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1700 Zürich führt den gregorianischen Kalender ein

Zürich führt den gregorianischen Kalender ein

Obwohl es mit dem julianischen Kalender, den Julius Cäsar 46 v. Chr. eingeführt hatte, einen einheitlichen Kalender gab, herrschte auf dem Gebiet der Schweiz im Mittelalter je nach Bistum ein anderes Auslegesystem in Bezug auf den Jahresanfang: In den Bistümern Chur, Konstanz, Basel und dem deutschsprachigen Teil des Bistums Lausanne begann das neue Jahr am 25. Dezember, im sogenannten Natalstil. Auch im französischsprachigen Teil der Diözese Lausanne war im 11. und 12. Jahrhundert der Natalstil in Gebrauch; im Lauf des 13. Jahrhunderts setzte sich aber der Annuntiationsstil (25. März) durch. Im 13. Jahrhundert gab es auch noch den Osterstil. Im Verlauf des 16. Jahrhunderts setzte sich im Gebiet der Schweiz der Circumcisionsstil (1. Januar) des sogenannten bürgerlichen Jahrs durch. Das julianische Jahr dauert im Vergleich zum astronomischen Jahr 11 Minuten und 13 Sekunden zu lange.

Der neue Kalender spaltet das Land

Am 24. Februar 1582 führte Papst Gregor XIII. einen neuen Kalender ein. Um die Differenz zwischen dem bürgerlichen Jahr und dem astronomischen zu beseitigen, verfügte er das Überspringen von zehn Tagen. Die sieben katholischen Orte mit Ausnahme von Ob- und Nidwalden übernahmen 1584 den neuen Kalender, auf den 12. Januar folgte der 22. Unterwalden folgte einen Monat später. Neben den bäuerlich geprägten Regionen gab es auch durch die reformierten Orte Widerstand gegen den Kalender, Letztere behielten den julianischen Kalender bei. Der Widerstand wurde von Zürcher Theologen mit astronomischen Kenntnissen, beispielsweise dem Fraumünsterpfarrer Burkart Leeman, angeführt. Um die grössten Differenzen beizulegen, verfügte 1585 die Badener Tagsatzung, dass die Feiertage nach dem neuen Kalender gefeiert wurden, die reformierten Orte konnten Weihnachten, Stephanstag, Neujahr, Ostern, Auffahrt und Pfingsten nach dem alten Kalender feiern.

Einführung als solidarischer Akt

Durch die verschiedenen Kalender kam es zu Schwierigkeiten im Handel und Verkehr. Die zwei Kalender wurden jedoch über 100 Jahre nebeneinander verwendet. Die Eidgenossenschaft war nicht alleine, auch im Deutschen Reich lehnten die evangelischen Reichsstände den gregorianischen Kalender ab. Dass die reformierten Städte Zürich, Bern, Basel und Schaffhausen auf das Jahr 1701 doch noch den gregorianischen Kalender einführten, liegt daran, dass im Deutschen Reich die evangelischen Reichsstände 1699 zum gregorianischen Kalender übergegangen waren. Als Akt der Solidarität mit den Glaubensbrüdern ennet des Rheins folgten die vier reformierten Stadtorte. Damit nicht der Eindruck entstand, man hätte den katholischen Orten nachgegeben, wurde der Begriff gregorianischer Kalender tunlichst vermieden, stattdessen sprach die Obrigkeit vom «neu verbesserten julianischen Kalender». Der Bülacher Pfarrer Johann Kaspar Diebolt verfasste dafür eine Propagandaschrift: Ein freundliches und kurzweiliges Gespräch von dem verbesserten Kalender zwischen zweyer Eidgenossen von beiden Religionen. Die Hauptursache zur Vereinheitlichung des Kalenders waren handelspolitische Motive. Der Transitverkehr im internationalen Handel verlangte eine einheitliche Zeitrechnung. Es führte gar so weit, dass Zürich Graubünden, das damals zugewandter Ort der Eidgenossenschaft war, ermahnte, als Pass- und Transitland seinen Widerstand gegen den neuen Kalender aufzugeben. Ende des 18. Jahrhunderts galten wiederum zwei Kalender. Am 26. Juni 1798 erliess die Helvetische Republik ein Gesetz, dass der französischeRe-

Persönlicher Kalender, gefertigt von seinem Benutzer Johann Jakob Aschmann. Aquarell auf Karton, 1777.

volutionskalender parallel zum gregorianischen Kalender beigefügt werden musste. Almanache folgten diesem bis 1805. 1812 büsste der Kanton Graubünden diebeiden Gemeinden Schiers und Grüsch, weil sie sich weigerten, den gregorianischenKalender zu übernehmen. Sie taten dies als letzte Gemeinden in West- und Mitteleuropa. •

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