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2.9 Zuzahlungen und Zuzahlungsbefreiung
Bis über den Rentenantrag entschieden bzw. eine verminderte Erwerbsfähigkeit festgestellt wurde, kann der Patient Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfähigkeit bei der Bundesagentur für Arbeit beantragen. Diese Sonderform des Arbeitslosengeldes ist als Überbrückung zwischen dem Bezug von Krankengeld und einer Erwerbsminderungsrente, einer Maßnahme zur beruflichen Eingliederung von Menschen mit Behinderung oder einer medizinischen Rehabilitation gedacht (die sogenannte Nahtlosigkeit-Regelung).
Zusätzliche Voraussetzungen für den Bezug des Arbeitslosengeldes bei Arbeitsunfähigkeit:
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• Weitere Arbeitsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit oder ein bestehendes Arbeitsverhältnis, das wegen der Krankheit bzw. Behinderung seit mindestens 6 Monaten nicht mehr wahrnehmbar war • Erfüllung der Anwartschaftszeit: Der Patient muss 2 Jahre vor der Arbeitslosmeldung und dem Beginn der Arbeitslosigkeit mindestens 12 Monate versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein • Es muss absehbar sein, dass der Patient für die nächsten 6 Monate der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung steht
Dauer des Arbeitslosengeldes bei Arbeitsunfähigkeit
Das Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfähigkeit wird solange gezahlt, bis über den Rentenantrag bzw. über die Reha Maßnahme entschieden wurde oder der Anspruch auf Arbeitslosengeld erlischt. Die Höhe der finanziellen Leistung ist abhängig von dem Verdienst des Betroffenen bei Vollbeschäftigung, den er in den letzten 52 Wochen vor seinem Eintritt in die Arbeitslosigkeit erhalten hat. 2.9 Zuzahlungen und Zuzahlungsbefreiung
Zuzahlungen in der gesetzlichen Krankenversicherung sind eine Form der direkten finanziellen Beteiligung der Versicherten an den Kosten ihrer gesundheitlichen Versorgung. Dies betrifft zum Beispiel Medikamente, Heil- und Hilfsmittel, Krankenhausbehandlungen oder Reha Maßnahmen.
TIPP
Arznei und Hilfsmittelrechnungen sollten immer aufbewahrt werden, da Zuzahlungen nur bis zu einer bestimmten finanziellen Belastungsgrenze geleistet werden müssen. Für alle Kosten, die darüber liegen, können Patienten eine Zuzahlungsbefreiung beantragen.
Höhe der Zuzahlungen
Mit Ausnahme einiger Leistungsarten, für die es gesonderte Zuzahlungsregelungen gibt, müssen Versicherte prinzipiell einen Eigenanteil in Höhe von 10 % der Kosten der Leistung, mindestens 5 € und höchstens 10 € übernehmen, jedoch nie mehr als die Kosten der jeweiligen Leistung.
Leistungsarten und jeweilige Zuzahlungshöhe
LEISTUNGSART ZUZAHLUNGSHÖHE
Arzneimittel
Verbandmittel
Fahrtkosten
Hilfsmittel 10 % des Abgabepreises, mindestens 5 €, höchstens 10 € Ausnahme: zuzahlungsfreie Arzneimittel
10 % des Abgabepreises, mindestens 5 €, höchstens 10 €
10 % der Fahrtkosten, mindestens 5 €, höchstens 10 € pro Fahrt
10 % der Hilfsmittelkosten, mindestens 5 €, höchstens 10 €, Zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel: 10 % der Kosten, höchstens 10 € monatlich
Haushaltshilfe
Heilmittel
Ergotherapie 10 % der Kosten pro Tag, mindestens 5 €, höchstens 10 €
10 % der Kosten für die Leistung zzgl. 10 € je Verordnung
10 % der Kosten pro Tag, mindestens 5 €, höchstens 10 €
Häusliche Krankenpflege
Krankenhausbehandlung 10 % der Kosten pro Tag zzgl. 10 € je Verordnung, begrenzt auf 28 Tage im Kalenderjahr
10 € pro Tag begrenzt auf maximal 28 Tage im Kalenderjahr; Zuzahlungen für Anschlussheilbehandlungen werden mitberücksichtigt
Ambulante Rehabilitationsmaßnahme 10 € pro Tag, keine zeitliche Begrenzung
Anschlussrehabilitation (AHB) 10 € pro Tag begrenzt auf maximal 28 Tage im Kalenderjahr; Zuzahlungen für vorangegangene Krankenhausaufenthalte werden mitberücksichtigt
Informationen für Versicherte in einer privaten Krankenversicherung
Die Leistungen privater Kranken- und Pflegeversicherer orientieren sich am vereinbarten Tarif und sind daher individuell verschieden. Anfragen zu konkreten Leistungsansprüchen können privat versicherte Patienten deshalb mit dem jeweiligen Versicherungsunternehmen klären. Orientierung und Information liefert das Internetportal des Verbandes der Privaten Krankenversicherung: www.derprivatpatient.de
Berechnung der Belastungsgrenze
Grundlage für die Berechnung der Belastungsgrenze ist das jährliche Familien-Bruttoeinkommen. Laufende und einmalige Bruttoeinnahmen des Versicherten und seiner im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienangehörigen, die zur Bestreitung des Lebensunterhaltes bestimmt sind, werden ermittelt.
Zum Beispiel:
• Arbeitsentgelt • Abfindungen • Krankengeld • Arbeitslosengeld • Kurzarbeitergeld • Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit • Altersrente, Witwen bzw. Witwerrente und andere Renten wegen Todes • Betriebsrenten • Basiselterngeld oberhalb 300 €,
ElterngeldPlus oberhalb 150 € • Unterhaltszahlungen • Kapital- und Mieteinkünfte
WICHTIG
Zweckgebundene Einnahmen, wie beispielsweise Kinder-, Pflege- oder Blindengeld werden nicht berücksichtigt.
Berücksichtigung von Freibeträgen
Vom ermittelten Familienbruttoeinkommen werden Freibeträge für die im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen abgezogen:
• Für den ersten im gemeinsamen Haushalt lebenden
Angehörigen (insb. Ehepartner, eingetragener gleichgeschlechtlicher Lebenspartner) wird ein Freibetrag von 5.922 € abgezogen (15 % der jährlichen Bezugsgröße nach § 62 Abs. 2 S. 2 SGB V) • Für jeden weiteren im gemeinsamen Haushalt lebenden
Angehörigen des Versicherten und des eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartners wird ein Freibetrag in Höhe von 3.948 € abgezogen (10 % der jährlichen Bezugsgröße nach § 62 Abs. 2 S. 2 SGB V) • Für jedes gemeinsame Kind eines verheirateten
Versicherten/eines eingetragenen gleichgeschlechtlichen
Lebenspartners wird bei Zusammenveranlagung ein
Freibetrag in Höhe von 8.388 € berücksichtigt, im sonstigen
Fall in Höhe von 3.948 € (§ 62 Abs. 2 S. 3 SGB V) • Bei Alleinerziehenden wird für jedes Kind ein Freibetrag in
Höhe von 8.388 € berücksichtigt
Besonderheit
Bei Personen die Arbeitslosengeld II, Hilfe zum Lebensunterhalt (Sozialhilfe) oder Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung beziehen, gilt der Regelsatz der Regelbedarfsstufe 1 als Berechnungsgrundlage für die Ermittlung der Belastungsgrenze für die gesamte Bedarfsgemeinschaft. Der maximale Zuzahlungsbetrag im Jahr 2022 beträgt 107,76 € (Rechnung: 449 € RBS 1 x 12 Monate x 0,02 €) bzw. bei chronisch kranken Personen 53,88 € (Rechnung: 449 € RBS 1 x 12 Monate x 0,01 €).
Beantragung einer Zuzahlungsbefreiung
Es empfiehlt sich folgendes Vorgehen:
1. Belastungsgrenze errechnen (gegebenenfalls mit Hilfe der Krankenkasse) 2. Sämtliche Zuzahlungsbelege aller
Familienmitglieder sammeln und addieren 3. Bei Erreichen der Belastungsgrenze:
Zuzahlungsbefreiung bei der Krankenkasse beantragen
Zu viel geleistete Zuzahlungen werden von der Krankenkasse zurückerstattet.
Ausnahme
Bei privatversicherten oder beihilfeberechtigten Familienmitgliedern wird das Jahresbruttoeinkommen mit erfasst, eine Berücksichtigung der Zuzahlungen kann nicht erfolgen.
Besonderheit
Sind für den Patienten und seine Familienmitglieder unterschiedliche Krankenkassen zuständig, so errechnet eine Krankenkasse die Belastungsgrenze und stellt einen Befreiungsbescheid aus. Der Bescheid wird dann der anderen Kasse vorgelegt, sodass auch von dieser ein Befreiungsbescheid ausgestellt werden kann.
Zuzahlungen bei chronischen Erkrankungen
Gesetzlich versicherte Patienten, die an einer chronischen Erkrankung leiden, befinden sich in der Regel in ständiger ärztlicher und oftmals auch unterschiedlicher fachtherapeutischer Behandlung. Sie benötigen Heil und Hilfsmittel und müssen Medikamente einnehmen. Mitunter fallen auch stationäre Klinikaufenthalte an. Für alle diese Leistungen müssen Zuzahlungen geleistet werden. Damit die Betroffenen finanziell nicht zu stark belastet werden, liegt die Belastungsgrenze für diesen Personenkreis bei 1 % des Familienbruttoeinkommen (sog. „Chronikerregelung“).
TIPP
Für chronisch kranke Patienten sind Quittungshefte sinnvoll. Diese sind bei der Krankenkasse oder Apotheke erhältlich. Sofern der Patient und seine Angehörigen ihre Medikamente und Hilfsmittel immer in derselben Apotheke holen, kann der Apotheker eine Kundendatei anlegen, sodass alle Zuzahlungen gespeichert werden und ein Computerausdruck mit Nachweis der Zuzahlungen ausgehändigt werden kann.
Viele Krankenkassen haben auf ihrer Internetseite einen Zuzahlungsrechner, mit dem Patienten rasch ihre persönliche Belastungsgrenze ermitteln können. Bei einigen Krankenkassen können sich Versicherte auch registrieren und geleistete Zuzahlungen online erfassen. Bei Erreichung der Belastungsgrenze erhält der Versicherte dann automatisch eine Benachrichtigung der Krankenkasse.
Kriterien für die Inanspruchnahme der reduzierten Belastungsgrenze
Die 1 %-Regelung gilt für chronisch kranke Menschen, die wenigstens 1 Jahr lang, mindestens einmal pro Quartal ärztlich behandelt wurden (Dauerbehandlung) und eine der nachfolgenden Kriterien erfüllen:
Pflegebedürftigkeit in Pflegegrad 3, 4 oder 5
oder
Infolge der dauerhaften Erkrankung wurde ein Grad der Behinderung (GdB) oder eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE)/Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von mindestens 60 festgestellt.
oder
Eine kontinuierliche medizinische Versorgung (ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung, Arzneimitteltherapie, Behandlungspflege, Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln) ist erforderlich, ohne die nach ärztlicher Einschätzung eine lebensbedrohliche Verschlimmerung, eine Verminderung der Lebenserwartung oder eine dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqualität durch die Erkrankung zu erwarten ist. (Vgl. Chroniker-Richtline G-BA, Stand März 2018)
BEISPIEL
Berechnung der Belastungsgrenze: Ein Patient mit einer Alzheimer-Demenz lebt mit seiner Ehefrau in häuslicher Gemeinschaft. Die Ehefrau möchte wissen, wie viel Zuzahlungen ihr Mann leisten muss, bis er befreit wird. Auf Basis ihrer Angaben ermittelt die Krankenkasse die Belastungsgrenze:
Jährliche Bruttoeinnahmen aller Haushaltsangehörigen: 35.500,00 €
Minus Freibetrag der Ehefrau (= erster Haushaltsangehöriger): 5.922,00 €
Ergibt Zwischensumme: Davon 1 % = Belastungsgrenze: 29.578,00 € 295,78 €
Wenn im Beispiel die Zuzahlungen die Belastungsgrenze von 297,67 € im Jahr übersteigen, wird das Ehepaar von weiteren Zuzahlungen befreit.
Nachweis der chronischen Erkrankung
Damit chronisch Kranke die 1 %-Belastungsgrenze – die sogenannte „Chronikerregelung“ – in Anspruch nehmen können, müssen sie ihre chronische Erkrankung durch folgende Nachweise belegen:
Der GdB, die MdE/GdS sowie der Pflegegrad müssen durch einen entsprechenden Bescheid der ausstellenden Stelle bestätigt werden. Die Krankheit, aufgrund derer sich der chronisch Kranke in Dauerbehandlung befindet, muss im Bescheid genannt sein. Die kontinuierliche Dauerbehandlung,