Heute mit TV-Magazin
Heute mit Sonderbeilage EIN SO NDERTH EMA DE R STUT TGARTE R ZEITU NG UND DER ST UTTGAR TER NA CHRICH TEN
WIRTSCH AFTSRE FREIBURG GION Interview
Bernd Dallmann, Geschäftsführer der Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe, über die Entwicklung des Unternehmens in 25 Jahren.
Seite 3
FREITAG,
30. MÄRZ 2012
Grüne Stadt Freiburg gilt international Vorreiter in als Sachen nachhaltiger Entwicklung. Umweltwirtschaft ist zu einem ökonomischen Faktor geworden. Seite 4
Messestandort Die Messe Freiburg profitiert von einem Einzugsgebiet drei benachbarten in Ländern mit mehr als 2,8 Millionen Menschen. Seite 8
Eine Resolution für Rio Mit 63 Umwel tpreistr ägern
A
nfang dieses Monats unterzeichneten beim ersten Internationalen konvent der Umwelt„European Foundation“ im Freiburger Environment 63 Umweltpreisträger Konzerthaus aus 37 Nationen nen dringenden eitigkeitskonferenz,Appell an die UN-NachhalJaneiro stattfindet. die im Juni in Rio dem Titel „Freiburg In der Erklärung de mit Call for Action tion on Rio+20 – Declaratal Laureates“ of International Environmenträger in einerformulierten die Umweltpreis8-Punkte-Resolution che Forderungen, unter anderem zahlreiler Verteilung zu globaeinheitlichen von Mitteln, dem Ziel der Emissionen, Pro-Kopf-Werte bei Energie, Wasser sourcenverbrauch, sowie FlächenEinbeziehung und ResUmwelt- und externer cherprinzip) Gesundheitskosten in die Marktwirtschaft.(VerursaEbenso geht es um den schädigender Abbau umweltSubventionen, nachhaltiger Förderung Technologien, der Geldwirtschaft Beschränkung auf ihre Aufgabe und traditionelle auf Rohstoffe das Verbot der Spekulation und Kursentwi Absch i kl
www.stuttgarter-nachrichten.de · € 1,60 · E 4063
Freitag, 30. März 2012
Nummer 76 · 13. Woche · 67. Jahrgang · S
Willkommen zu Hause
¿17 · Stuttgart und Region Bauern stinkig auf Hunde Den Bauern stinkt’s: Hunde hinterlassen ihren Kot auf den Feldern und zerstören die Folien, die die Pflanzen vor Frost schützen sollen. Die Hundelobby spricht dagegen von Einzelfällen
¿25 · Sport Wie der BVB zu knacken ist Borussia Dortmund ist seit 21 Bundesligaspielen ungeschlagen. Der VfB versucht an diesem Freitag, diese beeindruckende Serie zu beenden. Hoffnung macht das 1:1 aus dem Hinspiel.
¿26 · Sport Europa Liga aktuell FC Schalke 04 – Athletic Bilbao Athletico Madrid – Hannover 96
2:4 2:1
¿20 · S-Presso
Foto: Peter-Michael Petsch
Kaum scheint in Deutschland ein paar Tage die Sonne, zieht es auch Zugvögel wie den Kranich (Bild) wieder zurück in die Heimat. „Mittelstreckenzieher wie die Mönchsgrasmücke oder der
Bernd Heidelbauer will Stadtschamane werden Er ist Gastronom. Und hat immer auch sich selbst verkauft. Nun will Bernd Heidelbauer als Stadtschamane auch anderen in Lebensdingen helfen. Erlebt hat er genug, am Sonntag wird er 65.
¿16 · Freizeit Unplattbar auf Tour Schöne Strecken, einen Platten vermeiden, Tipps fürs Radeln mit Kindern: Radexperte Michael Kerner-Winkler weiß Bescheid. Sein Saisonstart: eine Tour entlang der Glems und der Enz .
¿30 · Das richtige Instrument „Eine kleine Geige möcht’ ich haben“ heißt unser Kinderlied der Woche. Wenn jemand ein Instrument gerne hört, heißt das übrigens noch lange nicht, dass dieses Instrument das richtige für ihn ist.
Inhalt
Design: Norbert Küpper Relaunch Stuttgarter Nachrichten
Landesnachrichten 5 – 6 Panorama 7–8 Roman 10 Kultur/-magazin 14/15 Freizeit 16 Impressum 22
Wissenswert 24 Gewinnquoten 27 Notdienste 29 Veranstaltungen 29 – 30 Familienseite 31 TV/Medien 32
¿12 · Börse Dax
Euro Stoxx 50 Euro
. . .
6875,15 Pkt. 2452,74 Pkt. – 123,65 Pkt. – 43,94 Pkt.
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1,3273 Dollar – 0,75 Cent
¿20 · Wetter Mittags 11° Nachts 6° Noch etwas Sonne, viele Wolken und kühler
Zilpzalp bekommen das in ihrem Winterquartier am Mittelmeer sofort mit und machen sich auf die Reise“, sagt Ulrich Tammler, Vogelexperte beim Naturschutzbund Baden-Württem-
berg. Auch Schwalben und Buchfinken werden in den nächsten Tagen wieder in das morgendliche Vogelkonzert einstimmen. Die Rückkehr der Zugvögel beobachten Ornithologen aber
auch mit Sorge, bringen sie doch vor allem aus den Tropen immer wieder Krankheitserreger mit nach Deutschland. Foto: dpa ¿ Wissenswert Seite 24
Daimler baut bald jedes zweite Auto im Ausland
Tagesthema
Stuttgarter Autohersteller eröffnet Werk in Ungarn und setzt auf Wachstumsmärkte wie China
Von Anne Guhlich
Wer als Daimler-Mitarbeiter in Ungarn eine B-Klasse baut, verdient 70 Prozent weniger als sein Kollege in Rastatt, der das gleiche Auto baut. Dennoch setzt der Konzern nicht nur auf das Ausland. Von Petra Otte aus Kecskemet KECSKEMET. Autohersteller Daimler wird 2020 jeden zweiten Pkw im Ausland fertigen. Das kündigte Daimler-Vorstand Wolfgang Bernhard am Donnerstag anlässlich der Eröffnung des neuen Mercedes-Kompaktwagenwerks im ungarischen Kecskemet an. 2010stammtenerst20ProzentdervonDaimler verkauften Pkw aus Werken außerhalb von Deutschland. Damit verlagert sich die
Produktion zusehends in Länder mit hohen Absatzzahlen, etwa China und die USA. Wie viele Pkw Mercedes 2020 insgesamt verkaufenwill,ließBernhardoffen.DaimlerChef Dieter Zetsche bekräftigte in Kecskemet, 2020 mehr Fahrzeuge absetzen zu wollen als die Mitbewerber Audi und BMW. Derzeit stehe man kurz davor, beim Absatz „das beste erste Quartal zu verbuchen, das jemals erreicht worden ist“, sagte Zetsche. Die Werkeröffnung in Kecskemet sei ein weiterer Meilenstein auf dem Weg an die SpitzederPremium-Autobauer.Derzeitrangiert Daimler bei der Ertragskraft auf Platz drei hinter Audi und BMW, von dem neuen Werk in Ungarn verspricht sich der Autobauer erhebliche Kostenvorteile. Dort sollen jährlich 100 000 Fahrzeuge vom Band rollen, den Auftakt macht die neue B-Klasse. 2013 folgt dann ein viertüriges Coupé.
Bernhard zufolge liegen die Lohnkosten in Ungarn 70 Prozent unter denen im Schwesterwerk in Rastatt. Die gesamte Produktion in Kecskemet ist um 30 Prozent billiger als in Deutschland. Bis 2015 will Daimler fünf neue Kompaktwagenmodelle auf Basis der neuen A- und BKlasse herausbringen, die Werke Rastatt und Kecskemet bilden dabei einen Produktionsverbund. Wenn Rastatt mehr Fahrzeuge der A- und weniger der B-Klasse baut, können die fehlenden B-Klassen in Kecskemet vom Band rollen. Das ermögliche eine optimale Auslastung der Werke, sagte Zetsche. In Rastatt und Kecskemet kann Daimler insgesamt rund 350 000 Autos jährlich bauen. An diesen Orten arbeiten etwa 9000 Menschen – 6000 in Rastatt und 3000 in dem Werk rund 100 Kilometer südlich von Budapest. Seite 3
Städtetag will mehr Das Licht geht aus, EnBW kürt wir bleiben zu Haus Mastiaux zum Chef Polizei im Revier STUTTGART (fk). Die Kommunen fordern Innenminister Reinhold Gall (SPD) auf, seine geplante Polizeistrukturreform nachzubessern. „Unsere Minimalforderung ist, dass jedes Polizeirevier im Land wenigstens sechs Beamte mehr als bisher bekommt, damit zumindest mittelfristig eine Streifenwagenbesatzung zusätzlich rund um die Uhr zur Verfügung steht“, sagte Städtetag-Geschäftsführer Stefan Gläser im Interview mit unserer Zeitung. Derzeit wird erwartet, dass nach der Reform jedes Revier im Schnitt zwei Beamte mehr hat. Das wäre „ein Tropfen auf den heißen Stein“, warnte Gläser. Um die langen Anfahrtswege der Polizisten zum Einsatzort zu verkürzen, appellierte erzugleichandenInnenminister,dieZahlder Präsidien nicht bei zwölf festzuschreiben, sondern auf 14 oder 15 zu erhöhen. Landesnachrichten Seite 6
Am kommenden Samstag wird auf Anregung der Umweltorganisation WWF die Welt gerettet. Man kann das leicht daran erkennen, dass in vielen deutschen Städten, darunter auch in Stuttgart, zwischen 20.30 und 21.30 Uhr bekannte Gebäude und Sehenswürdigkeiten nicht mehr angestrahlt werden. Im Grunde sind wir dafür, dass die Welt gerettet wird. Da wir nicht geschmäcklerisch sind, ist es uns auch egal, an welchem Wochentag das geschieht. Das Dumme ist nur, dass ausgerechnet an besagtem Samstag in Stuttgart Lange Einkaufsnacht ist. Sagen wir es so: Niemand hat etwas dagegen, dass die Welt gerettet wird. Nur sollte es nicht zulasten des Einzelhandels gehen. (hör)
STUTTGART (fk/wro). Bei der Energie BadenWürttemberg (EnBW) werden die Weichen für den Führungswechsel gestellt. Nach Informationen unserer Zeitung trifft sich der Aufsichtsrat des drittgrößten deutschen Energiekonzerns heute in Stuttgart zu einer Sondersitzung, um den bisherigen Eon-Manager Frank Mastiaux zum neuen Vorstandsvorsitzenden der EnBW zu berufen. In einer geheimen Sitzung hatten die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat zuletzt grünes Licht für Mastiaux gegeben. „Wir waren sehr zufrieden mit ihm“, hieß es am Donnerstag. Mastiaux wird zum 1. Oktober Hans-Peter Villis ablösen, der nach Querelen mit der grün-roten Landesregierung auf eine Vertragsverlängerung verzichtet hatte. Nach Recherchen unserer Zeitung wird Mastiaux jährlichrundzweiMillionenEuroverdienen. Wirtschaft Seite 11
Trauerspiel Die Transfergesellschaft bei Schlecker ist an Allüren gescheitert Die Verhandlungen über die Finanzierung der Transfergesellschaft für die Schlecker-Beschäftigten endet wie ein Trauerspiel. Es ging nicht mehr um die Verkäuferinnen, sondern um den Überlebenskampf der FDP. Wie ein mit Komplexen behafteter Außenseiter hat die Partei alles getan, um möglichst viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Bayern hätte nichts zusätzlich zahlen müssen, weil Niedersachsen und Sachsen aus der Bürgschaft ausgestiegen sind. Trotzdem hat sich Bayern bei seiner Absage auf diese Länder bezogen. Es ist schade, dass eine Partei wie die FDP, deren freiheitlicher Grundgedanke so unschätzbar wertvoll ist, verlernt hat, diesen in die Realität zu übertragen. Wer einen Blick für die Realität hat, sieht, dass nicht jede Entscheidung nur auf der Grundlage von Prinzipien getroffen werden kann. Politik muss flexibel genug sein, auf Einzelfälle zu reagieren. Wer bei Schlecker für eine Bürgschaft war, hätte fortan nicht jede Pleitefirma sponsern müssen. Wer sich ernsthaft mit den SchleckerBeschäftigten befasst, weiß, dass dort viele Frauen mit geringer Berufsausbildung arbeiten, die in finanziell schwierigen Verhältnissen leben. Sie können nichts dafür, dass ihr Unternehmen in die Schieflage geraten ist. Trotzdem verlieren sie nun ihren Job. Damit sie auf dem Arbeitsmarkt wieder Fuß fassen können, werden viele von ihnen Hilfe brauchen. Wer sich dagegen sträubt, für andere einzustehen, wird bald in einer Gesellschaft leben, die immer mehr teure Sozialfälle mittragen muss. Eine Gemeinschaft lebt aber davon, dass sich jeder an ihr beteiligt. Eine Transfergesellschaft bietet keine Garantie dafür. Aber die Möglichkeit.
Rettung der Schlecker-Frauen scheitert an FDP Am Ende verweigern auch Bayerns Liberale Bürgschaft der Bundesländer für Transfergesellschaft – Tausende Kündigungen verschickt
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Von Anne Guhlich
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STUTTGART. Der Insolvenzverwalter der Pleitedrogeriekette Schlecker, Arndt Geiwitz, hat am Donnerstag Kündigungen an 10 000 Mitarbeiter verschickt. „Sie müssen spätestens am Samstag ankommen“, so ein Sprecher des Unternehmens. Weitere etwa 1000 Mitarbeiter hätten bereits gekündigt. Dass keine Auffanggesellschaft für die Mitarbeiter zustande gekommen ist, sieht
der Firmensprecher als kein großes Problem für die Suche nach Investoren. Dass der Insolvenzverwalter Geiwitz im Laufe der Woche genau das Gegenteil gesagt hatte, sei der Verhandlungssituation geschuldet gewesen. „Es ging darum, Schwung in die Debatte zu bringen“, sagte er unserer Zeitung. Zuvor hatte Bayern nach einem Veto von FDP-Wirtschaftsminister Martin Zeil eine Beteiligung an der Bürgschaft der Länder in Höhe von 70 Millionen Euro für einen Kredit
der staatlichen Förderbank KfW abgelehnt. Die Partei wurde dafür harsch kritisiert. AmMittwochwarbereitseinegemeinsame Finanzierung aller Bundesländer am Widerstand von Sachsen und Niedersachsen gescheitert – beide wie Bayern mit FDPgeführten Wirtschaftsministerien. Daraufhin hatte Baden-Württemberg einer Übernahme der Garantie zugestimmt und den Anteil des Landes auf 25 Millionen Euro aufgestockt.
Der baden-württembergische Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) zeigte sich enttäuscht. „Heute ist der bayerische FDP-Wirtschaftsminister von der Fahne gegangen, obwohl sich Bayern für keinen Cent zusätzlich verbürgen musste“, sagte er. Baden-Württemberg habe seinen Anteil um den Betrag aufgestockt, den ansonsten Sachsen und Niedersachsen übernommen hätten. Tagesthema Wirtschaft Seite 9
Kärntner Wirtschaft
Design: Norbert K체pper 02
Stuttgarter Nachrichten: Mastery of the Visual. In the context of the redesign of Stuttgarter Nachrichten the use of pictures was significantly improved. Keywords are: Editing of Visuals, Visualization and Alternative Story Forms.
Background: The redesign should not be presented to the readers as a strong change, but as the next logical step in the development of the newspaper. This is why already before redesigning the newspaper the number of pictures was decreased. Instead of a lot of small pictures, bigger and less pictures were used. The lead story on each page became much longer: away from short reports serving main information only, to a style, characterized by a lot of background information. In total the Stuttgarter Nachrichten received very little response by the readers concerning the new design. Today the Stuttgarter Nachrichten is one of the most visually shaped regional newspapers in Germany.
Facts: 3 Stuttgarter Nachrichten has a circulation of 365.000 copies. 3 The national pages are produced for numerous local newspapers in the region around Stuttgart which also switched to the new design. 3 Stuttgarter Nachrichten is published in the Rheinisches Format.
K채rntner Wirtschaft
Design: Norbert Küpper 03
Photography: Editing: The Stuttgarter Nachrichten have more extreme portrait and landscape formats than other newspapers. The aim is to have a dynamic and up-to-date-newspaper instead of a calm, static one. Visualization: There are continually new exciting combinations of text and image that revive the reader’s interest in new topics. One example is the report on the soccer team VfB Stuttgart: “VfB torn into unstoppable downward trend” is the headline. The visualization is a whirl that flushed away the VfB flag. Another example: “VfB continues rollercoaster ride.” The visualization is a rollercoaster which shows the ups and downs of a ride. Cut-out pictures: A blank background of a picture brings the focus on the essential parts of the image. Often this creates a three-dimensional impression.
Alternative Story Forms: It is possible to present different topics in columns or as a combination of text, pictures and infographics. The Stuttgarter Nachrichten use alternative story forms more often to present complex topics clearly arranged and reader friendly. Typography: The new headline font is called Versa Sans and was created in 2001 by the Dutch typedesigner Peter Verheul. It‘s the first time that Versa Sans is used for a daily newspaper. This typeface seems to be softer and more elegant, because it is influenced by handwriting. It is well legible because of the letterforms that do not make a monotonous impression, but seem vivid and diverse. The bodycopy is still Excelsior, a well known newspaper typeface, created 1931 by the American typedesigner Chauncey H. Griffith.
Kärntner Wirtschaft
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Stuttgarter K채rntnerNachrichten Wirtschaft
Design: Norbert K체pper 05
Examples Front Pages
K채rntner Wirtschaft
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Stuttgarter K채rntnerNachrichten Wirtschaft
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Stuttgarter K채rntnerNachrichten Wirtschaft
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Stuttgarter K채rntnerNachrichten Wirtschaft
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Stuttgarter K채rntnerNachrichten Wirtschaft
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Stuttgarter K채rntnerNachrichten Wirtschaft
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Examples Alternative Story Forms
K채rntner Wirtschaft
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Stuttgarter K채rntnerNachrichten Wirtschaft
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Stuttgarter K채rntnerNachrichten Wirtschaft
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Stuttgarter K채rntnerNachrichten Wirtschaft
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Stuttgarter K채rntnerNachrichten Wirtschaft
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Stuttgarter K채rntnerNachrichten Wirtschaft
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Stuttgarter K채rntnerNachrichten Wirtschaft
Design: Norbert Küpper 18 4
Zeitgeschehen
Nummer 76 Freitag, 30. März 2012
Ein toter Teenager mobilisiert Amerikaner Neues Überwachungsvideo facht Streit über Schuldfrage in Sanford an Von Thomas Spang aus Washington
Kurz berichtet
Lula besiegt Krebs Brasiliens Ex-Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva (2003–2010) hat nach drei Chemotherapien und 33 Strahlenbehandlungen den Kehlkopfkrebs besiegt. Die Ärzte teilten mit, es gebe keine sichtbaren Anzeichen mehr für den Tumor. Lula ließ aber offen, ob er sich erneut um ein politisches Amt bewerben will. (dpa)
USA stoppen Nahrungshilfe Die USA reagieren mit Härte auf nordkoreanische Pläne für einen Satellitenstart und legen geplante Nahrungshilfen auf Eis. Die Entscheidung gründe sich auf wachsende Zweifel, dass Pjöngjang internationale Vereinbarungen einhalte, hieß es. Nordkorea hatte angekündigt, im April einen Beobachtungssatelliten ins All zu schießen. Die USA und Südkorea halten dies aber für den Test einer militärischen Rakete. (dpa)
Ramsauer will „Idiotentest“ reformieren BERLIN (dpa). Mit der geplanten Reform des „Idiotentests“ für Verkehrssünder soll mehr Transparenz für die Betroffenen geschaffenwerden.Diemedizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) solle nachvollziehbarer und das Verfahren qualitativ besser werden, teilte das Bundesverkehrsministerium am Donnerstag mit. Die Bundesanstalt für Straßenwesen sei mit wissenschaftlichen Vorarbeiten dafür beauftragt worden. Ergebnisse werde es voraussichtlich nicht vor Jahresende geben. Minister Peter Ramsauer (CSU) hat mehrfach betont, dass neben dem Flensburger Punktesystem für Verkehrssünder auch die MPU reformiert werden soll. Nach Informationen von „Auto-Bild“ und Bild.de soll unter anderem erwogen werden, begleitende Tonband- oder Videoaufnahmen vorzuschreiben. Dies war aus Datenschutzgründen jedoch bereits vom Verkehrsgerichtstag abgelehnt worden undsolldemVernehmennachnichtweiterverfolgt werden. Auch der FDP-Verkehrspolitiker Oliver Luksic lehnte dies ab. Er forderte in der „SaarbrückerZeitung“,vorallemdieTestfragen zu verbessern: „Die momentanen Fragen greifen oft viel zu weit in die Intimsphäre der Getesteten ein. Hier brauchen wir klare Vorgaben.“ Der Test, der die Fahreignung beurteilen soll, ist umstritten. Nach Angaben der Bundesanstalt für Straßenwesen wurden im Jahr 2010 knapp 102 000 Tests vorgenommen, etwas mehr als die Hälfte der Teilnehmer bestand ihn.
Drum prüfe, wer sich ewig bindet Foto: dapd
Von größeren Euro-Schutzwällen, neuen Pakten, roten Linien, mehr Haushaltsdisziplin und Witz-Steuern – eine Analyse von Winfried Weithofer
Das bisschen Kleingeld: Mit bis zu 400 Milliarden Euro steht Berlin für Schuldenstaaten ein – zumindest vorübergehend. Den Beschluss soll Finanzminister Schäuble an diesem Freitag mit seinen Euro-Kollegen fassen
Das will die Regierung
Das will die Opposition
Fiskalpakt Schwarz-Gelb sieht hierin eine wichtige Maßnahme zur Überwindung der Vertrauenskrise der Finanzmärkte. Nachverhandlungen über den Fiskalpakt, wie sie von einigen EU-Staaten angestrebt werden, lehnt die Bundesregierung ab. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) appellierte an SPD und Grüne, das Gesetzespaket zum Fiskalpakt mitzutragen. Das Paket sei „für die Stabilität des Euro und für die Zukunft Europas ganz entscheidend“, sagte er am Donnerstag im Bundestag. Wie geplant sollten die Gesetze vor der Sommerpause im Paket verabschiedet werden, um international ein starkes Signal zu setzen. „Wir kommen aus dem Krisenmanagement heraus in eine Stabilitätsunion.“
Europa will sich strengere Regeln zur Haushaltsdisziplin geben mit Hilfe des Fiskalpakts, der unter anderem verbindliche Schuldenbremsen in allen Teilnehmerstaaten vorsieht. Zudem werden erstmals automatische Sanktionen festgelegt, falls die schon länger geltenden europäischen Defizitregeln gebrochen werden. 25 Länder nehmen am Fiskalpakt teil – alle EU-Staaten außer Großbritannien und Tschechien. In Deutschland müssen Bundestag und Bundesrat dem Vorhaben jeweils mit Zweidrittelmehrheit zustimmen, damit der Vertrag in Kraft tritt. Die Ratifizierung des Pakts ist die Voraussetzung dafür, um im Notfall Geld aus dem ESM zu bekommen. In Kraft treten soll der Vertrag 2013.
Die SPD beharrt auf der Einführung einer Börsensteuer als Gegenleistung zu ihrer Zustimmung zum Fiskalpakt. Zur Finanzierung könnten nach Vorstellungen der SPD auch Strukturmittel der EU, sogenannte europäische Projekt-Bonds für bestimmte Investitionen beitragen. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Jürgen Trittin, fordert, den Fiskalpakt um Wachstumsimpulse zu ergänzen. Zusätzlich müssten die Spekulation eingedämmt und alte Schulden abgebaut werden. Die Linkspartei hält den Fiskalpakt für verfassungswidrig, weil dadurch die Rechte des Parlaments beschnitten würden – und zwar de facto für die Ewigkeit.
Rettungsschirm/Krisenfonds Für die Regierung hat der Rettungsschirm ESM eine ähnliche Funktion wie der Fiskalpakt: Es geht ihr um ein „starkes Signal an die Märkte“. Der FDP-Fraktionschef und frühere Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle nennt den ESM ein „zentrales Element“ für einen neuen europäischen Stabilitätspakt. Zur Debatte über eine Erhöhung dieser „Brandschutzmauer“ sagt Finanzminister Wolfgang Schäuble, er werde bei seinen EU-Kollegen an diesem Freitag in Kopenhagen darauf drängen, die bisherigen Hilfsprogramme für Krisenländer im Rahmen des EFSF-Schirms nicht vom ESM-Volumen abzuziehen. Unionsfraktionschef Volker Kauder schätzt die Wahrscheinlichkeit einer deutschen Haftung bei den Euro-Rettungsschirmen als sehr gering ein. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer wirbt angesichts kritischer Stimmen aus seiner Partei für seinen Kurs in der Euro-Schuldenkrise. Er versicherte am Mittwoch in München, mit einer Kombinierung der Rettungsschirme ESM und EFSF werde keine „rote Linie“ der CSU überschritten. Zudem dürfe nicht übersehen werden, dass Deutschland und insbesondere Bayern Profiteure des Euro seien.
Bisher zeichnet sich ab, dass der dauerhafte Rettungsschirm ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) und die verplanten Nothilfen des vorläufigen Krisenfonds EFSF (Europäische Finanzstabilisierungsfazilität) an Irland, Portugal und Griechenland eine Zeit parallel laufen – das Kreditvolumen steigt auf 700 Milliarden Euro. Hinzu kämen laut Finanzministerium 49 Milliarden Euro aus dem EU-Krisenfonds EFSM (Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus). Unterm Strich stehen damit bis zu 750 Milliarden Euro zur Verfügung. Ungenutzte Gelder des EFSF von 240 Milliarden Euro sollen zudem eine Art Notfallreserve bilden, solange der ESM nicht voll mit Kapital ausgestattet ist. Zusammen wären dies fast eine Billion Euro. Der ESM startet im Juli und wird schrittweise bis 2015 gefüllt.
Bei der Einführung des EFSF haben Regierung und Opposition den Schulterschluss geübt. Auch die Reform des EFSF ging mit einem gemeinsamen Antrag in Bundestag und Bundesrat im Herbst 2011 über die Bühne. Bei der Einführung des ESM tritt die SPD aber auf die Bremse. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hält angesichts offener Fragen den Zeitplan der Regierung für zu ambitioniert und deutete jüngst eine mögliche Verschiebung der Entscheidung um einige Wochen an. Der Grünen-Politiker Trittin möchte erst den EU-Gipfel Ende Juni abwarten. Grundsätzlich sieht er den ESM aber positiv, und er drängt darauf, ihn nicht zu knapp zu bemessen. „Wenn die Hose nicht nass werden soll, dann muss der Schirm auch groß genug sein.“
Steuerzahler-Haftung Deutschland bürgt für den EFSF mit 211 Milliarden Euro, für den ESM mit 168 Milliarden plus 22 Milliarden Euro an Barkapital. Macht zusammen 401 Milliarden Euro – das ist mehr als der gesamte Bundeshaushalt 2012. Die Zeit, in der die Gesamtsumme abgerufen werden könnte, ist zwar bis zum Juli 2013 begrenzt. Doch auf die deutschen Risiken von 190 Milliarden Euro für den ESM werden mindestens 58 Milliarden Euro für die schon verplanten EFSF-Mittel draufgepackt. Und dafür bürgt Deutschland, bis die Kredite zurückgezahlt werden, wenn Athen dazu überhaupt in der Lage sein wird. Die Laufzeiten sind im Schnitt 25 Jahre.
Börsensteuer Die Finanztransaktionssteuer ist nach Ansicht von Finanzminister Wolfgang Schäuble sowohl auf gesamteuropäischer Ebene als auch in der Eurozone chancenlos. „Das kriegen wir nicht hin“, sagte er. Grund sei, dass Großbritannien und eine Reihe anderer EU-Länder diesen Weg nicht mitgehen würden. Er selbst würde eine solche Steuer auch nur in der Europäischen Union einführen. „Aber wir werde es auch in der Eurozone nicht hinbekommen“, so Schäuble. Auch hier gebe es Länder, die das Vorhaben ablehnten, wenn man es nicht in ganz Europa schaffe. „Deswegen werden wir eben etwas anderes machen“, kündigte er an.
Eine umfassende Finanztransaktionssteuer würde vereinfacht gesagt wie eine Mehrwertsteuer auf den Handel mit Finanzprodukten wie Aktien, Anleihen oder spekulative Papiere funktionieren.Der Steuersatz soll laut Europäischer Kommission 0,1 Prozent betragen. In Summe ließen sich dadurch rund 50 Milliarden Euro einnehmen. Eine „Stempelsteuer“ nach britischem Modell, wie sie die FDP favorisiert, würde vor allem den Verkauf von Aktien und Optionsscheinen betreffen – nicht aber Devisen und Derivate. Eine weitere Möglichkeit wäre eine Finanzaktivitätssteuer: Sie träfe nur Finanzinstitute, nicht aber Privatanleger.
Ein deutscher Beschluss zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer hätte aus Sicht von SPD-Chef Sigmar Gabriel Signalwirkung für ganz Europa. „Die anderen Länder werden sich anschließen, wenn Deutschland endlich seine Selbstblockade aufgibt.“ Auch SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hält eine Finanzmarktbesteuerung für zwingend. Wenn es nicht anders gehe, müsse man den Weg einer verstärkten Zusammenarbeit unter willigen europäischen Ländern gehen. „Das ist auch jetzt hier gefragt.“ Eine „Stempelsteuer“ nach britischem Vorbild, wie sie die FDP favorisiert, lehnen SPD und Grüne als „Witz“ ab.
„Schulden-Abbau wäre viel wichtiger“ Der Wirtschaftsexperte Ansgar Belke über Merkels Schwenk, größere Euro-Rettungsschirme und die Angst der Bürger Von Sabine Brendel aus Brüssel BRÜSSEL. Die Europäer vergrößern den Nottopf für klamme Euro-Staaten. An diesem Freitag entscheiden Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und seine europäischen Kollegen im dänischen Kopenhagen, wie der Euro-Rettungsfonds ausgestaltet werden soll. Die EU-Kommission strebt seit langem an, den Euro-Rettungsfonds – im EU-Jargon: „Brandschutzmauer“ um den Euro-Raum – zu vergrößern. Vorsichtiger ist der Professor für Volkswirtschaft an der Universität Duisburg-Essen, Ansgar Belke.
Herr Belke, müssen die Bürger eine Aufstockung des Euro-Nottopfes fürchten?
Ja. Der größte EU-Staat Deutschland wird größere Garantien schultern müssen – bisher galten deutsche Bürgschaften von 211 Milliarden Euro als Obergrenze für den neuen Euro-Rettungsfonds. Nun wird das Risiko für die Steuerzahler steigen. Sie stehen für die Garantien gerade, falls ein Land Notkredite nicht zurückzahlen kann. Die Bürger müssen zudem Angst vor einer mittel- und
langfristigen Preisteuerung haben, also vor Inflation. Möglicherweise muss die Regierung auch Steuern erhöhen, um den dauerhaften Nottopf aufzufüllen. Er besteht ja nicht nur aus Garantien wie der alte Fonds. Die Staaten sollen auch nach bisheriger Planung insgesamt 80 Milliarden Euro in den neuen Nottopf einzahlen.
Warum schwenkte Kanzlerin Merkel um?
Der Kanzlerin ging es nicht darum, welchen Effekt eine – von ihr bisher abgelehnte – Aufstockung des Nottopfs hat. Sie ließ sich auf einen Kompromiss ein. So wollte Merkel südeuropäische Staaten mit ins Boot holen, die einengrößerenNottopfforderten.DieKanzlerin strebt schließlich an, dass die Länder wirtschaftspolitisch enger zusammenarbeiten. Den Bundesbürgern könnte Merkel eine nur vorübergehende Aufstockung des Euro-Nottopfs als „ist ja nur temporär“ verkaufen. Eine zeitweise Aufstockung ist jedoch inkonsequent. Entweder gar nicht oder dauerhaft – diese zwei Entscheidungen müssten zur Auswahl stehen. Zudem ist eine zeitweise Aufstockung als Brandschutz nicht glaubwürdig; SpekulantengreifendannebeneinJahrspäter
Zur Person Ansgar Belke ¡ 28. 3. 1965 geboren ¡ 1995: Promotion Ruhr-Uni Bochum ¡ 2006 bis 2007: Mitglied im Forschungszentrum Innovation und Dienstleistung der Uni Hohenheim ¡ seit 2007: Professor für Volkswirtschaft an der Uni Duisburg-Essen. Er ist Forschungsdirektor für Internationale Makroökonomie am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. (StN) Foto: DIW
WASHINGTON. Die Polizei von Sanford sitzt wegen des unaufgeklärten Tods eines 17-jährigen Schwarzen auf der Anklagebank. Doch sie weist die Vorwürfe zurück. Durch eine gezielte Indiskretion landete jetzt der Mitschnitt einer Überwachungskamera beim Fernsehsender ABC. Darauf zu sehen ist George Zimmerman, der Trayvon Martin kurz vorher erschossen hatte. Angeblich aus Notwehr. Das Video zeigt, wie der Schütze in Handschellen auf die Wache gebracht wird. Offenkundig geht es der lokalen Polizei darum, Kritiker zu widerlegen, die ihr vorhalten, Zimmerman nicht verhaftet zu haben. Tatsächlich empfahl der leitende ErmittlervorOrt,ChrisSerino,demMannvon der Bürgerwehr den Prozess wegen Totschlags zu machen. Dazu kam es nicht, weil der zuständige Staatsanwalt abwinkte. Das Video scheint Serinos Zweifel am Notwehr-Argument zu untermauern. Für jemanden, der angeblich eine gebrochene Nase und Kopfverletzungen davongetragen hatte, klettert Zimmerman erstaunlich agil aus dem Polizeiwagen. Die Aufnahmen lassen keinerlei Verletzungen erkennen. Trayvons Vater Trayc sieht sich durch das Video bestätigt. Notwehr? „Das ist totaler Unsinn. Niemals“, weist er die Rechtfertigungsversuche Zimmermans zurück. Trayvon machte sich in den Augen Zimmermans wegen seines Kapuzen-Pullovers (Hoodie) undderHautfarbeverdächtig.SeineUnterstützer in den rechten Medien meinen auch, der junge Schwarze trage eine Mitschuld an seinem Tod. Weil er wegen Marihuana-Besitzes für zehn Tage von der Schule suspendiert gewesen sei, sich die Kapuze über den Kopf gezogen hatte und den Bürgerwehrmann einfach angegriffen habe. Trayvons Mutter Sybrina Fulton ist empört. „Erst habensiemeinenSohngetötetundjetztbetreibensieauchnochRufmord.“Dochsieistzuversichtlich, dass die Dinge vorankommen, nachdem sich mit Angela Corey eine Sonderermittlerin um den Fall kümmert.
an. Denn die Euro-Problemländer brauchen Jahre, um ihre Wirtschaftsstrukturen zu verbessern. Sie bleiben daher zunächst anfällig.
Was bewirkt ein größerer Euro-Rettungsfonds?
So eine höhere Brandschutzmauer richtet sich gegen Spekulanten, die den Euro-Währungsraum im Blick haben und möglichst hohe Gewinnspannen erzielen wollen, wenn sie Staaten Geld borgen und deren Schuldverschreibungen kaufen. Der Euro-Rettungsfonds ist eine alternative Geldquelle für Staaten. Sie sinddamitnichtmehrnuraufdieFinanzmärkte – Banken, Versicherer oder Investmentfonds – angewiesen, um frisches Geld zu erhalten. Die Staaten sind damit nicht mehr so abhängig von Investoren aus Europa und der Welt.
Hätten die Europäer andere Möglichkeiten, als den Nottopf zu vergrößern?
Ja. Der Rettungsfonds hätte nicht unbedingt aufgestockt werden müssen. Schließlich haben die günstigen Sonderkredite der Europäischen Zentralbank (EZB) für Banken den Europäern drei Jahre Zeit verschafft und die Finanzmärkte etwas beruhigt. Zudem ist der Sorgenstaat Italien auf einem guten Weg, die Regierung leistet gute Arbeit. Viel wichtiger wäre es daher gewesen, noch mehr Augenmerk in Europa darauf zu richten, dass die LänderbessermitdemGeldihrerSteuerzahler haushalten und Schulden abbauen.
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Nummer 230 • Dienstag, 6. Oktober 2009
Platz sechs fürs deutsche Gesundheitswesen
Gut, besser, Norwegen
Studie vergleicht 33 Länder der EU – Lob für kurze Wartezeiten
Es mag kalt sein und im Winter auch dunkel in Norwegen – dennoch ist die Lebensqualität extrem hoch: Laut UNStudie liegt Norwegen auf Platz 1 jener Länder, die am höchsten entwickelt und damit am lebenswertesten sind.
BRÜSSEL. Deutsche Politiker und Patienten nörgeln über lange Wartezeiten und miesen Service in Praxen und Krankenhäusern. Dabei steht Deutschland im EUVergleich sehr gut da. Nach einer EU-Studie belegt unser Gesundheitssystem unter 33 Ländern den sechsten Platz. Besonders gut weg kommt es in den Kategorien Wartezeiten, Behandlungsergebnisse und Zugang zu Medikamenten. Deutlich besser sind die Niederlande: Sie führen die Rangliste zum zweiten Mal in Folge an, gefolgt von Dänemark, Island und Österreich. Das Schlusslicht bilden die EU-Neulinge Rumänien und Bulgarien. Der Gesundheitskonsumenten-Index vergleicht jährlich nationale Gesundheitssysteme anhand von 38 Indikatoren. Erstellt wird er von der Denkfabrik Health Consumer Powerhouse in Brüssel, die von der EU-Kommission unterstützt wird. Deutschland konnte seine Position im Vergleich zum Vorjahr halten und erzielte besonders in den Kategorien Zugang zu Arzneimitteln und kurze Wartezeiten auf Behandlung hohe Punktzahlen. So würden Operationen in nicht akuten Fällen in der Regel binnen 90 Tagen erledigt – was nur in wenigen Ländern klappt. Auf eine Computertomografie müssen Patienten meist nicht länger als sieben Tage warten. Schwachpunkte sind, dass Kassen- und Privatpatienten ungleich behandelt werden. Auch bei der Zahl der Nierentransplantationen und der Mammografie-Rate steht Deutschland vergleichsweise schlechter da.
Kurz berichtet
König gegen Klerus König Abdullah von Saudi-Arabien hat sich erstmals seit seinem Amtsantritt vor vier Jahren mit dem einflussreichen Klerus angelegt. Der 1924 geborene Monarch, der in dem islamischen Königreich trotz seines hohen Alters als relativ fortschrittlich gilt, entließ am Sonntagabend Scheich Saad bin Nasser al-Schethri aus dem Rat für große Islamgelehrte. Dieser hatte in der vergangenen Woche in einem Interview mit dem islamischen TV-Sender Al-Madschd erklärt, es sei inakzeptabel, dass Männer und Frauen an der im September eröffneten König-Abdullah-Universität für Wissenschaft und Technologie (KAUST) gemeinsam unterrichtet würden. Die Gründung der Universität geht auf eine Initiative des Herrschers zurück. (dpa)
Obama gegen Dalai Lama US-Präsident Barack Obama will sich nicht mit dem Dalai Lama treffen. In seinen Bemühungen um bessere Beziehungen zu China habe sich Obama entschlossen, vor seinem Besuch in Peking im November einem Treffen mit dem geistlichen Oberhaupt der Tibeter aus dem Weg zu gehen, berichtete die „Washington Post“ am Montag. Washington sei etwa im Atomstreit mit dem Iran auf die Unterstützung Chinas angewiesen, hieß es zur Begründung. (dpa)
Angeblich neue Terrorzelle in Hamburg entdeckt Von Angelika Bruder HAMBURG/MAINZ. Acht Jahre nach den auch in Hamburg geplanten Terroranschlägen vom 11. September 2001 hat sich in der Hansestadt womöglich erneut eine islamistische Terrorzelle gebildet. Die Sicherheitsbehörden haben nach einem Bericht der ARD-Sendung „Report Mainz“ eine zehnköpfige Gruppe von gewaltbereiten Islamisten im Visier, deren Mitglieder im März in einer konspirativen Aktion zur Terrorausbildung an den Hindukusch gereist sein sollen. Zwei der Islamisten seien inzwischen zurückgekehrt. Die Hamburger Innenbehörde wollte sich auf Anfrage zu dem Inhalt des Berichts nicht konkret äußern, sondern erklärte lediglich, dass es Maßnahmen gebe, „über die wir aber nicht in aller Öffentlichkeit reden, um die Wirksamkeit unserer Maßnahmen nicht zu gefährden“. Insgesamt rund 180 Islamisten aus Deutschland haben nach Informationen des Bundeskriminalamtes inzwischen eine paramilitärische Ausbildung in einem Terrorcamp am Hindukusch absolviert oder planen eine solche Ausbildung. Knapp die Hälfte dieser „Personen mit Deutschlandbezug“, rund 80, sind nach diesen Informationen wieder zurück in der Bundesrepublik, wie ein BKA-Sprecher sagte. Ob und, wenn ja, wie diese Personen von der Polizei überwacht werden, wollte der Sprecher nicht sagen.
In Sachen Lebensqualität im weltweiten Vergleich spitze – Deutschland schafft es nicht einmal unter die besten zehn Staaten
WIEN/BANGKOK (StN). Norwegen verteidigte seine Spitzenposition vor Australien und Island. Deutschland schaffte es in puncto Lebensqualität nur auf Platz 22 und liegt damit hinter Ländern wie Irland, Frankreich, Österreich, Spanien und Italien. Die letzten Positionen belegen die kriegsgeschüttelten Staaten Sierra Leone, Afghanistan und Niger. Die UN vergleichen seit 1990 die Entwicklungsstandards in ihren Mitgliedsländern. Dafür werden unter anderem Daten zum Einkommen, zur Bildung und Lebenserwartung herangezogen. Der aktuelle HumanDevelopmentIndex (HDI) soll ein präziseres Abbild von der Wohlfahrt eines Landes geben als das oft für Vergleiche herangezogene Bruttoinlandsprodukt pro Kopf (BIP). Insgesamt sind auf der UN-Liste 182 Länder verzeichnet. Das ärmste Land der Welt ist die Demokratische Republik Kongo mit einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von 204 Euro pro Kopf. Die höchste Lebenserwartung haben die Japaner (86,2 Jahre für Frauen und 79 Jahre für Männer). In Afghanistan beträgt die Lebenserwartung nur 43,5 Jahre. In den 24 ärmsten Ländern der Welt kann gut die Hälfte nicht lesen. In den Staaten, deren Entwicklungsstandard im Mittelfeld liegt, kann ein Fünftel der Bevölkerung nicht lesen. Norwegen verdankt seinen Spitzenplatz der vergleichsweise hohen Lebenserwartung von 80,5 Jahren. Die Einschulungsrate liegt bei 98,6 Prozent, damit sind fast alle Norweger im schulfähigen Alter an einer Bildungseinrichtung eingeschrieben. Maßgeblich zum Spitzenplatz des erdölreichen Landes hat auch das hohe Bruttoinlandsprodukt von 53 000 Dollar pro Kopf beigetragen, das um Verzerrungen durch Wechselkurse bereinigt ist. Die Verwerfungen der Finanzkrise, die Island besonders hart trafen, sind in dem Index allerdings noch nicht abgebildet: Er beruht noch auf Daten aus dem Jahr 2007. Berauschend fällt Deutschlands Position im HD-Index nicht gerade aus: Die Lebenserwartung in Deutschland lag 2007 zwar bei beachtlichen 79,8 Jahren, auch das BIP pro Kopf liegt mit 34 400 Dollar vergleichsweise hoch. Doch die Einschulungsrate von 88,1 Prozent kostet Deutschland kräftig Plätze. Die Bundesrepublik belegt einen relativ niedrigen Platz wegen des gesunkenen Pro-Kopf-Einkommens im Zuge der Wiedervereinigung.
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Foto: Fotolia/Nymph StN-Bearbeitung: Knauf, Gröger
Von unserer Korrespondentin Katrin Teschner, Brüssel
„Es gibt keinen Sieg im klassischen Sinn“ General a. D. Helmutt Harff sieht USA und Nato in Afghanistan am Scheideweg – Bundeswehrsoldat erliegt Spätfolgen seiner Verletzung Von Claudia Lepping Berliner Redaktion BERLIN. Ein Bundeswehrsoldat ist an den Spätfolgen eines Selbstmordanschlags der radikalislamischen Taliban in Afghanistan gestorben. Der Fallschirmjäger war am 6. August 2008 bei einem Attentat schwer verletzt worden, so das Verteidigungsministerium am Montag in Berlin. Zwischenzeitlich war der 24-Jährige von der Luftlandebrigade 26 im Saarland außer Lebensgefahr – dann verschlechterte sich sein Zustand wieder. Damit sind bisher 36 Soldaten in Afghanistan ums Leben gekommen, davon 17 bei Anschlägen und Gefechten. Der frühere General Helmut Harff glaubt nicht, dass der Krieg in Afghanistan mit militärischen Mitteln allein noch zu gewinnen ist. Es gebe keinen Sieg im klassischen Sinn, sagte er unserer Zeitung.
Herr Harff, die Mehrheit der Amerikaner zweifeln am erfolgreichen Ausgang des Afghanistan-Krieges. Der Kommandeur der Nato-Truppen, US-General Stanley McChrystal, verlangt bis zu 40 000 weitere Soldaten. Stehen die USA in Afghanistan am Scheideweg? Sicherlich wird es für die US-Regierung immer schwieriger, den eigenen Bürgern Sinn und Zweck des nationalen Krieges mit internationaler Unterstützung zu erklären. Vor-
rangiger Rückzugsraum für El Kaida ist nunmehr Pakistan; die heutigen Taliban sind nicht mehr die Terroristen des 11. September 2001. Am Scheideweg stehen nicht nur die USA, sondern vielmehr insbesondere die Nato-Mitgliedstaaten.
Muss General McChrystal zwangsläufig das Maximale fordern, um mit dem möglichen Kompromiss zurechtzukommen?
Der General trägt in Afghanistan zwei Hüte – als Isaf-Kommandeur mit Truppenteilen von mehr als 40 Nationen und als nationaler Kommandeur der US-Streitkräfte. Durch die Nato ist er dem vernetzten Ansatz (Comprehensive Approach) verpflichtet. Allein mit militärischen Mitteln wird es in Afghanistan keinen erfolgreichen Ausgang geben, keinen Sieg im klassischen Sinne. Es stellt sich letztlich nicht die Frage nach der Kopfzahl von militärischem Personal, sondern die Frage nach umfassenderer ziviler Aufbauleistung mit nichtmilitärischen Helfern und nach einem zügigen Polizeiaufbau mit angemessener Ausrüstung und Bezahlung. Zudem geht es darum, Bestechung zu verhindern – also einen zu hohen Schwund der internationalen finanziellen Unterstützung.
Welche nationalen Interessen verfolgen die USA in Afghanistan?
Nach meiner Meinung beeinflussen drei
Flüssigkeiten die Entscheidungen der Völkergemeinschaft und natürlich auch die der Weltmacht USA: Öl, Wasser und Blut. Ölquellen sollen erschlossen, Öl gefördert und ins Ausland transportiert werden. Wasser ist nötig für die Versorgung der Menschen am Nil, an Euphrat und Tigris und am Jordan. Blut steht für Völkermord und Hungerkatastrophen. Afghanistan ist seit Jahrhun-
Zur Person
Helmutt Harff ¡ 1939 geboren ¡ 1958 geht er zur Bundeswehr und macht als Offizieranwärter eine Ausbildung als Einzelkämpfer und Fallschirmjäger. Studium der Betriebswirtschaft ¡ 1993–1994 kommandiert er Bundeswehreinsätze in Somalia ¡ 1998–1999 Brigadegeneral im Kosovo ¡ Er ist heute Geschäftsführer des Verteidigungsausschusses beim Bundesverband der Deutschen Industrie (StN) Foto: dpa
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derten geprägt durch seine strategische geografische Lage. Im aktuellen politischen Alltag liegt es zudem zwischen dem nach atomarer Nutzung strebenden Iran und der Atommacht Pakistan. Ein nationales Interesse der USA in dieser Region mag auch die Verhinderung einer weiteren regionalen Destabilisierung sein.
Wie sinnvoll ist ein Dialog mit den Taliban?
Die Hauptsache ist, die Mehrzahl der Menschen in Afghanistan zu gewinnen: für ihre eigene Sache und für ein normales, friedlicheres Zusammenleben. Die Äußerungen des Generals sind die des US-Kommandeurs vor Ort und – leider – nicht die des Nato-Befehlshabers!
Wie fällt Ihr Resümee zum deutschen Beitrag in Afghanistan aus?
Terroristen haben einen langen Atem, während militärisch gegen ihr weltweites Vorgehen nichts zu gewinnen ist. Deutschland steht als Nato-Mitglied in der Bündnispflicht, muss aber auch der eigenen Bevölkerung gerecht werden und ihr den Afghanistan-Einsatz verständlich erläutern. Nur wenn die Bundesregierung weiterhin überzeugt ist, richtig entschieden zu haben und aktuell angemessen zu handeln, ist das deutsche Engagement für Afghanistan berechtigt und dieser Beitrag für übergeordnete Ziele angebracht.
Stuttgarter KärntnerNachrichten Wirtschaft
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Nummer 161 • Donnerstag, 16. Juli 2009
So könnte er aussehen: Der Blick auf den Pariser Eiffelturm durch einen Niqab, einen Gesichtsschleier, der von muslimischen Frauen zusammen mit einem schwarzen Gewand getragen wird
Fotos: picture alliance, dpa, StN-Montage: Karl-Heinz Färber
Burka-Krieg in Frankreich Wie Präsident Sarkozy stellen sich viele Franzosen gegen die Totalverhüllung muslimischer Frauen – Ruf nach Vermummungsverbot In Frankreich wird der Ruf nach einem gesetzlichen Burka-Verbot immer lauter. In vielen französischen Meldeämtern kommt es zu bizarren Szenen. Die Muslime sind zerstritten. Von unserem Korrespondenten Gerd Niewerth, Paris PARIS. In Vénissieux regiert der Koran. „Burka-Land“, sagen sie und rümpfen die Nase, wenn vom Arbeitervorort im Lyoner Süden die Rede ist. Eine Banlieue, die zweifelhafte Berühmtheit erlangt hat. Denn seit sich Bürgermeister André Gerin, ein kämpferischer Kommunist, an die Spitze einer breiten Kampagne gegen die zunehmende Totalverhüllung muslimischer Frauen gesetzt hat, scheint die Schicksalsfrage der Nation gestellt: Erschüttert der Vormarsch fanatischer Radikal-Islamisten die Grundfesten der Republik? Hilft als letztes Mittel nur ein gesetzliches Burka-Verbot? Die Mitarbeiter des Rathauses von Vénissieux haben täglich aufs Neue Grund, sich über den bedrohlich wallenden schwarzen Schleier aufzuregen. Sie stehen im BurkaKrieg an vorderster Front. Dass völlig verhüllte Frauen das Meldeamt betreten, um ihren Reisepass zu verlängern, und sich hartnäckig weigern, den Ganzkörper-Schleier zu lüften, gehört zum bizarren Behördenalltag in Vénissieux. „Dann bezichtigen sie uns auch noch des Rassismus und drohen mit Repressalien“, vertraute kürzlich eine Rathausmitarbeiterin dem „Figaro“ an. Ähnliche Klagen äußern die Standesbeamten, die im Angesicht einer Burka-Frau schlimmstenfalls befürchten müssen, eine Zwangsheirat anzubahnen oder gar Beihilfe zu Scheinehen zu leisten. Selbst Grundschullehrer treiben die verschleierten Frauen zu schierer Verzweif-
lung. Wenn sie die Kinder nach Hause schicken, wissen sie nie so recht, wer sich gerade unter dem Schleier verbirgt und das Kind abholt: die Mutter, die Großmutter oder eine wildfremde Frau? Für André Gerin, den Bürgermeister, ist das Maß voll. „Zu sehen, wie diese wandelnden Gefängnisse über unsere Straßen gehen, erzeugt einen tiefen Schmerz“, empört sich der aufgebrachte Politiker, der mit seiner leidenschaftlichen Kritik an der „Totalverhüllung“ eine breite Diskussion in Frankreich angestoßen hat. Eine höchst polemische Debatte, in der sich der umtriebige Staatspräsident, ein Polit-Profi mit feinem Gespür fürs Populistische, prompt an die Spitze zu setzen sucht. Denn in seiner Rede zur Lage der Nation stellte Nicolas Sarkozy kürzlich unmissverständlich klar: „Die Burka ist auf dem französischen Territorium nicht willkommen.“ Und er fügte hinzu: „In unserem Land können wir es nicht hinnehmen, dass Frauen hinter einem Gitter gefangen sind, abgeschnitten von jedem sozialen Leben, jeder Identität beraubt.“
Bis Jahresende soll feststehen, ob das immer lauter geforderte Vermummungsverbot tatsächlich erlassen wird Seit wenigen Tagen muss eine eigens einberufene Parlamentskommission nun das Pro und Contra abwägen. Bis Jahresende soll feststehen, ob das immer lauter geforderte „Vermummungsverbot“ tatsächlich erlassen wird. Für Jean-François Copé, den Fraktionschef der regierenden UMP, ist die Stoßrichtung jedenfalls klar: „Ja, das Verbot kommt.“ Das überwältigende Echo in zahlreichen Internetportalen illustriert, wie verletzt die
republikanische französische Seele ist. „Die Burka“, fügt Gerin warnend hinzu, „die ist nur die Spitze vom Eisberg.“ Anders als etwa im traditionell weltoffenen Britannien, wo offenbar niemand so recht Anstoß am Ganzkörper-Schleier nimmt, trifft er die Franzosen an einer besonders empfindlichen Stelle. Haben sie doch den Laizismus, die strikte Trennung von Kirche und Staat, schon vor über hundert Jahren in den Rang einer Staatsdoktrin erhoben. Ein heiliges Prinzip, das sie erst 2004 erneuerten, als sie – ebenfalls nach erbitterter Fehde – das rigorose Kopftuchverbot an Schulen und Universitäten erließen. Nicht vergessen darf man bei diesem delikaten Thema natürlich die leuchtenden Ideale der Französischen Revolution. „Liberté, Egalité, Fraternité“, das prangt an allen Schulgebäuden und Rathäusern im Lande. Zeitlose Werte, von denen die sendungsbewussten Franzosen glauben, man habe sie der ganzen Welt als universales Geschenk vermacht. Kein Wunder, dass der irritierte Afghanistan-Beauftragte des Elysée neulich vorwurfsvoll fragte, warum Frankreichs Soldaten am Hindukusch für die Gleichheit von Mann und Frau kämpften, während daheim nichts gegen die Burka unternommen werde, das zynische Symbol des frauenverachtenden Taliban-Regimes. Die Burka und die Freiheit: Niemand hat das republikanische Freiheitsideal so verklärend in Szene gesetzt wie der Romantiker Eugène Delacroix. Sein bekanntestes Gemälde, in dem die Freiheit, einer antiken Göttin gleich, die revolutionären Massen anführt, symbolisiert den krassen Gegenentwurf zum steinzeitlichen Frauenbild islamischer Fundamentalisten. Hier der entblößte Busen und die nackten Füße – dort der schwarze Schleier, der jegliche weibliche Haut vor aufdringlichen Männerblicken schützen soll. „Vor zwanzig Jahren liefen sie noch mit
einfachem Schleier durch unsere Städte, heute haben sie immer häufiger Gitter vor dem Gesicht und tragen sogar Handschuhe“, berichten immer mehr Franzosen übereinstimmend. Welches exakte Ausmaß die weibliche Totalverhüllung in Frankreich inzwischen angenommen hat, darüber herrscht noch Unklarheit. Lediglich einige Tausend dürften es sein, angesichts von fünf Millionen Muslimen zwar nur ein Bruchteil. Aber es ist der spürbare Aufwärtstrend, der in den Menschen tiefsitzende Ängste hervorruft: die Furcht vor einem schleichenden Vormarsch des Islam.
„Selbstverständlich ist das für die Franzosen eine Provokation“ Zeina El-Tibi in Paris lebende libanesische Publizistin Immer beklagen Franzosen den Mangel an Respekt. „Wenn wir nach Saudi-Arabien reisen, halten wir uns doch auch an die herrschenden Kleidungsvorschriften“, schreibt eine Leserin im Meinungsforum der Zeitschrift „Le Point“, „deshalb sollten sie auch unsere Sitten und Gebräuche in Frankreich akzeptieren.“ „Selbstverständlich ist das für die Franzosen eine Provokation“, findet auch die libanesische Publizistin Zeina El-Tibi, eine weltoffene Muslimin, die schon seit 35 Jahren in Paris lebt. Vehement tritt sie dafür ein, dass sich Muslime ihrer jeweiligen Umgebung anpassen. Im Übrigen sei die Burka alles andere als islamisch. „Viele, die sie tragen, sind Opfer einer Gehirnwäsche“, fügt sie hinzu. Die Frauen unter der Burka sind meist zwangsverhüllte Einwanderinnen der zweiten und dritten Generation, erniedrigt und unterworfen von fanatisch-fundamentalistischen Glaubensbrüdern. Aber immer wie-
Der Sturm im Weinglas
Info
Orientierung für Genießer
Ein Winzerboykott gegen den wichtigsten Weinführer Gault Millau löst Aufruhr aus – und lockt die Konkurrenz aus der Reserve Von Michael Weier Schmeckt Ihnen der Wein? Das ist eine gute Frage, die von Weinliebhabern längst nicht mehr so einfach mit gut oder schlecht beantwortet werden kann. Womöglich sagt man sauer, dabei ist der Tropfen mineralisch! Derlei Unsicherheiten bescheren den Weinführern eine immer größere Bedeutung, die Konsumenten verlassen sich gerne auf Ranglisten und Bewertungen – weshalb solche für die Weingüter schlicht zu einem wirtschaftlichen Faktor geworden sind. Entsprechend hoch schlagen derzeit die Wellen: der bedeutendste Weinführer wird boykottiert, just in diesem Moment kommt ein Konkurrenzprodukt auf den Markt – und im Hintergrund wird über Mauscheleien und Intrigen geredet. Obwohl die Geschichte eher an eine Posse erinnert, war in anderen Publikationen auch schon von „Krieg“ oder „Showdown“ die Rede. Der Reihe nach. Angefangen hat alles mit finanziellen Problemen im Christian-Verlag. Dessen Weinführer Gault Millau ist in der Branche zwar der angesehenste, wirft aber offenbar zu wenig Gewinn ab. Also suchten die Verlagsleute nach einer neuen Geldquelle – und entdeckten sie in den Winzern. Für Weinverkostungen bezahlen diese
schließlich auch, warum dann nicht auch für das Erscheinen im Gault Millau? Der Verlag setzte ein Schreiben an alle in dem Buch vertretenen Betriebe auf und fragte einen freiwilligen Beitrag von 195 Euro an. Als Gegenleistung dafür sollten die Winzer zwei gedruckte Exemplare (im Buchhandel 29,90 Euro) erhalten, zudem noch das Recht, mit der Empfehlung aus dem Gault Millau zu werben. Dieses Ansinnen löste den Aufstand der Winzer aus. Eine Gruppe von vierzehn renommierten Betrieben schrieb einen offenen Brief an den Verlag und kündigte die Zusammenarbeit auf. Darunter Betriebe wie Heger aus Baden, Fürst aus Franken, Künstler aus dem Rheingau, Dönnhoff von der Nahe und Knipser aus der Pfalz – alle vom Gault Millau als Top-Betriebe gehandelt. Knipser wurde in der jüngsten Ausgabe gar als Winzer des Jahres gefeiert. Die Boykotteure behaupteten, durch das Ansinnen des Verlags erhalte die Bewertung den Ruch, man könne eine gute Note kaufen. Vor allem die Freiwilligkeit wurde angeprangert. Dadurch werde diese Sichtweise doch nur erhärtet. Beim Verlag versuchte der zuständige Programmleiter Clemens Hahn die Wogen zu glätten. Im Nachhinein nennt er seinen
der lösen neuerdings auch französische Frauen Irritationen aus, wenn sie vom Christentum zum Islam übertreten und den denkbar radikalsten Kleiderwechsel vornehmen: vom kurzen Rock unter die Burka. „Sie scheinen auf diese extreme Weise eine tiefe Spiritualität zu suchen“, deutet Zeina ElTibi dieses Phänomen. Die Grande Mosquée de Paris, die Große Moschee, die Frankreich als Dank für die algerisch-muslimischen Waffenbrüder des Ersten Weltkriegs im bürgerlichen fünften Arrondissement errichtete, durchweht ebenfalls ein aufgeklärter Geist. Der Mann vom Gemeindebüro, der im lauschig-begrünten Innenhof steht, über ihm ein gelber Halbmond mit grünem Stern, nimmt kein Blatt vor den Mund. Er sagt: „Ich lehne die Burka ab.“ Um im selben Atemzug klarzustellen, dass er ein gesetzliches Verbot für ebenso überzogen hält. „Das ist übertriebener Eifer, wir haben’s doch nicht mit einem Massenphänomen zu tun.“ Sein Name? „Non Monsieur“, lächelt der auskunftsfreudige Mann, ein sympathischer Mittvierziger mit abweisender Hand. Eine Vorsicht, die angesichts der hitzigen Debatte alles andere als unklug erscheint. Denn in Bordeaux gingen kürzlich zwei fanatische junge Muslime, Mitglieder der radikalen Salafistenvereinigung, mit Fäusten auf den Imam los. Nur weil der Geistliche zuvor in einem Interview des staatlichen Fernsehsenders France 2 das Burka-Verbot abgelehnt, aber gleichzeitig vehement dafür geworben hat, die Frauen vom Verhüllungszwang zu befreien. Gänzlich ungeklärt bleibt die Frage, wie ein Verbot überhaupt vollstreckt werden könnte. Mohammed Moussaoui, Präsident des zerstrittenen muslimischen Dachverbands in Frankreich, lehnt ein Burka-Verbot ab und warnt vor einer „Stigmatisierung des Islam“. Er fragt: „Wird man die Frauen etwa auf der Straße verhaften und sie zwingen, sich zu entschleiern?“
Brief „in der Formulierung sicher unglücklich“. In einem zweiten Brief schrieb er, dass der finanzielle Beitrag natürlich völlig unabhängig von der redaktionellen Berichterstattung sei – vergeblich. Der Sturm im Weinglas tobte.
Die Aufforderung zum freiwilligen finanziellen Beitrag „war in der Formulierung sicher unglücklich“ Clemens Hahn Programmleiter beim Gault Millau Nun schlug die Stunde der Gerüchte und Spekulationen. Immer mehr geriet GaultMillau-Chefredakteur Armin Diel in die Schusslinie. Weil der Mann selbst ein Weingut betreibt, früher sogar noch einen Weinhandel, war er schon öfter der Buhmann. Mangelnde Neutralität wurde ihm vorgeworfen, unter der Hand auch Überheblichkeit. Kenner der Weinszene vermuten, dass hier alte Rechnungen beglichen wurden. Schließlich legte Diel seinen Posten nieder. Chefredakteur ist künftig sein langjähriger Partner Joel Payne, der zumindest kein Weingut besitzt.
Währenddessen gerieten auch die Aufrührer unter Beschuss, weil ein Teil der Gruppe unter der Fahne der Zeitschrift „Feinschmecker“ bei verschiedenen Messen aufgetreten ist. In Winzerkreisen wird die Gruppe als Feinschmecker-Familie bezeichnet, da ihre Produkte in dem Heft schon immer besser weggekommen seien. Dies bestreiten die Boykotteure vehement. Auch seien sie nicht von der „Feinschmecker“-Redaktion zu ihrem Aufstand getrieben worden. Just in den Streit hinein verkündete gestern der „Feinschmecker“, künftig einen eigenen Weinführer auf den Markt zu bringen. In einer abgespeckten Form existierte dieser immer schon, jetzt wurde ein 250 Seiten starkes Werk (der Gault Millau umfasst 800 Seiten) für den Buchhandel angekündigt. Die eigene Weinzeitschrift „Weingourmet“ hat der Verlag zwar eingestellt, dennoch wolle man zeigen, dass man sich eine große Kompetenz erarbeitet habe. Damit ihre Weine verkostet werden, betont der Verlag, müssten die Winzer nichts bezahlen. Wie schizophren der Streit ist, beleuchtet folgend Fußnote: Wer die Homepage vom Weingut Knipser anklickt, stößt als Erstes auf das Titelbild vom Gault Millau und den Hinweis „Winzer des Jahres“. Aber das ist die Ausgabe vom vergangenen Jahr . . .
¡ Die erste deutsche Ausgabe des 1969 in Frankreich gegründeten Restaurantführers Gault Millau gab es 1983. Außer dem Restaurantführer erscheint im Münchner ChristianVerlag jährlich auch Diel Foto: dpa der Gault Millau Wein-Guide mit den besten deutschen Weinerzeugern. Armin Diel, seit 1993 Chefredakteur und Herausgeber des Wein-Guide, ist jetzt wegen des Streits um den Gault Millau von seinen Posten zurückgetreten. ¡ Die im Hamburger Jahreszeiten-Verlag monatlich erscheinende Zeitschrift „Der Feinschmecker“ gibt es seit 1975. Chefredakteurin ist seit 1997 Madeleine Jakits. Die 54-Jährige Jakits plant jetzt einen eigenen deutschen Weinführer über die Topwinzer.
StN
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Nummer 9 Mittwoch, 13. Januar 2010
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30 Menschen nach Brand ohne Zuhause
Vorfahrt für Frauen: Immer mehr Bürgermeisterinnen
Mehrfamilienhaus in Weil der Stadt durch Feuer in Tiefgarage beschädigt
In Baden-Württemberg wurden seit 1990 insgesamt 48 Rathaus-Chefinnen gewählt
Von Ulrich Hanselmann
Von Annette Mohl STUTTGART. Statistisch wird der Anteil der Frauen in Bürgermeistersesseln beim Gemeindetag erst seit der Gemeindereform 1975 erhoben. Damals gab es im ganzen Land aber noch keine einzige Frau in diesem Amt. Das änderte sich erst 1990, als Beate Weber in Heidelberg an die Rathausspitze gewählt wurde. Die Sozialdemokratin wirkte 16 Jahre in der Unistadt, trat für eine dritte Amtszeit aber nicht mehr an. „Seit 1990 wurden in Baden-Württemberg 48 Oberbürgermeisterinnen und Bürgermeisterinnen gewählt, 40 von ihnen sind noch im Amt“, weiß Gemeindetag-Sprecher Harald Burkhart. Dennoch stellen die Frauen bei 1101 selbstständigen Städten und Gemeinden im Land einen nur kleinen Prozentsatz der Stadt- und Gemeindeoberhäupter.
„Auch Boris Palmer wird nicht abstinent vom Rathaus bleiben und nur noch das Baby wickeln“ Lucia-Maria Herrmann Bürgermeisterin in Lichtenwald Als erste Rathauschefin einer kleineren Gemeinde im Land wurde 1992 Birgit Kriegel in Löwenstein (Kreis Heilbronn) gewählt. Sie schlug bei der Wahl einen kommunalpolitischen Platzhirsch, überstand aber nur eine Amtszeit und wurde nicht wiedergewählt. Auch in Tübingen konnte sich 1998 eine Frau durchsetzen, 2006 musste sich Brigitte Russ-Scherer aber Boris Palmer geschlagen geben. Dienstälteste Bürgermeisterin im Land ist damit Isolde Schäfer in Stühlingen im Südschwarzwald. Sie wurde im Oktober 2009 mit 53 Prozent in die dritte Amtszeit gewählt. Das wünscht sich nun auch Monika Chef, die dienstälteste Bürgermeisterin in der Region. Die FDP-Frau steht seit 16 Jahren an der Spitze der 4000-Einwohner-Gemeinde Gemmrigheim im Kreis Ludwigsburg. Am 28. Februar ist Wahltag. Bis zum 1. Februar um 18 Uhr läuft die Bewerbungsfrist, erst dann ist geklärt, wer es mit der 51-Jährigen aufnehmen will. Lucia Herrmanns zweite Amtszeit läuft im nächsten Jahr ab. Sie managt seit 1995 die Gemeinde Lichtenwald im Schurwald mit 2500 Einwohnern. Die erste Amtszeit war für sie kein Zuckerschlecken: „Es gibt Leute, die nur darauf warten, dass ich Fehler mache“, sagte sie fünf Jahre nach ihrer ersten Wahl. Damals war sie noch überzeugt: „Frauen haben es in diesem Amt besonders schwer.“ Nun hat sich das Blatt gewendet: „Seit meiner Wiederwahl 2003 sitze ich deutlich fester im Sattel.“ Sie kann sich zurücklehnen: „Frauenspezifisch gibt es jetzt keine Probleme mehr.“ Eines weiß sie aber genau: „Frauen müssen im Wahlkampf klar etwas zu ihrem Kin-
derwunsch sagen.“ Die Leute hätten „viel zu viel Respekt“ selbst zu fragen, wollten aber wissen, wer die Geschäfte führt, wenn die Bürgermeisterin schwanger wird. Sie selbst habe deshalb alle wissen lassen: „Wir wünschen uns Kinder, können aber keine bekommen.“ Diese Offenheit hat ihr nach ihrer eigenen Einschätzung zum Wahlsieg verholfen. So hat Lucia Herrmann in diesem Sinn auch Verena Grötzinger beraten, die sich 2008 in Owen, ebenfalls Kreis Esslingen, bewarb. Und Grötzinger, die damals noch Verena Wiedmann hieß, hatte von einem wohlwollenden Owener gehört: „Sie haben zwei Probleme – Sie sind eine Frau und Sie sind nicht verheiratet.“ Tatsächlich sei sie dann „auf offener Bühne“ gefragt worden, was passiert, wenn sie schwanger werde. „Bei mir wurde, anders als bei den männlichen Bewerbern, aber auch gefragt, warum ich glaube, für dieses Amt qualifiziert zu sein.“ Ihre Antworten konnten die Owener aber offensichtlich überzeugen: Verena Grötzinger wurde gegen zwei männliche Konkurenten mit 64 Prozent gewählt. Ein Grund war sicher ihr klares Bekenntnis zur ihrem Amt – trotz Kinderwunsch. „Ich habe klargestellt, dass dann mein Mann zu Hause bleibt.“ Sie sieht an der Spitze einer kleinen Verwaltung selbst auch keine Möglichkeit zu pausieren. Das sei in den größeren Städten mit Wahlbeamten an der Seite der Oberbürgermeisterin anders. „In einem großen Rathaus hat man viel fachliche Qualität und ein Hauptamt hinter sich.“ Sie sei in Owen aber „Generalistin“. Im gesamten Rathaus sind nur sechs Vollzeitkräfte tätig.
„Frauen legen mehr Wert auf ein gutes Klima und eine gute Gesprächsatmosphäre“ Ursula Keck Oberbürgermeisterin in Kornwestheim Jetzt, 13 Monate im Amt, sieht sich Grötzinger mit „sehr positiven Rückmeldungen“ konfrontiert. Oft werde ihre Sachkompetenz gerühmt, freut sich die 31-Jährige. Ein Lied davon singen, wie Bewerberinnen fürs Bürgermeisteramt am Kinderwunsch beurteilt werden, kann auch Irmtraud Wiedersatz aus Burgstetten (Rems-MurrKreis). Als das zweite Kind unterwegs war, habe der Stellvertreter der Bürgermeisterin schon gelauert, sagt Verena Grötzinger. Monika Chef (damals noch Monika Tummescheit) erntete offene Kritik aus dem Gemeinderat, als sie 14 Wochen in den Mutterschutz ging. Ulrike Binninger (damals Ulrike Mau) aus Nufringen (Kreis Böblingen) nahm den Kritikern dagegen früh den Wind für weitere Fragen aus den Segeln: „Ich bin konfessionslos und will keine Kinder.“ Dass das Amt keine Auszeit erlaubt, findet wie Verena Grötzinger auch Lucia Herrmann. Über den Tübinger OB, der angekündigt hat, im Herbst einige Monate Elternzeit zu nehmen, sagt sie: „Auch Boris Palmer
WEIL DER STADT. Ein Brand in einer Tiefgarage in der Kellereigasse in Weil der Stadt hat mehrere Hunderttausend Euro Schaden verursacht. Das darüber liegende 18-Parteien-Wohnhaus ist vorerst unbewohnbar. Rund 30 Menschen sind von dem Unglück betroffen. Kriminaltechniker haben sich am Dienstag auf Spurensuche in der ausgebrannten Tiefgarage gemacht. Möglicherweise, so laut einem Polizeisprecher das erste Ergebnis, hat ein defektes Heizgerät in einem Kellerraum, ein sogenannter Frostwächter, das Feuer verursacht. Vier Autos, zwei Motorräder und ein Roller sind am Montagabend ein Raub der Flammen geworden. Mehrere Kellerräume wurden zerstört. 105 Feuerwehrleute waren im Einsatz. Sie schützten das Wohnhaus vor dem Feuer, doch Rauchschäden konnten sie nicht verhindern. Sachverständige müssen jetzt untersuchen, ob durch die Hitze die Statik gelitten hat. Vier Erwachsene und drei Kinder wurden mit Verdacht auf Rauchvergiftung in eine Klinik gebracht. Neun Hausbewohner verbrachten die Nacht in einem Hotel, die anderen bei Verwandten. Wann sie in ihre Wohnungen in der Altstadt zurückkehren können, ist noch offen. Ein Sprecher der Stadt sagte am Dienstag, dass alle Betroffenen vorerst bei Verwandten oder Freunden unterkommen können.
Freie Fahrt für Frauen: Wer sich aufstellen lässt, hat gute Chance auf einen Chefsessel, sagen Politikwissenschaftler.
Frontaler Zusammenstoß wird nicht abstinent vom Rathaus bleiben und nur noch das Baby wickeln.“ Es werde auch ihm in einer größeren Stadt nicht möglich sein, die Drähte komplett zu kappen. „Als Bürgermeister hat man nie frei.“ „Das klassische Dilemma der Mehrfachbelastung“ sieht Oscar Gabriel (62), Professor für Politikwissenschaft an der Universität Stuttgart, als Hauptursache, dass sich Frauen selten für Spitzenpositionen bewerben. „Wenn Frauen kandidieren, haben sie gute Chancen, gewählt zu werden“, weiß Gabriel. Doch viele schreckten zurück vor dem Spagat zwischen Kindererziehung, Haushalt, Rathauschefin und Daueransprechpartnerin für jeden in der Gemeinde. Frauen seien in den Parlamenten und Parteivorständen durchaus auf dem Vormarsch, so Gabriel. Auf dem Weg in Spitzenpositionen gebe es aber ein Nadelöhr. Auch weltweit seien Frauen deshalb als Regierungschefin, Parlamentspräsidentin oder Parteivorsitzende noch die Ausnahme. Dies liege nach wie vor einfach „an der Verfügbarkeit der Zeit“. Um sich das Bürgermeisterinnen-Leben leichter zu machen, treffen sich die Amtsinhaberinnen einmal im Jahr im September für ein Wochenende an wechselnden Orten. 2009 war es in Laupheim (Kreis Biberach). Dort wurde Bürgermeisterin Monika Sitter im Dezember aber abgewählt. „Gut 20 Kolleginnen waren da“, sagt Lucia Herr-
WALDREMS (anj). Am Dienstagabend um 20.47 Uhr ist es auf der B 14 auf Höhe Waldrems in Richtung Nellmersbach zu einem schweren Verkehrsunfall gekommen. Eine 38-jährige BMW-Fahrerin, die aus Richtung Stuttgart kam, geriet aus bisher ungeklärter Ursache auf die Gegenfahrbahn. Sie stieß frontal mit einem Inveco-Transporter zusammen, der von einem 57-Jährigen gelenkt wurde. Beide Fahrer wurden eingeklemmt und mussten von Rettungskräften befreit werden. Die 38-Jährige schwebt in Lebensgefahr, der 57-Jährige wurde schwer verletzt. Der Sachschaden beläuft sich auf rund 65 000 Euro. Der Streckenabschnitt wurde voll gesperrt, eine Umleitung wurde eingerichtet. Es kam zu einem Rückstau. StN-Grafik: Lange
In der Region erobern Frauen die Rathausspitze. Bis zur Gleichstellung ist es aber ein weiter Weg: Von den 179 Städten und Gemeinden werden zehn von Frauen regiert. Der Politikwissenschaftler Oscar Gabriel sieht die Mehrfachbelastung der Frauen als Ursache: Sie kandidieren nur selten.
mann. Die Hausherrin stellt dann jeweils interessante Einrichtungen oder Firmen ihrer Stadt vor, im gemütlichen Teil wird dann schon einmal die Zusammenarbeit mit (männlichen) Kollegen oder dem Gemeinderat diskutiert. Ganz offensichtlich haben es Oberbürgermeisterinnen zumindest in der Anfangsphase leichter. Ursula Keck aus Kornwestheim fühlt sich nicht anders behandelt als männliche Kollegen. Wenn es überhaupt Unterschiede gebe, dann durch eine andersartige Kommunikation der Frauen: „Wir legen einfach mehr Wert auf ein gutes Klima eine gute Gesprächsatmosphäre.“ Gute Ergebnisse seien oft auch das Produkt von Sensibilität.
Diese Frauen stehen in der Region Stuttgart an der Verwaltungsspitze
Polizeinotizen
Räuber im Hausflur STUTTGART. Ein Unbekannter hat eine 64-Jährige im Hausflur eines Wohngebäudes an der Kronenstraße in der Innenstadt überfallen und deren Handtasche erbeutet. Der Räuber hatte die Frau am Montag gegen 17 Uhr offenbar auf ihrem Heimweg verfolgt. Der Täter ist etwa 20 Jahre alt und mit 1,55 Metern auffallend klein. Hinweise an 07 11 / 89 90 - 55 44.
Explosion beim Schweißen KORNWESTHEIM. Ein 38-Jähriger ist bei Arbeiten mit einem Schneidbrenner lebensgefährlich verletzt worden. Offenbar hatte sich unter einer 2,5 Tonnen schweren Eisenplatte Gas gesammelt, das beim Einsatz des Schweißgeräts explodierte. Der Arbeiter wurde von Teilen des Metalls am Kopf getroffen.
Anschlag mit Eisbrocken
Monika Chef (51)
Lucia-Maria Herrmann (47)
Seit 1995 Bürgermeisterin in Lichtenwald mit 2500 Einwohnern im Kreis Esslingen. Zu Lichtenwald zählen die Ortsteile Thomashardt und Hegenlohe. Lucia Herrmann gehört der CDU an. Sie ist Diplom-Verwaltungswirtin, Betriebswirtin und verheiratet.
Irmtraud Wiedersatz (48) Seit 1995 Bürgermeisterin in der Gemeinde Burgstetten mit 3429 Einwohnern im Rems-MurrKreis. Irmtraud Wiedersatz gehört keiner Partei an. Sie ist von Beruf Diplom-Verwaltungwirtin. Wiedersatz ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Dorothea Bachmann (43)
Ursula Kreutel (44)
Ursula Keck (46)
Gabriele Dönig-Poppensieker (50)
Seit dem Jahr 2000 Bürgermeisterin in der Gemeinde Freudental mit 2468 Einwohnern im Landkreis Ludwigsburg. Dorothea Bachmann ist parteilos. Sie ist Diplom-Verwaltungswirtin. Bachmann ist verheiratet und hat drei Kinder.
SCHORNDORF. Ein Unbekannter hat am Montagabend einen großen Eisbrocken von einer Brücke bei Schorndorf-Haubersbronn auf einen Zug der Wieslauftalbahn geworfen. Der Brocken verfehlte die Scheibe der Fahrgastkabine knapp. Schaden: rund 2000 Euro.
Ulrike Binninger (41)
Seit 2002 Bürgermeisterin in der Gemeinde Nufringen mit 5322 Einwohnern im Landkreis Böblingen. Ulrike Binninger gehört keiner Partei an. Sie ist DiplomVerwaltungswirtin von Beruf. Binninger ist verheiratet. Sie hat keine Kinder.
Fotos: StN (9)/Gabi Ridder
Seit 1994 Bürgermeisterin in der Gemeinde Gemmrigheim mit 3972 Einwohnern im Kreis Ludwigsburg. Sie gehört der FDP an und sitzt für ihre Partei im Landtag. Von Beruf ist sie Diplom-Verwaltungswirtin. Monika Chef ist geschieden und hat einen Sohn.
Angelika Matt-Heidecker (56)
Seit 2004 Oberbürgermeisterin in der Großen Kreisstadt Kirchheim unter Teck mit 39 800 Einwohnern. Matt-Heidecker gehört der SPD an und sitzt im Regionalparlament. Sie ist Juristin/Rechtsanwältin von Beruf, ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Seit 2006 Bürgermeisterin in der Gemeinde Weissach mit 7700 Einwohnern im Landkreis Böblingen. Die erfolgreiche Diskuswerferin (Teilnehmerin an der EM und WM) ist Diplom-Verwaltungswirtin. Sie ist parteilos und ledig. Kreutel hat eine Tochter.
Seit 2007 Oberbürgermeisterin der Großen Kreisstadt Kornwestheim mit 31 061 Einwohnern im Landkreis Ludwigsburg. Ursula Keck gehört keiner Partei an. Sie ist von Beruf Diplom-Verwaltungswirtin. Keck ist verheiratet. Sie hat keine Kinder.
Seit 2007 Oberbürgermeisterin der Großen Kreisstadt Filderstadt mit 43 840 Einwohnern in den Stadtteilen Bernhausen, Bonlanden, Plattenhardt, Sielmingen und Harthausen. Dönig-Poppensieker gehört der SPD an. Sie ist Stadtplanerin und verheiratet.
Verena Grötzinger (31)
Seit 2008 Bürgermeisterin in der Gemeinde Owen mit 3487 Einwohnern im Landkreis Esslingen. Die Jüngste aller Bürgermeisterinnen in der Region ist parteilos und von Beruf Diplom-Verwaltungswirtin. Verena Grötzinger hat bisher keine Kinder. (mo)
Auf frischer Tat ertappt URBACH. Polizisten haben am Montag an einer Tankstelle in Urbach (Rems-MurrKreis) zwei Automatenaufbrecher ertappt. Ein Beschäftigter hatte bemerkt, dass die Tür eines Kassenautomaten der Waschstraße offen stand. Er rief die Polizei. Einer der beiden 25-Jährigen ist einschlägig vorbestraft.
Unbekannte Tote REMSHALDEN. Nach wie vor ein Rätsel ist der Polizei die Identität der Frau, die sich am vergangenen Donnerstag am Bahnhof Remshalden-Grunbach (RemsMurr-Kreis) vor einen Zug geworfen hatte und dabei gestorben ist. Die 30- bis 50-Jährige hatte keine Papiere bei sich. Sie war von kräftiger Statur, trug die dunkelbraunen Haare lang und war mit mehreren T-Shirts und Jacken der Größen 44 bis 46 oder XL bis XXL bekleidet. Hinweise unter Telefon 0 71 51 / 950 - 0.
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Nummer 133 Montag, 14. Juni 2010
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Leere Drohung Verteidigungsminister zu Guttenberg kokettiert nicht zum ersten Mal mit seinem Rücktritt Es ist nicht einfach, die Gemengelage des Karl-Theodor zu Guttenberg zu verstehen, die ihn sogar inmitten der Koalitionskrise zu halböffentlichen Rücktrittsdrohungen veranlasst. Er will die Wehrpflicht abschaffen – und macht auch davon sein politisches Schicksal abhängig. Von Claudia Lepping Berliner Redaktion BERLIN. Andererseits: Er muss ja Druck machen, denn Karl-Theodor zu Guttenberg ist nicht irgendein Minister. Dessen sicher ist vor allem er selbst, aber laut sagen kann er das natürlich nicht. Besser wäre, andere Kollegen würden sich für ihn starkmachen, aber darauf kann er lange warten in dieser Koalition, die das Regieren ohnehin anscheinend aufgegeben hat und deren Minister wider jede gebotene politische Dringlichkeit einfach nicht an einem Strang ziehen wollen. Also muss Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg mit jedem Auftritt, mit jedem Vorschlag zeigen, das er dann eben höchstselbst für seine Sache kämpft. Dass es ihm ernst ist mit sich und seinem Amt. Dass er sogar hinwerfen würde, wenn er nicht können dürfte, wie er will. Und so lässt er verlauten, er denke „sehr ernsthaft daran, sein Amt niederzulegen“. Einerseits: Er hat ja schon so oft. Mit Rücktritt gedroht. Oder zumindest damit kokettiert. Gesagt, dass er hinwerfen würde, wenn er nicht können dürfte, wie er will. Und so Druck machen wollen. Ja, gesagt hat er das schon mehrfach – gegenüber Freunden, wie es heißt. Aber was sind das für Freunde, die solch schwermütige Gedanken des Franken sogleich frei den Medien zutragen? Können solche Freunde es gut meinen, oder sind sie nur nicht in der Lage zu erkennen, wie sehr sie ihrem Schützling mit diesen Wiederholungstaten schaden? Vereitelter Rücktritt I: Als Karl-Theodor zu Guttenberg sehr vorübergehend Wirtschaftsminister war – in den acht Monaten von Februar bis Oktober vergangenen Jahres – hat er im Sommer wegen der Staatshilfen für Opel damit gedroht, die Brocken hinzuwerfen. Das brachte ihm den Ruf des Widerspenstigen ein.
Der Franke ist Gebirgsjäger, so einer stellt sich der Gefahr – und bleibt im Amt Auf dem New Yorker Broadway dann ließ er sich in lässig-großer Pose ablichten, bevor er mit der US-Regierung und GM über die Zukunft des deutschen Autobauer-Ablegers verhandelte. Cool, yeah. Danach noch einen Hotdog auf die Faust und ab in den Konvoi zu den Verhandlungen. Ob also am Kabinettstisch „Einer gegen alle“ oder in Big Apple „Mann gegen Mann“: Der Franke ist schließlich Gebirgsjäger, so einer stellt sich der Gefahr. Und bleibt im Amt. Vereitelter Rücktritt II: Drum klagte zu Guttenberg erst recht als Verteidigungsminister bereits vor der eigentlichen Kabinetts-Sparklausur am vorvergangenen Wochenende, dass er unmöglich zwei Milliarden Euro im Wehretat einsparen könne, ohne die Wehrpflicht letztlich zu opfern. Im Kreise der Ministerkollegen kündigt der
Hintergrund
Wehrpflicht und Zivildienst ¡ Zum Wehrdienst sind in Deutschland alle Männer im Alter von 18 bis 45 Jahren verpflichtet. Im Westen rückten 1957 die ersten Wehrpflichtigen in die Kasernen ein. Bislang waren es mehr als acht Millionen. 2009 wurden 68 300 junge Männer einberufen, ihren Grundwehrdienst oder einen freiwillig verlängerten Dienst abzuleisten.
Minister „eine Jahrhundertreform der Bundeswehr“ an, die er mit seinem Namen verknüpfen will. Würde diese am Rückhalt der Koalition scheitern, werde er das nicht mittragen, sagt er – und bleibt im Amt. Vereitelter Rücktritt III: Höchst aktuell verleidet ihm der Umstand sein Amt, dass das Bundeskanzleramt prüfen wird, ob er im sogenannten Kundus-Untersuchungsausschuss zu einer Gegenüberstellung mit den Hauptbelastungszeugen geladen wird. Dieses Anliegen stammt nicht etwa von Kanzlerin Angela Merkel selbst, sondern von der Opposition. SPD und Grüne wollen zu Guttenberg direkt mit jenen Untertanen konfrontieren, die er im November feuerte.
¡ Die Dauer des Dienstes wurde immer wieder geändert. Anfangs waren es zwölf Monate, in den 1960er Jahren 18 Monate, seit 2002 waren es neun Monate. Künftig sollen es nur noch sechs Monate sein. Von den insgesamt knapp 254 000 Bundeswehrsoldaten haben sich 20 000 freiwillig zu einem längeren Dienst verpflichtet. Seit 2001 dürfen auch Frauen freiwillig Dienst an der Waffe tun. Die Wehrpflicht gilt jedoch weiterhin nur für Männer.
Der Minister hält nichts mehr von der Wehrpflicht, viel jedoch von einer Berufsarmee in abgespeckter Größe mit rund 150 000 Mann Denn der frühere Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und der damalige Staatssekretär Peter Wichert erinnern sich an die interne Aufklärung des verheerenden, von einem deutschen Oberst befohlenen Nato-Bombardements in Afghanistan anders als der Minister. Merkel muss das Ansinnen der Opposition prüfen, so verlangt es die Geschäftsordnung. Doch zu Guttenberg fühlt sich getäuscht – sei es, dass sein Haus tatsächlich nicht über die Prüfung informiert wurde oder dass er von Merkel dennoch erwartete, ebendiese abzuwenden. „Das lässt sich kaum kommentieren“, sagt er knapp. Das böse Wort der Intrige macht die Runde. „Er ist ziemlich verärgert, aber an den Rücktrittsgerüchten ist nichts dran“, funkt sein Staatssekretär beschwichtigend. Der Minister bleibt wohl im Amt. Wären da nur nicht jene Freunde und Vertraute, die an diesem Wochenende zu hartnäckig Gegenteiliges kolportieren. Nicht die klare Botschaft, sondern die Andeutung des schier Undenkbaren soll disziplinieren – und zwar jeden, auch den vermeintlichen Gegner. Sogar Angela Merkel. Von ihr wünscht sich zu Guttenberg, sie möge endlich grünes Licht geben für die Umstrukturierung der Bundeswehr in eine Berufsarmee. Weil die deutschen Soldaten heute kaum mehr zur Landesverteidigung in den Kasernen ausharren, sondern immer häufiger in bewaffnete internationale Konflikte eingreifen, hält der Minister nichts mehr von der Wehrpflicht, viel jedoch von einer Berufsarmee in abgespeckter Anzahl von 150 000 Mann: „Zwar wird es die Wehrpflicht im Grundgesetz noch geben, aber faktisch wird sie in zehn Jahren wohl abgeschafft sein.“ Zudem gebe es „bei einer hoch professionellen, bestens ausgerüsteten und flexiblen Einsatzarmee kaum noch die Kapazitäten, Rekruten auszubilden“. Das stößt in der Union auf massiven Widerstand, selbst wenn Merkel jede „Denkverbote“ aufgehoben hat. Doch vielen Konservativen geht das alles zu schnell. „Guttenberg sollte nicht immer so beleidigt sein, wenn wir Bedenken haben, seinen Schnellschüssen zu folgen“, sagt ein CDU-Wehrexperte. Es sei Sache des Bundestags zu entscheiden, ob Deutschland eine reine Berufsarmee haben soll, „da kann der Minister noch so oft mit Rücktritt drohen“. Fraktionschef Volker Kauder (CDU) meint: „Es geht nicht, dass überfallartig, von Donnerstag auf Montag, ein Beschluss gefasst wird.“
¡ Bisher kommen mit der Verkürzung des Wehrdienstes auf sechs Monate 190 000 Zeit- und Berufssoldaten auf 50 000 Wehrdienstler (davon 25 000 Wehrpflichtige und 25 000 freiwillig länger Dienende). Dieses Verhältnis würde sich mit Abbau von 40 000 regulären Stellen deutlich verschieben: Dann würden 50 000 Wehrdienstleistenden nur 150 000 Zeit- und Berufssoldaten gegenüberstehen. ¡ Die Zahl der für Auslandseinsätze zur Verfügung stehenden Soldaten würde überproportional sinken, warnen Militärs. In der Umbauphase werde es schon schwierig sein, die laufenden Einsätze zu stemmen. Dies würde dem erklärten Ziel widersprechen, die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr zu verbessern – also im Verhältnis zur Gesamtstärke der Armee mehr Soldaten in den Einsatz schicken zu können. ¡ Der Zivildienst ist eng mit dem Wehrdienst verknüpft. Er wurde 1961 für Wehrpflichtige eingeführt, die den Dienst an der Waffe aus Gewissensgründen verweigern. Anfangs dauerte er 15 Monate, Ende der 80er Jahre sogar 20. Damals legte ein Gesetz fest, dass der Zivildienst ein Drittel länger sein musste als der Wehrdienst. Auch der Zivildienst soll von neun auf sechs Monate verkürzt werden.
Der Minister fühlt sich ignoriert: Wegen der Streitigkeiten über Wehrpflicht und Kundus-Affäre soll zu Guttenberg an Rücktritt gedacht haben. Doch sein Ministerium dementiert die Gerüchte Foto: AP Andererseits: Karl-Theodor zu Guttenberg denkt in klaren hierarchischen Strukturen. Er will den großen Wurf, eine richtige Reform und sich beides nicht kaputtsparen lassen. Gebirgsjäger genießen einen guten Ruf in der Truppe, und aus seiner ins Zivilleben geretteten Affinität zu allem Militärischen hat der Franke ohnehin nie einen Hehl gemacht. Er lässt sich von Generälen beraten, gern auch einnehmen – für deren Interessen? Dabei ist der Verteidigungsminister bei der Gestaltung der Auslandseinsätze der Bundeswehr gehalten, eine Balance zwischen den politischen Zielen der Bundesregierung und den Bedürfnissen der ausführenden Militärs auszuhandeln. Pünktlich zu den Sparrunden im Kanzleramt ließ zu Guttenberg mitteilen, dass es keine Kürzungen des Etats zulasten der Soldaten im Einsatz geben dürfe. Zeitgleich meldet der Komman-
dierende der deutschen Isaf-Soldaten in Afghanistan, General Frank Leidenberger, Ansprüche an. Demnach prüft das Verteidigungsministerium bereits den Einsatz von Tornado-Kampfjets gegen die Taliban. Darüber hinaus bekommt die Bundeswehr drei Panzerhaubitzen und bemüht sich um den Leo-Kampfpanzer. Zu Guttenberg rüstet also auf. Er sieht die Bundeswehr in Afghanistan im Zugzwang, nachdem der amerikanische IsafOberkommandierende Stanley McChrystal den Deutschen 5000 US-Soldaten zur Seite stellt, um den Krieg zu entscheiden, zu beenden. Auch McChrystal hegt wie viele NatoPartner Argwohn gegenüber der deutschen Spezialität, die Aufträge des Militärs im langen Ringen vom Parlament entscheiden zu lassen. Aus Sicht der alliierten Generäle hält so viel Mitbestimmung eben auf. Als
¡ Freiwillig können ihn die „Zivis“ um drei bis sechs Monate verlängern. 2009 wurden 90 555 Kriegsdienstverweigerer zum Zivildienst einberufen. Die meisten arbeiten im sozialen Bereich. (dpa/ddp)
McChrystal, Ranger der Special Forces, einer Spezialeinheit der US Army, zuletzt in Berlin von zu Guttenberg empfangen wurde, stieß er beim loyalen fränkischen Gebirgsjäger auf breites Verständnis, heißt es. Stellen der Verteidigungsminister und die Militärführung also die Weichen für eine Berufsarmee? Zuletzt hatte das Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik ausgerechnet, dass eine Berufsarmee Einsparungen in Höhe vieler Milliarden möglich machen könnte. Andere dagegen warnen, dass diese Wehrform den Etat mehr beanspruchen wird als die jetzige Mischung aus Wehrpflichtigen, freiwillig länger Dienenden, Berufs- und Zeitsoldaten. Die Militärs erwarten deshalb Klarheit – von ihrem Minister. Karl-Theodor zu Guttenberg will liefern. Zurücktreten kann er also gar nicht. Einerseits.
Mit Polen-Böllern gegen Polizisten Sprengsatz-Attacke bei Sparpaket-Protest in Berlin schockiert Polizei – Gewerkschaftschef spricht von Mordversuchen – Beamte fühlen sich von Richtern im Stich gelassen Von Mirko Hertrich und Axel Hofmann BERLIN. Nach der Attacke mit einem Sprengsatz auf Polizisten bei einer Demonstration in Berlin zeigen sich Politiker und Polizeigewerkschaft bestürzt über das Ausmaß der Gewalt. Berlins Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) verurteilte den Anschlag, bei dem 15 Beamte verletzt wurden, zwei davon schwer. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sprach am Wochenende von einer Eskalation der Gewalt durch Linksextremisten bei der Demonstration gegen das Sparpaket der Bundesregierung. Drei Demonstranten wurden unter dem Verdacht festgenommen, die Splitterbombe geworfen zu haben. Sie kamen in der Nacht zum Sonntag aber wieder auf freien Fuß. Laut Polizei erfolgte der Wurf des Sprengsatzes aus einem sogenannten antikapitalistischen Block heraus bei der Demonstration des Bündnisses „Wir zahlen nicht für eure Krise“, an der am Samstag in Berlin rund 20 000 Menschen teilgenommen hatten. Als
der Aufzug die Torstraße im Bezirk Mitte erreichte, wurden Polizisten mit Steinen und Flaschen beworfen. Diesen Zeitpunkt nutzten die Täter, um den Sprengsatz auf Beamte zu schleudern. Durch die Wucht der Detonation wurden zwei Polizisten im Alter von 36 und 47 Jahren schwer verletzt. Sie wurden ins Krankenhaus gebracht und sofort operiert. 13 Beamte mussten ambulant behandelt werden. Nach Angaben eines Polizeisprechers vom Sonntag handelte es sich offenbar um einen selbst gebauten Sprengsatz, der möglicherweise mit Nägeln oder Glasscherben gefüllt war. Seinen Worten zufolge wurden den beiden schwer verletzten Beamten verschiedene „Gegenstände“ herausoperiert. Die für politische Straftaten zuständige Staatsschutz-Abteilung der Polizei ermittelt wegen versuchten Totschlags. Medien zitierten einen Polizeisprecher mit der Vermutung, es könnte sich bei dem Sprengsatz um sogenannte Polen-Böller handeln, die manipuliert oder aufgerüstet wurden. Diese meist in China hergestellten Feuerwerkskörper
werden über Polen illegal nach Deutschland eingeführt. Sie gelten als extrem unsicher und haben eine hohe Sprengkraft. Der GdP-Vorsitzende Konrad Freiberg sagte, Splitter hätten die Schutzkleidung der Polizisten durchschlagen. Die schwer verletzten Beamten hätten mehrere Zentimeter breite Fleischwunden an den Beinen erlitten, die vom Stiefelschaft bis in die Leistengegend reichten. Er sprach von Mordversuchen. Die Politik müsse jetzt „Farbe bekennen“, was sie gegen die Eskalation der Gewalt gegen Polizisten unternehme. Straftaten aus dem linksextremen Spektrum sind in Berlin seit längerem an der Tagesordnung. So werden seit einigen Jahren regelmäßig Autos angezündet, meist handelt es sich um Luxuskarossen. Immer häufiger werden aber auch gezielt Polizisten attackiert. Im vergangenen Jahr wurden laut Senatsinnenverwaltung 3175 Polizisten verletzt – davon 397 bei Demonstrationen. Die Berliner Landesregierung zeigte sich entsetzt. „Es kann und darf für Angriffe auf Polizeibeamte keinerlei politische Legitima-
tion geben“, sagte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Innensenator Ehrhart Körting (SPD) kritisierte, Teilen des autonomen Spektrums diene Politik nur noch als Vorwand, um Menschen zu verletzen. „Hier handelt es sich um eine neue Brutalität.“ Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) sprach von einem „kriminellen Akt, der mit dem Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit nichts mehr zu tun hat“.
Polizisten dürfen Demonstranten ohne klaren Verdacht nicht mehr so ohne weiteres durchsuchen Erst vor wenigen Tagen hatte ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts den Unmut des Polizeigewerkschafters Freiberg hervorgerufen. Es gehört angesichts steigender Gewalt fast schon zum Ritual bei Demonstrationen von Rechts- und Linksextremen: das Durchsuchen der Teilnehmer vor dem Start durch die Polizei. Die Karlsruher Richter ha-
ben dem nun einen Riegel vorgeschoben. Ohne eindeutigen Verdacht dürfen die Polizisten nach der Entscheidung der höchsten deutschen Richter Demonstranten nicht mehr so ohne weiteres durchsuchen. Das Verfassungsgericht müsse „endlich verstehen, dass es auch eine Verantwortung im Bereich der inneren Sicherheit besitzt“, sagte der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt. Dabei hat gerade erst der 1. Mai in Berlin gezeigt, dass umfangreiche Kontrollen ein Ausarten von Gewalt verhindern können. Im Gegensatz zum Vorjahr, wo es knapp 500 verletzte Polizisten gab, setzte die Polizei auf flächendeckende Vorkontrollen – es gab zwar Krawalle, aber insgesamt liefen die Proteste glimpflicher ab. Für Freiberg ist mit dem Urteil eine Grenze erreicht: Erstens nehme die politisch motivierte Gewalt von Extremen drastisch zu. Zweitens würden Polizisten immer mehr zur Zielscheibe. Und nun gefährde drittens das Urteil das Ziel, Gewaltexzesse im Keim zu ersticken. „Die Polizei kommt in eine ungeheuer schwierige Lage“, prophezeit er.
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Nummer 132 • Freitag, 12. Juni 2009
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„Es tut weh“ Redaktionsbesuch: Ministerpräsident Günther Oettinger sieht den Erfolg der Grünen kritisch Die CDU-Verluste bei den Wahlen, die Front gegen Stuttgart 21, der Machtkampf bei VW und Porsche: Ministerpräsident Günther Oettinger ist gefordert und gefragt. Beim Besuch in unserer Redaktion nahm der CDU-Politiker dazu ausführlich Stellung. Von unserer Redaktion
Herr Oettinger, warum hat die CDU in Baden-Württemberg bei der Europawahl überproportional an Stimmen verloren?
Beide Volksparteien leiden unter den Verschleißerscheinungen der Großen Koalition. Mancher SPD-Wähler geht gar nicht mehr wählen. Bei uns wandern unzufriedene Wähler zur FDP ab. In Baden-Württemberg bekommen wir das besonders zu spüren, weil die Mittelschicht hier ausgeprägter ist als in jedem anderen Land. Erfreulich ist, dass demokratische und nicht radikale Parteien von der Unzufriedenheit profitieren.
Das heißt, Sie verlieren überproportional stark, weil Sie den Kontakt zur Mittelschicht verloren haben?
Nein, dem ist nicht so. Aber in der Mittelschicht macht sich die Unzufriedenheit über die Kompromisse der Großen Koalition stärker bemerkbar. Wir müssen jetzt dringend aufzeigen, dass die Kompromisse, die in Berlin geschlossen werden, nicht Unionspolitik pur sind. Und was die FDP betrifft: Eine Partei, die im Bund seit elf Jahren nicht mehr regiert, muss wohl erst wieder Regierungsverantwortung übernehmen, um entzaubert zu werden. Auf das Thema Einlösung von Steuersenkungsversprechen freue ich mich jedenfalls schon heute.
Sie sehen also keine landespolitischen Gründe für das schlechtere Abschneiden Ihrer Partei?
Keine Wahl lässt sich nur in eine Schublade einordnen. Aber der Zuwachs der FDP bei uns hat sehr viel mit dem Bund und sehr wenig mit dem Land zu tun – bei allem Respekt vor der Landespolitik.
Wie können Sie die enttäuschte Mittelschicht bis zur Bundestagswahl zurückgewinnen?
Indem wir deutlich machen, dass noch mehr Staat sowohl fiskalisch wie politisch nicht unsere Linie ist. Eigenverantwortung steht im Vordergrund. Anders als bei der Europawahl geht es bei der Bundestagswahl aber auch um den grundsätzlichen Stellenwert der Volksparteien. Nur Volksparteien lösen Probleme der Gesellschaft in ihren eigenen Reihen und schaffen damit einen Ausgleich zwischen verschiedenen Interessen. Den Trend zu Klientelparteien sehe ich mit Sorge.
Sie halten ein Plädoyer für eine starke SPD?
Die SPD als Volkspartei ist in unserer Demokratie ein Wert an sich. Ich bin nicht glücklich darüber, dass die SPD in Baden-Württemberg mit 18 Prozent bei der Europawahl einen brutalen tiefen Wert erleben musste. Eine SPD, die immer weiter runtergeht, ist nicht im Interesse unseres Landes.
Zersplittert die Parteienlandschaft?
Ich will’s nicht hoffen. In Heidelberg sitzen künftig zehn Fraktionen im Gemeinderat. Das ist die Individualisierung der Gesellschaft. Da muss man den Bürgern schon die Frage stellen, ob sie sich einen Gefallen tun, wenn sie eine Partei mit ganz engem Profil wählen. Die Kompromissbildung und die Handlungsfähigkeit werden dadurch enorm erschwert.
Bei der letzten Bundestagswahl hat die CDU in Baden-Württemberg einen Stimmenanteil von 39,2 Prozent erreicht. Halten Sie es für realistisch, dass das am 27. September wieder gelingt?
Ich traue der CDU/CSU im Bund 40 Prozent zu und der CDU in Baden-Württemberg bei den Zweitstimmen noch etwas mehr.
Ist ein schwarz-grünes Bündnis heute nicht schon genauso ein bürgerliches Bündnis wie ein schwarz-gelbes?
Die Grünen weisen in sich mehr Widersprüche auf als die meisten Parteien. Viele Mitglieder sind noch immer stark linksorientiert. Auch bei der Bundestagswahl treten die Grünen mit Jürgen Trittin und Renate Künast ausgesprochen links an. Ich sehe unsere Aufgabe darin, das CDU-FDP-Regierungsmodell nach Berlin zu exportieren. Mit Blick auf Bundestag und Bundesrat ist der Erfolg und die Fortführung einer CDUFDP-Regierung mehr denn je gefragt.
Ausgerechnet die Landeshaupstadt Stuttgart wird als die Großstadt in die deutsche Geschichte eingehen, in der es den Grünen bei Kommunalwahlen erstmals gelungen ist, stärkste Kraft zu werden. Wie sehr schmerzt das den CDU-Landeschef?
Ich gratuliere den Grünen zu einem geschickten Wahlkampf. Sie haben sich wie Segelflieger nach oben gehievt – mit Hilfe der Thermik und ohne Energieverbrauch. Als CDU-Landesvorsitzender fühle ich mich für das Ergebnis der Stuttgarter CDU mitverantwortlich. Es tut weh.
Was sind die Gründe für den Erfolg der Stuttgarter Grünen?
Zur Person
Die Grünen haben bei der Europawahl in vielen Großstädten gut abgeschnitten. Aber es gibt natürlich auch lokale Gründe. Die Wähler erinnern sich an den internen Streit in der Stuttgarter CDU – ähnlich wie in Mannheim oder Karlsruhe. Und dann das Thema Stuttgart 21. Mir zeigt das Ergebnis: Wer in diesem Land Großprojekte durchsetzen will, muss auf Zeit Einbußen akzeptieren. Schauen Sie nach Leinfelden-Echterdingen. Die Stadt wirbt heute stolz für die Messe; vor wenigen Jahren waren Gemeinderat und Bevölkerung noch massiv dagegen. So wird es auch bei Stuttgart 21 sein. Ich bin von dem Projekt vollständig überzeugt, und ich werde auf rein sachlichem Niveau den Streit mit gestärkten Grünen darüber führen. Die Grünen machen es sich zu einfach. Sie sagen nicht, was ihr Nein praktisch bedeuten würde. Ginge es nach ihren Vorstellungen, würde die neue Schnellbahntrasse durch Untertürkheim, Obertürkheim, Bad Cannstatt und Esslingen gebaut. Was würden die Bürger wohl dazu sagen, wenn zwei neue Gleisanlagen mitten durch Bad Cannstatt führten? Das würde Fragen bis hin zu Ausgemeindung aufwerfen.
Günther Oettinger ¡ 1953 in Stuttgart geboren. ¡ Von 1983 bis 1989 war der Rechtsanwalt Landeschef der Jungen Union. ¡ Seit 1984 gehört Oettinger dem Landtag an, 14 Jahre lang stand er der CDU-Landtagsfraktion vor. Im Rennen um die Nachfolge von Ministerpräsident Erwin Teufel setzte er sich 2004 durch. ¡ Seit 2005 ist er Ministerpräsident von Baden-Württemberg und Landesvorsitzender der CDU. (StN)
Anträge bei der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) nicht wegen unseres schwäbischen Dialekts abgelehnt, sondern nach bankenwirtschaftlichen Gründen geprüft werden. Was das VW-Gesetz betrifft: Die EU-Kommission wird erneut vor den Europäischen Gerichtshof ziehen, um den strittigen Punkt – 20 Prozent Sperrminorität statt wie im Aktienrecht üblich 25 plus eine Aktie – wegzubekommen. Die Kommission hat die Klage zwar zurückgestellt, aber sie wird kommen. Allerdings wäre es falsch, davon alles abhängig zu machen. Es geht jetzt darum, dass alle Beteiligten konstruktiv arbeiten, die beiden Vorstände, die großen Aktionäre und die beiden Familien Porsche und Piëch.
Die Grünen haben eines geschafft: Wir reden wieder über Stuttgart 21. Kann da noch etwas passieren?
Noch immer sind 40 von 60 Gemeinderäten für das Projekt. Die Vereinbarung steht, die Planfeststellung ist fast fertig, der Bundestag hat die Mittel beschlossen, unsere Rücklagen sind gebildet, die bauvorbereitenden Maßnahmen laufen. Ich finde es nicht verantwortlich, dass die Grünen auch nach dem Wahltag falsche Hoffnungen machen. Einen demokratischen Hebel gegen Stuttgart 21 haben sie nicht.
Viele Menschen können nicht nachvollziehen, dass sich zwei Milliardärsfamilien miteinander streiten, die viele Probleme selbst lösen könnten. Müssten die Familien nicht mehr Geld beisteuern?
Man muss drei Ausgaben strikt unterscheiden. Erstens die Frage integrierter Konzern. Wer macht was und wo? Das zu klären ist zuerst Sache der beiden Vorstände. Zweitens: Operatives Geschäft 2009/10, wo jede Unternehmung auf langjährigen Kreditlinien basiert. Aufgrund der Finanzkrise sind einige Banken völlig ausgefallen. Deshalb erfolgt der Kreditantrag bei der KfW. Und drittens geht es um die Eigenkapitalstärkung bei Porsche. Hier sind die Familien gefragt. Ginge es nur um zwei Männer, könnten sie sich einigen. Aber in kinderreichen Familien der dritten Generation gibt es eben eine große Zahl von Mitgliedern. Ich kann nur sagen: Wolfgang Porsche macht einen unglaublichen Job, indem er seine Familie zusammenhält, und Ferdinand Piëch ist unverändert ein von mir hoch geachteter Mann. Angesichts der familiären Verflechtungen und Stimmenbindungen dürfte es aber nicht so leicht sein, von jetzt auf nachher einen hohen Betrag aufzubringen. Man sollte eines bei alledem nicht vergessen: Vor dem Einstieg bei VW galt Volkswagen als übernahmegefährdet. Durch Porsche kam Ruhe rein. Dass Porsche bei VW die Mehrheit übernommen hat, ist für die Industrieentwicklung Deutschlands gut gewesen.
Warum gelingt es nicht, den Bürgern die Genialität des Projekts zu vermitteln?
Vielleicht weil es erst in zehn Jahren fertig sein wird und der greifbare Nutzen noch nicht sichtbar ist. Politik hat aber die Aufgabe, sich auch über das übernächste Jahrzehnt Sorgen zu machen. Im Kern geht es darum: Wenn die Neubaustrecke Stuttgart–Ulm nicht kommt, führen die großen europäischen Bahnachsen in Zukunft an der Landeshauptstadt vorbei – mit negativen Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung. Das zeigt sich nicht sofort; mittel- und langfristig hätte Baden-Württemberg aber einen eklatanten Nachteil. Unsere Enkelkinder würden sagen: Ganz schön dumm entschieden damals. Manche Weichenstellungen lassen sich später nicht mehr korrigieren. Der Verzicht auf die Nordostumfahrung von Stuttgart oder auf den Bau der Autobahn von Leonberg nach Gärtringen sind solche Beispiele. Beides sind grandiose Fehler aus der Vergangenheit.
Boris Palmer, der Grünen-Oberbürgermeister in Tübingen, liebäugelt nun mit einer erneuten OB-Kandidatur in Stuttgart. Beunruhigt Sie das?
Hat Porsche Chancen, den KfW-Kredit zu bekommen?
Wer drei Jahre vorher den Hut von Tübingen neckarabwärts wirft, ist noch nicht ganz erwachsen und schadet sich selbst. Wenn Oberbürgermeister Wolfgang Schuster 2012 nochmals antreten will, wird dies in der CDU auf keine Vorbehalte stoßen.
Das wird der KfW-Lenkungsrat nach fachlichen Grundsätzen beraten. Aber die rein bankenwirschaftliche Betrachtung ist gut. Es handelt sich ja nicht um eine Subvention, sondern um ein Darlehen, das durch Zinsen vergütet und durch VW-Aktien abgesichert wird. Hätte ich Geld, würde ich das Geschäft machen. Da kann nichts schiefgehen.
Porsche – ein Kulturgut für Baden-Württemberg
Welche Rolle kann die Landesregierung bei Porsche noch spielen? Stichwort Landesbürgschaft. Wie wollen Sie den Koalitionspartner, der das ablehnt, mit ins Boot holen?
Themenwechsel. Kommen wir zum PorscheVW-Konflikt. In den vergangenen Monaten hatte man den Eindruck, es gibt einen Ministerpräsidenten, von dem hört man ganz viel und der tut etwas für seine Leute – Christian Wulff in Niedersachsen. Vom anderen aber – nämlich von Ihnen – hört man nichts. Wie sehen Sie sich und wie sehen Sie Wulff in diesem Konzert?
Mit geht es bei diesem zentralen Thema nicht um die Frage der Einschaltquoten und Schlagzeilen, sondern um ein erfolgversprechendes Vorgehen. In Wirtschaftsfragen ist Vertraulichkeit besser als Trommeln auf dem offenen Markt. Beim Thema Porsche/ VW stelle ich fest, dass die öffentlichen Schlagzeilen beiden Unternehmen schaden. Das wird Porsche-Chef Wendelin Wiedeking heute so bestätigen, wenn er an seine Äußerungen aus den letzten zehn Jahren denkt. Ich halte aber auch die Nebengeräusche von VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch bei der Präsentation des VW-Polo in Sardinien für wenig verantwortlich (Piëch hatte dort im Mai öffentlich auf die finanziellen Schwierigkeiten von Porsche hingewiesen, d. Red.). Dass eine derart große Zahl von Journalisten nach Sardinien eingeflogen ist, hatte nichts mit dem neuen Polo zu tun, sondern nur mit der Ankündigung lauter Nebengeräusche. Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück wird Ihnen bestätigen, dass ich mich jeden Tag mit vollem Nachdruck für das Thema Porsche einsetze. Nicht mit Schlagzeilen, sondern mit abgestimmten Strategien. Klar ist, dass die Porsche Holding SE und die Porsche AG bei uns ein wichtiger Arbeitsplatzfaktor und ein Kulturgut sind. Ein Autoland definiert sich über seine Produkte. Nicht jeder in Los Angeles oder in Tokio kennt Baden-Württem-
Ich rate uns allen, sich in diesen schwierigen wirtschaftlichen Prozessen nicht zu früh festzulegen. Ich strebe keine Bürgschaft an, aber ich schließe rechtliche und wirtschaftliche Maßnahmen auch nicht völlig aus. Das wäre falsch und verfrüht.
Stuttgart soll Sitz der Landesbank bleiben Er ist vom Milliardenprojekt Stuttgart 21 „vollständig überzeugt“: Ministerpräsident Günther Oettinger am Mittwoch beim Besuch in unserer Redaktion Foto: Piechowski berg. Oft heißt es dann: „Baden . . . what?“ Wenn Sie den Gesprächspartnern aber sagen, Sie kommen aus dem Land, in dem Daimler und Porsche hergestellt werden, geht allen sofort ein Licht auf.
Mit anderen Worten, das bleibt so mit Porsche . . .
Hier gibt es etwas zu verteidigen, zumal die Auftragsrückgänge bei Porsche in der aktuellen Wirtschaftskrise weit geringer ausfallen als bei all denen, die jenseits der Abwrackprämie im Markt operieren. Deshalb kann ich mir eine Lösung, dass Porsche wie Seat nur eine Einheit von VW ist, nicht vorstellen. Ich kämpfe für eine Entwicklungsperspektive von Porsche. Ein integrierter Konzern ist sehr wohl vorstellbar, aber mir scheint, dass Wolfsburg einmal Meister werden darf, aber ansonsten nicht dauerhaft dominieren sollte.
Belastet der Konflikt das Verhältnis zweier Ministerpräsidenten, die vieles gemeinsam haben und viel Gemeinsamkeit betonen?
Ein langjähriges und gutes Verhältnis bewährt sich gerade dann, wenn es mal eine unterschiedliche Interessenlagen und eine schwierige Phase gibt. Wir haben eine intakte Freundschaft. Sie ist stabil genug, dass sie mal Unstimmigkeiten aushält.
Nach dem Auftritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel vor den VW-Arbeitern im September in Wolfsburg („Sie können noch Hochdeutsch dazu, und sonst auch alles!“) sagten Sie, Baden-Württemberg habe bei der Kanzlerin jetzt etwas gut. Nun hat Merkel erneut an der Seite von Wulff das VW-Gesetz verteidigt, das dem Land Niedersachsen eine Sperrminorität garantiert. Muss man sich hier damit abfinden, dass dies so bleibt?
Zunächst habe ich den Eindruck, dass
Stichwort Landesbank. Was muss der neue LBBW-Chef Hans-Jörg Vetter zuallererst anpacken, wenn er jetzt sein Amt in Stuttgart antritt?
Zuallererst muss er die Stärken unserer Bank fortführen. Zum Zweiten muss er sehr schnell das Vertrauen aller Beschäftigen erringen. Wir brauchen wieder Stabilität und Sicherheit. Zum Dritten muss er uns in den beiden wichtigen strategischen Fragen Kapitalstärkung und Neuordnung beraten. Wir sind zu sinnvollen Lösungen bereit. Im Gegensatz zu anderen Landesbanken haben wir auch ein Geschäftsmodell, aber der Zeitpunkt für ein Zusammengehen muss stimmen. Ich habe als Datum 2010 vorgeschlagen. Das bedeutet, dass wir uns in einem Jahr sehr konkret entscheiden müssen, wohin der Weg gehen soll. Wenn die derzeitige kritische Phase durchlaufen ist, hat unsere Landesbank das Zeug, in nochmals mehr Verantwortung hineinzuwachsen.
Also wird auch nach 2010 der Sitz der Landesbank in Stuttgart sein? Davon bin ich fest überzeugt.
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Nummer 118 Mittwoch, 26. Mai 2010
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Union verliert den Koch Nun fehlt der CDU eine wichtige wirtschaftspolitische und konservative Stimme
Von Norbert Wallet Berliner Redaktion
„Roland Koch war mir immer ein guter, freundschaftlicher Ratgeber“
WIESBADEN/BERLIN. Raus mit Applaus: Als Roland Koch am Dienstag zur Pressekonferenz bittet, liegt wenig Wehmut in seinem konzentrierten Auftritt. Eher Genugtuung darüber, das geschafft zu haben, was Politiker immer erträumen und selten erreichen – den souveränen, selbstbestimmten Abgang. Dazu muss man sich noch einmal den brennend heißen politischen Boden in Hessen in Erinnerung rufen. Koch hatte 1999 im Landtagswahlkampf dem frisch gewählten Kanzler Gerhard Schröder mit einer erfolgreichen Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft die erste schmerzhafte Niederlage zugefügt und sich damit die Macht in Hessen gesichert. Seither galt er für die Rot-Grünen als konservativer Beelzebub. Aber sie haben ihn nicht besiegen können. Auch nicht die Frau mit dem „Y“, obwohl die wirklich dicht dran war. Nun also geht er von selbst. Das ist ein Triumph. Dass er überhaupt geht, ist keine allzu große Überraschung. Dies immerhin hat Andrea Ypsilanti dann doch erreicht: Sie scheiterte 2008 so knapp am Wahlsieg, dass Kochs Nimbus seither angekratzt war. Hessens CDU kann neuen Schwung gebrauchen. Deshalb hatte es immer Gerüchte um einen Rückzug Kochs gegeben. Aber der Zeitpunkt ist dann doch nicht ohne – und da geht es plötzlich um die Bundespolitik. Als Koch seinen Abgang verkündet, ist die Kanzlerin irgendwo am Golf unterwegs. Der brutalstmögliche Abstand sozusagen. Ist das Zufall? Wohl kaum. Es ist eine letzte Demonstration der Unabhängigkeit. Noch nie in ihrer Kanzlerschaft befand sich Angela Merkel in so schwerem Fahrwasser: schlechte Umfragen, schwaches Krisenmanagement, ein zappeliger Koalitionspartner, eine krachend verlorene NRW-Wahl. Koch hätte gut warten können. Bis zum Herbst zum Beispiel. Hat er aber nicht. Nett ist das nicht. Man kann das als eine maskierte Absage an irgendwelche künftige Anschlussverwendungen in Berlin werten. Finanzminister nach Wolfgang Schäuble – das kommt nicht infrage. „Ich will wirtschaftliche und unternehmerische Entscheidungen treffen“, kündigte Koch an. Keine Politik mehr. Vielleicht steckt in der Wahl des rechten Augenblicks auch eine kleine Retourkutsche. Koch hatte zuletzt harte Kritik sowohl am Profil der Union als auch am mangelnden Sparwillen der Kanzlerin geübt. Angela Merkel war ihm öffentlich und sehr unmissverständlich entgegengetreten, vielleicht sogar dankbar, einmal eine Art Machtwort sprechen zu können. Aber es ist sehr die Frage, ob Merkel sich wirklich freuen sollte. Schon wahr, nach Kochs Abgang ist die natürliche Machtreserve der Union endgültig aufgebraucht. Man sehe sich die vier Stellvertreter im Parteivorsitz an: Christian Wulff hält sich selbst nicht für kanzlertauglich, Annette Schavan hält die Partei nicht für kanzlertauglich, Jürgen Rüttgers ist schwer angeschlagen und Koch bald ganz weg. Hinter Merkel das Vakuum. Noch nie war die Union so auf Gedeih und Verderb auf den Erfolg des „Projekts Merkel“ angewiesen.
Angela Merkel, Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende, zu Kochs Rücktritt
„Ich kenne bis zum heutigen Tag keinen einzigen Vorgang außerhalb der offiziellen Buchhaltung der CDU“ Koch am 10. Januar 2000 bei einem Sternsinger-Empfang auf Journalisten-Fragen nach Ungereimtheiten in der Finanzierung der hessischen CDU
„In dieser Sekunde des Konflikts, die Sache noch einmal kurze Zeit zurückzuhalten oder sofort damit zu beginnen, sie offenzulegen, habe ich mich falsch entschieden“ Koch zu der Tatsache, dass er noch am 10. Januar Unregelmäßigkeiten bestritten hatte, obwohl ihm bereits Hinweise vorlagen
„Wir haben zu viele kriminelle junge Ausländer“ Koch am 28. Dezember 2007 nach einem brutalen Überfall in der Münchner U-Bahn
Dennoch muss die Kanzlerin Merkel ein ungutes Gefühl beschleichen. Koch mag kein politischer Freund gewesen sein, und oft genug hat er mit seinen konservativen Vorstößen die Parteichefin genervt. „Aber er war seit 2005 ein sehr loyaler Kritiker, der auch seine gleichgesinnten Weggefährten in diese Loyalität einbinden konnte“, sagt der Berliner Parteienforscher Paul Nolte. Das sieht auch der renommierte Politikwissenschaftler Jürgen Falter so. Koch habe „stillschweigende Loyalität“ ausgeübt, findet er. Sein Abgang sei deshalb „eine Schwächung für Merkel“. Schon deshalb, weil nun die Kritik lauter, chaotischer und richtungsloser werden könnte. Dieses Vakuum hinter Merkel lässt sich allerdings nicht nur an Personen festmachen. Kochs Abgang ist auch programmatisch ein Verlust. Die politischen Nachrufe, die da gestern allerorten in der Partei angestimmt wurden, machten deutlich: Gleich zwei traditionell gewichtige Parteiströmungen reklamieren Koch für sich. Die Wirtschaftsliberalen müssen schon seit langem ohne Friedrich Merz auskommen. Dass nun auch noch Koch geht, trifft den Wirtschaftsflügel ins Mark. Der CDU-Wirtschaftsrat hoffe, dass „Koch der Union auch in Zukunft mit seinem klaren Kompass erhalten bleibe“, seufzte gestern dessen Präsident Kurt Lauk. Er hat allen Grund zur Sorge. Ohne Koch und Merz verliert die Partei Ludwig Erhards erhebliche Wirtschaftskompetenz. Und dann sind da noch die Konservativen in der Partei, die sich seit langem schwertun mit dem rigoros verfolgten Kurs der Öffnung der Partei für neue Milieus: städtisches Bürgertum, Singles, junge Frauen, Umweltbewegte, Deutsche mit Migrationshintergrund.
„Koch hat immer darauf hingewiesen, dass die Union die Stammwähler pflegen muss“ Foto: AP
Roland Koch war stets die beherrschende Figur der hessischen CDU – zwölf Jahre lang war er Landeschef, mehr als elf Jahre Ministerpräsident. Nach seiner Rücktrittsankündigung muss sich die Partei neu ordnen.
Wolfgang Bosbach CDU-Innenpolitiker
„Koch hat immer darauf hingewiesen, dass die Union die Stammwähler pflegen muss“, sagt der Innenpolitiker Wolfgang Bosbach, der Kochs Weg mit Sympathie verfolgte. Wer aber soll nun denjenigen eine Stimme geben, die in der Union Patriotismus und Leitkultur, das Bekenntnis zu christlichen Werten und ein traditionelles Familienbild verkörpert sehen wollen? Jörg Schönbohm kann das nicht mehr, Koch wird es nicht mehr. Auch hier ein Vakuum. Aber gerade so ein Dauergrummeln, das nie zur Sprache kommt, weil es an sprachgewandten Zuspitzern fehlt, die alles einmal auf den Punkt bringen, ist für Merkel durchaus gefährlich. Weil das, was da gärt und brodelt, auch irgendwann zum Ausbruch kommen kann. Die Lage schreit eigentlich nach jemandem, der dieses Vakuum füllt – gefragt ist ein wirtschaftlich kompetenter und den Grundwerten verpflichteter Politiker. Thomas Strobl, Generalsekretär der SüdwestCDU, hätte da einen Namen im Angebot – und zieht folgenden Vergleich: „Roland Koch und Stefan Mappus – beide sind jung Ministerpräsidenten geworden, beide stehen für wirtschaftliche Kompetenz und sind mittelstandsorientiert. Beide vertreten ein konservativ-bürgerliches Profil.“ Die Parallelen sind auch den professionellen Beobachtern aufgefallen. Mappus vertrete klare Positionen wie Koch, sagt Parteienforscher Jürgen Falter, „nur nicht so geschliffen“. Und sein Kollege Paul Nolte weist darauf hin „dass Koch genau zu dem
Zeitpunkt geht, da mit Mappus ein Nachfolger da ist“. Mappus – der neue Koch? Wenn er wollte, stünde ihm dieser Weg offen. Mindestens programmatisch. „Er hat sich ja schon in Sachen Atompolitik als Wadenbeißer versucht“, sagt Nolte. Er warnt Mappus freilich davor, sich einseitig als Konservativer zu profilieren. „Da würde er sich bundespolitisch verschleißen.“ Nur, wenn Mappus es nicht macht, wer dann? Schon geht in der Union eine Angst um. „Von der Seitenlinie aus“ wolle Koch die Politik weiter verfolgen, hat er gestern gesagt. Da steht er aber nicht alleine, dort verfolgen auch schon Friedrich Merz und Wolfgang Clement das Spiel und befeuern es mit lauten Zwischenrufen, wie Zuschauer so sind. Kämen die drei auf die Idee, sich zusammenzutun, könnte eine neue Partei mit hoher ökonomischer Kompetenz entstehen, die auch konservative Wähler anziehen könnte. Das wäre für die Union eine handfeste Gefahr. Also dann, denkt mancher in der Union: Mappus, übernehmen Sie!
Hintergrund
Zielstrebige Karriere ¡ Mit 14 Jahren tritt Roland Koch 1972 in die Junge Union ein. Schon sein Vater KarlHeinz Koch war von 1970 bis 1987 CDU-Abgeordneter im hessischen Landtag und von 1987 bis 1991 Justizminister. Nach einem Jura-Studium in Frankfurt arbeitet Koch von 1985 an als Rechtsanwalt. ¡ 1979 wird er im Kreisverband Main-Taunus jüngster Vorsitzender eines CDU-Kreisverbandes. 1987 übernimmt Roland Koch den Wahlkreis seines Vaters und wird Abgeordneter im hessischen Landtag. 1990 wird er Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion. Seit 1998 ist er Landesvorsitzender der hessischen CDU. ¡ Im Landtagswahlkampf 1999 initiiert die CDU unter Koch eine Unterschriftenaktion gegen die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft – am 7. April 1999 wird Roland Koch erstmals zum hessischen Ministerpräsidenten gewählt. ¡ Im Jahr 2000 wird bekannt, dass Koch Details des CDU-Spendenskandals verschwiegen hat. ¡ Bei der Landtagswahl 2003 wird er als Ministerpräsident bestätigt. ¡ Im Januar 2008 verliert Koch bei der Landtagswahl die Regierungsmehrheit. Im Wahlkampf setzt er diesmal auf das Thema Jugendkriminalität – weshalb ihm Ausländerfeindlichkeit vorgeworfen wird. ¡ Nach dem Scheitern einer von der Linken tolerierten rot-grünen Regierung führt Koch zunächst kommissarisch die Amtsgeschäfte, weil Andrea Ypsilanti (SPD) bei der Wahl zur Ministerpräsidentin im Landtag scheitert. ¡ 2009 wird Koch nach vorgezogenen Landtagswahlen mit den Stimmen der FDP wieder zum Ministerpräsidenten gewählt. (StN)
Mehr Bilder im Netz! Von Helmut Kohls Ziehsohn zu Angela Merkels Rivale: Roland Kochs politisches Leben in Bildern unter: www.stuttgarter-nachrichten.de/bilder
Bouffier, der Mann fürs Grobe „An politischem Überlebenswillen hat es Koch nicht gemangelt. Der politischen Kultur in Deutschland hat er oft geschadet“
Der hessische Innenminister erbt Kochs Amt als Ministerpräsident
„Mit Roland Koch tritt jemand zurück, der sich nie gescheut hat, Wahlkämpfe mit Vorurteilen gegen Ausländer oder mit der Forderung nach Schikanen für Hartz-IV-Empfänger zu führen“ Jürgen Trittin Grünen-Fraktionsvorsitzender
Schließt die Tür: Koch nimmt Abschied von der Politik
Foto: dpa
WIESBADEN. Er gilt als der treueste Mitstreiter von Roland Koch. Aus Sicht der CDU ist es daher nur konsequent, dass Innenminister Volker Bouffier seinen langjährigen Chef im Amt des hessischen Ministerpräsidenten beerbt. Der Landesvorstand und die Kreisvorsitzenden empfahlen bei ihrem Treffen am Dienstagabend in Bad Nauheim einstimmig der CDU-Landtagsfraktion, Bouffier als Kandidat für das Amt des hessischen Regierungschefs vorzuschlagen. Ganz leicht dürfte seine Benennung in der Öffentlichkeit aber nicht zu vermitteln sein, hat der Minister doch schon seit geraumer Zeit mit diversen Affären zu kämpfen. Der in Gießen geborene Jurist war immer Kochs Mann fürs Grobe. Ob Rasterfahndung, Kennzeichenlesegeräte oder Telekommunikationsüberwachung – Bouffier hat sich auch in der Innenpolitik stets für die Verschärfung oder den Einsatz neuer Überwachungsmethoden eingesetzt. „Die Polizei darf nicht hinter den technischen Möglichkeiten der Kriminellen zurückbleiben“, so sein Credo. Das brachte ihm den Spitznamen „Schwarzer Sheriff“ ein: Für die Opposition war das ein Schimpfname, für seine Partei ein Ehrentitel.
ler, Markus Gäfgen, Folter angedroht hatte, um das Versteck des Jungen zu erfahren. In seine Amtszeit fiel 2007 auch ein Skandal um rechtsradikale Umtriebe bei Personenschützern des ehemaligen Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden, Michel Friedman. Auch machte das Frankfurter Polizeipräsidium Schlagzeilen, weil etwa Polizisten Razzien im Drogenmilieu verrieten. Zurzeit läuft ein Untersuchungsausschuss des Landtags, der dem Innenminister allerdings schaden könnte: Die Opposition wirft Bouffier vor, im Juli 2009 seinen Parteifreund Hans Lang„Die Polizei darf nicht ecker zum Präsidenten der Bereithinter den Möglichkeiten schaftspolizei ernannt zu haben – ohne ein Auswahlverfahren der Kriminellen und sogar unter Missachtung zurückbleiben“ eines Gerichtsbeschlusses. Dass Bouffier nun dennoch die Volker Bouffier Nachfolge Kochs antritt, liegt hessischer Innenminister schlicht an seiner Beliebtheit in der Partei. Als Koch 2008 mit Zum größten Erfolg seiner Amtszeit wer- 95,3 Prozent als Chef der hessischen CDU den die Aufdeckung der Sauerland-Gruppe wiedergewählt wurde, war nur einer besser: und die Vereitelung ihrer islamistisch moti- Bouffier wurde mit 96,3 Prozent als stellvervierten Anschläge gezählt. 2002 stellte sich tretender Landesvorsitzender bestätigt. Bouffier hinter den Frankfurter Polizeiprä- Ihm wird daher am ehesten zugetraut, die sidenten Wolfgang Daschner, der dem Ent- hessische CDU kraftvoll in den nächsten führer des Bankierssohns Jakob von Metz- Wahlkampf zu führen. Seine Laufbahn begann Bouffier in der Jungen Union, deren hessischer Vorsitzender er von 1976 bis 1984 war. Schon seit 1978 gehört er dem Vorstand der hessischen CDU an, saß von 1979 bis 1993 im Gießener Stadtrat und bis 1999 im Kreistag. In die erste Regierungsverantwortung holte ihn der damalige Ministerpräsident Walter Wallmann: Bouffier war bis 1991 Staatssekretär im Justizministerium. Mit Roland Koch kehrte er an die Macht zurück und wurde 1999 Minister für Inneres und Sport.
Foto: dpa
Von Gisela Kirschstein
Andrea Nahles, SPD-Generalsekretärin
Stuttgarter KärntnerNachrichten Wirtschaft
Design: Norbert Küpper 48
Nummer 213 • Dienstag, 15. September 2009
Kerkeling will Ausstrahlung von Wahlspot verhindern
Geht da noch was? SPD-Herausforderer Frank-Walter Steinmeier jedenfalls glaubt an den Wahlsieg
STUTTGART (AP). TV-Entertainer Hape Kerkeling will mit einer einstweiligen Verfügung die Ausstrahlung eines Wahlwerbespots der rechtsgerichteten Republikaner verhindern. „In ihrem Spot nimmt die Partei Bezug auf Kerkelings Filmfigur Horst Schlämmer, dagegen gehen wir nun juristisch vor“, sagte Kerkelings Anwalt Harro von Have am Montag. Eine Entscheidung über die bereits beantragte einstweilige Verfügung werde noch im Laufe der Woche erwartet. Die Republikaner seien am Freitag bereits abgemahnt worden, doch eine Reaktion ihrerseits habe es nicht gegeben. Mit der einstweiligen Verfügung gehe man nun einen Schritt weiter, erklärte der Jurist. In dem knapp zweiminütigen Wahlwerbespot der Republikaner erklärt die rechte Kandidatin Uschi Winkelsett: „Nein, mein Name ist nicht Schlämmer. Und ich kandidiere auch nicht für eine Spaßpartei. Politik ist nicht lustig. Aber seine 18 Prozent würden auch uns gut stehen . . .“ Am Schluss des Films, der laut „Bild“ bereits dreimal im Fernsehen gelaufen ist, heißt es zudem: „Wählen Sie die Republikaner. Frei nach Horst Schlämmer: Schlechter als die anderen sind wir auch nicht.“ Die Republikaner erklärten am Montag, an ihrem Wahlspot festhalten zu wollen. „Es muss in der von Kerkeling selbst ausgelösten Debatte möglich sein, auch einmal deutlich zu machen, dass Politik eine ernste Angelegenheit ist und nicht bloß Rohmaterial für Jux und Ulk“, so ihr Stuttgarter Bundesvorsitzender Rolf Schlierer. Der Klamauk-Film „Horst Schlämmer – Isch kandidiere!“ läuft seit Ende August bundesweit in den Kinos.
Nach dem TV-Duell hofft er auf die Wende im Wahlkampf: SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier über Machtperspektiven, Mitleidsbonus und Mobilisierungskampagnen und welche Exportschlager künftig Arbeitsplätze in Deutschland schaffen. Von Claudia Lepping Berliner Redaktion
Herr Steinmeier, mit Ihrer kontrollierten Attacke gegen die Kanzlerin haben Sie laut Umfragen bei den bislang unentschlossenen Wählern gepunktet, insgesamt ging das Duell offenbar eher remis aus: Alles wie erwartet in dem Duell zwischen Chefin und Stellvertreter?
Ich weiß nicht, welche Umfragen Sie meinen. Die Umfragen, die ich kenne, besagen ganz überwiegend, dass ich vorne gelegen habe. Besonders freue ich mich, dass unentschlossene Wähler mich klar besser fanden. Das spornt ungeheuer an. Ich bin mit dem Verlauf des TV-Duells sehr zufrieden. Ob das Duell auch den Erwartungen von Frau Merkel entsprochen hat, kann nur sie selbst beantworten.
Es gibt in diesem Jahr viele Mobilisierungskampagnen, um die Menschen zur Wahl zu motivieren. Denn jetzt zählt’s – wie kommt Deutschland aus der Krise? Motiviert Sie das wiederum, nur das zu versprechen, was Sie tatsächlich auch halten können?
Es ist seit jeher meine feste Überzeugung: Politik sollte generell nur das versprechen, was sie auch halten kann. Deshalb habe ich meinen Deutschlandplan vorgelegt. Er beschreibt, wie nach der Krise neue Arbeitsplätze entstehen können. Wir müssen unser Land umstellen auf effizienteren Energieverbrauch. In Industrie und kleinen Betrieben, Auto und Bahn, öffentlichen Gebäuden und zu Hause. So schaffen wir neue Arbeit, schützen das Klima und sparen Energie und Geld. Unser Exportschlager müssen neue Produkte und Maschinen werden, die weniger Energie verbrauchen und aus neuen Materialien hergestellt sind statt aus kostbaren Rohstoffen. Zweitens: Wenn die Menschen älter werden, gibt es mehr Arbeit in Gesundheit und Pflege. Drittens: Wir brauchen eine Bildungsoffensive. Mehr Menschen gehen in Rente, als junge Leute aus der Schule nachrücken. Fachkräftemangel droht. Darum sagen wir: Wir brauchen jedes Talent, jede Begabung. Alle Kinder müssen optimal gefördert werden.
Leute
Sierau droht Verzicht Zwei Wochen nach der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen drohen in Dortmund die Wiederholung des Urnengangs und ein Amtsverzicht des gewählten Oberbürgermeisters Ullrich Sierau (SPD). Nach CDU, FDP und Linken sprachen sich am Montag auch die Dortmunder Grünen, die derzeit mit der SPD über eine Fortsetzung der Koalition im Rathaus verhandeln, für eine Neuwahl aus. Hintergrund ist der Streit um das angeblich rund 100 Millionen Euro schwere Haushaltsloch, das nur einen Tag nach der Kommunalwahl bekanntgeworden war. Die CDU hatte der SPD und ihrem designierten OB Sierau Wahlbetrug vorgeworfen. Der am 30. August gewählte Rathauschef Sierau betont seit der Wahl, er habe von einer dramatischen Etatlage der Kommune nichts gewusst. (ddp)
Ihr Deutschlandplan wurde wegen der Bundesdienstwagenministerin Ulla Schmidt vermutlich weniger stark diskutiert, als Sie es sich erhofften – halten Sie das Versprechen von vier Millionen neuen Jobs aufrecht, oder wäre es nicht ehrlicher, sie mit den Arbeitsplätzen zu verrechnen, die der Krise zum Opfer fallen?
Dehm klagt
Der Bundesrechnungshof hat zu Ulla Schmidt ein eindeutiges Urteil abgegeben. Es hat keine Unregelmäßigkeiten gegeben, der Bundesrepublik Deutschland ist kein Schaden entstanden. Das, was da stattfand, sollte von einer inhaltlichen Debatte ablenken. Ulla Schmidt hat zu allen Fragen Stellung genommen, eigene Fehler eingeräumt und bedauert. Wir sollten jetzt wirklich zu den wichtigen Dingen zurückkehren. Ich sage, dass wir mit einer langfristigen Politik und einer gezielten Initiative mehr Beschäftigung entstehen lassen können. Von 2005 bis 2008 sind in Deutschland 1,6 Millionen neue Jobs entstanden. Bis 2020 können wir weitere vier Millionen schaffen, wenn wir jetzt die Weichen richtig stellen. Aber Politik kann nur Anreize bieten, dass Unternehmen in Zukunftsbranchen investieren und so Arbeitsplätze schaffen. Die Märkte von morgen sind „grün“. Klimaschutz, Energie und Ressourcen sparen, da müssen wir investieren. So bleiben wir Exportweltmeister.
In der „Affenarsch“-Affäre will der niedersächsische Linkspartei-Landeschef Diether Dehm jetzt die „Bild“-Zeitung verklagen. Grund ist ein Bericht der Zeitung vom Montag, der Musiker und Bundestagsabgeordnete habe das Anfang August gegen ihn verhängte Bußgeld in Höhe von 300 Euro wegen mutmaßlicher Beleidigung eines Polizeibeamten noch nicht gezahlt. Das Geld sei längst an eine gemeinnützige Stiftung überwiesen worden, sagte Dehm in Hannover. (ddp)
Koalitionsvertrag in Sachsen ist so gut wie perfekt DRESDEN (dpa). Der ersten schwarz-gelben Regierung in Sachsen steht de facto nichts mehr im Weg. CDU und FDP haben sich grundsätzlich auf eine Koalition verständigt und am Wochenende alle strittigen Themen wie die Schulpolitik geklärt. Verhandlungskreise bestätigten am Montag einen entsprechenden Bericht des Radiosenders MDR Info. Am Mittwochnachmittag soll der Koalitionsvertrag vorgestellt werden. Bis dahin geht es noch um Strukturen und Personal. Am Montag waren die Verhandlungsdelegationen erneut zusammengekommen. Laut FDP-Chef Holger Zastrow wurden zu jedem Thema Kompromisse gefunden. Er sprach im MDR von „harten Auseinandersetzungen“, bei denen auch die FDP habe einstecken müssen. Mit einem Stimmenanteil von zehn Prozent habe man nicht 100 Prozent des Wahlprogramms umsetzen können. CDU und FDP hatten schon zu Beginn der Koalitionsverhandlungen vor rund zwei Wochen einen zügigen Abschluss angekündigt, um so ein schwarz-gelbes Signal für die Bundestagswahl nach Berlin zu senden. Die Union hatte sich bei der Landtagswahl am 30. August mit 40,2 Prozent der Stimmen als stärkste Kraft behauptet. Allerdings ist sie wieder auf einen Koalitionspartner angewiesen. 2004 waren das die Sozialdemokraten gewesen.
Zeitgeschehen
„Ich will Kanzler werden und meine Politik umsetzen“
Republikaner werben mit Horst Schlämmer
Bestehen mit der Union wegen des aktuellen gemeinsamen Managements der Wirtschafts- und Finanzmarktkrise nicht geradezu zwangsläufig die größten Übereinstimmungen in den drängendsten Aufgaben der nächsten Jahre? Was sind hier die größten Unterschiede, weshalb Sie rauswollen aus dem Bündnis?
Hopp oder topp? Frank-Walter Steinmeier träumt von der Aufholjagd dpa
Gerade wir Sozialdemokraten haben in der Großen Koalition für eine soziale Politik gesorgt. Ohne uns sähe es in Deutschland nach Einbruch der Wirtschaftskrise bereits heute ganz anders aus. Diese Erfolge, ich erinnere an verlängertes Kurzarbeitergeld, Umweltprämie und kommunales Investitionsprogramm, die ja im Wesentlichen auf Drängen der SPD zustande kamen, verstecke ich ja auch nicht. Anderes ging mit der Union nicht – etwa ein gesetzlicher Mindestlohn oder ein modernes Umweltgesetzbuch. Und dann hat Herr zu Guttenberg mit seinem Geheimpapier versehentlich Einblick in den schwarz-gelben Giftschrank gegeben: weniger Arbeitnehmerrechte, höhere Mehrwertsteuer für alle, Steuersenkungen für Unternehmer. Schwarz-Gelb bedeutet eine Politik gegen die Interessen von Arbeitnehmern und ihren Familien. Wer nach der Krise eine Politik will, die sozial gerecht ist und die Finanzmärkte wirklich reguliert, der muss SPD wählen.
Und wenn eine Neuauflage der Großen Koalition nur zwei Jahre hielte, um nach dem Ende der Krise die Karten neu zu mischen?
Ich will Kanzler werden und die komplette nächste Legislaturperiode regieren. Denn das Land braucht für seinen inneren Zusammenhalt eine soziale Politik mit Augenmaß. Gerade zeigt sich, dass Wahlkampf sich lohnt, denn im Wahlkampf kann man Menschen überzeugen und noch immer sind ganz viele unentschlossen. Die vor allem will ich überzeugen und gewinnen. Ich bin sicher, am 27. September haben wir eine starke SPD.
Was würde eine rot-grüne oder SPD-geführte Große oder Ampelkoalition anders machen als die jetzige Regierung?
Noch mehr sozialdemokratische Inhalte. Ich habe ein klares Konzept für neue Jobs, mit mir bleibt es beim Atomausstieg, ich stehe für soziale Sicherheit und Arbeitnehmerrechte. Im Übrigen gilt: Ich führe keinen Wahlkampf für eine Koalition. Die SPD will so stark wie möglich werden. SchwarzGelb dagegen hieße Steuerentlastungen für höchste Einkommen, eine höhere Mehrwertsteuer, die Einschränkung des Kündigungsschutzes. Mit Schwarz-Gelb gäbe es weniger Mindestlöhne. Schwarz-Gelb würde die Arbeitnehmerrechte schleifen.
An welchen Top-5-Themen entscheidet sich eigentlich, ob Sie mit einer Partei eine Koalition bilden wollen?
Wer bereit ist, mit uns eine zukunftsgerichtete, soziale Politik zu machen, kommt als Partner in Betracht. Ich mache Politik im Interesse der Menschen. Es ist doch die Frage: Wie geht es weiter nach der Krise? Wie können die Lasten der Krise gerecht verteilt werden? Es kann nicht sein, dass Normalverdiener und Arbeitnehmer die Zeche bezahlen. Es geht um Arbeit und Bildung für künftige Generationen, es geht darum, in den Zukunftsbranchen Weltmarktführer zu werden. Deutschland braucht eine soziale Politik. Das ist entscheidend für den inneren Frieden.
Die Grünen ziehen ihren eigenen Wahlkampf durch und haben „keinen Mitleidsbonus zu verschenken“. In welchen Punkten erwarten Sie von den Grünen/von der FDP in möglichen Ampel-Verhandlungen Entgegenkommen?
(Lacht) Lassen wir doch die Wähler selbst entscheiden, wem sie ihre Stimme geben. Mir geht es jetzt um die Wahlen vom 27. September und eine starke SPD. Jetzt ist nicht der Zeitpunkt für Verhandlungen und auch nicht für Forderungen und Erwartungen. Das macht man schon gar nicht in Interviews, da redet man miteinander, wenn es so weit ist.
Bleibt es dabei, dass „Opposition Mist ist“ und Sie in der Großen Koalition weitermachen, sofern das möglich ist?
Opposition ist Mist, und niemand strebt eine Große Koalition an. Ich will Kanzler werden und meine Politik umsetzten: besserer Kündigungsschutz, mehr Arbeitnehmerrechte, höhere Bildungsinvestitionen. Es darf auch keine Steuerentlastungen auf Pump geben. Die SPD steht für eine soziale Politik bei ökologischer und wirtschaftlicher Vernunft.
Welche Bedingungen müsste die Linkspartei
erfüllen, damit es irgendwann wieder zur Wiedervereinigung kommt? Denn erst dann kann ja die SPD von einer möglicherweise „linken“ Strömung in der Gesellschaft wieder „mächtig“ profitieren.
Die Linkspartei ist populistisch, nationalistisch und antieuropäisch. Sie ist nicht regierungsfähig. Mit der Linkspartei wird es in der nächsten Wahlperiode auf Bundesebene keine Zusammenarbeit geben. Und was meinen Sie mit Wiedervereinigung? Das ist doch ein ganz falscher Begriff. Die Linkspartei ist unser politischer Gegner, und jede Stimme für die Linkspartei ist eine verschenkte Stimme.
Wie wichtig ist für die Aussöhnung von SPD und Linken der politische Abgang von Oskar Lafontaine?
Sie sind auf dem falschen Dampfer. Die Linkspartei vertritt im Bund ganz unverantwortliche Positionen. Mit denen geht gar nichts. Und, eine herzliche Bitte habe ich, nehmen wir doch Oskar Lafontaine nicht so wichtig.
Wird Franz Müntefering noch ein paar Jahre Parteichef bleiben?
Es ist uns gelungen, in der SPD wieder Geschlossenheit herzustellen. Franz Müntefering ist ein guter Parteivorsitzender. Ich habe ihn vor einem Jahr vorgeschlagen. Es ist uns gelungen, der SPD wieder Geschlossenheit zu geben. Das ist ein großer Erfolg. Es würde mich freuen, wenn er nach dem Parteitag Mitte November in Dresden weitermacht.
Was ist die schönste, was die blödeste Erfahrung, die Sie in Ihrer Kanzlerkandidatur gemacht haben?
Wahlkampf ist tatsächlich etwas ganz Besonderes. Unsere Veranstaltungen im Wahlkampf sind voller als vor vier Jahren. Die Stimmung ist ausgezeichnet, der Zuspruch ist groß. Es ist für mich eine Ehre und es macht Freude, Kanzlerkandidat meiner SPD zu sein. Für eine Bilanz ist es noch zu früh, aber es ist schon toll, vielen Menschen zu begegnen, mit ihnen zu sprechen und von so vielen Menschen Unterstützung zu erfahren. Und: Wir sind ein starkes Land. Mit Unternehmen, die kreativ sind. Mit Menschen, die anpacken und was bewegen wollen. Da habe ich ermutigende Beispiele erlebt, wie wir die Krise überwinden.
Sie haben eine Abzugsperspektive für Afghanistan entwickelt: Müssen nicht auch wir uns darauf vorbereiten, die Truppen zunächst aufzustocken und effizienter vorzugehen, bevor sich die Bundeswehr ruhigen Gewissens aus der internationalen Mission zurückziehen kann?
Richtig ist: Sobald die neue afghanische Regierung steht, müssen wir uns mit ihr zusammensetzen und einen konkreten und verbindlichen Fahrplan vereinbaren, wie es weitergeht, wie wir das internationale Engagement gemeinsam so schnell wie möglich zum Erfolg führen. Dazu gehören insbesondere der Ausbau und die Ausbildung für die Sicherheitskräfte. In beiden Bereichen wollen wir, ja müssen wir noch mehr tun. Wenn die afghanische Armee und Polizei endlich wieder selbst für Sicherheit sorgen können, haben die internationalen Truppen ihren Auftrag erfüllt. Wir sind im Einsatz, um unsere Anwesenheit dort überflüssig zu machen.
Zur Person
Frank-Walter Steinmeier ¡ 1956 wird Steinmeier als Sohn eines Tischlers und einer Fabrikarbeiterin geboren. Er wächst in Brakelsiek auf. ¡ Ab 1976 studiert er Rechtswissenschaft und ab 1980 Politikwissenschaft an der JustusLiebig-Universität in Gießen. 1986 besteht er das zweite juristische Staatsexamen. Anschließend ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft an der Uni Gießen tätig. 1991 Promotion als Jurist. ¡ 1991 tritt er als Referent für Medienrecht und Medienpolitik in die niedersächsische Staatskanzlei ein. 1993 übernimmt er die
Leitung des Büros von Ministerpräsident Gerhard Schröder und wird 1994 Leiter der Abteilung für Richtlinien der Politik, Ressortkoordinierung und -planung. ¡ Am 22. November 2005 wird Steinmeier Bundesaußenminister. ¡ Am 21. November 2007 übernimmt Steinmeier nach dem Rücktritt Franz Münteferings die Funktion des Vizekanzlers und wird SPD-Kanzlerkandidat. ¡ Steinmeier ist seit 1995 mit der Verwaltungsrichterin Elke Büdenbender verheiratet. Sie haben eine Tochter. Er gehört der evangelisch-reformierten Kirche an. (StN)
Steinmeier 2002 als Kanzleramtsminister im Gespräch mit Bundeskanzler Gerhard Schröder
Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender am Sonntagabend vor dem TV-Duell
Fotos: dpa
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Design: Norbert Küpper 49 Sport
Philipp Lahm wird wohl Spielführer, Manuel Neuer Nummer eins – der Bundestrainer ärgert sich über undichte Stelle beim DFB
Deutschlands Volleyballer zu Gast in der Region
Von Thomas Näher aus Eppan EPPAN. Es war ein Bild der Ruhe und der inneren Einkehr, das die Nationalspieler am Donnerstag nach dem Training abgaben. Da saßen sie am Mittelkreis und lauschten den Worten von Reinhold Messner. Der Bergfex aus dem nahen Bozen stimmte die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) auf Südafrika ein. „Er hat Parallelen zwischen dem Bergsteigen und dem Fußball aufgezeigt. Die WM dauert lange, und auch den Mount Everest besteigt man nicht an einem Tag“, sagte Neuling Holger Badstuber sichtlich beeindruckt. So einfach kann das Leben manchmal sein, mag Joachim Löw da neidvoll gedacht haben. In seinem Leben als Bundestrainer gibt es nämlich Dinge, die er sich auch nach längerem Grübeln nicht zusammenreimen kann. Das Zusammenspiel zwischen dem DFB und dem Boulevard ist so eine Sache. Dass vor Weihnachten sein angeblicher Handschlag-Vertrag mit DFB-Präsident Theo Zwanziger über die WM hinaus via „Bild“ bekannt wurde, ist Löw ebenso sauer aufgestoßen wie die Veröffentlichung der
Info
Die deutschen WM-Kapitäne Jahr 1934 1938 1954 1958 1962 1966 1970 1974 1978 1982 1986 1990 1994 1998 2002 2006
WM-Ausrichter Uruguay Frankreich Schweiz Schweden Chile England Mexiko Deutschland Argentinien Spanien Mexiko Italien USA Frankreich Südkorea/Japan Deutschland
Name Fritz Szepan Fritz Szepan Fritz Walter Hans Schäfer Hans Schäfer Uwe Seeler Uwe Seeler Franz Beckenbauer Berti Vogts K.-H. Rummenigge K.-H. Rummenigge Lothar Matthäus Lothar Matthäus Jürgen Klinsmann Oliver Kahn Michael Ballack
Michel Platini hofft auf ein Heimspiel in sechs Jahren Heute entscheidet der Europäische Fußball-Verband (Uefa), wo die EM 2016 ausgetragen wird. Großer Favorit ist Frankreich – die Heimat von Uefa-Präsident Michel Platini.
¿27 · Sport
Die Volleyball-Nationalmannschaft der Männer macht Station in Stuttgart und Tübingen – und muss sich in gleich zwei Wettbewerben beweisen: in der World League und in der EM-Qualifikation.
angeblichen Gehaltsforderungen von Teammanager Oliver Bierhoff für sich und das Trainerteam im gleichen Blatt. Wo sitzt der Maulwurf innerhalb des DFB, fragte sich Löw, wer hat ein Interesse daran, vertrauliche Informationen herauszugeben und auf diese Weise ihn und seine Arbeit für eigene Zwecke zu instrumentalisieren? Die Antwort fiel insofern nicht schwer, als nur ein intimer Kreis von Insidern über den Inhalt der Gespräche Bescheid wusste. Und nun, im Fall Lahm und Neuer? Jahrelang waren die Fronten zwischen DFB und „Bild“ geklärt. Ex-Teamchef Jürgen Klinsmann verweigerte während seiner Amtszeit den Doppelpass mit dem Boulevard. Zuvor waren ins Licht gezerrte Indiskretionen dem früheren Kapitän und „Bild“ -Kolumnisten Lothar Matthäus zugeschrieben worden. Jetzt heißt der Kolumnist Franz Beckenbauer, was zumindest im aktuellen Fall den Verdacht auf ihn lenkt. Löw jedenfalls soll sich mächtig geärgert haben, als er die Personalien Lahm und Neuer in der Zeitung mit den großen Buchstaben lesen musste. Bisher galt für ihn die Devise: Der Chef bin ich. Löw, und nur Löw allein, entscheidet in allen sportlichen Fragen. Und so ließ er über DFB-Mediendirektor Harald Stenger seinen Groll übermitteln. Verklausuliert zwar, doch wer Löw ein wenig näher kennt, der weiß: Der Freiburger ist „högschd“ verärgert. „Die sportliche Leitung wertet diese Einschätzungen als reine Spekulation. Es kann so sein, muss aber nicht so sein“, sagte Stenger. Außerdem sei „bis zur Stunde mit keinem Spieler über die Torwart- und Kapitänsfrage gesprochen worden“. Das soll am heutigen Freitag geschehen und dann auch publik gemacht werden. Tatsächlich spricht vieles für Lahm als Vertreter des verletzten Kapitäns Michael Ballack und für Neuer als Nachfolger des gleichfalls angeschlagenen René Adler. Intern schließt man aber auch Überraschungen nicht aus. In der Torwart-Frage soll der nachgerückte Münchner Hans-Jörg Butt (35) im Trainerstab sogar als Nummer eins gehandelt worden sein, ehe man sich für Neuer (24) entschieden und sich auf den Bremer Tim Wiese (28) als ersten Ersatzkeeper festgelegt habe. Und Miroslav Klose (31) gilt aufgrund seiner Erfahrung aus 94 Länderspielen zumindest als ein ernsthafter Anwärter auf das Amt des Spielführers. Der Bayern-Stürmer war bisher Ballacks Stellvertreter und übte sein Amt auch gestern aus. Nach Messners Rede überreichte er dem Südtiroler ein Deutschland-Trikot. Ein Vorgriff auf die Kapitäns-Entscheidung war das aber nicht: Philipp Lahm war gar nicht beim Training, sondern mit dem zweiten Spätankömmling Bastian Schweinsteiger auf dem Mountainbike unterwegs.
Wirbel um deutsches WM-Quartier
DFB-Gegner Ghana ohne Superstar Essien
EPPAN (StN). Trotz der neuen Schreckensmeldungen um fehlende Genehmigungen, Geldstrafen und Schwarzbauten geht auch dder Weltverband Fifa davon aus, dass der Tross des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) am 7. Juni sein WM-Quartier nahe Pretoria beziehen wird. Jedoch informierte die Fifa auch über Missstände. Zwar werde das Hotel schon seit Jahren betrieben, die notwendigen Genehmigungen der Stadt fehlen aber. „Es sind Sofortmaßnahmen eingeleitet worden, um die Mängel und Unregelmäßigkeiten zu beseitigen“, teilte die Fifa mit.
ACCRA (sid). Deutschland Gruppengegner Ghana muss bei der Fußball-WM in Südafrika auf seinen Superstar Michael Essien verzichten. Der Mittelfeldspieler, Teamkollege des ebenfalls verletzten deutschen Nationalmannschaftskapitäns Michael Ballack beim FC Chelsea, fällt mit einer Knieverletzung aus. Essien hatte die Verletzung beim Afrika-Cup im Januar erlitten. Ghana trifft zum Abschluss der Gruppe D am 23. Juni in Johannesburg auf Deutschland. Essien war 2005 für 38 Millionen Euro von Olympique Lyon nach Chelsea gewechselt.
VfB auf Platz vier der Geldrangliste STUTTGART (StN). Wen wundert’s: Der FC Bayern München ist auch finanziell die Nummer eins: Aus dem TV-Vermarktungstopf der Deutschen Fußball-Liga (DFL) kassierte der Meister im abgelaufenen Jahr 28,628 Millionen Euro. Der VfB Stuttgart landete mit 23,843 Millionen Euro auf Platz vier. Die Geldrangliste der Fußball-Bundesliga im Überblick: 1. FC Bayern München 2. FC Schalke 04 3. Werder Bremen 4. VfB Stuttgart 5. Hamburger SV 6. Bayer Leverkusen 7. VfL Wolfsburg 8. Borussia Dortmund 9. Eintracht Frankfurt 10. Hertha BSC 11. Hannover 96 12. VfL Bochum 13. 1899 Hoffenheim 14. Bor. Mönchengladbach 15. FSV Mainz 05 16. 1. FC Köln 17. 1. FC Nürnberg 18. SC Freiburg
Ex-VfB-Spieler Alexander Hleb will bei seiner Rückkehr zum FC Barcelona voll angreifen: „Ich will gesund und topfit in die Vorbereitung einsteigen und mich dort durchsetzen.“ Einen Wechsel zum FC Bayern hat der Weißrusse nach der Vertragsverlängerung von Franck Ribéry abgehakt: „Das ist alles nicht mehr interessant.“ VfB-Verteidiger Khalid Boulahrouz gewann in Freiburg mit der holländischen Nationalmannschaft gegen Mexiko 2:1 und spielte 90 Minuten durch.
Sportsfreund des Tages
Der Mann
. . . und wer Kapitän
Fotos: Bm, dpa
Der frühere VfB-Profi und Weltmeister 1990 über die Kapitänsrolle innerhalb der deutschen Nationalmannschaft
Hallo, Herr Buchwald. Sie waren Kapitän beim VfB Stuttgart und fünfmal in der Nationalelf. Was erfordert diese Rolle?
Es ist ja klar, dass jeder, der in der Nationalmannschaft spielt, eine gewisse Persönlichkeit ausstrahlt. Das allein ist es aber nicht. Man braucht Führungsqualitäten und darf keine Scheu davor haben, Verantwortung zu übernehmen.
Angeblich soll Philipp Lahm die Binde des Spielführers bekommen.
Ich könnte das sehr gut nachvollziehen. Er bringt seit Jahren konstant seine Leistung, er ist kein Marktschreier, sondern meldet sich dann zu Wort, wenn es Probleme gibt. Und er wird von der Mannschaft akzeptiert.
. . . weil er die Siegprämien aushandelt.
Das gehört mit zu seinen Aufgaben. Es gibt aber Wichtigeres.
Zum Beispiel?
Er muss das Spielverständnis und die Arbeitsweise des Trainers mit in die Mannschaft tragen, er muss erkennen, wenn es intern Spannungen gibt oder sich Grüppchen bilden, die nicht miteinander klarkommen. Und der Chef muss immer ein Vorbild sein – auf dem Platz und auch außerhalb.
Wie wird der Kapitän bestimmt?
Früher war das so, dass der Kapitän wurde, der am meisten Länderspiele hatte. Die meisten Trainer in der Bundesliga bestimmen ihn aber selbst, manche lassen ihn auch von der Mannschaft wählen. Er muss auf alle Fälle das volle Vertrauen des Trainers genießen. Er ist ja sozusagen sein verlängerter Arm im Team. Der Kapitän ist ja auch Ansprechpartner für die Spieler. Joachim Löw kann ja nicht mit jedem Einzelnen stundenlange Einzelgespräche führen.
Außer Philipp Lahm sind angeblich noch Bastian Schweinsteiger und Miroslav Klose in der Verlosung.
Bastian Schweinsteiger könnte ich mir noch vorstellen. Er ist mit seinen Aufgaben beim FC Bayern gewachsen. Er hat aber noch nicht die Erfahrung von Philipp Lahm.
Und Miroslav Klose?
Das geht gar nicht. Wer weiß, ob er überhaupt in Form kommt. Als Kapitän musst du aber einen Stammplatz haben.
Wie schwer wiegt der Ausfall von Michael Ballack?
Das ist ganz bitter, aber auch eine große Chance für die jungen Spieler. Ich bin sicher, dass Sami Khedira und Bastian Schweinsteiger im defensiven Mittelfeld bestens harmonieren. Sie werden diese Lücke schließen.
Ihre Prognose?
Das Halbfinale ist möglich. Und dann braucht man immer auch ein wenig Glück.
Zur Person
Guido Buchwald ¡ Am 24. Januar 1961 wurde Guido Buchwald in West-Berlin geboren. ¡ Von 1962 an lebte er in Wannweil bei Reutlingen. Inzwischen wohnt er in Walddorfhäslach. Er ist verheiratet mit Silvia, zwei Kinder (Julian, Yannic). ¡ Stationen als Profi: 1979 bis 1983: Stuttgarter Kickers 1983 bis 1994: VfB Stuttgart 1994 bis 1997: Urawa Red Diamonds 1998 bis 1999: Karlsruher SC ¡ Stationen als Trainer: 2004 bis 2006: Urawa Red Diamonds 2007: Alemannia Aachen Foto: Baumann
STUTTGART. Er war einer der Besten in der Weltmeistermannschaft von 1990. Und Guido Buchwald weiß, worauf es in der Kapitänsrolle ankommt. Er hat die Binde selbst lange genug getragen.
28,628 26,497 25,478 23,843 23,155 21,906 21,217 20,191 19,152 18,752 17,600 16,557 16,501 15,302 14,657 13,855 13,387 12,472
Kurzpässe
„Der Chef muss immer ein Vorbild sein“ Von Gunter Barner
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¿26 · Sport
Die Entscheidungen im Nationalteam sind gefallen – vermeldete zumindest der Boulevard. Eine Überraschung wäre ein Votum für Philipp Lahm und Manuel Neuer zwar nicht, dennoch ist Bundestrainer Joachim Löw verärgert: Er fühlt seine Arbeit durch Indiskretionen torpediert – nicht zum ersten Mal.
Entscheidung heute: Wer wird Nummer eins . . .
Nummer 120 Freitag, 28. Mai 2010
Löw sucht den Maulwurf in der Kapitäns-Frage
Es gibt Situationen, die kann man als Mann gar nicht als Gewinner überstehen. Besonders schwierig ist es zum Beispiel, wenn die Frau vom Friseurbesuch nach Hause kommt. Man(n) kann dann schweigen – aber dann sagt sie mit vorwurfsvoller Stimme: „Dir ist also gar nichts aufgefallen?“ Man kann auch warten, bis sie fragt: „Und? Wie gefällt’s dir?“ Dann wird es noch kniffliger – und nur durch folgende Frage übertroffen: „Findest du’s besser oder schlechter als vorher?“ So, und jetzt? In den kommenden Wochen wird es sehr wahrscheinlich wieder viele solcher Situationen geben. Nicht, weil die Friseurinnung Freischneiden anbietet – aber es ist dann Fußball-WM. Und womöglich sehen Sie sich gegen Ende dieser Veranstaltung, ge- Ein Gewinner dpa nauer: am 11. Juli, mit dieser Frage ihrer leicht bekleideten und lasziv dreinschauenden Partnerin konfrontiert: „Willst du das Finale mit Deutschland sehen – oder kommst du mit ins Schlafzimmer?“ Puuuh! Immerhin: Eine Umfrage hat nun ergeben, dass sich 95 Prozent der Deutschen für das Endspiel entscheiden würden. Sie werden es kaum glauben, aber hierbei sind die Männer tatsächlich die Gewinner – es wurden nämlich auch Frauen gefragt. (dip)
Das Zitat „Die türkische Delegation hat uns ihre Bewerbung so emotional präsentiert, da kamen einem fast die Tränen“ DFB-Präsident Theo Zwanziger über die türkische Bewerbung für die EM 2016
Stuttgarter KärntnerNachrichten Wirtschaft
Design: Norbert Küpper 50 Super-Wahlsonntag
Nummer 200 · Montag, 31. August 2009
„Das ist ein guter Wahlsonntag für die SPD. Schwarz-Gelb ist nicht gewollt in diesem Land.“ SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier ist mit den Ergebnissen der Landtagswahlen zufrieden
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Foto: AP
Rot-Rot-Grün – nicht die große Liebe Für die SPD bieten sich neue Machtoptionen an – doch eine Koalition mit den Linken könnte der CDU nutzen
Von Markus Grabitz und Claudia Lepping, Berlin BERLIN. Die Wahlkampfmanager von SPD und Union hatten mit manchem gerechnet. Dass etwa die drei Landtagswahlen und die NRW-Kommunalwahl den Trend zu Schwarz-Gelb verfestigten. Darauf hatten sie im Konrad-Adenauer-Haus gehofft. Anders im Willy-Brandt-Haus: Vier Wochen vor der Wahl versprachen sich die Strategen dort endlich den Befreiungsschlag, nachdem die SPD bisher in schlechten Umfragen verharrte. Der Union zwei Ministerpräsidenten-Posten nehmen, das könnte die Stimmungswende werden. Doch es kam anders: Die vorsichtige Öff-
Hintergrund
Stimmen im Bundesrat ¡ Die drei Landtagswahlen vom Sonntag haben wichtige Weichen auch für die Bundespolitik gestellt. Danach hat SchwarzGelb die Mehrheit im Bundesrat voraussichtlich verloren. ¡ Derzeit verfügen die schwarz-gelb regierten Länder im Bundesrat über 29 Stimmen, und zwar aus Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Hinzu kamen vier Sitze aus Thüringen und drei aus dem Saarland, wo die CDU zuletzt allein regiert hatte. Damit kam Schwarz-Gelb bislang rein rechnerisch auf 36 der 69 Stimmen. ¡ Nachdem die CDU ihre absoluten Mehrheiten in Thüringen und dem Saarland verloren hat und auch eine schwarz-gelbe Koalition keine Mehrheit in den Ländern hätte, sind die sieben Bundesratssitze dieser Länder für das bürgerliche Lager verloren. ¡ Die Rückschläge für die CDU in Thüringen und dem Saarland bedeuten, dass auch das Ergebnis in Sachsen nicht mehr ausreicht, um den Verlust in der Länderkammer auszugleichen. Der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich kann auf ein Bündnis mit der FDP hoffen. Sachsen verfügt aber nur über vier Sitze im Bundesrat – zu wenig, um das Blatt wieder zu wenden. (AP)
nung seiner Partei in den Ländern zur Linkspartei, die SPD-Kanzlerkandidat FrankWalter Steinmeier durch Interviews in der Vorwoche eingeleitet hatte, steht auf einmal mitten im Raum. Plötzlich geht es nicht mehr darum, um wie viel Prozentpunkte die SPD hinter der Union liegt. Auf einmal deutet sich in der gesamten politischen Stimmung Deutschlands immer mehr die Manifestierung zweier bislang nicht da gewesener Lager an: Hier Schwarz-Gelb, dort RotRot-Grün – obwohl Steinmeier stets beteuert, dass er auf Bundesebene nicht mit der Linkspartei koalieren will. Bereits am Sonntag hatte die Kanzlerin ihre Partei auf eine Niederlage vorbereitet. Angela Merkel erinnerte daran, dass die Union vor fünf Jahren so gute Ergebnisse eingefahren habe und dabei von der „Wut auf Rot-Grün in Berlin“ profitiert habe. Mit tollen Wahlergebnissen konnte die Union diesmal wirklich nicht rechnen. Aber dass sie gleich in zwei Ländern die absolute Mehrheit der Sitze verlieren würde, kann im Unionslager niemand schönreden. Und man kann es schon gar nicht mit regionalen Aspekten erklären. Für manchen im Umfeld der Kanzlerin muss es erschreckend sein, dass die eigenen Wähler selbst respektable Leistungen von Unionsregierungschefs nicht honorieren. Ganz abwegig ist die Frage ja nicht: Wenn das so in Thüringen und im Saarland ist, warum dann nicht in vier Wochen auch im Bund? Da trösten sie sich bei der Union immerhin ein wenig damit, dass die Ergebnisse in den Reihen der SPD nun auch nicht gerade dazu geeignet sind, Euphorie auszulösen. In den Startblöcken für die Aufholjagd sind die Genossen nicht. Darauf deuten auch nicht gerade die Zahlen bei den Kommunalwahlen in NRW: 31 Prozent im SPDStammland – nun ja –, der zweite Wind sieht anders aus.
Für die Liberalen sind die Landtagswahlen ein gelungener Stimmungstest Doch der Union hilft es nicht, dass die SPD nichts dazugewinnt. Viel entscheidender ist: Rot-Rot-Grün ist plötzlich eine realistische Machtperspektive, auch im Bund. Die gestrigen Zahlen machen deutlich: Die Zeiten, in denen die SPD davon träumen konnte, mit den Grünen zu reagieren, sind vorbei. Wenn die SPD irgendwo wieder einen Regierungschef stellen will, dann geht das nur in einem Boot mit Linken und Grünen. Diese Erkenntnis rüttelt auch so manchen in der Union wach. Selbstkritisch merkt Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach denn auch Richtung Bundestagswahlkampf an: „Wir haben uns viel zu oft auf den großen Abstand der Union vor der SPD konzentriert, das ist ein Fehler.“ Bosbach for-
dert seine Partei dazu auf, jetzt stärker die beiden Lager anzuschauen. „Da hat das bürgerliche Lager aus Union und FDP nur wenige Prozentpunkte Vorsprung vor dem rotrot-grünen Lager.“ Bosbach will ab jetzt einen Lagerwahlkampf führen. Es gehe um die Alternative „stabile Verhältnisse unter Schwarz-Gelb oder ein linkes Experiment“. Er schwört seine Partei darauf ein: Die Absage von Frank-Walter Steinmeier an RotRot-Grün nehme er der SPD nicht ab. Ganz anders dagegen das Bild bei der FDP. Die Liberalen gehen als strahlender Wahlsieger aus diesen Vorläufen. Für sie sind die Wahlen ein gelungener Stimmungstest. Parteichef Guido Westerwelle muss keine Kurskorrektur vornehmen. Es wird sich ab jetzt noch weiter auf Schwarz-Gelb festlegen. Sein Argument wird sein: „Wer Schwarz-Gelb will, muss FDP wählen.“ Schwarz-Gelb verhindern! Dieser Slogan prangt bisher ausschließlich auf den Wahlplakaten der Grünen, die als Mehrheitsbeschaffer für Rot-Rot-Grün genauso taugen wie für Schwarz-Grün – mit und ohne FDP. Schwarz-Gelb verhindern! gilt aber von diesem Montag an noch viel mehr für die SPD.
Die Genossen haben sich auf einen Verhinderungswahlkampf eingeschossen: Dieter Althaus und Peter Müller abwählen, und dann in Berlin mit der gleichen Botschaft gegen eine mögliche schwarz-gelbe Koalition von Merkel, Horst Seehofer und Westerwelle marschieren.
Die Genossen versuchen, aus den Erfolgen einen deutschlandweiten Trend abzuleiten Die große Liebe zu Rot-Rot-Grün will in der Berliner Parteizentrale niemand entdecken – trotz aller Machtoptionen in Thüringen und im Saarland. Indem Frank-Walter Steinmeier den Landesverbänden diese Bündnisse freigestellt habe, habe er sich nur an die Spitze einer Karawane gesetzt, die auch ohne ihn weitergezogen wäre. Eine Allianz mit Linke-Chef Oskar Lafontaine auf Bundesebene gilt unter den Strategen im Willy-Brandt-Haus schon deshalb als Tabu, weil sie allein die Wähler von Union und FDP mobilisieren würde, sicher aber nicht
die eigenen Anhänger. Insofern feiern die Genossen vor allem ihre zweite Botschaft: Jetzt geht es los; der Abwärtstrend ist gestoppt. „Viele haben gedacht, die Bundestagswahl sei bereits entschieden“, sagt Steinmeier. Sollten Christoph Matschie in Thüringen und Heiko Maas im Saarland in welchen Koalitionen auch immer neue Regierungen bilden, bringt die Bundes-SPD nicht nur zwei relativ neue Gesichter in die politische Szene. Viel wichtiger ist das Signal, aus deren Wahlerfolgen einen deutschlandweiten Trend abzuleiten und die eigenen Anhänger für genau jene Bundestagswahl im Herbst zu mobilisieren, die viele schon aufgegebenen hatten. Mehr ist für die SPD auch kaum drin. Nüchtern betrachtet hat sie in Thüringen gewonnen, im Saarland verloren und in Sachsen ihr schlechtes Ergebnis gehalten. Hinter den Kulissen ist deshalb jedem Genossen klar, dass im Bund die Fortführung der Großen Koalition die aussichtsreichste aller Optionen für die SPD ist. Die FDP noch für eine Ampelkoalition mit den Grünen ins Boot holen zu können, erwartet in der SPDZentrale kaum noch jemand.
„Kein Test für die Bundestagswahl“ Politikwissenschaftler Falter rät Merkel, offensiv mit rot-rot-grünen Koalitionen umzugehen Von Claudia Lepping, Berlin
und Saarbrücken anrufen und sagen: Bitte, bitte kein Ergebnis vor dem 27. September.
Zur Person
BERLIN. Der Politikwissenschaftler Jürgen Falter erwartet rot-rot-grüne Koalitionen.
Jürgen Falter
Herr Professor Falter, was lässt sich aus diesen Ergebnissen der Landtagswahlen für die Bundeswahl am 27. September ableiten?
¡ 1944 wird er in Heppenheim an der Bergstraße geboren ¡ Von 1963 bis 1970 Studium der Politikwissenschaften und Neueren Geschichte ¡ Nach Professuren in München und Berlin lehrt er seit 1993 Politikwissenschaften in Mainz. Ein Schwerpunkt ist die Innenpolitik (StN)
Die Landtagswahlen sind nicht als Stimmungsbarometer für die Bundestagswahl zu interpretieren. Der erste Grund ist, dass diese Länder in keiner Weise repräsentativ sind für die Bundesrepublik. Es sind überhaupt nur sehr wenige Wahlberechtigte zur Stimmabgabe aufgerufen gewesen, so dass es angesichts der nach wie vor geringen Wahlbeteiligung ein erhebliches Potenzial von Wählern gibt, die sich an der Bundestagswahl beteiligen und mit Sicherheit ganz anders wählen werden als die, die gestern zur Wahl gegangen sind. Jedes Land hat seine eigenen Traditionen und Konstellationen – allein die Situation der Linkspartei im Saarland und in den neuen Bundesländern ist so spezifisch, dass sich da kein Ergebnis auf Bundesebene übertragen lässt.
Wovon werden die Wähler ihr Votum abhängig machen, die jetzt noch gestreikt haben?
Die Mobilisierung für die Bundestagswahl ist grundsätzlich größer. Hinzu aber kommen die Koalitionsverhandlungen in den
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat wenig Freude an den Wahlergebnissen: Kann die Union in den nächsten vier Wochen den Abwärtstrend stoppen?
Foto: ddp
Jetzt geht der Wahlkampf so richtig los. Das Rennen um die Bundestagswahl ist nach den drei Landtagswahlen und den Kommunalwahlen in NRW zwar weiter offen. Dennoch deutet sich vorsichtig auch im Bund die Bildung eines neuen Lagers an.
drei Bundesländern. Wir werden in Thüringen und im Saarland höchstwahrscheinlich rot-rot-grüne Koalitionsverhandlungen erleben. Das wird von Union und FDP freudig aufgegriffen werden.
Wird die SPD die Regierungsbildung über den 27. September hinauszögern?
Ich kann mir vorstellen, dass die Parteistrategie darauf hinausläuft, ja. Ich kann mir vorstellen, dass Kanzlerkandidat Steinmeier und Parteichef Müntefering in Erfurt
In Thüringen drückt sich SPD-Chef Matschie um die Aussage, den Linken Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten zu wählen. Dieses Gerangel soll vier Wochen lang gutgehen?
Nein, das werden die Leute den Akteuren nicht abnehmen; das halten Matschie und Ramelow auch nicht vier Wochen lang aus. Thüringen wird in der Tat ein ganz besonders schwerer Fall werden. Interessanterweise kann für den SPD-Mann Matschie eine Große Koalition viel behaglicher werden, wenn er unter dem CDU-Premier Althaus Vizeministerpräsident wird. Indem er mit dieser Option droht, kann er die Linken vielleicht dazu drängen, ihn tatsächlich zum Regierungschef einer rot-rot-grünen Koalition zu machen.
Welche Konsequenzen muss die Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel ziehen?
Wenn sie mit Peter Müller und Dieter Althaus zwei Ministerpräsidenten verlieren sollte, muss sie sehr offensiv damit umgehen. Zwei rot-rot-grüne Koalitionen wären Wasser auf die Mühlen ihrer Wahlkampagne gegen die SPD. Merkel kann das durchaus ins Positive drehen. Dass es im Bundesrat viel schwieriger wird, weil die CDU an Einfluss verliert, ist zunächst kaum relevant.
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Fit & Schön
Nummer 170 • Montag, 27. Juli 2009
Kosmetik-Abc
Adenosine dienen der Hautglättung
Sommerteint durch einen Sprühregen Bräunungsduschen und Airbrush-Tans funktionieren ganz ohne UV-Strahlen – ein Selbstversuch Bräunungsduschen funktionieren nach dem Prinzip von Selbstbräunern und zaubern Farbe auf die Haut – ganz ohne UV-Strahlen. Sehr lang hält das Ergebnis allerdings nicht.
Was ist drin in Creme, Lotion, Deodorant, Duschgel, Wimperntusche und Lippenstift? Diese Serie stellt kosmetische Wirk- und Hilfsstoffe vor. Von Julia Förch
Von Tanja Capuana
Taucht bei den Inhaltsstoffen eines Kosmetikprodukts, also auf der sogenannten Inci-Liste, der Begriff Adenosine auf, sind damit – auch medizinisch gegen Herzkrankheiten genutzte – organische, besonders energiereiche Moleküle gemeint. Diese biochemischen Wirkstoffe, teilweise aufgeführt mit den Ergänzungen Cyclic Phosphate und Triphosphorate, gelten als gut verträglich und werden zur Pflege von Haut und Haar verwendet. Insbesondere Adenosine Triphosphat (abgekürzt mit ATP) wird auch in Kosmetika verwendet. ATP ist eine energiereiche Phosphatverbindung, die in allen Muskelzellen vorhanden ist und die wichtigste Energiequelle bei Muskelbewegungen darstellt. Die Internetplattform www.kosmetikanalyse.com zitiert diesbezüglich aus dem „Kosmetik Lexikon“: „Eiweißstoffe sind ein wesentlicher Bestandteil der Haut, der Haare, der Nägel, der Muskeln und der Sehnen. Sie sind aus verschiedenen Einzelbausteinen, den Aminosäuren, aufgebaut.“ Wasserlöslich gemacht, sind Adenosine auch für die Kosmetik einsetzbar. „Eiweißstoffe sind hautverträglich und verbessern in vielen Fällen die Verträglichkeit anderer aggressiver Substanzen, so zum Beispiel die der Waschgrundstoffe.“ Adenosine helfen anderen Wirkstoffen aber nicht nur dabei, aktiv zu werden, sie bilden zudem einen Film auf der Haut und den Haaren, wodurch ein Gefühl von Glätte entsteht. Zudem verbessern sie die Kämmbarkeit der Haare. Aufgrund ihrer Pufferwirkung stabilisieren sie überdies den Säureschutzmantel der Haut und wirken hautbefeuchtend.
Studie ermittelt, was Paare eint Worauf basiert eine Partnerschaft fürs Leben? Australische Wissenschaftler haben über sieben Jahre hinweg insgesamt 2482 verheiratete oder zusammenlebende Paare beobachtet und zum Beispiel festgestellt, dass die Nachwuchsfrage von großer Bedeutung ist. Demnach bleiben Paare eher zusammen, wenn sie den Kinderwunsch voll teilen oder aber beide keine Kinder möchten. Auch das Alter spielt eine wichtige Rolle, wie die Studie der Australian National University in Canberra ergab. Laut Ergebnis sind Beziehungen stabiler, wenn zu deren Beginn der männliche Partner mindestens 25 Jahre alt war. Ferner sollte der Altersunterschied nicht zu groß sein. Eine Partnerschaft hält demnach eher, wenn der Mann nicht mehr als ein Jahr jünger oder drei Jahre älter ist als seine Partnerin. Sind Raucher mit Nichtrauchern liiert, steht die Beziehung häufig unter einem schlechten Stern. Die Wahrscheinlichkeit, sich zu trennen, ist 75 Prozent höher als bei Paaren, die Nikotin meiden oder ähnlich viel rauchen. Ein weiterer Einflussfaktor ist das Einkommen. Eine Trennung ist bei einem mittleren Einkommen unwahrscheinlicher als bei Haushalten, die wenig Geld zur Verfügung haben. Besonders Arbeitslosigkeit wirkt sich negativ aus. (AP)
Mit Balancetraining gegen Verstauchung Nach Fußverstauchungen kann ein Balancetraining Sportler vor einer neuerlichen Verletzung schützen. Nach einer holländischen Studie senkt ein achtwöchiges Übungsprogramm dieses Risiko um mehr als ein Drittel. Derartige Verletzungen sind sehr häufig: Allein in den Niederlanden verstauchen sich jährlich mehr als 230 000 Menschen das Fußgelenk. Im Jahr nach dem Vorfall sind sie besonders gefährdet, sich an gleicher Stelle erneut zu verletzen. Mit einem Gleichgewichtstraining gelang es, Neuverletzungen um 35 Prozent zu reduzieren. (AP)
Körperfett hat wichtige Funktionen Fett ist ein lebenswichtiger Baustein des Organismus. Zwar können übermäßige Fettpolster Krankheiten begünstigen, aber auch eine Unterversorgung ist gefährlich, betont das Kölner Zentrum für Gesundheit. Fett schütze Organe, sichere die Körpertemperatur, speichere Energie, Vitamine und Nährstoffe. Im Übermaß könne es Blutfettwerte und Blutdruck in die Höhe treiben, Arteriosklerose verursachen und so zu Herzinfarkt und Schlaganfall führen. Unterschreitet der Fettanteil bei Männern sechs, bei Frauen zwölf Prozent, drohen Gesundheitsrisiken. (AP)
Ob Airbrush oder Bräunungsdusche: In beiden Fällen wird ein chemischer Zucker auf den nackten Körper gesprüht. Der Wirkstoff reagiert mit den Aminosäuren der obersten Hautschicht und färbt den Körper braun Foto: Coka/Fotolia
Ein gebräunter Körper steht für viele Menschen immer noch für Attraktivität und Gesundheit. Auch ich wünsche mir einen karamellfarbenen Teint, mit dem die Natur beispielsweise Beyoncé Knowles bedacht hat. Leider bin ich ein nordischer, hellhäutiger Typ und werde in der Sonne eher rot als braun. Hautärzte raten vom Brutzeln im Freien oder in Solarien meist ab. „Es gibt keine gesunde Bräune“, warnt der Heilbronner Hautarzt Bernd Salzer. „Die Haut merkt sich jeden UV-Strahl.“ Salzer, der dem Berufsverband der Deutschen Dermatologen als Landesvorsitzender angehört, rät daher zur UV-freien Methode: „Wer unbedingt braun sein will, sollte Selbstbräuner oder Bräunungsduschen benutzen.“ Diese Cremes und Lotionen enthalten Dihydroxyaceton, einen dreiwertigen Zucker, der durch eine biochemische Reaktion die Haut dunkler färbt. Allerdings habe ich mit der Bräune aus der Tube bisher keine guten Erfahrungen gemacht: Meist war das Ergebnis orangebraun und fleckig. Was für ein Glück also, dass es mittlerweile auch in Deutschland eine Alternative dazu gibt: Bräunungsduschen. Prominente wie Victoria Beckham oder Christina Aguilera schwören darauf. Ein Grund mehr, es einmal selbst auszuprobieren. Leichte Bedenken habe ich dennoch, da meine Haut bisweilen empfindlich auf chemische Substanzen reagiert. Bernd Salzer beruhigt. „Allergien und Nebenwirkungen sind mir nicht bekannt“, sagt er. „Die Wirkstoffe in Bräunungsduschen sind unbedenklich.“ Er habe bisher noch keine Patienten erlebt, die dadurch Ausschläge bekommen hatten. Statt der klassischen Bräunungsdusche entscheide ich mich für ein ähnliches System: das sogenannte Spray Tan. Bei einer Internetrecherche stoße ich auf einen Salon in Stuttgart-Zuffenhausen, der diese Airbrush-Tans für 25 Euro (gesamter Körper) anbietet. Also mache ich mich auf zur Firma Beauty Nails of Art. Nur in Unterwäsche und ohne Schminke im Gesicht stehe ich schließlich vor der Kosmetikerin Andrea Morber. Der Salon benutzt die Produkte der Firma Magic Tan, die mit der dazugehörigen Maschine aufgesprayt werden. Dieser Trend komme aus Amerika, erzählt Morber, während sie mit der Düse meine Arme bespritzt. Ein angenehm kühler Sprühnebel breitet sich auf meiner Haut aus. Das Ergebnis dieser Methode sei gleichmäßiger als mit einer normalen Bräunungsdusche, meint
Lieblingslieder am laufenden Meter Worauf Freizeitsportler beim MP3-Player achten sollten – Laufrhythmus als Taktgeber Von Philipp Laage Auf ihren MP3-Player wollen viele Menschen beim Joggen nicht mehr verzichten. Schließlich kann das Lieblingslied auf den letzten Metern zum entscheidenden Antreiber werden. Damit der Hörgenuss nicht geschmälert wird, sollten Läufer aber ein paar Punkte beachten. Technisch gesehen ist es entscheidend, dass sie mit einem Gerät mit Flash-Speicher lostraben. Denn Spieler mit Festplattenspeicher haben bewegliche Teile, die beim Geländelauf aussetzen können, wie Michael Knott vom Technikportal netzwelt.de aus Hamburg erklärt. „Die elektronischen Flash-Speicher hingegen sind gegen Erschütterungen komplett unanfällig.“ Mittlerweile gibt es allerdings ohnehin fast nur noch Flash-Modelle in den Läden: Im Jahr 2008 wurden 4,16 Millionen MP3-Player verkauft. Davon hatten nur 23 000 eine Festplatte, sagt Roland Stehle von der Gesellschaft für Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik (GfU) in Nürnberg. Und die Kapazitäten der Flash-Speicher werden immer größer. Während somit fast alle neuen MP3-Player lauftauglich sind, können die mitgelieferten Kopfhörer Freizeitsportlern Probleme bereiten, wie Urs Weber vom in Hamburg erscheinenden Laufmagazin „Runner’s World“ erläutert: „Häufig sitzen die serienmäßigen Ohrstecker nicht gut und fallen beim Laufen heraus.“ Zu empfehlen seien deshalb Kopfhörer, die verschiedene Aufsätze haben und sich anpassen lassen. Sogenannte In-Ear-Hörer bieten diese Möglichkeit, sagt Stehle. Laut Urs Weber liefern sie auch einen besseren Sound als andere Modelle. „Viele Läufer schwören auf InEar-Kopfhörer, andere kommen damit überhaupt nicht klar“, ergänzt Michael Knott. Sie fühlten sich unwohl, weil sie durch die gute Schallabschirmung nichts von der Außenwelt mitbekommen. Dies kann beim Joggen gefährlich sein – etwa, wenn man die Klingel eines Fahrrads überhört.
Der Experte empfiehlt, halboffene Modelle mit einem Haltebügel auszuprobieren, der hinter dem Kopf entlangführt. Studiokopfhörer hingegen seien ungeeignet, weil sie sich schnell mit Schweiß vollsaugen. Manche Modelle haben den MP3-Player auch schon im Haltebügel integriert. Ein weiteres Hindernis ist die Verbindung des Kopfhörers mit dem Spieler. Das Kabel sei oft eine Gefahrenquelle für den Läufer, sagt Knott. „Es kann hängen bleiben und den Hörer aus dem Ohr reißen.“ Außerdem bringe es viele Jogger aus dem Konzept, wenn sie ständig darauf achten müssen, dass ihnen die Strippe nicht im Weg ist. Sinnvoll können deshalb kabellose Bluetooth-Kopfhörer sein. „Dafür zahlt man im Schnitt 20 bis 30 Euro mehr.“ Die Auswahl sei allerdings noch stark begrenzt.
Um einen herkömmlichen Player zu befestigen, eignet sich ein Armband, das meist um den Oberarm gespannt wird, erläutert Michael Knott. Der iPod Shuffle von Apple und beispielsweise Modelle von Creative und Philips lassen sich mit einem Clip überall an der Kleidung befestigen, ergänzt Weber. Als Regenschutz bietet sich eine Silikonhülle an. „Leider passen viele Hüllen nicht hundertprozentig“, gibt Knott zu bedenken. Wem durch die Musik der Laufrhythmus verloren geht, der kann auf eine besondere Technik zurückgreifen. Einige neuere Player verfügten über eine Funktion, die das Tempo der Musik an den Schrittrhythmus anpasst, erklärt Knott. „Das ist sehr nützlich, da viele Jogger dazu neigen, zu schnell zu laufen, wenn sie ein schnelleres Lied im Ohr haben.“
Morber. Denn wer sich unter dem Duschstrahl nicht absolut synchron bewege, riskiere, dass die Farbe nicht alle Stellen des Körpers gleichmäßig erreicht. Insbesondere bei einer helleren Haut müsse man dann mehrmals unter die Dusche. Damit die aufgesprühte Bräune ebenmäßig wird, rät Andrea Morber ihren Kunden, vor der Behandlung ein Ganzkörperpeeling zu machen und Körperbehaarung an Beinen oder unter den Achseln zu entfernen. Auch sollte man für diese Prozedur eher ältere und dunkle Wäsche tragen, da die aufgesprühte Bräune abfärben kann. Nachdem das Mittel aufgesprüht ist, muss ich noch etwa fünf Minuten warten, bis ich mich wieder anziehen darf. Vorsichtig werfe ich einen Blick in den Spiegel: Meine Gesichtsfarbe erinnert nicht an Beyoncé Knowles, sondern an Whitney Houston, die frisch aus dem Sommerurlaub kommt. Dabei handelt es sich um die Kontaktfarbe, beruhigt Morber. Die tatsächliche Bräune entwickle sich erst einige Stunden später. „Deshalb sollte man sich nach der Behandlung nicht eincremen und erst am nächsten Tag duschen“, sagt die Kosmetikerin. Denn sonst würde man die Kontaktfarbe herunterwaschen, erläutert sie. Am kommenden Tag verschwindet die Bräune auch dann nicht, wenn man sich wäscht oder die Beine erneut rasiert.
Für einen besonderen Anlass: Getöntes Gel sorgt stundenweise für künstliche Urlaubsbräune Am kommenden Tag wirkt die Haut am Körper goldbraun. Lediglich im Gesicht ist die Tönung für mich noch ungewohnt dunkel. Ich benutze darum ein Peeling, um die Bräune etwas abzuschwächen. Außerdem stelle ich fest, dass meine übliche Grundierung ein wenig zu hell ist: Ich muss zu einem dunkleren Make-up greifen. Am dritten Tag habe ich mich an meine künstliche Karibikbräune gewöhnt und finde Gefallen an meinem neuen Teint, der schön natürlich wirkt. Rund zehn Tage lang hält das aufgesprühte Urlaubsfeeling, bevor die Haut gleichmäßig wieder die ursprüngliche Farbe annimmt. Ich habe weder Unreinheiten noch Ausschläge bekommen. Wer nur für einen besonderen Anlass einen goldenen Schimmer auf seine Beine zaubern möchte, der findet dafür in Drogeriemärkten oder Parfümerien die passenden Produkte. So bietet die Firma L’Oréal unter dem Namen Sublime Bronze One Day ein getöntes Gel an, das einen natürlichen, leichten Bräunungseffekt verspricht und sich der Hautfarbe des Benutzers anpassen soll. Gleichmäßig damit eingecremt, schillern meine Beine, Arme und das Gesicht wie von der Sonne geküsst. Zudem wird die Haut streichelzart und sieht gepflegt aus. Abends lässt sich die Bräune aus der Tube mit etwas Duschgel abwaschen. In wenigen Sekunden verwandle ich mich von der getönten Strandgöttin zurück in eine hellhäutige Testerin. Bräune ohne Sonneneinstrahlung kann also tatsächlich ganz einfach sein.
Tipps für heiße Nächte Wenn sogar nachts die Temperaturen kaum abkühlen, fällt das Ein- und Durchschlafen schwer. So wachen Sie auch nach schwülen Nächten gut erholt auf:
Zudecken: Verzichten Sie auch in warmen
Nächten nicht vollständig auf eine Bettdecke. Durch die permanente Feuchtigkeitsabgabe der Haut könnten Sie sich sonst erkälten. Besser ist eine leichte Decke aus Naturmaterialien oder ein Laken, das die Körperfeuchtigkeit aufnimmt.
Abdunkeln: Sorgen Sie schon einige Stun-
den vor dem Zubettgehen für ein angenehmes Raumklima im Schlafzimmer, indem Sie frühmorgens und abends lüften und tagsüber die Fenster mit einem Rollo oder einer Jalousie vor Erhitzung schützen.
Speisen: Abends gut gegessen und viel Wein
oder Bier getrunken? Das sollten Sie besser lassen, denn Alkohol und schweres, fettreiches Essen erschweren das Einschlafen zusätzlich. Weniger belastend sind Fruchtsaftschorlen, Kräutertees und leicht verdauliche Speisen.
Entspannen: Meiden Sie abends anstrengende Sportarten. Wer nur nach Feierabend Zeit hat, sollte sein Training maximal zwei Stunden vor dem Schlafengehen absolvieren und sich anschließend genügend Zeit zum Entspannen nehmen. Duschen: Die eiskalte Dusche nach einem
anstrengenden Tag ist verlockend. Doch Vorsicht: Das kühle Wasser regt den Kreislauf an und lässt Sie noch mehr schwitzen. Besser ist eine lauwarme Dusche oder ein Bad mit beruhigenden Kräuterzusätzen, etwa mit Lavendel.
Zur Not: Verzichten Sie auf Schlafmittel. In
Mit Hilfe des Lieblingslieds auf dem Weg zum Halbmarathon
Foto: Creative/dpa
Einzelfällen kann ein Baldrianpräparat als Schlummerhilfe sinnvoll sein. Einen Versuch wert ist auch Melatonin, das auf Rezept auch von deutschen Apotheken bestellt werden kann. (mm)
Stuttgarter KärntnerNachrichten Wirtschaft
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Nummer 130 Donnerstag, 10. Juni 2010
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¿35–36 · Veranstaltungen
Die erste deutsch-türkische Oper
Die Kunst wird erklärt und Jim Knopf gefeiert
Eine Abrechnung mit den Kulturen und der Liebe: Die Junge Oper nimmt sich Fatih Akins Film „Gegen die Wand“ vor
Seite 35: Welche Kunstideen gibt es aktuell? Das Institut für Auslandsbeziehungen fragt internationale Gäste.
Seite 36: 50 Jahre Jim Knopf – neue Bücher verraten, was man wissen muss.
„Orlando“ in allen Facetten Marco Goeckes Handlungsballett ist großes Thema im Opernhaus Von Nikolai B. Forstbauer
Sibel Kekilli und Birol Ünell in Fatih Akins Kinofilm „Gegen die Wand“ Foto: Verleih
Die junge Sibel geht eine Scheinehe mit dem alkoholkranken Cahid ein, um den Moralvorstellungen ihrer türkischen Eltern entfliehen zu können: An diesem Donnerstag hat im Stuttgarter Kammertheater die Opernfassung von Fatih Akins Film „Gegen die Wand“ Premiere. Von Armin Friedl Ein Buch wird verfilmt, ein Film wird zum Schauspiel – dafür gibt es immer wieder Beispiele. Seltener ist, dass aus einem Film eine Oper wird, was der Regisseur Neco Çelik jedoch sehr naheliegend findet: „Die extreme Dramatik, die Emotionen eines Films – das kann man doch am besten in einer Oper umsetzen.“ Und an Dramatik und Emotion mangelt es wahrlich nicht in dem mehrfach preisgekrönten Film „Gegen die Wand“ von Fatih Akin. „Das ist eine Abrechnung mit den Kulturen“, erklärt Çelik, „und eine Abrechnung mit der Liebe. Es werden die verschiedensten Wünsche und Vorstellungen formuliert, und die prallen ganz unvermittelt aufeinander. Am Ende wird das Töten zum Liebesbeweis gesteigert.“ Auch in der Musik von Ludger Vollmer prallen zwei Kulturen aufeinander, indem
Stuttgart punktet mit der Merz-Akademie Für den Anspruch der Merz-Akademie, eine der führenden Hochschulen für Gestaltung zu sein, gilt: Stimmt. Und so sollten sich die Abiturienten des Jahrgangs 2010 den 14. Juni vormerken, wenn die Merz-Akademie (Teckstraße 56) über Aufbau und Inhalte des siebensemestrigen Bachelor-Studiengangs Gestaltung, Kunst und Medien mit den drei Studienrichtungen Visuelle Kommunikation, Interface Design sowie Film und Video informiert. (StN)
www.merz-akademie.de
das Ensemble mit den vertrauten Instrumenten um Musiker mit traditionellen türkischen Instrumenten erweitert wird. Und diese wirbeln das Klanggeschehen ordentlich durcheinander, wie ein erster Eindruck bei einem Probenbesuch verdeutlichte. „Die türkische und die hiesige Musik reiben sich, gehen aber auch ineinander über. Das schafft viele irritierende Momente“, so Çelik. Szenisch wird es harte Schnitte wie im Film geben, hinsichtlich der Musik hält diese sich jedoch nicht an die Vorlage. Çelik: „Die Musik schafft Freiräume. Hier entstehen Möglichkeiten der Verschmelzung.“ Anderes kann noch zusätzlich unterstrichen werden, etwa die ständig wiederkehrenden Mahnungen des Vaters: „Er hat nur ein Lied mit nur wenigen Abweichungen“, so Çelik, „das verdeutlicht den Predigtcharakter.“ Vollmer hat sich schon während seines Studiums mit orientalischer Musik auseinandergesetzt, für dieses Vorhaben hat er sich nochmals nach Istanbul begeben und dort einige Seminare besucht. Für die Umsetzung seiner Partitur waren besonders intensive Proben erforderlich, denn traditionelle türkische Musik wird nicht in Noten festgehalten, folglich ist diesen Musikern das Notenlesen auch nicht vertraut. Gleichwohl müssen Einsätze und Feinab-
stimmung exakt stimmen. Schwierig war auch die Suche nach den Gesangssolisten. Çelik: „Das sind alles sehr anspruchsvolle Rollen. Vollmer hat bewusst die Stimmen bis an die Grenzen des Möglichen ausgereizt, die Solisten müssen ganz ungewöhnliche Stimmlagen in ihren Lagen realisieren. Diese Partitur will erkämpft sein.“ Etliche Passagen werden auf Türkisch gesungen, diese werden in deutscher Sprache übertitelt. „Türkischkenntnisse erleichtern natürlich sowohl den Solisten ihre Aufgabe als auch das Verständnis des Betrachters, aber das ist keine Voraussetzung zum besseren Verstehen“, so Çelik. Ziemliche Flexibilität ist beim Chor vonnöten, der überwiegend aus jungen Leuten aus früheren Produktionen der Jungen Oper Stuttgart besteht. „Sie sind eigentlich alles Mögliche: Kollegen, Freunde, Discobesucher, Berater – im Prinzip das Spiegelbild zu jenen, die in den Zuschauerreihen sitzen“, so Çelik, „der Chor ist also eine Projektionsfläche für den Zuschauer. Wir vermitteln dabei aber keine allgemeingültige Erkenntnis, jeder soll sich seine eigene Meinung bilden. Der Chor hat also eine hohe Eigenverantwortung.“ Eine übergreifende Botschaft ist für Çelik also nicht vonnöten: „Ob Türken oder Nichttürken, junge Menschen begegnen sich heute auf Augenhöhe, auch beim ersten Zusammenkommen.“
Info
„Gegen die Wand“ ¡ Mit Ludger Vollmers „Gegen die Wand“ feiert an diesem Donnerstag das erste deutsch-türkische Werk der Operngeschichte im Stuttgarter Kammertheater Premiere. Die Oper wurde 2008 in Bremen uraufgeführt und beruht auf dem Drehbuch des gleichnamigen preisgekrönten Films von Fatih Akin. ¡ Erzählt wird die Geschichte von Sibel, die eine Scheinehe mit Cahit eingeht. Hinter dieser Fassade fühlt sie sich frei. Dann jedoch verlieben sich beide tatsächlich ineinander. Sie geraten in einen Strudel extremer Gefühle, der in die Katastrophe führt. ¡ Die musikalische Leitung hat Bernhard Epstein. Mit ihm bringen Regisseur Neco Çelik und Choreograf und Breaktänzer Kadir „Amigo“ Memis diese Neuinszenierung auf die Bühne. ¡ Musikalische Hauptdarsteller sind der deutschtürkische Bariton Selcuk Cara als Cahit und die tschechische Mezzosopranistin Tereza Chynavová als Sibel. Die weibliche Tanzpartie ist mit Sonia Santiago besetzt, die von 1997 bis 2001 Erste Solistin beim Stuttgarter Ballett war.
An diesem Sonntag als Orlando auf der Ballettbühne: William Moore Arge Lola
Roger Hodgson und Ozzy Osbourne stellen Rückkehr zu Supertramp und Black Sabbath in Aussicht worben wird – Songs, die Hodgson geschrieben hat und die seine alte Band ohne seine Erlaubnis überhaupt nicht spielen darf. Dennoch könne er sich gut vorstellen, zumindest für einige wenige Reunion-Konzerte noch einmal gemeinsam mit seinen alten Kollegen um Rick Davies aufzutreten. Eine Wiedervereinigung seiner alten Band Black Sabbath schließt angeblich auch Ozzy Osbourne nicht aus. „Man weiß nie, was noch kommt. Vor zwei Jahren habe ich schon gesagt, dass ich damals mein letztes Al-
bum gemacht habe. Und jetzt mag ich nicht aufhören“, hat er dem US-Magazin „Rolling Stone“ gesagt. Obwohl er damals auch ausgeschlossen hatte, noch einmal mit Black Sabbath zu touren, sieht er die Sache jetzt anders: „Wir waren vier Jungs aus der gleichen Gegend, wir hatten eine Idee, und es funktionierte. Und es funktioniert noch immer. Ich liebe sie alle – Bill, Tony und Geezer.“ Zunächst will er aber noch solo auf Tour gehen und gibt am 16. September in Oberhausen sein einziges Deutschlandkonzert. (StN)
Wenn Rock’n’Roll durch den Schrebergarten irrt Kabarettist Bernd Kohlhepp versucht sich in „ Hämmerle Goes To Nashville“ als Rocksänger – Heute im Theaterhaus Von Thomas Morawitzky „In mir schlummert ebbes“ – vielsagendes Gesicht, schwäbisch durch und durch –, „wo singt.“ Bernd Kohlhepp erklärt sich: Zwei Seelen wohnen, ach, in seiner Brust, die eine heißt Hämmerle, die andere Elvis, Tom Jones oder gar John Fogerty. Creedence Clearwater Revival nämlich ist die Lieblingsband des Kabarettisten, der bei Tübingen lebt, und seines Alter Ego, das in Bempflingen zu Hause ist. „Hämmerle Goes To Nashville“ heißt Bernd Kohlhepps jüngstes Programm. Dazu hat er sich Unterstützung geholt aus dem Land seiner Vorbilder. Nur der Gitarrist ist Deutscher, sonst im Dienste des SWR, und heißt Klaus-Peter Schöpfer. Die anderen haben schon mit Country-Größen wie Dolly Parton oder Roger Miller gespielt: Mike Chapman am Bass, Steve Turner am Schlagzeug, Paul Greene am Piano und an der schmachtvoll groovenden
Orgel. Die Herren von drüben sind bei Hämmerle zu Gast und machen bis zum 17. Juni mit ihm die Runde durchs Ländle. Heute sind sie im Stuttgarter Theaterhaus auf der Bühne zu sehen und hören. Wir haben uns vorab von Hämmerles Rock’n’Roll-Tauglichkeit beim Auftritt im Reutlinger Kulturzentrum franz. K überzeugt. Dass es Hämmerle/Kohlhepp nach Nashville zieht, ist nichts Neues. Seit Jahren schon geistert diese Sehnsucht durch seine Bühnenprogramme. Immer wieder einmal legte er seither seine schwäbische Identität zur Seite und schlüpfte in die Haut eines glamourösen Rockhelden. Allerdings durchleben die guten alten Songs, nach Bempflingen importiert, dabei immer wieder absurde Verwandlungen: der Rock’n’Roll-Lifestyle wird auf Kleingarten getrimmt. „I Love Rock’n’Roll“ heißt plötzlich: „I mog Veschberbrot.“ Aus „Te-
Bernd Kohlhepp ist ein Mann mit zwei Seelen: Die eine hört auf den Namen Hämmerle, die andere heißt Elvis Presley Foto: Promo
¡ Karten für die „Orlando“-Lesung kosten sieben Euro (ermäßigt 5,50), die Einführungen sind jeweils kostenlos, Karten für die Vorstellung um 14 Uhr kosten zwischen acht und 83 Euro, Tickets für die 19-Uhr-Vorstellung zwischen acht und 90 Euro. Karten gibt es unter Telefon 07 11 / 20 20 90 oder unter www.staatstheater-stuttgart.de.
www.staatstheater-stuttgart.de/oper
Wiedervereinigung jetzt! Die Band Supertramp und ihr ehemaliger Sänger und Songwriter Roger Hodgson gehen seit vielen Jahren getrennte Wege. So treten Supertramp am 24. Oktober in der Schleyerhalle auf, und Hodgson kommt am 9. März 2011 in die Liederhalle. Einem USOnlinedienst gegenüber hat Hodgson nun aber erklärt, dass er eine Reunion mit Supertramp nicht ganz ausschließt. Zwar ärgert er sich darüber, dass die aktuelle SupertrampTournee mit Songs wie „Dreamer“, „Breakfast In America“ oder „The Logical Song“ be-
Nicht nur Marco Goecke, Hauschoreograf des Stuttgarter Balletts, war sich nicht ganz sicher, wie sein Handlungsballett „Orlando“ vom Publikum aufgenommen werden würde. Doch die spürbare Spannung bei der Uraufführung am 2. Juni im Stuttgarter Opernhaus entlud sich in anhaltendem Jubel. Das Interesse ist also geweckt – an Goeckes Blick auf den Roman von Virginia Woolf, aber auch auf mögliche Unterschiede in der Interpetation durch die jeweils besetzten Tänzerinnen und Tänzer des Stuttgarter Balletts. Genau richtig kommt da die Möglichkeit, Hintergründe zu vertiefen und Tänzer vergleichen zu können. „Orlando“ in allen Facetten – dies gibt es an diesem Sonntag im Opernhaus. Los geht es um 11 Uhr im Oberen Foyer – der Schauspieler Sebastian Schwab liest aus Virginia Woolfs Roman „Orlando“, um 13.15 Uhr gibt es eine Einführung zum Ballett. Besonders freuen darf man sich auf die Nachmittagsvorstellung um 14 Uhr: William Moore debütiert in der Titelrolle, weiter tanzen Elizabeth Mason (als Königin Elisabeth), Myriam Simon (als Prinzessin Sascha), Arman Zazyan (als Erzherzogin Harriet) und Matthew Crockard-Villa (als Shelmerdine). Die Einführung zur Abendvorstellung beginnt um 18.15 Uhr. Ab 19 Uhr ist dann der in der Premiere gefeierte Friedemann Vogel als Orlando zu sehen, mit Alicia Amatriain, Katja Wünsche, Douglas Lee und William Moore in den weiteren Hauptrollen.
quila“ wird „Moschdbowle“. Aus „The Wanderer“ wird „’s war an anderer“. Und selbst Roger Millers berühmtes „King Of The Road“ kommt unter die Räder. Dieser Spagat zwischen Bempflingen und Nashville kann manchmal durchaus etwas bemüht wirken – andererseits ist Bernd Kohlhepp nach wie vor ein versierter Mime der bruddeligen Sorte, kauzig und im Rampenlicht immer in großer Form. Und dieses Mal hat er eine kompetente Band im Rücken, die nichts anbrennen lässt – ob mit einem Leadsänger, dessen Sprache sie nicht versteht, oder als Instrumentalcombo, die Hits wie „Green Onions“ spielt. Und vielleicht, die Ahnung stellt sich immer wieder ein, ist Hämmerle der Rock’n’Roll zuletzt eben doch lieber als das Vesperbrot. ¡ „Hämmerle Goes To Nashville“ heute um 20.15 Uhr im Theaterhaus; es gibt noch Tickets an der Abendkasse.
Szene
Daimler lockt nach Berlin Einige Gäste aus Stuttgart werden sich heute im Weinhaus Huth am Potsdamer Platz in Berlin einfinden. Im Ausstellungsforum der Daimler Kunst Sammlung bittet Renate Wiehager, Leiterin von Daimler Contemporary, zur Eröffnung einer Schau aktueller Kunst aus Südafrika. „Ampersand“ ist die einzige Ausstellung in Deutschland, die parallel zur Fußball-Weltmeisterschaft einen Querschnitt zeitgenössischer Kunst aus Südafrika präsentiert. (StN)
Rückenwind für Solitude Jean-Baptiste Joly, Direktor der Akademie Schloss Solitude, freut sich über Auszeichnungen früherer Solitude-Stipendiaten. Wir gratulieren ebenfalls – Martin Page (Stipendiat 2009/2011) zum Erhalt des Prix Ouest-France Etonnants Voyageurs 2010 für sein Buch „La disparition de Paris et sa renaissance en Afrique“; Franziska Gerstenberg (Stipendiatin 2009/2011) zum 2. Preis des ErostepostLiteraturpreises 2010 für „Die Luft zwischen den Balkonen“ und Ingrid Wildi (Jurorin 2007/2009) zum Erhalt des Prix Meret Oppenheim 2009. (StN)
Neue Literaturhaus-Spitze Das von Florian Höllerer geleitete Literaturhaus Stuttgart ist eine feste Größe im Reigen der Literaturbühnen. Elf Häuser im deutschsprachigen Raum sind über das Netzwerk literaturhaus.net verbunden, und dieses wird seit 1. Juni von Ursula Steffens gelenkt. (StN)
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Nummer 54 Samstag, 6. März 2010
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Unter Sternen Wo warst du, als . . . die Sängerin Maria Callas starb? Von Jürgen Holwein
In der Bundesrepublik wurden 1955 auf der Kölner Lebensmittelmesse Anuga die ersten tiefgefrorenen Erbsen präsentiert
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Maria Callas war lange verstummt, bevor sie starb. 1965 hatte sie sich von der Opernbühne zurückgezogen, später von der gesellschaftlichen Bühne. Auf beiden erlebte sie Triumphe und Niederlagen, Liebe und Hass. 1973/74, man kann es nicht anders sagen, hatte sie ihre stimmlichen Reste zusammen- und sich aufgerafft zu einer Abschiedstournee und mit dem Tenorkollegen Giuseppe di Stefano, auch er ein Schatten seiner selbst, eine letzte, selbstzerstörerische Runde gedreht. Es war die vorweggenommene Trauerfeier. Dann starb sie. Vier Wochen nach Elvis Presley, ebenso einsam. Die Rai, das lange vor Berlusconi schon nachrichtenschwache staatliche italienische Fernsehen, brachte die Nachricht. In einer Bar lief der Fernseher, das Gesicht der Sängerin erschien, die ganze Welt kennt es. Callas tot. Interessiert es da, wer wo wann zufällig war? Peschici auf dem Gargano, Apulien, ein Dorf, in dem es frische Fische gab, schweres Olivenöl, an Schnüren getrocknete Bündel von Peperoncini und kiloweise Knoblauch. Für junge Leute mit wenig Geld und einer Handvoll Illusionen ein guter Ort, heute eine Touristenhochburg. Bekannt wurde Peschici, als 1998 eine 99-köpfige Tippgemeinschaft des Dorfes den bis dahin größten Lottogewinn Europas kassierte, 33 Millionen Euro.
Kinder, Essen ist fertig! Vor 80 Jahren brachte der Amerikaner Clarence Birdseye zum ersten Mal Tiefkühlkost auf den Markt Seine Neuerung machte Epoche und revolutionierte unseren Lebens- und Ernährungsstil: Der US-Biologe und Erfinder Clarence Birdseye hat vor 80 Jahren erstmals Tiefkühlkost verkauft. Heute heißt es Hauptsache schnell, billig und ohne Aufwand. Von Manfred Kriener Prometheus schenkte uns das Feuer. Der Titan entzündete einen Stängel des Riesenfenchels am funkensprühenden Wagen von Sonnengott Helios und brachte die lodernde Flamme zur Erde hernieder. Der Mensch in seiner Höhle konnte endlich eine anständige Hirschkeule braten, die Kulturgeschichte der Kochkunst begann. Prometheus’ Bruder am anderen Ende der Temperaturskala ist weniger bekannt. Er heißt Clarence Birdseye, ein Biologe und US-Amerikaner aus Massachusetts. Birdseye brachte den Menschen den Schockfrost. Leider werden kalte Temperaturen eher mit Grippeschutzimpfung und stotterndem Motor in Verbindung gebracht, weshalb Mister Birdseye nie den Ruhm des großen Feuerbringers erringen konnte. Doch gehört seine Erfindung zu den bedeutendsten Entwicklungen in der Geschichte des Essens und Trinkens. Der 6. März 1930 muss ein kalter Tag gewesen sein. Mit Hüten und langen Mänteln bekleidet, stehen Frauen vor den Glasvitrinen der Lebensmittelgeschäfte und halten sich an ihren Einkaufstaschen fest. Es ist der große Tag des Clarence Birdseye. Jetzt muss sich zeigen, ob seine Erfindung sich kommerziell vermarkten lässt. In 18 Geschäften in Springfield, der drittgrößten Stadt im US-Bundesstaat Massachusetts, wird zum ersten Mal ein neuartiges Lebensmittel angeboten: Tiefkühlkost. Hinter den Vitrinen stehen an diesem Tag Spezialverkäufer, die die Vorteile der Frostwaren und den häuslichen Umgang damit erklären sollen. 27 verschiedene Lebensmittel sind im Angebot, darunter Früchte und Gemüse, Fische und Fleisch.
Der erste Probelauf bringt nicht den Durchbruch, weitere Testverkäufe in New York und Syracuse folgen. Doch die Tür ist aufgestoßen, die Tiefkühlkost beginnt an jenem 6. März 1930 ihren unvergleichlichen Siegeszug. Heute kauft jeder Amerikaner mehr als 50 Kilo gefrosteter Lebensmittel, der Deutsche kommt auf coole 40 Kilo pro Kopf. Die Jahresproduktion tief gekühlter Lebensmittel liegt weltweit bei über 50 Millionen Tonnen, dazu kommen noch circa 20 Millionen Tonnen Speiseeis und 30 Millionen Tonnen Tiefkühlfisch. Clarence Birdseye, der Vater der Tiefkühlkost, war schräg. Mit zehn jagte er in der Bronx Bisamratten und verkaufte sie an einen Händler. Geld fürs College verdiente er sich später auch mit Fröschen und Ratten. Die Nager lieferte er bei der Columbia Universität ab, die Frösche wurden im städtischen Zoo an Reptilien verfüttert. Er hatte eigenwillige kulinarische Vorlieben. Birdseye aß alles was Beine hatte, ausgenommen Tische und Stühle. Auch Klapperschlangen und Meerschweinchen, Alligatoren und Füchse, Bärenfleisch, gebratenen Luchs und Löwenfilet hat er auf die Gabel gespießt. „Der vordere Teil des Stinktiers ist exzellent!“, verriet er. Als Birdseye mit seiner Familie in die nordöstliche kanadische Provinz Labrador zog, erhielt sein Leben den entscheidenden Impuls. Der Biologe sah den Inuit beim Fischen zu – bei arktischen Temperaturen von minus 40 Grad. Kaum aus dem Wasser gezogen, gefroren die Fische in der extremen Kälte. So schnell, dass sich lediglich zarte Eiskristalle auf der Fischhaut bildeten. Wurde der Fang aufgetaut und gebraten, überzeugte er mit Geschmack und einer gegenüber frischem Fisch kaum veränderten Textur. Für Birdseye war es die Initialzündung. 1922, mit 36 Jahren, stieg er ins Fischgeschäft ein und begann mit Kälteanwendungen zu experimentieren. „Mein Beitrag bestand darin“, sagte er später, „das Wissen der Eskimos mit wissenschaftlichem Sachverstand zu verschmelzen und in die Massenproduktion zu überführen.“
In der hauseigenen Küche startete der Kälteforscher die ersten Versuche mit Kaninchenfleisch und Kabeljau. Fisch und Fleisch legte er in kleine Schachteln und packte sie in Trockeneis. Sein Ziel: Die Lebensmittel sollen so schnell wie möglich gefrostet, also schockgefroren werden, damit Aussehen und Geschmack erhalten blieben. Sie sollten in ihrer Hülle eingefroren werden, um sie später mit der Verpackung zu verkaufen. Die Anfänge sind schwierig, 1924 geht die erste Firma von Birdseye bankrott. Doch er bleibt unbeeindruckt und entwickelt 1926 seine legendäre 20 Tonnen schwere Doppelplatten-Schnellfrostmaschine. In Sandwichtechnik wird das Lebensmittel gleichzeitig von oben und unten gekühlt. Es dauert weitere vier Jahre, bis die Amerikaner ihre erste Tiefkühlkost kaufen können. Das Prinzip des Kühlens und Einfrierens war nicht neu. Alexander der Große ließ bereits Gruben mit Eis füllen, um Wein und Nahrung zu kühlen. Auch Kaiser Nero orderte für größere Gelage Schnee und Eis von den Bergen des Apennin. Kältepionier Carl von Linde erfand 1876 die erste Kältemaschine mit Ammoniak-Verflüssigung, die aber fast ausschließlich zur Eisproduktion benutzt wurde. Der Däne Anton Jenesius Andreas Ottesen meldete 1911 das erste industriell nutzbare Tiefgefrierverfahren an. Ottesen hatte in extrem salzhaltiger Lösung Temperaturen von minus 21 Grad erreicht und darin Fische gefrostet. Clarence Birdseye gelang die breite Vermarktung der Tiefkühlkost. Bis dahin waren Lebensmittel in den Haushalten getrocknet, eingekocht oder eingelegt worden, um sie haltbar zu machen, wobei sich Geschmack und Struktur stark veränderten.
Hintergrund
Ötzi, Gefrierbrand und Tiefkühlfisch ¡ Bei der Herstellung von Tiefkühlkost werden Lebensmittel durch Schockfrostung haltbar gemacht. Die Temperatur liegt bei mindestens minus 18 Grad Celsius. Das schnelle Verfahren soll Geschmack, Vitamine und andere Inhaltsstoffe schonen. ¡ Die Sterne-Kennzeichnung bei Kühlschränken und Gefriergeräten gibt Auskunft über die erreichbaren Temperaturen. Das Ein-Sterne-Fach erreicht minus sechs Grad, bei zwei Sternen sind es minus 12 Grad, bei drei Sternen minus 18 Grad. Das Vier-SterneFach erreicht Temperaturen von minus 18 Grad Celsius und kälter. ¡ Wiedereinfrieren ist möglich: Tiefgefrorene Lebensmittel tragen zwar auf der Verpackung den Hinweis „nach dem Auftauen nicht wieder einfrieren“. Dies ist aber eine reine Vorsichtsmaßnahme. Nach Angaben des Deutschen Tiefkühlinstituts ist ein Wiedereinfrieren vor allem dann hygienisch
¡ Die Auftauflüssigkeit ist nur bei rohem Geflügel und Hackfleisch bedenklich. Sie sollte wegen bestehender Salmonellengefahr nicht verwendet und weggeschüttet werden. Ebenso sollten Arbeitsflächen und Arbeitsgeräte gereinigt werden. Bei anderem Gefriergut besteht keine Gefahr.
¡ Fisch gehört zu den Lebensmitteln, die in riesigen Mengen tiefgefroren werden, meist direkt nach dem Fang auf den Schiffen. Eine Fischereiflotte ist heute mit modernen Filetiermaschinen und Gefriereinrichtungen ausgestattet. Die Fische werden nach dem Fang verarbeitet und noch an Bord tiefgefroren. Frischer Fisch, der nicht eingefroren wurde, schmeckt aber deutlich besser. Der größte Fischereihafen übrigens ist heute der Frankfurter Flughafen, wo am meisten – tiefgefrorener – Fisch umgesetzt wird.
¡ Gefrierbrand nennt man bei tiefgefrorenen Lebensmitteln ausgetrocknete Stellen. Sie sind meist grau bis braun verfärbt. Häufige Ursache sind undichte Verpackungen und Temperaturschwankungen in der Tiefkühlkette. Steigt die Temperatur, beginnt Wasser aus dem Tiefkühlgut zu verdunsten, es trocknet aus. Bei stark wasserhaltigen Lebensmitteln tritt häufiger Gefrierbrand auf.
¡ Ötzi: Auch bei minus 18 Grad ist der Stoffwechsel nicht ganz abgeschaltet. Tiefgefrorene Lebensmittel können deshalb nicht ewig aufbewahrt werden. Wie lange die Kälte konserviert, haben Wissenschaftler beim Fund des Ötzi erlebt. Die 1991 in den Ötztaler Alpen geborgene Gletschermumie war über 5300 Jahre alt und im Gletschereis hervorragend erhalten. (mak)
bedenkenlos, wenn die Speise erhitzt worden ist. Die Regel: Was bedenkenlos gegessen werden kann, das kann zu diesem Zeitpunkt auch wieder eingefroren werden. Je schneller, desto besser.
Die Tiefkühlkost verbreitete sich rund um den Erdball, ihr Erfinder wandte sich bald anderen Themen zu. „Ich habe mehr Hobbys als die Polizei erlaubt“, pflegte Birdseye zu sagen. Er kümmerte sich um neue Verfahren zur Papierherstellung, um Harpunen zur Jagd auf Wale, um bessere Angelruten und industrielle Trocknungsverfahren für Lebensmittel. Er meldete mehr als 300 Patente an, nebenbei schrieb er Bücher über Gärtnern und Pflanzenpflege. Auch nach 80 Jahren ist die Marke Birdseye, wie ihr deutsches Pendant Iglu, Inbegriff für US-amerikanische Tiefkühlkost geblieben. Der Name soll auf einen Vorfahren des Erfinders zurückgehen, der den Angriff eines Raubvogels auf die englische Königin dadurch abwehrte, dass er dem Vogel direkt ins Auge schoss. Auch in Europa löste die neue Tiefkühltechnologie ein Erdbeben in der Speisekammer aus. Wie stark sie unseren Lebens- und Ernährungsstil beeinflusst hat, zeigt die sprunghafte Entwicklung. In der Bundesrepublik wurden 1955 auf der Kölner Lebensmittelmesse Anuga die ersten Tiefkühlerbsen präsentiert. Bis 1976 stieg der Umsatz von TK-Ware in Westdeutschland auf 0,75 Milliarden Euro, bis 2008 auf 11 Milliarden Euro und 3,2 Millionen Tonnen. Der deutsche ProKopf-Verbrauch lag 2008 bei 39 Kilo und hat heute die 40-Kilo-Marke überschritten. Längst ist die Tiefkühlkost über ihr ursprüngliches Terrain hinausgewachsen. Gekauft werden neben der Packung Spinat, Erbsen oder Frühlingskräuter immer öfter Fertiggerichte, vor allem Pizza. Der Gemüseanteil liegt bei 20 Prozent. Komplette Hauptspeisen haben dagegen ihren Anteil seit 1990 mehr als verdoppelt. Die Branche setzt auf die Bequemlichkeit der Kunden und den Trend zur internationalen Küche. Neben Pizzen gehören Gyros, Döner, Cevapcici, griechische Hirtenrollen, asiatisches Knusperhähnchen, amerikanisches Truthahnsteak oder österreichische Nougattascherln ebenso zum Programm wie Helgoländer Fischschmaus oder Königsberger Klopse. Viele Fleischgerichte werden mit Soße geliefert. Die fällt oft „dick, klumpig und inhomogen“ aus, wie die Tester beim Qualitätswettbewerb Tiefkühlkost rügten. Hauptsache schnell, billig und ohne Aufwand. Die Fertiggerichte werden in die Mikrowelle geschoben, und dann heißt es: „Kinder, das Essen ist fertig!“ Beschleunigt wird der Trend zum gefrorenen Fertigmenü durch neue Technologien. Kryogene Kälte, das turboschnelle Tiefkühlen mit Hilfe von Stickstoff und Kohlendioxid, kann die Zellstrukturen der Ware besser erhalten und die Austrocknung reduzieren. In modernen Frostern sorgen CO2Schneewirbel und die Rotation der Trommel dafür, dass Einzelkomponenten für Komplettmenüs besser erhalten bleiben. Coating (Ummanteln) mit Gewürzen, Ölen und Soßen wird möglich. Was Birdseye zu diesem Megatrend sagen würde? Keine Frage, der Mann wäre geknickt. Weil er leidenschaftlich gern kochte. Und sein gefrorener Kabeljau, mit dem alles anfing, in Inuit-Frischequalität nicht mehr zu haben ist.
Maria Callas starb am 16. September 1977 den Herztod Foto: EMI 16. oder 17. September 1977. Tagsüber war es heiß, nachts wurde es kühl. Eine schwarz verhüllte Frau hatte im Ton eines Klageweibs schließlich doch eine Wohnung im alten Teil von Peschici eine Woche an die beiden Deutschen vermietet. Die Gasse am Haus führte in Serpentinen zum Meer. Wir wussten nicht, dass in der Wohnung auch andere Wesen lebten. Winzige Wolldeckenbewohner trieben uns nach ein paar Tagen in die Flucht. Am Nachmittag des Callas-Tages fuhren wir zu den Mozzarella-Büffeln und schaukelten den gelben Citroën DS auf landwirtschaftlich genutztes Privateigentum. Landarbeiter begrüßten uns herzlich. Als wir nach Käse fragten, drückten sie uns gebieterisch ihre Gläser in die Hand und füllten sie im Dienst der Völkerverständigung mit Wein, es gab Brot und geräucherten Scamorza. Ein Arbeiter hatte einige Jahre in einer Großbäckerei bei Stuttgart gearbeitet und sprach ein paar Brocken Deutsch, wir ein paar Brocken Italienisch. Es ging. In der Nacht pflegten wir unser CallasAbschiedsgefühl am Meer. Wir schauten ins Sternenzelt und hatten unaussprechliche Empfindungen.
Schlagzeilen
Schweiz plant Wasserweg zum Mittelmeer Vor 70 Jahren Die „Neue Zürcher Zei-
tung“ berichtet über den aktuellen Stand der seit 1914 gemeinsam mit Italien vorangetriebenen Bemühungen, der Schweiz einen direkten Wasserweg zum Mittelmeer zu verschaffen. Das Projekt gewinnt aufgrund der Verminung des Rheins besondere Aktualität. Die Entwürfe sehen diese Streckenführungen vor: Ein Kanal „Pedemontano“ soll vom Lago Maggiore bis Turin im Westen und Venedig im Osten führen. Ein weiteres Projekt („Padana“) sieht die Schaffung eines 162 km langen Kanals über Mailand nach Lodi sowie eine Verzweigung ab Cremona über den Po vor, die an bestehende Kanäle zwischen Po und Venedig anknüpft. (StN)
Bekenntnis zu historischen Verfehlungen der Katholiken Vor 10 Jahren Im Rahmen einer Messe im
Petersdom bekennt sich Johannes Paul II. (79) als erster Papst zu den Sünden und Verfehlungen der katholischen Christen und bittet Gott um Vergebung. Das Schuldbekenntnis soll er gegen erhebliche innerkirchliche Widerstände durchgesetzt haben. Reuig blickt er auf die Spur der Gewalt zurück, die die Geschichte der Katholischen Kirche durchzieht: „Oft haben die Christen das Evangelium verleugnet und der Logik der Gewalt nachgegeben.“ Das Schuldbekenntnis bezieht sich auf „Gläubige“ oder „Glieder der Kirche“, nicht auf die Institution in ihrer Gesamtheit. Der Papst wird nicht konkret, er verwendet vage Formulierungen. (StN)
Stuttgarter KärntnerNachrichten Wirtschaft
Design: Norbert Küpper 69 Kulturmagazin
Nummer 105 Samstag, 8. Mai 2010
Welches Universum darf’s diesmal sein? Das Zeitalter der Interaktion und der Mehrfachverwertung hat die Möglichkeiten des Erzählens verändert, behauptet die FMX Die Zeiten einfacher Geschichten sind vorbei. Die Unterhaltungsindustrie hat dafür gesorgt, das sich viele Stoffe zu Erzählkosmen aufgeplustert haben, in denen Comics und Filme immer neue Aspekte auftun können. Und in Spielen darf man diese unendlichen Geschichten selbst fortschreiben. Von Gunther Reinhardt „Die ganze Welt ist eine Bühne und alle Fraun und Männer bloße Spieler“, lässt William Shakespeare den Melancholiker Jacques in „Wie es euch gefällt“ sagen. Shakespeare wusste um 1600 zwar nichts von Open-World-Szenarien, von interaktiven Plots und Francise-Unternehmen, die mal Comics, mal Kinofilme, mal Videospiele zur Bühne ihrer Helden machen. Und doch beschreibt dieser Satz präzise die Möglichkeiten des Erzählens im Zeitalter der Interaktion und der Mehrfachverwertung von Erfolgsstoffen. Gleich mehrfach beschäftigte sich die Fachmesse FMX, die am Freitag zu Ende ging, mit diesem Phänomen. Kaum ein Kinospektakel kann sich heutzutage leisten, nicht Teil einer Verwertungskette, Bestandteil eines Erzähluniversums zu sein. Da gibt es den „Twilight“-Kosmos, die Welten von „Star Wars“ und „Star Trek“, von Harry Potter und James Bond, das Universum der Comichelden des DC-Verlags (Superman, Batman) und des MarvelVerlags (Spider-Man, X-Men, Iron Man). Diese fiktiven Welten voller Fantasiewesen und Übermenschen, voller Abenteuer, Spektakel und ScienceFiction stellen ein unerschöpfliches Reservoir an Geschichten bereit, indem sie zwar das Personal, typische Konflikte und eine spezifische Ästhetik, aber nicht wirklich eine Handlung vorgeben. Aus vormals einer Erzählung entwickelt sich ein Erzählkontinuum. Und die Möglichkeiten, neue Geschichten aus diesen Welten zu erfinden, sind im Prinzip unendlich, man muss lediglich deren Regeln befolgen. Und die sind oft kompliziert. Das weiß auch Kevin Tod Haug, der schon zwei der Erzähluniversen mit Spezialeffekten versorgt hat. Er war an dem James-Bond-Film „Ein Quantum Trost“ beteiligt, hat gerade „Eclipse“, den dritten Teil der „Twilight“ -Saga abgedreht und war am Freitag auf der FMX zu Gast. Bei „Star Trek“ gebe es zum Beispiel eine Art Bibel, verrät er, in der alle Gesetze verzeichnet sind, die in der Raumschiff-Enterprise-Welt zu befolgen sind. Und weil es diesen Science-FictionKosmos seit den 1960er Jahren gibt, ist das Regelwerk nun unüberschaubar. „Bei solchen Serien und Filmreihen sind inzwischen meistens die Schauspieler die eigentlich Chefs, weil sie die Einzigen sind, die dieses Regelwerk wirklich kennen“, sagt Haug, „die Regisseure werden dann nur noch als so eine Art Verkehrspolizist gebraucht.“ Selbst die Orte, in denen bekannte Helden zu Hause sind, haben ein Eigenleben entwickelt, sagt der Comickünstler Dave Gibbons, der mit Alan Moore das Graphic-Novel-Meisterwerk „Watchmen“ geschaffen hat und der sowohl Helden des DC- als auch
des Marvel-Universums gezeichnet hat. „Jeder kann sich heute seine ganz individuelle Ecke in Batmans Heimatstadt Gotham suchen und dort eine eigene Geschichte erzählen“, sagt Gibbons und schwärmt vom (ebenfalls auf der FMX vertretenen) Computerspiel „Batman: Akrham Asylum“, das eine ganz neue ästhetische Vision des Fledermaus-Mann-Topos entwickelt. Weil in vielen Computerspielen der Nutzer interaktiv in die Handlung eingreifen kann, spricht Don Marinelli, der in den USA Professor für Unterhaltungstechnologie ist, von einer Demokratisierung der Kunst und von einer Ko-Autorenschaft des Spielers.
Marinelli befürwortet in seinem FMX-Vortrag das Aufbrechen traditioneller Erzählmuster: „Bücher und Filme haben uns früher immer Linearität suggeriert“, sagt er, „doch das Leben verläuft ganz und gar nicht linear.“ Marinellis Begeisterung dafür, einen Teil der Ezählkompetenz an andere abzugeben, teilen Dave Gibbons und Kevin Tod Haug jedoch nicht. Obwohl sich Gibbons mit Graphic Novels wie
„Martha Washington Goes To War“ (zusammen mit Frank Miller) und Haug mit seinen Effektdesign für „The Cell“ oder „Fight Club“ in ihren künstlerischen Visionen postmodern und visionär geben, wünschen sich beide letztlich einen vormodernen Rezipienten, der sich in ihren Kunstwerke versenkt, der „in einem fast hypnotischen Zustand das betrachtet, was wir erschaffen haben“, sagt Haug. Sich in den verschiedenen Erzähluniversen der Comics zu bewegen, empfindet Gibbons aber nicht zwingend als Herausforderung: „Man hat manchmal den Eindruck, als ob sie dich bloß ein Weilchen mit ihren Spielsachen spielen lassen, die sie dir nachher wieder wegnehmen.“ Eine, die sich mit dem Spielzeug auskennt, das der MarvelVerlag herstellt, ist Victoria Alonso, die als ausführende Vizepräsidentin der Marvel Studios zum Beispiel die beiden „Iron Man“-Filme produziert hat. Sie verrät zwar am Freitag auf der FMX, dass sie in ihrem Büro eine lange Liste an die Wand gepinnt hat, auf der all die Comicverfilmungen stehen, die Marvel in den kommenden fünf Jahren ins Kino bringen will. Allzu viele Einzelheiten gibt sie jedoch nicht preis. Sie bestätigt aber, dass 2011 unter der Regie von Kenneth Branagh „Thor“ ins Kino kommen wird und dass im selben Jahr auch „Captain America“ anläuft, in dem Chris Evans, der bereits in „Die Fantastischen Vier“ einen Marvel-Superhelden gespielt, die Hauptrolle übernimmt. „Wir besitzen ein riesengroßes Universum, da tut sich immer irgendwas“, sagt Alonso. Und weil jeder der Marvel-Superhelden eigentlich Herrscher eines eigenes Universums ist, dürfte die Aufgabe, die auf Joss Whedon („Buffy“) wartet, der gerade die Regie für „The Avengers“ (Kinostart: 2012) übernommen hat, besonders schwer sein: Da treffen nämlich der nordische Gott Thor, der Weltkriegsveteran Captain America und der High-Tech-Snob Iron Man aufeinander. Und das wahrscheinlich auch noch in 3-D. Einfache Geschichten gehen anders.
Info
Trickfilmfestival am Samstag
Auch der aktuelle Film „Iron Man 2“ mit Robert Downey jr. in der Hauptrolle erweitert einen Erzählkosmos, der seinen Anfang im Comic genommen hat (hier ein Cover des Zeichners Marc Silvestri) Abb.: Marvel
¡ 15 Uhr: Disney-Lectures: Vorschau auf die Rapunzel-Adaption „Tangled“ (Metropol 2) ¡ 17 Uhr: Weltpremiere „Das Sandmännchen“ (Metropol 1); Wirtschaftsfilmwettbewerb Under Commission (Gloria 1) ¡ 19 Uhr: Best of Animation (Gloria 1) ¡ 20 Uhr: Preisverleihung Wirtschaftsfilmpreis Under Commission (Kunstmuseum) ¡ 20.30 Uhr: Der Vorjahres-Spielfilmpreisträger „Mary and Max“ (Schlossplatz) ¡ 21 Uhr: Kurzfilmwettbewerb 5 (Gloria 1); Spielfilm „The Fantastic Mr. Fox“ (Gloria 2) ¡ 24 Uhr: „Simpsons“-Kultnacht mit David Silverman (Metropol 1) ¡ www.itfs.de
Wonneweinen mit André Rieu
Generationen tauschen Liebe gegen Geld
Thomas Kapielski erzählt Erstaunliches im Literaturhaus
Die Performancetheatergruppe She She Pop gastiert im Theaterhaus
Von Nicole Golombek Er hat noch ein paar Lesungen vor sich, und es ist durchaus denkbar, dass einige ihm nachreisen. Wo Thomas Kapielski ist, ist Kunst und Heiterkeit, das ist selten genug, nicht nur in der deutschen Literatur. Es wurde viel laut gelacht am Donnerstag im Literaturhaus. Für seine Vortragskunst hat Kapielski, der 1951 in Berlin geboren wurde, den Preis der Literaturhäuser erhalten und dafür wird er in allen elf Häusern gepriesen. Zu preisen wäre er auch, wenn er nie vorlesen würde – für das heftige Feilen am Satz, für die sorgsame Betrachtung des abseitigen und in seinem Sinn hin und her gewendeten, auch umgedeuteten Wortes. Auch dafür, dass er die kleine Form beherrscht wie kaum einer heute, die Skizze, den Aphorismus, seit neuestem die „Geosophie“, Gedanken, die sich an Ortsbetrachtungen knüpfen. Vom Lorbeerkranz, den Literaturhauschef Florian Höllerer ihm überreicht, pusselt Kapielski gleich ein Stängelchen ab für seinen Freund Frieder Butzmann. Vier Lieder singt der füllige Mann, der im Fleecezipper über dem blütenweißen, korrekt geknöpften Hemd eine freundliche Harmlosigkeit ausstrahlt und dann eine dadaistische Performance zeigt. Es ist eine Laudatio in höchsten Tönen zu heftigen Beats vom Com-
puter, es ist ein Summen und Gurren, während eine Kaffeemaschine dampft. Auch wenn Kapielski es „genierlich“ findet, dass er sich für jeden Abend einen Laudator aussuchen darf, nimmt er die Anfangsfreude gerne mit, um eine Stunde lang aus Werken vorzuerzählen. Berlinernd und bemerkenswert gut schwäbelnd (Butzmann, der Mann aus dem Süden, nickt anerkennend), spielt er mit Gedankenaussetzern. Er verrät, dass er die Schiebermütze trägt, um nicht ganz ohne Macke im neurotischen Kunstbetrieb zu sein. Er führt die Haltbarkeit der Tüten vom Getränkeladen vor: „Die Getränke-Hoffmann-Tüte ist ein Muss!“ Kapielski erzählt vom Wonneweinen, wie er sich Salvator trinkend beim Zappen verheddert und an einer Sendung mit André Rieu hängenbleibt. Er kommt vom Mann, dessen Zunge in einer Bierflasche steckt, zu Beobachtungen des Essayisten Roland Barthes und von da zu philosophischen Geburtshilfegedanken, um sich mit einer Pudelgeschichte und einem fröhlichen Gutenheimwegwunsch zu verabschieden. Es ergeht dem beglückten Publikum wie Freund Butzmann, der singt: „Kapielski ist ein so feiner Mensch, das gibt’s gar nicht.“ Jüngste Arbeiten von Thomas Kapielski: „Mischwald“ (Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main. 347 Seiten. 14 Euro). „Ortskunde. Eine kleine Geosophie“ (Edition Urs Engeler, Basel/ Weil am Rhein. 130 Seiten. 17 Euro).
Von Anne Guhlich Die Stimme des Mannes ist brüchig und leise. Zusammengesunken sitzt er vor 280 Besuchern auf einem Sessel auf der Bühne im Theaterhaus und beginnt zu singen. „Wenn ich bleiben würde, stünde ich dir nur im Weg“, singt er auf Englisch. Eine Gitarre begleitet ihn. „Darum werde ich gehen.“ Es dauert eine Weile bis man die Schnulze „I Will Always Love You“ von Whitney Houston erkennt. Das Lied klingt auf einmal nicht kitschig. Es klingt hilflos, ein wenig schräg, bemüht. Es ist das Lied eines Vaters für seine Tochter. Der Vater singt, so gut er kann. Er ist nicht geübt darin. Zusammen mit drei weiteren Vätern von Schauspielern der Performancetheatergruppe She She Pop macht er mit bei deren Stück „Testament“. Die Schauspieler Sebastian Bark, Fanni Halmburger, Lisa Lucassen und Ilia Papatheodorou kommen aus Berlin und Hamburg. Im Hintergrund der Bühne wird William Shakespeares „König Lear“ an die Wand projiziert. She She Pop und ihre Väter inszenieren das Verhältnis zwischen den Generationen als einen Tauschhandel: Liebe gegen Geld. Die Schauspieler sagen, welche Kommode sie nach dem Tod der Eltern gerne einmal hätten, und sie fragen, ob genügend Geld für die Altenpflege da sei. Sie brechen die Auffüh-
rung mit Moderationen, in denen sie erklären, was sie gerade tun. Das Stück bekommt einen eigenen Charakter: Innerhalb der Aufführung geschieht das Gleiche, das die Beziehung zwischen Vätern und Kindern auch jenseits der Bühne prägt. Die Nachkommen provozieren und zeigen, was sie können. Sie wollen, dass die Väter ihre Arbeit verstehen. Die Väter zetern manchmal, winken ab. Aber sie machen mit. Sie überschreiten ihre Grenzen, entblößen sich selbst. Sie geben Zeit und Geduld, und sie bemühen sich. Das ist es, was Fannis Vater Peter Halmburger am Schluss über sich sagt, als er in einem Pappsarg liegt: „Er hat sich bemüht.“ Mit liebevoller Leidensbereitschaft singt er inmitten von Vorrechnereien und sachlichen Diskussionen das Stück von Whitney Houston. Seine Tochter steht alleine am Mikrofon und zählt auf, was zu tun ist, wenn ihr Vater alt wird: Füttern, lächeln, Ausreden erfinden fürs Wäschewechseln, Druckstellen einpudern, vollgepinkelte Betten frisch machen. Probleme werden an dem Abend nicht gelöst. Darum geht es nicht. So bleibt unklar, ob es tröstend ist oder ein Fluch – ob es ein Weil ist oder ein Trotzdem, als nach zwei Stunden voller intelligent gestellter Fragen drei Worte übrig bleiben, die „I Love You“ heißen. Eine weitere Vorstellung am heutigen Samstag um 20.15 Uhr. Karten telefonisch unter 07 11 / 4 02 07 20.
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¿37–40 · Veranstaltungen Die Supernase und ein Musical-Konzert Seite 37: Viel Spaß mit Mike Krüger Seite 38: Dendemann in der Röhre Seite 39: Unser Kinotipp: Sin Nombre Seite 40: Zum Muttertag in ein MusicalKonzert im Theater der Altstadt
Nachgefragt Ursa Koch Der Krimi der Autorin über Missbrauch in einer kirchlichen Einrichtung kam zum richtigen Zeitpunkt heraus.
„Das Thema ist ein Selbstläufer“ Von Lisa Welzhofer
Frau Koch, in Ihrem Roman „Die Heiligenscheinhändler“ geht es unter anderem um veruntreute Spenden und sexuellen Missbrauch in einer fiktiven kirchlichen Behinderteneinrichtung. Passt die Thematik zufällig in die Zeit oder war die Veröffentlichung kalkuliert? Ich habe fünf Jahre lang für mein Buch recherchiert. Mich hat das Thema einfach interessiert. Ich habe mit vielen Mitarbeitern solcher Einrichtungen gesprochen. Sie werden schlecht entlohnt, dabei gibt es genug Spendenmittel, öffentliche Zuwendungen und Immobilienbesitz der Kirche. Trotzdem Ursa Koch (50) lebt wird an der Basis ge- in Hohenstein im spart. Mir geht es vor Kreis Reutlingen Foto: Privat allem um solche Missstände in meinem Buch. Der sexuelle Missbrauch steht nicht im Mittelpunkt.
Trotzdem beschert er Ihnen mehr Leser, als Sie mit einem Buch im Eigenverlag zu hoffen wagten, oder?
Die Nachfrage hat mich überrascht. Es ist ja eigentlich ein sehr spezielles Thema. Die erste Auflage von 1000 Stück ist in einem kleinen Verlag erschienen und war nach drei Monaten ausverkauft. Die zweite mit 2000 Stück habe ich im Eigenverlag gedruckt. Die ist auch schon fast weg. Normalerweise ist die große Frage, wie man als kleiner Verlag ohne große Marketingmittel ein Buch überhaupt unter die Leute bringt. Bei mir war es jetzt ein Selbstläufer, weil Missbrauch gerade ein Thema ist. Ich bekomme Einladungen zu Lesungen und sehr viele Zuschriften von Betroffenen.
Ihre Hauptfigur ist die Journalistin Franka Maas. Planen Sie eine Reihe à la Marklund?
Nein. Momentan arbeite ich an einem ganz anderen Stoff, einem Kurzgeschichtenband. Dabei betreut mich die Lektorin einer Literaturagentur. Das Buch soll in einem größeren Verlag erscheinen. Der Krimi könnte also so eine Art Sprungbrett in eine Schriftstellerlaufbahn sein. Am 11. Mail liest Ursa Koch im Lobbyrestaurant Reutlingen (Rommelsbacher Str. 1). „Die Heiligenscheinhändler“ (12,40 Euro) erscheint bei Albas Literatur, Hohenstein.
Hypatia, die Aufklärerin Hypatia, gelyncht von christlichen Fundamentalisten, galt den frühen Deisten als erste Märtyrerin der Aufklärung. Ihre Vita setzt sich aus Fragmenten zusammen, die nach ihrer Ermordung aufgezeichnet wurden. Schon in den frühesten dieser „Zeugnisse“ wird sie als Philosophin, Mathematikerin und Hochschullehrerin von großem Einfluß gefeiert. Die moderne Frauenbewegung entdeckte sie als eine der Ihren. Peter O. Chotjewitz, der über Hypatia von Alexandria ein Buch veröffentlicht hat, fasst das Ergebnis seiner Recherchen zusammen und spricht im Philosophischen Café der AnStifter am 8. Mai (10.30–12 Uhr). Anmeldung erwünscht: Frank Ackermann, Telefon 61 24 92 oder hegelhaus@web.de. (StN)
Szene
Stuttgart singt in China Mit ihrem Gründer und Leiter Kay Johannsen reist die Stuttgarter Kantorei vom 26. Mai bis 3. Juni nach Peking und Schanghai. Die drei geplanten Konzerte finden in den großen Konzertsälen Schanghais und Pekings statt sowie auf Einladung des Botschafters Dr. Schäfer in der Deutschen Botschaft Peking. Aufgeführt werden Carl Orffs in China selten live gespielte „Carmina Burana“ in der Fassung für Solisten, gemischten Chor, zwei Klaviere und Schlagzeug. Mit im Gepäck hat der Chor zudem ein anspruchsvolles A-cappella-Programm mit Werken verschiedener Stile und Epochen von Morley über Brahms bis Elgar. (StN)
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