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und Berufsleben

BEISPIEL

Eine Patientin hat beim Versorgungsamt einen Antrag auf Schwerbehinderung gestellt. Im Bescheid steht nun, dass ihr ein Grad der Behinderung von 40 zuerkannt wurde. Da die Patientin einen GdB von 40 hat, gilt sie im Sinne des Gesetzes nicht als schwerbehindert. Sie kann jedoch bei der Agentur für Arbeit einen Antrag auf Gleichstellung stellen. Wird diesem Antrag stattgegeben, ist sie in einigen Punkten schwerbehinderten Menschen gleichgestellt und hat u. a. auch Anspruch auf den besonderen Kündigungsschutz.

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WICHTIG

Gleichgestellte Personen haben keinen Anspruch auf Zusatzurlaub und auf Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Weitere Faktoren, die für gleichgestellte Personen nicht zur Anwendung kommen sind der Schwerbehindertenausweis und Freifahrten mit den Verkehrsmitteln des öffentlichen Personennahverkehrs. 3.7 Nachteilsausgleiche im Arbeits- und Berufsleben

Schwerbehinderte Menschen (ab einem GdB von 50 oder Gleichgestellte) sind im Berufsleben mit besonderen Herausforderungen konfrontiert. Mit verschiedenen Sonderregelungen wird versucht, durch die Behinderung entstehende Nachteile wieder auszugleichen.

Besonderer Kündigungsschutz

Schwerbehinderte Arbeitnehmer oder Menschen mit Behinderung, die von der Agentur für Arbeit Schwerbehinderten gleichgestellt wurden, genießen einen besonderen Kündigungsschutz. Der Arbeitnehmer kann ihnen nur kündigen, wenn das zuständige Integrationsamt zustimmt. Die Kündigungsfrist bei ordentlichen Kündigungen beträgt 4 Wochen. Wenn der Arbeitnehmer sich auf seinen besonderen Kündigungsschutz berufen möchte, muss er innerhalb von 3 Wochen den Arbeitgeber über seinen Schwerbehindertenstatus informieren, sofern dies nicht schon früher geschehen ist.

Das Integrationsamt hört den Mitarbeiter an, holt Stellungnahmen des Betriebsrats bzw. des Personalrats und der Schwerbehindertenvertretung ein und wirkt auf eine gütliche Einigung hin. Der besondere Kündigungsschutz gilt nur für sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse, die seit mindestens 6 Monaten bestehen. Er wird zudem nur dann wirksam, wenn die Kündigung im Zusammenhang mit der Behinderung steht.

WICHTIG

Der Kündigungsschutz bedeutet nicht, dass schwerbehinderten Mitarbeitern nicht gekündigt werden kann.

Zusatzurlaub

Schwerbehinderte Menschen erhalten jährlich einen zusätzlichen Urlaub von 1 Arbeitswoche. Umfasst eine Arbeitswoche beispielsweise 4 Arbeitstage, stehen dem schwerbehinderten Arbeitnehmer 4 Tage Zusatzurlaub zu. Sehen der Tarifvertrag oder sonstige Regelungen einen längeren Zusatzurlaub vor, so gilt dieser. Für das Jahr, in dem die Schwerbehinderteneigenschaft festgestellt wird, wird der Zusatzurlaub anteilig berechnet.

BEISPIEL

Ein Patient mit anerkannter Schwerbehinderung arbeitet 2 Tage die Woche bei seinem Arbeitgeber. Es stehen ihm dann 2 Tage Zusatzurlaub zu.

Freistellung von Mehrarbeit

Menschen mit Behinderung und ihnen gleichgestellte Beschäftigte können sich von Mehrarbeit freistellen lassen. Arbeitnehmer leisten Mehrarbeit, wenn sie die gesetzlich festgelegte werktägliche Arbeitszeit von 8 Stunden überschreiten. Diese 8-Stunden-Grenze gilt grundsätzlich auch für teilzeitbeschäftigte Menschen mit Behinderung.

Ausnahme

Die Teilzeitarbeit ist wegen der Behinderung notwendig und der Betroffene kann aufgrund der Art und Schwere seiner Behinderung auch vorübergehend nicht mehr als die von ihm normalerweise erbrachte Arbeitszeit leisten.

WICHTIG

Die Freistellung bedeutet kein generelles Verbot von Mehrarbeit. Schwerbehinderte Arbeitnehmer können selbst entscheiden, ob sie Mehrarbeit leisten oder sich davon freistellen lassen möchten.

Der schwerbehinderte Arbeitnehmer muss eine Freistellung von Mehrarbeit rechtzeitig und am besten schriftlich gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen. Eine besondere Freistellungserklärung von Seiten des Arbeitgebers ist bei berechtigtem Anspruch auf Freistellung von Mehrarbeit nicht erforderlich.

Recht auf Teilzeitarbeit

Schwerbehinderte und gleichgestellte Menschen mit Behinderung haben einen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung, wenn die kürzere Arbeitszeit wegen Art und Schwere ihrer Behinderung notwendig ist. Der Anspruch entsteht, wenn die vertraglich festgelegte Arbeitsleistung behinderungsbedingt nicht mehr geleistet werden kann.

Vorgezogene Altersrente

Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 können vorzeitig in Rente gehen. Um Anspruch auf eine vorgezogene Altersente zu haben, müssen Betroffene die Mindestversicherungszeit von 35 Jahren erfüllen und bei Antritt der Rente einen gültigen Schwerbehindertenausweis besitzen. Die Rente wird, abhängig vom Geburtsdatum und dem Zeitpunkt des Rentenantritts (grundsätzlich frühestens ab 60 Jahren), komplett oder mit Kürzungen ausbezahlt. Weitere Informationen erhalten Menschen mit Behinderung bei ihrer Rentenversicherung.

Aufgrund der Covid Pandemie liegt die Hinzuverdienstgrenze bei der vorgezogenen Altersrente im Jahr 2022 bei 46.060 €.

Exkurs: Integrationsämter

Die Integrationsämter übernehmen wesentliche Aufgaben bei der Eingliederung schwerbehinderter Menschen in das Arbeitsleben. Die Integrationsämter sind u. a. zuständig für die

• Unterstützung sowohl von Arbeitgebern als auch von schwerbehinderten Arbeitnehmern durch begleitende

Hilfen im Arbeitsleben. Hier sind neben einer fachlichen

Beratung, z. B. in Form einer technischen Unterweisung bei der behinderungsgerechten Gestaltung des Arbeitsplatzes, auch finanzielle Hilfen, wie die Kostenübernahme für die

Umgestaltung oder für eine notwendige Arbeitsassistenz möglich • Durchführung des besonderen Kündigungsschutzes behinderter Arbeitnehmer • Erhebung und Verwendung der sogenannten

Ausgleichsabgabe. Diese müssen alle Arbeitgeber zahlen, die weniger schwerbehinderte Menschen beschäftigen, als es gesetzlich vorgeschrieben ist

Die Leistungen des Integrationsamtes sind immer individuell auf die Bedürfnisse des behinderten Arbeitsnehmers zugeschnitten und stellen eine Ergänzung zu den vorrangigen Leistungen der Rehabilitationsträger dar.

Für die Durchführung der individuellen Unterstützung, Begleitung und Betreuung nutzen Integrationsämter die Dienste Dritter, die Integrationsfachdienste. Kontaktdaten aller bundesweiten Ämter und Fachdienste sind zu finden unter: www.bih.de/integrationsaemter/kontakt

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