZA

Nein, nein! Nein, nein! Warum seid ihr nicht still? Ich will! Ich will! Ich will! Ich will!

CHOR (SOPRAN/ALT/TENOR)

(Gesprochen) DIE FRAU, DIE WIR DORT SEHEN, IST NICHT DIE WAHRE LIZA ELLIOTT. SAG, WAS DU WIRKLICH WILLST,

LIZA ELLIOTT. SPRICH ÜBER ALLES,

WAS DU ZU SEIN BEGEHRST. (Gesungen) SEHNST DICH DANACH,

SCHÖN ZU SEIN, UND DOCH

VERSCHMÄHST DU SCHÖNHEIT. SAG, WER DU BIST. SAG, WER DU BIST.

RANDY & CHOR (BASS/BARITON)

ES IST NEU, DASS ICH NICHT EINFACH DA BIN.

ES IST NEU –ENDLICH IST ES SO WEIT,

DASS VON DIR ICH WIE VERZAUBERT WERDE.

DU BRINGST MIR DEN HIMMEL AUF DIE ERDE.

CHOR & BASS

SO WIRD VERRAT AN GOTTES PLAN GEÜBT.

Nein, nein! Nein, nein! Nein, nein, seid still!

CHOR

DIE FRAU WEISS, DASS SIE DIESEN MANN NICHT LIEBT.

LIZA

Ich will! Ich will! Ich will! Ich will!

LIZA

(LIZA ist langsam zurückgewichen, hat sich die Ohren zugehalten, um die anklagenden Stimmen nicht hören zu müssen, und verschwindet jetzt. RANDY intoniert „Es ist neu“, während die GÄSTE als Gegenmelodie „Wie sie uns behagt“ singen. CHARLEY wiederholt das Gelöbnis des Pfarrers, die KINDER singen „Die Prinzessin der reinen Glückseligkeit“. Es ergibt sich eine bizarre Kombination eines Oratoriums mit mysteriösen, ahnungsvollen Bewegungen, die auf verschiedenen Melodien des Traums basiert und zuerst kontrapunktisch dargeboten wird und sich zu einem kakophonen musikalischen Alptraum steigert.)

Ende des Hochzeitstraums

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