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3. icma, Category 3: Customer Magazines B2C


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stadtleben DAS MIETERMAGAZIN AUSGABE 3/2012

TITELTHEMA BILDUNG Nach Ausbildung oder Studium geht das Lernen weiter – ein Leben lang Seite 12 JUBILÄUM Die Gropiusstadt wird 50 Jahre alt. Das wird gebührend gefeiert Seiten 2 und 28

Und der Hauptmann schaut zu KÖPENICK hat viele Facetten. Eine historische, eine schöpferische, eine grüne. Ein Stadtspaziergang Seite 24

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Mieterfest!

Sommernachtstraum für angemeldete Mieter am 24. August im Britzer Garten

stadtleben (city life) – degewo, D This magazine for tenants takes up the topics from the readers‘ living environment. Individual persons are frequently in the centre of reporting. This has an authentic effect. Small photo reports, supplementary boxes, infographics: All this involves lovingly crafted details of the magazine “city life”, serving the reader’s entertainment and information.

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3 Customer Magazines B2C 3 TÜR AN TÜR

Gastmutter mit Leib und Seele BLINDTEXT: Xeraesed tiscilla consed magnit aliquipCum vercip ex enit ex eu faci tetue dolore feu feum do ex ex esequat, sit ip et alit prat lum

SEIT DREI JAHREN nimmt Linde von Koppingen Austauschschüler aus Frankreich und den Niederlanden bei sich auf. Beide Seiten profitieren von dem Kontakt. [ TEXT ] KERIM KÖHNE [ FOTOS ] MAX LAUTENSCHLÄGER

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uhig ist es bei Linde von Koppingen im beschaulichen Friedrichshagen fast nie. Denn sich zurückzulehnen und einfach nur die Rente zu genießen ist ihre Sache nicht. „Ich mag es, wenn immer etwas los ist“, sagt die 64-Jährige und zeigt auf den Stapel mit Briefen und Postkarten auf ihrem Couchtisch. Sie alle kommen von Schülern aus Frankreich oder den Niederlanden, die sich mit ein paar netten Worten bedanken. Seit drei Jahren ist Linde von Koppingen mit großer Begeisterung Gastmutter. Jeweils für drei oder vier Tage nimmt sie bis zu zwei Schüler unentgeltlich bei sich auf. In den Sommerferien sind die jungen Leute auch schon mal für zwei Wochen zu Gast.

Etwa zehnmal im Jahr bestimmen Reisetaschen und Koffer das Bild in ihrer kleinen degewo-Wohnung. Tagsüber erkunden die Berlinbesucher die Stadt, morgens und abends lernen sie ein bisschen deutschen Alltag kennen. Die Gastgeberin kann wiederum nach Herzenslust fragen, wie das Leben in Frankreich oder den Niederlanden so aussieht. Oder bekommt neue Anregungen für ihre Rezeptsammlung. Französische Gäste haben ihr vor ein paar Monaten gezeigt, wie echte Crêpes gemacht werden. „So profitieren beide Seiten vom Austausch“, sagt sie und lacht. Gesprochen wird dabei nur deutsch. „Oder ein bisschen mit Händen und Füßen“, wie die gelernte Altenpflegerin ergänzt. Besonders nett ist es immer dann, wenn der Kontakt über die flüchtige Begegnung hinausreicht. Wie zu dem Betreuer aus den Niederlanden, der längst ein „alter Bekannter“ ist. Er kommt mit seinen Schülern immer wieder nach Berlin – und hat Linde von Koppingen zum Gegenbesuch eingeladen. Erst kürzlich war sie in Zwolle und Rotterdam – und weiß jetzt genau, wo ihre Postkarten herkommen. In Berlin werden ständig Gasteltern gesucht. Kontakt zu Agenturen gibt es über den Arbeitskreis gemeinnütziger Jugendaustauschorganisationen: www.aja-org.de 10

KARTENGRÜSSE: Viele ehemalige Gäste schicken ihrer Herbergsmutter Postkarten ERINNERUNGEN: Seit Jahren gibt Linde von Koppingen ausländischen Schülern während ihres BerlinAufenthaltes ein Dach über dem Kopf

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3 Customer Magazines B2C 4 WOHNEN UND LEBEN

Hinter den Kulissen Teil 3

WOHNEN UND LEBEN

Den Kostentreibern auf der Spur

BETRIEBSKOSTEN EINSPAREN zählt zu ihren Hauptaufgaben: Volker Ries und Christian Ciaglia sind seit knapp einem Jahr für das Energiemanagement zuständig – und haben große Pläne.

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[TEXT] ANDREAS LANG [FOTOS] ANNETTE HAUSCHILD

olker Ries schließt immer wieder die Augen. Die Sonne blendet ihn einfach zu stark. Er steht auf dem Dach eines Wohnblocks an der Ecke Brunnen- und Lortzingstraße. Ries begutachtet mit seinem Kollegen Christian Ciaglia die Solarkollektoren, die hier eine Fläche von 140 Quadratmetern einnehmen. Es ist eine von 37 großen thermischen Anlagen der degewo. Das gute Wetter kommt gelegen. „Je mehr Sonnenenergie, um so weniger Erdgas benötigen die Heizkessel im Keller“, sagt Ries. Der 48-jährige, staatlich geprüfte Heizungs-, Lüftungs- und Sanitärtechniker, und Ciaglia, 32, Diplom-Ingenieur Technischer Umweltschutz, verantworten das zentrale Energiemanagement. Ihre wichtigsten Aufgaben: den Wärme- und Stromverbrauch im Bestand überwachen, eine kontinuierliche Energieversorgung gewährleisten, die Betriebskosten niedrig halten und auf erneuerbare Energien umstellen. Ihr Zweier-Team gibt es erst

seit September 2011. „Vorher haben sich mehrere Abteilungen, wie Betriebskostenmanagement und Bestandsentwicklung, um diese Themen gekümmert“, sagt Ries, „jetzt können wir viel konzeptioneller und strategischer vorgehen.“ Auch Uwe Hahn steht heute mit auf dem Dach. Er ist Service-Techniker des externen Anlagenbetreibers, mit dem die degewo zusammenarbeitet. Der Mann prüft einen Sensor, der die Sonneneinstrahlung misst. Sie erhitzt die Wasser-Glykol-Mischung in den Kupferröhren der Kollektoren. Große Rohre leiten diese Mischung durch das Haus in den Heizkeller und wieder zurück – ein steter Kreislauf. Im Sommer kann das Wasser schon mal mit 110

Grad Celsius im Keller ankommen, im Winter mit 60 Grad. „Wir vergleichen ständig die Einstrahlungswerte mit der Leistung der Anlage, um zu sehen, ob sie optimal arbeitet“, erklärt Hahn. Nicht nur der Betreiber ist für dieses „Monitoring“ zuständig, sondern auch die beiden Energiemanager. „Wir arbeiten daran, die Werte aller Solaranlagen über Funk und in einem einheitlichen Datenformat abrufen zu können“, so Ries. Das gehe erst bei einigen Anlagen. „So können wir im Störfall schneller reagieren und Daten besser vergleichen.“

und Anzeigen. „Solarenergie hat Vorrang, wird sofort im Gebäude eingesetzt. Überschüsse speisen wir in die Puffer für später“, so Ciaglia. Die Steuereinheit der Solaranlage regelt das Zusammenspiel der Komponenten.

Die Anlage versorgt 123 Wohn- und 10 Gewerbeeinheiten mit rege-

nerativer Energie, deckt im Jahresschnitt etwa zehn Prozent des gesamten Bedarfs ab. Bares Geld für die Mieter: Im Paket mit neuen Heiz- und Warmwasseranlagen sowie einer Dämmung des Daches verringert Solarthermie die Betriebskosten etwa um ein Fünftel. „Wir sind hier Klimaschutz-Vorreiter im Vergleich zu anderen Wohnbauunternehmen“, betont Ries. Dabei seien noch längst nicht alle Objekte umgerüstet, die baulich dafür geeignet wären. Zurück im Büro: Hier verbringen Volker Ries und Durch eine Luke klettern die drei zurück ins Christian Ciaglia die meiste Arbeitszeit – sie werten Daten aus, erstellen Konzepte und unterstützen andere Abteilungen, Treppenhaus. Der Aufzug zum Beispiel beim Abschluss von Wärmelieferverbringt sie in den Heizkeller. trägen. Ciaglia betrachtet konzentriert einen ausUwe Hahn öffnet eine schweVERBRAUCHSDETEKTIV gebreiteten Plan des Bestands in Marienfelde. Dort re Brandschutztür. Der Raum Jedes Haus braucht einen Energiehat die degewo gerade mit der energetischen Saniedahinter ist so groß wie ein Er gibt Auskunft über den ausweis. rung von mehr als 2.000 Wohnungen begonnen. Ab Lagerhaus. Ein ErdgasbrenEnergiebedarf oder -verbrauch eines Herbst unterstützen zwei Blockheizkraftwerke die ner dröhnt wie ein IndustGebäudes. Das hilft beim Einschätzen Wärmeversorgung im Quartier. „Die Arbeit macht riestaubsauger. Drei weitere der Betriebskosten. Mit der geplanten großen Spaß“, sagt Ries, „weil wir sehr eigenständig riesige Kessel schlummern in neuen Energieeinsparverordnung arbeiten können.“ Das biete viel Raum für kreative Bereitschaft. „Der Mercedes 2013 müssen Neumieter oder Käufer Ideen. An einer arbeiten sie gerade mit Hochdruck. unter den Solaranlagen“, sagt bei Vertragsabschluss eine Kopie Ries: „Wir wollen unseren Fuhrpark langfristig auf Ries und zeigt auf ein Gewirr erhalten. Elektrofahrzeuge umstellen.“ aus Metallrohren, Ventilen

IM TEAM: Dienstleister Uwe Hahn, Christian Ciaglia und Volker Ries (v. l.) IM BÜRO: Die beiden Energiemanager sichten den Wärmenetzplan und sprechen über die Anlagen in einem degewoWohngebiet

IM KELLER: Service-Techniker Hahn und degewoMitarbeiter Ciaglia besprechen ein Wartungsprotokoll. Das Wärmeverteilsystem umfasst unter anderem isolierte Heizleitungen, Absperrarmaturen sowie Druck- und Temperaturmessgeräte

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ÜBERBLICK: Ries und Ciaglia auf dem Schornstein des Wohnblocks

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3 Customer Magazines B2C 5 WOHNEN UND LEBEN

WOHNEN UND LEBEN HANDFÜTTERUNG: Noch ist nicht klar, wer hier mehr verunsichert ist

Wo Enzo seine Frauen ruft DER ZOO BERLIN ist der älteste und artenreichste der Welt. 60 degewo-Mieter bekamen eine exklusive Abendführung von Mitarbeitern der Zooschule und durften einige Tiere sogar füttern. [TEXT] MICHAELA HARNISCH [FOTOS] DAWIN MECKEL

B WILLKOMMEN: Zoo-Vorstand Garbriele Thöne und der Leiter Marketing der degewo, Olaf Sprung, begrüßen die Mieter

MAJESTÄTISCH: Ist der Jaguar schwarz, hat er eine Pigmentstörung

STARKE SACHE: Ein Horn besteht aus einem Knochen und einer Hülle

PATENTIER: Die Sumpfantilope braucht noch einen Namen SPANNEND: Ulrike Barnett erklärt das Gebiss einer Robbe

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eißen die? Spucken die? Zaghaft streckt Marvin seine Hand „Hart und filzig, nichts zum Kuscheln“, stellt Gesine nach vorn. Das Lama kommt näher und nimmt vorsichtig mit Zander aus Marienfelde fest. den Lippen Reste einer Brezel auf. „Oh, ich habe den warDann hält Ulrike Barnett ein Antilopenhorn in men Atem gemerkt“, sagt der Junge überrascht und zugleich der Hand. Es bestehe aus zwei Teilen. Der innere stolz, so mutig gewesen zu sein. Schließlich kommt es nicht sei Knochen, der durchblutet ist. Deswegen weralle Tage vor, dass man in einem Lamagehege steht, um dort die Tiere zu de er von einer äußeren Hülle geschützt. „Das ist füttern. Zusammen mit seinen Eltern und anderen degewo-Besuchern verHorn, wie unsere Fingernägel.“ Nur viel, viel fester. teilt er trockenes Brot. Alles geht gut, keiner wird angespuckt. Schließlich tragen die Tiere ihre Hörner ein Leben Das Wohnungsunternehmen hatte zu einem exklusiven Rundgang lang. Da müssen sie einiges aushalten. Jeder darf durch den Zoo nach Toresschluss eingeladen und hunderte wollten damal anfassen und versuchen, das Horn zu zerbrebei sein. Für 60 degewo-Mieter ist der Wunsch in Erfüllung gegangen. Sie chen. Selbst die Männer schaffen es nicht. dürfen bei der Abendführung mitmachen. „Der Zoo ist mehr als nur ein Kurz vor dem Ausgang wird Ulrike Zuhause für Wildtiere. Er ist auch ein Stück Heimat für die Berliner“, sagt Barnett noch einmal gefordert. Zoo-Vorstand Gabriele Thöne bei der Begrüßung. Fast drei Millionen BesuDie 18-jährige Lisa fragt, ob cher wurden im vergangenen Jahr gezählt. Natürlich seien viele Touristen nun Zebras schwarz Wer hat einen Namensvors dabei, aber eben auch zahlreiche Hauptstädter, die mehrmals kommen. sind und weiße Streichlag? Privatpersonen oder Firmen übernehmen sogar Patenschaften für Tiere fen haben oder Das Patenkind der degewo eine weib – liche Sitatunga oder Bäume. Wie die degewo, die für eine 2010 geborene Sitatunga Pate ist. doch umgekehrt. -Sumpfantilope braucht eine – n Namen. Das kleine Sumpfantilopen-Mädchen hat allerdings noch keinen Namen. Vor kurzem habe schreibt bis zum Wer eine Idee hat, 7. September degewo Mark Der wird noch gesucht. sie eine Erklärung eting/ Unterneh an: kommunikati menson, Stichwort In drei Gruppen laufen die Besucher durch das Gelände. Jede begleitet dazu gehört, sagt Potsdamer Straß : Antilope, e 60, 1078 stadtleben@d ein sachkundiger Führer aus der Zooschule. Sie erzählen Geschichten über die Biologin. Geegewo.de. Der 5 Berlin oder wird mit eine beste Vorschlag r Familien-Jahre das Liebesleben von Nashorn Jasper und Panda Bao Bao, über eine sinnvolnetisch sei Schwarz skarte für Zoo oder Tierpark le Beschäftigung von Elefanten und dass der schwarze Jaguar eigentlich die Grundfarbe. prämiert. Opfer einer Pigmentstörung ist. Nicht nur die Kinder stellen Fragen, und alle werden geduldig beantwortet. „Die Stimmung ist VERGNÜGLICHE ZEIT IN DER ZOOSCHULE ganz anders als zur regulären Öffnungszeit“, sagt Herbert Müller aus Marzahn. Ruhiger, geschehen ermöglichen. Für diese Tierisches Vergnügen Sowohl als entspannter. Offenbar lassen auch die Tiere Angebote muss gezahlt werden. Ergänzung zum Biologieunterricht den Tag ausklingen. Bis auf Enzo. Der SeelöKindergeburtstag im Zoo? Auch das als auch für spannende Entdeist möglich. Auf speziellen Touren ckungsreisen hinter die Kulissen: we röhrt lautstark. „Der ruft seine Frauen“, bekommen die Gäste ungewöhnliDie Zooschule bietet Führungen für erklärt Führerin Ulrike Barnett. Als Chef will che Einblicke in das Leben der ZooBerliner Schulklassen kostenfrei an. er seine Damen um sich haben. tiere und die Arbeit der Tierpfleger. Einige Führungen sind speziell als Meistens dürfen die Kinder dabei Unterrichtseinheiten konzipiert, anAm Bisongehege erzählt die 26-jährige auch selbst die Tiere füttern. dere eignen sich für den ProjektbeBiologin vom Verschwinden dieser zottigen reich oder für Wandertage. Bis zu Riesen. In nur 15 Jahren rotteten Ende des Telefonische Terminabsprache 90 Minuten dauert ein Rundgang. 19. Jahrhunderts Jäger die gewaltigen Bisonund weitere Informationen gibt es herden Nordamerikas aus. Von 15 Millionen unter Tel. 030 25 401 - 400, E-Mail: Für Kindertagesstätten und blieben nur ein paar hundert Tiere übrig. schule@zoo-berlin.de, www.zoovergleichbare Einrichtungen gibt Heute werden sie in den Zoos gezüchtet. berlin.de/zoo.html Menüpunkt es Spezialführungen, die den ganz Kita, Schule & Uni Kleinen einen Einblick in das ZooPlötzlich kramt sie in ihrer großen Tasche. Zum Vorschein kommt ein Ballen Bisonhaar. 3/2012 stadtleben

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3 Customer Magazines B2C 6 WOHNEN UND LEBEN

WOHNEN UND RATGEBER LEBEN

AUF DER SICHEREN SEITE Hausstrom Die Stromkosten zur Beleuchtung der Hausflure und Eingänge werden auf die Mieter anteilig umgelegt.

SIE HABEN FRAGEN RUND UMS WOHNEN? Wir wollen Ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Zu Themen wie Sicherheit im Haushalt, Energiesparen, Grünpflege oder Betriebskosten: Fragen Sie einfach unsere Experten!

Grünanlagen Grün bleibt nur grün, wenn es gepflegt wird. Firmen kümmern sich um Pflege und einen saisonalen Pflanzenschnitt.

Müllabfuhr Die BSR kommt an vereinbarten Tagen. Müssen illegal entsorgter Abfall oder Sperrmüll beseitigt werden, kostet das zusätzlich. Mülltrennung lohnt sich, denn die Entsorgung der teuren Restmülltonne belastet den Geldbeutel.

DER DIREKTE DRAHT

Wir haben ein offenes Ohr für Ihre Anliegen

Aufzüge Damit die Personenaufzüge, wo vorhanden, auch einwandfrei funktionieren, müssen sie regelmäßig gewartet werden.

Es gab Anlass zur Verärgerung oder Sie möchten uns auf etwas hinweisen?

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Schornsteinfeger Einmal jährlich säubert der Schornsteinfeger die Kamine und misst die Emissionswerte der Heizungsanlage dort, wo noch nicht auf Fernwärme umgestellt ist.

Hausmeister und Gebäudereinigung Auf die gute Seele im Quartier und saubere Treppenhäuser will keiner verzichten. Unnötige Beschädigungen oder Verunreinigungen gehen zu Lasten aller.

Warmwasserversorgung Tropfende Wasserhähne und tägliche Wannenbäder treiben die Kosten in die Höhe. Also: Armaturen überprüfen und eher duschen als baden. Der Einbau von sogenanten „Perlatoren“ kann den Wasserverbrauch senken.

Heizung Auch die Umrüstung auf Funkheizkostenverteiler zählt zu den Betriebskosten. Eine Investition, die sich langfristig auszahlt, weil die automatisierte Ablesung Kosten spart.

Mehr Transparenz bei den Betriebskosten Foto: degewo Grafik: KircherBurkhardt Infografik

„Der Verkauf eines de Probleme versuchen Autos ist nicht der Abwir kurzfristig, mit der zuschluss eines Geschäfständigen Abteilung eine tes, sondern der Beginn Lösung zu finden. einer Beziehung.“ Diese Für das BeschwerdetheWeisheit stammt vom ma Nr. 1, MängelmeldunUnternehmer Henry gen, haben wir spezielle Ford und lässt sich 1:1 Lösungen für Sie erarbeiauf die Anmietung einer Sabrina Gohlisch, tet. Ihr Hausmeister vor Teamleiterin Kun- Ort nimmt jede MängelWohnung übertragen. denbeziehungen/ Eine Beziehung muss Beschwerdema- meldung entgegen. Sollman pflegen, das kenten Sie ihn nicht erreichen, nagement nen wir aus dem prihilft Ihnen unsere Schavaten Bereich. Man sollte sich denshotline unter Tel. 030 26485ehrlich alles sagen und hinterher 2020 rund um die Uhr weiter. wieder in die Augen schauen könBeim Beschwerdethema Nr. 2, nen. Grundbestandteil einer guNachbarschaftsprobleme, haben ten Beziehung ist Vertrauen. Aus wir gute Erfahrungen mit dem diesem Grund haben wir knapp Mediationsverfahren gemacht. 1.000 Mieter im vergangenen Die degewo hat dafür professioWinter um ihre Meinung gebeten. nelle Partner als externe, neutrale In unserer ersten KundenzufrieKonfliktvermittler gebunden, die denheitsbefragung ließen wir uns Sie bei der Klärung Ihres nachbarNoten für Freundlichkeit, Schnelschaftlichen Konflikts unterstütligkeit, Erreichbarkeit und für das zen. Die Kosten für dieses Verfahabschließende Ergebnis Ihres ren übernimmt die degewo. Eine Anliegens, mit dem Sie zu uns in schöne Wohnung, gute NachbarKontakt getreten waren, geben. schaften, eine professionelle KunSie bewerteten uns mit einer 2,6. denbetreuung und ein gepflegtes Das hat uns gezeigt, wir können Wohnumfeld – all das lässt Sie zuuns verbessern. frieden wohnen bei degewo. DaWir brauchen Ihre konstruktiran möchten wir gemeinsam mit ven Hinweise, damit wir VerbesIhnen arbeiten. serungspotenziale finden und Wir freuen uns über Ihre Mitteiangehen können. Das Team lung, wenn etwas einmal nicht Kundenbeziehungen/Beschwerwunschgemäß laufen sollte, gedemanagement nimmt sich tenauso, wie über ein Lob, wenn Sie lefonisch, persönlich, per E-Mail etwas besonders gefreut hat. Wie oder auch auf Facebook Zeit für in einer privaten Beziehung. Ihre Anregungen, Wünsche und Probleme. Ihre Meinung ist uns wichtig: Alle Anliegen werden quartalsdegewo, Potsdamer Str. 60, weise ausgewertet. Für drängenTel. 26485-4141, beschwerdede oder schon länger andauernmanagement@degewo.de

Bald flattert sie wieder ins Haus: die jährliche Betriebskostenabrechnung. Sie gibt Auskunft über die erbrachten Leistungen des Vermieters und den zu zahlenden Anteil des jeweiligen Mieters. Oft stellt sich dann die Frage nach den Einsparmöglichkeiten. Das geht zum einen durch die ganz persönliche Kontrolle des eigenen Heizverhaltens oder Wasserverbrauchs. Zum anderen bietet die degewo Transparenz, indem sie Mietern die Gelegenheit zur Mitsprache gibt. Mieter in Marzahn nutzen diese Chance seit vielen Jahren. Sie engagieren sich

dazu im Betriebskostenbeirat. Der prüft nicht nur, ob die jährlichen Abrechnungen plausibel und für jeden Mieter verständlich sind, sondern kontrolliert auch Verträge mit Dienstleistern wie Vattenfall oder der BSR. Der Beirat führt stichpunktartige Kontrollen der Belege zu den Betriebskosten-Abrechnungen im Kundenzentrum Marzahn durch. Er bewertet Verbrauchsentwicklungen, erstellt Analysen und deckt Einsparpotenziale sowohl bei der degewo als auch bei den Mietern auf. Die Beiratsmitglieder geben Tipps und nehmen auch Anre-

gungen und Kritik der Mieter entgegen, um sie der degewo weiterzugeben.

AUFRUF Der Betriebskostenbeirat in Marzahn sucht sachverständige und engagierte Mieter aus dem Bereich des KUZ Marzahn, die sich alle zwei Monate zusammenfinden und über Einsparmöglichkeiten diskutieren. Kontakt: Klaus Krüger, Tel. 030 93026664, klaus.k.krueger@gmx.de 3/2012 stadtleben

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3 Customer Magazines B2C 7 BERLINER ANSICHTEN

BERLINER ANSICHTEN URSPRUNG: Im alten Fischerkiez von Köpenick erzählt jedes Haus eine Geschichte

HELDEN: Angelika Lübcke freut sich mit dem Hauptmann von Köpenick vor dem Alten Rathaus

PLATTE: Im Allende-Viertel fühlen sich die Mieter wohl

SONNENKRAFT: Die Elektroboote fahren umweltfreundlich

SCHOKO DELUXE: In der Chocolaterie gibt es Süßes aus Handarbeit 24

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ieser freche, als Hauptmann verkleidete Schuster, der 1906 in Köpenick die wilhelminischen Beamten nach seiner Pfeife tanzen ließ, die Stadtkasse beraubte und später vom Kaiser begnadigt wurde, wird wohl immer der Schutzheilige des Bezirks bleiben. Kaum eine Trauung geht im historischen Rathaus über die Bühne, ohne dass die Brautpaare sich neben Wilhelm Voigt stellen und ablichten lassen. „Ihn lieben alle“, sagt Angelika Lübcke. Die ehemalige Verwaltungsangestellte kennt sich aus. Sie schreibt seit vielen Jahren Geschichten über die Menschen in Köpenick. Mittlerweile gibt sie auch Kurse für kreatives Schreiben. Nach der Wende hat die heute 62-Jährige nochmal ganz von vorn angefangen. „Leicht war das nicht. Aber ich habe mich durchgebissen. Schreiben ist nach wie vor mein Element.“ Mit ihr geht es durch die Straßen und Kieze. Eine kundigere Begleiterin ist wohl nicht so einfach zu finden. In der Grünstraße steuert sie auf die Chocolaterie von Kathrin Weimar zu. Ein Kakao-Paradies. Mutter und Tochter Jessica

Köpenick ist eine Reise wert VON DER MITTE BERLINS AUS ist es schon ein Stück, bis die Altstadt des Bezirks mit dem berühmten Rathaus und dem schönen Schloss in den Blick gerät. Und Köpenick hat noch viel mehr zu bieten. [TEXT] REINER SCHWEINFURTH [FOTOS] PABLO CASTAGNOLA

haben ein hübsches, einladendes Lokal eingerichtet, in dem IndustrieSchokolade aus dem Supermarkt nicht zugelassen ist. Eine Tasse mit dampfendem Kakao belehrt den ahnungslosen Gaumen: Das muss leicht säuerlich schmecken. Seit zwei Jahren gibt es diese süße Oase. Die Kurse für Pralinenzubereitung und Schokoladenwissenschaft sind bis Oktober 2013 ausgebucht. Vielleicht sagt ja jemand ab. Die Altstadt ist mittlerweile komplett saniert. „Ein bisschen mehr Trubel wäre schön, so wie früher“, sagt Lübcke. Da kamen die Leute und belagerten die Kneipen. Immerhin gibt es den Wochenmarkt. Hier begrüßt sie die Frauen ihres langjährigen Obst- und Gemüselieferanten aus Groß Kreutz an der Havel. Es geht familiär zu. Die Großstadt Berlin ist weit weg.

Wenige Schritte weiter hat Zilles Stubentheater sein Domizil. Der Meister persönlich begrüßt die Besucher – stilecht mit Umhang und mächtigem Schnurbart, die Zigarre glüht. Albrecht Hoffmann ist nicht allein. Ihm steht Benno Radke alias Blütenbenno zur Seite. Wer mal richtig im alten Berlin schwelgen will, sollte sich die beiden urigen Figuren nicht entgehen lassen. In ihren Vorstellungen mit viel „Musike“ werden

Geschichten erzählt, die auch eingeborenen Berlinern Spaß machen, können sie doch in den Spiegel schauen und sagen: „Kiek mal, dit sind wir.“ Radke ist darüber hinaus leidenschaftlicher Sammler technischer Geräte aus der Vergangenheit. Prunkstück: ein originaler Phonograph aus dem Jahre 1900. Die zugehörigen Wachswalzen besitzt er natürlich auch. Angelika Lübcke fühlt sich pudelwohl bei den beiden. Mal sehen, vielleicht liest sie demnächst einmal auf der Nudelbrettbühne. Nächster Stopp ist der Solarbootverleih. Er liegt genau zwischen Schloss und dem Fischerkiez. Seit 2002 gibt es diese Vermietung schadstofffreier Wasserfahrzeuge. „Die sind pflegeleicht“, sagt Mitarbei- >

»Früher gab es hier Kneipen, die hatten 24 Stunden auf, wegen der Fabriken in Oberschöneweide.« 3/2012 stadtleben

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was uns bewegt.

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was uns bewegt. das magazin der hArtmAnn gruppe

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Aspekte des Alterns ZU BeSUcH Bei MARGAReTe MiTScHeRLicH Aspekte des Alterns

s. 28

DeR SULTAN UND SeiN VeRMäcHTNiS s. 42

DAS LieBeNSweRTe DoRF DeS VeRGeSSeNS s. 60

Was uns bewegt (What moves us), D This brochure is devoted to one single theme. Appearing on the cover: “Aspects of Ageing”. The issue is broken down into three sections: – Body + Spirit – Man + Society – Working + Living Long image segments, doublepage infographics, well structured texts – these are the catchwords to this magazine. The body type is two or threecolumn. On all pages, there is a column, outside, for minor supplements. “Was uns bewegt” is a magazine that invites readers to get involved in a topic.

Was uns bewegt – Paul Hartmann AG, D, Silver Award


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Was uns beWegt.

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Lebens WeLten

ältere menschen und ihr alltag

was bewegt Männer und Frauen im fortgeschrittenen alter? wie richten sie ihr Leben ein, wie wohnen sie, wie erleben sie geselligkeit? „Die alten“, so zeigt die Realität, gibt es nicht, sondern eine Vielzahl von Lebensstilen, geprägt vom gesellschaftlichen umfeld und von individuellen bedürfnissen. einige werte aber sind auf der ganzen welt wichtig.

Was uns bewegt – Paul Hartmann AG, D, Silver Award


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erfahrung — Wer viel erlebt hat, kann viel weitergeben. Wissen und Erfahrung zum Beispiel, die jüngeren Generationen auf ihrem eigenen Weg weiterhelfen. Viele Senioren setzen ihre Kompetenzen deshalb ehrenamtlich ein, zum Beispiel für Kinder aus benachteiligten Familien. Besonders aktiv sind die Skandinavier: In Dänemark und Schweden arbeiten bis zu 20 Prozent der über 50-Jährigen ehrenamtlich, in Mitteleuropa und Frankreich immerhin um die zehn Prozent. Programme wie der Bundesfreiwilligendienst in Deutschland wollen noch mehr Menschen auch im reiferen Alter ermuntern, sich für andere einzusetzen. Sogar über ein soziales Pflichtjahr für Rentner wird inzwischen diskutiert. Immerhin scheinen gute Taten das Wohlbefinden zu fördern: Wer sich im Alter für andere stark macht, fühlt sich laut einer internationalen Studie deutlich gesünder als passivere Zeitgenossen.

zuhause — Möglichst lange in den eigenen vier Wänden leben – das wünschen sich ältere Menschen in allen Kulturen der Welt. In Ländern wie Italien oder Frankreich wohnen noch zwei Drittel aller über 80-Jährigen im eigenen Haus oder Appartement, selbst wenn sie Hilfe im Alltag brauchen. Häufiger als in Nordeuropa leben in den Mittelmeerländern außerdem mehrere Generationen unter einem Dach. In Skandinavien kommt das heute eher selten vor. Gerade Hochbetagte wohnen hier häufig in den besonders gut ausgestatteten Altenheimen. ungefähr die Hälfte der Senioren in ganz Europa verbringt den Lebensabend übrigens in Zweisamkeit mit dem Partner. Je höher das Alter, desto höher allerdings – wegen der längeren Lebenserwartung – auch der Anteil der allein lebenden Frauen: Von den über 85-jährigen Frauen in Deutschland sind fast 80 Prozent Witwen.

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miteinander leidenschaft — Viele Senioren genießen es, sich statt um berufliche Pflichten endlich um ihre eigenen Interessen kümmern zu können. Sie treiben Sport, legen sich neue Hobbys zu, freuen sich an kulturellen Veranstaltungen oder gehen vermehrt auf Reisen. Mehr als die Hälfte der älteren Menschen bevorzugt dabei den urlaub im eigenen Land. Zunehmend entdecken Rentner und Pensionäre auch das lebenslange Lernen für sich: Etwa jeder dritte Gasthörer an deutschen universitäten ist älter als 65 Jahre. Die Freiheiten der zweiten Lebenshälfte nutzen viele auch, um mit Leidenschaft über den Euro oder das ideale Renteneintrittsalter zu debattieren. Ein Viertel aller Europäer über 55 Jahre gibt an, häufig über lokale und nationale Politik zu diskutieren – viel mehr als bei den Jüngeren.

— Überall auf der Welt will die ältere Generation teilhaben am Familienleben ihrer Töchter und Söhne. Die meisten Großeltern erleben es als erfüllend, die Welt noch einmal mit den Augen kleiner Kinder zu entdecken. In Deutschland betreuen fast 80 Prozent der Großväter und -mütter regelmäßig ihre Enkel. Das funktioniert oft sehr gut, weil über ein Drittel von ihnen weniger als eine Stunde Autofahrt voneinander entfernt lebt. In Familien aus anderen Kulturkreisen spielen die Großeltern oft eine noch deutlich stärkere Rolle. Die russische Großmutter zum Beispiel, Babuschka genannt, gilt traditionell als machtbewusste Matriarchin mit weit reichender Entscheidungsgewalt in der Erziehung der Enkel. In Ländern wie China oder Japan erwartet man oft auch von erwachsenen Kindern, dass sie sich ihren Eltern unterordnen.

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würde — Alte Menschen wollen möglichst lange selbstbestimmt leben und mit Respekt behandelt werden. und erst recht diejenigen, die auf Hilfe im Alltag angewiesen sind. Die meisten Menschen, die für ihre Angehörigen ein Pflegeheim aussuchen, nehmen das sehr ernst: Laut einer deutschen Studie achten über 80 Prozent vor allem darauf, ob das Pflegepersonal freundlich ist und das Heim Rücksicht auf die Gewohnheiten der Bewohner nimmt. Die Pflegebedürftigen sollen selbst entscheiden können, wie viel Zeit sie alleine und mit anderen verbringen, welche Medikamente sie nehmen und wann sie unter die Dusche gehen. In vielen Kulturen gehören Alter und Würde seit jeher zusammen: In der konfuzianischen Tradition etwa wird aus einem Menschen erst mit dem Alter ein Kulturwesen, dem aufgrund seines Wissens und seiner Weisheit mit Ehrfurcht zu begegnen ist.

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gesunDheiTsorienTierT unD fiT daten und fakten zum körperlichen wohlbefinden älterer

Be e in t räc h t iGt e sin n e Wie sich unser Sehen im Laufe des Lebens verändert

besse Cooper wurde am 26. august 1896 in sullivan County im usbundesstaat tennessee geboren. Mit ihren 115 Jahren ist sie der älteste zurzeit lebende Mensch. Hochbetagte wie sie gibt es in den in-dustrieländern immer häufiger. bemerkenswert daran: unter den 100-Jährigen findet man kaum Menschen, die ein extremes Leben geführt haben. keine kettenraucher, keine Übergewichtigen, dafür aber körperlich und geistig aktive Menschen. n At ü r L iches A nti-AG inG Skurrile Mittel im Kampf gegen das Alter

k ro ko d i l ö l (anwendung auf der haut)

ab

35 j.

blutegel (saugen und entgiften)

goji-beere (asiatische „wunderbeere”, die angeblich fett in muskeln verwandelt)

Anzahl der gesunden Jahre nach dem 65. Geburtstag Anzahl der verbleibenden Jahre gesamt scHwedeN

14,6 21,2

dä Ne M a R k

12,0 21,2

d e u T s c Hl a N d

6,5 20,1

Vermehrter lichtbedarf

ab

40 j.

nachlassende flexibilität des augenmuskels, höhere blendempfindlichkeit, schlechtere anpassung an grelles licht, Verminderte tiefenwahrnehmung schlangengift (bestandteil von hautcremes)

G e sun de sc h We din n e n Nordeuropäische Seniorinnen bleiben länger gesund als ihre Altersgenossinnen aus Süd- und osteuropa (Stand 2009)

P o RTu G a l

5,4 20,5

s l owa k e i

2,8 18,0

Sehr gut

26

21,8

11,0

9,2

55 j. 0–17

18–3 0

31–4 0

4 1 –50

5 1 –60

≥60 jaH Re

— q u E L L E deutsche gesellschaft für ästhetisch-plastische chirurgie 2010 A Lt e r s k rA nkheit deMenz Bis zum Jahr 2060 wird sich die Anzahl der an Demenz Erkrankten in Deutschland verdoppeln in %

2009

1,2

2030

1,8

2060

Verzögerte dunkelanpassung, einengung des gesichtsfelds, längere dauer für scharfe wahrnehmung eines Objekts

2,5

ab

70 j.

schlechtere farbwahrnehmung

7 4

ve r dauungssyst e m unglück sfä lle

3

3

e r nä hr ungs- und stoffwe chse lk r a nk he it e n psychische - und ve r ha lt e nsstör unge n

45-59 j. 27

— q uEL L E saup 1993

5

41

55

7 2

11

59

≥ 60 j. 19 63

14

2

4

— q uEL L E statistisches bundesamt 2011

— q uEL L E forsa, dak–angst vor krankheiten 2011

„die einzige methode, gesund zu bleiben, besteht darin, zu essen, was man nicht mag, zu trinken, was man verabscheut, und zu tun, was man lieber nicht täte.“

Vo R B I L D – METHuS A L EM Jeder Zehnte möchte ewig leben, wenn er frei entscheiden könnte. Mehr als die Hälfte hält 90 Jahre für genug. in % 70 j.

90 j. 110 j . 300 j.

16 — q u E L L E barmer gek 2010

Eher schlecht

14-29 j. 54

at mungssyst e m

ab

3 4 5

6

41

30-44 j. 36

25,5

2

7

Wie Wir un s se LBst se h e n So schätzten die Deutschen ihre eigene Gesundheit im Jahr 2011 ein in %

50 j.

31,6

1

sebastian kneipp – deutscher pfarrer und hydrotherapeut

5

0,9

12

8

WorAn Wir st e rBe n Die häufigsten Todesursachen in Deutschland im Jahr 2010 in % k r e bse r k r a nk ung k r e islaufsyst e m

ab

Verminderung der sehschärfe

11 10

9

— q uEL L E eurostat 2011

d r ac u l a - t h e r a p i e (eigenes blutplasma wird ins gesicht gespritzt)

d ie in n eren W erte zä hLen Jenseits der 30 unterziehen sich immer weniger Patienten einer Schönheitsoperation (Stand 2010) in %

„wer nicht jeden tag etwas für seine gesundheit aufbringt, muss eines tages sehr viel zeit für die krankheit opfern.“

mark twain – amerikanischer schriftsteller

56

08

02

10

ewig

— q uEL L E reader's digest, tns emnid 2009

Was uns bewegt – Paul Hartmann AG, D, Silver Award


3 Customer Magazines B2C 13 KöRPeR

geIst

Was uns beWegt.

das magazin der hartmann gruppe

KöRPeR

geIst

Was uns beWegt.

25

beispiel einen Verlag, der bereit wäre, noch weitere arbeiten von mir aus den vergangenen Jahrzehnten zu publizieren. aber das langweilt mich gerade so.

die psychoanalytikerin margarete mitscherlich im gespräch

Frau Mitscherlich, ich nenne ihnen einen Begriff, und sie sagen mir, was ihnen einfällt. was assoziieren sie mit dem wort erinnerung?

als psychoanalytikerin denke ich ganz schnell an meine kindheit, meine Jugend, meine arbeit, meine patienten und wie weit sie ihre erinnerung aufgrund von erfahrungen und traumata verdrängt haben. im grunde kann ich mit erinnerung meinen gesamten beruf assoziieren.

weil wir alle so alt werden. in solchen Fällen ist eine analyse nicht mehr möglich. generell hat man aber auch im alter phantasien und durchlebt konflikte. wenn man sie mit dem Verstand verbindet, dann führen sie zu neuen ideen und erkenntnissen. Gab es irgendwann

Träume spielen in ihrem Beruf eine wichtige Rolle. was haben sie heute Nachmittag geträumt?

ich komme gerade nicht drauf... aber mich interessieren im Moment sehr stark altersträume. wenn sie über 90 sind, denken sie anders. Die träume, die ich jetzt habe, bringen zum ausdruck, in der nähe des todes zu sein. ich würde sagen, 90 prozent der Menschen, denen ich in meinen träumen begegne, leben nicht mehr.

einen Punkt, an dem ihnen bewusst wurde: ich werde alt?

sind sie immer noch Mit welchen Gefühlen wachen sie dann auf?

würden sie von sich sagen, dass sie altersweise sind?

was sagt Freud eigentlich über das alter? und, stimmt das?

ich reagiere zunehmend weniger emotional auf meine träume. ich betrachte sie mit einer gewissen Distanz, weil sie mich interessieren. Oft geben sie mir antworten auf Fragen, die mich gerade beschäftigen. im grunde sind es milde träume. ich habe schwierigkeiten mit diesem begriff. weisheit ist ein wort der Überhöhung und ohne gefühl. Die Verbindung von Herz und Verstand hat in der psychoanalyse ein ganz anderes Recht. Das unbewusste kennt keine Zeit und auch keine begrenzung.

selbstkritisch mit sich? in welchen Momenten fühlen sie sich jung?

was mögen sie am alter? sie haben in ihrem leben drei analysen gemacht. warum?

Ziemlich wenig. er sagt, dass sich ab einem bestimmten alter eine analyse nicht mehr lohnt. ich glaube nicht daran. es ist sehr unterschiedlich und hängt von der psychischen Verfassung ab. Heute sind alzheimer und Demenz stark verbreitet,

was fällt ihnen spontan zu Zeit ein?

Der ist immer! (lacht) Mit 17 hörte ich das Lied „Mit 17 hat man noch träume“ und dachte: Oh gott, jetzt ist eigentlich der Höhepunkt deines Lebens erreicht! Mit 25 hab ich in den spiegel geschaut und eine scharfe Linie um den Mund entdeckt. Da sagte ich zu mir: Jetzt bekommst du Falten, jetzt wirst du alt. auf jeden Fall benutze ich teure Cremes, obwohl ich weiß, dass es oft Humbug ist.

aber was ist mit ihrem interesse an altersträumen?

und das verunsichert sie?

aber geht es im alter nicht genau darum, die lebenszeit mit aufgaben zu füllen, die inspirieren und spaß machen?

Gibt es etwas, was sie am altwerden überrascht hat?

eigentlich nie. am ehesten, wenn mein körper mich in Ruhe lässt. bei gesprächen mit lieben Freunden. Oder wenn ich in gesprächen mit mir selber neues entdecke. eine gewisse Lässigkeit. Man lernt, im Hier und Jetzt zu leben. es hat mich angeregt. wo können sie sonst ihre ganzen ambivalenzen loswerden, die sie gegenüber Menschen haben, die sie eigentlich lieben? Viele Dinge kann man nicht aussprechen. auch die nicht, die einen selbst betreffen. beispielsweise, wenn man fies, eifersüchtig oder neidisch ist. solche gefühle spürt man bis ins hohe alter. Je älter ich werde, umso schneller vergeht die Zeit. ich nehme mir immer vor, dies und jenes zu machen. ich habe zum

Klasse statt Masse lautet die Grundidee hinter dem Konzept, das in Europa bereits seit Jahren erfolgreich umgesetzt wird. Aufgrund der vollkommen anderen Kostenstrukturen setzen amerikanische Pflegeeinrichtungen stattdessen meist auf sehr günstige Produkte. um den qualitätsmangel auszugleichen, wechselt das Pflegepersonal die Inkontinenzprodukte der Bewohner dafür häufiger als in europäischen Heimen. Der großen Mengenverbräuche wegen ist der Stückpreis meist das Hauptkriterium bei der Produktauswahl.

wie alt fühlen sie sich eigentlich?

denken sie dabei an den Tod?

ich habe schon viele Menschen angefragt, die bei dem projekt mitmachen wollen. aber ich gebe zu, im alter ermüden sie auch schnell. Die tage gehen hin wie nichts. und die konzentration wird schlechter. nein. aber mich ärgert es, und ich beschimpfe mich. und dann lenke ich mich vom Ärger ab, indem ich lese. ich habe immer noch genügend bücher, die ich lesen will. und ich habe immer noch jede Menge, in denen ich zeitweise lese und die mich wiederum an ein anderes erinnern. Dann greife ich das, dann das nächste und übernächste, bis ich wieder zum ersten zurückfinde. Je mehr ich weiß, umso mehr spüre ich, wie viel ich nicht weiß.

BECKENBoDENGyMNASTIK AN DER AMPEL und dennoch, es gibt sie – die Fälle, in denen selbst der beste arzt wenig bewirken kann, weil patienten keine Medikamente vertragen oder andere erkrankungen eine Operation unmöglich machen. „es liegt an der eigenen einstellung, ob man mit

WIE REAGIEREN MENSCHEN DARAuF, WENN DER ARZT SIE MIT DER DIAGNoSE „INKoNTINENZ“ KoNFRoNTIERT? HARTMANN HAT EIN FÜNF-PHASEN-MoDELL DAZu ENTWICKELT. WIE LANGE DIE EINZELNEN PHASEN JEWEILS DAuERN, IST INDIVIDuELL uNTERSCHIEDLICH. DIE DRITTE uND VIERTE PHASE ÜBERLAPPEN SICH HÄuFIG.

— Margarete Mitscherlich-Nielsen wird 1917 als Tochter einer deutschen Lehrerin und eines dänischen Arztes in Dänemark geboren. Sie studiert Literatur und Medizin in München und Heidelberg und promoviert 1950 in Tübingen. 1947 lernt sie in der Schweiz den noch verheirateten Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich kennen. Sie bekommt 1949 einen Sohn von ihm, lebt aber erst einmal mit Kind und einer Freundin am Bodensee. 1955 heiraten Alexander und Margarete Mitscherlich. Gemeinsam sorgen sie für die Wiederbelebung der Psychoanalyse im NachkriegsDeutschland. 1960 ist Margarete Mitscherlich Mitbegründerin des Sigmund-Freud-Instituts in Frankfurt. Zusammen mit ihrem Mann veröffentlicht sie 1967 das bahnbrechende Buch „Die unfähigkeit zu trauern“. Margarete Mitscherlich lebt seit dem Tod ihres Mannes 1982 in Frankfurt. Vor kurzem ist ihr Buch „Die Radikalität des Alters“ als Taschenbuch im Fischer Verlag erschienen.

2. bewertung und wahrnehmung

3. abwehr

4. auseinandersetzung

5. annahme

„Ich bin inkontinent. Das bleibt wohl doch.“

„Ich will ohne Inkontinenz leben.“

Jetzt setzt sich die Erkenntnis durch. Je nach Ausprägung der Inkontinenz und Persönlichkeit empfindet der Betroffene seine Beschwerden als Herausforderung, Verlust oder gar als Bedrohung. „Was wird werden? Wie komme ich in Zukunft damit zurecht?“ Es beginnt eine Phase der unsicherheit.

obwohl sie die Fakten kennen, wollen die meisten Betroffenen ihre Inkontinenz nicht akzeptieren. Je nach Persönlichkeit gehen sie dagegen an, indem sie nach Therapien suchen oder intensive Beckenbodengymnastik betreiben. Andere trauern, ziehen sich vollkommen zurück. Die unsicherheit nimmt zu und belastet zunehmend.

„Ich bin inkontinent. Ich kann es nicht ändern. Ich muss damit leben.“

„Ja, ich bin inkontinent, aber ich habe Mittel und Wege gefunden, um damit umzugehen und habe trotzdem eine relativ gute Lebensqualität.“

Die betroffene Person verleugnet ihre Inkontinenz oder verharmlost sie.

MenscH

schon unsere Vorfahren wussten es: Mit dem alter kommt die weisheit. in früheren Zeiten wurden alte Menschen besonders geehrt und geachtet als Ratgeber, traditionsbewahrer, schlichter oder Heiler. Dieses bild änderte sich: im 20. Jahrhundert mussten sich die alten dem Jugendkult unterordnen – man meinte, sie nicht mehr zu brauchen. Heute werden die neuen alten wieder selbstbewusster. Vor allem die jungen alten zwischen 60 und 70 sind mit ihrem Leben zufrieden und fühlen sich von der gesellschaft angenommen.

Die betroffene Person hat sich mit ihrer Inkontinenz abgefunden. Sie ist sicher im umgang mit ihrer Inkontinenz. Einige bekennen sich dazu, andere legen Wert darauf, dass ihre umgebung nichts davon erfährt.

geseLLscHaFt

Was uns beWegt.

1,4

6,7

7,6

auf enkel aufpassen, wenn eltern nicht da sind

86

80

83 j.

78

82 j.

ja Pa N

83

63

75

80 j.

sc H w eiZ

l uxeMB u R G

46

69 j. Russl a N d

45

46 j. siMB a B w e

44

27

44

im haushalt helfen

44 j.

19

65

FR a Nk ReicH

18

37

05

66

deu Ts cHla Nd*

13

— q u E L L E world bank, world development indicators, september 2011, *ergeben keine 100 prozent aufgrund von rundungen

31

das magazin der hartmann gruppe

2.705

2.857

kofi atta annan – uno-generalsekretär von 1997 bis 2006

p fL e G e dA h e i M Die meisten Pflegebedürftigen in Deutschland werden zu Hause versorgt. Anzahl der Pflegebedürftigen gesamt: 2,34 Millionen (Dez. 2009)

G e s u n d e s e L B st e i n s c h ät zu n G Vier Fünftel der über 60-jährigen Deutschen sehen sich in der mittleren Gesellschaftsschicht. Für unterprivilegiert halten sich eher die ganz Jungen und die ganz Alten. in % unten mittig oben

20

46

9,8

— quELLE

ifd allensbach, Vorwerk familienstudie 2009

7,0 6,4

50– 59 j . 75,3 15,6

9,1

60– 69 j . 81,1 14,3

4,6

70+ j . 13,9

4,8

81,4

— q u E L L E sOep, tns infratest sozialforschung, sozioökonomisches panel 2008

d e M oG r A p h i s c h e r WA n d e L – üBerALL Anders Fast die Hälfte der Menschen in Afrika war im Jahr 2011 unter 15 Jahre alt. unter 15 jahre über 64 jahre in %

p os i t i V e s A Lt e r s B i L d Stimmen Sie zu, dass ältere Menschen eine Last für die Gesellschaft sind? in % icH sTiMMe . . .

3 stark zu

4

aFRika

9 ein wenig zu

26

25 ein wenig dagegen

7

asieN

keine unterstützung

19 NoRdaMeRika

13

16 euRoPa

16

27

64 stark dagegen

8

1 keine angaben

welT

47

11,2

40– 49 j . 12,9 80,7

— q u E L L E destatis, pressemitteilung vom 21.02.2011

41

enkel mit in den urlaub nehmen

16– 19 j . 4,9 85,4 20– 29 j . 9,0 79,9 30– 39 j . 79,7 7,0

23

finanziell unterstützen

in afrika verschwinsagt man, det eine wenn ein bibliothek. alter mann stirbt,

1.224

29

32

51

Ma li

AthAnAssiou

* statistisches bundesamt, pflegestatistik 2001, 2005, 2009 ** deutsche rentenversicherung (drV); bundesministerium für arbeit und soziales (bmas)

gemeinsam mit enkeln etwas unternehmen

02

64

iNdieN

Myrto-christinA

— quELLE

1,07 Millionen werden zu Hause von Angehörigen gepflegt 555.000 werden zu Hause von ambulanten Pflegediensten betreut 717.000 werden vollstationär in Pflegeheimen betreut

a FG H aNisTa N

16

72

cH iNa *

ansprechpartner für enkel sein

enkeln bei den hausaufgaben helfen 9 20

2.523

1.111

2005

31

— q u E L L E dsw-datenreport 2011

17

Kosten Heimplatz monatlich bei Pflegestufe III in Euro* Gesetzliche Rente nach 45 Jahren lückenloser Beitragszahlung in Euro (alte Bundesländer)**

1999

1.176

35

j u n G e s MA L i Die klassische Alterspyramide hat sich überall stark verändert (Stand 2010) 0–14 jahre 15–64 jahre ≥65 jahre in % 08

u n B e zA h L B A r Ein Heimplatz mit Pflegestufe III ist in Deutschland mit einer Standardrente allein kaum zu bezahlen. in EuR

2009

38

wege abnehmen

84

53

0,9

1,0

autorin

51

d i e zW e i t W i c h t i G st e n Me n s c h e n d e r W e Lt Wie Großeltern die Familie ihrer Kinder unterstützen. in %

enkelkinder nehmen, damit eltern zeit für sich haben

d e r A f r i k An i s c h e kon t i n e n t Wäc h st r A s A n t 2,1 Kinder je Frau bilden die „magische Schwelle“. Bei dieser Geburtenrate ersetzt sich jede Generation selbst. Anzahl Geburten je Frau 2011

80

Anette frisch

Eine mentale Wendung tritt ein. Der Betroffene hat seine Inkontinenz akzeptiert. Viele managen das Problem nun mit Hilfsmitteln. Manche gehen schon jetzt offen mit ihrer Inkontinenz um oder kokettieren sogar damit. Die Verunsicherung weicht einer zunehmenden Sicherheit.

seLbsTbewussT unD komPeTenT

s c h Lu s s L i c h t A f Gh A n i stA n Je konfliktreicher die Region, desto geringer ist die durchschnittliche Lebenserwartung. männer frauen in Jahren

autorin

EIN ZETTEL FÜR DIE FREuNDIN Dass inkontinenz weiter ein tabu bleibt – nein, das aber will gräble, anders als ihre einschränkungen durch die inkontinenz, nicht akzeptieren. Deshalb wird sie nicht müde, auf Messen und Veranstaltungen zum thema infozettel zu verteilen. und milde zu lächeln, wenn dann wieder eine ältere Dame fragt, ob sie einen der Zettel für „ihre Freundin“ haben könne. ihr schönstes erlebnis: als plötzlich an einer Villinger kreuzung eine Frau aus dem auto sprang, ihr um den Hals fiel – und sich überschwänglich dafür bedankte, dass gräble mit ihrer selbsthilfegruppe inkontinente Men-

schen aus ihrem schneckenhaus geholt habe. Helene Differding, die lebhafte kölnerin in ihrer kleinen küche, will ebenso kämpfen. sie möchte, dass köln einen toilettenführer für die stadt publiziert, damit Flaneure mit blasenproblemen nicht immer in panik ausbrechen, wenn sie der Drang überkommt. ihrer tochter hat sie eingeschärft, schon mit anfang 20 mit dem beckenbodentraining zu beginnen, um ihr die eigene Malaise zu ersparen. Jetzt kommt ihr sohn in die küche, er grinst. ist das seltsam für ihn, dass seine Mutter über ihre inkontinenz spricht? „nein“, sagt der junge Mann. „ich bin stolz auf sie – die soll ruhig solche interviews geben!“

1. vorphase der tabuisierung

— q u E L L E cia – the world factbook 2011

ich fühle mich wie 30, aber auch wie 94. ich kann mich aber nicht in das alter von 95 oder 96 Jahren hineinversetzen. alles, was man nicht selbst erlebt hat, ist in wahrheit gefühlsmäßig nicht vorstellbar.

trags auf die toilette lassen. „Die nette toilette“ heißt die aktion, die es ähnlich in vielen anderen städten gibt.

„Das ist nichts Ernstes. Das legt sich bald wieder.“

daten und fakten zur gesellschaftlichen bedeutung älterer

MArGArete MitscherLich Psychoanalytikerin und Ärztin

seiner inkontinenz leben kann“, meint Rosi gräble dazu. sie selbst hat längst akzeptiert, dass sie wohl weiterhin Hilfsmittel wie Vorlagen brauchen wird – und ihren alltag entsprechend einrichten muss. also steht sie um fünf uhr morgens auf, damit sie auf alle Fälle zu Hause noch auf die toilette gehen kann, bevor sie das Haus verlässt. sie macht beckenbodengymnastik, wenn sie mit dem auto an der ampel steht oder ihren einkaufswagen durch den supermarkt schiebt. Das hilft ein bisschen. noch mehr kraft aber zieht sie aus ihrem engagement für Menschen, die mit dem gleichen problem zu kämpfen haben. Zusammen mit dem Villinger seniorenrat hat sie einige gastwirtschaften dazu gebracht, dass sie Menschen mit dringendem bedürfnis auch ohne Zahlung eines geldbe-

VOm umgang mit der hiObsbOtschaft

das magazin der hartmann gruppe

alles. ich hätte beispielsweise nie gedacht, dass ich nicht mehr laufen und reisen könnte. und dass ich körperlich so schwach werden könnte. ich bin sozusagen ein sofahöhlenmensch, der keine Lust hat, mit dem Rollator um die ecke zu gehen. Dass ich das so gut aushalte und aushalten müsste, das hätte ich nie vermutet.

Mein Verstand ist sehr klar. und dass ich nicht mehr lange leben werde, ist auch klar. Dass man sich aber trotzdem nicht vorstellen kann, wie es ist, nicht mehr zu leben, das ist zu schwierig. ich sage mir schon manchmal, du willst doch bald sterben. aber dann interessieren mich wieder zu viele Dinge…

„JETZT SPIELT ER WIEDER GoLF uND IST GLÜCKLICH” Dr. Dietmar betz kennt sie aus seiner praxis, diese verdrucksten Versuche, das Leid zu bagatellisieren, zu verharm-

Schulungen und eine qualifizierte Anwendungsberatung bringen Heimleitern und Pflegepersonal näher, welche Vorteile es hat, die gesamten Kosten zu betrachten: Denn der Verbrauch vieler billiger Produkte ist letztendlich nicht preisgünstiger, wenn man den Pflegeaufwand und Folgekosten durch Hautschädigungen mitberechnet, die sich durch die Verwendung qualitativ höherwertiger Inkontinenzprodukte vermeiden lassen. Vor allem aber wird durch weniger häufiges Wechseln der Inkontinenzprodukte die Würde der Heimbewohner besser gewahrt und damit ihre Lebensqualität verbessert. So werden sie durch längere Wechselrhythmen zum Beispiel nicht in ihrer Nachruhe gestört und können auch tagsüber mit weniger Produktwechseln adäquat versorgt werden.

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„ich benuTze Teure cremes“ altwerden ist kein kinderspiel. aber so schlimm nun auch wieder nicht. Das sagt eine Frau, deren Courage auch mit 94 Jahren noch beeindruckt – obwohl sie heute wie ein sofahöhlenmensch lebt.

Was uns beWegt.

— Dignity, zu Deutsch Würde: So heißt die Marke, die HARTMANN Ende 2008 in den uSA mit dem Kauf von Whitestone Acquisition Corp. übernahm, einem Hersteller von Inkontinenzprodukten. Sie wurde zur Namensgeberin für ein im uS-Markt neues Konzept zur Inkontinenzversorgung in Pflegeeinrichtungen: das Dignity Continence Solutions-Programm.

überwiegende Mehrheit der patienten dauerhaft von ihrer inkontinenz befreien. „ich erinnere mich gut an einen 80-jährigen patienten, der 40 Mal am tag auf die toilette musste. wir haben ihn mit Reizstrom und botulinum-toxin behandelt, um seine überaktive blase in den griff zu bekommen. Jetzt spielt er wieder golf und ist glücklich. es ist schon dramatisch, wie sich die Lebensqualität mit der richtigen therapie doch verbessern lässt.“

Macau

geIst

die Würde WAhren Inkontinenzversorgung im Heim

losen. gerade patientinnen, sagt er, hielten das „sichZusammenreißen“ oft für den einzigen weg aus der scham. Das gegenmittel seiner praxis, die auch als beratungsstelle der Deutschen kontinenz gesellschaft e. V. zertifiziert ist, heißt aufklärung: darüber, wie viel die Medizin heute tun kann gegen inkontinenz. Je nach inkontinenz-typus hilft etwa eine physikalische therapie mit Reizstrom, regelmäßige beckenbodengymnastik oder die einnahme spezieller Medikamente. ultima Ratio sind operative eingriffe, bei denen zum beispiel ein künstlicher schließmuskel für die blase implantiert wird. Regelmäßig führt betz solche eingriffe selbst durch, als „Flying Doctor“ reist er dafür durch ganz europa. nach einer sorgfältigen anamnese können er und seine praxiskollegen die

H oNG koN G

KöRPeR

STATT IN DIE GASTWIRTSCHAFT INS KRANKENHAuS bei Rosi gräble waren es die Folgen einer krebserkrankung, die das anfängliche tröpfeln 2001 in plötzliche sturzbäche verwandelten.

„DAS GEHT GEGEN DIE MÄNNLICHKEIT" Männer und Frauen, heißt es bei der Deutschen kontinenz gesellschaft e. V., die sich für die betroffenen einsetzt, gehen meist sehr unterschiedlich mit einer inkontinenz um. Ob sie einen Herrn vermitteln könnten, der seine blase nicht unter kontrolle hat? nein, man bedauert, Männer seien selten bereit, offen über ihre erfahrungen zu sprechen. einer immerhin hat ein ganzes buch darüber verfasst und offensiv mit „paule ist nicht mehr ganz dicht“ betitelt. es ist ein wütendes buch. Dass eine

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prostata-Operation mit komplikationen ein gestandenes Mannsbild in ein auslaufendes Häufchen elend verwandeln kann, geht autor paul boos erkennbar gegen den strich. „ein Mann mag sich so etwas nicht eingestehen, das geht gegen seine Männlichkeit.“ am meisten, schreibt boos, fielen ihm die vielen „sprüche von ahnungslosen“ auf die nerven, wertfreie tipps wie „Du musst das einfach ignorieren“, „Das ist vom kopf her gesteuert, nicht dran denken“, „Das gibt sich schon wieder“ oder, schlicht und verletzend, „es gibt schlimmeres.“

iTal ieN

„VIELE IM HoHEN ALTER SIND uNGLAuBLICH FIT” inkontinenz ist ein tabuthema. körperliche ausscheidungen, igitt, darüber spricht man nicht. erst recht nicht, wenn man sie nicht mehr richtig kontrollieren kann. Dr. Dietmar betz und Dr. Jesco Jungklaus, die eine gemeinschaftspraxis für urologie in Ratingen und Düsseldorf führen, beobachten das gerade in Deutschland: krankheiten, die die gesellschaftsfähigkeit eines Menschen beeinträchtigen, werden hier als besonders stigmatisierend empfunden. Jungklaus:

weil ihr langjähriger Freund damit nicht zurechtkam, ging die beziehung in die brüche. gräble weinte viel, zog sich zurück. noch heute ist ihr, der gelernten krankenschwester, ein peinlicher Zwischenfall in erinnerung. während sie einen Vierjährigen untersuchte, überfiel sie ein heftiger Drang zur toilette – die beschmutzte Hose sorgte anschließend für freche kommentare. als sie 2003 in die Offensive ging, eine selbsthilfegruppe gründete und dafür eine anzeige in der Zeitung schaltete, reagierten bekannte irritiert: wie mutig sie sei, sich ausgerechnet mit einem solch beschämenden thema in die öffentlichkeit zu wagen! Damit niemand angst vor einem ungeplanten Coming-out haben muss, achtet gräble sehr auf die auswahl der Räume für die Zusammenkünfte mit ihren Leidensgenossen: „in gastwirtschaften können immer mal bekannte oder Familienmitglieder auftauchen. Deshalb treffen wir uns meist in einem krankenhaus.“

u G aNda

lebensqualität bewahren trotz inkontinenz

Die meisten sprechen nur hinter vorgehaltener Hand darüber. Dabei sind allein in Deutschland fast sechs Millionen Menschen betroffen, viele bereits im mittleren alter. annäherung an ein verdrängtes Leiden.

„Die Leute haben heute einen anderen anspruch an ihre Lebensqualität als früher. Viele sind auch im hohen alter noch unglaublich fit – und leiden dann darunter, dass sie sich aus angst vor einem Malheur nicht mehr ins kino trauen.“ er hält die Dunkelziffer der erkrankten für extrem hoch. in Mitteleuropa, besagen ihm zufolge seriöse schätzungen, leiden 40 prozent der 40-jährigen Männer und Frauen an symptomen einer überaktiven blase. sie werden von häufigem Harndrang geplagt, bis hin zur so genannten Dranginkontinenz – dem plötzlichen, nicht aufzuhaltenden Druck, schnell seine blase zu entleeren. Mit zunehmendem alter nimmt der anteil der Männer mit solchen problemen sogar noch etwas zu. etwas weniger verbreitet ist die belastungsinkontinenz, die deutlich mehr Frauen als Männern zu schaffen macht. sie verlieren die kontrolle über ihre blase bei körperlicher anstrengung, wenn sie niesen, husten oder etwas schweres heben. Männer trifft diese Form der inkontinenz meist nur dann, wenn ihre prostata komplett entfernt worden ist. auch Mischformen beider arten sind häufig. Übergewicht, Diabetes, krebs und nervenerkrankungen erhöhen das Risiko, nicht mehr Herr seiner blase zu sein – allesamt krankheiten, die bei einer rapide alternden bevölkerung immer häufiger auftreten.

N iG eR

DAS TABu LEBT

Helene Differding ist eine fröhliche Frau. eine kölnerin, 49 Jahre alt. klein und agil läuft sie in ihrer etagenwohnung im kölner norden umher, erzählt lebhaft über sohn und tochter. aber darüber reden? Mit ihren Freunden – oder gar der schwiegermutter? Differding schluckt, schaut auf den boden. „nein, das ist mir zu peinlich.“ Zuerst hat sie das thema selbst verdrängt, ihre beckenbodenübungen vernachlässigt, geglaubt, dass es halt so sei, wenn eine Frau älter werde. bei Rosi gräble, 61, aus Villingen, ging es ebenfalls in ihren Vierzigern los. Jahrelang hat sie nicht einmal dem arzt davon erzählt, weil „meine Mutter das auch hatte und ich dachte, es lohnt nicht, viel aufhebens darum zu machen.“ wie den beiden Frauen geht es vielen Menschen, die das wasser nicht mehr gut halten können: sie leiden still und schämen sich. Ziehen keine hellen Hosen mehr an, verstecken sich bei der arbeit stundenlang auf der toilette, verzichten auf stadtbummel und Museumsbesuche.

das magazin der hartmann gruppe

— quELLE

deutsche stiftung weltbevölkerung (dsw) datenreport 2011

— quELLE

generaldirektion arbeit, gesellschaft und chancengleichheit, europäische kommission 2009, befragte: deutsche ab 15 jahre

Was uns bewegt – Paul Hartmann AG, D, Silver Award


3 Customer Magazines B2C 14

quarTiere à La carTe welche wohnmodelle zur wahl stehen, wenn man älter und gebrechlicher wird

GEMEINSAM GLÜCKLICH Zusammen kochen, feiern, den alltag teilen: Das macht das Leben in Mehrgenerationenhäusern aus, in denen alte und junge Menschen unter einem Dach wohnen. Die Älteren spielen mit den kleinen, helfen ihnen bei schularbeiten oder begleiten sie auf den spielplatz. Die Jungen lernen Rücksichtnahme und die weltsicht einer älteren generation kennen. Häufig sind Ärzte, physiotherapeuten und pflegedienste ebenso im Haus wie ein kindergarten oder eine kita. in manchen Mehrgenerationenanlagen kommt die Jugend nur tagsüber vorbei, abends sind die senioren unter sich. Das generationenhaus neubad im schweizerischen basel beispielsweise beherbergt 74 senioren, 50 kinder im alter zwischen null und elf Jahren verbringen den tag in der kita des Hauses. Die Lebenswelten mischen sich, spontane begegnungen sind an der tagesordnung. es gibt feste gemeinsame angebote wie kochen, singen oder Zoobesuche. niemand muss mitmachen, aber viele wollen es. 1 KoMFoRTABEL uNTER SICH Reine seniorensiedlungen sind vor allem in den usa gang und gäbe: Menschen in derselben Lebensphase suchen hier gemeinschaft, ein Leben fernab von kinderlärm und Jobstress. in der seniorenstadt the Villages in Florida etwa ist das Mindestalter 50. Die eingezäunte kunststadt hat fast 80.000 einwohner und beherbergt knapp 80 Restaurants, 37 golfplätze, zwei kinos, zwei theater und 1.600 Freizeitclubs. allerdings: wer pflegebedürftig ist, muss gehen. Hier ist nur aktives alter gewünscht.

eines der ersten seniorendörfer in Deutschland ist gerade in Meppen im emsland entstanden: der seniorenwohnpark am Heideweg. Den betreibern geht es nicht um abschottung, sondern um eine ruhige, sichere nachbarschaft, eine barrierefreie umgebung mit gut erreichbaren Läden und schnelle Hilfe, wenn jemand gesundheitlich abbaut. „kümmerin“ steht auf den blauen shirts des personals, das auf wunsch Haus und garten versorgt, beim einkaufen hilft oder behördengänge erledigt. 2 ZuFRIEDEN Zu HAuSE betreutes wohnen ermöglicht es älteren Menschen, selbstständig zu bleiben. altersgerechte wohnangebote sind barrierefrei, bieten haustechnischen service, notrufbetreuung und regelmäßige Hausbesuche. Manche Formen setzen besonders auf die Vernetzung im Quartier und nachbarschaftliche Hilfe. wer sich ganz alleine zu einsam fühlt, kann auch eine seniorenwohngemeinschaft gründen und gemeinsam auf die Hilfe ambulanter Dienste zurückgreifen. allerdings: sobald die beeinträchtigungen gravierender sind, bedarf es eines umfassenden unterstützungsnetzwerkes. seit 2006 setzt sich in Deutschland deshalb die bundesinitiative Daheim statt Heim e. V. dafür ein, ambulante Dienstleistungen auszuweiten. pflegebedürftige sollen frei entscheiden können, wo sie wohnen und welche pflegeleistungen sie in anspruch nehmen möchten. 3

aRbeit Leben das liebenswerte dorf des vergessens Warum Demente in Hogewey keine Angst haben.

s. 60 berufe mit zukunft Wie Gesundheitsprofis ihren Alltag erleben und sich ihr eigenes Alter vorstellen.

s. 66 die mitmacher Vom Oma-Au-pair bis zum Strick-Designer: So engagieren sich Ältere ehrenamtlich.

s. 68 musikalisches doppel Hans-Peter und Michael Geisel erzählen über den Wandel der Arbeitswelt.

s. 70 motiviert und produktiv Daten und Fakten zum Lebensstil älterer Menschen.

s. 74 die seniorenversteher Wie alt sein sich anfühlt: Zu Besuch bei den Erfindern des Age Explorers.

s. 76 autorin AnjA diLk

1 2 3

www. mehrgenerationenhaeuser.de, www.generationenhaus-neubad.ch www.thevillages.com, www.seniorenwohnpark-am-heideweg.de www. pluswgs.de, www.bi-daheim.de

seniorengold auf amrum Der Kolumnist Helmut Ziegler malt sich seinen hundertsten Geburtstag aus.

s. 80

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Das LiebenswerTe Dorf Des vergessens ungewöhnliche pflegekonzepte

Demente Menschen werden fast überall in ähnlichen, zweckmäßig gestalteten pflegeheimen versorgt. Überall? nein: in einem kleinen Dorf in den niederlanden verfolgt man einen ganz eigenen ansatz. Hogewey sieht aus wie eine normale siedlung – und ist doch völlig anders.

— indiVidueLL In Hogewey entscheiden die Bewohner selbst, welcher Wohnstil ihren Bedürfnissen entspricht. Bewohner mit Wurzeln in der ehemaligen Kolonie Surinam entscheiden sich oft für den indischen Stil.

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„Heute koche ich mal nicht“, sagt Flor bosveld. ihr ehemann steht neben ihr. sie lächelt ihn an. „wir zwei sind doch schon pensioniert. es ist herrlich, mal hier ins Restaurant zu gehen, nicht wahr?“ Die alte Dame hat feine gesichtszüge und wirkt sehr elegant. Der Charme, mit dem sie ihren gatten schon vor Jahrzehnten bezaubert hat, ist durchaus noch zu spüren. Heute treffen sich die beiden wie jeden tag zum Mittagessen. in der feinen gaststätte „Het Restaurant van De Hogeweyk“ ist für Frau bosveld alles ganz normal. Dabei gehört es zu dem pflegeheim Hogewey. Hier lebt die 83-jährige niederländerin. sie ist demenzkrank. wer sich unter einem pflegeheim eine nüchterne, medizinisch geprägte einrichtung vorstellt, kommt in Hogewey aus dem staunen nicht heraus. Die pflegesiedlung in der nähe des Ortes weesp östlich von amsterdam ist aufgebaut wie ein echtes kleines Dorf, eine heile welt, wenn auch eine abgeschlossene. Die schleu-

sentür am eingang garantiert sicherheit: schutz davor, nicht verloren zu gehen da draußen in der welt, sich zu verlaufen und angstvoll erkennen zu müssen, dass man sich nicht mehr zurechtfindet. gesunde bürger empfinden Hogewey zweifellos als eine illusion von Freiheit, eine art truman-show. Für Demenzkranke ist die siedlung ein Ort des Friedens, an dem sie sich frei bewegen und entfalten können, fast wie in ihrem alten Leben. Damit das pflegepersonal möglichst umfassend auf ihre bedürfnisse eingehen kann, sind nur Menschen mit dieser speziellen krankheit

hier untergebracht. wer zum beispiel ausschließlich unter körperlichen altersbeschwerden leidet, ist kein kandidat für Hogewey. GANZ NoRMAL WEITERLEBEN? Demenz ist inzwischen eine Volkskrankheit. gerade in alternden gesellschaften wie in den niederlanden oder in Deutschland zählt sie zu den großen Herausforderungen der Zukunft. in den niederlanden wird sich die Zahl der Demenzpatienten bis 2050 mehr als verdoppeln, von heute 240.000 auf 500.000. in Deutschland leben schon jetzt etwa 1,2 Millionen Menschen mit der immer noch unheilbaren erkrankung, deren häufigste Form alzheimer ist. „Zunächst nimmt die krankheit kaum jemand wahr. sie nistet sich schleichend im kopf ein und lässt die Hirnzellen unaufhaltsam absterben. erinnerungen werden ausgelöscht, die persönlichkeit verändert sich und mit ihr auch das umfeld des betroffenen“, erklärt isabel van Zuthem, die in Hogewey für die öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Vor ihrer ausbildung zur kommunikationsexpertin hat sie krankenpflegerin gelernt und weiß damit genau, worauf es im umgang mit patienten ankommt. Die kranken finden sich vor allem zeitlich und räumlich nicht mehr zurecht. auch für angehörige ist das eine schwere belastung. aus angst und Überforderung werden Demenzkranke oft ausgegrenzt. in Hogewey ist das anders: „wir versuchen hier, Demenzkranken ein Leben in einer welt zu ermöglichen, die ihren alten gewohnheiten möglichst ent-

spricht“, erklärt van Zuthem. Das betrifft sowohl den persönlichen Lebensstil der kranken als auch die Möglichkeit, mit der so genannten außenwelt in kontakt zu bleiben. „wir wollen die gesellschaft nach Hogewey holen.“ DIE WELT IM KLEINEN Die Fläche der siedlung entspricht nur zwei bis drei Fußballfeldern. Mit 152 bewohnern wirkt Hogewey gemütlich und überschaubar. Die vielen roten klinkerbauten im bungalowstil, die straßenschilder, bänke und plätze erinnern ein wenig an eine Filmkulisse. Vom eingangstor geht es auf den boulevard. wer ein Fahrrad dabei hat, stellt es auf dem theaterplatz ab. Das theater hier ist nicht nur schauplatz der regelmäßigen bingo-abende, sondern auch treffpunkt für konzerte und Veranstaltungen mit künstlern, zu denen ganz weesp und umgebung eingeladen sind. „Mit dem theater, aber auch mit kunstausstellungen und dem Restaurant holen wir die so genannten normalen Menschen hierher und ermöglichen ihnen einen einblick in die welt der bewohner und den erwünschten austausch mit den Demenzkranken“, erklärt van Zuthem das „system Hogewey“. VoN RINDERFILET BIS Zu KouSEBAND-BoHNEN Links und rechts des boulevards liegen die ersten der insgesamt 23 wohneinheiten. Hier befinden sich der Friseur und der „Mozart-Zaal“, in dem sich die bewohner jeden Donnerstag treffen, um klassische Musik zu hören.

WAs BeWohner sich Wünschen Gute Noten für die Kleinen — Im Alltag von Altenheimen bleibt oft wenig Zeit dazu, die Zufriedenheit von Bewohnern und deren Angehörigen systematisch zu messen. Was ist den beiden Gruppen besonders wichtig? Wie nehmen sie die jeweilige Einrichtung wahr? HARTMANN unterstützt Altenheime dabei, fundierte Antworten auf diese Fragen zu erhalten. Seit 2008 bietet das unternehmen spezielle Fragebögen zur Kundenzufriedenheit an. Die klar strukturierten Bögen sind durch Ankreuzen der Antworten auf einer Skala von eins bis sechs auszufüllen. Sie fragen die Themenbereiche Erste Eindrücke, Atmosphäre, Information, Hauswirtschaft, Pflege und Allgemeines ab. Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen hat 2009/2010 die Ergebnisse der HARTMANN HeimKundenbefragung ausgewertet. Dabei wurden in insgesamt 49 Pflegeheimen 6.108 Personen befragt, darunter 2.062 Bewohner, 2.311 Angehörige von Bewohnern und 1.735 Mitarbeiter der Pflegeeinrichtungen. Teuer ist nicht automatisch besser, so ein Fazit der untersuchung: Zwischen günstigeren und teureren Heimen lassen sich keine nennenswerten unterschiede in den Bewertungen feststellen. Deutlich besser schnitten kleinere im Vergleich zu größeren Heimen ab. Besser beurteilt wurden auch diejenigen Einrichtungen, die seit 2000 gebaut oder vollständig saniert wurden. Auch bei der Trägerschaft ließen sich unterschiede feststellen: Diejenigen Pflegeheime, die erst kürzlich privatisiert worden sind, erhielten schlechtere Benotungen. —

st u d i e www.rwi-essen.de/forschung-undberatung/gesundheit/projekte/161/

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den bewohnern, sondern auch mit den Familienangehörigen: „Mit ihnen mache ich alle sechs Monate ein so genanntes Lebensplangespräch. Dann besprechen wir, wie es mit den patienten weitergeht und ob wir etwas verändern müssen.“ Von Fall zu Fall ist zum beispiel der wechsel in eine andere wohngemeinschaft sinnvoll, wenn es konflikte unter den bewohnern gibt. KAISERIN LIZ ISST SuPPE besuch in einem der beiden indischen Häuser der siedlung. Hier sprechen sich alle mit „tante“ oder „Oom“ (Onkel) an, es geht locker zu. tante berta aus surinam sitzt am esstisch. sie ist anspruchsvoll, sagt ihre pflegerin wendy und pfeift zur betonung lautlos durch die Lippen. neben berta schauen Onkel Rudi und Onkel Fritz aus indonesien fern. Die Älteste im Raum ist mit mehr als 90 Jahren tante Daisy, die im Moment ein nickerchen auf ihrem stuhl hält. aus der offenen wohnküche riecht es nach kräutern. „Die küche ist das allerwichtigste für meine bewohner“ sagt wendy und blickt hinüber zu tante Liz, einer asiatin. sie isst suppe. „Liz wie die kaiserin elisabeth“, erklärt tante Liz mit ernster Miene und nimmt den Löffel aus der schale. Dann meint sie: „suppe ist gut, damit ich einen dicken Hintern bekomme.“ alle lachen, die stimmung ist heiter. Damit das so bleibt, bekommen die bewohner des Hauses nicht nur Mahlzeiten, die ihrem geschmack entsprechen, sondern auch viel bewegung. Die zweite indische

außerdem das engagement der vielen ehrenamtlichen Mitarbeiter. Der hohe aufwand, den das „system Hogewey“ mit sich bringt, scheint jedoch nicht abschreckend zu wirken: öffentlichkeitsarbeiterin isabel van Zuthem kann sich kaum VERLIEBEN uND VERGESSEN retten vor den zahlreichen anFür Dennis groot, den befragen aus dem ausland. Viele treuer, ist Hogewey ein sehr kommunen und Heimbetreiber, emotionaler Ort. „Hier baut etwa aus Deutschland, interman richtige beziehungen auf. ich hänge an den Leuten“, sagt essieren sich für das konzept. auch in der schweiz wollen er. Jeder bewohner hat ein investoren eine siedlung nach erinnerungsbuch, in dem alte dem niederländischen Vorbild Fotos oder texte eingeklebt ins Leben rufen. sind. „wir schauen die bücher Flor bosveld, die elegante gemeinsam an und sprechen alte Dame, hat das Mittagessen darüber. Viele unserer patimit ihrem Mann beendet. Jetzt enten haben eine ganz tolle ist sie zurück in ihrer wohbiographie, sind weit gereist oder hatten spannende berufe.“ nung. und hat noch gar nicht bemerkt, dass Herr bosveld als vor Monaten einer seiner sich auf den Heimweg gemacht patienten starb, hat ihm das hat. auch er ist eine imposante sehr zugesetzt. Der tod gehört in Hogewey erscheinung, ein feiner Herr um die 85 Jahre, mit vollem genauso dazu wie im Rest der welt. ebenso die Liebe. Dement grauen Haar und markanten gesichtszügen. bosveld geht sein heißt nicht, dass man sich langsam, sehr langsam in nicht mehr heftig in jemanden Richtung schleusentor. Die beverlieben kann. Für ein paar wegungen fallen ihm schwer, er augenblicke zumindest. was ist auf einen Rollator angewiegenau war, haben die meisten jedoch schnell wieder vergessen. sen. in seinem gesicht ist ein leiser ausdruck des bedauerns Hogewey arbeitet nach zu sehen. er vermisst es, mit denselben gesetzlichen bestimmungen wie andere pflegeheime seiner charmanten Frau unter einem Dach zu leben. Denn in den niederlanden. Doch hier bleiben in Hogewey, über Qualität ist teuer: Die kosten nacht, das darf er nicht. es sei für die pflege werden zwar denn, er wird eines tages auch zum größten teil über die gedement. setzliche krankenversicherung abgerechnet. Diese zahlt pro bewohner täglich 165 euro. weil das nicht ausreicht, ist das Dorf auf zusätzliche Hilfe angewiesen: Die bewohner und ihre Familien spenden, es gibt sponsoren aus der wirtschaft und die stiftung „Freunde von Hogewey“. unverzichtbar ist

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wohnung von Hogewey ist mit bedacht am anderen ende des Dorfs platziert. so können die „inder“, die als besonders bewegungsfreudig gelten, eine strecke spazieren gehen, wenn sie sich besuchen möchten.

sehen, sondern auch fühlen. Der kontakt mit den kräften der natur hält sie lebendig. Das gibt uns allen, die in Hogewey arbeiten, große Freude.“

— zufriedenheit Die Bewohner des Heims leben für den Augenblick. Meist vergessen sie binnen weniger Minuten, was sie gerade erlebt haben. Trotzdem ist ihr Leben lebenswert: Dank liebevoller Pflege erleben sie selten Angst und finden sich leicht zurecht.

autor MArtin roos

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— freundschAft In jeder Wohneinheit leben sechs bis sieben Personen zusammen. oft entstehen neue Freundschaften. Haustiere sind in Hogewey ausdrücklich erlaubt – sie tun Menschen mit Demenz oft gut.

gleich nebenan ist das Reisebüro für die ausflüge, die das pflegepersonal mit den bewohnern in die umgebung unternimmt. am „Vijverpark“ glänzt ein kleiner teich in der sonne, der sich großer beliebtheit erfreut. auf dem „grote plein“ mit seiner kleinen brücke spielen die Herren boule auf einer aschenbahn. auch ein überdimensionales schachbrett gibt es, mit Figuren so groß wie gartenzwerge. Rund um den Dorfplatz angesiedelt sind das Restaurant, ein Café und ein gesellschaftsraum, in dem auch die Familien der bewohner herzlich willkommen sind.

im supermarkt gleich nebenan kaufen die bewohner alles, was sie brauchen. „wenn die kunden besondere wünsche haben, bestellen wir das extra“, sagt die kassiererin. Zum beispiel kouseband (strumpfband)bohnen, eine spezialität aus dem südamerikanischen surinam, einer ehemaligen niederländischen kolonie mit vielen indischstämmigen einwohnern. entsprechend der hohen Zahl surinamischer einwanderer in den niederlanden gibt es auch in Hogewey einige bewohner, die ihre wurzeln dort haben – und die langen, schnürbandartigen bohnen sehr schätzen. wer noch weitere einkaufs-

wünsche hat, der kann mit dem pflegepersonal am Dienstag per Rollstuhlbus zum wochenmarkt nach weesp fahren. „Die bewohner kommen viel an die frische Luft“, sagt van Zuthem. Viel mehr als üblich, wie sie meint: „im Durchschnitt verbringen Demenzkranke in den traditionellen niederländischen Heimen durchschnittlich gerade mal anderthalb Minuten pro tag draußen.“ in Hogewey mit seinen plätzen und gärten, den blumenbeeten, Fruchtbäumen und pflanzenständern gehen die bewohner täglich mehrmals vor die tür, selbst bei schlechtem wetter. Van Zuthem: „Hier können sie den Regen nicht nur

SIEBEN LEBENSSTILE ZuR AuSWAHL in den verschiedenen tag- und nachtschichten kümmern sich insgesamt vier Ärzte und 240 Mitarbeiter um die bewohner – vier Mitarbeiter pro wohnung. Jede wohnung hat eine Haustür mit klingel, in der Regel gibt es pro wohnung zwei Flure mit je drei schlafzimmern. Durchschnittlich sechs bis sieben bewohner teilen sich eine wohneinheit. ein fest zugeordneter Mitarbeiter kommt täglich vorbei, um alles in Ordnung zu bringen. Damit sich die bewohner tatsächlich so fühlen wie in ihrem alten Leben, sind auch Haustiere erlaubt. Vor allem aber, und das ist das besondere, bietet Hogewey den dementen Menschen sieben verschiedene Lebensstile an. sie unterscheiden sich nicht nur im Charakter der einrichtung, sondern auch im kulturellen Miteinander. Zur wahl stehen die stile „urban“, „häuslich“, „kulturell“, „goois“, was auf niederländisch gehoben bedeutet, „handwerklich“, „christlich“ und „indisch“ für Menschen, die aus indonesien oder surinam stammen. „eine vertraute umgebung verschafft den bewohnern ein gefühl von sicherheit und geborgenheit“, erklärt Dennis groot, sozialpädagoge und krankenpfleger. er betreut sechs bewohner, die in einem Haus im „gehobenen“ stil untergebracht sind. Diese Vertrautheit könne helfen, kummer und angst zu verringern oder sogar zu verhindern,

meint Dennis. Den jeweiligen stil wählen die Familienmitglieder gemeinsam mit dem demenzkranken angehörigen aus. AuFSTEHEN NACH WuNSCH „Meine bewohner legen sehr großen wert auf Höflichkeit und wollen gesiezt werden“, meint groot über die atmosphäre „seines“ Hauses. Fünf Frauen und einen Mann im alter zwischen 61 und 94 Jahren betreut er. bevor er nach Hogewey kam, hat groot zwei Jahre in einem traditionellen pflegeheim für Demenzkranke gearbeitet. seine neue stelle gefällt ihm deutlich besser. Die Menschen, so groot, könnten ihr eigenes Leben führen, und auch er selbst finde seine arbeit entspannter. wecken, waschen, anziehen, am besten im akkord – das war die Realität in dem Heim, in dem er früher tätig war. „Früher musste ich viel mehr personen betreuen. Da hatte ich bis zehn uhr höchstens eine person geduscht und den Rest

gerade mal angezogen. Da in Hogewey jeder aufstehen kann, wann er will, bleibt genug Zeit für alle, um täglich in Ruhe zu duschen.“ FÜR DEN MoMENT LEBEN Dennis groot geht mit seinen schützlingen im supermarkt einkaufen, begleitet sie ins Dorftheater und unternimmt ausflüge mit ihnen. „wir lachen viel. natürlich merken manche ab und an, wo sie hier eigentlich sind und was mit ihnen los ist. Dann sind sie traurig“, erzählt der betreuer. „aber sie vergessen eben auch wieder. sie leben hier für den Moment, und die meisten dieser Momente sind bestimmt nicht unglücklich, da bin ich mir sicher.“ Hogewey, so empfindet er es, ist der ideale Ort für Demenzkranke. sollte ihn eines tages die krankheit erwischen, käme für ihn nur dieses Heim in Frage. wie alle pfleger in Hogewey nimmt groot regelmäßig an Fortbildungen teil. wichtig ist dabei nicht nur der umgang mit

— spuren des LeBens Für jeden Bewohner legen die Pflegekräfte in Hogewey Erinnerungsbücher an, die Fotos und Texte zu ihrer Biographie enthalten.

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daten und fakten zum lebensstil älterer

Mit 82 schrieb goethe seinen Faust ii, mit 91 malte picasso sein bild „Die umarmung“. Der 100-jährige inder Fauja singh lief im Mai 2011 seinen achten Marathon. alte gehören längst nicht zum alten eisen. im gegenteil: Laut aktuellem altenbericht der deutschen bundesregierung sind sie fitter denn je. allerdings wird ihre Motivation und Leistungsbereitschaft von vielen unternehmen immer noch unterschätzt. spätestens, wenn die baby-boomer in Rente gehen und sich der arbeitskräftemangel verstärkt, wird die wirtschaft umdenken müssen.

87 kein pflegefall werden

62 keine materielle nOt

41

Ge s u n d heit LieG t V orn Für diese Konsumgüter – außer Lebensmittel – gibt die Generation 60 plus Geld aus Anteil in %

guTe meDizinische versorgung

52,3

46,3

40,6

37,3

30,4

26,8

26,4

26,2

16,6

selbstmedikation

blumen und pflanzen

full-service restaurant

gewinnspiele

papeterie

bücher

reisen

musikevents

büro

15,9

10,0

6,2

36

6,1

quick-service tonträger kino

video

— q u E L L E gfk living 2007 A kt iVe sc hWed en Nur in Nordeuropa ist die Mehrheit der 55- bis 64-Jährigen noch berufstätig und bildet sich regelmäßig fort. In Ländern mit geringer Weiterbildungsquote sind die Älteren beim lebenslangen Lernen besonders schlecht vertreten Angaben in %

— quELLE

eurostat, labour market statistics 2010 und adult education survey 2007

A n s pr u ch u nd W ir k L ic hkeit Wann sollen Arbeitnehmer in Rente gehen – und wann gehen sie tatsächlich? Viele Länder planen, das Renteneintrittsalter zu erhöhen oder haben dies bereits umgesetzt. in Jahren tats. eintrittsalter mann gesetzl. eintrittsalter mann tats. eintrittsalter frau gesetzl. eintrittsalter frau

schweden

anteil berufstätiger zwischen 55 und 64 jahren

70,5

norwegen

68, 6

deutschland

57, 7

italien

ungarn

36, 6

34, 4

mobiLiTäT unD reisen

polen

31

34, 0

aLTernaTive wohnformen weiterbildungsquote der 55- bis 64-jährigen

60,7

41, 2

28, 2

11, 8

2, 5

12

6, 8

nachbarn, Die sich kümmern

70

8

65

finanzieLLe unTersTüTzung

60

55

69,5 64,0 66,5 62,0

65,7 65,0 62,9 65,0

64,6 65,8 63,9 65,8

62,1 65,0 61,0 65,0

58,7 60,0 59,5 60,0

ja PaN

s c Hw e d e N

usa

d e u T s cH l aN d

F Ra N kR e i c H

— q u E L L E Oecd, frankfurter allgemeine zeitung,17.06.2010, statista 2012

„Oft wird der eindruck erweckt, arbeit sei etwas, wovon die politik den menschen befreien müsste. dabei sind die meisten menschen gern tätig, auch im alter.“

Wun sc h kon ze rt Was die Deutschen sich fürs Alter wünschen (Alter der Befragten ab 14 Jahre) in %

3 — q uEL L E

gesund, fit bleiben

70 im eigenen zuhause leben

53 lebensstandard halten

39

ursula staudinger – altersforscherin und vizepräsidentin der jacobs university bremen

besuche, geseLLigkeiT

16 unTersTüTzung Durch angehörige

9 freizeiTangeboTe für senioren

3 ProDukTangeboTe für senioren

aufgesang public relations, senicur altenpflege 2009

– 1 9 –2 9 –3 9 –4 9 –5 9 –6 9

11

2

3

70+ j

10 24 42

8

— q uEL L E

europäische reiseversicherung ag, deutsche zentrale für tourismus e.V, juni 2009

seLBst stän diG BLe iBe n Worauf Ältere in ihrem Wohnumfeld Wert legen in %

Vie Le k Lic k s VorAus: An t e iL 55-74-j äh riG e r in t e rn e t n ut ze r in %

sehr Wichtig Wichtig

S WE

eu

GER

FR A

ES P

18

33

GR E

Rou

5

7

45 39

PfLege von hobbies

35

Von WeG e n k Lisc h e e Ab 60 steigt der Anteil der Busreisegäste rapide an Anteile in %

69

möglichkeit, hilfe und pflege zu hause zu bekommen

55

44

gute erreichbarkeit von geschäften, ärzten, öpnV

67

27

möglichkeit zum einbau altersgerechter 4 7 techniken wie notruf und technische kommunikation mit ärzten, pflegern

37

besserer zugang zur wohnung, z. b. treppen, fahrstuhl

50

32

bauliche Voraussetzungen innerhalb der wohnung, z. b. ohne treppen, bodengleiche dusche, erhöhtes wc

44

37

einbau von sicherheitsmaßnahmen, z. b. gegensprechanlage, alarmanlage

33

39

aktivitäten älterer, gemeinschaftsräume

18

29

— q uEL L E

— q uEL L E

ALt e rsst rukt ur Be i h Art M An n PAuL HARTMANN AG, Deutschland,Stand jeweils 31. Dezember 2008 2009 2010

Be G e h rt e kräft e Die Anzahl arbeitsloser Ingenieure über 50 nimmt in Deutschland ständig ab

eurostat, bitkOm 2009, statista 2012

tns emnid medien- und sozialforschung gmbh 2011

0– 2 0 j. 21– 2 5 j. 26– 3 0 j. 31– 3 5 j. 36– 4 0 j. 41– 4 5 j. 46– 5 0 j. 51– 5 5 j. 56– 6 0 j. 61– 6 7 j.

1999

4 2 .3 6 4

2000

3 7 .0 5 6

2001 2002 2003

3 2 .9 3 1 3 0 .2 6 6 2 9 .4 3 6

2004 2005

2 6 .0 5 5 2 4 .5 6 5

2006

1 5 .9 5 3

2007

1 1 .1 5 3

2008

8 .8 9 0

— q uEL L E 50

100

150

200

250

300

350

400

450

Vdi, ingenieurarbeitsmarkt, 2008/09, erhebungszeitraum 2002-2008, deutschland

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DIE SENIoRENVERSTEHER produktentwicklung für ältere menschen

wie wird der alltag im alter aussehen? welche bewegungen sind besonders mühsam? und was ist bei produkten für betagte Menschen zu beachten? eine Reise in die eigene Zukunft.

— seLBsttest Wenn die Finger nicht mehr so beweglich sind, kann schon ein kleines Mobiltelefon zum großen Problem werden. Denn dann ist es gar nicht so einfach, die richtigen Tasten zu drücken. ( © VELuX )

— pioniere Dr. Gundolf und Dr. Hanne MeyerHentschel machen erlebbar, wie sich das Alter anfühlt. Die beiden promovierten Wirtschaftswissenschaftler haben einen Alterserforschungsanzug erfunden.

arme und beine sind schwer, die umgebung ist in einen gleichförmigen gelbton getaucht, aus lauten gesprächen wird leises gemurmel: wer den age explorer® trägt, spürt am eigenen Leib, wie sich das alter anfühlt. spätestens wenn es gilt, darin alltägliche aufgaben anzugehen, macht sich Hilflosigkeit breit. Da wird ein schraubverschluss zum unüberwindbaren Hindernis, weil die gelenke steif und die Finger kraftlos sind. und im schnurgeraden Flur scheint der boden zu schwanken, weil der unruhige teppichboden das auge irritiert. JEDER IST BETRoFFEN Die ursachen für diese beschwerden lassen sich beim age explorer schnell finden. Der alterserforschungsanzug ® ist so konstruiert, dass er die bewegungen einschränkt und kräfte verringert. Handschuhe erschweren das greifen. ein Visier trübt die sicht, gehördämpfer reduzieren geräusche. „Das alles sind Veränderungen, die sich früher oder später bei jedem Menschen bemerkbar machen“, erklärt Dr. gundolf Meyer-Hentschel. er hat den age explorer gemeinsam mit seiner Frau Hanne entwickelt. schon seit

1985 leiten die beiden wirtschaftswissenschaftler eine unternehmensberatung für seniorenmarketing in saarbrücken. Doch immer, wenn die Meyer-Hentschels wieder einen Vortrag zum thema hielten, spürten sie: ihre Zuhörer mochten die inhalte einleuchtend finden. wirklich nachvollziehen, wie sich ein alter Mensch fühlt und was er benötigt, konnten sie nicht. ERFAHRuNG MACHT ANSPRuCHSVoLL Dabei wird es in Zeiten des demographischen wandels immer wichtiger, die bedürfnisse der senioren zu kennen. Denn die bislang so gehätschelten kunden zwischen 20 und 49 Jahren sind laut einer studie der strategieberatung Roland berger in keiner produktkategorie mehr eine wachstumszielgruppe. schon heute bestreiten die über 50-Jährigen rund die Hälfte der konsumausgaben bei Reisen, kleidung und nahrungsmitteln. Über ein Fünftel von ihnen verfügt über ersparnisse von mehr als 50.000 euro. Rentner und pensionäre gehen dreimal so häufig einkaufen wie Menschen unter 65 – und akzeptieren häufig auch höhere preise als diese. Das bedeutet allerdings nicht, dass senioren eine einfa-

che Zielgruppe sind. ganz im gegenteil: „Ältere Menschen haben langjährige erfahrung als konsumenten. sie kaufen ein produkt nur, wenn sie einen nutzen davon haben“, erklärt gundolf Meyer-Hentschel. er spricht deshalb vom kommenden „age of Details“: unternehmen können sich mit Feinheiten in puncto Funktionalität und Qualität im wettbewerb absetzen. SoZIALE INTELLIGENZ VERFÄLSCHT ERGEBNISSE allerdings ist es nicht immer einfach herauszufinden, welche anforderungen ältere Menschen genau stellen. sie haben im Laufe ihres Lebens gelernt, sich sozial intelligent zu verhalten – also höflich mit anderen umzugehen und konflikte zu vermeiden. Für die Marktforschung hat das einen entscheidenden nachteil. Viele senioren vermieden es, starke kritik zu üben, berichtet gundolf MeyerHentschel. Hinzu käme, dass sie schwierigkeiten mit einem produkt nur ungern zugeben. Von daher seien die ergebnisse von befragungen häufig nicht realistisch. Deshalb kommt bei den Meyer-Hentschels an dieser stelle wieder der age explorer ins spiel. 16.000 Menschen hat das ehepaar in den vergangenen

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zwei Jahrzehnten mit dem anzug geschult, altenpfleger ebenso wie Verkaufspersonal, Mitarbeiter von Verkehrsbetrieben oder namhaften konsumgüterherstellern. Vor allem für letztere sei es immer wieder lehrreich, zu erleben, wie ein produkt bei einem älteren Menschen ankommt: Ob eine Form schwer zu greifen ist, die beschriftungen lesbar sind oder der Deckel beim öffnen probleme bereitet. gundolf MeyerHentschel erklärt: „wenn das der Fall ist, signalisiert das produkt: Du kannst nichts. es schreit einen förmlich an: Du bist alt geworden!“ KÜNFTIG GEFRAGT: HöFLICHE PRoDuKTE Die Meyer-Hentschels fordern deshalb „höfliche produkte“. Mit höflichen produkten könne man genau das machen, was man damit machen wolle – ohne lange zu überlegen oder zu experimentieren. wichtig sind häufig bereits die Verpackungen: Für den schraubverschluss gibt es beispielsweise eine simple, zweiteilige Lösung. Diese besteht aus einem äußeren Ring, der kein Vakuum überwinden muss und sich daher leicht drehen lässt. Mit der Drehbewegung gelingt es, den eigentlichen Deckel anzuheben. ein anderes beispiel ist die senftube, die mit einem großen Verschluss im kleeblattdesign ausgestattet ist. Oder die kakaoverpackung, die so schmal und eckig gestaltet ist, dass sie nicht so leicht aus der Hand rutscht. Je einfacher die alltäglichen Dinge zu handhaben sind, desto länger können die alten Menschen möglichst selbstständig leben: „und das ist

letztlich das Ziel“, sagt gundolf Meyer-Hentschel. so habe jeder einzelne die Möglichkeit, in würde alt zu werden. Mit Funktionalität allein ist es dabei aber nicht getan. Laut einer befragung der gesellschaft für konsumforschung aus dem Jahr 2008 fühlen über 70 prozent der Deutschen sich etwa neun Jahre jünger, als sie tatsächlich sind. auf gar keinen Fall möchte diese selbstbewusste klientel spezielle seniorenprodukte benutzen oder gar in reinen alten-geschäften einkaufen. Das erste reine seniorenkaufhaus etwa, das 2005 in brandenburg

gungen und Defiziten. Die werbewirtschaft setzt deshalb unter anderem auf die wortschöpfung „best ager“ – ein weiter begriff, der sowohl konsumenten in den 40ern als auch fitte 60- und 70-Jährige umfasst. Die Zielgruppe selbst kann damit offenbar wenig anfangen. Laut gesellschaft für konsumforschung ist jeder zweite befragte der Meinung, dass solche kategorien nur zur ausgrenzung führen. Demnach solle es überhaupt keine besonderen begriffe für ältere Menschen geben. auch die Meyer-Hentschels wollen sich nicht auf eine be-

— feinArBeit ob als Zahnarzt oder Elektriker: Im Alter steigen auch im Beruf die Hürden. Vieles, was früher selbstverständlich war, fällt dann schwer. ( © AgeExplorer.de )

eröffnete, musste schon zwei Jahre später wieder insolvenz anmelden. Häufig kann es den neuen alten gar nicht modern genug sein. Dann schlägt der tabletComputer die Leselupe, schließlich lässt sich die schrift auf dem bildschirm problemlos vergrößern. Für die Zukunft könnte das bedeuten: unternehmen werden mit produkten punkten, die generationsübergreifend ankommen. MEHR ALS WoRTE wenn es um kommunikation geht, ist ebenfalls ein umdenken notwendig. so ist der begriff „senioren“ bei älteren Menschen oft wenig beliebt. sie verbinden ihn mit beeinträchti-

stimmte wortwahl festlegen. Viel wichtiger ist ihnen, für die kommunikation mit älteren Menschen zu sensibilisieren. „Das fängt schon bei den briefen an, die manche pflegeeinrichtungen an ihre künftigen bewohner schicken. Da ist die Hausordnung mit einer ganzen Liste von Verboten gleich beigefügt“, berichtet Dr. Hanne Meyer-Hentschel. Da sei es kein wunder, wenn der adressat schon vor seinem einzug Vorbehalte habe. SITuATIoNEN NEu BEWERTEN eine große Rolle im alltäglichen Miteinander der generationen spielen zudem Missverständnisse. „Viele junge Menschen nehmen die

BequeM BLutdruck Messen Neues Design für Tensoval duo — Eine regelmäßige Blutdruckmessung ist nicht nur für ältere Menschen wichtig. Sie macht aber denjenigen Älteren, die ihre Werte regelmäßig zu Hause überprüfen müssen, oft Probleme: Häufig entspricht das Design des Messgeräts nicht ihren Bedürfnissen. HARTMANN hat deshalb in Zusammenarbeit mit HypertonikerSelbsthilfegruppen das oberarmBlutdruckmessgerät Tensoval duo control neu gestaltet. Es misst sowohl oszillometrisch, das heißt anhand der Schwingungen des Blutflusses in den Arterien, als auch auskultatorisch durch Abhören der Strömungsgeräusche.

( © VELuX )

Älteren nicht mehr ernst, wenn sie langsam reagieren“, sagt Hanne Meyer-Hentschel. Dabei sei es häufig völlig falsch, von geistigen Defiziten auszugehen – meist könnten die angesprochenen einfach nicht mehr so gut hören. Darüber hinaus würden sich junge Menschen in unbekannten situationen häufig genauso ungeschickt anstellen. Die workshops mit dem age explorer räumen viele dieser Missverständnisse aus: Da bemerken altenpfleger, dass die senioren nicht unfreundlich oder zickig sind, wenn sie die tasse partout nicht in die Hand nehmen wollen – sondern dass die zu weit entfernt steht. und junge Rettungssanitäter wissen endlich, wie furchtbar es sich für

alte Menschen anfühlen kann, eine steile treppe hinuntergetragen zu werden. Manchem hilft das altern auf Zeit sogar, die eigenen eltern oder großeltern besser zu verstehen. Hanne Meyer-Hentschel: „Man erkennt schlagartig, in welchen situationen man sich vielleicht nicht ganz richtig verhalten hat.“ SToLPERSTEINE AuSRÄuMEN Doch nicht nur Menschen, auch Räume und gebäude erscheinen in dem alterserforschungsanzug in einem neuen Licht. was junge Menschen als transparent und luftig empfinden, verwandelt sich mit den Jahren in eine umgebung mit zu vielen störgeräuschen. Dunkle Farben machen die Orientierung

schwer, nicht markierte stufen werden zu stolpersteinen. „Der einzelhandel hat viele dieser erkenntnisse schon sehr systematisch umgesetzt“, berichtet Hanne Meyer-Hentschel. Jetzt gehe es darum, dass beispielsweise pflegeeinrichtungen ihre besucher noch stärker als kunden begreifen. auch öffentliche Räume wie Flughäfen oder bahnhöfe hätten nachholbedarf. ihren workshop-teilnehmern müssen die Meyer-Hentschels dies nicht mehr erklären. Die meisten entwickeln sofort ideen, was sich in ihrem umfeld verbessern lässt – und setzen diese auch um: damit sich das eigene, ältere ich wohl fühlt.

um beim Design des Geräts insbesondere die Wünsche älterer Anwender zu berücksichtigen, standen vor allem ergonomische Aspekte im Vordergrund. So wurde die Breite des Geräts etwas reduziert, sodass es jetzt mit einer Hand greifbar ist. Dank der keilartigen Form trifft das Licht bei der Anwendung nicht mehr frontal auf das Display, was Spiegelungen verhindert. Das Anstecken und Abziehen des Schlauchanschlussstöpsels für die Manschette fällt mit einem grifffreundlichen, großen roten Stecker deutlich leichter. Die häufigsten Messfehler entstehen jedoch durch ein falsches Anlegen der Manschette. Mit einer neuen ergonomischen Form sind solche Fehler nun so gut wie ausgeschlossen: Die Manschette ist so zugeschnitten, das der Anwender sie intuitiv in der korrekten Position aufpumpt. Damit der Nutzer seine Daten leicht ablesen kann, ist außerdem das Display besonders groß, mit einem Messfortschrittsbalken ausgestattet und zeigt die verwendete Messtechnologie an. Das Gerät kann die DurchschnittsMorgen- und -Abendwerte für zwei Personen nach den Richtlinien der European Hypertension Society angeben und ist insbesondere für Patienten mit Herzrhythmusstörungen geeignet.

autorin Anne stoLLe

Was uns bewegt – Paul Hartmann AG, D, Silver Award


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/Next, D The dramaturgy of the issue is very good, for new topics are mostly characterized with a double-page image. This introduces rhythm to the magazine, leading the reader from one story to the next. Quotations, supplementary boxes and legends form, on most pages, minor eyecatchers. A special idea is the circular stickers, which contain supplementary elements to the headline of the particular page concerned. /Next – So leben wir morgen – RWE Vertrieb AG, Bronze Award


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WWW.AMNESTY.DE/JOURNAL

amnestyjournal0512_Layout 1 24.09.12 00:13 Seite 1

DAS MAGAZIN FÜR DIE MENSCHENRECHTE

4,80 EURO

AMNESTY JOURNAL

04/05

2012 APRIL/ MAI

FÜR EINE KUGELSICHERE WAFFENKONTROLLE

PAKT DES SCHWEIGENS Spanien und das Erbe der Franco-Diktatur

DIE KUNST DES AUFSTANDS Kreativer Protest gegen Putins Russland

ASERBAIDSCHAN: 0 POINTS Eurovision Song Contest und Menschenrechte

Amnesty Journal, D This issue’s motto is shown off on the cover page: “For bulletproof arms control” runs the headline, illustrated with an explosion from a comic. Inside you will also find a few strips that could originate from a comic. The method is very innovative of loading headlines with small illustrations of cartridges or machine guns. The theme is very well visually presented in the headline. In other issues, the picture language is extremely journalistic and documentary. The text is double-column. If the basic text is structured, then by large quotations.

Amnesty Journal – Amnesty International, D, Bronze Award


3 Customer Magazines B2C 34 amnestyjournal0512_Layout 1 24.09.12 00:13 Seite 6

Amnesty International ruft den israelischen Verteidigungsminister auf, die völkerrechtswidrigen Pläne zur Vertreibung beduinischer Gemeinschaften östlich von Jerusalem zurückzunehmen. Die israelische Armee plant, rund 2.300 Personen zwangsweise umzusiedeln. Die meisten von ihnen gehören zum beduinischen Stamm der Jahalin und leben in der Umgebung der großen israelischen Siedlung von Ma’ale Adumin im besetzten Westjordanland östlich von Jerusalem. Ihre Vertreibung soll Platz machen für den – völkerrechtswidrigen – Ausbau der Siedlung. Die israelische Armee hat vor, die Jahalin-Beduinen in die unmittelbare Nähe der Abfalldeponie von Jerusalem umzusiedeln. Die betroffenen Gemeinschaften wurden in die Pläne nie einbezogen und wehren sich dagegen.

ERFOLGE

TÜRKEI

IRAN

Amnesty International zweifelt daran, dass die türkischen Behörden die Bombardierung von Zivilisten in der Provinz Şırnak sorgfältig und unparteiisch untersuchen. Im vergangenen Dezember wurden im Südosten der Türkei 34 Zivilisten, darunter 18 Minderjährige, bei Luftangriffen getötet. Zeugen gehen davon aus, dass die Soldaten wussten, dass es sich um Zivilisten handelte. Menschenrechtsorganisationen, die den Vorfall untersuchen wollten, berichteten, ihre Delegierten seien von Soldaten daran gehindert worden, den Ort der Bombardierung zu besuchen. Außerdem haben die Staatsanwälte keine Ermittlungen am Tatort durchgeführt und keine Zeugenaussagen aufgenommen.

Amnesty International verurteilt das politisch motivierte Urteil gegen den Menschenrechtsanwalt Abdolfattah Soltani und fordert seine sofortige Freilassung. Ein Teheraner Gericht verurteilte ihn Anfang März zu 18 Jahren Haft. Soltani wurde am 11. September 2011 verhaftet. Die iranischen Behörden warfen ihm »Propaganda gegen das System« und »Gefährdung der nationalen Sicherheit« vor. Zudem habe er mit dem Nürnberger Menschenrechtspreis 2009 einen »illegalen Preis« entgegengenommen. Soltani ist einer der bekanntesten Menschenrechtsanwälte im Iran.

Foto: Evert-Jan Daniels / AP / ddp images

ISRAEL / BESETZTE PALÄSTINENSISCHE GEBIETE

»Einsatz von Kindersoldaten weltweit ächten.« Thomas Lubanga vor der Urteilsverkündung in Den Haag, 14. März 2012.

HISTORISCHES URTEIL Ausgewählte Ereignisse vom 15. Januar 2012 bis 14. März 2012.

INDIEN

HONDURAS Die honduranischen Behörden müssen den Brand im Comayagua-Gefängnis unabhängig untersuchen lassen, bei dem mehr als 300 Gefangene getötet wurden und viele weitere schwere Brandwunden erlitten. »Es ist äußerst wichtig, dass die Überlebenden sowie die Hinterbliebenen der Opfer die Wahrheit darüber erfahren, was geschehen ist und wie es zu so vielen Toten kommen konnte«, sagte Esther Major, Zentralamerika-Verantwortliche bei Amnesty International. Es ist nicht das erste Mal, dass Häftlinge bei einem Gefängnisbrand in Honduras umkommen – im Jahr 2004 wurden bei einem Brand im Gefängnis von San Pedro Sula mehr als hundert Personen getötet.

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UGANDA Sollte es zu einer Verhaftung Joseph Konys kommen, des Anführers der Lord’s Resistance Army (LRA), müssen dabei geltende Menschenrechtsstandards beachtet werden. Daran hat Amnesty International erinnert angesichts der »Kony 2012«-Kampagne, die eine Welle der öffentlichen Aufmerksamkeit für Joseph Kony und die LRA ausgelöst hat. Ferner forderte Amnesty die Verhaftung und Überstellung Konys an den Internationalen Strafgerichtshof entsprechend des bestehenden internationalen Haftbefehls. Kony werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen vorgeworfen.

Amnesty International hat die Behörden des ostindischen Staates Orissa aufgefordert, 47 Bewohner aus dem Dorf Rengopalli freizulassen. Diese wurden Ende Januar festgenommen, weil sie friedlich gegen die Verschmutzung ihres Wohngebietes durch die Bauxit-Raffinerie der Firma Vedanta Aluminium Lanjigarh protestiert hatten. Die Dorfbewohner versuchten, Vedanta davon abzuhalten, eine der zwei Zufahrtsstraßen zu ihrem Dorf in Beschlag zu nehmen. Die Straße ist der direkte Weg sowohl zum Dorf als auch zu einem 60 Hektar umfassenden Auffangbecken für den Rotschlamm der Raffinerie. Das Becken ist eine von zwei Deponien, in denen Vedanta giftigen Müll ablagert, der bei der BauxitVerarbeitung anfällt.

AMNESTY JOURNAL | 04-05/2012

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat Thomas Lubanga Dyilo schuldig gesprochen, in der Demokratischen Republik Kongo von 2002 bis 2003 Kindersoldaten rekrutiert und in bewaffneten Konflikten eingesetzt zu haben. Es ist der erste Schuldspruch, den der Gerichtshof seit seiner Einrichtung 2002 gefällt hat. Die Verkündung des Strafmaßes steht noch aus. »Das Urteil ist ein Meilenstein in der internationalen Rechtsprechung«, sagte Leonie von Braun, Expertin für internationales Strafrecht bei Amnesty. »Es bringt Genugtuung für die Opfer, insbesondere für die ehemaligen Kindersoldaten, die in dem Prozess als Nebenkläger aufgetreten sind.« Lubanga war Mitgründer und Präsident der »Union kongolesischer Patrioten«

DAS MITTELMEER IST KEINE MENSCHENRECHTSFREIE ZONE

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat den Flüchtlingsschutz entscheidend gestärkt. Die Richter gaben im Februar einer Klage von 24 Flüchtlingen aus Eritrea und Somalia statt, die mit rund 200 anderen Bootsflüchtlingen im Mai 2009 von Libyen aus nach Italien aufgebrochen waren. Auf hoher See wurden sie von der italienischen Küstenwache aufgegriffen und nach Libyen zurückgebracht. Die Richter waren der Meinung, dass Italien damit die Menschenrechte der Flüchtlinge verletzt habe. In der Begründung des Urteils hieß es, dass niemand der Folter oder einer unmenschlichen Strafe ausgesetzt werden dürfe. In Libyen sind vor allem Flüchtlinge aus Ländern südlich der Sahara weiterhin in Gefahr, willkürlich inhaftiert, gefoltert

ERFOLGE

(UPC) sowie Kommandeur der »Patriotischen Kräfte zur Befreiung des Kongo« (FPLC). Hunderte von Kindersoldaten wurden unter seiner Führung auf dem Gebiet der DR Kongo eingesetzt. Bei dem Konflikt, der von 1998 bis 2003 dauerte, kamen schätzungsweise drei Millionen Menschen ums Leben. Noch immer werden im Nordosten und Osten der DR Kongo Kindersoldaten von kongolesischen und ausländischen Gruppen rekrutiert. »Wir hoffen, dass durch dieses Urteil eine Dynamik entsteht, die den Einsatz von Kindersoldaten weltweit ächtet und zur Festnahme und Verurteilung weiterer Kriegsherren führt«, sagte Leonie von Braun. »Das gilt auch für Joseph Kony, gegen den bereits ein Haftbefehl des Strafgerichtshofs vorliegt.«

oder misshandelt zu werden. Ihnen droht oftmals die Abschiebung in ihre Herkunftsländer wie Somalia und Eritrea. Zudem wurde den Flüchtlingen die Möglichkeit genommen, Rechtsmittel bei den italienischen Behörden gegen ihre Abschiebung einzulegen. »Damit verstößt das italienische Vorgehen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention«, sagte Franziska Vilmar, Asylrechtsexpertin bei Amnesty. Mit dem Urteil hat der Gerichtshof unterstrichen, dass Regierungen auch in internationalen Gewässern verpflichtet sind, Menschenrechtsstandards einzuhalten und Flüchtlingen nicht ihr Recht auf Asyl aberkennen dürfen. »Amnesty fordert die EU-Mitgliedsstaaten nach diesem Urteil auf, Schutzbedürftigen endlich sicheren Zugang nach Europa und Recht auf Asyl zu gewähren«, so Franziska Vilmar.

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Thema: Waffenhandel

Zeichnung: Gabriel Holzner

Vom Kampfpanzer bis zur Kalaschnikow: Der Handel mit Rüstungsgütern ist ein überaus lukratives Geschäft. In Ländern wie Syrien oder Sudan trägt er jedoch zu schweren Menschenrechtsverletzungen bei. Ein Waffenhandelskontrollvertrag könnte diese unverantwortlichen Exporte unterbinden. Davon müssen sich große Rüstungslieferanten wie Russland und China aber erst überzeugen lassen. Doch auch deutsches Kriegsgerät ist sehr gefragt. Zum Beispiel in Mexiko und Saudi-Arabien.

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Alle Zeichnungen und Illustrationen auf den Seiten 18 bis 39 stammen von Gabriel Holzner (www.gabedesigns.com).

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Historischer Vertrag Im Juli wird in New York ein historischer Vertrag verhandelt: Erstmals in der Geschichte der Vereinten Nationen beraten die Staaten der Welt über Regeln, die den internationalen Waffenhandel kontrollieren sollen. Es ist erstaunlich: Während zum Beispiel detaillierte internationale Vereinbarungen darüber existieren, wie Astronauten im Falle einer »Weltallnot« gerettet werden sollen, gibt es zur Kontrolle des Handels mit konventionellen Waffen bis heute keine weltweite Regelung. Dabei ist der Waffenhandel längst globalisiert und seine Folgen sind fatal: Jedes Jahr werden weltweit Klein- und Leichtwaffen im Wert von knapp drei Milliarden

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Euro verkauft. Und jedes Jahr kommen infolge des unkontrollierten Waffenhandels etwa 300.000 Menschen durch Waffengewalt ums Leben – außerhalb von bewaffneten Konflikten. Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass 60 Prozent aller von Amnesty International dokumentierten Menschenrechtsverletzungen mit Klein- und Leichtwaffen begangen werden. Um dies zu ändern, ist ein internationaler Waffenhandelskontrollvertrag (»Arms Trade Treaty«, ATT) dringend notwendig. Die bestehenden nationalen oder regionalen Regeln (wie z.B. der Gemeinsame Standpunkt der EU-Staaten zum Waffenexport) reichen nicht aus, denn sie kontrollieren nicht den Waffenhan-

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del in allen Staaten der Welt. Außerdem werden sie noch viel zu häufig umgangen. Ein Waffenhandelskontrollvertrag ist aber nur wirksam, wenn er den Transfer aller Rüstungsgüter verbietet, die die Menschenrechte oder das humanitäre Völkerrecht verletzen können oder die Armutsbekämpfung eines Landes gefährden. Zudem muss ein solcher Vertrag alle konventionellen Rüstungsgüter umfassen und schließlich müssen die Staaten jeden geplanten Waffenhandel prüfen und kontrollieren. Erfreulich ist, dass sich die Bundesregierung für einen starken Waffenhandelskontrollvertrag einsetzt. Das ist gut, denn sie

THEMA

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WAFFENHANDEL

hat bei den internationalen Verhandlungen im Juli eine besondere Verantwortung, ist Deutschland doch der drittgrößte Waffenexporteur weltweit. Gemeinsam mit anderen Nichtregierungsorganisationen wird sich Amnesty in den nächsten Monaten mit aller Kraft dafür einsetzen, dass sich die Staaten auf einen starken ATT einigen. Es darf nicht so kommen wie 1925. Damals verhandelte die internationale Staatengemeinschaft zuletzt über einen internationalen Vertrag zur Waffenkontrolle – und scheiterte. Katharina Spieß ist Amnesty-Expertin für Rüstung und Menschenrechte.

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Goldene Regel: Keine Waffen für Gräueltaten. Amnesty International setzt sich für ein wirksames internationales Abkommen zur Kontrolle des Waffenhandels ein. Von Mathias John

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ystematische Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen, Mord, Vergewaltigungen und schwerwiegende Verletzungen sind seit Jahren die fatale Folge eines unverantwortlichen und häufig unkontrollierten weltweiten Rüstungshandels. Waffenlieferungen heizen nicht nur Konflikte an, sie gefährden auch die Millenniums-Entwicklungsziele der UNO, wie z.B. die Bekämpfung der Armut. Was mit den – in der Regel völlig legal – exportierten Rüstungsgütern geschieht, zeigte sich besonders drastisch während des »Arabischen Frühlings« Anfang 2011: Seit Jahrzehnten hochgerüstete Regime versuchten mit ihren Waffen, die Proteste zu unterdrücken und nahmen dabei einen hohen Blutzoll in Kauf. Dies setzt sich bis heute fort, wie die täglichen Schreckensmeldungen aus Syrien zeigen. Auch die Lieferanten scheinen kaum etwas gelernt zu haben – so liefert Russland trotz andauernder Menschenrechtsverletzungen weiter Waffen an Syrien. Seit mehr als drei Jahrzehnten drängt Amnesty International nun schon Regierungen, die EU und internationale Organisationen, bessere Rüstungsexportkontrollen einzuführen, um die verhängnisvollen Auswirkungen des globalen Waffenhandels auf die Menschenrechte zu unterbinden. Im Laufe der Jahre gab es dabei durchaus einzelne Verbesserungen. So wurde beispielsweise ein europäischer Verhaltenskodex für den Waffenhandel entwickelt, der ein umfassendes Menschenrechtskriterium enthält und mittlerweile als sogenannter »Gemeinsamer Standpunkt« der Europäischen Union verbindlich ist. Das sogenannte »Wassenaar-Arrangement« der EU, benannt nach dem niederländischen Verhandlungsort, soll verantwortliche Rüstungsexportkontrollen und mehr Transparenz schaffen. Ein UNO-Aktionsprogramm richtet sich gegen den unrechtmäßigen Handel mit Kleinwaffen und leichten Waffen. Am Ende blieb aber die bittere Erkenntnis, dass viele Einzelaktivitäten nicht zu einem besseren Menschenrechtsschutz geführt haben. Daher fordert Amnesty seit Mitte der neunziger Jahre ver-

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bindliche internationale Regelungen zur Rüstungsexportkontrolle, die mindestens die folgenden drei Eckpunkte enthalten müssen: a Als zentrales Element die »Goldene Regel«, die alle Rüstungstransfers verbietet, mit denen Menschenrechtsverletzungen oder Kriegsverbrechen verübt werden könnten oder die die Armutsbekämpfung gefährden a Umfassende Anwendung auf alle konventionellen Rüstungsgüter wie Waffen(systeme), Munition, Komponenten, Rüstungselektronik und Überwachungstechnik, Technologien und Know-how a Konsequente Umsetzungsvorgaben mit strikten Kontrollen und Transparenzvorgaben für alle Rüstungstransfers Seit 2003 setzt sich Amnesty gemeinsam mit anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen im Rahmen einer weltweiten Kampagne für ein UNO-Abkommen über den Handel mit konventionellen Rüstungsgütern (»Arms Trade Treaty«, ATT) ein – mit Erfolg: Schon im Jahr 2006 setzte die UNO-Generalversammlung eine Arbeitsgruppe zur Vorbereitung eines ATT ein. Schließlich begann 2009 der formelle Verhandlungsprozess, um das Abkommen zu erarbeiten. Im Juli 2012 sollen diese Verhandlungen auf einer großen UNO-Staatenkonferenz mit einem Vertragstext abgeschlossen werden, der anschließend der Generalversammlung vorgelegt werden soll. Angesichts der katastrophalen Auswirkungen auf die Menschenrechte ist es höchste Zeit, dass sich die internationale Staatengemeinschaft zu ihrer Verantwortung bekennt und wirksame Kontrollen verabredet – schließlich liegt die primäre Verantwortung für den globalen Handel mit Waffen, Munition und anderen Rüstungsgütern bei den Staaten: Grundsätzlich benötigen Rüstungsfirmen für Exporte der von ihnen produzierten Waffen eine Genehmigung der jeweiligen Regierung. Häufig sind die Rüstungsunternehmen sogar in staatlicher Hand oder staatlich

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Zwecke eingesetzt und verwendet werden können – sogenannte »dual-use«-Güter. In diesen Bereich fallen viele Komponenten, die in der zunehmend arbeitsteiligen Rüstungsproduktion dem Endprodukt Waffensystem zugeliefert werden, z.B. ein Motor, der Landmaschinen oder Schützenpanzer antreiben kann. Ebenfalls umstritten ist die Frage von Regelungen zur Umsetzung, Dokumentation und Transparenz des ATT. Amnesty fordert, stringente und nachvollziehbare Umsetzungsmaßnahmen in das Abkommen aufzunehmen, die tatsächlich die notwendigen Exportkontrollen und Endverbleibsregelungen sicherstellen. Zudem müssten die Staaten zukünftig auch umfassend über die Exporte berichten, um die Anwendung der Regelungen auch für die Öffentlichkeit transparent zu machen. Dann würde vielleicht auch endlich das ganze Ausmaß des internationalen Waffenhandels besser zu erfassen sein. Denn bisher wird die notwendige umfassende Transparenz durch die strenge Geheimhaltung der genehmigenden Staaten und der beteiligten Rüstungsfirmen verhindert, aber auch durch die Händler, die überwiegend im Graubereich zwischen legalen und illegalen Rüstungstransfers tätig sind. Genaue Zahlen zu Produktion, Handelsströmen, Empfängern und »Endverbrauchern« fehlen. Insbesondere Transfers von sogenannten »dual use«-Gütern, die Bereitstellung von Produktionslizenzen oder Know-how, Ausbildungshilfen und andere Aspekte der Rüstungszusammenarbeit und militärischen Unterstützung bleiben weitgehend im Dunkel. Größenordnungen und Trends, wie sie beispielsweise das schwedische Friedensforschungsinstitut SIPRI für konventionelle Großwaffen oder der »Small Arms Survey« in Genf für sogenannte »Kleinwaffen« veröffentlichen, sind allerdings erschreckend. So ist nach Angaben von SIPRI der weltweite Handel mit Großwaffen zwischen 2001 und 2010 um rund ein Drittel gestiegen. Unter den sechs größten Waffenexporteuren weist China mit 185 Prozent die größte Steigerungsrate auf. Deutschland konnte seine Exporte in dem besagten Zeitraum um 175 Prozent steigern, die USA um 46 Prozent. Deutschland belegt in den SIPRI-Statistiken der vergangenen Jahre konstant den dritten Platz der weltweiten Rüstungsexporteure für Großwaffen. Aber auch beim Handel mit sogenannten »Kleinwaffen« und »leichten Waffen«, die besonders häufig bei Menschenrechtsverletzungen

eingesetzt werden, spielt Deutschland eine unrühmliche Rolle: Der »Small Arms Survey« zählt die Bundesrepublik zu den acht größten Exporteuren dieser Waffenkategorien. Aus den Rüstungsexportberichten der Bundesregierung lässt sich ablesen, dass Deutschland zwischen 2005 und 2010 die Genehmigungen für Exporte von Handfeuerwaffen verdoppelt hat. Von den sechs führenden Rüstungsexporteuren stehen mindestens drei (USA, Russland und China) einem Vertrag skeptisch bis ablehnend gegenüber. Großbritannien und Frankreich äußern sich zurückhaltend. Umso erfreulicher ist es, dass sich Deutschland bislang nachdrücklich für einen umfassenden und wirksamen ATT einsetzt. Allerdings muss sich die Bundesregierung fragen lassen, warum sie trotz ihres Einsatzes für einen ATT und trotz eines grundsätzlichen Bekenntnisses zu einer verantwortlichen Genehmigungspraxis menschenrechtlich kritische Exporte genehmigt, wie Schnellfeuergewehre für Mexiko, Maschinenpistolen für Ägypten und Bahrain oder Überwachungstechnologie für Saudi-Arabien. Die Bundesregierung sollte auch im Sinne einer Unterstützung des ATT mit gutem Beispiel vorangehen und endlich ihre Genehmigungspraxis ändern – sie muss alle Rüstungstransfers verbieten, die Menschenrechte gefährden, über ihre Entscheidungskriterien öffentlich Rechenschaft ablegen und alle Transfers umfassend offenlegen. Dazu sollte sie auch ein transparentes System der Risikoabschätzung bezüglich der Menschenrechte einführen, wie es beispielsweise Amnesty vorgeschlagen hat. Die Berichte von Amnesty und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen zeigen, dass Waffenlieferungen in vielen Staaten zu einem Teufelskreis aus Militarisierung, Eskalation und Repression führen, der mit systematischen und schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen einhergeht. Um das zu verhindern, muss die internationale Gemeinschaft endlich angemessene Rahmenbedingungen für strikte Rüstungsexportkontrollen schaffen. Zu oft werden bei Rüstungsexportentscheidungen Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht nur nachrangig berücksichtigt. Mit der UNO-Staatenkonferenz für ein internationales Abkommen über den Handel mit konventionellen Rüstungsgütern im Juli dieses Jahres besteht die historische Chance, endlich weltweit verbindliche, umfassende Standards zur Kontrolle von

Der Kunde ist König: Saudi-Arabien schließt milliardenschwere Waffengeschäfte mit den USA und Europa. Auch deutsche Firmen liefern Kriegsgerät an den Golf – die kritische Menschenrechtslage wird von der Politik ausgeblendet. Von Hauke Friederichs

WAFFEN UNTER KONTROLLE Unter diesem Motto startete Amnesty bereits 2003 gemeinsam mit Oxfam International und dem »Internationalen Aktionsnetzwerk zu Kleinwaffen« in mehr als 60 Ländern eine Kampagne gegen unkontrollierten Waffenhandel. Vorrangiges Ziel war damals bereits die strikte Kontrolle und Transparenz aller Rüstungstransfers durch ein rechtlich verbindliches internationales Abkommen (»Arms Trade Treaty«, ATT). Die Kampagne »Waffen unter Kontrolle« besteht als zivilgesellschaftliches Bündnis für einen umfassenden ATT bis heute fort. Einen Höhepunkt der Kampagne bildete die öffentliche Übergabe der größten Foto-Petition aller Zeiten an den damaligen UNO-Generalsekretär Kofi Annan. Eine Million Menschen aus mehr als 160 Ländern forderten darin eine verbindliche Kontrolle des Waffenhandels (Aktion »Eine Million Gesichter«). Die Petition wurde am 26. Juni 2006 in New York überreicht. Der erste große Erfolg der Kampagne war der Beginn eines formellen Prozesses zur Prüfung eines ATT 2006. Im Dezember 2009 beschloss die UNO-Vollversammlung die Aufnahme von formalen Verhandlungen zu einem ATT.

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lle Staaten auf der Welt versuchten, ihre Bürger zu beschützen – auch an der Grenze, sagt der Mann in der khakifarbenen Uniform. Bei Datteln, süßem Gebäck und Golfkaffee kommt er schnell zur Sache: Mit der Berliner Mauer habe das neue Grenzprojekt nun wirklich nichts zu tun, versichert der hochrangige Offizier der saudi-arabischen Grenztruppe seinem Gast aus Deutschland. Die Zäune stünden nicht unter Strom, es gebe auch keine Selbstschussanlagen, sagt der General. »Wir haben nur Sensoren, Radar und Kameras.« Er sitzt in einem tiefen Sessel, über ihm hängen drei Ölgemälde der saudi-arabischen Herrscher aus dem Hause Saud. Erneut versichert der General, dass die Anlage, die mit Hilfe der Deutschen errichtet werde, sich nicht von anderen Grenzsystemen unterscheide. Auch die Vereinigten Staaten hätten an der Grenze zu Mexiko einen Zaun aufgebaut. Sein Gast, der deutsche Bundestagsabgeordnete Jan van Aken, schaut skeptisch, fragt nach. Schließlich ist der Bau einer der modernsten Grenzanlagen der Welt einer der Gründe, warum van Aken, ehemaliger Biowaffenkontrolleur der Vereinten Nationen, heute Rüstungsexperte der Linkspartei, nach SaudiArabien reiste. Denn die Grenzanlage wird mit deutscher Technik aufgebaut und die saudi-arabischen Grenzer werden von der deutschen Bundespolizei ausgebildet. Im Innenministerium in Riad hat sich van Aken einige Modelle der Grenze angeschaut. Zu sehen bekam er eine Grenzsicherungsanlage mit drei Lagen Stacheldraht, Fahrzeugrampen, Wachtürmen, Fahrzeugkorridoren und Bodenradaranlagen. Am nächsten Tag flog er in die Grenzregion, um sich das System vor Ort anzusehen. In Arar, einer Stadt in der Nähe zur irakischen Grenze, traf der Politiker in einer Kaserne der Grenztruppen die deutschen Ausbilder. Einige schlichte weiße Container, die rund um einen Kasernenhof stehen, bilden das Ausbildungszentrum. Der Unterricht bestehe aus viel Theorie, es gebe aber auch praktische Übungen, sagt ein deutscher Polizist. Dazu gehöre auch der Umgang mit Waffen – aber kein Schusstraining. Deutsche Waffen verwendet der saudi-arabische Grenzschutz seit Jahren, darunter das Sturmgewehr G3 von Heckler & Koch. Zwei gekreuzte G3 zieren das Wappen des Grenzschutzes. Errichtet wird die Grenzanlage von einem saudi-arabischen Bauunternehmen gemeinsam mit Cassidian, einer Tochter des europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS. Für das Unternehmen, an dem unter anderem der deutsche Autobauer Daimler, der französische Mischkonzern Lagardère und Spanien beteiligt sind, geht es um ein Milliardengeschäft. Wie wichtig die Grenzprojekte in der Golf-Region sind, zeigt ein Blick in die Unternehmensziele von EADS für das Jahr 2012. Ein Schwerpunkt lautet: »Erfolgreiche Ausführung der Grenzsicherungsaufträge sicherstellen«. 2007 erhielt EADS den Auftrag, die Grenzen Katars zu sichern. Kurz darauf folgte Saudi-Arabien. EADS hofft auf weitere Aufträge in dem Segment. Das Projekt in Saudi-Arabien gilt als besonders ambitioniert. 2009 begannen die Bauarbeiten, in diesem Jahr soll der Nordabschnitt fertig werden. Dann wird es im Süden weitergehen, mit der Grenze zum Jemen, später folgen die Küstenabschnitte. Es

Rüstungstransfers zu verankern. Die letzten Vorbereitungsgespräche im Februar 2012 haben gezeigt, dass noch viele Hindernisse zu überwinden sind, um einen Wettlauf zum kleinsten gemeinsamen Nenner zu verhindern. Umso wichtiger ist die öffentliche Unterstützung für ein Abkommen, das den notwendigen breiten Anwendungsbereich, die notwendigen Umsetzungsmaßnahmen und Transparenzregeln und vor allem die »Goldene Regel« zum unmittelbaren Schutz der Menschenrechte enthält. Umfassender öffentlicher Druck kann entscheidend dazu beitragen, dass im Juli alle Delegierten ihre Hände für einen umfassenden ATT heben und damit den internationalen Schutz der Menschenrechte bei Rüstungstransfers verankern. Der Autor ist Sprecher der Themengruppe Wirtschaft und Menschenrechte der deutschen Sektion von Amnesty International.

Zeichnungen: Gabriel Holzner

beeinflusst – damit ist auch die Produktion von Waffen letztlich in der Hand der Regierungen. Bei fast allen Rüstungsexporteuren ist eine skrupellose Exportpraxis an der Tagesordnung, denn Waffenlieferungen sind meist ein lukratives Geschäft und oft auch ein wichtiges Mittel der Außenpolitik. Verletzungen der Menschenrechte werden dabei gerne ignoriert oder sogar billigend hingenommen. Geliefert wird alles, was die Arsenale moderner Waffentechnik hergeben, einschließlich ganzer Produktionsanlagen und der für die Rüstungsproduktion notwendigen Lizenzen. Ergänzt wird die »Hardware« durch Überwachungselektronik und Fortbildungen für Militärs und andere Sicherheitskräfte. Angesichts der politischen, militärischen und wirtschaftlichen Bedeutung von Rüstungstransfers ist es nicht verwunderlich, dass der bisherige Verhandlungsprozess zum ATT von teilweise tiefgreifenden Differenzen zwischen Unterstützern und Skeptikern gekennzeichnet war. Insbesondere die Frage der Einbeziehung von Menschenrechten führte zu heftigen Diskussionen, so dass hier noch weitere Überzeugungsarbeit zu leisten ist, um die »Goldene Regel« in einem künftigen ATT abzusichern. Ein weiterer Streitpunkt ist der Anwendungsbereich eines ATT. Während die skeptischen Staaten wie z.B. China oder die USA nur wenige Waffensysteme einbeziehen wollen, fordert Amnesty die Anwendung des Abkommens auf alle konventionellen Rüstungsgüter und Technologien, einschließlich der sogenannten Sicherheitstechnologie, die auf dem Weltmarkt angeboten werden. In der Regel unterscheidet man zwischen konventionellen Großwaffen und denjenigen, die verharmlosend als Kleinwaffen und leichte Waffen bezeichnet werden. Großwaffen umfassen im Wesentlichen Waffensysteme wie Kampfund Schützenpanzer, gepanzerte Kampffahrzeuge, Artilleriesysteme, Raketenwerfer und Raketen, Militärflugzeuge und -hubschrauber sowie Kriegsschiffe. Die sogenannten »Kleinwaffen« und »leichten Waffen« umfassen Pistolen, Revolver, Maschinenpistolen und Schnellfeuergewehre bis hin zu Maschinengewehren, Mörsern, tragbaren Raketenwerfern und Panzerfäusten – definitionsgemäß alles Waffen, die von ein oder zwei Personen verwendet und transportiert werden können. Ein weiteres Handelsgut auf dem weltweiten Rüstungsmarkt sind Produkte und Technologien, die sowohl für zivile als auch für militärische

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AMNESTY-BERICHT: WAFFENLIEFERUNGEN VERSCHÄRFEN KONFLIKT IN DARFUR Munition, Kampfhelikopter, Luft-Boden-Raketen und Panzerfahrzeuge: Ein neuer Amnesty-Bericht mit dem Titel »Sudan: No end to violence in Darfur« dokumentiert, dass China, Russland und Belarus jahrelang Waffen und Rüstungsgüter an die sudanesische Regierung geliefert haben. Diese wurden von der sudanesischen Armee und einer regierungsnahen Miliz in Darfur eingesetzt, obwohl für die Krisenregion schon seit 2004 ein UNO-Waffenembargo gilt. 2011 führten Angriffe auf die ethnische Gruppe der Zaghawas dazu, dass rund 70.000 Menschen vertrieben wurden. Die Munition, die nach den Angriffen sichergestellt werden konnte, stammte nachweislich aus China und war nach der Verhängung des Embargos produziert worden. Durch die Waffenlieferungen nehmen China, Russland und Belarus billigend in Kauf, dass Menschenrechte verletzt werden. Amnesty International hat diese Länder aufgefordert, unverzüglich ihre Rüstungsexporte in den Sudan einzustellen, um die Gewalt in Darfur nicht weiter anzuheizen. Zudem soll das Waffenembargo auf den ganzen Sudan ausgeweitet werden.

unter anderem amerikanische M-60-Panzer ein. Und auch im Jemen griff die saudi-arabische Armee in innere Unruhen ein: Sie kämpfte auf Seiten der Zentralregierung in Sanaa gegen den Clan der Huthi, die mit Waffen für mehr Autonomie stritten. Auch dabei sollen die Saudis im Westen gekaufte Rüstungsgüter eingesetzt haben. Der zerfallende Jemen und auch Irak unter Saddam Hussein dienten den Saudis jahrelang als Rechtfertigung für ihre massive Aufrüstung. Heute nennt Saudi-Arabien vor allem das iranische Nuklearprogramm als Grund für seine Waffenkäufe. Um ein Gegengewicht zum Mullah-Regime in Teheran zu schaffen, unterstützen die Amerikaner und ihre europäischen Verbündeten die Regierung in Riad bei deren ambitionierten Aufrüstungsplänen. Dabei gelten die saudi-arabischen Streitkräfte bereits heute als hochgerüstet und der gesamte Nahe Osten als eine der am stärksten militarisierten Regionen der Welt. Ein Wettrüsten läuft nicht nur zwischen dem schiitischen Iran und den mehrheitlich sunnitischen Staaten des Golf-Rates – auch Israel investiert Milliarden in neue Waffensysteme. Der Irak, der unter Saddam Hussein ebenfalls gigantische Summen für Kriegsgerät ausgab, beginnt nun ebenfalls wieder bei den Rüstungsschmieden der USA einzukaufen. Ägypten, das auch nach der Absetzung von Mubarak weiterhin von den Vereinigten Staaten jährlich einen großen Betrag als Militärhilfe erhält, wird nicht ins Hintertreffen geraten wollen. Die Rüstungsspirale im Nahen Osten dreht sich munter weiter.

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geht um insgesamt 8.561 Kilometer. Der General der Grenztruppe zeigt sich begeistert von den neuen technischen Möglichkeiten: Schmuggel und illegaler Grenzverkehr würden im Norden bald der Vergangenheit angehören. Neben dem Bodenradar könnten später im Süden auch noch Drohnen zum Einsatz kommen, berichtet ein saudi-arabischer Ingenieur. Die Saudis kauften nur das Beste, sagt ein deutscher Polizist. Geld spiele keine Rolle. Die Kritik in Deutschland an dem Projekt sei übertrieben: »Moderne Sensortechnik verletzt keine Menschenrechte.« Das Regime, das die Technik einsetzt, schon. Das berichten Amnesty International, Human Rights Watch und andere Menschenrechtsorganisationen. Der greise Monarch Abdallah bin Abdulaziz Al Saud herrscht absolut über sein feudales Reich. Er ernennt die Regierung und die Mitglieder der beratenden Versammlung. Ein Parlament gibt es nicht, Parteien und Gewerkschaften sind verboten. Mit Repressionen und großen Investitionen in die Sicherheit gelang es dem Regime bislang, den Arabischen Frühling außerhalb des Landes zu halten. »Die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien ist schlecht«, bringt es auch das Internationale Konversionszentrum aus Bonn (BICC) auf den Punkt. »Grundlegende Menschen- und Bürgerrechte werden missachtet. Frauen werden als Bürger zweiter Klasse behandelt. Folter ist weit verbreitet, die Todesstrafe wird oft verhängt und ausgeführt. Ebenso sind harte physische Strafen (Auspeitschen, Amputationen) ein häufig benutztes Instrument des Regimes.« Auch das Auswärtige Amt findet in seinem Menschenrechtsbericht eine deutliche Sprache: »Dissidenten werden inhaftiert, Geständnisse erzwungen, Frauen werden wesentliche Menschenrechte vorenthalten, minderjährige Mädchen zwangsverheiratet, freie Meinungsäußerung ist nur teilweise möglich, die Religionsausübung für nicht-muslimische Religionen verboten, die schiitische Minderheit im Osten des Landes wird diskriminiert und ausländische Arbeitnehmer sind weitgehend rechtlos.« Die Bundesregierung lässt umfangreiche Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien zu, obwohl die »Politischen Grundsätze« zu Rüstungsexporten – im Jahr 2000 von Rot-Grün erlassen und bis heute gültig – den Menschenrechten eine gewichtige Rolle einräumen: »Genehmigungen für Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern werden grundsätzlich nicht erteilt, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass diese zur internen Repression im Sinne des EU-Verhaltenskodex für Waffenausfuhren oder zu sonstigen fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden.« Grüne und Linkspartei beantragten im Bundestag im vergangenen Jahr, dass keine Waffen mehr nach Saudi-Arabien exportiert werden sollen. Denn Saudi-Arabien liegt außerdem in einem »Spannungsgebiet«, in das nach den Politischen Grundsätzen ebenfalls nicht geliefert werden soll. Im Nachbarland Bahrain protestierten während des Arabischen Frühlings Tausende gegen das Regime. Mit Hilfe saudi-arabischer Truppen wurden die Proteste niedergeschlagen – die Saudis setzten dabei

Und Dank der sprudelnden Erdölquellen kann der saudi-arabische König Milliarden in teure Waffensysteme investieren. Einkäufer aus Saudi-Arabien gehören auf den Rüstungsmessen in London, Paris oder Abu Dhabi zu den begehrtesten Gesprächspartnern. Denn die Nato-Mitglieder geben immer weniger Geld für neue Waffensysteme aus. Den westlichen Staaten setzt die Finanzkrise zu. Die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Deutschland senken die Wehretats. Diesen Einbruch im Rüstungsgeschäft gleichen andere Kunden aus: Schwellenländer – vor allem die in Asien – gelten bei den Waffenherstellern als neue Hot-Spots. Alle großen Rüstungsschmieden unterhalten in den Golfstaaten eigene Niederlassungen. Besonders erfolgreich warben die US-Waffenhersteller für ihre Produkte. 2010 verkündete das Königreich, seine Luftwaffe mit 84 amerikanischen F-15-Kampfjets für rund 30 Milliarden US-Dollar erweitern zu wollen. Alte Flugzeuge sollen modernisiert werden. Dazu kommen 72 Hubschrauber vom Typ Blackhawk und 36 vom Typ Little Bird. Außerdem orderte Saudi-Arabien in den USA umfangreiche Radartechnik und Raketen. Das gesamte Kriegsgerät wird zusammen mindestens 60 Milliarden US-Dollar kosten. US-Präsident Obama bestätigte den Deal Ende 2011 – auch der Kongress hat zugestimmt. Der amerikanische Rüstungskonzern Lockheed verkündete jüngst zudem, dass Saudi-Arabien Interesse am Kauf von Kriegsschiffen signalisiert habe. Es gehe um bis zu 20 Milliarden Dollar. Von solchen großen Geschäftsabschlüssen träumt auch die deutsche Wehr- und Sicherheitsindustrie, wie die Branche sich

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selber nennt. Sie setzt immer stärker auf den Export. Deutschland rückte hinter den USA und Russland auf Platz drei der größten Rüstungsexporteure vor, errechnete das schwedische Friedensforschungsinstitut SIPRI. Neun Prozent der weltweit ausgeführten Großwaffensysteme sind »Made in Germany«. Besonders im Fahrzeugbau sind deutsche Waffenschmieden erfolgreich. Im vergangenen Jahr wurde bekannt, dass Riad mit der deutschen Rüstungsschmiede Krauss-Maffei Wegmann über die Lieferung von 270 Kampfpanzern des Typs Leopard 2 A7+ verhandelt. Dabei verfügt das Land bereits über 910 schwere Kampfpanzer überwiegend aus amerikanischer Produktion, von denen 345 eingelagert sind. Auch andere deutsche Firmen profitieren vom Rüstungswahn am Golf: Heckler & Koch verkaufte den Saudis eine Lizenz für den Nachbau des Sturmgewehres G36 und half beim Aufbau der Produktion. Und für EADS gehört Saudi-Arabien nicht nur wegen der Grenzanlage zu den wichtigsten Kunden. Das Königreich ist das einzige Land außerhalb Europas, das den Kampfjet Eurofighter Typhoon gekauft hat. 72 Maschinen bestellte das Land insgesamt beim Eurofighter-Konsortium, zu dem auch Europas größtes Rüstungsunternehmen gehört, BAE Systems aus Großbritannien. Die Saudis orderten zudem bei der EADS-Tochter Airbus sechs Militärtransportflugzeuge. Und sie schafften zudem das Luftaufklärungssystem Luna der deutschen Firma EMT an, das auch bei der Bundeswehr im Einsatz ist. Die Bundeswehr unterstützte den Export: Drei deutsche Soldaten wurden nach SaudiArabien entsandt, um »Ausbildungsunterstützung« für die

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»Erstinbetriebnahme« zu leisten, teilte die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen mit. Als Ausbildungsunterstützung läuft auch der Einsatz der Bundespolizisten in Arar. Einen direkten Zusammenhang mit dem Milliardendeal von EADS sieht die Bundesregierung nicht. Man helfe einem wichtigen Verbündeten in der Region bei der Modernisierung seiner Grenztruppe. Ohne die deutschen Ausbilder hätten sich die Saudis jedoch nicht für das Angebot von EADS entschieden, heißt es in Riad. Mit dem Projektverlauf sind die Auftraggeber sehr zufrieden. Im Untergeschoss des Innenministeriums in Riad hängen Urkunden von EADS für saudi-arabische Kursteilnehmer an den Wänden und Fotos von Delegationen, die Deutschland besucht haben. Die Offiziere des Grenzschutzes und Beamte des Innenministeriums bringen Jan van Aken schließlich von der Kaserne aus zur Grenze. Auf einer staubigen Straße geht es durch die Wüste. Die kleine Kolonne hält an einem der neu errichteten Überwachungszentren. Der Grenzschutz präsentiert dort einen großen Kontrollraum voller Bildschirme. Damit ließe sich auch eine deutsche Großstadt managen, sagt ein Polizist. Streckenweise funktioniere die Überwachung bereits. Ein Mitarbeiter des Innenministeriums berichtet, dass jüngst Alarm ausgelöst wurde. Auf den Bildschirmen im Kontrollzentrum in der Nähe der Grenze tauchte jedoch nicht das Bild eines Schmugglers auf, sondern das eines Hasen. Die Saudis ließen ihn laufen. Der Autor ist Journalist und lebt in Hamburg.

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Wo das Gras am höch sten wuchs Geschätzte 150.000 Opfer der Franco-Diktatur liegen in Spanien nach wie vor in anonymen Massengräbern. Der »Pakt des Schweigens« hat eine ganze Generation zum Verstummen gebracht. Die Enkel brechen ihn. Von Shelina Islam (Text) und Bodo Marks (Fotos) Es ist Vormittag, die Sonne scheint über die Bergkette. Unterhalb des Kilometersteins mit der 13, ein paar Kilometer vom nordspanischen Bergdorf Villanueva de Valdueza entfernt, gräbt sich ein kleiner Bagger langsam durch den Schieferboden am Berghang. Der 28-jährige Archäologe René Pacheco steht über einer der Furchen und blickt konzentriert in die gut einen Meter tiefen Gräben. Der Bagger geht behutsam vor. Jede Erdschicht, die die Schaufel abträgt, kann einen Hinweis geben, Knochen freilegen, Reste von Kleidungsstücken, Knöpfe, Patronenhülsen. 76 Jahre ist es her, seit General Francisco Franco gegen die spanische Republik putschte; bis 1975 herrschte sein faschistisches Regime. Francos Milizen trieben Tausende von Bauern, Intellektuellen und Andersdenkenden auf Lastwagen, folterten und ermordeten sie, dann verscharrten sie die Leichen außerhalb der Ortschaften. Heute, 37 Jahre nach dem Tod des Diktators, liegen noch immer geschätzte 150.000 Opfer in anonymen Massengräbern auf Äckern, in Straßengräben. Der »Pakt des Schweigens« von 1977 sollte Politik und Gesellschaft in demokratische Bahnen lenken, der Preis dafür war die Tabuisierung der Vergangenheit. Vor ein paar Jahren begannen die Enkel der Ermordeten, das Schweigen zu brechen. Sie fordern ein Ende der Straflosigkeit und des Schweigens, in das sich Spanien seit dem Ende der Franco-Zeit hüllt. Als erster spanischer Richter überhaupt begann Baltasar Garzón 2008, sich mit dem Erbe der Diktatur zu befassen. Der »Tyrannenjäger«, der durch seinen Haftbefehl gegen den chilenischen Diktator Pinochet weltweit bekannt wurde, leitete damals Ermittlungen wegen des »Verschwindenlassens« und anderer Menschenrechtsverletzungen ein, die während der Franco-Diktatur verübt wurden. 2010 wurde er deshalb von seinem Posten suspendiert – ultrarechte Organisationen warfen ihm vor, gegen das Amnestiegesetz von 1977 für Franco-Verbrechen verstoßen zu haben. Garzón verwies hingegen auf internationale Menschenrechtsabkommen, aufgrund derer eine Amnestie von Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht möglich sei. Dass Anhänger der Diktatur einen Richter auf die Anklagebank bringen konnten, weil er Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufklären wollte, hatte international für Empörung gesorgt. So hatte auch Amnesty International das Verfahren als »Bedrohung der Menschenrechte und der juristischen Unabhängigkeit« scharf kritisiert und Beobachter zu dem Prozess entsandt. Ende Februar 2012 wurde Garzón zwar vom Vorwurf der Rechtsbeugung freigesprochen. Der jetzt erfolgte Freispruch bedeutet für den 56-jährigen Juristen dennoch das Ende seiner Karriere, denn Anfang Februar erhielt er nach einem ebenfalls umstrittenen Verfahren zu einer Korruptionsaffäre der Regierungspartei »Partido Popular« elf Jahre Berufsverbot.

Spurensuche. Mitarbeiter von ARMH graben nach den sterblichen Überresten von Franco-Opfern.

Mit den Opfern beschäftigen sich daher weiterhin vor allem private Initiativen, wie der Verein zur Wiedergewinnung des historischen Gedächtnisses (»Asociación para la Recuperación de la Memoria Histórica«, ARMH). Er kümmert sich seit mehr als zehn Jahren um Menschen, die die sterblichen Überreste ihrer Angehörigen aus den Massengräbern bergen wollen und damit bei den Behörden auf taube Ohren stoßen. Mithilfe von Freiwilligen recherchiert der ARMH die Fälle, führt Exhumierungen durch und informiert die UNO-Arbeitsgruppe zu erzwungenem Verschwindenlassen. Denn der spanische Staat macht keine Anstalten, die Exhumierungen von Behörden vornehmen zu lassen. »Wir bekommen Zuschüsse für ein paar Ausgrabungen im Jahr«, sagt Marco González, der stellvertretende Vorsitzende des ARMH, »doch eigentlich sollte dies Aufgabe des Staates sein«.

»Mit den sterblichen Überresten graben wir zugleich die Geschichten der Menschen aus. Sie werden so immer mehr zum kollektiven Gedächtnis Spaniens.«

Angehörige. Adriana und Constantino Fern ández González.

González und seine Kollegen begeben sich auf Spurensuche in die Dörfer. Viele Menschen haben jahrelang geschwiegen, doch langsam brechen die Familiengeschichten auf. So wie die von Adriana Gonzáles. Die 48-jährige Argentinierin ist die Enkelin des Korbflechters Antonio Fernández González, genannt »El Cesterín«. Er wurde am 9. Oktober 1936 von Franco-Milizen ermordet und oberhalb seines Dorfs Villanueva de Valdueza an einem Berghang vergraben. Es ist der Berghang, auf den an diesem Morgen die Sonne scheint, als Adriana mit ihrem Vater Constantino und ihrem Onkel Antonio aus dem Auto steigt. Sie schauen hinunter auf das aufgewühlte Feld. Adrianas Vater nimmt Marco González beim Arm und zeigt ins Tal: »Dort liegt mein Vater. Ich bin oft als Junge hier vorbeigegangen, wenn ich die Kühe zur Weide gebracht habe.« Und er sagt, was viele sagen: »Das Gras wuchs an der Stelle, wo er begraben liegt, immer höher und grüner als in der Umgebung.« Bevor er als 17-Jähriger mit seinem Bruder nach Argentinien auswanderte, war er ahnungslos. Mehr als 70 Jahre vergingen, bis er den wahren Grund für den Tod seines Vaters erfuhr. Es war seine Tochter, die ihn darauf stieß. »Vor zwei Jahren begann ich anzuzweifeln, dass mein Großvater Opfer eines Nachbarschaftsstreits geworden war«, erzählt Adriana. In der Familie hieß es immer: »Er hatte mit Politik nichts zu tun!« Doch kannte Adriana diese Antwort zur Genüge aus der argentinischen Geschichte – als üblichen Reflex aus Angst vor Repression und Verfolgung. Adriana nahm Kontakt zum ARMH auf, bat den Verein um eine Recherche vor Ort und der wurde bald fündig. Die Sterbeurkunde von »El Cesterín« trägt die Registernummer 5324, steile Buchstaben quittieren knapp: »Gestorben: auf dem Feld. Bestattungsort: –. Todesursache: Bekämpfung des Marxismus«. »Es heißt, mein Großvater habe einen Dorfbewohner vor den Franquisten gewarnt. Sie holten ihn dann vor den Augen seiner Frau und seiner beiden kleinen Söhne ab.« »El Cesterín« leistete keinen Widerstand, als seine Mörder ihn abführten. Noch in derselben Nacht wurde er am Straßenrand oberhalb des Dorfes erschossen. Er wurde 24 Jahre alt.

Die Geschichten sind in Vergessenheit geraten wie die Toten in den anonymen Gräbern. Für viele der damaligen Ereignisse gibt es keine Zeugen mehr. Das Trauma der Verdrängung zieht sich wie ein roter Faden durch die Generationen bis in die Gegenwart. »Doch die Gesellschaft beginnt zu sprechen. Und das ist vielleicht das wichtigste Ergebnis dieser Arbeit: dass das historische Gedächtnis sich nicht mehr auf den Familienkreis beschränkt«, sagt Marco González. Er steht neben den staubigen Büschen und beobachtet den Bagger, der Schaufel um Schaufel Erde abträgt. »Mit den sterblichen Überresten graben wir zugleich die Geschichten der Menschen aus. Sie werden so immer mehr zum kollektiven Gedächtnis Spaniens.« Es ist halb sechs Uhr abends, als »El Cesterín« am Berghang von Villanueva gefunden wird. Am nächsten Tag sammelt Forensiker José Luis Prieto die ersten Knochen in eine Plastiktüte. Constantino Fernández beobachtet die Arbeit des Teams. Es ist still, nur das Schaben der Bürsten ist zu hören. Adriana steht neben ihrem Vater und wischt sich Tränen aus den Augen. Unter den behutsamen Bürstenstrichen des Freiwilligenteams wird der Schädel sichtbar. Er ist rotbraun wie die Erde, der Kiefer ist weit geöffnet wie zu einem stummen Schrei. »Sein Kopf war leicht auf die Seite gedreht«, erzählt Adrianas Vater am nächsten Tag den alten Nachbarn. »Er hat all die Jahre auf das Dorf geschaut.« Es ist der 9. Oktober 2011: Auf den Tag genau 75 Jahre nach seiner Ermordung durch die Franquisten wird »El Cesterín« aus seinem anonymen Grab gehoben. Forensiker Prieto steht an einem Tapeziertisch am Berghang, über ihm eine Plane, die ihn vor dem Sonnenlicht schützt. Er untersucht die Knochen, setzt sie dann wie Puzzleteile zusammen. Am frühen Abend liegt das Skelett von »El Cesterín« vollständig vor ihm. Adrianas Onkel nähert sich stumm. Er nimmt seine Mütze vom Kopf, blickt auf den Schädel seines Vaters und faltet die Hände. »Als er starb, waren wir zu jung, und wir haben kein einziges Foto von ihm«, erklärt sein Bruder Constantino. »Es ist das erste Mal, dass wir unseren Vater sehen.« In der roten Abendsonne stellt Forensiker Prieto seine Diagnose: »Ein junger

»Solidarität mit den Opfern des Franquismus.« Demonstration gegen die Straflosigkeit. Madrid, 13. Oktober 2011.

Mann, etwa 1,80 Meter groß. Ein Einschussloch am Kiefer. Gebrochene Rippen. Ein Messerstich am Hals. Alle Verletzungen wurden ihm kurz vor seinem Tod zugefügt.« Adriana steht hinter ihrem Vater und nickt. »Für mich war es das Kreuzworträtsel meines Lebens, das ich lösen musste«, sagt sie, »aber der Kampf ist noch lange nicht zu Ende«. Gemeinsam mit mittlerweile fünf weiteren Klägern hat sie Klage gegen den spanischen Staat eingereicht. Sie fordern eine Zusage Spaniens, die Verbrechen der Franco-Diktatur aufzuarbeiten. In einer Antwort der spanischen Regierung vom Juni 2011 heißt es, das geschehe bereits. »Ein Lippenbekenntnis«, sagt Marco González . »An den Massengräbern ist bis heute kein Regierungsvertreter aufgetaucht, nicht einmal in diesem Fall, zu dem die Klage läuft.« Auch Amnesty International fordert, die Verbrechen der Diktatur endlich aufzuarbeiten. Amnesty begrüßte zwar den Freispruch für Garzón, doch sagte ein Sprecher nach dem Urteil, es sei ein Skandal, dass sich Spanien mit seiner dunklen Vergangenheit bis jetzt nicht auseinandergesetzt habe. Es dürfe keine Straflosigkeit für diese schrecklichen Verbrechen geben. »El Cesterín«, der Korbflechter aus Villanueva de Valdueza, wurde inzwischen im Familiengrab beigesetzt. »Jetzt ist die Familie wieder vereint«, sagt Constantino. Die Autorin ist Journalistin, Amnesty-Mitglied und lebt in Hamburg.

Registriernummer 5324. Exhumierung von Antonio Fernández Gonzalez.

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Die Angst der anderen »Beschwere dich soviel du willst.« Transvestit Rojin.

In der Türkei kommt es immer wieder zu tödlichen Angriffen auf Schwule, Lesben und Transsexuelle. Die Gewalt geht häufig von Familienangehörigen, aber auch von Polizisten aus. Bislang gibt es keinen gesetzlichen Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen oder geschlechtlichen Identität. Von Amke Dietert mit Fotos von Diana Markosian / Redux / laif Am 15. Juli 2008 lernt der 26-jährige Ahmet Yıldız für seine Abschlussprüfung an der Universität Istanbul. Am späten Abend will er Eis kaufen, während sein Freund Ibrahim in der gemeinsamen Wohnung in Üsküdar, einem Stadtteil auf der asiatischen Seite von Istanbul, mit Bekannten am Computer chattet. Kurz nachdem Ahmet die Wohnung verlassen hat, hört Ibrahim Schüsse und rennt hinaus. Er findet seinen Freund schwer verletzt in seinem Auto, wenige Sekunden später stirbt Ahmet. Seitdem Ahmet Yıldız sich in einem Schwulen-Magazin öffentlich zu seiner Homosexualität bekannt hatte, wurde er von seiner Familie drangsaliert. Er solle sich therapieren lassen und »normal« werden, forderten seine Angehörigen. Als Ahmet darauf nicht einging, wurde er bedroht. Zunächst versuchte er, eine Verständigung mit seiner Familie zu erreichen, aber als die Morddrohungen immer massiver wurden, erstattete er Anzeige. Der zuständige Staatsanwalt nahm die Gefahr aber nicht ernst, und Ahmet erhielt keine Hilfe. Wären die Behörden gegen die Familie vorgegangen und hätten Ahmet geschützt, wäre er noch am Leben, vermutet sein Lebensgefährte Ibrahim Can. Auch nach dem Mord wurden die Ermittlungen nur sehr zögerlich aufgenommen. Erst eine Nachbarin, die bei dem Angriff auf Ahmet durch einen Streifschuss am Fuß verletzt wurde, konnte ein Gerichtsverfahren erzwingen. Der als Hauptverdäch-

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tiger angeklagte Vater von Ahmet konnte inzwischen jedoch untertauchen und ins Ausland fliehen. Das Schicksal von Ahmet ist kein Einzelfall. Amnesty International veröffentlichte im vergangenen Juni einen Bericht über Gewalt und Diskriminierung gegenüber Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen in der Türkei mit dem Titel »Weder Krankheit noch Verbrechen«. Damit begann eine internationale Kampagne zu diesem Thema. Ihre wichtigste Forderung lautet, die betroffenen Menschen besser vor familiärer und staatlicher Gewalt und Diskriminierung zu schützen. Die türkischen Antidiskriminierungsgesetze umfassen bisher nicht den Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen oder geschlechtlichen Identität. Eines der Ziele der Kampagne ist es, dies zu ändern. Wie viele Angehörige sexueller Minderheiten in der Türkei bisher aus Gründen der »Familienehre« sterben mussten, ist nicht bekannt. Es wird aber eine hohe Dunkelziffer vermutet. Besonders häufig (bzw. häufiger öffentlich bekannt) sind Morde an Transsexuellen und Transvestiten (allgemein als Trans* bezeichnet). Es gibt jedoch keine verlässlichen Zahlen, die Organisation Lambda in Istanbul zählte allein in dem Jahr nach dem Tod von Ahmet Yıldız 15 Morde an Transsexuellen und Transvestiten. Zu den Mordopfern zählte auch die 28-jährige transsexuelle Lambda-Aktivistin Ebru Soykan. Sie hatte sich aktiv gegen Schikanen und Misshandlungen von Trans* durch die Polizei im Istanbuler Bezirk Beyoğlu eingesetzt, in dem viele Trans* leben. In den Wochen vor ihrer Ermordung war sie mehrfach von einem Mann angegriffen und mit dem Tod bedroht worden. Ebru wandte sich an die Staatsanwaltschaft – wie im Fall von Ahmet Yıldız vergeblich. Einmal wurde der Mann sogar kurzzeitig von der Polizei festgenommen, aber nach zwei Stunden wieder frei-

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gelassen. Am 10. März 2009 wurde Ebru Soykan in ihrer Wohnung in Istanbul erstochen. Am 23. März 2009 berichtete die Tageszeitung »Hürriyet« über eine ermordete Transsexuelle in Bursa. Es gab zwar keine Hinweise auf mögliche Täter, die Umstände deuteten aber auf ein Hassverbrechen aufgrund der geschlechtlichen Identität der Ermordeten hin. Die Mordserie setzte sich auch in den Jahren 2010 und 2011 fort: Im Mai und September 2010 wurden Transsexuelle in Istanbul ermordet, im September und im Oktober außerdem in Bursa und in Izmir. Bei dem Mord im September in Istanbul wurde besonders deutlich, dass es sich um einen Hassmord aufgrund der sexuellen Identität handelte: Das Opfer wurde vergewaltigt, nachdem es mit mehreren Messerstichen getötet und seine Geschlechtsteile abgeschnitten worden waren. Der Mörder hinterließ einen Zettel, auf dem er ankündigte, er werde damit fortfahren, »Transvestiten zu töten«. Im Februar 2012 wurde in Izmit, einer Stadt etwa hundert Kilometer östlich von Istanbul, der 26-jährige Metin Yüksel, der den weiblichen Vornamen »Melda« angenommen hatte, während eines Streits von seinem älteren Bruder erschossen. Gewalt gegen Schwule, Lesben und Trans* geht jedoch nicht nur von Familienangehörigen und Personen aus, die Menschen mit abweichender geschlechtlicher Identität aus Hass bedrohen, angreifen oder sogar töten, sondern auch von der Polizei. Die transsexuelle Sängerin Esmeray wurde im Juni 2007 und erneut im Mai 2008 von Polizisten auf der Straße zusammengeschlagen. Im Dezember 2008 wurde die 60-jährige transsexuelle Kader im Istanbuler Stadtteil Tarlabaşı von Zivilpolizisten auf der Straße angegriffen, in einen Hauseingang gezerrt und so geschlagen und getreten, dass sie einen doppelten Armbruch davontrug.

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Die Opfer der Gewalt erstatten nur selten Anzeige, da sie einerseits Racheakte fürchten, andererseits auf Grund der Vorurteile bei der Polizei und Justiz nicht damit rechnen, ihre Rechte durchsetzen zu können. Die Transsexuelle Elçin berichtete Amnesty International, sie sei im Dezember 2010 nachts in ihrem Wohnviertel Tarlabaşı in Istanbul unterwegs gewesen. Plötzlich näherten sich ihr fünf oder sechs Männer, die zwar Zivilkleidung trugen, die sie aber von früheren Begegnungen als Polizisten erkannte. Die Männer beschimpften und schlugen sie. Als sich Elçin später in einem Krankenhaus die Verletzungen bescheinigen lassen wollte, wurde sie zwar geröntgt und ihre Verletzungen wurden dokumentiert. Die Zuständigen in dem Krankenhaus behaupteten aber, sie könnten ihr nur ein Attest ausstellen, wenn sie gemeinsam mit den Polizisten erscheine. Einer Transgender-Frau in Izmir, die sich über Misshandlungen auf der Polizeistation Alsancak beschweren wollte, erwiderte ein Polizeibeamter: »Hier schreibe ich das Protokoll. Beschwere dich soviel du willst – es wird nichts passieren«. Wenn es trotz dieser Behinderungen doch zu einem Gerichtsverfahren kommt, wird sehr oft das Strafmaß wegen angeblicher Provokation durch das Opfer reduziert. Die Täter geben in der Regel an, das Opfer habe sie zu sexuellen Handlungen aufgefordert, und die Gerichte tendieren dazu, dies ohne weitere Überprüfung zu glauben. Offenbar ist die geschlechtliche Identität der Opfer Grund genug, von ihrer Mitschuld auszugehen. Die häufigste Schikane gegen Trans* ist jedoch die willkürliche Verhängung von Geldbußen durch die Polizei. Begründet werden die Strafen in der Regel mit angeblichen Verstößen gegen das Gesetz zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder das Verkehrsgesetz. Transgender-Frauen in Istanbul berich-

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OURY JALLOH Schwierige Suche nach der Wahrheit

RUSSLAND Kurzer Prozess gegen »Pussy Riot«

BUCHMESSE Ein Gedicht von Liao Yiwu und aktuelle Neuerscheinungen

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ERFOLGE

EX-JUGOSLAWIEN

ÄTHIOPIEN

Die italienische Regierung soll ihren Verpflichtungen nachkommen und der menschenrechtsverletzenden Diskriminierung von Roma ein Ende setzen, fordert Amnesty International. Ein aktueller Amnesty-Bericht belegt das systematische Versagen der italienischen Behörden, wenn es um die Wahrung der Rechte von Roma geht. So werden in Camps lebende Kinder, Frauen und Männer noch immer ohne Information, Konsultation und vorherige Benachrichtigung aus ihren Unterkünften vertrieben.

Amnesty hat den Nachfolgestaaten Jugoslawiens vorgeworfen, sie würden sich nicht ausreichend um die Aufklärung des Schicksals der rund 14.000 Vermissten aus den Balkankriegen bemühen. In einem zum Internationalen Tag der Vermissten veröffentlichten Bericht verurteilte Amnesty den »fehlenden politischen Willen«, die Täter zu ermitteln, und rief die Regierungen der betroffenen Länder auf, ihre Justizsysteme umgehend zu verbessern.

Als »beunruhigendes Signal« hat Amnesty International die Festnahme des bekannten äthiopischen Journalisten Temesgen Desalegn bezeichnet. Desalegn ist Redakteur der Zeitung »Feteh«, einer der letzten unabhängigen Zeitungen Äthiopiens und ist unter anderem wegen »Aufhetzung der Bevölkerung« angeklagt. Amnesty International hat seine sofortige Freilassung gefordert. »Temesgen Desalegn ist lediglich angeklagt, weil er sein Recht auf Meinungsfreiheit wahrgenommen hat«, sagte Claire Beston, Äthiopien-Expertin von Amnesty International.

Foto: Zoë Tryon / Amnesty

ITALIEN

Recht auf Gemeindeeigentum und kulturelle Identität. Vertreterin der indigenen Gemeinde der Sarayaku.

WEGWEISENDES URTEIL FÜR INDIGENENRECHTE ECUADOR Ende Juli hat der Interamerikanische Gerichtshof für

Ausgewählte Ereignisse vom 15. Juli 2012 bis 12. September 2012.

SÜDAFRIKA

MEXIKO Der Oberste Gerichtshof von Mexiko hat ein wichtiges Urteil gefällt: Im Fall des von Soldaten getöteten Bonfilio Rubio Villegas erklärte das Gericht, dass dafür die Zivil-, und nicht die Militärgerichtsbarkeit zuständig sei. Amnesty International fordert, dieses Urteil als einen Präzedenzfall anzusehen, der für alle Menschenrechtsverletzungen gilt, die von Angehörigen der Streitkräfte an Zivilpersonen verübt werden.

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34 Tote und zahlreiche Verletzte. Das ist das schockierende Resultat eines Protestes von Arbeitern der Mine »Marikana«, der von der Polizei brutal beendet wurde. Die vielen Toten und Verletzten zeigen eine »erschreckende Missachtung menschlichen Lebens«, so Noel Kukutwa, Leiter des Programms für das südliche Afrika von Amnesty International. Offiziellen Angaben zufolge sollen einzelne Minenarbeiter bewaffnet gewesen sein. Amnesty hat die Behörden aufgefordert, eine transparente Untersuchung des Vorfalls vorzunehmen und zu klären, wieso die Sicherheitskräfte mit scharfer Munition gegen die Protestierenden vorgingen.

INDIEN Amnesty International hat die Bergbaugesellschaft Vedanta kritisiert, da sie mit einem Bericht versuche, sich »eine weiße Weste« zu verschaffen. Vedanta betreibt im indischen Bundesstaat Orissa eine Aluminium-Raffinerie und ist für die Zerstörung der Lebensgrundlage der dort lebenden indigenen Gemeinschaften verantwortlich. »Unsere Informationen belegen den Widerspruch zwischen den Behauptungen des Unternehmens und der Realität vor Ort«, sagte Polly Truscott, stellvertretende Direktorin des Asien-Pazifik-Programms von Amnesty International. So würde das Unternehmen der Bevölkerung immer noch Informationen über das wahre Ausmaß der Verschmutzung vorenthalten.

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Menschenrechte entschieden, dass die indigene Gemeinde der Sarayaku konsultiert werden muss, bevor auf ihrem Land Erdöl gefördert werden kann. Amnesty International begrüßte das Urteil als beispielhaft auch für andere Landkonflikte in Lateinamerika. Vor zehn Jahren waren Mitarbeiter eines argentinischen Unternehmens auf das Land der Sarayaku im ecuadorianischen Amazonasgebiet vorgedrungen. Die Regierung hatte dem Unternehmen Konzessionsrechte eingeräumt, ohne die Sarayaku vorher zu fragen. Nach massiven Protesten der indigenen Gemeinde verließ das Unternehmen das Land. Die Sarayaku führten einen jahrelangen Rechtsstreit gegen die Regierung Ecuadors, da sie ihre Rechte verletzt sahen. Dies bestätigte nun der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte mit seinem Urteil – demnach hat der ecuadori-

RECHT AUF WÜRDE

DEUTSCHLAND Asylbewerber in Deutschland haben ein Recht

auf ein menschenwürdiges Leben. Das haben die Richter des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe mit ihrem Urteil vom 18. Juli 2012 bekräftigt. Sie erklärten Teile des geltenden Asylbewerberleistungsgesetzes für verfassungswidrig. Das Urteil ist ein Erfolg für zahlreiche Organisationen, die schon jahrelang eine Anpassung der Leistungen und ein Ende der Diskriminierung von Asylbewerbern fordern. »Seit langem war offensichtlich, dass die bisher gewährten Leistungen für ein menschen-

ERFOLGE

anische Staat das Recht der Indigenen auf vorherige Konsultation, auf Gemeindeeigentum und kulturelle Identität verletzt. Auch habe er das Leben und die körperliche Unversehrtheit der Sarayaku gefährdet, da das Unternehmen 1,4 Tonnen Sprengstoff auf ihrem Gebiet hinterlassen habe. Ecuador wurde zur Leistung einer Entschädigungszahlung und der Durchführung verschiedener Maßnahmen verurteilt, unter anderem zur Beseitigung des Sprengstoffs. Die Sarayaku haben damit einen wichtigen Sieg nicht nur für indigene Gemeinden in Ecuador, sondern in ganz Lateinamerika errungen. »Dieses Urteil ist ein Meilenstein für die Verwirklichung der Rechte indigener Gruppen und muss nun umgehend von der Regierung Ecuadors umgesetzt werden«, sagte Maja Liebing, Amnesty-Lateinamerikaexpertin in Deutschland. Auch andere Regierungen der Region müssten nach diesem Urteil ihre Verpflichtung gegenüber den Indigenen anerkennen.

würdiges Leben nicht ausreichen«, sagte die Rechtsexpertin der deutschen Sektion von Amnesty, Verena Haan. Zudem sind sie diskriminierend, denn während Sozialhilfeempfänger mindestens 374 Euro pro Monat erhalten, liegt die finanzielle Unterstützung für Asylbewerber bislang bei 225 Euro und damit weit unter dem gesetzlichen Existenzminimum. »Die Bundesregierung muss jetzt zügig handeln und dafür sorgen, dass die Betroffenen Leistungen erhalten, die ihnen ein menschenwürdiges Leben sichern«, so Haan.

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Thema: Fotografie

Einsatz im Kriegsgebiet. Der kanadische Fotograf Finbarr O’Reilly porträtiert Soldaten der kongolesischen Armee. Ost-Kongo, November 2008. Foto: Reuters

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Perspektivwechsel. Ein Afghane fotografiert eine Patrouille kanadischer Soldaten mitsamt der anwesenden Fotografin Anja Niedringhaus, 2010.

Foto: Anja Niedringhaus / AP

Fotografie und Menschenrechte Vor vierzig Jahren, am 8. Juni 1972, machte der Fotograf Nick Ùt in Vietnam eine Reihe von Aufnahmen, von denen eine zum Sinnbild für den Krieg und die Verbrechen an Kindern und der Zivilbevölkerung schlechthin wurde: Sie zeigt flüchtende Kinder nach einem Napalm-Angriff. Das Foto erschien auf den Titelseiten vieler Tageszeitungen weltweit und spielte in der amerikanischen Anti-Kriegs-Bewegung und in der Diskussion über die Legitimität des Vietnamkriegs eine bedeutende Rolle. In unzähligen Fällen haben Fotografien dazu beigetragen, dass Menschenrechtsverletzungen in Krisenregionen ein konkretes Gesicht erhielten und nicht betroffene Menschen in fernen Ländern emotional bewegt und zum Handeln motiviert wurden. Die Arbeit der Fotografen, die Menschenrechtsverletzungen in Kriegs- und Krisenregionen dokumentieren und so Aufmerksamkeit für Missstände schaffen, kann daher nicht

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hoch genug bewertet werden. Länder, in denen gegen die Menschenrechte verstoßen wird, schränken oft auch die Meinungsund Pressefreiheit ein, um unliebsamer Berichterstattung vorzubeugen. Für Journalisten und Fotografen, die ihre Beobachtungen und Meinungen dennoch publizieren, kann das Repressionen zur Folge haben. Schlimmstenfalls können sie selbst ins Visier der Sicherheitsbehörden geraten und Menschenrechtsverletzungen erleiden. Auch diejenigen, die auf den Fotos zu sehen sind, können die Folgen zu spüren bekommen, vor allem wenn sie nach der Veröffentlichung weiterhin im Wirkungsbereich des Unterdrückungsapparates leben. Nicht allein deswegen ist seitens der Fotografen Verantwortung und die Einhaltung journalistischer Grundsätze gefragt. Das Gebot der Wahrhaftigkeit und die Sorgfaltspflicht gelten auch für Fotos und Bildreportagen.

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Fast jedes Mobiltelefon verfügt heutzutage über eine Kamera, der Upload der Bilder in soziale Netzwerke kann in Sekunden erfolgen. Eine derartige Demokratisierung der Bilder ermöglicht es jedem, Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren und das Ereignis zu veröffentlichen. Der Arabische Frühling hat gezeigt, dass diese Form der Kommunikation dazu beitragen kann, auf die Ursachen von Menschenrechtsverletzungen hinzuweisen und politische Bewegungen zu fördern. Auch wenn dies grundsätzlich positiv zu bewerten ist, so darf nicht übersehen werden, dass damit auch Probleme einhergehen. Fotografien zeigen nicht per se die Wirklichkeit. Bilder sind seit jeher auch Gegenstand von Propaganda und Manipulation. Fotografien können inszeniert, montiert und manipuliert sein. Selbst wenn sie nicht gestellt oder bearbeitet sind, bleibt die Frage nach der Parteilichkeit der Fotografen, Redakteure, Verleger

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usw. Eine Menschenrechtsverletzung der Gegenpartei lässt sich bekanntermaßen leichter anprangern als die eigene. Zwar ist jede Menschenrechtsverletzung für sich genommen zu verurteilen, aber die Wirklichkeit wird durch die Verwendung stereotyper Bilder verzerrt und die Darstellung des Konflikts tendenziös. Angesichts der Masse von Bildern – auch von Menschenrechtsverletzungen –, die heute mit dem Mobiltelefon geknipst oder gefilmt und verbreitet werden, bleibt die Frage nach dem Wahrheitsgehalt. Bilder können wichtige Hinweise auf die Missachtung der Menschenrechte liefern und so weitere Recherchen auslösen. Ungeprüft und ohne Hinweis auf die Quelle sollten sie jedoch nicht übernommen und verbreitet werden. Ute Wrocklage und Daniel Veit sind Mitglieder der Themengruppe Meinungsfreiheit der deutschen Sektion von Amnesty International.

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Seit knapp zehn Jahren reist der neuseeländische Fotojournalist Robin Hammond um die Welt, um mit seiner Kamera Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren. Im April 2012 geriet er dabei selbst ins Visier: In Simbabwe wurde er von Sicherheitskräften des autoritär regierenden Präsidenten Robert Mugabe festgenommen, verhört und inhaftiert. Nach drei Wochen im Gefängnis kam Robin Hammond frei und wurde abgeschoben. Seine Eindrücke hat er in Text und Bild festgehalten.

Fotografieren verboten Zählebiger Despot. Ein Plakat mit dem Foto von Robert Mugabe in der simbabwischen Hauptstadt Harare, 2012.

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ie schwüle, undurchdringliche Dunkelheit war nicht gerade tröstlich, als ich in die winzige Zelle gestoßen wurde und instinktiv versuchte, die furchtbare Umgebung zu erfassen. Der Gestank nach menschlichem Schweiß überwältigte mich, während ich den Blick auf ein Wirrwarr aus Gliedmaßen richtete, die um etwas Platz auf dem Betonfußboden kämpften. Als der eiserne Türriegel in das abgenutzte Schloss gefallen war, starrten mich die Augen von rund 40 Gefangenen angsterfüllt an. Nach knapp zehn Jahren Arbeit als Fotojournalist in einigen der heftigsten Krisengebieten der Welt verstand ich diese Angst zum ersten Mal. Ich befand mich in einer winzigen Zelle in einem Gefängnis in der simbabwischen Grenzstadt Beitbridge und war von der Außenwelt abgeschnitten. Simbabwe ist derzeit ein fast vergessener Staat dieser Welt. Obwohl dort nach wie vor Afrikas zählebigster Despot Robert Mugabe regiert, rangiert das Land als Krisengebiet unter Journalisten längst hinter Afghanistan und den Ländern Nordafrikas und des Nahen Ostens, in denen Freiheitskämpfe ausgetragen werden. 2007 besuchte ich die Hauptstadt Harare zum ersten Mal. Bis Ende 2008 widmete ich mich vier schwierigen Fotoaufträgen. Die in Simbabwe herrschende wirtschaftliche Krise, die lähmende Armut und die politische Gewalt führten dazu, dass ich mich danach emotional und körperlich ausgezehrt fühlte. Während Millionen Menschen in die Armut getrieben wurden, flogen die führenden Politiker in Privatjets zum Shoppen ans andere Ende der Welt. 2008 war auch das Jahr, in dem die Oppositionspartei »Movement for Democratic Change« (MDC) in Simbabwe ihre erste Wahl gewann. Ihre Unterstützer wurden daraufhin so lange von Sicherheitskräften und Anhängern der Regierungspartei geschlagen, gefoltert und getötet, bis sie von einer weiteren Wahlteilnahme absahen. Im selben Jahr wurde das Land von einer Cholera-Epidemie erschüttert, was Robert Mugabe jedoch abstritt. Viele Kinder starben, weil den Kliniken die Antibiotika ausgingen. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits Hunderttausende Menschen nach Südafrika geflohen. Einigen hatte ich selbst bei der Flucht geholfen. Ich verstand nur zu gut, warum sie wegwollten. Ich wollte auch nicht in diesem Land bleiben. Dennoch zog mich Simbabwe immer wieder in seinen Bann. 2009 reiste ich erneut ein und machte Aufnahmen von Militärverbänden, die illegal Diamanten schürften und damit Handel betrieben – ein Verstoß gegen den sogenannten Kimberley-Prozess. Im November 2011 erhielt ich ein Stipendium für Fotojournalismus. Es war mit dem Auftrag verbunden, für ein Buch und einige Fotoausstellungen den schockierenden Zustand zu dokumentieren, in den Mugabe das Land gebracht hatte. Ich bat daher die simbabwischen Behörden um eine Aufenthaltserlaubnis. Doch wie vorauszusehen war, erhielt ich keine. Um den Auftrag erfüllen zu können, würde ich tiefer in das Land hineinfahren müssen als jemals zuvor. Ich arbeitete nach strikten Vorgaben, um Einschüchterungen und einer Inhaftierung zu entgehen: Die frühen Morgenstunden waren die sichersten. Zu dieser Tageszeit waren nur wenige Menschen unterwegs, und Mugabes Handlanger, die im Laufe der Zeit versuchen würden, mich festzunehmen, waren noch damit beschäftigt, ihren Rausch auszuschlafen. Ich machte es mir zur Gewohnheit, um vier Uhr morgens mit der Arbeit zu beginnen. Manche Orte konnte ich aus Sicherheitsgründen kein zweites Mal aufsuchen. Sobald die Nachricht

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kursierte, dass dort draußen ein weißer Mann mit einer Kamera gesichtet worden sei, würden die Sicherheitsbehörden gewarnt sein und damit beginnen, Jagd auf mich zu machen. Zeit mit einzelnen Interviewpartnern zu verbringen, war deshalb aus vielerlei Gründen ein Luxus. Vier Monate lang arbeitete ich auf diese Art und Weise. Ich wich sowohl der Polizei als auch dem Geheimdienst erfolgreich aus. Im Februar 2012 beobachteten mich Sicherheitskräfte, wie ich ein Landgut fotografierte, das von hochrangigen Politikern besetzt und geplündert worden war. Ich fiel auf, weil ich meine eigene Regel brach und die Gebäude am Nachmittag fotografierte. Als ich zu meinem Wagen zurückging, kamen ein Polizist mit einer Kalaschnikow und vier Männer in Zivil auf mich zu. Es war das erste Mal, dass ich festgenommen wurde - fünf Jahre nachdem ich damit begonnen hatte, die Situation in Simbabwe zu dokumentieren und immer unter dem Radar hindurchgeschlüpft war. Glücklicherweise wurde ich nur eine Nacht lang festgehalten, doch die Erfahrung erschütterte mich. Als ich freikam, erfuhr ich von einem Bekannten, die Polizei suche nach einem weißen Fotografen, der in der Woche zuvor die Geburtstagsfeier des Präsidenten fotografiert habe. Sie suchten nach mir. Mir blieb nichts anderes übrig, als das Land in Richtung Sambia zu verlassen. Mein Auftrag in Simbabwe war jedoch noch nicht abgeschlossen. Ich wollte Menschen aus Simbabwe fotografieren, die die Grenze nach Südafrika überquerten. Deshalb kehrte ich am 19. April zurück. Unter der Führung eines ortsansässigen Mittelsmanns folgte ich einer Gruppe illegaler Einwanderer durch den Limpopo-Fluss in das Niemandsland zwischen Simbabwe und Südafrika. Als wir den Grenzzaun erreichten, tauchte eine südafrikanische Grenzkontrolle auf, und wir mussten zurück auf die simbabwische Seite. Als ich am Morgen ins Hotel zurückkam, warteten bereits Polizisten auf mich. Offenbar hatten die Hotelangestellten ihnen einen Tipp gegeben. Die Polizisten brachten mich auf die Wache in Beitbridge, direkt an der Grenze zu Südafrika. Dort wurde ich verhört. Die Polizisten mobbten und bedrohten mich. Sie wollten erreichen, dass ich »gestehen« würde, was sie hören und mir zur Last legen wollten: dass ich ein Journalist oder Spion sei, möglicherweise auch beides. Zeitweise schrien mich bis zu neun Verhörende gleichzeitig an. Ich fühlte mich allein, machtlos, der Willkür meiner Peiniger ausgeliefert. Das Schlimmste war, dass sie mir untersagten, meine Familie oder einen Anwalt anzurufen. Einer der Beamten schrie mich an: »Du wirst im Gefängnis verrotten!« Ein anderer drohte: »Wir können hier alles mit dir tun, wir können dich sogar schlagen«. Das waren keine leeren Worte, ich sah mehrfach, wie sie Gefangene schlugen. Trotz der Verhöre gab ich nicht zu, dass ich Fotojournalist war. Ich bestand darauf, dass ich zwar früher als Fotograf gearbeitet hätte, heute aber Lehrer sei, so wie ich es auf meinem Einreiseformular angegeben hatte. Ein Richter verurteilte mich schließlich zu einer Geldstrafe von 150 US-Dollar oder wahlweise 60 Tagen Gefängnis. Nicht weil ich gegen die Einreisebestimmungen verstoßen hatte, sondern weil ich an einem Ort fotografiert hatte, an dem das Fotografieren verboten war. Ich entschied mich natürlich für die Geldstrafe. Ich befand mich mit Hand- und Fußfesseln auf der Anklagebank und spürte die Erleichterung. Doch anstatt mich freizulassen, brachten mich die Sicherheitskräfte in das Gefängnis von

Überall unerwünscht. Betroffene einer Zwangsräumung haben sich in der Nähe der simbabwischen Stadt Bulawayo ein neues Zuhause aufgebaut. Landesweit wurden seit 2005 die Unterkünfte von rund 700.000 Menschen zerstört.

Beitbridge. Ohne dass ich es wusste, waren Beamte der Einwanderungsbehörde im Gerichtssaal gewesen und hatten einen Haftbefehl erlassen, der meine Abschiebung nach Neuseeland vorsah. Doch gebe es dafür »keinen Grund zur Eile«, wie sie meinem Anwalt mitteilten. Als sie mich in das Gefängnis von Beitbridge brachten, hatten ich jeden Mut verloren. Die Dunkelheit war bereits angebrochen, und mir wurde langsam klar, dass ich mich in einer entsetzlichen Lage befand. Die Zelle, in der ich die meiste Zeit verbringen sollte, war fünf mal zehn Meter groß und hatte Wände aus Beton. Darin schliefen 38 Männer, eingepfercht wie Sardinen in der Dose. Es roch nach altem Schweiß und Urin. Wir bekamen nur eine Decke, wenn wir Glück hatten zwei. In dieser Umgebung gingen die nicht enden wollenden Abende nahtlos in Nächte voll schrecklicher Alpträume und zähfeuchter Dunkelheit über. Jeden Nachmittag untersuchten wir unsere kostbaren Decken und töteten Läuse. Zu unserem Entsetzen gab es im Gefängnis von Beitbridge nur eine Toilette ohne Spülung für 250 Häftlinge. Es gab weder Toilettenpapier noch Seife. Die Wärter waren oft betrunken. Einige Wärter waren freundlich, andere waren Schlägertypen. Das Essen war voller Rüsselkäfer. Als ich einmal in der Vorratskammer war, sah ich, dass unser Essen aus einem Sack mit der Aufschrift »Tierfutter« stammte. Meine Zelle war für Ausländer, Jugendliche und ältere Männer: Cephas stammte aus Nigeria und war in Haft, weil er kein Visum für Simbabwe gehabt hatte. Ein Mann hatte seinen Pass verloren und verbüßte deswegen eine 30-tägige Gefängnisstrafe. Der 14-jährige Bright war hier eingeschlossen, weil er »die Grenze überquert« hatte. Der 15-jährige Lucky war mit seinem 81-jährigen Großvater wegen Viehdiebstahls eingesperrt. Ich fühlte eine seltsame Nähe zu meinen Mitgefangenen, hielt aber viele auf Abstand, weil ich befürchtete, dass sie von der Polizei auf mich angesetzt worden waren. Auch wenn ich in derselben

Situation war wie meine Mitgefangenen, so war mir doch klar, dass ich mich bei Weitem nicht in derselben extremen Notlage befand wie sie. So war ich einer der wenigen Gefangenen mit einer rechtlichen Vertretung. Die gemeinnützige Organisation »Zimbabwe Lawyers for Human Rights« hatte sich meiner angenommen und traf sich mit der Opfer der Repression. Die 84-jähri ge Alice trauert um ihren Sohn, der in den achtziger Jahren von den Spezialeinheiten Robert Mugabes umgebracht wurde. Der jüngste Höhepunkt der politischen Einwanderungsbehörde, um über Repression war 2008, als nach den Wahlen zahlreiche Anhänger der Oppositionspartei Movement for Democratic Change (MDC) verfolgt und getötet wurden. Süd-Matabeleland 2012. meinen Fall zu sprechen. Diese befürchtete, dass ich ein Spion sei und versuchte, mich für weitere Verhöre nach Harare zu verlegen. schönen Abschnitte auf diesem Weg, denn es rückt alles, was ich tungen. Ein Freund lief zwischen einem Supermarkt und dem Ich begann einen Plan für meine Verteidigung zu entwerfen. Gefängnis hin und her, um mich mit Essen zu versorgen. Nie habe, meine Freiheit, meine Familie, einen Beruf, der mich beIch würde bei der Argumentation bleiben, dass ich früher Fotohaben mir Dosenpfirsiche so gut geschmeckt. geistert, in die richtige Perspektive. graf gewesen war, seit zwei Jahren jedoch Fotografie unterrichteAm Tag meiner Freilassung, dem 10. Mai 2012, begleiteten Auf meiner Kamera sind bemerkenswerterweise immer noch te und deshalb wahrheitsgemäß Lehrer als Beruf in das Einreisemich Einwanderungsbeamte zum Flughafen. Ich ging zur Toilet- die Fotos von der Überquerung des Flusses und der Grenze. Ich formular eingetragen hatte. te und starrte mit großen Augen auf den grauen Bart, der mir kann mich aber noch nicht dazu überwinden, sie durchzusehen. Nach mehr als zwei Wochen im Gefängnis von Beitbridge gewachsen war. Die Anspannung ließ auch auf dem Weg zum Ich darf nicht mehr nach Simbabwe einreisen. Ich sitze da wurde ich in das Untersuchungsgefängnis von Harare verlegt. und denke an die Menschen, die ich kennenlernen konnte, und Flugzeug nicht nach. Sie hielt selbst dann noch an, als ich mich Sie weckten uns um fünf Uhr morgens und schoben zwölf von auf meinen Platz im Flugzeug setzte und die Einwanderungsbean das Leid, das ich gesehen habe. Ich denke an alle, die ich zuamten den Flugbegleitern meinen Pass gaben. Ich rechnete imrückgelassen habe, eingesperrt in derselben Zelle. Und ich denuns zusammen mit zwei Gefängniswärtern in den Laderaum eimer noch damit, dass man mich wieder aus dem Flugzeug herke an diejenigen, die in einem Land gefangen sind, das für viele nes Gefängnistransporters. Jeder von uns war mit Handschellen ausholen würde. Doch dann rollte das Flugzeug über die Startzu einem Gefängnis geworden ist. an einen Mitgefangenen gefesselt. Es war eng. Die nächsten bahn, nahm Fahrt auf und wurde immer schneller. Ich wagte zehn Stunden auf den holprigen Straßen waren eine Tortur. immer noch nicht zu glauben, dass ich das Land verlassen würIch spürte das Grauen im Nacken. Am Ende dieser Fahrt würRobin Hammond ist Jahrgang 1975. Er ist Träger von vier »Amnesty Interde mich entweder ein Verhör des gefürchteten Geheimdienstes de. Aber genau das geschah: Wir hoben ab, und die Schwere mei- national Human Rights Journalism Prizes«. Für die hier dokumentierte erwarten oder ich würde meiner Abschiebung einen Schritt nänes Körpers fiel von mir ab, als wir uns vom Boden lösten. Ich Recherchereise erhielt er ein Stipendium der Carmignac-Gestion-Stiftung. schloss meine Augen und hob beide Arme. Ich war frei. her rücken. Ich wusste es nicht. Heute fühle ich nichts als Dankbarkeit für die Erfahrungen, Eine Woche verging, bis ich schließlich abgeschoben werden Übersetzung: Mascha Rohner die ich als weltreisender Fotojournalist machen konnte. Ich bin sollte. Derweil rannte mein Anwalt zwischen dem Gefängnis dankbar für alles Gute und Schlechte, für die schroffen und und der Einwanderungsbehörde hin und her und traf VorbereiSiehe auch das Interview mit Beatrice Mtetwa auf Seite 56.

Lähmende Armut. Um überleben zu können, müssen diese Kinder Müll auf einer naheliegenden Deponie recyceln, Harare 2012.

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Die deutsche Fotografin Anja Niedringhaus ist seit mehr als zwanzig Jahren in Kriegsund Krisengebieten unterwegs. Ihre Fotos sind preisgekrönt und erscheinen in Tageszeitungen und Magazinen weltweit. Sie veröffentlicht sie jedoch nicht um jeden Preis. Der Respekt vor den Personen, die in ihrer Arbeit auftauchen, steht an erster Stelle.

Die Fotos wurden uns freundlicherweise von Anja Niedringhaus zur Verfügung gestellt. Copyright: Anja Niedringhaus / AP

»Ich schieße nicht, ich fotografiere«

Spiel oder Ernst? Ein Junge mit einer Plastikpistole während des Eid al-Fitr-Festes, das am Ende des Ramadan gefeiert wird. Afghanistan, Kabul, 2009.

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Drei Monate im Koma. Der US-Soldat Burness Britt und vier weitere Soldaten wurden von einem Sprengkörper schwer verletzt. Sangin, Afghanistan, Juni 2011.

»Es gab auch unangenehme Szenen.« Razzia amerikanischer Marineinfanteristen im Stadtteil Abu Ghraib in der irakischen Hauptstadt Bagdad, November 2004.

»Alle schrien.« Szene während einer Patrouille mit kanadischen Soldaten in Salavat, Afghanistan, September 2010. Sekunden später flogen Handgranaten über die Mauer.

In Syrien herrscht Bürgerkrieg. Haben Sie überlegt, hinzufahren und zu fotografieren? Ja, aber je länger ich darüber nachdenke, umso weniger interessiert bin ich, weil man vor Ort sehr schnell vor den falschen Karren gespannt wird. Ich bekomme kein offizielles Visum und bin damit illegal im Land. Dann müsste ich mich auf eine Gruppe konzentrieren, was in diesem Fall die Rebellen wären, die natürlich auch ihre eigene Agenda haben. Die andere Seite zu fotografieren, wäre interessanter, aber das geht nicht – auch weil ich für eine amerikanische Agentur arbeite. Außerdem finden in Syrien im Moment so heftige Kampfhandlungen statt, dass man sehr schnell in eine brenzlige Situation geraten kann. Sollte die Türkei beispielsweise die Grenzen schließen und ich müsste zurück, würde es schwierig. Die Entscheidung, ob ich einem Land bleibe oder nicht, will ich schon selbst treffen.

Was möchten Sie mit Ihrer Arbeit erreichen? Mich interessiert die humanitäre Situation. Ich fotografiere nicht dieses Bang-Bang. Wenn Zeitungen nur tote Körperteile zeigen, führt das zu einer Reaktion, die man nicht möchte. Man fühlt sich attackiert, blättert weiter und setzt sich dann nicht mehr mit dem Thema auseinander. Der Krieg hat viele Seiten, und man muss versuchen, den ganzen Kontext zu erzählen. Wie kann ich beispielsweise verständlich machen, dass in Afghanistan nicht nur wild gewordene Taliban herumlaufen? Das ist die Herausforderung. Man darf sich nicht von Erwartungshaltungen leiten lassen und ein Feindbild zeichnen, das aus westlicher Perspektive oft erwartet wird. Vor allem bei Afghanistan hat sich eine Art Müdigkeit eingestellt, obwohl dort noch Tausende Soldaten sind. Deswegen fahre ich regelmäßig hin, um immer wieder über die Situation zu informieren.

Trauen Sie den Fotos, die wir im Moment aus Syrien sehen? Die Fotos meiner Kollegen kenne ich und schätze sie. Die ersten Fotografen haben ihre Bilder zunächst ohne Namen veröffentlicht, weil die Situation so gefährlich ist. Es ist ein großer Sicherheitsaufwand in ein Krisengebiet zu fahren. Mit sogenannten »Citizen Journalists« habe ich aber ein Problem. Man nutzt das Material aus einer Art Hilflosigkeit heraus, weil man selbst nicht vor Ort sein kann. Doch nur weil man ein Smartphone hat, ist man noch lange kein Journalist. Diese Form der Berichterstattung hat ihre Berechtigung, aber wir sollten es nicht Journalismus nennen. Es gibt journalistische und ethische Standards, die man aus vielen Gründen einhalten sollte. Ich fühle mich immer wohler, wenn Kollegen vor Ort sind.

In Afghanistan oder im Irak haben Sie oft an sogenannten »Embeds« teilgenommen, also Soldaten bei Patrouillen begleitet. Wie muss man sich das vorstellen? Bei diesen Patrouillen bin ich zwar mit dem Militär unterwegs, aber meine Aufgabe ist es, zu dokumentieren und zu beobachten. Ich renne nicht mit den Soldaten in das Gebäude und stürme es. Es gibt ein Foto, das 2004 während einer Razzia in Abu Ghraib im Irak entstanden ist. Darauf sind auch Frauen und Kinder zu sehen, die eingeschüchtert wirken. Ich denke, dass sie in diesem Moment froh waren, mich zu sehen. Ich bin Zivilistin, eine Frau und Fotografin. Sollte etwas passieren, was nicht rechtens ist, würde ich es beobachten und dokumentieren. Dennoch gab es bei solchen Razzien auch unangenehme Szenen, wo nicht

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mehr angeklopft, sondern direkt die Tür eingetreten wurde. Damit habe ich ein Problem. Solche Vorfälle sorgen dafür, dass das Vertrauen verloren geht. Es hat auch sehr lange gebraucht, bis Soldaten verstanden haben, dass man in der Moschee die Schuhe auszieht. Und so was passiert immer noch, wenn man an die Koran-Verbrennung denkt.

ändert und nichts dazu getextet. Die Antwort war, dass diese Fotos im Moment etwas problematisch wären. Ich sollte dann aus dem »Embed« hinausgeworfen werden. Meine Agentur hat mich jedoch auf ganzer Linie unterstützt, und ich konnte schließlich weitermachen. Man ist ja als Fotograf im Krisengebiet nicht auf einer Werbetour.

Ein anderes Foto aus dem Jahr 2004 dokumentiert das Ende einer solchen Razzia. Zu sehen ist ein Gefangener mit einem Plastiksack über dem Kopf. Als dieses Foto entstand, war ich schon zwei Wochen mit der Truppe unterwegs. Die Razzia fand in der Zeit statt, als der Skandal im Gefängnis Abu Ghraib und die Foltervorwürfe publik wurden. Der verantwortliche General und das Pentagon waren bereits zurückgerudert und hatten auch dementiert, dass diese Sandsäcke weiterhin benutzt würden. Doch nun war ich vor Ort und sah, dass genau dies geschah. Ich habe mir mal so einen Sack übergestülpt – die sind so dicht, dass man kaum atmen kann. Ein Soldat sagte mir, dass dies jeden Tag gemacht würde und normal sei. Sie ließen mich das auch einfach so fotografieren. Nach der Veröffentlichung wurden die Fotos sehr schnell verbreitet, und das Pentagon hat umgehend davon erfahren. Dann gingen deren Alarmglocken an.

Was gehen Sie selbst mit diesen extremen Erfahrungen um? Ich versuche, so zu bleiben wie am ersten Tag, als ich meinen Fuß in ein Kriegsgebiet gesetzt habe. Meine Familie und meine Freunde sind mir sehr wichtig. Außerdem mache ich nicht nur Kriegs- und Krisenfotografie, sondern auch Sportfotografie. Den Ausgleich brauche ich, um sagen zu können: Das, was hier passiert, ist nicht normal. Ich glaube, ich bin über die letzten zwanzig Jahre sogar noch wesentlich empfindlicher und sensibler geworden. Auch die Kamera hilft, um Distanz zum Geschehen zu gewinnen und mich auf die Arbeit zu konzentrieren. Hätte ich nur Block und Stift, würde ich mich sehr viel angreifbarer fühlen. Ich habe sehr viel Achtung vor meinen schreibenden Kollegen, die das durchstehen müssen.

Wie haben die Behörden reagiert? Am gleichen Abend wurde ich quasi abgeführt und in die Zentrale der US-Marines gebracht. Dort sollte ich mich rechtfertigen. Ich habe dann gefragt: Was werft ihr mir vor? Ich habe genau das fotografiert, was ihr hier macht. Ich habe nichts ver-

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nicht, ob ich das kann oder vor Ort hysterisch werde. Ich habe versucht, unseren Chefredakteur zu überzeugen. Irgendwann hatte er keine Argumente mehr, und ich bin nach Sarajevo geflogen.

Ihre Karriere begann beim Göttinger Tageblatt. Als Sie 25 Jahre alt waren, wollten Sie dann unbedingt den Jugoslawienkrieg fotografieren. Wie kommt man auf so eine Idee? Zu dem Zeitpunkt hatte ich schon eine ganze Weile für die Zeitung gearbeitet. Ich hatte mich für Journalismus entschieden, und die Kamera war mein Handwerkszeug. Es war ein Krieg mitten in Europa, mir war relativ schnell klar, dass ich dahin muss. So etwas hatte ich bis dahin nie gesehen, und ich wusste selbst

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Haben Sie sich den Krieg so vorgestellt? Der Flughafen war direkt an der Frontlinie und wurde beschossen. Es war sehr schwierig, nach Sarajevo hinein und wieder herauszukommen. Auch Scharfschützen waren überall. Es gab Tausende von Flüchtlingen. Ich habe eine Mutter gesehen, deren Kind in ihren Armen verhungert ist, aber sie dachte, es schläft. Wir Journalisten haben versucht, zu helfen und über die Armee Sprit zu besorgen, den es in Sarajevo selbst gar nicht mehr gab. Später habe ich gemerkt, dass ich die Verletzten gar nicht fotografiert habe. Das ist kein Bild wert, zumindest nicht für mich. Deshalb hasse ich auch den Ausdruck »Fotos schießen.« Ich schieße nicht, ich fotografiere. Ohne Respekt für die Menschen, die ich fotografiere, könnte ich diesen Job nicht machen. Steckt man Menschen nicht ein weiteres Mal in die Opferrolle, wenn ihr Bild in der Zeitung erscheint? Das hängt von der Art ab, wie man fotografiert. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich den Personen etwas wegnehme. Oft merken sie auch, dass man nicht einfach nur ein Foto machen will und wieder geht. Ich spreche kein Arabisch, aber in vielen Fällen reicht der Augenkontakt. Oder wenn man mit dem Kopf nickt und signalisiert, ja oder nein. Ich bleibe dann an einem Ort und warte, bis ich vergessen werde und der normale Alltag weitergeht. Dazu braucht man allerdings Zeit und die sollte man investie-

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ren. Afghanen wollen sehr gern fotografiert werden – das war zumindest meine Erfahrung. Wie gehen Sie mit Fotos um, bei denen die Personen ihr Einverständnis nicht geben können? Grundsätzlich gilt, dass jeder das Recht am eigenen Bild hat. In Afghanistan saß ich bei Rettungsflügen im Hubschrauber, als verwundete Soldaten aus Kampfsituationen geholt wurden. Man wird mit sehr harten Sachen konfrontiert, wenn zum Beispiel ein Soldat ohne Beine aus dem Feld getragen wird. Es war auch sehr gefährlich, wir wurden selbst beschossen. Es gibt diese vorgedruckten Zettel der Armee, eine Art Einverständniserklärung. Aber in dieser Situation kam ich mir sowieso schändlich vor, ich wollte nicht Paparazzi spielen. Ich habe dann teilweise mitgeholfen, Hände gehalten. Fotografieren war dann nebensächlich. Einige Soldaten konnte ich später kontaktieren und die Fotos dann auch nutzen. Aber ich finde die Vorstellung schrecklich, dass meine Fotos schneller veröffentlicht würden als die Armee die Hinterbliebenen informieren kann. Einen dieser Soldaten haben Sie später in den USA besucht … Bei diesem Soldaten war ich mir nicht sicher, ob er es schaffen würde. Er wurde durch einen Sprengkörper verletzt. Seine Notoperation in Afghanistan habe ich noch miterlebt, dann wurde er ausgeflogen. Später habe ich herausgefunden, dass er in einem Krankenhaus in Richmond, Virgina war. Er hatte drei Monate im Koma gelegen. Durch einen Schlaganfall war sein Sprachzentrum beeinträchtigt. Am Telefon sagte er nur: »Please come.« Also flog ich hin, nicht als Fotografin, sondern als Zivilis-

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tin. Ich wollte wissen, wie es ihm geht. Er fragte nach Fotos und fiel mir dann in die Arme, als er sie gesehen hatte. Er sagte, ich hätte ihm etwas zurückgegeben. Da war dann plötzlich eine Verbindung zwischen uns, als würden wir uns schon seit zwanzig Jahren kennen. Sind Sie bei Ihren Einsätzen selbst einmal verletzt worden? Ja, bei einer Patrouille mit einer kanadischen Einheit in Kandahar, im Süden Afghanistans. Wir waren in diesem Dorf und die Atmosphäre war wunderschön, ich habe mich wohlgefühlt. Es war der letzte Tag eines hohen Feiertags, des Eid-Festes. Als wir zu unserem Camp aufbrachen, waren da diese Hühner. Sie wurden durch uns aufgescheucht, und im gleichen Moment warf jemand Handgranaten über die Mauer. Es gab eine riesige Staubwolke und alle schrien. Die Mauer bestand glücklicherweise aus Lehm, in dem die Splitter verschwanden. Ich habe an der Hüfte geblutet, spürte aber nur wenig – vermutlich durch das Adrenalin. Es war ein unwahrscheinliches Glück, dass die Granate keinen Knochen beschädigt hat. Ich wurde nach Deutschland ausgeflogen und operiert. Zwei große Splitter hat man entfernt, vier kleine sind drin geblieben. Manchmal spüre ich sie noch, aber sie rauszuholen würde mehr kaputt machen als helfen. Ich denke, sie haben sich inzwischen mit meinem Körper angefreundet. War das kein Anlass, mit der Kriegsfotografie aufzuhören? Überhaupt nicht. Es war extrem wichtig für mich, zurückzukommen. Mein Leben hätte sich sonst ziemlich stark verändert. Der Vorfall ist eine Warnung, aber er darf nicht immer präsent sein,

THEMA

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FOTOGRAFIE

weil man sonst seine Arbeit nicht mehr machen kann. Über die Jahre haben sich viele meiner Kollegen verletzt oder sind sogar gestorben. Jedes Mal, wenn so etwas passiert, fragt man sich natürlich: Ist es das wert? Das bleibt schon im Hinterkopf. Man muss jedoch versuchen, das ganz normale Leben zu bewahren, und sich sagen: Es gibt auch noch ein anderes Leben. Ich denke, dass ich mir über die Jahre eine gewisse Naivität behalten habe. Das ist ganz gut so. Wenn man abstumpft, sollte man etwas anderes machen. Der Bildband »At War« von Anja Niedringhaus ist 2011 beim Hatje Cantz Verlag erschienen. Fragen: Ralf Rebmann

Foto: Amnesty / Ralf Rebmann

»Die sind so dicht, dass man kaum atmen kann.« US-Soldaten bewachen einen irakischen Gefangenen. Bagdad, Irak, November 2004.

INTERVIEW ANJA NIEDRINGHAUS Anja Niedringhaus wurde 1965 in Höxter, Westfalen, geboren. Seit 2002 arbeitet sie für die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) und ist in Genf stationiert. Sie war bei vielen Konflikten auf dem Balkan sowie im Irak, in Afghanistan und Libyen im Einsatz. Anja Niedringhaus fotografiert außerdem sportliche und politische Ereignisse. 2005 erhielt sie gemeinsam mit weiteren Fotografen den Pulitzerpreis.

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Amnesty Journal – Amnesty International, D, Bronze Award


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Deutsche Ausgabe

Nummer 4

August/September/Oktober

2012

Eleganz hat viele Facetten

Zermatt  Von der Eleganz des verlorenen Tales / Bucherer Wie der König der Edelsteine zum Schmuckstück wird / Roger Federer Im Tennis hat Eleganz einen Schweizer Namen / Joschka Fischer Der erste grüne Minister Deutschlands ist nicht unumstritten, aber sicher ein Leader

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Eleganz

Eleganz

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Zeitlos

Die Modefotografie hat sich seit ihren Anfängen in den 1890 er-Jahren nicht nur als Werbemittel, sondern auch als Kunstform etabliert. Ausstellungen in renommierten Museen beweisen: Ins Bild gesetzte Mode ist zeitlos schön, ist elegant. Nicht zuletzt die von F. C. Gundlach fotografierte.

F. C. Gundlach bulletin 4/12 Credit Suisse

Credit Suisse bulletin 4/12

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Eleganz

entwirren. Und damit fängt Ziegler gleich mal an. Er ist Geometer, beschäftigt sich mit den Strukturen von Polyedern, also Vielflächern, deren Aufbau er auf die Schliche zu kommen versucht. «Ich bin auch Geometer, weil ich wunderschöne Strukturen in der Geometrie sehe. Das ist für mich visuell interessanter als beispielsweise stochastische Differenzialgleichungen, wo die Zahlen durch die Gegend zittern.» Er greift zum Bleistift, zeichnet ein Quadrat und zerteilt es in Dreiecke. Dann fragt Ziegler: «Ist es möglich, dieses Quadrat in eine ungerade Anzahl von Dreiecken gleicher Fläche zu zerlegen?» Tatsächlich sehe das recht leicht aus, meint Ziegler. «Aber man wird nach einigen Versuchen und Berechnungen feststellen, dass es ziemlich komplex ist und dass es nicht funktioniert. Es geht nur fast, aber eben nicht genau.» Als John Thomas und Fred Riechmann das Problem in den 1960 er-Jahren bekannt machten, kannte niemand eine Antwort. Bis ein gewisser Paul Monsky sich des Problems annahm und virtuos zeigte, warum sich ein Quadrat nicht in eine ungerade Anzahl von Dreiecken mit gleicher Fläche zerteilen lässt. 1970 veröffentlichte der US -Amerikaner den bis heute einzigen Beweis für dieses Rätsel.

Mathematiker streben in der Aufschlüsselung der gegenständlichen Welt nach Eleganz.

Elegante und wundersame Geistesblitze

T

hema an diesem sonnigen Morgen ist natürlich die mögliche Entdeckung des «Gottesteilchens». Physiker am Kernforschungszentrum Cern in Genf wollen das Higgs-Boson, das als letzter unbekannter Baustein der Materie gilt, beobachtet haben. «Eine grosse Sache, wenn dem wirklich so ist », sagt Günter M. Ziegler. «Auch für die Mathematik.» Der schlanke Mann mit dem jugendlichen Gesicht ist Professor am Institut für Mathematik an der Freien Universität Berlin, die im etwas abseits gelegenen Stadtteil Dahlem liegt. In der Wahrnehmung der Öffentlichkeit gilt die Königin der Wissenschaften ja häufig als abseitiges Fach, dessen Innenleben nur eingeweihten Freaks zugänglich scheint. Dabei ist die Mathematik so zentral für unsere moderne Welt wie kaum eine andere Wissenschaft. Ohne sie würde kein Internet, keine Wettervorhersage, kein Handy, kein Computer, kein Auto oder Flugzeug funktionieren. Und ohne die Rechenregeln des Adam Ries könnte niemand an der Supermarktkasse seine Einkäufe nachvollziehen. Die Mathematik leidet an einem schlechten Image. Das folgerichtige Denken, das auf unbestreitbare Resultate abzielt, scheint vielen nicht

Monsky konstruierte im Quadrat eine bunt eingefärbte Matrix. Die roten, blauen und grünen Punkte der Matrix benutzte er, um unterschiedliche Determinanten und Dreiecksflächen zu bestimmen und zu berechnen. «Mir war lange nicht klar, wie Monsky für diesen Beweis auf die Idee kam, Algebra, Zahlentheorie und das SpernerLemma, das eigentlich aus der Topologie stammt, miteinander zu verknüpfen. Ein Kollege hat es mir schliesslich erklärt. Aber dass Monsky diese verrückten Sachen miteinander kombiniert hat, um den Beweis auf vier Seiten erklären zu können, das ist einfach originell, überraschend, wunderschön, mit anderen Worten: elegant.» Mit eleganten Beweisen, Formeln, Sätzen oder Hilfssätzen, die Lemma genannt werden, gelangen Mathematiker in das mathematische Paradies, das ihnen Anerkennung und Unsterblichkeit verheisst. Monskys Beweis steht im «Buch der Beweise». Zusammen mit 39 anderen mathematischen Paradebeispielen für elegante und wundersame Geistesblitze. Das Buch beginnt mit dem Satz von Euklid, der besagt, dass es unendlich viele Primzahlen gibt, dessen Beweis aufgrund seiner Knappheit ein Paradebeispiel für mathematische Eleganz ist. Das Buch, für das man mindestens ein Grundstudium in Mathematik absolviert haben sollte, geht auf die Idee des Mathematikers Paul Erdo˝ s zurück. Der Ungar (1913 –1996 ) gehörte zu den Produktivsten und Kreativsten seines Fachs. Er unterhielt ein weltumspannendes Netzwerk mit Mathematikern, das ihm half, in seinem Leben über 1500 Veröffentlichungen zu verfassen. Ein einsamer Rekord. Erdo˝ s lebte für die Mathematik und er glaubte, dass Gott ein Buch mit den perfekten Beweisen aufbewahrte. Martin Aigner, Zieglers Vorgänger in Berlin, griff die Idee auf und erarbeitete das Buch mit Ziegler. Aber was ist nun Eleganz in der Mathematik ? Der Philosoph Aristoteles antwortete so: « Insbesondere die mathematischen Wissenschaften drücken Ordnung, Symmetrie und Beschränkung aus – und dies sind die höchsten Formen der Schönheit.» Eine Definition gebe es selbstverständlich nicht, sagt Ziegler. «Es gibt Arbeitshilfen. Und dazu gehört, dass ein Beweis präzise, kurz, überraschend und von einer bestimmten Leichtigkeit geprägt sein muss.» Zudem müsse das Studium des Beweises oder einer Formel neue Erkenntnisse bringen und das Tor zu neuen Ideen aufstossen. « 3 + 4 = 7 ist ja auch eine kurze Formel. Sie ist recht belanglos, weil

ganz geheuer zu sein, weil man dafür an Grenzen stossen und sie überschreiten muss. Mathematik in ihren grössten Momenten kann eine schöne Kunst sein. «Das entscheidende Kriterium ist Schönheit », urteilte der Grossmeister der Zahlentheorie Godfrey Harold Hardy (1877 –1947 ), «für hässliche Mathematik ist auf dieser Welt kein beständiger Platz.» Visuell interessante Vielflächer, zitternde Zahlen

Ziegler ist ein guter Botschafter seines Fachs. Er bemüht sich darum, die Mathematik zu popularisieren und so Nachwuchs zu gewinnen. Er hat das Buch «Darf ich Zahlen?» geschrieben, ein gelungener Versuch, die Mathematik durch ihre Protagonisten und durch Geschichten zu erzählen und ihre kulturgeschichtliche Bedeutung zu veranschaulichen. Von seinem hellen Büro aus blickt Ziegler, der mit 31 Jahren der jüngste Mathematikprofessor Deutschlands wurde und Träger des renommierten Leibniz-Preises ist, in den idyllischen Garten des Instituts: hohe Tannen, Birken. Ein guter Ort, um komplexe Gedanken zu entwickeln und mathematische Probleme zu

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Entscheidend sind Lockerheit und uneingeschränkte Konzentration auf den nächsten Stein. Für mich ist Curling ein sehr eleganter Sport. Die langsamen, äusserst kontrollierten Bewegungen, die zur richtigen Dosierung von Geschwindigkeit, Drehimpuls und Zielgenauigkeit führen; das ruhige Gleiten – Curlen – des Steins auf dem Eis, ja, das ist Eleganz pur. Und dazu die Stille, die knisternde Anspannung, die sich urplötzlich in einem scheinbar fieberhaften Wischen entlädt. Als Skip bin ich dankbar, dass das Fernsehen aufzeigen kann, wie viel taktische Überlegungen mitspielen, wenn wir eine Guard legen oder mit einem Nuller-End das Recht des letzten Steins behalten.

Auf der Suche nach einer möglichst eleganten Definition von Eleganz befragten wir fünf Exponenten verschiedener Berufe. Die Antworten sind interessant, die Umsetzung für den Duden bleibt schwierig.

Der Schauspieler

Das Model

Der Intendant

Beim Schach auf Eis kann ich meine ganze Erfahrung einbringen. Gleichzeitig bin ich mir immer bewusst, dass Curling ein Teamsport ist. Die wahre Eleganz beim Curling ist das perfekte Zusammenspiel von vier ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten. Meine Zauberformel für Eleganz lautet JCCM – Janine, Carmen, Carmen, Mirjam.» Mit zwölf Medaillen an grossen Titelkämpfen ist Mirjam Ott das erfolgreichste Mitglied von Swiss Curling aller Zeiten. Zusammen mit Janine Greiner, Carmen Küng und Carmen Schäfer gewann sie an den Weltmeisterschaften 2012 in Lethbridge zum ersten Mal nach 29 Jahren wieder Gold für die Schweiz. Mehr unter www.credit-suisse.com/bulletin.

Die Sportlerin

Dr. Dr. Gert Mittring: Rechnen mit dem Weltmeister: Mathematik und Gedächtnistraining für den Alltag. Fischer, 240 Seiten. Für Fortgeschrittene: Martin Aigner /Günter M. Ziegler: Das Buch der Beweise. Springer, 310 Seiten.

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«Eleganz ? Höchste Konzentration, keine unnötige Bewegung. Verletzungen vermeiden, also kein Blut vergiessen und das Hirngewebe schonen.» Die gesuchte, allgemeingültige Definition von Eleganz liefert auch der N eurochirurg nicht; eine jedoch, die ein ganzheitliches Therapiekonzept beschreibt. «Die zeitgemässe Hirnchirurgie», so Robert Reisch, «will vor allem eines: das beste Ergebnis auf die schonendste Weise erwirken. Dieses Ziel der minimalen Invasivität erreichen wir, indem wir über kleinste, schlüssellochartige Zugänge operieren – über die Nase etwa – und damit folgenschwere Verletzungen des Hirngewebes umgehen.» So behutsam eine solche Operation für den Patienten ist, sie stellt den Chirurgen vor Herausforderungen: Trotz winziger Schädelöffnung darf er die Kontrolle nicht verlieren. Modernste Techniken wie Endoskopie und Neuronavigation helfen ihm dabei. Dennoch bleibt die Hirnchirurgie ein präzises Handwerk. Das minutiöse Lenken der Instrumente, der ästhetische Umgang mit dem Gewebe – ja, es hat etwas mit Eleganz zu tun. «In der sauberen, chirurgischen Arbeit sehe ich durchaus einen künstlerischen Aspekt », meint Reisch. «Aber Vorsicht: Aus Eleganz kann schnell Eitelkeit und Arroganz werden, sollte ein Chirurg die nötige Bescheidenheit verlieren. Überheblichkeit zerstört die gesunde Selbst kontrolle, die jeder Arzt hat, damit er aus Fehlern lernen kann. Höchste Präzision und Ästhetik im Operationssaal, Demut im Umgang mit den Patienten und dem ärztlichen Beruf – das verspricht Erfolg und bedeutet für mich Eleganz.»

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Nadine Strittmatter

Andreas Homoki

«Eleganz hat man, oder man hat sie nicht », erklärt Nadine Strittmatter, das wohl bekannteste Schweizer Model, im Zürcher «Terrasse». Eine nicht ungefährliche Aussage für ein Aus hängeschild der eleganten Welt. Erklärung tut not.

Eleganz hat mit Leichtigkeit und Könnerschaft zu tun

«Eleganz bedeutet Leichtigkeit. Vielleicht verwechseln das manche mit Oberflächlichkeit. Eleganz im Künstlerischen heisst für mich nicht, dass etwas chic aussieht, sondern clever und unaufwändig sich vermittelt, dass es mit einer Leichtigkeit rüberkommt. Und diese Leichtigkeit in der Kunst ist sehr wichtig. Wenn in der Mathematik ein Beweis gut gelingt, spricht man von einer eleganten Beweisführung. Beim Fechten führt man eine elegante Klinge. Das hat etwas mit Könnerschaft zu tun. Und, ja, da fühle ich mich wohl. In Zürich kann ich viel Könnerschaft um mich vereinen. Ich hatte das grosse Glück, dass ich freie Hand hatte bei der Besetzung der Schlüsselpositionen. Der neue Generalmusikdirektor Fabio Luisi und ich haben schon mehrere Stücke gemeinsam gemacht. Er als Dirigent, ich als Regisseur – an der Bayerischen Staatsoper in Berlin oder an der Semperoper in Dresden. Es handelt sich also um eine Fortsetzung unserer gemeinsamen, bewährten Arbeit, diesmal am eigenen Haus. Auf dieses Näherzusammenrücken freue ich mich sehr. Und Christian Spuck ist derjenige, der dem Profil des Zürcher Balletts am ehesten entspricht. Ich bin gespannt, wie das Zürcher Publikum seine Produktionen annehmen wird. Sie sind für mich in jeder Hinsicht elegant.»

«Natürlich kann man mit erlesenen Kleidern und funkelndem Schmuck die Blicke auf sich lenken und Wirkung erzielen. Styling und Look können einer Person eine ganz andere Qualität verleihen. Aber letztlich sind das alles eben doch nur Hilfsmittel, die verstärken, was man bereits hat, wenn man am Morgen aufsteht, was man ist, wenn man seinen Beruf ausübt. Eleganz ist für mich ein ambivalenter Begriff. Es besteht die Gefahr der Oberflächlichkeit und der Auswechselbarkeit. Wer ele gant sein möchte, braucht nicht unbedingt ein dickes Portemonnaie, sondern gute Beratung. Wahre Eleganz hat für mich mit Ehrlichkeit zu tun. Ob ich selber elegant bin, kann und will ich nicht beurteilen. Aber ich bemühe mich um Stimmigkeit in meinem Leben, um stete Weiterentwicklung meiner Persönlichkeit. Beruflich nehme ich deshalb seit einigen Jahren Schauspielunterricht und stehe nun manchmal in Kurzfilmen vor und hinter der Kamera. Ich strebe Ernsthaftigkeit an und möchte mich auch für die Gesellschaft engagieren. Das alles hat für mich mit Eleganz zu tun, hilft mir, seit nunmehr 13 Jahren in unserem kurzlebigen Job dabei zu sein. Ich bin Botschafterin von myclimate und Solidarmed. Bei meinem Besuch in Moçambique habe ich Menschen in höchster Armut gesehen. Und doch haben sie eine mich tief beeindruckende Würde ausgestrahlt, einen Lebenswillen, eine Lebensfreude, die uns in Europa oftmals fehlt. Bei vielen dieser Menschen trifft der Begriff Eleganz haargenau zu.» Mehr über Nadine Strittmatters Besuch in Moçambique erfahren Sie unter www.credit-suisse.com/bulletin.

Fotos: Florian Kalotay | Gian Marco Castelberg

Mehr über minimalinvasive Neurochirurgie sowie Bilder finden Sie unter www.credit-suisse.com/bulletin.

Mehr über Robert Hunger-Bühler und das Schauspielhaus Zürich auf bulletin online. Dort verlosen wir auch drei persönlich signierte Bücher «Herzschlag – Zeit » von Robert Hunger-Bühler, erschienen in der Edition Howeg, Zürich, sowie Eintrittskarten des Schauspielhauses Zürich.

«Ich hoffe natürlich, dass Sarah Meier nach ihrem Rücktritt vom Leistungssport den Sommer endlich einmal richtig geniessen konnte», meint Curlingweltmeisterin Mirjam Ott lachend. «Aber, keine Bange, auch ich bade hin und wieder im Zürichsee, sehr gerne sogar, wenn nur das Wetter mitmacht. Damit wir aber im Oktober an den EM-Trials in Biel in Form sind, trainieren wir auch im Sommer vier- bis fünfmal pro Woche. Einige Zeit beanspruchte zudem die Suche nach zusätzlichen Sponsoren und vor allem nach einem Arbeitgeber, der auf die sportlichen Ambitionen einer Betriebswirtschafterin Rücksicht nimmt. Hat das mit Eleganz zu tun? Indirekt vielleicht schon. Sähe man einer Sportlerin beim Curlingwettkampf an, wie viel Schweiss und wie viel Energie sie aufwenden muss, um hierher zu gelangen, wäre es vorbei mit der Eleganz – und auch mit dem Erfolg.

Der Arzt

Eleganz

Christoph Marthaler holte Robert HungerBühler 2001 aus Berlin in die Schweiz zurück. Seither ist der 59-jährige Aarauer eine feste Grösse im Ensemble des Schauspielhauses Zürich. Bekannt wurde Hunger-Bühler auch durch Kino- und Fernsehfilme.

Was macht die eleganteste Wintersportlerin der Schweiz im Sommer ?

Literaturhinweise:

Robert Reisch

Ich komme vom Sport. Alle Herausforderungen, alle Überschreitungen habe ich im Fussball erfahren. In der Provinz konnte man die Selbstbestätigung und die Bestätigung durch die Gesellschaft vorwiegend durch den Sport erfahren. Ich war Linksaussen beim FC Aarau und in der Aargauer Auswahl und habe dann aufgehört zugunsten der Schauspielerei. Aber eigentlich bin ich noch heute ein klassischer Linksaussen. Auf der Bühne versuchen wir, Das Wort Eleganz hat sicher den Umweg über Frankreich eine Welt über die Sprache des Theaters sichtbar zu zu uns genommen. L’Elégance. Denken wir nur an Walter machen, haben dabei teilweise mit ellenlangen Sätzen Benjamin! Bei ihm gibt es den Flaneur, den Parvenü, der zu tun, die können zwar durchaus elegant sein, aber es nicht unbedingt so viel Geld hat. Der Angezogene vielmehr, ist manchmal doch hart und ermüdend, immer wieder der Sich-Verkleidende. Und das geht hin bis zum Stenz, diese langen Pässe zu spielen. Da ist es für mich wie eine der nichts tut und am Nachmittag in der Kronenhalle sitzt. hygienische Gegenreaktion, in der so genannten Freizeit Es geht um eine gewisse Lebenshaltung, es geht um Ge- dem perfekten Kurzpassspiel zu huldigen, Haikus – japanerosität. Eleganz ist nicht verkrampft. Ein verkrampfter nische Dreizeiler – zu schreiben, alles Unnötige wegzuMensch, der bringt es zu nichts. Eine verkrampfte Bewe- meisseln, um zu einem eleganten Purismus zu kommen. gung, ein verkrampfter Ausdruck führt nie zum Ziel. Wenn Klarheit, Purismus ist eigentlich auch Eleganz. wir verkrampft sind auf der Bühne, fällt uns der Text nicht mehr ein, sind wir unsicher, können wir das Ganze nicht Am Schauspielhaus Zürich arbeite ich gerade am «Baumeister Solness» von Ibsen – Ibsen ist ein absoluter Meister mehr überschauen, die Sinne funktionieren nicht mehr. der Eleganz des Suspense, im Aufbau eines Stücks und Mein höchster Antrieb, Schauspieler zu sein, ist der Man- in der Erzeugung von Spannung bis zum Schluss. Baugel an «Sein». Das ist fast schizophren, aber das, was das meister Solness ist ein Meisterstück der Eleganz.

Mirjam Ott

Günter M. Ziegler: Darf ich Zahlen? Geschichten aus der Mathematik. Piper, 272 Seiten. Wir verlosen fünf Exemplare des Buchs unter www.credit-suisse.com/bulletin.

Robert Hunger-Bühler

Leben mir letztlich nicht geben kann, kann ich auf der Bühne oder in einem Film in eine Form zu bringen versuchen. Das kann wirklich sehr elegant sein. Es gelingt uns, einen unbezifferbaren Mehrwert für die Menschen zu bringen, etwas, was nicht an der Börse gehandelt wird. Um das zu erreichen, darf man sich aber nicht im Epizentrum der Gesellschaft aufhalten. Es braucht den Blick vom Rand.

Eleganz

Die mathematische Schönheit hat viele Gesichter und Facetten. Für eine andere, nicht weniger bemerkenswerte Facette steht Gert Mittring. Der Bonner hält mehrere Weltrekorde im Kopfrechnen. Mittring entschlüsselte die Welt bereits als Dreijähriger mathematisch und vereinfachte Rechenwege. « Für mich habe ich es als Dreijähriger als elegant empfunden, weil ich mir Mengen und Relationen leicht erschliessen konnte. Im Supermarkt habe ich als Kind so Sachen wie 79 Pfennige plus 1,19 Mark plus 1, 49 Mark so gerechnet: 80 plus 1, 20 plus 1, 50 gleich 3 , 50 und weniger 3 gleich 3 , 47.» Heute bewegt sich Mittring im Kopfrechnen in anderen Sphären. Seinen ersten Weltrekord stellte er auf, als er die 13 . Wurzel aus einer hundertstelligen Zahl in 13 , 3 Sekunden im Kopf berechnete. Das ist High-End-Kopfrechnen und für Normalsterbliche schwer nachzuvollziehen. Kurz gesagt sucht Mittring nach Rechenvereinfachungen und Möglichkeiten, komplexe Rechenschritte zusammenzufassen, Regelhaftigkeiten im Zahlenmaterial zu finden, die ihn schrittweise noch schneller zur Lösung bringen. «Sehr viel Rechenzeit verwende ich darauf, möglichst elegante Lösungswege zu finden, die mir ein Aha- Erlebnis vermitteln. Für mich muss ein Erkenntnisgewinn am Ende einer Rechnung stehen.» Mittring engagiert sich in der Hochbegabtenförderung und hält Vorträge über seine Techniken im Kopfrechnen, das er für eine essenzielle Fertigkeit hält, damit eine Gesellschaft eine gewisse Mündigkeit im Umgang mit dem Rechnen beibehalten kann. Aber zurück zu Ziegler, der in seinem Büro vor dem Bildschirm seines Computers steht. Ziegler hält auch Vorträge über die Verbindung von Mathematik und Kunst. Darin lernt man unter anderem, dass sich der Maler Albrecht Dürer (1471–1528 ) auch mit den mathematischen Grundlagen der Geometrie und der Perspektive beschäftigte, die er für seine revolutionäre dreidimensionale Malerei brauchte. Oder man bestaunt die Seifenblasenbilder des Mathematikers John Sullivan. «Dieses Bild habe ich zu Hause an der Wand hängen», sagt Ziegler und zeigt auf ein blaues Bild, auf dem eine symmetrische Abfolge von Formeln und Gleichungen, die mit Pfeilen untereinander verbunden sind, zu sehen ist. Das Bild stammt vom französischen Künstler Bernar Venet. « Es ist ein schönes Bild», sagt Ziegler. Und auch wenn man keine Ahnung davon hat, was das für Formeln auf dem Bild sind, kann man ihm nicht widersprechen. Ingo Petz

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Eleganz – eine Definition in fünf spontanen Feststellungen

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Die Welt mathematisch entschlüsseln

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Hochdeutsch ist mein ständiger Arbeitsbegleiter. Darum kann ich in Hochdeutsch präziser denken. Aber ich würde deswegen nicht sagen, Hochdeutsch sei eine elegante Sprache und Schweizerdeutsch sei ein minderwertiges Idiom. Höre ich innerlich das Wort Eleganz, dann hat es etwas Geschliffenes, Edles, Glattes und ist das Gegenteil von plump. Doch sieht man ein bisschen dahinter, hat Eleganz auch etwas Verborgenes, Unbeobachtetes, etwas Rohes. Auf den zweiten Blick ist also auch das Schweizerdeutsche mit seinen unglaublichen Kürzeln, mit seinem Sprachduktus etwas unheimlich Elegantes. Man nehme nur einmal die Formulierung «Chasch nüüt säge!». Das kann man nicht mit «Kannst nichts sagen!» übersetzen. In diesem einzigen Sprachkürzel wird eine ganze Haltung, wird ein grosses Kompliment ausgedrückt.

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sie zu nichts führt.» Eleganz könne man keinesfalls erzwingen, sagt Ziegler. Sie komme oder sie komme nicht. Und das mache die Mathematik zur Kunst. Aigner, der sich in vielen Schriften mit der mathematischen Eleganz beschäftigte, kam zur Schlussfolgerung: «Über Schönheit und Eleganz von mathematischen Formeln, Sätzen und insbesondere Beweisen gibt es keinen Disput, da sind sich alle Mathematiker einig.»

Foto: Maurice Haas

Auf ins Paradies!

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Alle Texte Claudia Hager/Andreas Schiendorfer

Fotos: Maurice Haas | © T+T Fotografie, Toni Suter + Tanja Dorendorf

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Andreas Homoki ist seit der Spielzeit 2012 /2013 Intendant des Opernhauses Zürich. Zuvor war er während zehn Jahren an der Komischen Oper in Berlin tätig. Sein Debüt als Regisseur gibt er im Dezember 2012 mit «Der fliegende Holländer» von Richard Wagner. Die musikalische Leitung hat Alain Altinoglu inne. Die Titelrolle interpretiert Bryn Terfel. Lesen Sie ein ausführliches Interview mit Andreas Homoki auf www.credit-suisse.com/bulletin.

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Im Glanz der guten alten Zeit

Foto: Claudius Holzmann

Jedes Jahr im September zelebriert das Goodwood Revival stilecht den vergangenen Glanz und Ruhm der 1940er- bis 1960er-Jahre; eine Zeit, in der die besten Fahrer der damaligen Welt gegeneinander um Trophäen kämpften.

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Eleganz

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ie Goodwood-Rennstrecke ist drei Tage lang Schauplatz für Autorennen voller Leidenschaft, wo Räder blockieren und Autos seitwärts durch die Kurven schlittern; ein Auto ist wertvoller als das andere, alle werden sie beobachtet vom Publikum, das sich auf den Tribünen entlang der Strecke eingerichtet hat. Doch das sind nicht irgendwelche Tribünen, sie wurden extra gebaut, um die Epoche wieder aufleben zu lassen. Die Organisatoren haben keine Mühe gescheut, um an die Reklamewände aus jener Zeit zu kommen, die nun Tribünen und Rennstrecke säumen. Süsswarenläden, auch sie ausgestattet mit Originalzubehör, verkaufen Schleckzeug im Originalpapier aus den 50 ern und 60 ern an Klein und Gross. Auf dem Revival-Markt finden sich Läden wie anno dazumal, etwa Spielzeugläden, die Sammlerstücke verkaufen. Eine wahre Fundgrube, perfekt präsentiert bis ins letzte Epochendetail. Auf die jüngeren Fans wartet sogar ein Jahrmarkt aus den 1950 ern, komplett mit einer Riesenrutsche und einem Karussell, bestückt mit authentischen Austin J40 Pedalautos. Goodwood gibt alles, um die Atmosphäre vergangener Tage heraufzubeschwören, bis hin zu den Kleidern. Nimmt man am Revival teil, muss man sich natürlich dem Geist des Anlasses gemäss kleiden. Da werden Kostümläden rund um den Globus durchforstet, um an das Beste aus den 40 ern, 50 ern und 60 ern zu kommen, vom Mechanikeroverall zu den Mädchenkleidern aus der Ära des Rock ’n’ Roll; für die Teddy Boys gibt es Brillantinefrisuren und Creepers-Schuhe. Neben dem Jungvolk gibt es auch die «Aristos», Damen in Hermelin und Perlen, und wenn das britische Wetter es zulässt, sogar in Seidenkleidern, die sie aus Grossmutters Schrank hervorgekramt haben; dazu gehören Nahtstrümpfe, Originalschuhe und -accessoires. Babys werden in Kinderwagen aus jener Zeit spazieren gefahren. Das ist natürlich noch nicht alles. Jede Lady hat einen bestimmten Look, den sie bis ins kleinste Detail umsetzt; da wird viel Zeit für die Frisur verwendet, elegante Chignons werden geschlungen und es wird gestylt, bis jedes Haar am richtigen Platz liegt. Make -up ist

Die Ladys pflegen ihren Look bis ins kleinste Detail, bei den Herren schwingt sich auch das letzte Schnauzhaar kühn empor. Die wahren Stars des Goodwood Revival aber haben vier Räder; ihre liebevoll auf Hochglanz polierten Kurven ziehen Nostalgiker aus aller Welt an.

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ein wichtiger Teil der Vorbereitung, dazu gehören rote Lippen ebenso wie kühn geschwungene und nachgezogene Augenbrauen. Männer mixen Tweedanzüge und Trilbyhüte mit Militärkleidung und Fliegerjacken nach alter Väter Sitte; ein imposanter Schnurrbart darf nicht fehlen. Beim Revival geht es gleichermassen um Mode, Stil, Autorennen und Fliegen. Habe ich erwähnt, dass man sogar per Flugzeug anreisen kann? Der Freddie March Spirit of Aviation ist ein Concours d’élégance für Flugzeuge, die vor 1966 gebaut wurden. Einen seltenen Anblick bieten 25 Flugzeuge aus den Pioniertagen der Luftfahrt – so erlesen und schön anzuschauen, dass der eine oder andere wohl feuchte Augen bekommt. Nur schon der Gedanke, dass sie alle noch flugtüchtig sind und man sie von so Nahem betrachten kann, hat etwas für sich. Autos, die aus der Zeit vor 1966 stammen, deren Besitzer sie aber nicht für ein Rennen angemeldet haben, können auf einem speziellen Parkplatz bestaunt werden – hier ein wenig herumzuschlendern, ist ein absolutes Muss. Was gibt es da nicht alles zu sehen: Austin 7, Blower Bentleys, Morris Minors, Rolls-Royce Phantoms, Ferrari 250 California Spyders und den einen oder anderen Jaguar XKSS. Das ist eine veritable Autoshow. Am Samstagabend findet der Goodwood Revival Ball, einer der glamourösesten Anlässe des Jahrs, in einem grossen Festzelt statt. Gäste fahren in ihren Bentleys und anderen fantastischen Autos vor und entsteigen ihren Gefährten in Abendgarderobe, um Champagner nippend die Spitfire -Darbietung am Himmel zu beobachten. Ein einzigartiger Anlass – die Luft ist getränkt mit Nostalgie. Es erstaunt kaum, dass Leute aus der ganzen Welt hierher kommen, um den Zauber des Revivals selbst zu erleben. Bei der Abreise bin ich jedes Jahr voller unterschiedlicher Emotionen, aber immer wünsche ich mir, zu jener Zeit gelebt zu haben, als die Leute sich solche Mühe gaben, nicht nur mit der Kleidung, sondern auch mit simplen Gesten. Sie lebten ihr Leben in einem gemächlicheren Rhythmus. Das einmal im Jahr zu erleben, ist wirklich wunderbar. Victoria Macmillan Bell

Die Eleganz des verlorenen Tales Viele Geschichten ranken sich um das Horn aus Afrika und sein Dorf auf der Matte im Quellgebiet. Wir erzählen nur eine weitere, die folgende.

Fotos: Claudius Holzmann | zvg

Das diesjährige Goodwood Revival findet vom 14. bis 16. September 2012 statt. Die Credit Suisse unterstützt den Anlass seit 2009 als SponsoringPartner. Mehr Informationen unter www.goodwood.co.uk

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«Das Matterhorn zog mich einfach durch seine Grossartigkeit an. So fasste ich den Entschluss, es so lange zu belagern, bis es oder ich besiegt sei.» Edward Whymper

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ie Seifensiederei in Sion läuft mehr schlecht als recht, aber gerade darum gibt es viel zu tun. Fast drei Jahre lässt sich Alexander Seiler Zeit, bis er 1850 der Aufforderung seines Bruders Josef doch noch nachkommt und ihn, den Vikar, besucht. Besucht in diesem gottverlassenen Nest, zuhinterst in diesem einfach nicht enden wollenden Tal, zuoberst eines steil und steiler ansteigenden Maultierpfads. Die Anreise ist nichts anderes als eine Tortur. Was für eine absurde Idee, noch höher, auf 2757 Metern, ein Gasthaus eröffnen zu wollen ! Doch das Horn – ds Horu, wie die Zermatter sagen – zieht Alexander Seiler vom ersten Moment an in seinen Bann. Lässt ihn nicht mehr los. Bald schon kauft er die einzige Herberge im Dorf, baut sie zum Hotel Monte Rosa aus und pachtet auch das inzwischen gebaute Berggasthaus auf dem Riffelberg. Seiler bringt die Badewanne 1000 Meter nach oben und hat, 40 Jahre später, seine Schuldigkeit getan: Der allererste tal­ fahrende Zug bringt 1891 seine sterbliche Hülle nach Brig. Mit der Erschliessung des Nikolaitals durch die Eisenbahn erfährt sich nun der Tourismus in Zermatt eine völlig neue Dimension. Das geht ohne Alexander, jedoch nicht ohne die Seilers, bis heute nicht.

Sportliches Zermatt: Neben dem Bergsteigen und Wandern wird auch Tennis gespielt. Unsere Aufnahme stammt aus den 1930er-Jahren vom Platz zwischen den Hotels Monte Rosa und Zermatterhof. Die Anfänge des Wintertourismus gehen ins Jahr 1927 zurück: An Silvester führt Hermann Seiler 180 Engländer mit 50 Pferdeschlitten von St. Niklaus nach Zermatt.

Foto: Muster Mustermann | Muster Mustermann

Die Briten entdecken die Alpen: Exotik in nächster Nähe

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Fotos: zvg Zermatt Tourismus

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Victoria Macmillan Bell ist eine führende Lifestyle- und Motorsport-Journalistin und Radiomoderatorin in Grossbritannien. Sie liefert regelmässig Beiträge für verschiedene Print- und Online -Medien, darunter «The Daily Telegraph», sowie für BBC Radio. Als Lifestyle -Journalistin schreibt sie unter anderem für «Conde Nast Traveller ». Sie lebt in der Nähe von Goodwood, wo es sie seit ihrer Kindheit immer wieder hingezogen hat.

Die Gentlemen von der Insel sind es, die der alpinen Berg­ und Glet­ scherwelt Eleganz verleihen. Die Beherrscher der Weltmeere be­ trachten die Berge nicht wie die Einheimischen als dunkle Bedrohung und beschwerliches Hindernis beim Kontakt mit den Nachbarn. Sie begegnen ihnen mit Sportsgeist und Abenteuerlust. Berge sind da­ zu da, bestiegen zu werden. Und sie danken es mit einmaliger Fern­ sicht. Die Gipfelstürmerei wird zur britischen Sucht, nicht nur, aber vor allem in Zermatt, denn nirgendwo sonst warten so viele Vier­ tausender auf ihre Eroberung. 1813 beugt sich das Breithorn, 1855 die Dufourspitze, 1858 der Dom, mit 4545 Metern der höchste ganz auf Schweizer Gebiet gelegene Berg. Das Matterhorn hingegen wehrt sich noch. So bleibt Zeit, kurz zum Landesgipfel zurückzukeh­

ren. Der höchste Punkt der Schweiz wird sinnigerweise am 1. August erstmals bestiegen. Allerdings: Erst 1891 wird dieser Tag zum Schwei­ zer Nationalfeiertag erklärt, und der Berg heisst bis 1865 schlicht Gornerhorn. Zur Gruppe der Bergführer Johannes und Matthäus Zumtaugwald gehören auch die Geistlichen Charles Hudson und Christopher Smyth. Sie sind, wie viele Engländer, Stammgäste in Zermatt. Einmal notiert Reverend Smyth: «Beim Schreiben in der Stube des Hotels Monte Rosa ist mir die Tinte eingefroren.» Wie leicht und elegant sich das liest, heute, in der warmen Badewanne. An der Spitze der Schweizer Tourismusdestinationen

Zermatt befindet sich an der Spitze der Schweizer Tourismusorte. Für seine Tourismusstudie hat das Economic Research der Credit Suisse einen Angebotsindikator entwickelt, bei dem Zermatt vor St. Moritz, Davos, Verbier, Crans­Montana, Celerina und Gstaad führt. Beim Nach frageindikator hingegen folgen auf Zermatt als weitere Top­ destinationen St. Moritz, Gstaad, Engelberg, Grindelwald, Sils im Engadin, Villars und Pontresina. Die sagenhafte Entwicklung der Logiernächte von 8800 (1856 ) über 86 000 (1895 ) auf nunmehr über 2 Millionen setzt allerdings nicht zwingend Eleganz voraus, und der auch in Zermatt immer wieder geäusserte Wunsch nach mehr Events muss sogar als Gefahr angesehen werden. Indes: Von nichts kommt nichts. Heute profitiert Zermatt davon, dass es sich, am Ende des verlorenen Tales, von dem der Lokalschriftsteller Hannes Taug­ walder einfühlsam berichtet, nur langsam entwickelt und deshalb seine dörflichen Strukturen bewahren kann. Insbesondere der Win­ tertourismus will einfach nicht Einzug halten, bis sich vor 75 Jahren Hermann Seiler zum Alleingang entschliesst. Er überredet 180 eng­ lische Sommerstammgäste, Silvester bei ihm in Zermatt zu verbrin­ gen. Im ganzen Tal sucht er Pferdeschlitten zusammen und holt seine vornehmen Gäste in St. Niklaus ab. Der Erfolg gibt ihm recht. Die Dorfmusik spielt, und im Folgejahr nimmt die Bahn den Winter betrieb auf. Bereits 1944 kommen mehr Gäste im Winter als im Sommer. > Credit Suisse bulletin 4/12

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Corporate Responsibility

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Corporate Responsibility Camfed International ist als wohltaetige Organisation anerkannt, eingetragen in Grossbritannien unter der Nummer 1029161, und in den USA offiziell als Stiftung mit steuerbefreiendem Status 501 (c)(3) registriert.

eine Arbeitsgruppe zur Formulierung eines gemeinsamen Ansatzes der Entscheidungsfindung, der die Berücksichtigung von natürlichem Kapital bei den Diskussionen vorsieht. Mangels übergreifender multilateraler Verpflichtungen stellt sich die Frage, wie es für den Unternehmenssektor weitergehen soll.

Kann die Wirtschaft die Richtung weisen?

ngesichts der massiven Kritik machte es den Anschein, als ob Rio+20 von vornherein zum Scheitern verurteilt sei. Der ursprüngliche Erdgipfel hatte zu bedeutenden Abkommen geführt, darunter die UNO -Klimarahmenkonvention, ein Vertrag zur Absenkung der Treibhausgasemissionen und Kontrolle der Risiken des Klimawandels, sowie die Biodiversitätskonvention. Demgegenüber waren die Erwartungen hinsichtlich internationaler Verpflichtungen beim Rio+20 von Anfang an gering. Eine verpasste Chance?

Überschattet wurden die Beratungen von der prekären Situation der europäischen bulletin 4/12 Credit Suisse

Wirtschaft; zudem glänzten einige führende Staats- und Regierungschefs durch Abwesenheit. Ergebnis des am 22 . Juni zu Ende gegangenen Gipfels war ein umfangreiches Dokument, das jedoch wenig mehr als einen Appell für etwas Umfassenderes enthielt. Das Dokument mit dem Titel «Die Zukunft, die wir wollen» enttäuschte Umweltschützer, zivilgesellschaftliche Gruppen und Wirtschaftsführer. Der bereits vor Ankunft der Staatschefs beschlossene Kompromisstext wurde von vielen Seiten als verwässert und unzulänglich bezeichnet und für den Mangel an Verantwortung, Dringlichkeit und Engagement kritisiert. Trotz der Enttäuschung über die Unfähigkeit der Politik, entschlos-

muss». An einer viel beachteten Begleitver- eigenen Bemühungen um eine nachhaltige- Credit Suisse einen Bericht unter dem Titel anstaltung, dem Business Action for Sustai- re Geschäftstätigkeit unterstützen. Ausser- «Sustainability Outlook on Rio+20 – Expected nable Development Business Day, der ge- dem möchten wir klar zum Ausdruck bringen, Impacts on the Economic System». Darin meinsam vom World Business Council on dass wir uns vertieft mit Nachhaltigkeitsfra- beleuchten die Organisatoren von Rio+20 Sustainable Development ( WBCSD) und der gen befassen, dass wir uns um die mögli- sieben wichtige Themen, darunter nachhalInternationalen Handelskammer ausgerichtet chen Auswirkungen unseres Handelns sor- tige Wasserversorgung, Ernährungssicherwurde, kamen 1000 Unternehmensvertreter gen und dass wir nach Möglichkeiten suchen, heit, Landwirtschaft und Ozeane. Der Beund 200 CEO s zusammen, um Nachhaltig- unsere Geschäftspraktiken zu verbessern.» richt zeigt das Wachstumspotenzial in diesen keitslösungen für globale Herausforderungen Im Vorfeld von Rio+20 veröffentlichte die Bereichen auf und vermittelt Einblicke in > zu definieren, die von der Landwirtschaft bis zu neuen regulatorischen Rahmenwerken zur Förderung einer ökologischen Wirtschaft reiFür die Credit Suisse ist die Berücksichtigung ökologischer chen. Laut WBCSD -Präsident Peter Bakker bleibt für eine nachhaltige Zukunft nur noch und sozialer Überlegungen seit über zehn Jahren ein wichtiger die Möglichkeit, dass sich der UnternehAspekt des Geschäfts. Unser nach ISO 14001 zertifiziertes menssektor engagiert. Die bedeutendere Umweltmanagementsystem hilft uns, Ressourcen unterRolle, die der Wirtschaft am Rio+20 zukam, nehmensweit effizienter zu nutzen, die Umweltbelastung durch war weit entfernt von jener am ursprüngliunsere Aktivitäten zu reduzieren und unsere Treibhausgaschen Erdgipfel, als private Unternehmen emissionen zu senken. noch ein Mauerblümchendasein fristeten. Unsere Green Business Initiative führt Fachleute aus der «Wie für die meisten Akteure auf dem Gebiet gesamten Bank zusammen, um Produkte und Dienstleistungen der Corporate Sustainability war es auch für im Bereich erneuerbare Energie und Cleantech zu fördern, die Credit Suisse aus verschiedenen Gründen und unser interner Risikoprüfungsprozess durchleuchtet routinewichtig, in Rio dabei zu sein», betont John mässig Transaktionen mit Kunden, die nach unseren Weisungen Tobin. «Viele Unternehmen waren vor Ort, und Richtlinien für sensitive Branchen ökologische oder soziale die wir in unterschiedlicher Weise in ihren Risiken bergen könnten. Credit Suisse bulletin 4/12

die möglichen langfristigen Folgen des Gip- dere Anspruchsgruppen werden das wahrfels für allgemeine Marktentwicklungen. Er nehmen. Ein gesunder Planet ist Voraussetuntersucht wahrscheinliche Szenarien für die zung für eine langfristig gesunde Wirtschaft », Finanzierung von Massnahmen zur nach- so John Tobin. haltigen Entwicklung und neuere unkonvenDie von der Weltbankgruppe lancierte glotionelle Finanzierungsmodelle wie Impact bale Initiative 50 : 50 soll mindestens 50 InsInvesting. Gleichzeitig weist er darauf hin, titutionen des öffentlichen und des privaten dass jegliche Bemühungen bezüglich der Sektors zusammenbringen. Diese Koalition, Finanzierung mit der Erholung der Weltwirt- der auch die Credit Suisse angehört, umfasst schaft abgestimmt sein müssen. Unternehmen ergreifen Initiative

Weiter unterstützte die Credit Suisse am Rio+20 den Private Sector Communiqué on Natural Capital, einer Initiative, die sich dafür einsetzt, die Bewertung von natürlichem Kapital bei Planungen und Entscheiden von Unternehmen zu verbessern. «Negative Auswirkungen auf die Ressourcen der Erde – wie Böden, Wälder, Luft und Wasser und die von diesen erbrachten Umweltleistungen – haben nicht nur ökologische und soziale Implikationen, sondern werden sich mit grosser Wahrscheinlichkeit auch auf die Weltwirtschaft auswirken. Und unsere Aktionäre, Kunden, Mitarbeitenden sowie an-

01 Von links nach rechts: UNO -Generalsekretär Ban Ki Moon, die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff, der Präsident der UNO Generalversammlung, Nassir Abdulaziz Al-Nasser, und Sha Zukang, General sekretär der Konferenz, an der Abschlussfeier. 02 Riesige Fische aus Plastikflaschen am Strand von Botafogo.

Wenn sich aus Rio eine Lehre ziehen lässt, dann die, dass ein Top-down-Ansatz nicht immer die geeigneten Antworten liefert. Der Lauf der Geschichte hat sich seit 1992 deutlich gewandelt: Rund 300 Millionen Hektaren Wald wurden abgeholzt, und die weltweiten Kohlenstoffemissionen stiegen um schätzungsweise 48 Prozent. Die Menschheit nähert sich den Grenzen der ökologischen Tragfähigkeit. Globale Gipfeltreffen zur Umweltpolitik blieben stets hinter den Erwartungen zurück. Angesichts einer Weltbevölkerung, die bis 2050 auf neun Milliarden anwachsen dürfte, während Finanzkrisen und geschädigte Ökosysteme ihren Tribut fordern, war noch nie deutlicher, dass «business as usual» keine Option mehr ist. Das Vermächtnis von Rio+20 könnte darin bestehen, dass eine Ära eingeläutet wurde, in der internationale Erklärungen und auf höchster Ebene abgeschlossene Abkommen der Vergangenheit angehören. In ihrem Gefolge ist eine neue Generation von Allianzen zwischen Führungskräften, NGO s und Zivilgesellschaften entstanden, die den Weg des Wandels weisen und als Katalysatoren für sinnvolles Handeln wirken, um die Gesellschaft in eine nachhaltigere Zukunft zu führen. Fiona Kelly

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Illustration: Richard Wilkinson l Fotos: Keystone, EPA, Antonio Lacerda

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sen zu handeln, um die sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Herausforderungen des Planeten zu lösen, fand hinter den Kulissen ein Wandel im Denken und Handeln statt. John Tobin, Head of Sustainability Affairs bei der Credit Suisse, war am Rio+20 dabei. «Entschlossenheit und Engagement waren wirklich spürbar », blickt Tobin zurück. Darin waren sich auch viele Vertreter der Zivilgesellschaft, NGO s und insbesondere der Wirtschaft einig, die nach Rio gereist waren, um an Konferenzen, Foren und Begleitveranstaltungen wie dem Corporate Sustainability Forum und dem Business Day teilzunehmen. «Zweifellos war dies die Ebene, wo echte basisdemokratische Massnahmen getroffen und die meisten der konkreten Verpflichtungen eingegangen wurden. Manche sind überzeugt, dass die Vorreiterrolle im Hinblick auf eine nachhaltige Zukunft heute der Wirtschaft zukommt », so Tobin weiter. Lasse Gustavsson, Exekutivdirektor des World Wildlife Fund, teilte diese Ansicht und ergänzte, dass «die Ökologisierung unserer Volkswirtschaften ohne den Segen führender Regierungschefs stattfinden

Last Name Chanzi Dube Kapambwe Garikai Mgaya Chama Kangwa Sniff Chiluba Libaka Hamdia Mwila Ikwendo Mwansa Machokoto Njelekela Sitali Chikanyira Kapokola Tete Sulemana Chanda Mhanda Kangwa Chimupunga Chibvongodze Chola Tshuma Mwansa Chingongo Namuko Ndunguru Kaipambe Mofya Namukwasa Mubita Bazela Masiya Kabanda Liwakala Matomola Kaovela Pumulo Tembo Chipman Chanda likando Yvonne Kasenegela Kanyumbu Nikule Chikonde Gangazha Ngebe Banda Mahamadu Chuma Chibuda Nawelwa Nkandu Phiri Chipulu Mwape Masupa Nalwamba Mulubwa Kalaba Manase Muchinga Dube Lukaki Situmbo Kolala Chanda Nakawala Mpegusa Mafenyeho Nzira Nanyinja Abigail mabhena Ngongo Lihaya Kaputungu Yuma Chuma Mwenso Chikumba Zhou Mpalanzi Jane Pumulo Ngandu Nyimbiri Maria Mwelwa Kalunga Nalungwe Namwinga Kasasa Kashibi Ncube Kingarata Nosiku Kambalage Matambiso Mpofu Tia Namwale Chimukwe Kasongo Samia Mhlangeni Chungu Dziva Chonde Nganga Mwape Mubulukwa Mulenga Chaba Livinga Maphosa Msunza Lukosi Mukela Cathrine Nankonde Zhou Sililo Mando Mpagama Mutsakani Mushuku Mwenya Mpofu Mulenga Chinga Nakamba Chondwa Mwense Muyunda Muchecheti Nakamba Namonje Sanga Mpelembwa Mwilu Songiso Katebe Nambeya Siyunda Kasongo Sherifatu Minloom Mushoba Mulenga Mukwasa Mlangwa Kaduma Namukoko Ndlovu Kalumbi Mumba Lusoko Ismail Tanda Ngebe Nambunda Mwenda

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Winfrida Msuya Moyo Andile Manyando Makumba Hildah Mukuku Liceli Mufanda Faraja Konzi Naomi Mumba Saphira Sankwe Lorren Raundi Chiti Mwamba Blantina Mbalase Namataa Sitwala Duachi Moazu Polite Chidawanyika Rebecca Mhimba Eunice Marako Mable Mukombi Lucy Namwinga Bisesa Mwayo Chita Mabuku Majory Namukonde Roseria Musamba Prudence Chibesa Mwala Mutimbwa Florence Mulambia Deophine Mulinda Karimu Nafisa Rudo Mutendereki Liywalii Mwenda Ntumba Bilumba Netsai Makuvarara Mwaanga Nalukui Given Kasongo Eunice Chabala Farasi Mutami Atogo Paulina Matildah Bwalya Norah Chilufya Bwalya Malama Georgina Kanbil Umi Msombe Gladys Chewe Iteni Mwalafi Bertha Bwalya Fadzai Mpofu Evelyn Chipulu Matehwe Dorcus Jeska Munyi Safia Mumuni Yuna Mgongo Ntombozodwa Chaya Suja Kikoti Mubita Inutu Muwaneyi Limongano Rafiatu Bawa Pendu Pamela Oparine Kalunga Musileti Ngonya Jali Adam Regina Bwalya Doris Kiyeyeu Muyangana Lyangeliso Mashule Manki Kangwa Clara Emmeldah Mwamba Blessed Mukanyanyi Chileshe Phiri Ailet Zingani Benadette Kunda Hazel Ncube Svodai Maposa Cecilia Mnyariwa Tia Salamatu Musenge Kwiya Salama Saga Winfridah Bwalya Memory Katemo Silvia Mumba Leona Chitsapi Nasra Kasunga Recheal Bwalya Mwiya Seke Ndumbazye Ncube Ncube Patricia Fozia Musah Mwelwa Manyando Nancy Lengwe Mercy Mlambo Charity Chihando Chikuta Namakau Mitchell Matsikidze Annie Nondo Shyleen Nkosana Sikufele Mebelo Moleen Murambiza Namkando Maimbolwa Margaret Musanta Sisasenkosi Lima Musemo Ranganai Chilufya Kibinda Veronica Kiyeyeu Rutendo Gomo Sibusisiwe Nyakurai Rodah Chibale Theodora Kunhe Brilliant Moyo Goretty Kasongo Thelma Bwalya Charity Mubanga Judith Chimfwembe Agness Mwansa Enesia Kulanga Alice Machembe Zuhura Mhongole Prudence Bwalya Doomaak Jamant Pyelina Kasuga Sikwanyi Namushi Emeldah Katongo Elizabeth Sikanyika Nipe Mgongolwa Sylvia Kalenga Zulhatu Iddrisu Sandra Mutamiri Lyness Mukalati Shelter Billy Sandra Mwale Mohammed Mariam Anna Sibanda Lidia Nambela Heppines Petter Nyambe Nawelwa Melinda Chimfwembe Belita Shampale Chiwisa Sibote Anny Kampamba Joyce Mbiligenda Mawere Nyasha Gladys Bwale Precious Mwila Nothando Nyathi Babbra Nyadowa Sharon Kabwe Linda Chitalu Mumba Elizabeth Jane Mwawa Dzidzai Shuro Prexides Mweni Patience Gunyule Martha Mutale Winfridah Chanda Harriet Namukonde elizabeth Ndoro Chola Mandalena Mary Musonda Constance Mubanga Kutemwa Mutonga Mwinji Nachembe Furaha Mbwale Twaeni Kiwope Dapi Rumbidzai Mwaka Milupi Maria Nyirongo Makore Nyasha Namakau Kwalela Chota Chileya Nokuthaba Moyo Limbo Kapelwa Mildred Chabala Victoria Mulenga Prudence Chisanga

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Ruth Farida Memory Beauty Maria Caster Moshi Zenabu Nhare Emmeldah Situmbeko Martha Pascalina Buchedo Change Margret Tumusa Alleta Mercy Sibanda Ruth Matau Hellen Mutema Mervis Kalumba Reliance Sheba Carol Martha Elina Miniva Pamela Monde Advei Paidamoyo Maureen Cathreen Likezo Blessed Melina Alice Tinarwo Muyunda Gowera Memory Namenda Dyness Ingonge Ela Maureen Nawa Amina Mulonda Helena Atia Chewe Riziki Moreblessing Esther Advera Shylet Muchimba Amama Chengetai Gift Florence Polite Sikhulile Precious Lwiza Abigail Gracious Ndlovu Monica Mutsokonori Bentula Elizabeth Zawadi Senelisiwe Wamundia Shylet Sela Sikujua Ziena Thelma Maggie Christina Safia Joseph Tshuma Ivy Kulwa Chikonga Vester Grace Namate Fatia Mary Mayani Doris Nontobeko Charity Zita Laari Mapula Linda Sophia James Clara Patience Matildah Dainess Carol Jane Praxidence Maggie Joyce Regina Limpo Sikitu Hellen Hilda Hawa Mumba Loveness Shangao Maeresera Getrude Clemencia Anzeni Zainabu Lucia Izukanji Njamba Ruth Ruth Rabi Mayumbelo Mercy Falitu Kelezo Mildred Grace Amina Christine Zubeda Doricah Maureen Kabukabu Chola Previous Prisca Chuma Pamela Clementine Alice Constance Chuma Huruma Siphesihle Petunia Lilian Tatenda Chama Nyoni Ajara Winfredah Prosper Florence Sara

Chibamba ZAM Makela TAN Kunda ZAM Muyunda ZAM Kalinga TAN Chikokere ZIM Kayuwanga TAN Mahamah GHA Fungai ZIM Chisenga ZAM Naluca ZAM Lyambo TAN Mwaba ZAM Munkuli ZIM Nancy ZIM Gunika ZIM Namatama ZAM Tshuma ZIM Chate ZAM Acience ZIM Mwila ZAM Winnet ZIM Mwila ZAM Florence ZAM Nglovu ZAM Mukeya ZAM Ncube ZIM Nanyangwe ZAM Mwandu ZAM Chikaka ZIM Mlongwa TAN Katwishi ZAM Nachinga ZAM Liwena ZAM Mgaya TAN Chikumbirike ZIM Mulubwa ZAM Mumba ZAM Miliko ZAM Ncube ZIM Kanzugala TAN Nyimbili ZAM Melody ZIM Mulala ZAM Fortunate ZIM Kunda ZAM Nandui ZAM Namukonda ZAM Lubinda ZAM Singo ZIM Mwila ZAM Muyombo ZAM Shabani TAN Mwananyanda ZAM Kisumbe TAN Azumah GHA Lwamba ZAM Luhasi TAN Rusike ZIM Matutu ZIM Lupembe TAN Muchapawana ZIM Akapelwa ZAM Issah GHA Nyamukuka ZIM Namuchimba ZAM Mutsina ZIM Gadzani ZIM Hlabangani ZIM Gumbo ZIM Sunga ZAM Chishala ZAM Chilekwa ZAM Victoria ZIM Masimbira ZIM Noreen ZIM Msamba TAN Kihoo TAN Temba TAN Sibanda ZIM Nkamba ZAM Kaura ZIM Kiyeyeu TAN Kalolo TAN Ngetwa TAN Mupunga ZIM Lusambo ZAM Kapinga TAN Sulemana GHA Shylet ZIM Simenkosini ZIM Biiwa GHA Kamate TAN Bundambo ZAM Matshiya ZIM Bwalya ZAM Kufanga ZAM Maliga TAN Liywali ZAM Chanda ZAM Chanda ZAM Khumalo ZIM Ngirandi ZIM Kalaluka ZAM Regina GHA Nalukui ZAM Nyoni ZIM Mapurisa ZIM Tamari ZIM Kafula ZAM Tshuma ZIM Mukabo ZAM Chingongo ZAM Machokocha ZAM Namwizye ZAM Chanda ZAM Mumba ZAM Wissa TAN Filango TAN Kufanga ZAM Kibadu TAN Chisala ZAM Kitosi TAN Kitambulio TAN Mukube ZAM Siachilamba ZIM Nyemba TAN Sarah ZIM Mhandu ZIM Moyo ZIM Kindole TAN Kuntelela TAN Nyikadzino ZIM Nanyinza ZAM Boli ZAM Chilambe ZAM Chisanga ZAM Yakubu GHA Mwabange ZAM Nkamba ZAM Issahaku GHA Situmbeko ZAM Maliti ZAM Sililo ZAM Nongwa TAN Nakawala ZAM Kisega TAN Mhanje ZIM Mumba ZAM Mbembezi ZAM Chalula ZAM Nkomo ZIM Chomba ZAM Saala ZAM Mondwa ZAM Kwangiwari ZIM Issahaku GHA Mwamba ZAM Mubita ZAM Maponda TAN Mpofu ZIM Shoko ZIM Namukonda ZAM Chirawa ZIM Cecilia ZAM Lorraine ZIM Salam GHA Khuphe ZIM Chisha ZAM Tailoka ZAM Musongo ZAM

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Mwanaisha Rachael Lenia Amuria Alice Sylvia Sinikiwe Zondani Sara Trish Happiness Delphister Tatu Madzinise Victoria Mirriam Astridah Ayisha Mwango Priscilla Judith Jema Yvonne Pili Tololi Katonga Annie Thester Precious Arahanatu Nandila Lwanzo Merinda Sitegemei Grace Fairuzi Patricia Akida Agathar Ibrahim Kafingwa Sikudhani Christabel Brenda Inambao Mundia Lucy Shaness Memory Monde Rahab Afia Kabika Salamatu Sithabile Caroline Mary Brendah Mugbat Edith Mishenyi Merit Getrude Butete Doroth Sandra Munalula Paulina Priviledge Bridget Constance Naney Emah Gladys Maan Julien Diness Mulomba Kanyata Aziza Haruna Juliet Hyveen Sophia Harriet Patricia Grace Patricia Mahamadu Majana Gladys Rudo Simonda Josephine Beth Muchindu Jawuda Chaukura Agness Faiza Nokuthaba Norah Yvone Chimuma Bitian Hijira Memory Mwiya Itai Cynthia Sabata Faggie Sara Rumbidzai Akusia Doreen Imusoka Emmanuella Purity Doris Silibaziso Kakoma Fuseina Catherine Kwabena Nash Leonida Gloria Fiona Precious Fadzai Gracious Agness Maureen Everlyn Nesia susen Bupe Getrude Kusumi Yasinda Zaituni Lusia Mbututu Bridget Phemiah Leona Tsitsi Mhiripiri Ruth Yoosa Zambwe Mevin Racheal Constance Naomy Sara Beatrice Exildah Mangoma Lizzy Mujuru Mutumba Pamela Juliet Melda Chisenga Namwaka Belita Annie Honester

Amanzi Mulenga Matenga Napari Nachela Ngulube Sibanda Sibanda Nakawala Dendamera Mutale Lushinga Sanga Precious Chanda Nawelwa Chimfwembe Iddrisu Mwale Mwape Masiwa Kaniala Kabulo Mhongole Namenzi Nsakanya Nawila Namfukwe Mwila Mahama Songiso Muleya Mwelwa Njalang’ona Zibengwa Mkini Mlambo Kavindi Chanda Barichisu Petronela Kayoka Suzyo Mavuyu Nasilele Meamui Ngwila Munkuli Mumba Mubonda Nachalwe Zakaria Sikwaiketo Fuseini Chilembwe Munkuli Mushibwe Katutule Suuk Kakomba Mwakamui Zhou Mwaba Kakoma Hogora Navile Mwenda Ayileoh Muumbe Mukuka Mbilima Bwlaya Mandere Bwalya Janet Mwandila Malama Misozi Namangolwa Mkinga Ayi Nawelwa Chanda Machona Chiluba Mofya Mukuka Mwango Rahinatu Kabata Kapela Kutaika Mutukwa Mulenga Ngwale Mukendami Yakubu Diana Chilufya Bukari Mpofu Mukuka Kasonka Mbangu Namiteeb Ngulugulu Chiwaya Mushanukwa Chinherera Liyombe Kubukwa Nkhoma Badyogo Chapatarongo Gariba Mukwasa Nalishebo Mubanga Mutale Mayuka Nkomo Tumba Abukari Kasalwe Jenifa Matope Kanzugula Nachula Makoma Kakoma Mbele Korera Musonda Musukwa Nakawala Manyanga Malama Bwalya Chise Abrofo Kihongosi Kaboko Mkame Makando Chipanda Lubumbe Mbanyele Muzodha Chokusara Kabelenga Yennulon Mwale Ngosa Swaba Mushopei Nankamba Malingumu Mamvura Bwale Enlight Sichinga Revai Kabukabu Ng’andwe Namwila Mumpande Kalunga Maonga Kibuga Malama Shanungu

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Lawrence Gore Angella Masanga Fanista Myungile Ester Kaira Martha Musisinyani Rabecca Mutambo Charity Mwembwa Sepiso Musiyebo Jemimah Namumba Sibonginkosi Ncube Adija Issahaku Mary Kisawike Zikhumba Tendai Shorai Chipazaure Ireen Mwansa Mwangala Imbuwa Gladys Mulenga Njekwa Butale Shuvai Dzinda Aidess Phiri Sibonkinkosi Mpofu Mumba Jubilee Patience Nyandoro Christine Mwewa Mayumbelo Munalula Mercy Satamba Karimu Margret Juliet Chanda Rosemary Kaoma Suraya Seidu Monica Mvula Mercy Mabuku Sikutambua Kasenega Shorai Mawire Gift Chipemba Marvis Musonda Cathreen Mbulo Seidu Amina Esther Mwansa Agness Chibelushi Given Kalaba Abu Sawana Mwansa Chalwe Muyangwa Etambuyu Blessings Dube Nzila Mulwazi Hildah Ngulube Mangolwa Mwangala Chiwaza Banda Sabuni Abdallah Nalishebo Mushokabanji Elina Nalombe Josephine Ponga Mhlanga Bridget Kanisia Miopelo Shyleen Masendu Tryline Mudzira Eugenia Ndlovu Justinah Mulumbi Duukper Mijatic Sitshiva Muchenje Natubi Mushabati Agnes Msipa Rodah Kanyika Mwajuma Bwanga Josephine Mutale Issaka Sanatu Zalia Adam Elizabeth Bazange Hildah Mwasinga Yvonne Mudukuti Aneti Myinga Queeniva Chanda Iddi Safiatu Racheal Namukoko Sarah Nanyinza Patricia Mungole Mundia Kombelwa Ethel Mwansa Dina Nankamba Farida Kiswila Samantha Mwariwangu Chabala Kasongo Musah Habida Lenia John Jesca Kasosa Roiya Mboga Yvonne Chitanha Petronella Mpundu Agnes Lupala Mary Malama Elinah Mpofu Farai Mombe Mwale Isabel Prisca Chiwila Priscilla Chanda Buhlebenkosi Dube Kafuti Kainga Charity Chokera Chiba Mainess Barbara Lishandu Silume Namebo Bridget Chileshe Salifu Miila Sarah Nakazwe Isabel Siniwa Siphatheleni Ngwenya Monde Monde Euphrasia Kunda Ravia Mwansa Norest Bhikoko Fuseini Amira mwase Rosemary Liness Nakaonga Theresa Kamanda Precious Chileshe Namasiku Kumoyo Mary Kampamba Tagarira Tariro Elina Sakatwe Judith Musonda Memory Kasonkomona Patience Bhokisi Kufa Fungai Sisasenkosi Nyathi Nkumbula Harriet Mwengwe Chola Hadija Muhenga Chipo Matutu Nakazwe Zimba Masekela Jenny Nanunyi Mbumwae Sarudzai Moyo Grace Mpantamato Mercy Mwale Mwela Chibamba Patience Chama Lucia Kalinga Kokusima Bashagi Stelina Mdenge Sidumisile Mpofu Consilia Landamuka Gloria Mulenga Felistus Muzamba Poniso Sitali Eness Muana Njivau Kashimbi Nyaradzo Muchabaiwa Queeniva Musonda Palata Chilombo Brendah Mulenga Etina Msigwa Anxilla Makoni 3039 Alwisia Luvanga 3040 Salifu Zalia 3041 Mubita Mukalisulu ZAM 3042 Agness Chibalo ZAM 3043 Rudo Sango 3044 Zuweira Bugri 3045 Favourine Mulenga Emeldah Chanda Mlotshwa Zine Moola Mwakui

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Tatu Simela Mucezi Debora Sikhululekile Lusinde Tatenda Prundence Odilly Marian Veronica Nyambe Mpande Priscilla Kajatu Tumaini Ruth Harmony Esnart Perfect Monica Hellen Musonda Mainess Violet Mandelena Dorothy Christerbell Precious Juliet Eunice Kalumbu Mutangu Mercy Bridget Anna Harriet Bukari Munyira Elicy Beatrice Memory Namebo Agnes Manyingidira Monica Chido Patience Libakenu Charity Beatrice Hadija Nessy Levania Memory Chitani Ireen Kalaka Habiba Tadzembwa Rusia Kasonta Domina Rose Memory Devota Sara Thandanani Eurita Matrida Ruth Expelansia Chinyanga Monica Mashame Havijawa Roida Easther Oliva Abia Mebho Sharifa Mary Maria Euphresia Mercy Patience Portia Mwale Febby Chafesuka Juleit Oliva Leonida Chimyama Monde Nakpecinka Harriet Shelter Lilian Brenda Rabecca Maririma Adah Exildah Sosala Catherine Emma Catherine Ruth Uzia Reprieve Sofiah Moyo Masamu Mercy Ngandwe Nalishebo Theresa Feika Mutanga Magaya Kamona Mulima Messiah Size Sabina Sanelisiwe Sitali Cecilia Gladys 3180 Charity Nkubula 3181 Sandow Prinsilla GHA 3182 Priscilla Mudhuma 3183 Kudzai Mpofu 3184 Naomi ZAM

Makenga Sandra Masiye Msabila Moyo Kumaiba Moyo Chileshe Kaluba Mukosa Chisauka Nawa Chameya Mudenda Mugala Chahe Kondo Shirichena Chewe Nyathi Namukwala Ngabo Mile Mutambo Nkaya Hanchabila Mhepo Mwamba Mumba Nambeye Kalobwe Bupe Mubiana Nambeye Kufawatama Mukunza Nagogo Natu Mercy Migodela Bwalya Chanda Malindi Kisage Previous Mlambo Kunguma Machisani Namatama Mugala Chavaligunu Kitoki Chikonde Malinga Singogo Ndlovu Mwelwa Mumba Jabiri Philis Mwoneka Chanda Nyalusi Chacha Lubinda Mwenda Banda Mhlanga Mangisi Kasege Mwila Tula Tariro Mwinuka Chipo Sengo Mvanda Musonda Mgimwa Mgoli Muzavazi Muhenga Nakamba Mayemba Nyumbu Dendera Ncube Dube Mutemwa Singogo Nominabati Bwembya Mangwata Kanzugula Mola Kapula Fannam Chanda Choga Yumba Nakamba Yumbe Everjoy Mwembe Makoleka Asuya Chasala Namukonda Chota Chisanga Luwumbwa Magocha Chikonde Siziwe Mpande Chanda Prudence Likando Nyahunzvi Munmuni Mwangala Loryn Nangana Alisheke Chipulu Advantage Sumka Sibanda Pelekelo Nakamba Malupande -

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Investieren Sie in die Zukunftsentwicklung Afrikas.

300 Millionen Hektaren Wald abgeholzt

Illustration: Richard Wilkinson

Der Weg, der von Rio wegführt

Zwei Jahrzehnte nach dem Erdgipfel von 1992 fand in Rio erneut eine Veranstaltung von grosser Tragweite statt: die UNO -Konferenz zur nachhaltigen Entwicklung oder Rio+20. Angekündigt als eine «Gelegenheit, wie sie jede Generation nur einmal bekommt », sollte Rio+20 einen neuen globalen Plan für nachhaltige Entwicklung und Green Economy skizzieren.

First Name Furaha Bonani Precious Jubilee Advey Kasoma Margaret Faith Deophister Nalukui Mohammed Naomi Pumulo Florence Mildred Restuta Mubita Josephine Nemakando Evans Rafia Gillian Esa Purity Irene Shupikai Alice Libya Jacquiline Hellen Prudence Ignasia Memory Hildah Sharon Maggie Persistence Memonse Agness Muzibe Monde Lucy Nakweti Sibesanu Gracious Marvis Kaywala Nyuni Vida Ruth Faith Sophie Phillipa Namabunga Alice Andaratu Tendai Tendai Harriet Ketrina Ruth Christerbell Gift Munkombwe Sophia Annetty Given Esta Pamela Polite Catherine Kumaiba Priscilla Hellen Mary Zainabu Mwangala Nyasha Ivwananji Muchini Ntombizodwa Isabela Nevisy Umba Sara Tamari Chola Doreen Wesega Pozeni Tinago Nayunda Sharon Vwanganji Mumuni Magreen Beauty Phenny Naomi Bridget Limbo Musawenkosi Sara Nanalelwa Hamida Rabecca Nomagugu Salamatu Olipa Zela Jenipher Frola Fungai Noris Cathrine Feddy Imanga Brendah Sikumbeleti Astridah Cindy Navone Hlengiwe Naomi Naisha Inonge Munjanja Lutty Angeline Namwamba Mirriam Hilda Memory Sibongile Bwalya Ntombezihle Mercy Mwila Vera Currency Mwalye Prudence Tendai Janet Maggie Airini Romana Nasilele Beauty Lucy Beatrice Namasiku Florence Ibrahim Waab Liwoyo Given Harren Airini Frida Maureen Blessings Grace Cynthia Nada Neema Nyadzisai Linyeta Muhau Sikuniso

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Camfed ist hocherfreut über eine Partnerschaft mit Credit Suisse, mit dem Ziel, ländliche Gemeinschaften in Afrika durch die Schulbildung von Mädchen zu fördern. Machen Sie die bestmögliche Investierung, indem Sie heute ein Mädchen in die Schule schicken. Nähere Informationen können Sie unter www.camfed.org erhalten

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Dieses Inserat wurde ermöglicht durch Credit Suisse. Camfed möchte der Financial Times für ihre Unterstützung in dieser Anzeige

bulletin 4/12 Credit Suisse

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3 Customer Magazines B2C 61 74

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Foto: Jan Grarup, NOOR, laif

Interview mit

Das Leben des ersten grünen Ministers Deutschlands ist geprägt von Brüchen. Der Schulabbrecher Joschka Fischer war von 1998 bis 2005 als Aussenminister und Vizekanzler für die Aussenpolitik Deutschlands und in grossem Masse auch Europas verantwortlich. Im Exklusivinterview spricht er über sein Leben nach der Politik, die aktuelle Europakrise und seine Besuche beim Papst.

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3 Customer Magazines B2C 62

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«Welche Person hat Sie in Ihrem Leben am meisten überrascht?» «Der Papst.» «Im Ernst?» «Ja. Johannes Paul II.»

bulletin: Nach Ihrem Rücktritt aus der deutschen Regierung 2005 war es in der Öffentlichkeit recht lange ruhig um Sie. Allerdings habe ich jetzt gelesen, dass Sie nur zwei Wochen später Ihre Lebenspartnerin geheiratet haben. Was sonst haben Sie in dieser Übergangszeit gemacht?

Joschka Fischer: Ich wollte raus aus der Politik. Ich hatte genug. Und insofern war klar, nachdem Rot-Grün keine Mehrheit mehr hatte, dass ich aufhören werde. Ich hatte dann noch ein Jahr schweigend im Parlament gesessen, weil ich während des Wahlkampfes auf eine Journalistenfrage, ob ich mein Mandat annehme, gesagt habe, dass ich es tun würde. Also musste ich das noch machen. Aber ich wollte ganz klar zuerst eine Cooling-off-Periode, was die öffentliche Präsenz anbelangte. Also habe ich das Angebot der Princeton University in New Jersey gerne angenommen und dort als Visiting Professor zwei Semester gearbeitet.

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«Und wer oder was regiert heute die Welt?» «Die Politik!» «Immer noch?» «Keine Frage.»

Sie sind ja jahrzehntelang im Rampenlicht gestanden.

Freundin und früheren Kollegin in Washington, Madeleine Albright, zusammenarbeiten.

War das nicht ein ungeheurer Bruch für Sie?

Der heute 64-jährige Joschka Fischer war ab den 1980er-Jahren die prägende Figur der deutschen Partei der Grünen. 1983 wurde er für sie erstmals in den Bundestag gewählt. Als es 1985 in Hessen zur ersten rotgrünen Landesregierung kam, übernahm Fischer die Aufgabe des Staatsministers für Umwelt und Energie. Nachdem im Herbst 1998 die Sozialdemokraten unter der Führung von Gerhard Schröder die Bundestagswahlen gewannen, kam es zur ersten rot-grünen Koalition auf Bundesebene und Joschka Fischer übernahm das Amt des Aussenministers und Vizekanzlers, das er bis 2005 innehatte. Nach seinem endgültigen Rücktritt aus der Politik 2006 übernahm er eine einjährige Gastprofessur in den USA und gründete darauf 2007 eine Beraterfirma.

Es hört sich so schön an – «jahrzehntelang im Rampenlicht». Dazu zwei Bemerkungen: Erstens, ich habe das Rampenlicht nie nötig gehabt. Mein Ego ist stabil genug, dass ich das Rampenlicht dafür nicht brauche. Das ist jetzt ganz ernsthaft gemeint und nicht arrogant. Es ist einfach so. Zweitens, ich hatte genug. Das Leben in den Top News auf den Frontseiten der Magazine und Zeitungen ist unglaublich anstrengend. Am Anfang finden Sie das ganz toll. Und dann merken Sie mit der Zeit, dass Sie den Verlust der Privatsphäre nicht so einfach wegstecken können. Wohin Sie auch gehen, Sie sind immer von Sicherheitsbeamten umgeben. Das ist auf die Länge schwierig. Als das nicht mehr so war, hat mich das überhaupt nicht gestört. Was ich aber unterschätzt hatte, ist das, was jeder Pensionär erlebt: Man hat plötzlich viel Zeit. Das kann sehr zermürbend sein, zumal man anfängt abzubauen und so weiter.

Hört sich sehr vielfältig und spannend an.

teilweise um 180 Grad geändert zu haben. Gibt es etwas, an

Ja und nein. Grundsätzlich fände ich nichts schlimmer, als wenn ich heute, wo ich auf die 65 zugehe, noch so denken würde wie mit 18 . Das Leben dauert lange und man verändert sich. Und doch habe ich mich selber im Innern sehr wenig verändert. Das ist kein Widerspruch. Damals, als ich 18 Jahre alt war, war es eine völlig andere Zeit. Es war eine andere Welt. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Wenn man versucht, die 68 er zu verstehen, muss man begreifen, wogegen sich die 68 er – vor allem in Deutschland – gerichtet haben. Nur schon in der Schweiz war die Situation völlig anders. Dieses kleine Land blickt seit dem Mittelalter auf eine glückliche Geschichte zurück. So war es das einzige Land, in dem der Bauernkrieg in Verbindung mit den Städten zum Sieg der Bauern geführt hat. Die deutsche Geschichte wäre eine völlig andere gewesen, wenn der Adel vor allem in Süd- und Mitteldeutschland wie in der Schweiz verloren und Luther den Verrat an den Bauern nicht begangen hätte. Zwingli hat das in der Schweiz nicht gemacht. In Deutschland haben sich die 68 er gegen die Nazigeneration gerichtet. Das darf man nicht vergessen. Das ist heute völlig anders. Die Grossväter von damals waren völlig andere. Heute bin ich der Grossvater.

Sie scheinen in Ihrem Leben nie etwas nur ein bisschen gemacht zu haben. Damit meine ich nicht nur Ihre politische Karriere. Sie fangen an zu joggen, und ein Jahr später rennen Sie den New York Marathon. Machen Sie alles zu

In der Regel ja. Wenn mich etwas wirklich interessiert, dann gebe ich gerne 150 -prozentigen Einsatz. Und da kommt dann auch das Zermürbende rein?

Ja, aber ich meine, das gehört dazu. In diesem Leben gibt es nichts, was nicht auch seine Schattenseiten hätte. Lassen Sie uns das konsequent weiterziehen. Zurzeit sind Sie ja als Berater in der Wirtschaft tätig. Werden Sie schon bald Vorstandsvorsitzender eines Grosskonzerns sein?

Nein, überhaupt nicht. Ich wollte einfach nochmals etwas völlig anderes machen. Darauf haben ein Freund und ich eine Beratungsfirma gegründet. Und mittlerweile sind wir 16 Leute. Viele Unternehmen sind in ihren angestammten Geschäftsbereichen sehr gut. Aber wenn es darum geht, sich in politischen Umfeldern zu behaupten, die sie nicht überschauen und durchblicken, dann haben sie ein Problem. Fotos: Anatol Kotte, laif | Felix Clay

Und dann kommen Sie ins Spiel.

bulletin 4/12 Credit Suisse

Wie grün sind Sie noch?

dem sie konsequent festgehalten haben?

150 Prozent?

Wenn Sie Vorstand einer grossen Bank sind, dann sind Sie kein erfahrener Aussenpolitiker. Das ist auch nicht die Aufgabe eines Vorstandes. Wir machen aussenpolitische Beratung für Unternehmen in schwierigen Marktumfeldern. Das ist ein Schwerpunkt, ein anderer das Umstellen einer Unternehmung auf Nachhaltigkeit. Da haben wir ein sehr starkes Team aufgebaut. Dann arbeiten wir häufig auch global, indem wir sehr eng mit der Beraterfirma meiner

haben. Mich hat die politische Macht interessiert, mit der man gestalten kann, aber nicht das ganze Drumherum.

Ich hasse es, mich zu langweilen. Und da ich ein überaus neugieri- Ich bin ein grüner Realo geblieben, auch wenn aufgrund meiner perger Mensch geblieben bin, bekomme ich heute tatsächlich unglaub- manenten Reisetätigkeit mein CO 2 -Fussabdruck alles andere als lich viel Spannendes mit. In dieser Wirtschaftskrise können wir viel grün ist. Aber das geht nicht anders. Ich bin auch der festen ÜberWissen aus den Bereichen Wirtschaft und Finanzen mit meinen zeugung, dass durch eine Entwicklung, die weit weg von uns abläuft Erfahrungen von früher zusammenbringen. Auf Neudeutsch heisst und die Welt verändert, wie nichts zuvor seit der industriellen Revodas so schön: Connecting the dots. Das ist bei uns im Unternehmen lution, wir gar keine Alternative haben. Ich spreche vom Aufstieg Chinas und der anderen Schwellenländer. Da sind zurzeit enorme stark ausgeprägt. Veränderungen im Gange. Zudem wird die Tatsache, dass DeutschWenn man Ihren Lebenslauf ansieht, ist er geprägt von Brüchen. So scheinen sich einige Ihrer einstigen Wertvorstellungen land aus der Atomenergie aussteigt, für die Zukunft der Energie- >

Meinungsführer im Gespräch

Seit 2008 veranstaltet die Credit Suisse so genannte Credit Suisse Salons. Diese exklusive Plattform bietet ausgewählten Kunden und führenden Entscheidungsträgern die Gelegenheit, wichtige soziale, wirtschaftliche und politische Und wie lehnt sich Ihr Sohn gegen Sie auf? Nicht mehr. Der ist mittlerweile selber Vater. Die Zeit geht voran und Themen mit internationalen mit ihr ändern sich auch die Leute. Oskar Lafontaine war Anfang 30 Meinungsführern zu diskutieren. Unter den Gastrednern, die Oberbürgermeister, jetzt gibt er den Linksradikalen. Da ist mir meine Biografie lieber. Und dass ich mit dem Alter ruhiger geworden in den vergangenen Jahren an bin. Dennoch: Die Neugier ist mir immer geblieben. Das ist eine den Salons teilnahmen, waren Grundhaltung, die sich nicht verändert hat. Obwohl es mit jedem Kofi Annan, Muhammad Yunus, Aufstieg noch grössere Verführungen gab, blieb ich in dieser Bezie- Colin Powell, Paul Krugman, hung sehr stabil, weil mich diese Sachen nicht wirklich interessiert Lee Kuan Yew, Ernesto Zedillo,

Nouriel Roubini und Mohamed El-Baradei. Das Gespräch mit Joschka Fischer fand im Mai anlässlich des 9. Credit Suisse Salons in London statt, bei dem der einstige Aussenminister und Vizekanzler Deutschlands mit Javier Solana, dem ehemaligen Hohen Vertreter für die Gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik der EU, dem Präsidenten der tschechischen Republik Václav Klaus und dem einstigen britischen Premier Sir John Major über die Zukunft des Euros diskutierten. < Credit Suisse bulletin 4/12

Leader

gen, die mit diesem Projekt verbunden sind. Ich bin aber sicher kein Lobbyist. Einmal abgesehen davon stehe ich voll und ganz hinter dem Projekt. Nicht zuletzt auch deshalb, weil ich der Meinung bin, dass Europa gut beraten ist, den südlichen Korridor zu öffnen und nicht in dem Masse von Russland abhängig zu bleiben, wie das heute der Fall ist. Wenn wir jetzt nochmals zurückkommen zu den Grünen in den 1970er- und 1980er-Jahren: Man hat das Gefühl, heute sind die Piraten in die Rolle geschlüpft, die sie damals innehatten.

Ich meine, das Problem bei den Grünen ist, dass sie alt geworden sind und dass sie sich das nicht eingestehen. Alt werden heisst aber nicht zwingend, langweilig zu werden. Es gibt 18 -Jährige, die wirken schon wie 88 und es gibt 88 -Jährige, wenn Sie an Stéphane Hessel denken, die wirken noch wie 18 -Jährige. Wir haben zwar damals die Rotationspflicht zu Recht abgeschafft. Doch war auch ich nicht der Meinung, dass man im Parlament sterben sollte. Nein, die Grünen haben da ein echtes Problem, und dem müssen sie sich jetzt stellen. Bei den Piraten ist es ein Stück weit auch Wunschtraum, wie es bei den Grünen anfangs gewesen war. Ob sie Bestand haben, das wird erst die Zukunft zeigen. Noch eine Stufe weiter unten haben wir jetzt die ganze gewisses Wohlwollen verspüren?

Diese Finanzkrise hat schwere Defizite aufgezeigt. Dass das nur zur Occupy-Bewegung geführt hat, erstaunt mich schon etwas. Und damit Sie mich nicht missverstehen: Ich war für den Bail-out, weil wirtschaft und für die Weiterentwicklung der Technologien, die da- die Konsequenzen ansonsten furchtbar gewesen wären. Andererran hängen, dramatisch positive Konsequenzen haben. seits glaube ich, dass man danach nicht entschlossen genug die Zeit Werden wir diese tiefgreifenden Veränderungen meistern? nutzte, um eine globale Neuaufstellung der Finanzindustrie durchÜberhaupt keine Frage. Es geht doch gar nicht anders. Doch wer- zusetzen. Man wird jetzt sehen müssen, ob die Kraft noch vorhanden den wir durch eine Effizienzrevolution durchmüssen, und zwar nicht ist, dass sich die Krise so nicht wiederholt. nur bei der Energie. Stellen Sie sich einfach mal vor, was es hiesse Und wer oder was regiert heute die Welt? für regionale und das globale Ökosystem, wenn die Chinesen unse- Die Politik! ren Pro-Kopf-Bedarf an Energie, Wasser, Schweinefleisch, RindImmer noch? fleisch, Milchprodukten etc. erreichten. Da rede ich noch nicht ein- Keine Frage. Die Wirtschaft ist dazu nicht in der Lage. Die Wirtmal von Indien, Indonesien oder Brasilien – nur von China. Das geht schaft verfolgt ihre Interessen, das muss sie tun. Aber schon die unmöglich. Umgekehrt gibt es kein Argument, denen zu sagen, ihr ganze Denkweise funktioniert nicht. Ein guter Manager braucht müsst arm bleiben, dass wir hier im Westen weiterhin im Überfluss diese Kombination von Durchsetzungskraft, von Präzision, von die Dinge vergeuden können. Das wird so nicht funktionieren und Datenmaterial, von strategischer Orientierung, Personalführung. es wäre meines Erachtens auch moralisch verwerflich. Das zwingt Aber es ist ein limitiertes Segment. Ein guter Politiker, der zum uns technisch wie auch mental zu tiefgreifenden, ja revolutionären Staatsmann oder zur Staatsfrau wird, hat es mit einem sehr kompleVeränderungen. xen oder sogar ultrakomplexen Entscheidungsumfeld zu tun. Ich Wenn man die Geschichte der Menschheit anschaut, gab es überschaue das sehr gut, weil ich eben beide Seiten kenne. Das ist eigentlich immer einen Krieg, wenn es eng wurde. etwas völlig anderes. Diese Frage kann man übrigens so nur in EuroDas funktioniert unter den Weltmächten auch nicht mehr, Gott sei pa stellen, weil bei uns die Staaten – man möge mir vergeben – alle Dank, weil die gegenseitige nukleare Vernichtungsdrohung vor- so schwach sind. Stellen Sie diese Frage mal in Washington oder in Peking, also bei den wirklich mächtigen Staaten, dann werden Sie handen ist. mit Sicherheit komisch angeguckt. Ist der Mensch wirklich so vernünftig geworden, dass er das ausschliesst?

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«Jede Krise kommt zum falschen Zeitpunkt»

Einmal abgesehen von diesen dramatischen Entwicklungen wirken Sie heute sehr entspannt und scheinen das Leben zu

Europas eine lange Geschichte. Wie gut kennen Sie sich?

Ich habe Joschka Mitte der 1990 er-Jahre das erste Mal getroffen. Und danach haben sich unsere Wege in den verschiedensten Funktionen immer wieder gekreuzt. Und im Laufe der Zeit hat sich eine sehr tiefe Freundschaft zwischen uns entwickelt. Er war ein sehr, sehr guter Aussenminister für Deutschland und hat sich stets für die europäische Sache eingesetzt. Dann konnten Sie also auch politisch mehrheitlich auf

geniessen.

seine Unterstützung zählen?

Das ist so. Er hat mich bei vielen sehr wichtigen Entscheidungen unterstützt, gerade auch während der Bosnien-Krise.

Früher wirkten Sie oft angespannt.

Gibt es denn noch Freundschaften aus Ihrer Zeit als Aussenminister?

Ja. Madeleine Albright ist eine, Javier Solana. Es gibt eine ganze Reihe. Wie zum Beispiel auch Igor Iwanow, der frühere russische Aussenminister. Das ist jetzt nicht eine Freundschaft, in der man sich täglich sieht oder hört, aber doch eine stärkere emotionale Bindung. Welche Person hat Sie in Ihrem Leben am meisten überrascht?

Der Papst. Im Ernst?

Ja. Johannes Paul II . Ich bin streng katholisch erzogen worden, bin jetzt aber überhaupt nicht mehr gläubig. Aber seine Persönlichkeit war unglaublich. Ich habe ihn als schwer kranken Mann kennengelernt und zweimal allein getroffen. Ich muss sagen, das war die Figur, die mich am meisten überrascht hat. Hätte ich nicht gedacht. Er war eine historische Figur und hat alle anderen in den Schatten gestellt, die ich persönlich kennengelernt hatte.

Warum haben die europäischen Staaten derart an Macht

Sie und Joschka Fischer verbindet auf der politischen Bühne

Warum sollte ich verspannt sein? Da war ich es auch. Da hätte ich für so ein Interview gar keine Zeit gehabt.

verloren?

Selbst die drei grössten Staaten Grossbritannien, Frankreich und Deutschland – zwei davon sind Nuklearmächte – sind im globalen Vergleich herabgesunken zu mittelständischen Familienunternehmen. Damit will ich nichts gegen mittelständische Familienunternehmen sagen, ganz im Gegenteil. Aber Europa muss sich neu erfinden. Das Sie setzen sich ja als Lobbyist für diese Erdgaspipeline ein … ist für die Europäische Vereinigung die grosse Herausforderung. Das Ich berate lobbyistisch gar nichts. Ich berate die beiden Vertrags- heisst nicht, dass alle dabei sein müssen. Aber es werden alle von partner OMV und RWE bei einer Vielzahl von aussenpolitischen Fra- dieser Entwicklung abhängen.

Interview mit Javier Solana Ehemaliger Nato- und EU-Spitzenpolitiker

Und was müssen die Europäer machen?

Sie müssen zusammenfinden. Dann ist alles gut. Wenn wir beide nach China reisen – Sie als Schweizer und ich als Deutscher –, sehen die Chinesen keinen Unterschied. Genauso wenig, wie wir einen Unterschied zwischen einem Nord- und einem Südchinesen oder zwischen einem aus Schanghai oder Peking sehen. Das ist für uns alles China. Dabei, wenn man genauer hinschaut, stellt man fest, dass die Unterschiede, auch die sprachlichen Unterschiede, zwischen den Provinzen dieses riesigen Landes gewaltig sind. Mindestens so gross wie die in Europa. Eher grösser.

Occupy-Bewegung. Für diese müssten Sie doch zumindest ein

Ich schliesse überhaupt nicht aus, dass es eine Nuklearbedrohung auf der terroristischen Ebene geben kann oder an den Rändern. Das ist ja genau das Gefährliche, wenn Nukleartechnik und -waffen weiterverbreitet werden. Aber zwischen den grossen Mächten wird es keinen Krieg mehr geben, denn dieser würde zwangsläufig auf die gegenseitige Vernichtung hinauslaufen.

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Heute spricht alles vom Abstieg der Grossmacht Amerika. Wie sehen Sie das?

Der Aufstieg der anderen wird die USA relativ absteigen lassen, aber nur relativ. Ich meine, es wird eher kein absoluter Abstieg sein. Ich glaube, die USA werden ihre Krise überwinden. Aber es wird dauern. Ob wir es in Europa hinbekommen? Ich meine ja, aber unter viel Geschrei und mit der teuersten Lösung. Der Aufstieg der neuen Schwellenmächte ist nach der industriellen Revolution die grösste Veränderung der Neuzeit. Die Mehrheit der Menschen möchte unseren Lebensstandard, und niemand wird sie daran hindern können. Das hat dramatische Konsequenzen, aber auch dramatische Chancen zur Folge. Da dürfen Sie mich nicht missverstehen. Ich sehe das nicht als Katastrophenszenario. Aber es hat dramatische Konsequenzen.

Was war denn so beeindruckend an ihm?

Foto: Felix Clay

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Die Augen. Obwohl er schwer krank war, war der Geist hellwach. Ich habe zweimal bei ihm eine Privataudienz gehabt, wie das so schön heisst. Einmal wegen des polnischen EU -Referendums und einmal wegen des Irak-Kriegs. Beide Male war er hellwach – schwer von der Krankheit gezeichnet, aber hellwach. Sprach schleppend, aber fliessend Deutsch, war über alles informiert und hatte eine unglaubliche Ausstrahlung. Er hat mich tief beeindruckt. Interview: Daniel Huber

Sie haben sich ein Leben lang für die Europäische Union eingesetzt. Wie beurteilen Sie die jüngsten Entwicklungen?

Für mich geht es immer noch in die richtige Richtung, wenn auch nicht schnell genug. Aber natürlich habe ich auch Verständnis dafür, dass in schwierigen Zeiten in demokratischen Staaten vieles etwas länger dauert. Und natürlich kommt jede Krise zum falschen Zeitpunkt. Aber in diesem konkreten Fall war der Augenblick für die Europäische Union wohl denkbar schlecht. Denn die Krise fiel Ende 2009 exakt mit der Inkraftsetzung des 2007 beschlossenen Reformvertrags von Lissabon zusammen. Und um das Ganze noch schlimmer zu machen, waren bei diesem Vertragswerk ausgerechnet die wirtschaftsund geldpolitischen Governance-Richtlinien noch ausgeklammert. Trotz allem glaube ich, dass wir diese Krise bislang gut gemeistert haben, auch wenn vieles etwas gar viel Zeit gebraucht hat und dadurch teurer wurde. Viele Europäer kreiden der EU an, dass ihr Führungsorgan, das europäische Parlament, zu entkoppelt von der Basis, also den einzelnen Gliedstaaten, sei.

Eine simple und schnelle Lösung gibt es nicht für dieses Problem. Doch muss es meiner Meinung nach ganz klar in Richtung verstärkte Integration und gegenseitige Verantwortlichkeit gehen. Diese zwei Vektoren sind essenziell. Doch um sie in den einzelnen demokratischen Staaten erfolgreich umzusetzen, braucht die EU mehr Legitimität. Wer sind die führenden Kräfte in Europa, um diese Prozesse voranzutreiben?

Das sind die demokratisch gewählten Führer eines jeden Landes. < Credit Suisse bulletin 4/12

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spezial Das älteste Bankmagazin der Welt

Ausgabe Deutsch

Nummer 3

Juni/Juli

2012

Helden

Magische Momente des Sports

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3 Customer Magazines B2C 64

G ENERATION ERFOLG

U17-WELTMEISTER, U21-VIZEUROPAMEISTER UND JETZT DIE OLYMPISCHEN SPIELE: DER SCHWEIZER FUSSBALLNACHWUCHS IST DERZEIT WELTKLASSE. EIN GESPRÄCH MIT SFV-SPORTDIREKTOR PETER KNÄBEL ÜBER DIE KUNST DER TALENTFÖRDERUNG.

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Helden

H

err Knäbel: Die Schweiz erstmals seit 84 Jahren am Olympischen Fussballturnier – es klingt noch immer ein

wenig unwirklich. Haben wir hier ein

Jahrhundert-Team?

So weit würde ich nicht gehen. Aber im Hinblick auf die Qualifikation war uns klar: So gut standen unsere Chancen noch nie.

«Es braucht eine gewisse Arroganz, um mit den Besten mitzuhalten.»

grösse zu tun, sondern mit Ausstrahlung. Es braucht die absolute Überzeugung, ich würde sogar sagen Arroganz, um mit den Besten mithalten zu können. Daneben braucht der Spieler eine stabile Familiensituation. Ohne intaktes soziales Umfeld wird Talent zur Makulatur.

«Sie sind extrem hungrig»: Torschütze Admir Mehmedi (links) und Gaetano Berardi.

Liegen Sie immer richtig?

Nein. Und wer das behauptet, erzählt Quatsch. Woher dieser Optimismus? Man ist immer unsicher, ob einer wirklich das Wir haben das Glück, dass in den letzten Zeug dazu hat. Und es gibt Spieler, die mich positiv überrascht haben, wie etwa Gökhan Jahren relativ viele Super-League -Vereine Inler. Er hat sich fantastisch entwickelt, aber auf junge Spieler setzten und ihnen den mit 17 war er keiner, für den ich meine Hand Übergang in den Profifussball erleichterten. ins Feuer gelegt hätte. Zweitens verfügt diese U21 über die entscheidenden Bausteine für den Erfolg: über einen hervorragenden Goalie Und welchem vergeudeten Talent trauern Sie am und über die nötige Extraklasse in der Offen sive. Wir haben mehre- meisten nach? re Spieler, die einen Match entscheiden können. Vergeudet ist ein grosses Wort. Aber an wen ich manchmal denken muss, ist Jonas Elmer vom FC Sion. Wo wäre er heute, wenn er weiWas zeichnet diese Generation aus? Ihre Winner-Mentalität. Viele von ihnen haben bereits an internatio- terhin im Sturm hätte spielen dürfen wie einst als C- Junior beim nalen Nachwuchsturnieren eine gute Figur gemacht, insbesondere FC Stäfa ? Er besass einst aussergewöhnliche Scorerqualitäten, die U17-Weltmeister. Und einige haben sogar schon einen Meister- wurde aber ohne ersichtlichen Grund zum Verteidiger umfunktioniert. titel bei den Profis gewonnen. Shaqiri, Xhaka, Sommer, Frei und Wie lange brauchen Sie, um ein Talent zu erkennen? Stocker mit dem FC Basel, Koch, Mehmedi, Buff und Rodriguez mit Mit den Jahren weiss man schneller Bescheid. Aber bis man sicher dem FC Zürich. Diese Generation ist extrem hungrig. Und sie kennt ist, dass einer den Durchbruch schafft, braucht es sehr viele Daten. Den berühmten Wow-Effekt wie einst bei Yann Sommer erlebe ich keinen unnötigen Respekt vor grossen Aufgaben. höchst selten. Als ehemaliger Ausbildungschef beim FC Winterthur und FC Basel zählen Sie zu den Entdeckern von mehreren Schlüssel-

spielern des Olympia-Teams.

Ich mag diesen Begriff nicht, denn ich bin der Ansicht: Ein Spieler entdeckt und «macht » sich selber. Die Trainer begleiten ihn auf seinem Weg, und wir Funktionäre stehen ihm zur Seite, wenn es Probleme gibt. Worauf achten Sie bei der Talenterfassung?

Natürlich auf die Schnelligkeit und das technische Rüstzeug. Dann auf die Persönlichkeit: Kann ich mir den Spieler in der Kabine einer Profimannschaft vorstellen oder nicht ? Das hat nichts mit Körper-

Was machte ihn besonders?

Ich begegnete ihm in meinen ersten Tagen als Basler Nachwuchschef. Als ich das Training der U16 besuchte und mich nützlich machen wollte, schickte mich der Trainer zum Einschiessen des Torwarts. In aller Regel wartet ein 15 -Jähriger schüchtern auf die Instruktionen des neuen Chefs. Nicht so Yann. Er gab mir exakt zu verstehen, was ich zu tun hatte: x Flanken, y hohe Schüsse, z Flachschüsse. Sommer hatte eine unglaublich konkrete Vorstellung davon, was er brauchte, um später einmal erfolgreich zu sein. Als «Profimacher » werden Sie dem Himmel gedankt haben, als Sie den hochbegabten Shaqiri erstmals am Ball sahen.

Ach was. Shaqiri war damals 13 und zeigte durchaus interessante Qualitäten. Wie Granit Xhaka übrigens auch. Auffällig war, dass beide auch bei hoher Intensität verletzungsfrei blieben und dass sie fussballerische Leaderfiguren verkörperten. Für Xhaka galt das übrigens auch neben dem Platz: Als Mannschaftskassier hatte er nie Probleme, das Geld bei seinen Mitspielern einzutreiben. Aber gleichzeitig fehlte den beiden damals noch so einiges. Wann kommt der Moment, wo Sie sich festlegen? Wann

Foto: Ian Walton, Getty Images

Das Ticket für Olympia: Erlösung der Schweizer U 21 im EM -Halbfinale nach dem entscheidenden Tor gegen Tschechien.

Peter Knäbel (45 ) ist seit 2009 Technischer Direktor des Schweizerischen Fussballverbandes. Er wurde einst mit Deutschland U16-Europameister und spielte in der Bundesliga (Bochum, St. Pauli, 1860 München und Nürnberg), bevor er in die Schweiz wechselte ( FC St. Gallen, FC Winterthur). Nach Abschluss seiner Karriere wurde er dort Nachwuchschef und besetzte danach beim FC Basel erfolgreich dieselbe Position. Er ist Vater von zwei Kindern und lebt in Riehen. Credit Suisse bulletin spezial

Bitte erklären Sie uns das Phänomen Shaqiri.

Er ist ein extrem variabler Spieler, der auf beiden Seiten spielen kann und sich sehr gut zwischen den beiden Seitenlinien bewegt, wodurch er die Lücken des Zonenspiels perfekt ausnutzen kann. Und dank seiner Technik gerät er kaum unter Druck. Er kann den Ball unfallfrei annehmen und hat dadurch mehr Zeit für das Abspiel. Zudem war schon früh klar, dass er einen schönen Marketingvorteil >

bulletin spezial Credit Suisse

Helden

besitzt: Seine dynamische Art zu spielen reisst die Leute von den Sitzen. Auch Admir Mehmedi, der sich bei Dynamo Kiew durchzusetzen scheint, hatten Sie früh unter Ihren Fittichen. Ganz ehrlich: Haben Sie ihm eine solche Karriere zugetraut ?

Illustration: Grafilu | Foto: Darren Staples, Reuters

sagten Sie sich: Die beiden werden den Durchbruch schaffen?

Das ist der Tag, an dem ich sehe, dass es einem Junior auch in der nächsten Altersklasse zu leicht fällt. Bei Xhaka und Shaqiri war das mit 16 . Damals trafen sie mit der U18 auf ein Erstligateam – und sie spielten mit den Erwachsenen Katz und Maus.

Interview von Michael Krobath

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Die Schlüsselfiguren Talent ist wichtig. Aber Talent allein genügt nicht für eine richtig grosse Fussballkarriere. Wer uns von der Generation Erfolg auch noch in einigen Jahren Freude bereitet? Diese sechs Herren.

Damals in Winterthur wusste jeder, dass Admir gut ist. Aber als D-Junior hatte er – wie übrigens einst auch Murat Yakin – mit Gewichtsproblemen zu kämpfen. Ich hatte ein Auge darauf und neckte ihn gern einmal: «Na, ist der Pommes-frites-Bauch schon wieder gewachsen?» Doch heute verfügt er über eine beeindruckende Physis. An der U21- EM gehört er nicht nur zu den Besten, sondern auch zu den Fittesten. Und als er einmal nicht eingesetzt wurde, legte er nach dem Spiel eine Sonderschicht ein, weil er stinksauer war. Bei aller Euphorie: Wo sehen Sie in der Nachwuchsarbeit

Fotos: Andreas Meier | Keystone, Peter Schneider, Martin Ruetschi, Samuel Truempy

Handlungsbedarf ?

Vor und nach dem EM -Triumph 2011 (von oben): Schwitzen in der Wüste Qatars. Empfang der U 21-Spieler in Zürich. Autogrammstunde am Hauptsitz der Credit Suisse.

Für mich ist es wichtig, dass wir marktgerechte Spielertypen produzieren. Ein Beispiel: Aufgrund des akuten Stürmermangels wurden in den letzten Jahren Stürmertrainer engagiert und die beweglichen Offensivkräfte speziell gefördert. Nun herrscht aber ein Mangel an Innenverteidigern. Der Markt verlangt da hinten böse Jungs, grosse und starke Typen mit 85 Kilo plus. Wie messen Sie den Erfolg der Nachwuchsarbeit des SFV ?

Erfolg, das sind für uns Spieler aus den Nachwuchskadern, die dereinst den Sprung in die A-Nationalmannschaft schaffen. Zwei Spieler pro Jahrgang sind ein Must. Fünf wären exorbitant. Und alles dazwischen ist gut bis sehr gut. In den vergangenen Monaten gehörte es zu Ihren Aufgaben, die Freistellung der U21-Schlüsselspieler für die Olympischen Spiele zu erwirken. Wie lief Ihre Goodwill-Tour durch Europa?

Im Gegensatz zu einer Europa- oder Weltmeisterschaft müssen die Vereine ihre Spieler für die Olympischen Spiele nicht bedingungslos freistellen. Tatsächlich kommt man also als Bittsteller und zeigt Verständnis für die Interessen jener Vereine, die zeitgleich wichtige Spiele bestreiten müssen. Aber man betont auch die Bedeutung der Olympischen Spiele für die Karriere eines Spielers und für den Schweizerischen Fussballverband, insbesondere, da wir uns nicht für die diesjährige EM qualifizierten. Ich hatte den Eindruck, dass die Vereine unsere persönlichen Bemühungen schätzten. Ich bin guter Dinge, dass wir eine schlagkräftige Truppe dabei haben werden. Vier Teams aus Europa, zwei aus Südamerika – und viele Exoten: Verglichen mit der EM scheint Olympia ein Kinderspiel.

Das wäre ein Trugschluss. Ich gehe davon aus, dass das OlympiaTurnier sehr ausgeglichen besetzt sein wird. Und die vielen unbekannten «Exoten» machen die Angelegenheit eher schwieriger, weil unkalkulierbarer. Liegt eine Medaille drin?

Wir gehen unsere Olympia-Mission genau gleich an wie die EM . Das erste Ziel heisst: «Überleben der Vorrunde.» Mit Mexiko, Südkorea und Gabun in der Gruppe wird das kein Honigschlecken. Und dann schauen wir weiter. Wichtig ist, dass sich jeder emotional mit dem Team identifiziert. Alle müssen spüren: Das wird es in meiner Karriere nie mehr wieder geben. Das hier ist einmalig. <

Die Credit Suisse ist seit 1993 Hauptsponsor des Schweize rischen Fussballverbands ( SFV ) und Partner aller U- und A-Nationalteams sowohl der Frauen als auch der Männer. Dabei fliesst die Hälfte der Unterstützungsbeiträge gezielt in die Förderung des Nachwuchses. bulletin spezial Credit Suisse

Xherdan Shaqiri – der Glamfaktor

Granit Xhaka – der Boss

Ricardo Rodríguez – der Modernist

Xherdan Shaqiri (ausgesprochen: «Schatschiri»), für den Bayern München über 13 Millionen Franken auslegte, ist der Kreativ-Star des Olympia Teams. Er gilt auf dem Platz als «wilder Hund» oder «Ninja Turtle» (Ex-Trainer Thorsten Fink), ist sonst aber ein vorbildlicher Profi, der sich in Basel noch immer in der Garderobe der «Kleinen» umzieht, obwohl er sich den Zutritt zur VIP Garderobe längst erspielt hat. Shaqiri ist klein wie ein Dackel (1,69 Meter), hat aber die dickeren Waden (41,5 Zentimeter) und den grösseren Oberschenkelumfang ( 60 Zentimeter) als Roberto Carlos, das legendäre Kraftpaket von Real Madrid. Dass Shaqiri meist nicht die von ihm so geliebte klassische «Nummer 10 » spielen darf, ist im Prinzip völlig egal. Denn welche Position auch immer er besetzt: Sein extravaganter Körperbau, spektakulärer Spielstil und die unbekümmerte Wortwahl machen Xherdan Shaqiri zum Publikumsliebling und Glamfaktor ein jeder Mannschaft. (sib)

Das Talent von Granit Xhaka ist nicht offensichtlich. Kaum einmal tritt er spektakulär in Erscheinung, selten gibt er einen Assist und noch seltener schiesst er ein Tor. Trotzdem ist er das Scharnier im Mittelfeld. Seine Werte sind hervorragend. Betrachtet man die vier wichtigsten ChampionsLeague-Spiele von Basel diese Saison gegen Manchester United und Bayern München, gab Xhaka jeden fünfeinhalbten Pass seines Teams. Beim 1:0 -Sieg gegen die Bayern fand sich unter den zehn Spielern mit den meisten Pässen nur ein Schweizer. Xhaka – wer sonst! Und mit 84 Prozent (von 265 Pässen) lag auch die Passgenauigkeit über dem Durchschnitt seines Teams ( 80 Prozent). Granit Xhaka ist der unbestrittene Boss dieser Generation. «Ich rede auf dem Platz viel und habe vor niemandem Angst », verkündete er beim Übertritt zu den FCB -Profis, «Ich bin froh, dass in der Mannschaft keiner ein Problem damit hat, wenn ein 18 - Jähriger Ansagen macht.» (sib)

Was besitzt das Schweizer Olympia-Team, was jeder zweiten Nationalmannschaft fehlt ? Ein richtig guter Linksverteidiger. Ricardo Rodríguez ist eine der Teamstützen und ein Avantgardist. Er interpretiert die Rolle des Aussenbacks erfrischend offensiv, ist schnell, dribbelstark, schusskräftig, und auch unter Druck huldigt der 20 -Jährige dem gepflegten Spielaufbau. Sein Aufstieg begann 2009 mit dem WM -Titel der U17-Nationalmannschaft und Rodríguez als drittbestem Torschützen. Diesen Frühling wurde er zum Rekordtransfer des FC Zürich: Weit über 10 Millionen Franken blätterte Wolfsburg für ihn hin. Als man Wolfsburg-Trainer Magath für den Einkauf kritisierte, antwortete er: «Ich weiss, was ich tue!» – und machte Rodríguez zum Stammspieler. Dieser hatte bei seinem ersten Bundesligaspiel die meisten Ballberührungen ( 83 ), gab am meisten Torschussvorlagen (4) und trat die Eckbälle. So viel Selbstbewusstsein wünscht man dem ganzen Schweizer Olympia-Team. (sib)

Admir Mehmedi – der Vollstrecker

Silvan Widmer – der Aufsteiger

Pierluigi Tami – der Architekt

Er war der Held, der im EM -Halbfinal den 1: 0 -Siegestreffer erzielte, womit die OlympiaTeilnahme unwiderruflich feststand. Doch nicht bloss deshalb gehört der sanft wirkende Lockenkopf mit den melancholischen Augen zu den Schwergewichten des Teams. Admir Mehmedi ist wohl der kompletteste Stürmer seiner Generation: physisch und läuferisch stark, technisch begabt und spielintelligent wie ein Mittelfeldstratege. Nach der überragenden EM wechselte Mehmedi für fünf Millionen Franken vom FCZ zu Dynamo Kiew. «Destination Abstellgleis» heulten die Medien, aber der 21-Jährige hat sich mittlerweile auch im ukrainischen Stahlbad durchgesetzt. Dabei profitierte er von seiner vielleicht wichtigsten Eigenschaft: dem tadellosen Charakter. Denn der Sohn eines albanischen Pizzaiolos hat nie vergessen, was malochen bedeutet: «Wenn ich von Papi einen Zweifränkler Sackgeld erhielt, fühlte ich mich als reicher Mann.» (mk)

«Silvan who?» Ist Ihnen dieser Name bisher entgangen, befinden Sie sich in bester Gesellschaft. Auch der Fussballverband hatte Silvan Widmer bis vor Kurzem nicht auf dem Radar, und sein Stammverein FC Aarau wollte ihn bereits aussortieren. Doch im Sommer 2011 bekam er dort die letzte Chance, und seither durchlebt der 19 -Jährige den rasantesten Aufstieg des Olympia-Teams. Innerhalb von neun Monaten wurde er zum Leistungsträger bei Aarau, Kapitän der U19 und Debütant in der U21-Auswahl. Der aufsässige Rechtsverteidiger mit Offensivqualitäten wird gerne mit Stephan Lichtsteiner verglichen, er gilt als «Vorbild in Sachen Winnermentalität » ( U19 -Trainer Castella). «Silvan who?» dürften sich auch interessierte Scouts bei den Olympischen Spielen fragen. Doch zu spät. Ab 2013 – nach Abschluss der Matura – spielt Widmer für Udine. Wie einst Gökhan Inler. Auch der wurde lange unterschätzt – und ist heute der teuerste Schweizer Fussballer aller Zeiten. (mk)

Für den Assistenztrainer gilt das Prinzip Derrick. Er ist «Harry», der auf dem Platz noch die Bälle einsammelt, während der Chef die Lorbeeren einfährt. Vier Jahre lang erfüllte Pierluigi Tami für Köbi Kuhn und Ottmar Hitzfeld klaglos diesen Job, ehe er zum U21-Trainer aufstieg – und postwendend Vize-Europameister wurde. Der Tessiner ist ein Symbol für die vielen erfolgreichen Ausbildner des Fussballverbandes: Er ist zurückhaltend, gewissenhaft, analytisch. Doch hinter dieser Fassade versteckt sich Chef-Material. Hitzfeld schätzt sein taktisches Genie; U17-Trainer Ryser seine Fähigkeit, einen Teamspirit zu schaffen; und der Technische Direktor Knäbel betont seine Authentizität und Konsequenz. Gelingt dem 50 -Jährigen ein erfolgreiches Olympia-Turnier, ist für ihn künftig vieles möglich. Selbst die Nachfolge Hitzfelds. Eine Chance, die Harry nie bekam: Der wurde mit Derrick zwangspensioniert. (mk)

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nr. ROGER FEDERER DER EINZIGARTIGE EINE ODE AN DAS TENNISIDOl, DAS DEN SpORT ZuR KuNST ERhOBEN hAT.

Foto: Scott Barbour, Getty Images

Von David Foster Wallace, geschrieben 2006 für die « New York Times»

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ast jeder Tennisfan, der die grossen herrenturniere vor dem Fernseher verfolgt, hat in den vergangenen Jahren das erlebt, was man einen Federer-Moment nennen könnte. Das sind die Momente, in denen man dem Schweizer mit offenem Mund und weit aufgeris senen Augen zusieht und dabei laute ausstösst, dass die Frau aus dem Nachbarzimmer kommt, um zu schauen, ob sie den Notarzt rufen soll. Noch intensiver sind diese Momente, wenn man selbst Tennis gespielt hat und weiss, dass das gerade Gesehene im Grunde unmöglich ist. Vierter Satz, Finale der uS Open 2005 , Roger Federer schlägt auf gegen Andre Agassi. Zuerst ist es das typische hin und her des modernen power-Grundlinienspiels, Federer und Agassi hetzen einander von einer Seite zur anderen, bis schliesslich Agassi einen Ball gegen Federers laufrichtung schmettern kann, eigentlich ein tödlicher Ball. Federer ist noch im linken Feld, fast schon an der Mittellinie, doch er schaltet irgendwie auf umkehrschub, macht drei, vier unglaublich schnelle Schritte zurück und schlägt, das ganze Gewicht nach hinten verlagernd, aus der linken Ecke eine Vorhand, der Ball passiert Agassi, Federer tänzelt noch, während der Ball aufspringt. Entsetztes Schweigen bei den New Yorker Zuschauern, bevor die Menge explodiert. John McEnroe, der das Spiel im Fernsehen kommentiert, sagt (mehr oder weniger zu sich selbst, so klingt es jedenfalls): «Wie kann man aus dieser position einen solchen Ball schlagen?» Es war unmöglich. Es war wie eine Szene aus dem Film «Matrix», in der die Grenzen der Schwerkraft nicht mehr gelten. Ich weiss nicht, welche Geräusche ich gemacht habe, aber meine Frau sagt, überall auf der Couch habe popcorn gelegen, und ich sei mit weit aufgerissenen Augen vor dem Bildschirm gekniet.

besonderer Art; man könnte sie als kinetische Schönheit bezeichnen, als eine Schönheit der Bewegung. Ihre Anziehungskraft ist universell, und sie hat nichts mit Sex zu tun, nichts mit kulturellen Normen, sondern mit den anscheinend grenzenlosen Möglichkeiten eines menschlichen Körpers. Im Männersport redet natürlich niemand von Schönheit oder Anmut der Körper. Männer reden vielleicht von ihrer «liebe» zum Sport, aber diese liebe hat immer etwas Kriegerisches: Angriff, Gegenangriff, Rang und Status, Zahlenvergleiche, technische Analysen, regionale oder nationale leidenschaften, uniformen, Massenjubel, Fahnen, Kriegsbemalung, Drohgebärden und so weiter. Die meisten von uns fühlen sich in der Sprache des Krieges sicherer als in der Sprache der liebe. Die Schönheit eines Spitzenathleten lässt sich unmöglich direkt beschreiben. Federers Vorhand beispielsweise erinnert mich an einen peitschenhieb. Sein Slice mit der einhändigen Rückhand ist derart angeschnitten, dass der Ball in der luft Figuren beschreibt und auf dem Gras höchstens bis auf Knöchelhöhe aufspringt. Sein Aufschlag ist so schnell und genau und variantenreich, wie ihn kein anderer Spieler schafft. Federers Antizipation und sein Gespür für den platz sind legendär, seine Beinarbeit ist unerreicht – als Kind war er ein sehr guter Fussballer.

«Federer spielen zu sehen, ist wie eine ‹religiöse Erfahrung›. Das klingt nach Übertreibung, trifft aber den Kern der Sache.»

Nicht fernsehtauglich

All das stimmt, und doch erklärt es im Grunde nichts und vermittelt auch nicht, was es heisst, die Schönheit und die Genialität von Federers Spiel mit eigenen Augen zu sehen. Man muss sich Federers ästhetischen Qualitäten anders nähern, durch umschreibungen zum Beispiel oder so wie der Theologe Thomas von Aquin sich seinem Gegenstand näherte – indem er definierte, was Gott nicht ist. Zum Beispiel ist Federers Schönheit nicht fernsehtauglich, jedenKinetische Schönheit falls nicht ganz. Tennis im Fernsehen hat Vorteile, aber die WiederDas jedenfalls war so ein Federer-Moment, obwohl ich ihn nur im holungen in Zeitlupe und die Nahaufnahmen schaffen nur eine Illusion Fernsehen erlebt habe und obwohl natürlich Tennis im Fernsehen von Nähe, während sich der Zuschauer in Wahrheit gar keine Vorstelsich zu real erlebtem Tennis verhält wie ein pornofilm zu real erlebter lung davon machen kann, wie viel bei der Übertragung verloren geht. liebe. Roger Federer ist der vielleicht beste Tennisspieler aller ZeiReales Tennis ist dreidimensional, das TV -Bild aber nur zweiten. Seine herkunft, sein Elternhaus in Basel, sein enges Verhältnis dimensional. Verloren geht die tatsächliche länge des Spielfelds zu seinem Trainer, der 2002 bei einem unfall tödlich verunglückte, (knapp 24 Meter zwischen den Grundlinien) und die Geschwindigseine vielen Turniersiege und Grand Slams, die Rolle seiner Frau, die keit, mit der der Ball diese Entfernung zurücklegt – auf dem Bildmit ihm auf Reisen geht (selten im herrentennis) und sich um seine schirm wird das nicht fassbar, auf dem platz erfüllt es den Beobachter Vermarktung kümmert (einmalig im herrentennis), seine psychische mit ehrfürchtigem Staunen. Gehen Sie mal zu einem profiturnier, wo Stärke, seine Fairness, seine Grosszügigkeit – all das ist bekannt Sie nur ein paar Meter neben der Seitenlinie sitzen, und erleben Sie, und kann mit einem Mausklick im Internet abgerufen werden. wie hart die profis den Ball schlagen und wie wenig Zeit ihnen bleibt, und doch: Sieht man Roger Federer live spielen, ist das so etwas ihn zu erwischen, wie schnell sie sich bewegen und schlagen und wie eine «religiöse Erfahrung». Das klingt wie eine Übertreibung, sich wieder neu orientieren. und niemand ist schneller und scheintrifft aber den Kern der Sache. Im leistungssport geht es nicht um bar müheloser als Roger Federer. Was im Fernsehen interessanterSchönheit, aber der Spitzensport ist ein Ort, an dem sich mensch- weise deutlich wird, ist Federers Intelligenz. Federer besitzt wie kein liche Schönheit zeigt. Diese Schönheit, um die es hier geht, ist von anderer die Fähigkeit, den richtigen Winkel für einen Schlag zu >

Fotos: Karl Scheuzger | Bob Thomas, Getty Images | Clive Rose, Getty Images for laureus | Thomas Coex, AFp photo | Reuters | Rick Maiman, Bloomberg via Getty Images | Clive Brunskill, Getty Images | Kevin lamarque, Reuters | Robbie Federer | Juan Medina, Reuters | patrick Kovarik, AFp photo

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1985 Basel

1998 Wimbledon

Die Basis des Erfolgs: Training ab 3 Jahren.

Beginn einer grossen Liebe: JuniorenSieger auf dem heiligen Rasen.

2003 Wimbledon

2004 Australian Open

Die Tränen nach dem ersten von bisher sechs WimbledonSiegen bei den Profis.

2005 Weltsportler Die erste von vier Krönungen zum «Weltsportler des Jahres».

Der erste Sieg in Melbourne und Aufstieg zur Nummer 1 der Welt.

Game, Set, Match

2008 US Open Yes! Der fünfte US-Open-Titel in Serie.

Stationen einer Weltkarriere

2008 Beijing

2008 Wimbledon

2009 French Open

Olympia-Gold im Doppel mit Stanislas Wawrinka.

Die bitterste Stunde: Niederlage gegen Erzrivale Nadal nach einem epischen Finale.

Sieg in Paris und damit in allen vier Grand-Slam-Turnieren erfolgreich.

2009 Dubai

2012 Madrid

Hochzeit mit Mirka und Geburt der Zwillinge Charlene Riva und Myla Rose.

Der 74. Sieg auf der ATP -Tour und die Rückkehr auf Platz 2 der Weltrangliste.

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Sport

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3 Customer Magazines B2C 67 20

Helden

uns hier im Bereich von Reflexen, von unbewusst ablaufenden phy- Wimbledon-Finale, 9 . Juli 2006 , zweiter Satz des Finales. Federers sischen Reaktionen. und doch hängt ein erfolgreicher Aufschlag- Gegner ist der Spanier Rafael Nadal, der sehr jung ist und einen return von vielen Entscheidungen und physikalischen Feinabstim- mächtigen Bizeps besitzt, ein geradezu prototypischer Spieler des mungen ab, die weitaus komplexer und gezielter sind, als es ein modernen power-Tennis. Nadal führt 2 : 1 und schlägt auf. Federer hat den ersten Satz zu null gewonnen, doch dann lässt er ein wenig Blinzeln oder ein erschrockenes Zusammenzucken erfordern. Ein erfolgreicher Aufschlagreturn verlangt kinästhetisches Ge- nach, wie das manchmal bei ihm vorkommt, und rasch liegt er ein spür, das heisst: die Fähigkeit, den Körper und seine künstliche Break zurück. Nadal ist deswegen ein so unangenehmer Gegner, weil er schneller ist als die anderen, weil er all Verlängerung durch komplexe, blitzschnelle die Bälle erreicht, die sie nicht erreichen. Im Reaktionen zu steuern. Also: Gespür, AntiziVerlauf dieses Ballwechsels schlägt Federer pation, Ballgefühl, Auge -hand-Koordination, Bewegungsfluss, Reflexe und dergleichen mehrmals hintereinander mit einem Slice auf mehr. Für talentierte Jugendspieler geht es die beidhändige Rückhand Nadals, der wie im Training vor allem darum, ihre kinästhehypnotisiert wirkt und zwischen den Balltische Wahrnehmung zu verfeinern. Trainiert wechseln nicht mehr in die Mitte der Grundwerden sowohl Muskeln als auch Nervenlinie zurückläuft. Federer schlägt nun eine bahnen. Wer täglich Tausende Bälle schlägt, extrem harte Rückhand mit tiefem Topspin in entwickelt die Fähigkeit, durch Gespür und Nadals Vorhandecke, Nadal erwischt den Ahnung etwas zu bewältigen, was mit beBall und schlägt ihn cross, Federer antwortet wusstem Denken nicht möglich ist. Weil das mit einer noch härteren cross geschlagenen nur mit viel Zeit und Disziplin erreicht werden Rückhand bis zur Grundlinie, Nadal schlägt kann, fangen Top-Tennisspieler meist schon den Ball wieder in Federers Rückhandecke früh an. Federer hat mit 16 die Schule verund läuft schon zur Mitte zurück, während lassen und gewann bald den Juniorentitel in Federer nun eine völlig andere Rückhand Wimbledon. Dafür aber braucht es mehr als schlägt, cross, aber sehr viel kürzer und in nur Zeit und Training – eben Talent. Federers einem steileren Winkel, den niemand erwarten würde, und mit so viel Topspin, dass der herrschaft liesse sich also damit erklären, dass er kinäs-thetisch etwas begabter ist als seine Konkurrenten. Ball knapp vor der Seitenlinie landet und hart wegspringt, unerreichNur ein kleines bisschen begabter, denn jeder unter den Top 100 bar für Nadal. Ein spektakulärer Schlag, ein Federer-Moment. ist hinreichend begabt, aber wie gesagt, beim Tennis geht es um Wer diese Szene live verfolgt hat, konnte auch sehen, dass Federer Mikrometer. den entscheidenden Schlag mit vier oder fünf Schlägen vorbereitet hatte. Alles, was nach dem ersten longline -Slice kam, sollte Nadal Wie Mozart in einem Metallica-Konzert einlullen und seinen Rhythmus stören, ihn aus der Balance bringen Diese Erklärung ist plausibel, aber unvollständig. 1980 wäre sie ver- und schliesslich diesen letzten, unglaublichen Ball ermöglichen. mutlich vollständig gewesen. Doch heute stellt sich die Frage, warum Federer ist ein erstklassiger, kraftvoller power-Grundlinienspieler, es noch immer auf diese Sorte Talent ankommt. Roger Federer do- aber noch viel mehr. Da ist seine Intelligenz, seine Antizipation, sein minierte das grösste, stärkste, fitteste, besttrainierte Feld im profi- Gefühl für den platz, sein Talent, den Gegner zu lesen und zu domiherrentennis aller Zeiten, in dem Schläger verwendet werden, von nieren, Drall und Tempo zu kombinieren, zu täuschen, taktische denen es heisst, sie würden die kinästhetischen Talente der Spieler Voraussicht und kinästhetische Fähigkeiten einzusetzen statt nur überflüssig machen – so als wollten sie während eines Metallica- schieres Tempo. Federers Spiel zeigt die Grenzen – und die Möglichkeiten des herrentennis von heute. Konzerts Mozart pfeifen. All das mag vielleicht etwas überzogen klingen und allzu bewunTatsächlich ist es so, dass die modernen Grafitschläger um einiges leichter und grösser sind als die alten holzschläger. Bei einem dernd, doch wir sollten wissen, dass im Fall Roger Federer nichts modernen Schläger muss man den Ball nicht exakt in der geomet- überzogen klingen kann. Er zeigt, dass Geschwindigkeit und härte rischen Mitte der Bespannungsfläche treffen, um ein hohes Tempo nur das Skelett des modernen herrentennis sind, aber nicht das zu produzieren, oder genau den richtigen punkt, um ihn mit Topspin Fleisch. Federer hat das herrentennis neu erfunden, er verkörpert zu schlagen. Diese Schläger ermöglichen wesentlich schnellere und es, buchstäblich und im übertragenen Sinne. < härtere Grundlinienschläge als noch vor 20 Jahren. Im Vergleich zum altmodischen Serve -and-Volley oder zu den ermüdenden Grundlinienduellen von früher ist das moderne hochgeschwindigkeitsGrundlinienspiel nicht langweilig, aber es ist relativ statisch und begrenzt. Es ist aber nicht, wie Tennisgurus seit Jahren befürchten, der © 2006 «The New York Times» / Distributed by «The New York Times» Endpunkt des Tennissports. und genau das beweist Roger Federer. Aus dem Amerikanischen von Matthias Fienbork

«Er zeigt, dass Geschwindigkeit und Härte nur das Skelett des modernen Tennis sind, aber nicht das Fleisch.»

Momente für die Ewigkeit Seit der Sport im 20. Jahrhundert seinen Siegeszug als Massen bewegung angetreten hat, schenkt er uns magische Momente, die in unserem kollektiven Gedächtnis fest verankert sind. Momente unvorstellbarer körperlicher Leistungen, mentaler Heldentaten, menschlicher Tragödien. Das Portfolio mit Bildern, die die Welt bewegten. Texte von Michael Krobath und Simon Brunner

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3 Customer Magazines B2C 68 1968

1973

Bob Beamon

Secretariat

Bob Beamon trainierte vor den Olympischen Spielen in Mexiko sechs Monate lang ohne Coach und qualifizierte sich dort erst mit dem dritten und letzten Sprung fürs Finale. Doch dann schrieb der Amerikaner mit seinem ersten Sprung Geschichte. Er landete bei 8,90 Metern und übertraf den bisherigen Weltrekord um 55 Zentimeter. «Jetzt sehen wir alle aus wie Deppen», sagte der neuntplatzierte Brite Lynn Davies, «du hast den Wettkampf zerstört.» Beamon kam danach nie mehr auch nur in die Nähe seines Jahr­ hundertsprungs. Wenige Jahre später beendete der New Yorker seine Karriere und betätigte sich als Sozialarbeiter. Sein Weltrekord wurde erst im Jahr 1991 durch Mike Powell gebrochen.

Fotos: Oliver Multhaupt, dpa Picture -Alliance, Keystone | Bettmann, Corbis | Richard Mackson, Sports Illustrated, Getty Images

Viele halten ihn für das beste Rennpferd aller Zeiten. 1973 gewann Secretariat die Triple Crown – das Kentucky Derby, die Preakness Stakes und die Belmont Stakes. Bei Letzteren siegte er mit 31 Längen Vorsprung, was als eine der grössten sportlichen Leistungen aller Zeiten gilt. Als er 1989 starb, wurde bei einer Autopsie festgestellt, dass er buchstäblich ein grosses Herz hatte. Ein normales Pferdeherz wiegt zirka 3,2 Kilo, seines wog 9,6 Kilo.

2002 Simon Ammann

Foto: Bettmann, Corbis

Simon Ammann, hier bei einem Trainingssprung an den Olympischen Spielen 2002, ist der grösste Winterolympionike, den die Schweiz je hatte: Vier Goldmedaillen gewann er in Salt Lake City (2002) und Vancouver (2010). Ammann betreibt nicht die Nationalsportart Skifahren, sondern er springt mit Skiern über eine Schanze – eine Beschäftigung, der neben ihm nur gerade 200 Menschen in der Schweiz nachgehen. Dass er in den Medien gerne als etwas skurriler Clown (Spitzname «Harry Potter») dargestellt wird, stört ihn wenig: «In Amerika hat mir das eine ungeheure Popularität verschafft.» Die Bücher und Filme über den Zauberlehrling Potter interessieren den Ingenieur­Studenten allerdings wenig. Warum? «Es reizt mich einfach überhaupt nicht. Für mich ist das zu viel Kommerz.»

Rikidozan Er hat für Japan dieselbe Bedeutung wie das «Wunder von Bern» für Deutschland: Rikidozan erlöste sein Land in den 1950er­Jahren aus der tiefen Nachkriegsdepression. Mit seinen reihenweisen Siegen gegen amerikanische Profi­Wrestler, die landesweit im TV über tragen wurden, impfte er der Nation neues Selbstbewusstsein ein. Dabei spielte es keine Rolle, dass – wie immer in dieser Sportart – auch seine Kämpfe im Vorfeld abgesprochen waren.

1908

1968

1963

Pelé

1948

Pietri Dorando

Fanny Blankers­Koen

Beim Olympischen Marathon bog der Italiener als Erster ins Stadion ein. Er war so dehydriert, dass er zuerst die verkehrte Richtung einschlug und danach mehrmals kollabierte. Als er auf den letzten zwei Metern zum fünften Mal zusammenbrach, halfen ihm Kampfrichter über die Ziellinie. Dorando wurde disqualifiziert und ging als tragischer Held in die Geschichte ein.

Mit 21 Weltrekorden in sechs verschiedenen Disziplinen war die Holländerin eine der erfolgreichsten Leichtathletinnen überhaupt. Bei den Olympischen Spielen 1948 ging «die fliegende Hausfrau» viermal an den Start und gewann viermal Gold. Einen Babysitter hatte sie nicht. Die beiden Kinder mussten immer mit ins Stadion – sie spielten am Rande.

Tommie Smith, John Carlos (r.) Ihr Protest macht sie weltberühmt: Die beiden 200­Meter­Läufer Tommie Smith und John Carlos solidarisierten sich bei der Olympischen Siegerehrung mit der afro amerikanischen Bürger­ rechtsbewegung. Doch statt Beifall für ihre sportliche Leistung ernteten sie Hass für ihre Geste. Nachdem die Hymne gespielt war, pfiffen die Menschen im Stadion von Mexiko­Stadt und das amerikanische IOC schickte die beiden umgehend nach Hause. Was kaum jemandem aufgefallen war: Peter Norman, der dritte Mann auf dem Podest, hatte sich solidarisch gezeigt mit Smith und Carlos: Auch auf seiner Brust prangte ein Button des «Olympic Project for Human Rights ».

Fotos: Keystone, AP Photo | Sankei Archive, Getty Images | Hulton Archive, Getty Images | Keystone, EPA DPA, STR | Rolls Press, Popperfoto, Getty Images

1958 Die WM in Schweden war der Auftakt einer Karriere, die Pelé zu unglaublichen 1281 Toren und drei WM­Titeln führte. Zum Vergleich: Messi hat noch keine 300 Tore geschossen und null WM­Pokale gestemmt. Pelé erzielte in Schweden sechs Tore, weinte hemmungslos bei der Siegerehrung und verband die Rückennummer 10 unsterblich mit seinem Namen.

1989 Joe Montana Er ist der populärste Footballspieler aller Zeiten und glänzte durch die Fähigkeit, scheinbar verlorene Spiele aus dem Feuer zu reissen. Legendär ist der Super Bowl XXIII, als seine San Francisco 49ers gegen die Cincinnati Bengals kurz vor Schluss noch 92 Yards erobern und einen Touchdown erzielen mussten. Joe «Cool» führte seine Teamkameraden in aller Seelenruhe zum Sieg – und hielt dabei noch nach Prominenten im Publikum Ausschau.

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3 Customer Magazines B2C 69 1984 Nawal el Moutawakel Sie war 22 Jahre alt, als Nawal el Moutawakel für eine «kleine Revolution» sorgte, wie sie es danach selber nannte. Bei den Olympischen Spielen in Los Angeles siegte die Marokkanerin über die 400 Meter Hürden und wurde damit die erste Olympia­ Siegerin aus Afrika und aus einem muslimischen Land. König Hassan II. ordnete an, dass alle Mädchen, die an diesem Tag geboren wurden, ihren Namen tragen. Heute ist Nawal el Moutawakel führendes Mitglied des IOC, und sie gilt als mächtigste Frau des olympischen Sports.

Fotos: dpa Picture -Alliance, Keystone | Marc Francotte, TempSport, Corbis | Mary Evans Picture Library, Interfoto

Björn Borg

1988 Greg Louganis

1987

Olympische Sommerspiele, Seoul. Der eleganteste Wasserspringer aller Zeiten setzt im Finale vom Drei­Meter­Brett zum zweieinhalb fachen Hechtsprung an. Plötzlich geht ein schockiertes Raunen durchs Stadion: Der Amerikaner schlägt mit dem Kopf auf das Brett auf. Benommen klettert er aus dem Pool und lässt die klaffende Platzwunde behandeln. Was der Arzt, der ihn ohne Handschuhe behandelt, zu diesem Zeitpunkt nicht weiss: Louganis ist HIV­positiv. Er hatte seine Krankheit verschwiegen, offenbar aus Angst vor Ausgrenzung, und machte sich deswegen später grosse Vorwürfe. Louganis konzentriert sich schon während der Behandlung wieder auf den Wettkampf – und springt Minuten danach zu seinem vierten Olympia­Gold.

Pirmin Zurbriggen Er gewann viermal den Gesamtweltcup und Rennen in sämtlichen fünf Disziplinen: Der Walliser ist der herausragendste Schweizer Skifahrer aller Zeiten. Zum Mythos machte ihn aber eine wundersame Heilung. Kurz vor der Heim­WM 1987 in Crans­Montana riss der linke Meniskus. Tage darauf verfolgte die «Tagesschau», wie Zurbriggen in den Operationssaal geschoben wurde, wo man sein Knie mit der neu entwickelten Arthroskopie­Methode operierte. Drei Wochen später gewann das «Knie der Nation» an der WM zweimal Gold und einmal Silber.

1936 Jesse Owens Die Olympischen Spiele in Berlin sollten ein Beweis für die Rassentheorie der Nationalsozialisten liefern. Doch Jesse Owens, der farbige Enkel von Sklaven aus Alabama, zerstörte diese Absicht, indem er vier Goldmedaillen gewann. Das machte ihn zwar zu einer historischen Figur, aber US­Präsident Roosevelt gratulierte ihm weder schriftlich noch lud er ihn jemals ins Weisse Haus ein. Nach seiner Rückkehr in die Heimat startete er auf Tingeltouren durch die Provinz gegen Rennpferde, Windhunde und Motorräder. Später entschuldigte er sich dafür: «Es war schlimm, aus olympischen Höhen hinabzusteigen und gegen Tiere anzutreten, aber ich musste irgendwie überleben, die vier Goldmedaillen konnte man ja nicht essen.»

2011 Michael Phelps Weil man bei ihm ADHS diagnostiziert hatte, begann er mit sieben zu schwimmen, um überschüssige Energie loszuwerden. Mit 15 erzielte er seinen ersten Weltrekord, mit 16 den ersten WM­Titel und mit 19 gewann er sechsmal Olympia­Gold. Dann kamen die Olympischen Spiele 2008: Phelps holte acht weitere Goldmedaillen und ist damit der erfolgreichste Olympionike aller Zeiten. Sein Sieg im siebenten Rennen fiel bloss um eine Tausendstelsekunde aus und war höchst umstritten. Die Zeitnehmer gaben später zu, dass sein Konkurrent Milorad Cavic zuerst die Beckenwand berührt hatte. Doch hätte dieser zu wenig fest ange schlagen, um registriert zu werden.

Foto: Francois Xavier Marit, AFP Photo

Fotos: Rich Clarkson, Time & Life Images, Getty Images | Walter Iooss Jr., Sports Illustrated, Getty Images

1980 Er revolutionierte die Technik des Tennisspiels. Er war so fit, dass seine Gegner sich nicht daran erinnern können, ihn jemals auch nur schwer atmen gesehen zu haben. Und er war so cool, dass er nur «Ice­Borg» genannt wurde. Nie war ihm diese Ruhe mehr von Nutzen, als im legendären Wimbledon­Finale 1980 gegen John McEnroe. Der Schwede führte mit 2 zu 1, als es im vierten Satz zu jenem Tiebreak kam, der für viele schlicht als «The Tiebreak» gilt – zu einem dramatischen Wechselspiel von Match­ und Satzbällen, das 34 Punkte und 22 Minuten dauerte und das McEnroe mit 18 zu 16 gewann. Statt einzubrechen, spielte Borg einen brillanten fünften Satz. Nach 3 Stunden 52 Minuten sank er erlöst in die Knie: Als Erster hatte er in Wimbledon fünfmal in Serie gewonnen.

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3 Customer Magazines B2C 70 1990 Kelly Slater

Foto: Raymond Depardon, Magnum Photos

Selten gibt es einen Sportler, der eine Sportart derart definiert hat. Er gewann bisher elf WM­Titel und war der Erste, der eine glatte 20 fuhr (die maximale Punktzahl in den zwei Finalläufen). Slater ist längst Teil des Showgeschäfts. Er war unter anderem liiert mit Topmodel Gisèle Bündchen und spielte einmal in der US­Serie «Baywatch» mit. 2010 ehrte ihn das amerikanische Repräsentantenhaus für seine «ausser gewöhnlichen und beispiellosen Leistungen in der Welt des Surfens und dafür, dass er ein Botschafter des Sports und ein grosses Vorbild ist.» Inzwischen ist Slater 40 Jahre alt. Seine aktuelle Position in der Weltrangliste: Platz 1.

Foto: Neil Leifer, Sports Illustrated, Getty Images

Foto: Jeff Divine

1976

1965 Muhammad Ali Als der «Sportler des Jahrhunderts» (IOCO) 1964 zum WM­Kampf antrat, hiess er noch Cassius Clay. Zwar trug er bereits den Übernamen «The Louisville Lip», weil er gerne eine grosse Lippe riskierte, aber gegen Sonny Liston war der 22­Jährige ein derartiger Aussenseiter, dass 43 der anwesenden 46 Journalisten auf seine Niederlage tippten. Clay gewann und schrie den Reportern sein weltberühmtes «I’m the greatest» entgegen. Am 25. Mai 1965 – Clay nannte sich inzwischen Muhammad Ali – kam es in Lewiston zur Revanche. Bereits in der 1. Runde lag Liston auf dem Boden und verlor den Kampf durch K.o. Viele Zuschauer witterten einen Betrug. Doch in der Zeitlupe sah man, dass Liston schwer von Ali getroffen worden war. Dieser blitzschnelle Schlag ging als «Phantom Punch» in die Geschichte ein.

1986

Nadia Coma˘ neci

Diego Armando Maradona

Ein zierliches Mädchen (1,50 Meter gross, 39 Kilo schwer) aus Rumänien machte bei den Europameisterschaften 1975 mit vier Goldmedaillen erstmals auf sich aufmerksam. Ein Jahr später, bei den Olympischen Sommerspielen in Montreal, wurde Nadia Coma˘neci unsterblich. Für ihre Darbietung am Stufenbarren erhielt die 14­Jährige von den Punktrichtern eine glatte 10,0. Die Note wurde als 1,00 angezeigt, denn die Anzeigetafel konnte keine zweistelligen Zahlen darstellen. Warum auch? Die Höchstnote 10,0 galt als unerreichbar und war noch nie zuvor vergeben worden. In der Folge turnte sie bei diesen Spielen weitere sechs Mal die «perfekte Zehn» und gewann dreimal Gold sowie je einmal Silber und Bronze.

Im WM­Viertelfinale zwischen Argentinien und England stand es 1 zu 0. Dann kam die 55. Minute: Maradona setzte zu einem 60­Meter­Solo an und erzielte das Tor des Jahrhunderts. Keiner beschrieb es schöner als der Radiokommentator Víctor Hugo Morales: «Ta, ta, ta … Gooooooaal … Ich will weinen … Heiliger Gott, es lebe der Fussball! Ein Wundertor von Diegoo … Maradona … ich muss weinen, bitte entschuldigen Sie … Maradona in einem epochalen Solo, der Spielzug aller Spielzüge … kosmischer Drachen: Von welchem Planeten bist du herabgestiegen und hast unterwegs so viele Engländer stehen gelassen? … Diego! Diego! Diego Armando Maradona! Dank dir, Gott – für den Fussball, für Maradona, für diese Tränen, für dieses Argentinien 2, England 0.»

“Float like a butterfly, sting like a bee. His hands can’t hit what his eyes can’t see.”

Muhammad Ali

«Schwebe wie ein Schmetterling, stich wie eine Biene. Seine Hände können nicht treffen, was seine Augen nicht sehen können.» Muhammad Ali

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3 Customer Magazines B2C 71

355 CHRISTOPHORUS APRIL MAI 2012

PUR. PASSION. PERFORMANCE. PORSCHE HEFTPREIS 8,- EURO

GRAN TURISMO SPORT CAYENNE GTS

PANAMERA GTS

911 CARRERA GTS

CAYENNE GTS, CO2 -Emission: 251 g/km, Verbrauch: innerorts: 14,8 l/100 km, außerorts: 8,5 l/100 km, kombiniert: 10,7 l/100 km; PANAMERA GTS, CO2 -Emission: 256 g/km bis 251 g/km, Verbrauch (kombiniert): 10,9 l/100 km bis 10,7 l/100 km; 911 CARRERA GTS (TYP 997), CO2 -Emission: 263 g/km bis 240 g/km, Verbrauch (kombiniert): 11,2 l/100 km bis 10,2 l/100 km

cpm_355_s001 1

22.03.12 09:41

Christophorus – Das Porsche Magazin, D, Award of Excellence, Photography, Layout, Infographics


3 Customer Magazines B2C 72

CHRISTOPHORUS | 355

CHRISTOPHORUS | 355

HG Merz: Und mein Prototyp ist das fertige

Hans-Peter Bäuerle: Das ist richtig. Wir haben natürlich sogenannte Sitzkisten, die dem Raumgefühl später sehr nahe kommen. Dort testen wir mit Probanden. Wir nennen sie die 5-Prozent-Frauen und die 95-Prozent-Männer. Das heißt: Wir testen mit kleinen Frauen,

Hans-Peter Bäuerle: Sie kriegen das schon hin. Beim Porsche-Museum konnte ich mir auch lange nicht vorstellen, wie das werden soll.

HG Merz: Natürlich hatten wir Renderings,

Hans-Peter Bäuerle: Ich fühle mich jedenfalls im Porsche-Museum gleich wohl. Ich werde irgendwie herzlich empfangen. Und die Großzügigkeit spielt ja hier wohl auch eine Rolle. HG Merz: Die Großzügigkeit spielt in der

Architektur immer eine wichtige Rolle. Im Porsche-Museum haben wir einen verhältnis-

Italien Italien US-Ausg. Austr./NZ Frankr. US-Ausg. Austr./NZ

mäßig kleinen Raum, aber das Glück, dass auch die Fahrzeuge relativ klein sind. Und als Besucher erfasst man den ganzen Raum sowieso erst, wenn man alles gesehen hat, erst dadurch entsteht das subjektive Raumgefühl. Meine Schwiegermutter hat einst ihre Wohnräume in dunklen Tönen streichen lassen, weil diese Räume für sie so etwas wie ein Schutzraum waren. Ich liebe eher das Helle, das Offene – und habe mich deshalb dort nie wirklich wohlgefühlt. Wären die gleichen Räume hell gestrichen gewesen, wären sie besser zur Geltung gekommen und ich hätte mich lieber dort aufgehalten. Hans-Peter Bäuerle: Das subjektive Raumgefühl ist nicht immer so leicht zu steuern. Dabei ist es perfekt, wenn sich die Insassen wohlfühlen, ohne zu wissen, warum. Objektiv kann ich messen, ob der Abstand zwischen der Pedalerie und der Hüfte zu knapp ist. Das machen die Autotester natürlich auch. Aber wenn ich 800 Kilometer fahre, mich wie im Cayenne auch noch bei 150 km/h mit meinen Kindern auf der Rückbank unterhalten kann und nachher entspannt aussteige, sagt das mehr über das Wohl-

„Sie sind der Kandidat, der sich einen Cayenne erfahren muss – und ich bin sicher, Sie werden sich in dem Auto genauso wohlfühlen wie im 911.“ HANS-PETER BÄUERLE

HANS-PETER BÄUERLE

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16.03.12 10:01 cpm_355_s010_012 11

fühlerlebnis im Innenraum eines Autos als alles andere. HG Merz: Das ist das Faszinierende an einem

911. Dass du dich auch auf einer 800-Kilometer-Strecke nicht beengt fühlst. Das ist nicht bei allen Autos so, was schon damit zusammenhängt, dass du im 911 zum Beispiel deinen Arm richtig abwinkeln und einfach locker sitzen kannst. Andere Autos haben genauso viel oder wenig Platz, aber sie sind einfach schlecht gestaltet.

Hans-Peter Bäuerle: Den 911 haben Sie schon

verstanden, das merke ich. Jetzt lade ich Sie noch in den Innenraum eines Cayenne ein, damit Sie Ihre subjektive Wahrnehmung ändern. Sie sind der Kandidat, der sich einen Cayenne erfahren muss – und ich bin sicher, Sie werden sich in dem Auto genauso wohlfühlen wie im 911.

HG Merz: Ein Raumfahrzeug für einen Archi-

tekten. Die Einladung nehme ich gerne an. Das Gespräch wurde aufgezeichnet von Horst Walter.

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Hans-Peter Bäuerle (58) arbeitet seit 34 Jahren bei Porsche. Als Projektleiter Karosserie hat er den Cayenne mit entwickelt.

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Haus. Ich habe nur die eine Chance. Basta. Da finde ich schon bewundernswert, wie Sie vorgehen können und wie das bei einem so komplexen Projekt wie dem Auto im Zusammenspiel von Technikern und Designern abläuft. Man sucht gemeinsam ein Ziel, dann wird optimiert – und erst wenn die Optimierung fertig ist, geht man in Produktion. Bei uns ist vieles intuitiv. Und ist man fertig, würde man es manchmal gern ändern – optimieren eben! Nur: dann steht das Haus für viel Geld.

zeigten Porsche die räumliche Darstellung am Rechner und vor allem am Modell. Das Problem dabei: der Kunde schaut das Modell immer von oben an, so wie später niemand den realen Raum zu sehen bekommen wird. Und ob man sich nachher in den Räumen wohlfühlt, ist nur sehr schwer einzuschätzen. Selbst wenn wir mit einer Kamera durch das Modell fahren, gibt dies nicht wieder, wie wir uns in der Realität darin bewegen. Da spielt ja auch wirklich noch vieles andere mit: wie es riecht, wie es sich anfühlt und so weiter. Solche subjektiv empfundenen Einflüsse sind ganz entscheidend.

neben dem Porsche-Pavillon in der Autostadt Wolfsburg auch an der Staatsoper Berlin. Dort ist unsere Vorgabe: die Akustik muss besser werden. Das geht im Prinzip nur über mehr Volumen. Wenn ich den Raum vergrößere, wirkt er allerdings anders. Das ist bei einer Oper problematisch, weil es extrem wichtig ist, wie die Besucher den Raum erleben. Auch wenn sie drinsitzen und das Licht ausgeht. Dafür würde ich gerne so einen Prototypen bauen, wie Sie das machen.

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CAYENNE, CO 2 -Emission: 270 g/km bis 189 g/km; Verbrauch (kombiniert): 11,5 l/100 km bis 7,2 l/100 km 911 (TYP 991), CO 2 -Emission: 229 g/km bis 194 g/km; Verbrauch (kombiniert): 9,7 l/100 km bis 8,2 l/100 km 911 (TYP 997), CO 2 -Emission: 326 g/km bis 230 g/km; Verbrauch (kombiniert): 13,8 l/100 km bis 9,8 l/100 km

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dass Sie alles entwickeln, real vorführen und testen können. Dann wissen Sie auch, ob sich die Menschen in dem „Raum“ wirklich wohlfühlen.

Aber meinen Chefs mussten Sie sicher auch im Vorfeld schon etwas Erlebbares vorführen.

HG Merz: Doch, schon. Zurzeit arbeiten wir

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HG Merz: Sie haben auch den großen Vorteil,

Hans-Peter Bäuerle: Aber Sie bekommen doch von Ihren Kunden sicher auch Vorgaben – und die Richtung ist vorher klar. Oder nicht?

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die die unteren 5 Prozent der Bevölkerungsgröße repräsentieren, genauso wie mit großen Männern, die nur noch von 5 Prozent in der Größe übertroffen werden. Wir können das Fahrzeug natürlich auch virtuell auf einem 6-mal-4-Meter-Bildschirm räumlich wirken lassen, bevor dann die Prototypen kommen.

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man zunächst auf einem sogenannten Steckbrief mit der Kreativität des Designers zusammenbringen muss. Da wird zum Beispiel über den Deckel des Airbags diskutiert, den Sie als Kunde nachher wahrscheinlich kaum wahrnehmen. Aber: Er soll gut aussehen und gleichzeitig funktionstüchtig sein.

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Illustration: Bernd Schifferdecker

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Hans Günter Merz (64) ist in der Architekturszene nur als HG Merz bekannt. Er hat unter anderem die Innenarchitektur des Porsche-Museums geplant – Heimat auch für den Ur-Porsche Typ 64.

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„Ein 911 ist für mich wie ein Maßanzug. Ich schlüpf rein – und er passt.“

Hans-Peter Bäuerle: Wir haben natürlich allein schon ergonomische Vorgaben. Da ist klar, in welcher Position der Rücken zur Position der Pedalerie sein muss. Auch den Sichtwinkel nach außen können Sie nicht beliebig gestalten oder einfach so, wie wir es schick fi nden würden. Es gibt viele klare Bestimmungen, die

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Hans-Peter Bäuerle: Weil ich einen Cayenne und einen 911 fahre …?

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HG Merz: Wissen Sie eigentlich, weshalb ich Sie

beneide?

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habe nichts gegen den Cayenne oder große Autos. Ich fahre manchmal sogar selber einen VW-Bus, einfach weil es praktisch ist. Ich muss nie überlegen: Passt das denn noch rein? Es hat für alles Platz genug. Aber ein 911 ist für mich wie ein Maßanzug. Ich schlüpf rein – und er passt.

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HG Merz: Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich

HG Merz: Jetzt beneide ich Sie noch mehr! Aber eigentlich beneide ich, mit welch klaren Lastenheften Sie Autos entwickeln können. Wir bekommen oft den Auftrag, großzügige Räume zu bauen, die möglichst kein Geld kosten sollen. Der Kunde hoff t, sein Architekt bringe das schon so großzügig hin – mit diesem Budget! Der Architekt fängt an, eher intuitiv zu entwerfen. Oft sind dann beide Seiten überrascht, dass es sich im Laufe des Prozesses ganz anders entwickelt – und auch teurer wird. In der Automobilbranche läuft das viel klarer.

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noch nie Cayenne gefahren sind.

Auch im Cayenne fühlen Sie sich noch wie in einem Maßanzug. Und Sie haben zusätzlich den Platz, der Ihnen am VW-Bus so gefällt. Da ist wirklich ein Raumfahrzeug entstanden, in dem der Fahrer das Porsche-Gefühl genießen kann. Wir haben damals, bevor wir die dritte Baureihe entwickelt haben, alle SUV, die auf dem Markt waren, gefahren und dabei festgestellt: Man sitzt bei allen Marken immer auf dem Auto. Unser Ziel war es aber, den Innenraum so zu konzipieren, dass der Fahrer im Auto sitzt. Das war schließlich der entscheidende Erfolgsfaktor.

„Das ist das Faszinierende an einem 911. Dass du trotz des dichten Raumgefühls auf einer 800-Kilometer-Strecke keinen Raum vermisst.“

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Hans-Peter Bäuerle: Da merkt man, dass Sie

Hans-Peter Bäuerle: Ich kann Ihnen versichern:

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BEIDE HABEN EIN ZIEL: SIE WOLLEN RÄUME KONSTRUIEREN, IN DENEN SICH MENSCHEN WOHLFÜHLEN. DENNOCH HABEN DER MUSEUMSGESTALTER HANS GÜNTER MERZ UND HANS-PETER BÄUERLE, PORSCHE-PROJEKTLEITER KAROSSERIE FÜR DEN CAYENNE, UNTERSCHIEDLICHE VORGEHENSWEISEN.

HG Merz: Ich bin fest davon überzeugt, dass sich das Selbstwertgefühl des Menschen je nach Raumsituation verändert. Wenn ich jetzt an den 911 denke – da sitze ich sehr direkt, sehr unmittelbar drin, wie ein Rennfahrer. Beim Cayenne, könnte ich mir vorstellen, bin ich eher Kapitän und steuere ehrfürchtig ein großes Schiff.

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„Ich kann Ihnen versichern. Der Cayenne vermittelt ebenfalls dieses unvergleichliche MaßanzugGefühl … Da ist wirklich ein Raumfahrzeug entstanden, in dem der Fahrer das Porsche-Feeling genießen kann.“

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LOGENPLÄTZE: DIE SITZANLAGE IM CAYENNE GTS PASST SICH NOCH BESSER DEN KONTUREN DES KÖRPERS AN.

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Nur die sportlichsten Straßenfahrzeuge jeder Porsche-Baureihe dürfen das Ehrenzeichen GTS tragen, es steht schließlich für „Gran Turismo Sport“. Tradition hat das seit dem Porsche 904, der mit diesem Kürzel die Targa Florio gewinnen konnte.

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DAS OPTIMUM: MEHR LEISTUNG, WENIGER GEWICHT – BEIM GTS STECKT DIE KUNST IM DETAIL.

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Text Johannes Winterhagen Fotografie Rafael Krötz

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Sportlichkeit trägt der Porsche Cayenne in seinen Genen. Doch das ist nicht alles, auch die Erziehung prägt den Charakter. Mit dem Cayenne GTS zeigen die Porsche-Ingenieure, wie sich die Tugenden eines sehr guten SUV noch weiter verbessern lassen.

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Breitschultrig steht er im Raum, groß und stattlich, jedem Sturm gewachsen, aber dennoch athletischer und sportlicher als andere Exemplare seiner Gattung. Ein Cayenne, unverkennbar. Und doch ist etwas anders als sonst, man spürt es sofort, längst bevor man sich seiner Wahrnehmung anhand des Schriftzugs „GTS“ vergewissert hat. Nur die sportlichsten Straßenfahrzeuge jeder PorscheBaureihe dürfen dieses Ehrenzeichen tragen, es steht schließlich für „Gran Turismo Sport“. Ein Auto also, das die große, lange Tour auf besonders sportliche Weise absol-

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viert. Aber wo ist da der Unterschied zum Cayenne S, der ohne jeden Zweifel dieses genauso ermöglicht? „In gewisser Weise ist der Cayenne GTS das i-Tüpfelchen“, erläutert Dr. Michael Leiters, Baureihenleiter SUV, „er zeigt, wie sich durch permanente Optimierung die technischen Grenzen immer weiter verschieben lassen.“ Man könnte die Mitglieder der Entwicklungsmannschaft detailversessene Perfektionisten nennen – und sie würden das als Kompliment nehmen. Denn darum geht es bei den GTS-Modellen von Porsche: Ein perfektes Produkt, bei dem schon an der Basis nichts vermisst wird, noch etwas besser zu machen, vergleichbar einem Weltrekordhalter, der noch eine Zehntelsekunde schneller laufen oder schwimmen will. Beim Cayenne GTS sind es sogar zwei Zehntel, zumindest beim Spurt von null auf hundert.

Es sind nicht bloß die absoluten Zahlen, die beeindrucken. Der Cayenne GTS gewinnt je 15 Kilowatt und 15 Newtonmeter gegenüber seinem Baureihen-Bruder Cayenne S. Wie sich aber die Kraft entfaltet und wie sich das anhört, macht einen spürbaren Unterschied. Beim Härtetest auf 25

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der Nordschleife des Nürburgrings spart das pure Rundenzeit, im Straßenverkehr genießt der Fahrer vor allem den Sound, der das Sports Utility Vehicle noch etwas mehr nach Sport denn nach Nutzen klingen lässt.

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Bei aller Begeisterung für das Ausloten technischer Grenzen: Solch Treiben ist nur möglich, wenn die Basis die Voraussetzung dafür mitbringt. Und das tut die zweite, 2010 vorgestellte Generation des Cayenne. Unter anderem durch das für die Fahrzeugabmessungen relativ geringe Gewicht. Verglichen mit dem ersten Cayenne wurde der Neue bis zu 185 Kilo leichter und entsprechend leichtfüßiger. Motorhaube, Kotflügel und Heckklappe bestehen aus Aluminium, was nebenbei den Kraftaufwand beim Öffnen der Klappen reduziert. „In Summe sind wir die leichtesten im Wettbewerb“, resümiert Leiters über die Ergebnisse der Mannschaftsleistung aus allen Bereichen.

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Der Traum von einem Raum: Stattlich steht der Cayenne GTS im Studio, die leuchtende Lackierung unterstreicht die Wahrnehmung des Betrachters noch. Die Proportionen des sehr sportlichen Geländewagens vermitteln Fahrzeug-Athletik.

Abgestimmt: Das Fahrwerk wurde um 20 Millimeter abgesenkt, die Karosserie straffer an das Fahrwerk angebunden.

Um diesem akustischen Anspruch auf dem Nürburgring Taten folgen zu lassen, bekommt der Cayenne GTS eine neue Fahrwerkabstimmung. Darauf sind die Entwickler besonders stolz. Das Fahrwerk wurde nämlich um 20 Millimeter abgesenkt, die Karosserie deutlich straffer an das Fahrwerk angebunden – und dennoch ist der GTS auf schlechten Straßen nicht weniger komfortabel. Und einen Pferdeanhänger von einer durchweichten Wiese zu ziehen, das ist nicht nur Anspruch vieler Kunden, sondern auch Teil des Porsche-eigenen Testprogramms. Dass Leiters den Zielkonfl ikt zwischen Sportlichkeit, Komfort und Alltagstauglichkeit so dynamisch lösen konnte, liegt an vielen Detailoptimierungen wie beispielsweise der weiterentwickelten Lager an Vorder- und Hinterachse oder der weiteren Perfektionierung der dynamischen Fahrwerkregelung.

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Die Drehfreude des Triebwerks ist eine wesentliche Voraussetzung für den sportlichen Charakter, befeuert von einer kürzeren Achsübersetzung. Diese sorgt für eine spontanere Reaktion auf den Fahrerwunsch, den dieser durch rasches Durchtreten des Gaspedals äußert. Gleichzeitig haben es die Porsche-Ingenieure geschaff t, das Geräusch der angesaugten Luft und des ausströmenden Abgases so zu gestalten, dass man die Kraft des Motors im Innenraum hört – nicht bedrohlich, aber mächtig. Die Ansaugluft wird an einer Membran entlanggeführt (man darf auch Lautsprecher sagen), der Ton gezielt verstärkt in Richtung A-Säule gesendet. In der Sport-Abgasanlage kommt hingegen innerhalb des Schalldämpfers eine Schaltklappe zum Einsatz, die das Resonanzvolumen lastabhängig verändert.

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Was für ein Echo, wenn Österreichs Rock- und Pop-Ikone Falco (1957–1998), verstärkt durch die neun Lautsprecher aus dem Sound Package Plus, auf der Bielerhöhe ein sehr individuelles Freiluft-Konzert für das Montafon gibt. Stereo war gestern, das Echo bricht sich dutzendfach. Vorarlberg in Dolby Surround: „Out of the dark/Hörst du die Stimme, die dir sagt/Into the light ...“ Von tausend Metern auf gut zweitausend, und das in Lichtgeschwindigkeit. So sieht es zumindest aus in der Langzeitbelichtung des Fotografen. Die Bilder dieser nächtlichen Erprobung der SilvrettaHochalpenstraße sind nicht am Computer entstanden, der Mond ist unser Zeuge.

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KURVEN, AUF DIE SPITZE GETRIEBEN – 34 KEHREN ZIEHEN SICH DAS TAL EMPOR. MAUT: 14 EURO.

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400 000 AUTOS ÜBERQUEREN DIE SILVRETTAHOCHALPENSTRASSE JÄHRLICH. DIE WENIGSTEN NACHTS.

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Text Elmar Brümmer Fotografie Rafael Krötz

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Ein schöner Plan: Wir entführen das 911 Carrera GTS Cabriolet in die Berge Österreichs. Genauer: auf die 22,3 Kilometer lange SilvrettaHochalpenstraße. Doch in der mondhellen Nacht wird schnell klar: Der Elfer entführt uns.

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STERNENFAHRT: DUNKEL ERZWINGT LICHT. DER EXISTENZIALISMUS EINER SPEED-ODYSSEE.

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Über alle Berge, was für ein Gefühl. Auf der Silvretta-Route aus Sicherheitsgründen nur in den Sommermonaten möglich – in der Regel von Mai bis September. Rot-weiß-rot, wie Österreichs Fahne, sind die Lichtspuren, die wir hinterlassen. Und Falco ruft je einmal ins Montafon und hinüber nach Tirol: „Ich kann dich spür’n /Lass mich verführ’n/lass mich entführ’n/ Heute Nacht zum letzten Mal/ Ergeben deiner Macht.“ www.montafon.at www.silvretta-bielerhoehe.at/sommer.htm

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DIE NACHT BESTIMMT DEN RADIUS DER GEDANKEN. DER GTS BEGEGNET IHNEN MIT ALLER KLARHEIT.

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Die Botschaft, die aus der Tiefe des Hecks kommt, ist unmissverständlich. Sie klingt in dieser klaren Nacht besonders satt, aber sie vertont auch eine überlegene Lässigkeit. Und sie vermittelt mit der autoritären Kraft von 300 kW (408 PS) ein willkommenes Hungergefühl, den Appetit auf mehr. Gemütliche Kehren nimmt der so typische, aber auch so besondere Elfer mit links. Aber er kann auch so richtig steil gehen.

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Ein moderner Schatz am Silbersee. Dach unten, Blende auf, Panoramaschwenk. Das Wasser wirkt wie flüssiges Aluminium, was für ein Kontrast zum schwarzen Elfer und zu den bizarren, bläulich schimmernden Bergspitzen. Das Blitzlicht friert die Szene ein.

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911 CARRERA GTS (TYP 997) Motor: Sechszylinder-Boxer-Motor Hubraum: 3800 cm3 Leistung: 300 kW (408 PS) Max. Drehmoment: 420 Nm bei 4200 – 5600/min 0–100 km/h: 4,6 (4,4*) s Höchstgeschwindigkeit: 306 (304*) km/h CO 2 -Emission: 250 (240*) g/km Verbrauch innerorts: 15,9 (15,3*) l/100 km außerorts: 7,6 (7,2*) l/100 km kombiniert: 10,6 (10,2*) l/100 km * mit Porsche-Doppelkupplungsgetriebe

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911 CARRERA GTS CABRIOLET (TYP 997) Motor: Sechszylinder-Boxer-Motor Hubraum: 3800 cm3 Leistung: 300 kW (408 PS) Max. Drehmoment: 420 Nm bei 4200 – 5600/min 0–100 km/h: 4,8 (4,6*) s Höchstgeschwindigkeit: 306 (304*) km/h CO 2 -Emission: 254 (242*) g/km Verbrauch innerorts: 16,2 (15,5*) l/100 km außerorts: 7,7 (7,3*) l/100 km kombiniert: 10,8 (10,3*) l/100 km * mit Porsche-Doppelkupplungsgetriebe

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So lässt sich Ästhetik in die Spur bringen. Der GTS unter den Elfern, noch einer aus der Baureihe 997, macht sich in den 34 Kehren kraftvoll breit. Illuminiert durch das Wetterleuchten der Bremslichter, die Sterne verwischen am Firmament. Eine Nachtkreuzfahrt mit 300 kW (408 PS), die ungeheure Dynamik des GTS ist auch bei zwölf Prozent Steigung zu spüren.

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DER GTS IST IN 4,8 SEKUNDEN AUF 100, DIE BELICHTUNGSZEIT IST MANCHMAL EINE HALBE STUNDE.

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Auslauf ist genau das, was der 911 Carrera GTS sucht, was er braucht, und was er auf der Hochalpenstraße auch findet. Natürlich nicht ganz hinauf bis zum Gipfel seiner 306 km/h. Aber das Durchzugsvermögen, gepaart mit einer vibrationsfreien Laufkultur, deutet sich bei den Zwischenspurts mehr als an. Das Kürzel GTS, das auch unten an der Fahrertür zu finden ist, hat diese Erhabenheit erahnen lassen. Am besten kommt das GTS-Gefühl, wenn spontane Beschleunigung vom Ausnahmesportler der Baureihe 997 gefragt ist. Die früher ansteigende Drehmomentkurve und das Plus an Leistung machen diese Art Bergwandern zu einem rasanten Aufstieg. Kraftvolles passt in diese Landschaft, das strahlen schon die deutlichere Ausprägung der Radhäuser und die wuchtigeren Räder auf der Hinterachse aus. Die Kurven der Silvretta fordern es geradezu heraus, sich breitzumachen. Voll in der Spur. Die Wahl zwischen Doppelkupplungsgetriebe und manuellem Betrieb ist eine Frage der persönlichen Herausforderung, das Fahrwerk wird souverän vom PASM orchestriert. Zur Glaubwürdigkeit des Elfers am Berg gehört auch die entsprechende Begleitmusik. Mit einer Taste auf der Mittelkonsole wird die entsprechende Resonanz der Auspuffanlage freigeschaltet. In dieser Gegend darf der angemessene akustische Nachdruck durchaus als „Röhren“ bezeichnet werden. Ist es kindisch, dem eigenen Scheinwerferkegel durch die Serpentinen nachzujagen? Und wenn, der GTS löst eben solche Gefühle aus. Drehmoment(e) für die Seele. 55

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Text Herbert Völker Fotografie Jürgen Skarwan

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Die Spuren sind noch keineswegs verwischt: In Wien wurde das erste serielle Hybrid-Auto der Welt erdacht, gebaut und getestet. Der Schöpfer des „Semper Vivus“ war Ferdinand Porsche, die Kutschenfabrik Lohner eröffnete ihm die Möglichkeiten, seiner Zeit weit voraus zu sein.

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Fräulein Aloisia war damals Kontoristin, quasi Junior Assistant Manager bei der Elektrofi rma Béla Egger, als der junge Ferdinand aus der mährischen Provinz sich dort in unglaublicher Beschleunigung vom Auszubildenden zum Leiter des Prüfraums entwickelt hat. Historische Quellen belegen, dass die beiden jungen Menschen wiederholt, vielleicht sogar ausgiebig, Blickkontakt hatten. Im 21. Jahrhundert weiß der Leser vorweg: Hoppla, das wird kein Office-Schwuppdiwupp, hier geht’s um die Anbahnung einer Dynastie.

Porsche fiel als cleverer Testfahrer im Elektroauto auf, sodass er noch 1898, also 23-jährig, abgeworben wurde. Von Béla Egger zu Lohner, dem Platzhirsch im Kutschenbau.

Mit Ludwig Lohner geriet er nicht an einen beliebigen Fabrikanten, sondern an einen hellen Geist, der für einen kurzen Zeitraum sogar im Gleichtakt mit dem jungen Genie funktionierte. Ferdinand Porsche konstruierte innerhalb von drei Monaten ein Elektroauto, den „LohnerPorsche-Radnabenwagen“, der zum Hit der Pariser Weltausstellung 1900 wurde. Ein Begabter mit einem klaren Glauben an das Beste beider Welten. Noch im selben Jahr 1900 entwickelte er den ersten Prototyp mit „benzinelektrischem Mischantrieb“ – das (erste funktionsfähige) Hybrid-Auto im heutigen Sinn war geboren. Das Fahrzeug behielt die Radnabenmotoren und damit den ganz wesentlichen Vorteil des Direktantriebs. Zwei Einzylinder-Benzinmotoren trieben zwei Dynamos an, die den Akku nachluden oder die Vorderradmotoren direkt versorgten. Es handelte sich also um das Prinzip eines seriellen Hybrids: Eine Energiequelle versorgt die andere, aber nur eine davon (in diesem Fall Elektro) geht direkt in den Antrieb. Der lateinische Name des Fahrzeugs: „Semper Vivus“, übersetzt: immer lebendig. Aus späteren Jahrzehnten sind Ferdinand Porsches jeweilige Absichten durch seine Mitarbeiter, auch durch seinen Sohn Ferry, ordentlich dokumentiert, aber der 25-Jährige aus dem Jahr 1900 war ein Einzelkämpfer, und Schreiben war seine Sache nicht. Vom „Semper Vivus“ existieren nur zwei Konstruktionszeichnungen und zwei Fotos des betriebsfähigen Automobils, wie es 1901 in Paris ausgestellt worden ist. Warum das Fahrzeug selbst nicht erhalten ist? Es gibt keine historische Eintragung dazu, allerdings sehr nahe liegende Vermutungen aus heutiger Sicht: Es ging derart dramatisch zu, sowohl im Hirn des Konstrukteurs als auch in der sich überstürzenden Auto-Wirklichkeit, dass Porsche bereits in der nächsten und übernächsten Entwicklungsstufe lebte, als der „Semper Vivus“ erstmals auf Rädern stand. Wesentliche Bauteile wurden offensichtlich flugs für die folgende

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IM WIENER PRATER LEGT WOLFGANG PORSCHE DEN SCHNELLGANG EIN.

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Wien als anmutigste Stadt der Technik und der Künste, da führt keine Tangente dran vorbei. Ferdinand Porsche hat nur ein knappes Fünftel seiner 75 Jahre in der österreichischen Metropole zugebracht, aber es waren die Jahre, die ihn berühmt gemacht haben, bei allem Übermaß an Ruhm, der nachher kam. In der Kaiserstadt rund um die Jahrhundertwende 1900 gab es drei Höhepunkte für den auffallend jungen Konstrukteur: das Fräulein Aloisia, den Elektrowagen mit Radnabenantrieb – und das erste serielle Hybrid-Auto.

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AM START DER SEINERZEITIGEN TESTSTRECKE. ABZULESEN SIND SPANNUNG UND LEISTUNG.

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DIE ADRESSE DER PSYCHOANALYSE, FÜR FERDINAND PORSCHE WAR ES DAS ERSTE DRITTEL DER TESTSTRECKE.

KLARE ANSAGEN:

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ELEKTRISCHE RADNABENMOTOREN AN DEN VORDER RÄDERN FÜR DEN DIREKTANTRIEB, ZWEI BENZINER VERSORGEN DIE GENERATOREN. TEMPO SIEBEN FÜRS CRUISING, IM SPRINT SIND 20 KM/H DRIN.

AM PUNKT, WO VOR 112 JAHREN DIE HYBRIDTECHNIK ZUM ERSTEN MAL FUNKTIONIERTE. PORZELLANGASSE, RICHTUNG BERG GASSE: WOLFGANG PORSCHE UND ANDREAS LOHNER.

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356 CHRISTOPHORUS JUNI JULI 2012

PUR. PASSION. PERFORMANCE. PORSCHE HEFTPREIS 8,- EURO

EINE BESONDERE NUMMER cpm_356_s001.indd 1

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CHRISTOPHORUS | 356

DUOTORIAL WEGBEREITER

356 DUOTORIAL WEGBEREITER

Frank-Steffen Walliser (42) leitet im Entwicklungszentrum Weissach das Gesamtprojekt Porsche 918 Spyder. Er ist promovierter Maschinenbauer.

Herbert Linge: Obwohl es so groß geworden ist? Frank-Steffen Walliser: Hier versammelt sich immer noch die gleiche Sorte Macher wie damals. Charakteristisch: Belegschaft und Ingenieure erhalten nicht nur Aufträge von den Vorgesetzten, was sie jetzt machen sollen. Viel-

Herbert Linge: Ich erinnere mich, wie wir die ersten 356er fertiggestellt haben. An die ersten Probefahrten. Unser Urteil über die Straßenlage war nicht gerade toll (lacht). Wir waren alles andere als zufrieden. Da sagte Ferry Porsche: „Redet nicht immer nur von Rennen. Ich will zuerst ein gutes Serienauto, mit dem der Kunde dann auch in der Lage sein soll, Rennen oder Wettbewerbe zu fahren.“ Und wenn man sich die ersten Kunden von damals anschaut, waren das durchweg Leute, die internationale Rallyes gefahren sind. Die sind dann auf den 356 umgestiegen. 1952, während meines Aufenthalts in Amerika, war ich jeden Sonntag mit Kunden bei Clubrennen, habe bei den Autos geholfen. Das Prozedere pflanzt sich bis heute fort.

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911 (TYP 991), CO 2 -Emission: 229 g/km bis 194 g/km; Verbrauch (kombiniert): 9,7 l/100 km bis 8,2 l/100 km 911 (TYP 997), CO 2 -Emission: 275 g/km bis 237 g/km; Verbrauch (kombiniert): 11,7 l/100 km bis 10,1 l/100 km

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wie vor auf der Rennstrecke – zur Erprobung und im Wettbewerb. Was wir dort lernen, geht unmittelbar in die Serienentwicklung. Zum Beispiel der Hybridantrieb, mit dem wir schon Erfahrungen im Rennen gesammelt haben.

Herbert Linge: Als wir in den sechziger Jahren

mit den Formel-1-Autos anfingen und der Achtzylinder-Motor gebaut wurde, standen wir mit Ferry Porsche vor dem Rennwagen und strahlten. „Wo profitieren wir für die Serie?“, pflegte er immer zu fragen. Sein Credo war: Das Rennen muss die Serie beflügeln. Frank-Steffen Walliser: In den 918 Spyder beispielsweise wird das Motorsport-Know-how der vergangenen zehn Jahre einfl ießen, was Kohlefaser und Werkstoffe, Motoren und Fahrwerke angeht. Ganz wesentlich ist auch, dass wir viele Ideen aus dem erfolgreichen LMP2-Rennwagen RS Spyder direkt im 918 umsetzen werden. Viele Technologien wird man dabei erstmals in einem Serienauto finden. Das ist echt der Hammer. Herbert Linge: Ich glaube, bei Ihnen würde ich

auch gern arbeiten.

Das Gespräch zeichnete Jo Clahsen auf.

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damals an einem Samstag die große Ehre zuteilwurde, mit Wilhelm Hild eine größere

lich wie damals. Im Entwicklungszentrum Weissach ist nach wie vor alles kompakt und man kennt sich. Wir haben hier die Voraussetzungen, ein komplettes Auto zu konstruieren. Vom Studio und den Prototypen über die Gießerei und der mechanischen Werkstatt bis hin zur Teststrecke ist alles da. Und: Weissach ist entscheidungsfreudig.

„Damals waren alle, vom Chef bis zum Mechaniker, an den kleinsten Details beteiligt. Diese enge Verbindung und das Denken steckt heute noch in den Köpfen.“

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Herbert Linge: Da fällt mir gerade ein, wie mir

Frank-Steffen Walliser: Stimmt. Es läuft ähn-

Frank-Steffen Walliser: Deshalb fahren wir nach

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Herbert Linge: Wir wollten doch nur etwas machen, was schnell und wettbewerbsfähig ist. Frank-Steffen Walliser: Geschichte wiederholt sich. Mit dem 918 Spyder sind wir ebenfalls wieder früh und konsequent mit einem außergewöhnlichen Sportwagenkonzept unterwegs.

mehr bringen die Ingenieure permanent neue Ideen ein, schlagen ihren Vorgesetzten vor, wo und wie man noch etwas besser machen kann. Das reicht bis in den Vorstand. Es sprudelt unaufhörlich vor Kreativität. Egal, ob es sich um neue Technologien wie Kohlefaser, Elektromotoren oder elektronische Steuerungen handelt, die heute natürlich sehr dominant sind – die Leute haben die Freiräume, in denen sie ihre Ideen umsetzen können. Das ist der Nährboden für faszinierende Sportwagen wie den 918 Spyder. Diese engen Beziehungen. Die Freiheiten. Das war früher so. So ist es heute.

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Gemeinschaft. Wir saßen zusammen und

damaligen Konstruktion des 356 spiegelt sich

Ausfahrt zu machen – bei einem Motorradwettbewerb, an dem ich ab und zu teilnahm. Wilhelm Hild betreute bei uns die LeichtbauAutos. Dies führte dazu, dass ich fortan jedes fertiggestellte Fahrzeug Probe gefahren bin. Ohne Probefahrt durfte gar nichts mehr ausgeliefert werden. Beim 356er ging es dann so weit, dass Ferry Porsche jeden Abend von mir eine Liste mit den Autos bekam, die in Ordnung waren – oder auch nicht. Genau dieses enge Miteinander steckt bei den PorscheEntwicklern heute immer noch in den Köpfen.

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Herbert Linge: Wir waren eine eingeschworene

Frank-Steffen Walliser: Diese Konsequenz der

im aktuellen 911. Das zeigt, wie weit der Wurf wirklich ging. Wie Porsche – wenn man sich mal anschaut, was damals im Automobilbereich so gemacht wurde – so früh, so konsequent und letztlich brillant eine Idee umsetzte, die in mehr als 60 Jahren nichts an ihrer Faszination verloren hat. Das gibt es in der Industriegeschichte wahrscheinlich nur ein Mal.

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schon nicht mehr wirklich auf der Straße gesehen. Aber für mich ist dieses Unternehmertum immer noch faszinierend und der Aufbruch zum Thema Sportwagen. Was ich absolut bewundere, ist der Mut, so etwas in einer Zeit zu bauen, in der kein Mensch an Sportwagen dachte. Und es dann obendrein durchzuhalten, zu pflegen und auszubauen, sodass dadurch dieses unglaubliche Unternehmen von heute entstehen konnte.

wussten, was wir wollten. Auch ohne Zeichnung. Die erste Zeichnung, die ich von Erwin Komenda erhalten habe, war nur ein Federstrich: „Das ist der Fußraum. Und da müssen drei Pedale rein.“ Das war’s. Also habe ich drei Pedale gebaut, die passten. Einen Schuh dazu, und so wurde das dann gebaut. Heute denke ich: unglaublich. Das hat eine intensive Verbindung unter den Leuten geschaffen, vom Chef bis zum Mechaniker. Die Stimmung war: Da muss man halt die Ärmel hochkrempeln. Geht nicht, gibt’s nicht.

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Herbert Linge (83) hat 1943 bei der Porsche KG seine Mechanikerlehre begonnen, war Werksrennfahrer und Betriebsleiter in Weissach.

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356 gearbeitet. Es galt, das ursprünglich mit etlichen Volkswagenteilen konstruierte Fahrzeug permanent zu verbessern. So haben wir konsequent an der Sportlichkeit des Autos ge-

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Herbert Linge: Wir haben damals akribisch am

Illustration: Bernd Schifferdecker

Frank-Steffen Walliser: Den 356 habe ich ja

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feilt. Die Vorstellungen von Ferry Porsche oder der Konstrukteure lagen nicht etwa schriftlich vor. Es fanden jeden Abend Besprechungen mit Ferry Porsche, Karl Rabe, Erwin Komenda und drei oder vier Mechanikern statt.

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„Wir haben damals akribisch am 356 gearbeitet, wollten ihn permanent verbessern und feilten konsequent an der Sportlichkeit des Autos.“

Frank-Steffen Walliser: Mich reizten zum einen Sportwagen wie der 911 oder der 928. Zum anderen faszinierte mich aber auch, dass es eine Kunden- und eine Auftragsentwicklung gab. Seitdem ich das wusste, war Weissach für mich wie ein Mantra. Weissach, dachte ich mir – da muss man einfach hin. Ich habe dann schließlich meinen Schul- und Bildungsweg so gewählt, dass das mit Porsche auch funktioniert. Apropos, ich stelle mir die Entwicklung des 356 ziemlich kompliziert vor.

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also rund 30 Jahre später, beschlossen: Ich möchte zu Porsche. Auto – das war schon vorher klar. Meine Eltern behaupten, mein erstes

Ich wollte bei Porsche arbeiten. Dabei sein, wenn der erste Sportwagen gebaut wird.

Herbert Linge: Klingt aber gut. Ich habe die Porsche-Familie zwischenzeitlich verlassen und bei Volkswagen Hahn gearbeitet. Als ich 1949 kündigte, um zu Porsche zurückzukehren, schüttelte mein damaliger Chef den Kopf und meinte: „Du hast hier Arbeit, alle Türen stehen dir offen, du kannst Betriebsleiter in der Niederlassung werden. Und jetzt gehst du zu Porsche. Die sind doch innerhalb von zwei Monaten pleite. Und Geld kriegst du auch keins, die haben doch nichts“, sagte er. Ich habe ihm geantwortet, dass mir das völlig egal sei.

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Frank-Steffen Walliser: Ich habe als 16-Jähriger,

Wort sei Auto gewesen, das zweite Mama. Ob das stimmt, weiß ich nicht.

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gen, mit 15. Ich kannte alle persönlich, die dann im Laufe des Zweiten Weltkriegs nach Österreich gegangen sind, um dort Autos zu bauen. Die Kollegen nannten mich schlicht Junge. Der Junge soll das oder jenes machen, hieß es immer. Dass ich dann nach dem Krieg mit ihnen zusammen Sportwagen in Stuttgart bauen durfte, war so faszinierend, das lässt sich überhaupt nicht in Worte fassen. Wie war das bei Ihnen, wie sind Sie zu Porsche gekommen?

„Mit dem 918 werden wir ein außergewöhnliches Sportwagenkonzept umsetzen, in das Know-how aus dem Motorsport fließt. Das ist der Porsche-Weg.“

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ten Lehrlinge bei Porsche. Das muss damals eine unheimlich spannende Zeit gewesen sein.

Herbert Linge: Oh ja. Ich habe 1943 angefan-

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„Die Konsequenz der Konstruktion 356 spiegelt sich heute im aktuellen 911.“

DER EINE HAT DIE ANFÄNGE DES 356 MITERLEBT, DER ANDERE ENTWICKELT ZURZEIT DEN SUPER-PORSCHE VON MORGEN. HERBERT LINGE, EHEMALIGER MECHANIKER SOWIE WERKSRENNFAHRER, UND FRANK-STEFFEN WALLISER, PROJEKTLEITER 918, ÜBER DAS GEFÜHL, EINEN PORSCHE AUF DEN WEG ZU BRINGEN. DAMALS. HEUTE.

Frank-Steffen Walliser: Sie waren einer der ers-

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