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Von Protestreden zu Popmusik

Die schillernde Sängerin Kobayashi Sachiko gehört zu den berühmtesten Vertreterinnen des japanischen Enka.

Von Protestreden zu Popmusik ENKA

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演歌

Ob J-Pop, Anime-Musik oder die Volkslieder min’yō: Auf musikalischer Ebene hat Japan viele Genres hervorgebracht oder sich zu eigen gemacht, deren Popularität längst über Landesgrenzen hinausgewachsen ist. Einer dieser einzigartigen japanischen Musikstile ist Enka, das eine beeindruckende Entwicklung von Protestreden zu Mainstream-Popmusik durchlaufen hat. (Text: Diana Casanova)

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Wer an „traditionelle“ japanische Musik denkt, dem kommt vielleicht Enka in den Sinn – kraftvolle Balladen, die mit bewusst zittriger Stimme gesungen von Liebe und Heimat handeln. Tatsächlich entstand dieses für Japan einzigartige Genre erst in den 1950ern, dessen Wurzeln jedoch in der Meiji-Zeit liegen. Ursprünglich waren Enka („rednerisches Lied“) Protestreden satirischer bzw. kritischer Natur. Sie entstanden gegen Ende des 19. Jh., als strenge Gesetze zu öffentlichen Ansprachen galten. Um diese zu umgehen, wurde die Regierungskritik einfach gesungen statt gesprochen. Mit der Zeit verlor sich die politische Natur des Enka und bewegte sich hin zu persönlichen Themen, die die Menschen bewegten. Die Rolle der Sänger verlagerte sich vom politischen Kämpfer zum Entertainer. Westliche Einflüsse und die Verwendung von Instrumenten zur musikalischen Untermalung verwandelten Enka langsam in ein Mainstream-Genre.

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Ein Musikgeschäft in Tōkyō präsentiert die neuesten Erscheinungen japanischer EnkaKünstler:innen.

Ab Beginn der Shōwa-Zeit wurde ryūkōka (Popmusik der späten 20er bis frühen 60er) die neue Musik der Generation. Diese teilte sich schließlich in zwei Genres auf: Pop und das moderne Enka.

Das moderne Enka etablierte sich erst in der Nachkriegszeit: 1955 erschien Kasuga Hachirōs Wakare no ipponsugi – das erste „echte“ Enka-Lied – und markierte die Geburt des neuen Genres. Die Lieder basieren auf der pentatonischen Tonleiter, ähnlich dem Blues, und handeln meist von Sehnsucht, Verlust, Alkohol oder auch Tod. „Herz“ (kokoro), „Traum“ (yume), „Tränen“ (namida) oder „Du“ (anata) gehören zu den am häufigsten auftauchenden Wörtern, eine idealisierte Liebe zu einer Person oder der Heimat steht dabei oft im Mittelpunkt. Das macht es zu einem sehr sentimentalen und melancholischen Musikstil. Weiterhin kann man Enka-Lieder am kobushi erkennen, eine Gesangstechnik, bei der mehrere Töne auf einer einzigen Silbe unregelmäßig gesungen werden. Enka, wenngleich man aufgrund seiner relativ jungen Geschichte nicht wirklich von traditioneller Musik sprechen kann, bedient sich stilistischer Elemente eines „traditionellen Japans“: Die Künstler:innen, mehrheitlich Frauen, treten meist im Kimono auf und japanische Instrumente (z.B. die Shamisen-Laute) sind oft Teil der Melodien, neben Synthesizern und Streichinstrumenten.

Die Blütezeit der japanischen Balladen während der 60er und 70er brachte zahlreiche prominente Namen hervor, darunter Kitajima Saburō, Kobayashi Sachiko, Mori Shin‘ichi und Ishikawa Sayuri, um nur einige zu nennen. Ishikawas Tsugaru kaikyō fuyugeshiki und Amagigoe gehören zu den einflussreichsten Enka-Liedern aller Zeiten. Die unangefochtene „Königin des Enka“ ist jedoch die kulturelle Ikone Misora Hibari, die ihre Karriere als Sängerin und Schauspielerin bereits 1949 begann. Ihre letzte Single Kawa no nagare no yō ni gilt auch heute noch als Genre-bezeichnend. In den 60ern etablierte sich im Übrigen auch der Begriff „Enka“ – den man bis dahin kaum mehr verwendet hatte – wieder zur Beschreibung des musikalischen Erbes der einstigen Protestlieder.

Charakteristika des modernen Enka

Blütezeit und berühmte Namen

Die unangefochtene Nummer Eins: Enka-Ikone Misora Hibari (hier 1988) nahm zu Lebzeiten fast 1.500 Songs auf.

Enka heute

Enka gilt in der japanischen Jugend als die eher altmodische „Musik der Älteren“, was aber nicht bedeutet, dass sie bei ihr keinen Anklang findet. Anfang des 21. Jh. erlebte es ein kleines Revival, das durch frische Gesichter und die Verschmelzung klassischer Elemente mit zeitgenössischer Musik einen moderneren Anstrich bekam. Nennenswerte Beispiele sind Fuji Ayako, Hikawa Kiyoshi und Oka Midori, aber auch die Urgesteine Ishikawa Sayuri und Kobayashi Sachiko, die mit über 60 noch immer auf der Bühne stehen. Letztere ist berühmt für ihre pompösen Bühnenshows und lässt seit einiger Zeit zudem japanische Pop- und Otaku-Kultur in ihre Arbeit einfließen. Auch das jährliche Silvester-Musikprogramm Kōhaku Uta Gassen des TV-Senders NHK präsentiert erfolgreiche Künstler:innen der Pop- und Enka-Welt und sorgt so dafür, dass das Genre dem Publikum präsent bleibt. Obwohl Enka in erster Linie ein japanischer Musikstil ist, haben ihn auch Ausländer für sich entdeckt: Der Inder Sarbjit Singh Chadha oder der US-Amerikaner Jerome „Jero“ White sind zwei nicht-japanische Künstler, die sich einen Namen gemacht haben. Hören Sie also ruhig einmal in diese vielfältigen Lieder hinein!

Enka-Sängerin Fuji Ayako 2020 während eines Live-Auftrittes in Ōsaka: Sie feierte ihr Debüt 1989 und ist bis heute aktiv.

UNSERE ENKA-LIEDTIPPS

FUJI KEIKO Keiko no yume wa yoru hiraku (1970)

圭子の夢は夜開く

KITAJIMA SABURŌ Yosaku (1978)

与作

KOBAYASHI SACHIKO Omoide zake (1979)

おもいで酒

ISHIKAWA SAYURI Amagigoe (1986)

天城越え

MISORA HIBARI Kawa no nagare no yō ni (1989)

川の流れのように

HIKAWA KIYOSHI Hatsukoi ressha (2005)

初恋列車

JERO Umiyuki (2008)

海雪

FUJI AYAKO Yume no manimani (2021)

夢のまにまに

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