ΓΙΑΝΝΗΣ ΨΥΧΟΠΑΙΔΗΣ

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Jannis Psychopedis

Heinrich-Bรถll-Stiftung Berlin



Jannis Psychopedis A l p h a b e t Heimatkunde I Heimatwunde 23 Januar - 23 Februar 2012

Heinrich-Bรถll-Stiftung Berlin Schumann Straฮฒe 8 10117 Berlin


Prof. Dr.

Stefanie Endlich

Heimatkunde - Heimatwunde

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er Brief, der nie ankam“ – einer von zahlreichen Werkzyklen, die Jannis Psychopedis im Laufe von Jahrzehnten geschaffen hat – ist

höchst aufschlussreich für das Verständnis seiner künstlerischen Arbeit damals und heute. Der Künstler nimmt den Dialog auf nicht nur mit dem imaginären Absender, sondern vor allem mit dem Betrachter. Er verbindet Aspekte aus Mythologie, Geschichte und Politik mit Dingen des Alltags und Schnipseln aus Presse und Werbung – und hofft dabei auf die Assoziations-Lust, die jeder von uns in sich trägt. Er spielt mit Motiven der Kunstgeschichte; experimentiert mit den Möglichkeiten freier Malerei im Kontext von Fotografie und Installation; und hinterfragt das traditionelle Verhältnis von Künstler und Rezipient. Und schließlich berührt er zentrale Fragestellungen der Kunst der Gegenwart: Fragen nach den Formen der Wahrnehmung und Fragen nach der Beschaffenheit des individuellen und des kollektiven Gedächtnisses. Seine Collage- und Montagetechnik – das scheinbar willkürliche, tatsächlich aber kunstvoll durchdachte Zusammenfügen verschiedener Material-Fragmente und unterschiedlicher thematischer Inhalte – entspricht einer komplexen Welt. Sie macht die Brüche und Verletzungen der Gesellschaft, die Entfremdungen und

Heimatkunde 2011, 77x67 cm

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Gewalterfahrungen der Menschen, ihre disparaten Träume und ihre sperrigen Utopien visuell sichtbar, statt sie in einem harmonischen Bild zu glätten und einzuebnen. Der Gang durch die Ausstellung ist zugleich ein Gang durch Geschichte und Gegenwart Griechenlands, jedoch nicht verengt in nationaler oder gar folkloristischer Weise, sondern auf den ganzen Erdkreis ausgeweitet. Die jüngere griechische Geschichte wird hier als Menschheitsgeschichte verstanden und dargestellt. In ihrem Zentrum stehen die universellen Erfahrungen von Freiheitsstreben und gewaltsamer Unterdrückung, wie sie in anderen Ländern und Kontinenten seither immer wieder durchlitten wurden, sei es in Südosteuropa, im arabischen Raum oder in Lateinamerika. Die enttäuschten Hoffnungen und verlorenen Utopien, die diesen Kunstwerken eingeschrieben sind, tauchen in anderen Zeiten und anderen Ländern immer aufs Neue wieder auf: als ungelöste Fragen der aktuellen Weltpolitik. Die dokumentarischen Foto- und Textfragmente in den Collagen hier im Raum stammen fast alle aus jenem Zeitabschnitt von Kriegsende, “Dekembriana“ und Bürgerkrieg. Auch in seiner malerischen Auseinandersetzung

Die Odysee lesend 2001, 43x36 cm

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Denkmal I

Denkmal II

2001, 64x68 cm

2001, 64x68 cm

hat Jannis Psychopedis diese Bilder immer wieder aufgegriffen und mit symbolhaften Motiven aus Antike, Kunstgeschichte und Alltagsleben verbunden. “Die Vergangenheit ist nicht tot, sie ist noch nicht einmal vergangen“ – der vielzitierte Satz von William Faulkner könnte auch als Leitgedanke für die Arbeit von Jannis Psychopedis gelten, in der die unterschiedlichen Zeitebenen ineinander fließen und gleichermaßen präsent sind. Ein eindrucksvolles Beispiel ist die Serie “Brot – Bildung – Freiheit“. Die Worte “Psomi – Paidia – Eleftheria“ behaupten längst ihren festen Platz in der jüngeren griechischen Geschichte. Das Motto riefen die unbewaffneten Demonstranten auf dem Athener Syntagmaplatz im Dezember 1944, es erklang in den großen Demonstrationen der sechziger und siebziger Jahre und ist auch in den letzten Wochen und Monaten, als die ökonomische zur politischen Krise wurde, zum verbindenden Spruch geworden, den jedes Kind in Griechenland kennt. Mit diesem Werkzyklus “Psomi – Paidia – Eleftheria” hat Jannis Psychopedis 2010, also bereits im Jahr zuvor, in Malerei und Zeichnung historische Motive mit den Brot- und Gemüsesorten des Alltagslebens verbunden. Gerade jetzt hat dies eine

Olympia

unerwartete Aktualität bekommen.

2007, 38x46 cm

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Nun könnte ich noch auf viele weitere Themen und Techniken hinweisen, zum Beispiel: - auf den Denkmalsturz des Athener Truman-Monuments, von dem nach der Sprengung nur noch die Füße übrig waren, von Jannis Psychopedis umgewandelt in ein visuelles Lehrstück über Macht und Politik, aber auch in eine Studie über Füße, die sich in seine Werkreihe zur Auseinandersetzung mit Handhaltungen, Fußstellungen und Gesichtsprägungen einreiht. - Oder: Bei den verheerenden Waldbränden im Jahr 2007, die auch Zerstörungen in den antiken Stätten von Olympia anrichteten, hat Jannis Psychopedis verbotenerweise die Hermes-Statue und verbrannte Bäume mit einer Polaroid-Kamera aufgenommen: Deren Unschärfe wird nun zum Sinnbild der Unfassbarkeit jener Verluste, die von Politik und Gesellschaft damals gering geschätzt und nicht als warnendes Zeichen der Zeit und der kommenden Krise verstanden wurden. - Und schließlich das große Tableau im Zentrum des Raumes mit dem Titel “Nostos“, die große Heimkehr. Das Wort spielt an auf Odysseus’ Rückkehr, die nach langen Jahren des Exils nicht den ersehnten inneren End- und Ruhepunkt brachte, sondern in weitere Irrwege und Kämpfe mündete. Das Tableau ist zusammengesetzt aus hunderten von Bildtafeln, von denen hier nur einige gezeigt werden können, ein offenes, vielschichtiges work in progress“ mit dem zentralen Motiv der Vernetzung – als stilistisches Arbeitsprinzip, als gesellschaftliche Utopie und als künstlerische Weltsicht. Zum Entschlüsseln der Kunstwerke erfordert es allerdings keine profunden historischen Kenntnisse, nur – und vor allem – Neugier und die Lust, Verborgenes zu entdecken.

Das Mass der Welt 2007, 80x25 cm

Geshichtsunterricht ▶ 1996, 110x80 cm

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Alphabet A-立

24 Buchstaben - 24 B端cher, 1994 24 x (6x36x40 cm)

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Nostos

2007

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Geschichtsunterricht - Hommage a Millet 2000, 105x80cm

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Der Brief der nie ankam 2002, 60x64 cm

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Geschichtsunterricht 1996, 90x70 cm

Geschichtsunterricht â–ś 1996, 100x80 cm

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Einzelausstellungen

● 1945

in Athen/Griechenland geboren

● 1963-1968

Studium an der staatlichen

Hochschule der Bildenden Künste, Athen ● 1965

Gründungsmitglied der gruppe A, Athen

● 1965

Mitglied der Künstlergruppe A, Athen

● 1971-1976

Stipendium des DAAD für

1966 Galerie Kerea, Athen 1973 Galerie Art Appeal, München 1974 Galerie Poll, Berlin 1975 Galerie KET, Athen 1976 Galerie Kochlias, Thessaloniki 1976 Galerie Apex, Göttigen 1977 Galerie Gazette, Athen 1977 Institut Français, Athen

Auslandsstudien an der Akademie der

1978 Galerie Poll, Berlin

Bildenden Künste, München

1979 Athens Gallery, Athen

● 1970-1976

Lebet und arbeitet in München

● 1971-1973

Gründungsmitglied der Gruppe

«Neue Griechische Realisten», Athen ● 1974-1976

Gründungsmitglied der

Produzentengalerie KET, Athen ● 1975

Gastmitglied der Produzentengalerie

Gast des Berliner

Künstlerprogramms des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) ● 1977-1986 Lebt und arbeitet ● 1987-1993 ● Seit

in Berlin/West

Lebt und arbeitet in Brüssel

1994 Professor an der staatlichen

Hochschule der Bildenden Künste, Athen ● Seit

1980 Kunsthalle Darmstadt 1981 Overbeck - Gesellschaft, Lübeck 1981 Akademie der Künste, Berlin 1981 Athens Gallery, Athen 1982 Retrospektive 1967, Galerie Trito Mati, Athen 1983 Galerie Zoumboulakis, Athen 1983 Galerie Redmann, Berlin 1984 Staatiche Antikensammlungen

10/9 München ● 1977-1978

1980 Kunstverein Kassel

1965 Zahlreiche Einzel-und

Gruppenausstellungen in Griechenland, Frankreich, BRD und DDR, Luxemburg, Spanien, Jugoslawien, Irland, Albanien,

und Glyptothek, München

1985 Galerie Heraklion, Heraklion, Kreta 1985 Galerie Zoumboulakis, Athen 1985 Galerie im Körnerpark, Berlin

Galerie Milonojanni, Chania, Kreta

1985 Galerie Yakinthos, Athen 1986 ‘’ Der Brief, der nie ankam’’

Galerie Zoumboulakis, Athen

1987 Retrospektive 1965 - 1987,

Städtische Pinakothek, Rhodos

1988 Retrospektive 1962 - 1988

Pieridis Museum, Athen

1988 Galerie Redmann, Berlin 1988 Galerie Pascal Polar, Bruxelles

Japan, Belgien, Algerien, Canada, Zypern,

1988 Galerie Zoumboulakis, Athen

USA, Schweden, Italien, Rumänien, Israel,

1990 Galerie Pascal Polar, Bruxelles

Turkei, China und Großbritannien in Galerien,

1990 Galerie Kreonidis, Athen

Kunsthallen und Museen.

1990 Galerie Agathi, Athen 24


www.art.com.gr

1991 Galerie Zoumboulakis, Athen

Griechische Kulturstiftung, Berlin

1991 Metropolis Art Galleries, New York

Galerie Terrakotta, Thessaloniki

1991 Galerie Pascal Polar, Bruxelles

2001 «Der Brief, der nie ankam»

1991 Galerie Le Parc, Liège

- Retrospektive 1977-1996 Kulturzentrum

1992 Galerie Zoumboulakis, Athen

der Nationalbank, Patras

1993 Galerie Pascal Polar, Bruxelles

2001 «Der Brief, der nie ankam»

1993 27 Bilder zu Gedichten von G. Seferis

- Retrospektive 1977-1996 Kulturzentrum

- Galerie Zoumboulakis, Athen

der Nationalbank, Thessaloniki

1993 Galerie Ianos, Thessaloniki

2002 «English Breakfast - Tribute to W. Hogarth»

1993 Der Brief der nie ankam,

Galerie Zoumboulakis, Athen

Galerie Zoumboulakis, Athen

2002 «Nacht-räume» - Bilder zu Parmenidis,

1994 «24+1 Briefe» ATTIS - Theater, Athen

1995 Galerie am Savignyplatz, Berlin

2003 Galerie im Körnerpark, Berlin

Galerie Zoumboulakis, Athen

1995 Galerie Zoumboulakis, Athen

2004 «Station Frieden»,

1995 Retrospective 1962-1995

Mazedonisches Museum

2005 «Heimatkunde»,

für zeitgenössische Kunst, Thessaloniki, 1996 «The lower extremities»

Galerie Zoumboulakis, Athen

Bahn - station «Frieden», Athen Zypern-Haus, Athen

2006 «Treffpunkt Griechenland»,

Deutscher Ring, Hamburg

1996 «Hommage a Dimitri Mitropoulos»

2006 «118 Dichter-portraits»,

Megaron, Athen

1997 «Histoire de deux villes»

Kunstraum Metechmio, Athen

2007 «Rencontres»

-Espace Periple, Bruxelles

Jannis Psychopedis - Kiki Dimoula,

1997 Galerie Terrakotta, Thessaloniki

Zoumboulakis galerie - Athen

1998 «Face Control», Galerie Zoumboulakis, Athen

2007 «Poesie de face»,

1998 Retrospektive 1964-1998,

2007 «Recontres», ArtBase galerie, Bruxelles

Kidoniefs-Foundation, Andros

Theorema galerie, Bruxelles

1999 Galerie Tsamia-Kristalla, Chania, Kreta

2008 «Nostos» Retrospective,

1999 «Collateral Damage - Report to Goya»

Zypern-Haus, Athen

Museum für Zycladische Kunst, Athen

2009 «Polaroids», 1977-2009,

1999 Galerie Polygnotos, Heraklion, Kreta

2000 «Versteinerte Blumen»

2010 «Seferis in Poros», Citronne galerie, Poros

2011 «Brot, Bildung, Freiheit»,

M. Merkouri - Kultur Zentrum, Nicosia, Zypern

2000 «Seferis-Bildnisse» Nationales Pavillion, Buchmesse, Frankfurt

Zoumboulakis galerie, Athen

Zypern Haus, Athen

2011 «Et in Arcadia ego», Volksschule-museum,

2000 BASF Kulturzentrum, Schwarzheide

2001 «Versteinerte Blumen»

2011 «Nostos», Galerie im Körnerpark, Berlin

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Psari, Arkadien



www.art.com.gr Dieser katalog ist erschienen anlaessig der Ausstellung

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Heinrich-Bรถll-Stiftung Berlin Schumann Straฮฒe 8 10117 Berlin tel. 030-285340

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