Emilie Lieberherr. Pionierin der Schweizer Frauenpolitik

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Mit einem Vorwort von Corine Mauch

Emilie Lieberherr

«Bei strahlend schönem Vorfrühlingswetter standen schon am frühen Nachmittag des 1. März 1969 die ersten Frauen auf dem Bundesplatz. Der Zug aus Zürich traf um 14.40 Uhr in Bern ein. Zwischenzeitlich füllte sich der Bundesplatz. Basler Fahnen und kleine Schweizer Fähnchen waren zu sehen; zwei Buben hielten ein Schild mit der Aufschrift: ‹Stimmrecht für unsere Mütter›. […] Es wurden Trillerpfeifen verkauft. Polizisten mit Funkgeräten standen hinter der Absperrung zum Bundeshaus. Auf der Terrasse positionierten sich Feuerwehrleute mit Schläuchen. […] Punkt 15 Uhr ertönten die Trommeln. […] Mit klaren, knappen, aber kraftvollen Worten begrüsste Emilie Lieberherr im roten Mantel die geschätzten 5000 Anwesenden und hielt, wie sie später sagte, ‹ihre Brandrede›.»

Trudi von Fellenberg-Bitzi

© Ursula Markus

Trudi von Fellenberg-Bitzi, geboren und aufgewachsen in Zug, ist Journalistin und Autorin. Sie war verantwortliche Redakteurin von Crosstalk, Ressortleiterin Reportagen bei annabelle und Chefredakteurin der SAirGroup-Konzernzeitung. Sie hat verschiedene Biografien sowie Lyrik und Prosa publiziert und ist Trägerin von Förderpreisen des Kantons Zug und – für ihre Kinderstunden im Schweizer Radio DRS – der früheren SRG Zentralschweiz. Seit 2018 ist sie Vizepräsidentin des Innerschweizer Schriftstellerinnen- und Schriftstellervereins ISVV.

Emilie Lieberherr (1924–2011) wuchs unter einfachen Bedingungen im Kanton Uri auf und sprengte bereits als junge Frau die Grenzen aller Konventionen: Sie besuchte als reformiertes Mädchen das katholische Internat Ingenbohl, ging als erste Frau aus dem Kanton Uri an die Universität und doktorierte 1965 in Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Heute gilt sie als eine der wichtigsten Vorkämpferinnen einer fortschrittlichen Frauen-, Alters- und Drogenpolitik. Als erste Zürcher Stadträtin und Vorsteherin des Sozialamts erkannte sie früh, von welch grosser gesellschaftlicher Bedeutung das Thema Alter bald sein würde. Sie stand mit Temperament und Herz für eine neue, liberale Drogenpolitik ein, die weit über die Landes­grenzen hinaus prägend wirkte. Vor allem aber setzte sich die hartnäckige Konsumentenschützerin, Sozialpolitikerin, Stadtund Ständerätin ein Leben lang kampflustig und konsequent für die Rechte der Frauen ein.

Trudi von Fellenberg-Bitzi

Emilie Lieberherr Pionierin der Schweizer Frauenpolitik ISBN 978-3-03810-408-7

ISBN 978-3-03810-408-7

9 783038 104087

www.nzz-libro.ch

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NZZ Libro

Umschlagfoto: Christian Lanz

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Autorin und Verlag danken den folgenden Institutionen für die grosszügige Unterstützung: Carl und Elise Elsener-Gut Stiftung Dätwyler Stiftung Einwohnergemeinde Cham Einwohnergemeinde Erstfeld Grütli Stiftung Kanton Uri, Bildungs- und Kulturdirektion Kanton Zug, Direktion für Bildung und Kultur Korporation Uri Otto Gamma-Stiftung Stadt Zürich Kultur Stiftung für staatsbürgerliche Erziehung und Schulung Stiftung zur Erforschung der Frauenarbeit

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Inhalt

Vorwort

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Einleitung

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Kindheit, Lehr- und Wanderjahre

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45

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117

199

«Das Kämpfen habe ich nie verlernt»

244

Unruhezustand Anhang

223 241

Eine Handvoll Privatleben

Mitarbeitende erinnern sich

179

Weitere vier Jahre im Sozialamt

Jugendbewegung und Drogenpolitik

157

Eidgenössische Kommission für Frauenfragen

Erste Deutschschweizerin im Ständerat

131

Vorsteherin des Sozialamts

81

Marsch auf Bern Zürichs erste Stadträtin

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Konsumentinnen Forum

Dank

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Vorwort

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Es war in der Jugendzeit von Emilie Lieberherr für Arbeiterkinder nicht vorgesehen, dass sie studieren – für Mädchen aus der Arbeiterschicht schon gar nicht. Emilie Lieberherr hat trotzdem die Matura gemacht – oder besser: erst recht. Und damit nicht genug: Als eine von wenigen Frauen in der Nachkriegszeit doktorierte sie nach ihrem Studium. Auch politisch war Emilie Lieberherr eine Pionierin: 1970 wurde sie als erste Frau in den Stadtrat von Zürich gewählt – ein Jahr vor der Einführung des Frauenstimm- und Wahlrechts auf eidgenössischer Ebene. Dafür, dass dieses Frauenstimm- und Wahlrecht endlich auch schweizweit eingeführt wird, hat «Fräulein Dr. Lieberherr» – wie die unverheiratete Doktorin damals genannt wurde – lange, unmissverständlich und unüberhörbar gekämpft. So beispielsweise beim «Marsch auf Bern» von 1969 an der legendären Kundgebung auf dem Bundesplatz, mit tausenden von gellenden Trillerpfeifen. Ihr Kampfgeist war beeindruckend. Sie gehörte zu jenen Frauen, vor denen die Gegner des Frauenstimmrechts immer gewarnt hatten: Unbequem, energisch und selbstsicher, gut unterlegt mit viel zwischenmenschlichem Gespür und einem flinken Intellekt spielte sie mittelprächtige Politiker locker an die Wand. Als Stadträtin hat Emilie Lieberherr die Bedürfnisse der Menschen zum Massstab und Leitgedanken ihrer Arbeit gemacht. Innerhalb von 15 Jahren entstanden unter ihrer Führung als Vorsteherin des Sozialamts, des heutigen Sozialdepartements, 15 neue, wegweisende Altersheime und Alterssiedlungen. Diese Projekte stiessen aber keineswegs nur auf Zustimmung; vielmehr setzte sie sich dem Vorwurf aus, die Alten abzuschieben. Solche Stimmen parierte sie gekonnt: Keineswegs sei das so, vielmehr wolle sie später selber einmal in so einer Institution leben! Alimentenbevorschussung ist heute eine Selbstverständlichkeit. Das war vor Emilie Lieberherrs Wirken im Amtshaus am Helvetiaplatz

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Vorwort

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anders. Ihr ist es auch zu verdanken, dass heute jeder Stadtteil über Quartierzentren und über Jugendtreffs verfügt. In ihren letzten Amtsjahren litt Zürich unter der offenen Drogenszene auf dem Platzspitz, und ein Kantonsarzt wollte der Stadt verbieten, sterile Spritzen an Drogensüchtige abzugeben. Emilie Lieberherr und der Stadtrat haben sich durchgesetzt und damit den Grundstein für die sogenannte Überlebenshilfe an Drogensüchtige gelegt. Diese ist eines der Elemente der Vier-Säulen-Drogenpolitik, die heute die Basis der schweizerischen Drogenpolitik ist und national und international auf grosse Beachtung stiess und stösst. Emilie Lieberherr hat Neues gedacht, sie hat Neues gewagt und durchgesetzt. Als Stadträtin von Zürich und in jedem Lebensabschnitt hat sie Pionierinnen-Geist bewiesen und erlangte damit nationale Bekanntheit. Emilie Lieberherr war ein Mensch mit unglaublicher Energie; sie stritt, und sie war auch streitbar. Mit viel taktischem Geschick, mit charakteristischem Charme, oft mit grosser Geste und zuweilen auch laut und durchaus mit Showtalent hat sie für ihre Projekte gekämpft. Ihre Empathie für die Menschen war spürbar und echt, und sie hat ihr Wirken als Stadträtin immer auf die Menschen bezogen. Die Biografie von Emilie Lieberherr schlägt einen grossen Bogen. Als junge Frau gehörte sie zu denjenigen Menschen ohne politisches Stimm- und Wahlrecht in unserem Land. Sie nahm ihr Leben in die eigenen Hände, und sie sprengte die Fesseln der Konvention. Sie bildete sich und zog in die Ferne, in die USA. Sie kam zurück und kämpfte für Gleichberechtigung. Als Politikerin blieb sie eine Pionierin und errang Ansehen und Anerkennung in der Bevölkerung wie nur wenige andere Schweizerinnen sie errungen haben. Emilie Lieberherr kannte verschiedene Welten. Sich selber blieb sie aber immer treu, selbst wenn sie damit im einen oder anderen Fall auf Konfrontationskurs ging, auch mit ihrer eigenen Partei. Die Bedürfnisse der Bevölkerung waren für Emilie Lieberherr immer das Wichtigste. Das haben die Menschen gespürt und gewusst. Und deshalb geniesst sie noch heute höchste Achtung in der Bevölkerung. Corine Mauch, Stadtpräsidentin von Zürich

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Einleitung

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«Und dann pfiffen wir auf den Bundesrat und die Männer, jawohl!» Das Pfeifkonzert am 1. März 1969 auf dem Bundesplatz galt dem Bun desrat und dem Parlament. Lauthals forderte eine junge engagierte Frau im roten Mantel das Stimm- und Wahlrecht für Frauen auf allen politischen Ebenen. Die Frau hiess Emilie Lieberherr, war Gewerbeschullehrerin, Konsumentenschützerin und Frauenrechtlerin. Mit ihrem Auftritt wurde sie auf einen Schlag in der ganzen Schweiz und über die Grenzen hinaus bekannt. Bereits 1970 wählten sie die Zürcherinnen und Zürcher zur ersten Stadträtin. 24 Jahre führte sie das Sozialamt der Stadt Zürich, wie das heutige Sozialdepartement damals genannt wurde. Zudem war sie von 1976 bis 1980 erste Präsidentin der Eidgenössischen Kommis sion für Frauenfragen und vertrat zwischen 1978 und 1983 als erste Frau der Deutschschweiz den Kanton Zürich im Ständerat. Wenn heute der Name Emilie Lieberherr fällt, wissen die meisten Bescheid: «Ah, das war doch die erste Stadträtin von Zürich», heisst es gemeinhin. Und auch: «Die hat doch Haschisch abgegeben.» Manche erinnern sich: «Sie hat unheimlich viel für die ältere Generation getan», oder: «Das war eine Konsumentenschützerin.» Resolut sei sie gewesen, aufmüpfig, streitbar, hartnäckig, burschikos, sagen die einen. Und andere sind sich sicher: Sie war grosszügig, unkompliziert, direkt, grundehrlich, spendabel, majestätisch, anteilnehmend; Weib und Königin. Emilie Lieberherr polarisiert, auch heute noch. Nur in einem sind sich alle einig: Sie hat unglaublich viel bewegt, geleistet und erreicht, für die Stadt Zürich, aber auch weit über die Kantonsgrenze hinaus. Sie hat sich für die kontrollierte, aber nie für die freie Drogen abgabe stark gemacht. Für diese Drogenpolitik interessierte man sich später nicht nur in der ganzen Schweiz, sondern in Europa und sogar in Übersee. Als junge Zürcher Stadträtin hat sie bereits ab 1970 eine klare Alterspolitik verfolgt. Eine, die es damals noch gar nicht gab und

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Einleitung

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zu der – neben vielen neuen Altersheimen – vor allem Respekt und Wertschätzung im Umgang mit älteren Menschen gehörte. Ebenfalls in ihrer ersten Amtsperiode setzte sich Emilie Lieberherr hartnäckig für das Thema der Alimentenbevorschussung ein, die 1977 in Zürich in Kraft trat und für die ganze Schweiz Vorbildcharakter hatte. Ihr Wahlversprechen und ihre Grundhaltung dienten dem Wohl der Frauen, der älteren Generation sowie der Jugend. Im Ständerat kämpfte die Frauenrechtlerin für das Gleichstellungsgesetz sowie für das neue Eherecht. Immer ging es ihr um die Anliegen der Frauen, für deren Bildung und Weiterbildung, für deren Unabhängigkeit und Gleichstellung. Mit ihrem hartnäckigen, direkten Einsatz für ihre Themen machte sie sich nicht nur Freunde. Sie wusste zu poltern, bot den Männern die Stirn und wies diese, wenn nötig, auch zurecht. Unvergessen bleibt der Auftritt im Ständerat, als am Ende einer Debatte über das neue Eherecht ein Ständerat behauptete, dass der Mann das Haupt und die Frau das Herz der Familie sei. Da platzte Emilie Lieberherr der Kragen, und sie konterte, eindrücklich und unvergessen: «Ich hoffe doch, dass die Männer auch ein Herz haben, und ich möchte den Männern wünschen, zuzugeben, dass die Frauen auch einen Kopf haben.» Eine Biografie über Emilie Lieberherr zu schreiben, die «streitbar ste Schweizer Politikerin», wie die Süddeutsche Zeitung sie charakterisierte, bedeutet Mut zur Lücke. Niemals wäre es möglich, ihrem facettenreichen Leben in seiner ganzen Fülle gerecht zu werden: ihrem Engagement, ihren Ideen, ihrer Lebhaftigkeit und ihrer Präsenz gegenüber jenen Menschen, denen sie verbunden war. Emilie Lieberherr kannte keine Berührungsängste. Als Politikerin müsse sie nicht geliebt, sondern respektiert werden. Respektiert wurde sie mit der Zeit auch von jenen Männern, die anfänglich dachten, die junge Frau sei fürs Amt als Stadträtin vorerst einmal ein Experiment. «Ihr Vermächtnis ist, dass wir immer an die Schwächeren denken», sagte Monika Weber an der Trauerfeier vom 12. Januar 2011 im Grossmünster in Zürich. Als ich an einer Hochzeit unmittelbar neben Emilie Lieberherr sass und zu ihr sagte: «Ihre Biografie würde ich gerne schreiben», antwortete sie: «Kommen Sie vorbei, kommen Sie vorbei.»

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Viele Jahre später war ich überrascht, dass es über die unglaubliche Emilie Lieberherr noch immer keine Biografie gab. So war es für mich selbstverständlich, 50 Jahre nach dem «Marsch auf Bern» das Leben dieser aussergewöhnlichen Politikerin aufzuzeichnen. Emilie Lieberherr hat den Frauen den Weg geebnet. Und ihnen in den 1960er-, 1970er- und 1980er-Jahren zu Selbstvertrauen und Selbstachtung verholfen. Daher kann diese Biografie auch als Dank bezeichnet werden: als Dank an eine aufmüpfige, hartnäckige, streitlustige Debattiererin mit einem aussergewöhnlich grossen Herzen für die Menschen. Trudi von Fellenberg-Bitzi Cham und Grüningen, Februar 2019

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Marsch auf Bern

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Vorgeschichte Bereits im 18. Jahrhundert forderten kleinere Frauengruppen die politische und juristische Ebenbürtigkeit. Aber die Stellung der Frau in den bäuerlichen und gewerblichen Grossfamilien erschwerte das Zusammenkommen von Gleichgesinnten. Zudem galt die Frau damals als Mittelpunkt der Familie, die zu den Kindern schaute und am Herd stand. Erst im Lauf der Jahre erkannten die Frauen ihre diskriminierende Stellung. Viele schlossen sich zusammen und vereinbarten, Ziele gemeinsam zu erreichen. Dabei hinterfragten oder bekämpften sie nicht die Geschlechterrolle, vielmehr war die Förderung frauenspezifischer Anliegen ihr Ziel. 1888 gründeten die Frauen in Aarau den Schweizerischen Gemeinnützigen Frauenverein. 1893 wurde der Zürcher Frauen stimmrechtsverein gegründet, der 1971 in Verein für Frauenrechte umbenannt wurde. 1894 entstand der weltberühmte Zürcher Frauenverein (ZFV), damals Frauenverein für alkoholfreie Wirtschaften genannt. Und schliesslich wurde 1909 der Schweizerische Verband für Frauenstimmrecht (SVF) gegründet, denn mehr und mehr engagierten sich die Frauen für dieses Thema. Im Dezember 1918 reichten zwei Nationalräte, nämlich Herman Greulich (SP Zürich) und Emil Göttisheim (FDP Basel), eine Motion zur Einführung des Frauenstimmrechts ein. Ohne Erfolg. Erst 1929 wurde der Bundesrat mit einer Petition aufgefordert, die Motion Greulich und Göttisheim prioritär zu behandeln. Darauf erklärte dieser, dass sich das Frauenstimmrecht zuerst auf Gemeinde- und Kantonsebene durchsetzen müsse, um es auf Bundesebene diskutieren zu können. Zudem betonte der Bundesrat, dass die Zeit für das Vorhaben noch nicht reif sei. 1945 wurde das Schweizerische Aktionskomitee für Frauenstimmrecht gegründet, das 1957 von der Arbeitsgemeinschaft der Schweizerischen Frauenverbände für die politischen Rechte der Frau abgelöst wurde. Die Hauptaufgabe dieser Arbeitsgemeinschaft bestand in der Koordination

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Marsch auf Bern

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der von vielen Frauenvereinigungen unterstützten Bestrebungen zur Einführung des Frauenstimmrechts und galt als organisatorisches Spitzengremium auf Frauenseite. Als es am 3. März 1957 auf nationaler Ebene zur Abstimmung über eine obligatorische Zivildienstpflicht für die Frauen kam, forderten diese: «Keine Pflichten ohne Rechte» und verlangten das Stimmrecht. Die Arbeitsgemeinschaft, präsidiert von Marie Boehlen, Berner Juristin und Grossrätin (SP), wurde aktiv, weil die Frauen sich weigerten, ohne Frauenstimmrecht obligatorische Pflichten in der Landesverteidigung zu übernehmen. 14 Jahre nach Kriegsende, am 1. Februar 1959, fand dann schliesslich die erste eidgenössische Abstimmung über das Frauenstimmrecht statt. Gertrud Heinzelmann, engagierte Frauenrechtlerin und Pionierin in Sachen Gleichberechtigung, bezog sich an einem Vortrag vom 1. Februar 1969 auf jene Zeit: «Kein einziger Bundesrat hatte sich damals öffentlich zur Abstimmungsvorlage geäussert oder mit persönlichem Einsatz für diese geworben.» Die Abstimmung wurde – natürlich von Männern – mit 66,9 Prozent abgelehnt. Nach der Abstimmungsnieder lage befand sich die Arbeitsgemeinschaft in Wartestellung. Danach aber verlagerte sich das Thema auf die Kantone, vorerst in der Westschweiz. In den Kantonen Genf, Waadt und Neuenburg gelang in den Jahren 1959/60 mit der Einführung des Stimm- und Wahlrechts für Frauen ein erster Durchbruch. Als die Schweiz 1963 dem Europarat beitrat, unterzeichnete sie die Europäische Menschenrechtskonvention nicht, weil es zwischen dem Schweizer Recht und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) Konflikte gab. Einer dieser Konflikte war, dass die Schweizer Frauen nicht stimm- und wahlberechtigt waren. 1968 beschloss die Schweiz, die EMRK doch zu unterschreiben, unter Vorbehalt des Frauenstimmrechts. Diese Tatsache brachte letztlich die Wende. Die Frauen protestierten auf der Strasse. Und sie gingen nach Bern, auf den Bundesplatz. Davor aber gab es Unruhen, Gezänke sowie Stellungnahmen zum Dafür und Dawider. Liselotte Meyer-Fröhlich (1922–2014), die spätere Zürcher Stadtpolitikerin (FDP), war eine der Frauen, die sich für das Frauenstimmrecht engagierte. Die Juristin war unter anderem Stiftungsrätin des Zürcher Frauenhauses und Präsidentin der Zürcher Frauenzentrale. 1976 erin-

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Die Frauen verlangen lautstark das Stimm- und Wahlrecht und machen am 1. März 1969 auf dem Bundesplatz mit Trillerpfeifen auf ihr Anliegen aufmerksam.

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Marsch auf Bern

Von Emilie Lieberherr angef端hrt: der Marsch auf Bern. Keine Menschenrechtskon vention mit Vorbehalten! Links neben Emilie Lieberherr (2. v. r.) marschiert Minnie Rutishauser.

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politischen Rechte der Frau im Berner Kursaal. Sie repräsentierten eine halbe Million, also 17 Prozent der insgesamt rund 3 Millionen Schweizerinnen», schreibt Franziska Rogger in ihrem Buch. Eines war klar: Keine Menschenrechtskonvention ohne Frauenrechte. Die Arbeitsgemeinschaft wurde 1971, nach dem Abstimmungssieg und der Einführung des Schweizerischen Frauenstimm- und Wahlrechts, aufgelöst.

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«Wir stehen hier nicht als Bittende, sondern als Fordernde» Bei strahlend schönem Vorfrühlingswetter standen schon am frühen Nachmittag des 1. März 1969 die ersten Frauen auf dem Bundesplatz. Der Zug aus Zürich traf um 14.40 Uhr in Bern ein. Zwischenzeitlich füllte sich der Bundesplatz. Basler Fahnen und kleine Schweizer Fähnchen waren zu sehen; zwei Buben hielten ein Schild mit der Aufschrift: «Stimmrecht für unsere Mütter». Vor dem Bundeshaus stand das Rednerpodium mit verschiedenen Mikrofonen. Es wurden Trillerpfeifen verkauft. Polizisten mit Funkgeräten standen hinter der Absperrung zum Bundeshaus. Auf der Terrasse positionierten sich Feuerwehrleute mit Schläuchen. Um 15 Uhr war der Bundesplatz so voll, dass später einige Frauen gestanden, sie hätten vor lauter Freude kaum die Tränen zurückhalten können. «Nach all den Absagen, wer hätte noch so viele Frauen und sogar Männer erwarten dürfen», meinten sie. Punkt 15 Uhr ertönten die Trommeln. Dr. Emilie Lieberherr, bekannt als Präsidentin des Konsumentinnen Forums, und die Journalistin und Schriftstellerin Selma Gessner vom Aktionskomitee Zürich betraten die Tribüne. Mit klaren, knappen, aber kraftvollen Worten begrüsste Emilie Lieberherr im roten Mantel die geschätzten 5000 Anwesenden und hielt, wie sie später sagte, «ihre Brandrede»: «Frauen und Männer, wir begrüssen Euch zur heutigen Demons tration auf dem Bundesplatz in Bern. Ich danke allen Männern, die sich heute mit uns solidarisch erklären. Den Frauen danke ich für den Mut, öffentlich für ihre Rechte einzutreten und damit zu zeigen, wie ernst ihr Interesse an dieser Sache ist. Zwei Gründe haben uns veranlasst, nach Bern zu kommen: Erstens: Unser jahrzehntelanges Warten auf die Gleichberechtigung, auf das Recht, die Gesetze, denen wir uns alle unterziehen müssen, mitgestalten zu können.

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Marsch auf Bern

Zweitens: Unmittelbarer Anlass war die Nachricht, dass der Bundesrat dem Parlament empfiehlt, die Menschenrechtskonvention mit Vorbehalt zu unterzeichnen. Zwei dieser Vorbehalte betreffen die Frauen, nämlich das Wahlrecht und das Recht auf gleiche Ausbildung für Mädchen und Knaben. Diese Nachricht hat unsere gut-eidgenössische Geduld aufs höchste strapaziert. Sie ist ein Schlag ins Gesicht der Frau und hat unser Vertrauen in den Bundesrat erschüttert. Wir stehen hier nicht als Bittende, sondern als Fordernde. Wir fordern alle Bürger unseres Landes auf, zu bedenken, dass unsere Demokratie ohne die Mitwirkung der Frauen unvollkommen und einseitig ist. Wir fordern das Parlament auf, die Menschrechtskonvention erst dann zu unterschreiben, wenn keine Vorbehalte mehr gemacht werden müssen, damit die Einführung des Frauenstimm- und Wahlrechts nicht um weitere Jahrzehnte hinausverzögert wird. Wir verlangen sofortige Schritte, damit in unserem Land auch die Frauen in den Genuss der Menschrechte gelangen.» Anschliessend verlas Emilie Lieberherr die Resolution, die später dem Bundesrat übergeben werden sollte: «Wir Schweizerinnen hier auf dem Bundesplatz fordern das volle Stimm- und Wahlrecht auf eidgenössischer und kantonaler Ebene. Die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten des Europarates darf erst dann unterzeichnet werden, wenn dieser Vorbehalt nicht mehr nötig ist. Die Gleichstellung der Geschlechter ist eine wichtige Voraussetzung für die Verwirklichung der Menschenrechte. Sämtliche vorgeschlagenen Vorbehalte stellen die Glaubwürdigkeit unseres Landes als Rechtsstaat und Demokratie in Frage. Wir fordern deshalb alle gutgesinnten Politiker und Bürger auf, das Frauenstimmrecht beim Bund, den Kantonen und bei allen Gemeinden so rasch als möglich zu verwirklichen.» Dann verlas die Rednerin die Parolen. Sie sprach sie achtmal vor, und die Menschen auf dem Bundesplatz wiederholten sie achtmal. «Alli mitenand», rief Emilie Lieberherr mit lauter Stimme und forderte am Schluss: «Bundesrat – uf zur Tat»! Danach folgte ihr Aufruf in die Menge: «Jetzt nehmt alle eure Trillerpfeifen heraus und pfeift den Bundesrat aus, der nichts für uns tut.» Ein wildes Pfeifkonzert setzte ein. Stolz

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«Wir stehen hier nicht als Bittende, sondern als Fordernde», ruft Emilie Lieberherr am Samstag, 1. März 1969, rund 5000 Menschen – vorwiegend Frauen – auf dem Berner Bundesplatz zu. Mit dem Marsch auf Bern und ihrer «Brandrede» wird die Konsumentenschützerin und Frauenrechtlerin schlagartig in der ganzen Schweiz bekannt.

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Wer nach Bern marschiert, trägt am Revers als Zeichen der Zugehörigkeit ein beschriftetes Bändchen.

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Marsch auf Bern

verkündete sie dann, in einer Minute würde der Bundespräsident sie empfangen. Zusammen mit Selma Gessner ging sie erhobenen Hauptes ins Bundeshaus. Doch der damalige Bundespräsident Ludwig von Moos war nicht da. Keiner der Bundesräte war vor Ort. Und so stellte sich Bundeskanzler Karl Huber den enttäuschten Frauen und nahm das Dokument entgegen. Als Lieberherr und Gessner wieder auf dem Bundesplatz erschienen und meldeten: «Keiner der sieben Bundesräte hatte den Mut, uns zu empfangen», trillerten die Pfeifen erneut, und viele «Buhs» und «Pfuirufe» tönten über den Platz. Die offizielle Veranstaltung war zu Ende. Sie schien gelungen zu sein. Die acht «Losungen» (Parolen)

Mänscherächt für beidi Gschlächt!

Mir schtönd, trotz allne schöne Phrase, im Rächt no i der Entwickligsphase !

Schtüre zahle – aber au a d’Wahle !

Zäme hänke, zäme dänke, zäme länke !

Händ Vertraue zu de Fraue !

Es macht sich himmeltrurig schlächt, Dienscht go leischte ohni Rächt !

Frauerächt – Mänscherächt !

Bundesrat – uf zur Tat !

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Übrigens: Die gemietete Lautsprecheranlage finanzierte Lieberherr mit dem Verkauf der Trillerpfeifen. Sie traf damit zwei Fliegen auf einen Schlag: Die Kosten waren gedeckt, und die Frauen konnten – einmalig in der Geschichte – auf den Bundesrat und die Männer pfeifen!

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Fazit Der 1. März 1969 ist jener Tag, an dem Emilie Lieberherr auf einen Schlag in der ganzen Schweiz und sogar über die Landesgrenzen hinaus bekannt geworden ist. Die Frau im roten Mantel, die zusammen mit Tausenden anderer Menschen auf dem Bundesplatz auf die Männer und den Bundesrat pfiff, erschien am Abend in der Tagesschau des Schweizer Fernsehens, bekam unzählige Interviewanfragen. Und am nächsten Morgen war das Thema in allen Zeitungen präsent. Sie sei nicht enttäuscht, dass der Bundesrat sie nicht empfangen habe, sagte sie viel später in einem Interview: «Wir wurden dadurch nur noch mehr angetrieben.»

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Der Bundeshausberichterstatter der Nationalzeitung schrieb am 3. März 1969: «Der Bundesrat ist – auch wenn er es nicht offen sagt – nicht unglücklich über den Grossaufmarsch der Schweizer Frauen. Eine neue Abstimmung über das Frauenstimmrecht könnte dazu führen, dass die Unterzeichnung der besagten Europaratskonvention vorläufig verschoben wird.» «Das war das Highlight meines Lebens», sagte Emilie Lieberherr 2004 in einem Interview mit dem Tages-Anzeiger. Nach diesem «Marsch nach Bern», an dem rund 5000 Leute teilnahmen, hätten sie sogar im Bundeshaus zu Bern realisiert, dass die Frauen nicht mehr aufzuhalten seien. «Fünftausend Leute an einer Demonstration, das war wahnsinnig viel in jenen Jahren. Die Stimmung änderte sich, und die Parteien begannen, sich plötzlich für Frauen zu interessieren. Frauen zu portieren, das wurde auf einmal chic.» Noch im laufenden Jahr 1969 wollte der Bundesrat den Entwurf zu einer Teilrevision der Bundesverfassung im Sinne der Einführung des Frauenstimm- und Wahlrechts dem Parlament unterbreiten. Er hoffte damit, in Sachen Frauenrechte das Nötige geleistet zu haben und im Gegenzug die Ratifizierung der Menschenrechtskonvention EMRK schnellstens unterschreiben zu können. Die Frauen waren damit natürlich nicht einverstanden.

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Einführung des Schweizerischen Frauenstimm- und Wahlrechts 1971 Bei der eidgenössischen Abstimmung vom 7. Februar 1971 nahmen die (männlichen) Stimmbürger das eidgenössische Stimm- und Wahlrecht für Frauen mit 621 109 (65,7 %) Jastimmen zu 323 882 (34,3 %) Neinstimmen bei einer Stimmbeteiligung von 57,7 Prozent an: 53 Jahre nach Deutschland, 52 Jahre nach Österreich, 27 Jahre nach Frankreich und 26 Jahre nach Italien. Bis zur Einführung des Stimm- und Wahlrechts für Frauen in allen Schweizer Kantonen sollten jedoch noch weitere 20 Jahre vergehen. Appenzell Innerrhoden führte dieses als letzter Kanton erst 1990 ein – nicht ganz freiwillig. Das Bundes gericht entschied am 27. November 1990, dass den Frauen im Kanton Appenzell Inner rhoden die politischen Rechte zuständen. Und so beteiligten sich am 28. April 1991 erstmals Frauen an der Landsgemeinde.

Im Juni 1969 begann im Nationalrat die Menschenrechtsdebatte. Nach einer heftigen Redeschlacht beschloss der Nationalrat am 16. Juni 1969

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Marsch auf Bern

mit 88 zu 80 Stimmen gegen den Willen der Frauen die Ratifizierung und gab damit dem Bundesrat grünes Licht für die Unterzeichnung mit Vorbehalten. Am 7. Oktober 1969 kam das EMRK-Geschäft im Ständerat zur Sprache. Das Resultat der Abstimmung fiel sehr knapp aus, und der Bundesrat erlitt mit 20 gegen 22 Stimmen eine äusserst knappe Niederlage. Die Absage an die Unterzeichnung der EMRK mit Vorbehalten war eine Sensation. Die Konventionsunterzeichnung war kein Thema mehr, dafür bekam die Abstimmung für das Frauenstimmrecht Aufwind. Es war wie ein Weihnachtsgeschenk, als der Bundesrat am 23. Dezember 1969 die Vorlage auf den Tisch brachte. Im Herbst 1970 stimmten National- und Ständerat der Abstimmungsvorlage zu und übergaben am 9. Oktober 1970 dem Bundesrat das Geschäft «Einführung Frauenstimmrecht» zum Vollzug.

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Es tut sich was … Der spektakuläre Aufmarsch von 5000 Frauen und Männern am 1. März auf dem Bundesplatz erregte auch in Zürich Aufsehen. Und die Anführerin des Protests blieb nicht unbemerkt. Die Sozialdemokratische Partei des Kantons Zürich fragte Emilie Lieberherr im Frühsommer 1969 an, ob sie sich im Rahmen einer Inseratekampagne für die kommunale Frauenstimmrechtsvorlage einsetzen würde. Die Antwort vom 14. Juli 1969 lautete: «Prinzipiell würde ich Ihrem Wunsche sehr gerne nachkommen, weil ich – wie Ihnen bekannt sein dürfte – unentwegt für die Gleichberechtigung eintrete. Nun hat mir aber gerade mein Engagement sowohl für die Frauen wie für die Konsumenten derart viele berufliche Schwierigkeiten verursacht, dass ich mir eine offensichtliche Bindung an eine Partei vor der Einführung des Stimm- und Wahlrechts – so paradox dies klingen mag – bedauerlicherweise nicht leisten kann. Wenn die Vorlage nicht durchkommt, was leider nicht ganz ausgeschlossen ist, würde mich neben der politischen Rechtlosigkeit auch die Hinwendung zu Ihrer Partei beruflich zusätzlich beeinträchtigen.» Am 14. September 1969 stimmten die Zürcher Männer für das kommunale Frauenstimm- und Wahlrecht, der Kanton Zürich sollte ein Jahr später nachziehen. Das sorgte für lokalen Aufwind. Hulda Autenrieth, die damalige Präsidentin der Zürcher Frauenzentrale, begann, für mögliche Kandidatinnen für ein politisches Amt Redeschulungs-, Vereinsleitungs- und Berichterstattungskurse zu organisieren. Im Oktober bekam Emilie Lieberherr einen Anruf der damaligen Präsidentin der SP-Frauen der Stadt Zürich. Man habe sie beauftragt, Fräulein Lieberherr anzufragen, ob sie für die bevorstehenden Stadtratswahlen zur Verfügung stehen würde. Emilie Lieberherr: «Ich war nicht Mitglied der SP und hatte eigentlich keine Lust, Politikerin zu werden. Ich antwortete ihr, ich wisse eigentlich nicht so recht, worin die ad-

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Plakat zum Frauenstimmrecht im Kanton Zürich, 1947.

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ministrativen Aufgaben eines Stadtrates bestehen würden. Da antwortete sie mir, ihr Mann könne mir da bestens helfen, er sei ja schliesslich Stadtrat Ruedi Welter. Und sie selbst war daher Edith Welter. So marschierte ich an einem der folgenden Tage zum Werdmühleplatz, zum damaligen Vorstand des Bauamts I. Nebst den Informationen sprach Welter mir auch ins Gewissen. Er meinte nämlich, ich könne nicht jahrelang für das Frauenstimm- und Wahlrecht einstehen und dann nicht bereit sein, ein politisches Mandat anzustreben.» In den Wintermonaten 1969/70 begann in Zürich der Wahlkampf für den Stadt- und Gemeinderat. Am 18. Dezember 1969, an einem nassen, kalten Vorweihnachtstag, versammelten sich vorwiegend Frauen, aber auch einige Männer auf dem Zürcher Lindenhof, um einen jungen Baum als «Mahnmal für die Männer» zu pflanzen. Es war Emilie Lieberherr, die eine Schaufel in die Hände nahm und den Baum pflanzte. Zusammen mit einer Gedenktafel sollte an das Ja der Stadtzürcher Stimmbürger erinnert werden, die im vorangegangenen September den Frauen das politische Mitspracherecht an der Urne gewährt hatten. Mit dieser Aktion hatte sich Emilie Lieberherr bewusst oder unbewusst, gewollt oder ungewollt, positioniert. Das Bild mit der Schaufel in ihren Händen erschien in verschiedenen Zeitungen. Sie wurde wahrgenommen. Schon seit einiger Zeit. Und zusehends mehr. Im Interview mit der Autorin Susanna Schwager, erschienen im Buch Das volle Leben, erzählte sie: «Eines Tages klopften sie an meine Tür, Leute von den Sozialdemokraten. Sie hätten eine Geheimsitzung in Altstetten, ob ich nicht kommen könnte. Ich war ja immer ein neugieriger Mensch und ging an diese Sitzung. Da kam der Schütz Otti, ein kleiner dicker Gewerkschafter, auf mich zu, schüttelte mir lange die Hand und sagte: ‹Frau Lieberherr, man kennt Sie aus Radio und Fernsehen als gute Rednerin. Kandidieren Sie für uns in Zürich als Stadträtin!› Ich war schon ein wenig von den Socken. Ich stand auf und hielt meine erste Rede vor der SP. ‹Meine Herren, ich bedanke mich für diese Ehre. Aber ich bin leidenschaftlich gerne Lehrerin. Ich will kein Amt. Etwas vom Wichtigsten im Leben ist mir die Freiheit. Ich will denken und sagen können, was ich will. Ich will unabhängig bleiben.› Da sagte der Otti: ‹Das können Sie trotzdem. Wir würden Sie auch als Parteiunabhängige portieren. Überlegen Sie es sich.›

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Ich ging nach Hause und hatte wirklich nachzudenken. Zur Zeit war eben meine Mutter gestorben und Minnie Rutishauser sagte zu mir: ‹Mach das doch. Das lenkt dich ab, das wird dir gut tun. Aber nicht als Parteilose, das verstehen die Leute nicht. Wenn du mitmachst, dann mit allem Pipapo›.» Eigentlich sah sich Emilie Lieberherr nicht so sehr als Vertreterin einer Partei, sondern vielmehr als Vertreterin der Frauen. «Es gilt zu zeigen, dass wir bereit sind – jetzt, da wir Gelegenheit haben – in der von Männern geschaffenen Staatsorganisation zum Zuge zu kommen», sagte sie in einem Gespräch mit der Journalistin Irene Prerost. Sie scheute sich auch nicht zu äussern, dass sie sich nicht so ohne Weiteres an die Parteidisziplin halten würde. Und dann hatte sie sich doch dazu entschieden. Die ehemalige Gewerkschafterin und Präsidentin der Zürcher SP-Frauen, die 2014 verstorbene Rita Gassmann, schilderte es so: «Ich lernte Emilie Lieberherr an der Berufsschule kennen, wo sie Verkäuferinnen ausbildete. Wir SP-Frauen entdeckten ihr Talent und versuchten sie zu überreden, als Stadträtin zu kandidieren.» Und Emilie Lieberherr erinnerte sich: «Zuerst also kam Edith Welter, dann Otti Schütz und dann noch einige andere und bearbeiteten mich. Und so habe ich mich schliesslich überreden lassen.» An einem Abend erhielt sie einen Anruf, mit der Frage, ob sie sich jetzt entschieden habe. Ihre Antwort sei gewesen: «Also, in Gottes Namen, ich komme. Und als ich den Hörer aufhängte, wusste ich, jetzt ist mein Schicksal besiegelt. Ich gehe in den Wahlkampf und komme durch.» In die SP sei sie gegangen, weil angekündigt worden sei, dass es eine Vakanz im Wohlfahrtsamt geben würde. Das kam ihr gelegen. «Am liebsten das Wohlfahrtsamt, am zweitliebsten das Gesundheitsamt – aber warum sollte nicht auch einmal eine Frau an der Spitze des Polizeiamts stehen?» Trotzdem: «Ich hatte das Gefühl, dass ich mich von meiner Abstammung und meiner Entwicklung her als Fürsprecherin der sozial Schwachen eignen würde. Hätte man mir ein anderes Amt angeboten, hätte ich es wahrscheinlich abgelehnt. Es interessierte mich nur ein Amt, in dem ich es mit Menschen zu tun hatte. Von meiner Herkunft her und mit einem Gewerkschafter als Vater war es naheliegend, dass ich zur SP ging.»

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Die Kandidatur Der damalige Zürcher Stadtrat Dr. August Ziegler hatte sich entschlossen, mit 67 Jahren aus Altersgründen von seinem Amt zurückzutreten. Er gehörte seit 1942 – also seit 27 Jahren – als Sozialdemokrat dem Stadtrat an und stand dem Wohlfahrtsamt vor. Die Sozialdemokratische Partei der Stadt Zürich beschloss folglich einstimmig, Fräulein Dr. Emilie Lieberherr, Präsidentin des Konsumentinnen Forums und Gewerbeschullehrerin, als Kandidatin für den frei werdenden Sitz vorzuschlagen. Das schlug ein wie eine Bombe! «Das Fräulein mit dem Multipack», schrieb Peter Höltschi im Züri Leu. Das Fräulein Doktor aus dem Eisenbahnerdorf Erstfeld, die Präsidentin des Konsumentinnen Forums, die Anführerin des Marsches nach Bern. Adrett. Schick gekleidet. Mit einem charmanten Lächeln. Klar in Sprache und Mimik. Feurig im Kämpfen. Mit Durchsetzungsvermögen und klaren Vorstellungen, Visionen, würde man heute sagen: «Fräulein Dr. Lieberherr will den Zürcherinnen und vor allem den Zürchern zeigen, dass eine Frau ihren Mann stellen kann. Um zu zeigen, dass sich Weiblichkeit durchaus mit einem politischen Amt verträgt», stand im Züri Leu. In über 40 Wahlveranstaltungen hat sich Emilie Lieberherr behauptet. Sie hat den Frauen erklärt, dass Bildung wichtig ist, um unabhängig zu sein; Bildung vor allem und für alle, auch dass man sich wehren und sich nicht alles gefallen lassen müsse. Charmant hat sie es gemacht. Immer mit einem Lächeln. Umgeben von Gleichgesinnten. Kandidatinnen für den Gemeinderat. Mitstreiterinnen. Und von vielen Frauen, die sie bewunderten und sich die Urnerin als Stadträtin wünschten. Die SP der Stadt Zürich schrieb im Januar 1970 in der Wahlzeitung zur Kandidatin Emilie Lieberherr: «Sie wird sicher kein bequemer Stadtrat sein. Durch ihren unermüdlichen Einsatz zugunsten besserer Ausbildungsmöglichkeiten für Gewerbeschüler und grösserer Mitbestimmungsrechte für die Lehrer hat sie sich – vor allem in Gewerbekreisen und im städtischen Schulamt – nicht nur Freunde geschaffen. Dafür ist sie bei den Schülern, Eltern und Lehrern umso beliebter. Mit Emilie Lieberherr wählen Sie eine Frau in den Stadtrat, die sich vor allem für die Betagten, die Jugend und die Förderung der Frau einsetzen will und die ohne Zweifel ‹ihren Mann› stellen wird.»

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Am Wochenende der Stadtratswahlen 1969 besucht Emilie Lieberherr in Begleitung ihrer Familie den Zürcher Zoo.

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Im Februar 1970 ging ein Schreiben des Frauenstimmrechtsvereins Zürich an die Mitglieder: «Stimmbürgerinnen! Der 8. März ist für uns Zürcher Frauen ein historisches Datum. Wir beteiligen uns zum ersten Mal an der Wahl unseres Stadtparlaments, des Gemeinderates und der städtischen Exekutive, unserer ‹Regierung›, des Stadtrates. Auf den Wahllisten stehen nun zum ersten Mal auch die Namen von Frauen. Unter den Kandidatinnen finden sich viele Mitglieder unseres Stimmrechtsvereins. Selbstverständlich möchten wir Ihnen diese Frauen zur Wahl empfehlen. Es sind dies: Benz-Burger Lydia, Faber-Odermatt Gaby, Gessner Selma, Heeb Irma, Kauer Marthe, Keller-Graf Elisabeth, Messmer Fanny, Meyer-Fröhlich Liselotte, Morf Doris, Schmid-Märki Margrit, Uchtenhagen Lilian, Zaugg-Alt Maria. Auch eine Stadträtin ist vorgeschlagen: Frau Dr. nat. oec. Emilie Lieberherr, Stadtratskandidatin der Sozialdemokratischen Partei. Auch sie ist Mitglied unseres Vereins, und wir hoffen, dass Emilie Lieberherr dank der Unterstützung der Frauen erster weiblicher Stadtrat von Zürich werden wird. Liebe Stimmbürgerinnen, setzen Sie sich dafür ein, dass alle Frauen Ihres Bekanntenkreises von ihren neuen Rechten Gebrauch machen und den Gang zur Urne nicht versäumen. Wir legen Ihnen für Ihre persönliche Werbung drei Postkarten bei. Bitte verschicken Sie diese! Bestellen Sie weitere Karten beim Sekretariat. Von uns Frauen wird es abhängen, ob die grösste Schweizer Stadt am 8. März eine Stadträtin erhalten wird und wie viele Frauen als Gemeinderätinnen im alten Ratssaal an der Seite unserer Männer in Zukunft das Geschick unserer Stadt mitgestalten und dabei den Gesichtspunkt und die Interessen von uns Frauen vertreten dürfen!» Christina Bürgi Dellsperger, die Nichte von Emilie Lieberherr, erinnert sich noch gut an den Wahltag: «Unsere Familie war bei Emilie und Minnie. Am Nachmittag gingen wir alle in den Zoo, damit Emilie abgelenkt war.»

Klarer Sieg und damit erste Stadträtin von Zürich Mit 73 166 Stimmen, das heisst mit der vierthöchsten Stimmenzahl, wurde Frau Dr. Emilie Lieberherr am 8. März 1970 in den Stadtrat gewählt; es war also kein knapper Zufallserfolg, sondern ein eindeutiger Sieg der ersten Frau in die Zürcher Regierung. Emilie Lieberherr durfte

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sich nun als echte Pionierin bezeichnen: «Aber als Stadträtin fühle ich mich vorläufig noch nicht. Erst wenn sich der Stadtrat konstituiert hat, wird es so weit sein. Bis Ende dieses Monats werde ich an der Gewerbeschule noch stark eingespannt sein, da jetzt Lehrabschlussprüfungen stattfinden. Dann brauche ich unbedingt ein paar Tage Ferien, um mich von den ganzen Anstrengungen erholen zu können. Vor dem 15. April werde ich also mein Amt kaum antreten.» Es reihten sich Interviews an Interviews. Die neu gewählte Stadträtin fuhr ins Radio Studio Zürich und später zu ihren «Genossen». Die Nacht vom 8. auf den 9. März 1970 gehörte vor allem Emilie Lieberherr. Dass sie gewählt würde, hatten viele erwartet, auch Bezirksrat Walter Zogg, der in der «Waid», wo die Sozialdemokraten feierten, mit Nelken erschien. Es war ein langes Warten gewesen, bis alle Resultate bekannt geworden waren. Um 00.15 Uhr erschien die frisch gewählte Stadträtin mit einer Nelke am Revers und strahlte. Applaus. Blitzlichter. Umarmungen. Sie lachte, plauderte und richtete Dankesworte an die Partei. Nun war die Welt in Ordnung. Den allerschönsten Augenblick erlebte sie allerdings bei ihrer Ankunft zu Hause an der Grossmannstrasse. Bevor sie das Haus betrat, öffnete sich in einer der oberen Etagen eine Balkontür, und eine Dame im Nachthemd rief: «Ich gratuliere!» Und auf ihrer Wohnungstür stand, von Blumengebinden umrankt, geschrieben: «Wir gratulieren Ihnen Frau Stadträtin zur [sic] Ihrer ehrenvollen Wahl.» Frau Stadtrat, die alle «Emilie» nannten, lud in ihrer Wohnung zu Val policella und Panettone ein.. Eine häufig gestellte und aktuelle Frage aus der Bevölkerung wurde wenige Tage nach der Wahl von Fräulein Dr. Lieberherr in der NZZ geklärt. Welchen Titel soll diese Dame im Stadtrat nun führen? Stadtrat oder Stadträtin? Und wie soll sie angesprochen werden: mit Frau oder mit Fräulein? Walter Heuer, langjähriger Chefkorrektor der NZZ, erklärte, dass Dr. Emilie Lieberherr den Wunsch geäussert habe, man möchte sie mit Frau Lieberherr anreden. Gegen die weibliche Form der Titelgebung sei ebenfalls nichts einzuwenden, man könne die erste Dame in der städtischen Exekutive mit Frau Stadträtin ansprechen. Über eine Frau wurde in der Presse nichts geschrieben: Minnie Rutishauser, die Partnerin von Emilie Lieberherr. Sie war es, die Emilie

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Emilie hat klare Vorstellungen, wie sie «ihr» künftiges Amt führen will, und setzt von Anfang an klare Prioritäten.

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Blumen für die erste Stadträtin von Zürich: Ihren Wahlsieg feiern die Sozialdemo kraten in der Nacht vom 8. auf den 9. März im Restaurant Waid.

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Ouvertüre 1978, Anfang Jahr: Die Zürcherinnen und Zürcher wurden geradezu politisch herausgefordert. Am 22. Januar fand die Ständeratsersatzwahl statt, da der freisinnige Fritz Honegger am 7. Dezember 1977 zum Bundesrat gewählt worden war; er hatte von 1967 bis 1977 den Kanton Zürich in der kleinen Kammer vertreten. Und nur sieben Wochen später, am 26. Februar, galt es, den Zürcher Stadtrat und den 125-köpfigen Gemeinderat zu wählen. Für die Ständeratswahl standen zwei Frauen auf der Liste: die freisinnige Nationalrätin Martha Ribi-Raschle und die sozialdemokratische Zürcher Stadträtin Emilie Lieberherr. Die Zeitungen waren voll mit Berichten über die zwei gegensätzlichen Kandidatinnen. Aber auch bei den Stadtratswahlen standen im Vorfeld zwei Frauen im Zentrum; die damals umstrittene Stadträtin Regula Pestalozzi und die überaus beliebte Emilie Lieberherr, die aufgrund der Bekanntgabe, dass sie für den Ständerat kandidiere, stark ins Rampenlicht rückte. Alfred Messerli schrieb im Züri Leu vom 6. Januar 1978: «Heute ist die Ausgangslage zu den Stadtratswahlen klar. Es sind elf ernsthafte Kandidaten, die sich um die neun Sitze streiten. Die politische Palette war noch nie so bunt, die Ausmarchung um die neun Stadtratssitze noch nie so spannend und auch noch nie so offen. Prognosen zu stellen wagen nicht einmal erfahrene kommunalpolitische Hasen.» Eines aber schien im Vorfeld klar: dass die Sozialministerin Emilie Lieberherr mit Sicherheit wiedergewählt würde. Bei einer Umfrage vom 13. Januar 1978 im Züri Leu stand sie – zusammen mit Stadtpräsident Sigmund Widmer – mit 97 Prozent Wahlchancen an der Spitze. Lieberherr wurde später, an jenem 26. Februar 1978, auch tatsächlich für eine weitere Amts periode von vier Jahren gewählt. Die freisinnige Regula Pestalozzi, die seit 1974 Stadträtin und Vorsteherin des damaligen Gesundheits- und Wirtschaftsamts war, schaffte die Wiederwahl hingegen nicht mehr.

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«Sehr geehrte Frau Ständerat, als Obmann der Klassenvereinigung ‹Gotthardbahnsekundarschule des Lehrers Emil Goetz, mit Jahrgang 1901›, gratuliere ich Ihnen zu Ihrer Wahl als Mitglied des Ständerates. Sie sind wohl seit je die ‹höchste Erstfelderin›, was uns sehr freut. Ihren Herrn Papa habe ich noch persönlich gekannt. Mit freundlichen Grüssen, Adolf Alder, a. städt. Schulsekretär.» «Liebes Emilie, ich gratuliere und danke Dir, dass Du Dich für diesen Wahlkampf gegen Frau Ribi zur Verfügung gestellt hast. Im Be wusstsein, dass mit Dir eine hervorragende Parlamentarierin in die kleine Kammer einziehen wird, wünsche ich Dir viel Glück, Freude und Erfolg. Dein Albin Indergand, Silenen.» «Sehr geehrte Frau Dr. Emilie Lieberherr! Es hat mich wohl noch nie ein Wahlresultat derart gefreut, wie jenes vom letzten Wochenende. Jetzt wissen wir, dass endlich eine Frau im Ständerat für uns Frauen kämpfen wird. Wir Alten haben Angst um die AHV. Wir haben nie von der Hochkonjunktur profitiert. Wir danken Ihnen für Ihren grossen Einsatz für alle wirtschaftlich Schwächeren und wünschen Ihnen für Ihre grosse Aufgabe in Zürich und Bern gute Gesundheit, Mut und Durchschlagskraft. Ihre E. Senn.» «Sehr geehrte Frau Kollegin, es gehört zu den guten Traditionen des Ständerates, über alle Unterschiedlichkeiten, sei es der Sprache, der politischen Partei, des Temperaments, der Herkunft usw., echte Kollegialität zu üben. Die fällt mir nach Ihrer erfolgreichen Wahl in den Ständerat keineswegs schwer. Als Urner Standesvertreter ist es mir ein echtes Bedürfnis, Ihnen zum grossen Erfolg zu gratulieren. Uri ist nun fast mit zweieinhalb Ständeräten vertreten. Dies ist keineswegs ungerecht, weil doch Ernst Brugger als ein mütterlicherseits verbundener Urner, von der politischen Bühne zurücktritt. Ich möchte mit diesen Zeilen zum Ausdruck bringen, dass Sie auf die oberwähnte Kollegialität rechnen dürfen. Ich möchte dies, bezogen auf meine Person, gerne zum Ausdruck bringen und Sie meiner vorzüglichen Hochachtung versichern. Franz Muheim, Altdorf.»

Emilie Lieberherr im Bundeshaus Für manche war es ein unglaublicher Moment: Die Urnerin hielt Einzug im Bundeshaus! Es war der 27. Februar 1978.

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Emilie Lieberherr bestieg in Zürich den Schnellzug nach Bern. Im Abteil erwarteten sie zwei Freundinnen, die ihre Mitstreiterin an diesem Ehrentag begleiten wollten. Während der Fahrt etwas Make-up, etwas Lippenstift … In Bern angekommen, marschierte Emilie zum Hotel Bären, wo sie sich auf ihren ersten Auftritt im Ständerat vorbereitete. Die «bernerfahrene» Hedi Lang war bereits vor Ort und fragte Emilie, wie es ihr gehe. Diese meinte: «Schon ein bisschen komisch», sodass ihr Hedi Mut zusprach. Ihr sogar riet, etwas Dunkles zu tragen, anstatt des türkisblauen Reisekleids. Schliesslich erschien die neue Ständerätin in einem dunkelblauen Deux-Pièces mit einem hellen Cardin-Foulard im Foyer. Ihr Zürcher LDU-Ratskollege, Albin Heimann, begleitete sie in den Ratssaal. Zum ersten Mal in der Geschichte des Ständerats brauchte der Rats präsident für seine neue Kollegin aus der Deutschschweiz die Anrede «Sehr verehrte Dame», bevor er die Männer begrüsste. Umgeben von Männern – und nur Männern – legte Emilie Lieberherr ihren Eid ab. Die Westschweizerin Lise Girardin – von 1971 bis 1975 die erste Frau überhaupt im Ständerat – wurde lediglich mit «Madame» angesprochen. Die Situation schien für die Männer ungewohnt, und sie mussten sich erst daran gewöhnen, dass nun eine Frau unter ihnen war, die in Zukunft nicht zu überhören sein würde. Wie damals, als sie Stadträtin geworden war, diskutierten die Männer, wie die Neue wohl angesprochen werden sollte: «Frau Lieberherr», «Frau Dr. Lieberherr», «Frau Ständerat», «Frau Ständerätin» oder einfach «liebe Kollegin». Bereits im Herbst 1979 fanden die regulären Ständeratswahlen statt. Emilie Lieberherr konnte ihren Sitz nur knapp behaupten: Ledig lich 921 Stimmen trennten sie vom Freisinnigen Riccardo Jagmetti.

Tätigkeit im Ständerat Wie die Zürcher Stadträtin bereits im Vorfeld angekündigt hatte, war es ihr Ziel, ihre Themen, die sie in Zürich vertrat, auch in die kleine Kammer einzubringen: Sozialpolitik, Konsumentenfragen, Frauenfragen, Finanz- und Wirtschaftspolitik sowie Agrarpolitik. Konkret wollte sie sich für das neue Eherecht, die soziale Sicherheit, den Gleichberechtigungsartikel, die Mutterschutzinitiative einsetzen.

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Für Emilie Lieberherr galt es nun, zwei sehr anspruchsvollen Ämtern gerecht zu werden. Gefordert war sie in ihrer Hauptaufgabe als Stadträtin und Sozialministerin in Zürich. Gefordert war sie aber auch als Ständerätin in Bern. Ihre Aufgabe, die Anliegen der Zürcherinnen und Zürcher in der kleinen Kammer zu vertreten, hat Emilie Lieberherr sehr ernst genommen. Besonders wenn es um die Anliegen der Frauen ging, setzte sie sich vehement, hartnäckig, aufmüpfig und mit zielsicherer Durchschlagskraft ein. In einer ihrer vielen Unterlagen liest man den Satz: «Ich spreche immer dann, wenn es um die Interessen der Frauen geht.» Aber zu Wort gemeldet hatte sie sich selbstverständlich auch zu anderen Belangen. Verena Bia, die langjährige Sekretärin von Emilie Lieberherr, erinnert sich: «Die Zusammenarbeit während ihrer Zeit im Ständerat war besonders interessant, aber auch intensiv. Es war nicht möglich, eine Agenda zu führen, weil Emilie dies selber tat. Das war nicht immer einfach. Mit ihr zusammen organisierte ich die Vorbereitungen für die Session. Dabei tippte ich ihre Voten mit der alten Schreibmaschine und Frau Lieberherr hat immer wieder gefragt: ‹Versteht man das? Ist das klar und verständlich?› Wir haben gut zusammengearbeitet. Und ich habe unendlich viel gelernt.» Im Ständerat war Emilie Lieberherr der Pünktlichkeit verpflichtet. Als einzige Frau in der kleinen Kammer galt es, zeitig vor Ort zu sein, zumal sie zuerst mit «Sehr verehrte Dame» begrüsst wurde und damit ihre Abwesenheit besonders aufgefallen wäre. Böse Zungen behaupteten, sie sei in Bern mehr Gast gewesen, was Frau Bia auch heute noch klar verneint. Ihre Chefin sei jeweils am späteren Nachmittag mit dem Zug nach Bern gefahren und am folgenden Nachmittag bereits wieder in Zürich gewesen. Nur bei den Bierrunden hätte sie gefehlt. Dass aber die Doppelbelastung Unruhe und Stress in das Leben der Zürcher Stadträtin gebracht hatte, war den meisten klar. Die Powerfrau, die meistens in ihrer Lieblingsfarbe Rot erschien, wenn sie etwas erreichen wollte, da ihr diese Farbe, wie sie selber sagte, Kraft verlieh, arbeitete in jener Zeit fast Tag und Nacht. Wie in Zürich, so hat sie in Bern ihre Anliegen vertreten. Dazu gehörten vor allem das Gleichstellungsgesetz sowie das neue Ehe- und Güterrecht.

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Engagiert verficht Emilie Lieberherr ihre Anliegen in Bern. Sie vertritt den Kanton Zürich vom 27. Februar 1978 bis 27. November 1983 im Ständerat.

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Gleichstellung von Frau und Mann Im Vorfeld der eidgenössischen Abstimmung zum Gleichstellungsgesetz vom Juni 1981 leistete Emilie Lieberherr einmal mehr Aufklärungsarbeit. Im Schweizer Frauenblatt schrieb sie: «Der Katalog der Benachteiligungen ist gross. Solange diese nicht abgebaut werden, solange Frauen sich unfrei fühlen, solange Frauen gesellschaftlich minderbewertet werden, wenn sie dem männlichen Rollenklischee nicht entsprechen, wonach Frauen in erster Linie Ehefrauen und Mütter, die Männer dagegen Ernährer und Väter sein sollten, solange wird unser Land keine demokratische und keine gerechte Gesellschaft beheimaten. Ich denke hier vor allem an die vielen geschiedenen und ledigen Frauen und die unverheirateten Mütter. Sie leiden zum Teil unter erheblichen materiellen Nöten, weil zum Beispiel die AHV, von Männern geschaffen, in erster Linie an die verheiratete Frau, respektive an die Witwe denkt. Ich denke aber auch an die vielen mangelhaft oder überhaupt nicht ausgebildeten Frauen, die sich mit ihrem geringen Frauenlohn am Rande des Existenzminimums bewegen, am Wohlstand unseres Landes nur dürftig Anteil nehmen und im vorgerückten Alter um ihren Arbeitsplatz bangen. Solche Frauen fürchten sich auch vor der Automation und Computerisierung: Sie sind keine Ausnahme, sondern kommen in grosser Zahl vor. Mit der Annahme des neuen Artikels werden nicht automatisch alle Ungerechtigkeiten aus der Welt geschafft. Alte Gesetze werden angepasst, neue müssen geschaffen werden. Die Parlamentarierinnen werden alle Hände voll zu tun haben, damit das Prinzip der Gleichberechtigung nicht bloss toter Buchstabe bleibt. Vergessen wir nicht, dass das Ziel der Gleichberechtigung nur mit einem gesellschaftlichen Prozess erreicht wird. Die Frau wird in ihrer Selbstentfaltung nur dann gestärkt, wenn wir alle bereit sind, Mann und Frau die gleichen Chancen zuzu gestehen und beide in ihrer Eigenart als gleichwertig zu betrachten.» Die Frauen mussten lange auf ihre Gleichberechtigung warten. Zehn Jahre nachdem das Frauenstimmrecht auf nationaler Ebene eingeführt worden war, war es endlich so weit. Am 14. Juni 1981 nahm das Stimmvolk den Verfassungsartikel an. Es handelte sich um den Gegenvorschlag des Bundesrats zur Initiative «Gleiche Rechte für Mann und Frau». Der neue Artikel lautete wörtlich: «Mann und Frau sind gleich-

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Anhang Personenregister

Kaufmann, Jürg 200, 201, 202, 203, 204, 207, 208, 211, 216 Keller, Gottfried 200, 211 Keller-Graf, Elisabeth 67 Kistler, Gonzague 171 Klöti, Emil 133 Koch, Ursula 207 Kopp, Elisabeth 75 Kauer, Marthe 67 Kriesmer, Jan 168 Kübler, Christine 210 Kübler, Ferdy 210 Lang, Hedi 75, 76, 77, 78, 79, 135, 136, 141, 143, 155, 189

Hayek, Nicolas 215 Hediger, Heini 66 Heeb, Irma 67

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Jagmetti, Riccardo 143 Jans, Paul 227, 228 Johannes Biske, Käthe 114

Gassmann, Rita 64, 102 Gessner, Selma 55, 58, 67 Gilgen, Alfred 159, 187 Gilli, Markus 225 Girard-Montet, Gertrud 52 Girardin, Lise 75, 143 Göcking, Sr. Cornelia 25, 30 Goetz, Emil 142 Göttisheim, Emil 45 Greulich, Herman 45 Gutmann, Tanja 228

Calosci, Alessandro 215

Indergand, Albin 142

Faber-Odermatt, Gaby 67 Fischer, Arnold 72 Fonda, Henry 34, 117, 118, 129 Fonda, Peter 117, 118, 125, 129, 215 Frey, Tilo 75, 77 Frey-Wettstein, Franziska 245 Frick, Hans 160, 167, 168, 169, 171, 172, 188, 194, 231, 232 Fricker, Gertrud 42 Fünfschilling, Leonhard 168 Furrer, Josef 141 Fürst, Peter 163

Bachmann, Arthur 49 Bachmann, Elisabeth 75 Baumeler, Viktor 187, 188, 189, 191 Benz-Burger, Lydia 53, 67, 75 Bia, Verena 146, 179, 180, 182, 184, 220 Binder, Simone 40 Birve, M. L . 75 Blunschy, Elisabeth 75, 77 Bluntschli, Johann Caspar 226 Boehlen, Marie 46 Borromäus, Karl 24 Brandt, Willy 215 Braunschweig, Hansjörg 141 Brechbühl, Helen 75 Bretscher, Otto 43 Brugger, Ernst 142 Bryner, Max 160, 166, 200, 201, 203 Büchner, Georg 215 Buck, Hulda 84 Bührer, Esther 151, 155 Bünzli, Gertrud 42 Bürgi, Gabriela 120, 121 Bürgi, Ruedi 121, 123 Bürgi Dellsperger, Christina 67, 120, 121 Bürgi-Lieberherr, Lina 119, 120, 122

Heidelberger-Bader, Ruth 112, 114 Heimann, Albin 134, 135, 143 Heinzelmann, Gertrud 46, 50, 229 Heuer, Walter 68 Hohl, Bruno 171, 191, 193, 195, 196, 197 Höltschi, Peter 65 Honegger, Fritz 131, 134, 141 Hubacher, Helmut 141, 154 Huber, Karl 58 Hürlimann, Hans 103

Eichenberger, Rita 75 Engeler, Adolf 73 Engeli, Elisabeth 73 Estermann, Josef 207, 208, 216, 218

Aeschbacher, Ruedi 165 Alder, Adolf 142 Autenrieth-Gander, Hulda 50

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Anhang

Ribi-Raschle, Martha 131, 136 Richner, Fritz 26, 27 Rogger, Franziska 50, 55 Rosenberg, Monika 123 Ruch, Carl 71 Rudolf-Benoit, Yvonne 44 Rüst, Thomas 157, 163 Rutishauser, Armin 126 Rutishauser, Minnie 29, 31, 33, 34, 54, 64, 67, 68, 71, 79, 117, 118, 119, 120, 123, 126, 127, 128, 129, 130, 138, 139, 155, 226, 231, 232, 233, 234 Rutishauser, Otto 117

Uchtenhagen, Ambros 176, 177, 188 Uchtenhagen, Lilian 67, 75, 76, 136, 189

Spühler, Willy 133 Stocker, Monika 220

Pestalozzi, Regula 131 Pflüger, Susan L. 228 Prerost, Irene 64 Presley, Elvis 123

Thalmann, Hanny 75, 77

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Wagner, Thomas 165, 207, 208 Waldis, Carl 22 Waldner, Liliane 189, 190, 191 Walker, Sepp 72 Wallimann, Hanny 215 Weber, Monika 12, 43, 232 Wehrli, Hans 208 Wehrli-Knobel, Betty 91 Welter, Edith 63, 64, 84 Welter, Ruedi 63, 84, 177 Wicky, Nelly 75 Widmer, Sigmund 105, 131, 160, 164, 166, 186 Wipf, Lisa 75 Wipfli, W. 71

Zaugg-Alt, Maria 67 Zberg, Franz 120 Zberg, Hanspeter 119 Zberg, Markus 120 Zberg, Ursula 120 Zellweger, Eduard 133 Ziegler, August 65, 84, 99, 196

Othmar, Sr. 72

Nabholz, Lili 101, 104 Nanchen, Gabrielle 75, 77 Neukomm, Robert 207 Nigg, Wolfgang 172, 207

Schellenberg, Margrit 75 Schibler-Kägi, Claire 39 Schmid-Märki, Margrit 67 Schmidt, Dora 26, 27 Schütz, Otti 64 Schwager, Susanna 63 Seidenberg, André 169, 171, 176, 177 Senn, E. 142 Sieber, Ernst 172 Smith, Adam 33 Sommaruga, Simonetta 234 Sonderegger, Alfons 219 Spreng, Liselotte 75, 77 Spross, Werner 210

Mächler, Berta 42 Marbach, Fritz 33 Mauch, Corine 10, 232 Megnet, Maria 72 Meier, Fredy 168 Meier, Josi 75, 77 Messerli, Alfred 131 Messmer, Fanny 67, 75 Meyer, Helen 75, 77 Meyer-Fröhlich, Liselotte 46, 67, 114 Monroe, Marilyn 118 Moos von, Ludwig 58 Morf, Doris 67, 75 Muheim, Franz 142

Valentin, Andrée 49 Victoria, Vera 215

Leuenberger, Moritz 141 Lieberherr, Jakob 15, 17, 19, 20, 24 Lieberherr-Dallabona, Theresia 15, 17, 19, 20 Lieberherr, Theresia 15, 20 Lieberherr, Lina-Adele 15, 20, 21, 66, 119, 120, 121, 122 Lieberherr-Hoppli, Emilie 17 Lieberherr-Schmid, Ursula 15 Liniger-Imfeld, M. 75 Loepfe, Koni 219 Lüönd, Karl 164, 165 Lüssi, Susi 231

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Quellen und Literatur

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Fernsehsendungen CH-Magazin SRF, Talkshow, 15.7.1980. Emilie Lieberherr – die Kämpferin SRF, DOK, 13.1.2011.

Zeitungen und Zeitschriften annabelle Blick Coopzeitung Der Zöllner Die Frau in Leben und Arbeit Die Staatsbürgerin Die Vorstadt Femina Gazzetta Emilia Genossenschafter, Gewerkschafter und Angestellte Jetzt von Frauen für Frauen Magazin des Tages-Anzeigers

Meyers Modeblatt Nationalzeitung Neue Zürcher Zeitung Neujahrsblatt der Gesellschaft zu Fraumünster NZZ Folio prüf mit Schweizer Familie Schweizer Frauenblatt Schweizer Illustrierte S Rote Heftli Süddeutsche Zeitung Tagblatt der Stadt Zürich Tages-Anzeiger Weltwoche Zeitlupe Züri Leu

Archive Bibliothek am Guisanplatz BIG, Bern Bundesarchiv, Bern ETH-Archiv, Zürich Gosteli-Archiv, Worblaufen Schweizerisches Sozialarchiv Zürich Stadtarchiv Zürich: Nachlass Emilie Lieberherr Zentralbibliothek Zürich

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Anhang

Literatur Bauer, Regula; Pflüger, Susann L.: Neujahrsblatt der Gesellschaft zu Fraumünster auf das Jahr 2015, Neuntes Stück, Emilie Lieberherr und Gertrud Heinzelmann, herausgegeben von der Gesellschaft zu Fraumünster, Zürich 2014. Blunschy-Steiner, Elisabeth; Gasser, Heidy: Ein Leben für mehr soziale Gerechtigkeit, Albert Köchlin Stiftung AKS, Luzern 2010. Eidgenössische Kommission für Frauenfragen EKF (Hrsg.): Frauen – Macht – Geschichte, Bern 2001. Goethe, Johann Wolfgang von: Dichtung und Wahrheit, 7. Buch, 10. Band der Gedenkausgabe, Artemis Verlag, Zürich 1948. Meyer, Peter C. (Hrsg.): Politische Brücken bauen. Liselotte Meyer-Fröhlich. Pionierin für Frauenrechte, Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2015. Nast, Matthias: 40 Jahre und kein bisschen leise. Konsumentenschutz von 1964 bis heute, Stiftung für Konsumentenschutz, Bern 2004. Nigg, Heinz (Hrsg.): Wir wollen alles, und zwar subito! Die Achtziger Jugendunruhen in der Schweiz und ihre Folgen, Limmat Verlag, Zürich 2001. - Über das Gute. Eine PhilosoNishida, Kitaro: phie der Reinen Erfahrung, Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 2001.

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Rogger, Franziska: Gebt den Schweizerinnen ihre Geschichte! Marthe Gosteli, ihr Archiv und der übersehene Kampf ums Frauenstimmrecht, Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2015. Rogger, Franziska: Marthe Gosteli. Wie sie den Schweizerinnen ihre Geschichte rettete, Stämpfli Verlag, Bern 2017. Sauter, Marion: Die Kunstdenkmäler des Kanton Uri III, Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern 2017. Schwager, Susanna: Das volle Leben. Frauen über achtzig erzählen, Wörterseh Verlag, Gockhausen 2007. Schweizerischer Verband für Frauenrechte (Hrsg.): Der Kampf um gleiche Rechte, Schwabe Verlag, Basel 2009. Sprenger Viol, Inge: Drei Wege ins Bundeshaus. Elisabeth Blunschy, Josi J. Meier, Judith Stamm, Comenius Verlag, Luzern 2003. Studer, Andrea Brigitte; Lüssi, Susi (Hrsg.): Emilie Lieberherr, Festschrift zum 85. Geburtstag, 2009. Wehrli-Knobel, Betty: Mit Frauen im Gespräch. Eine Frau im Stadtrat – Dr. Emilie Lieberherr, Zürich, Rotapfel-Verlag, Zürich 1974. Zeindler, Nathalie: Beherzt und unerschrocken. Wie Judith Stamm den Frauen den Weg ebnete, Xanthippe Verlag, Zürich 2008.

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Bildnachweis

Alterszentren Stadt Zürich: 108 Sven Aregger / Urner Zeitung: 227 unten Bibliothek am Guisanplatz, Sammlung Rutishauser, Walter Rutishauser: 144, 147 Thomas Burla: 214, 217 oben u. unten, 221 ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv: 16, 127 Fotostiftung Schweiz, Doris Quarella: 202 KEYSTONE / Gaetan Bally: 230 KEYSTONE / Walter Bieri: 125, 233 KEYSTONE/ Fernando Ghisleni: 48 KEYSTONE / Peter Lauth: 227 oben KEYSTONE / Martin Rütschi: 128 KEYSTONE / Niklaus Stauss: 35 KEYSTONE / Photopress-Archiv / Joe Widmer: 54 KEYSTONE / Photopress-Archiv / STR: 74 KEYSTONE / Photopress-Archiv / STR: 85 KEYSTONE / Photopress-Archiv / STR: 98 KEYSTONE / Photopress-Archiv / STR: 113 KEYSTONE / Photopress-Archiv / STR: 162 KEYSTONE / STR: 38 oben u. unten, 77, 86, 135 oben, 151, 166, 173, 206 Kloster Ingenbohl: 25 oben u. unten Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, ZHdK: 47, 62

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Reto Oeschger: 224 Privatarchiv Emilie Lieberherr: 21, 23 oben u. unten, 28, 29, 31, 32, 66, 121 Privatarchiv, Järmann-Bürgi-Erben: 122 Privatarchiv, Lieberherr-Dallabona-Erben: 19, 20 Schweizerisches Nationalmuseum: 235 Sozialarchiv Zürich: 51, 57 unten, 92, 132, 135 unten, 170, 201, 205 unten Stadtarchiv Zürich: 89, 185, 210 oben u. unten Stadtarchiv Zürich, Jost Camenzind: 140 Stadtarchiv Zürich, Hermann Freytag: 69, 70 Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv, aus dem Pressebildarchiv des Tages-Anzeigers: Thomas Burla: 209 / Dominic Büttner: 213 / Jost Camenzind: 139 / Beat Marti: 205 / Jack Metzger: 57 / Walter Rutishauser: 147 / Bruno Schlatter: 82 / Karl Schweizer: 95 / Hugo Stamm: 158 / Andreas Zurbuchen: 161, 181 Autorin und Verlag haben sich bemüht, die Urheberrechte der Abbildungen ausfindig zu machen. In Fällen, in denen ein exakter Nachweis nicht möglich war, bitten sie die Inhaber der Copyrights um Nachricht. ­

Die Ziffern beziehen sich auf die Seitenzahlen.

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Mit einem Vorwort von Corine Mauch

Emilie Lieberherr

«Bei strahlend schönem Vorfrühlingswetter standen schon am frühen Nachmittag des 1. März 1969 die ersten Frauen auf dem Bundesplatz. Der Zug aus Zürich traf um 14.40 Uhr in Bern ein. Zwischenzeitlich füllte sich der Bundesplatz. Basler Fahnen und kleine Schweizer Fähnchen waren zu sehen; zwei Buben hielten ein Schild mit der Aufschrift: ‹Stimmrecht für unsere Mütter›. […] Es wurden Trillerpfeifen verkauft. Polizisten mit Funkgeräten standen hinter der Absperrung zum Bundeshaus. Auf der Terrasse positionierten sich Feuerwehrleute mit Schläuchen. […] Punkt 15 Uhr ertönten die Trommeln. […] Mit klaren, knappen, aber kraftvollen Worten begrüsste Emilie Lieberherr im roten Mantel die geschätzten 5000 Anwesenden und hielt, wie sie später sagte, ‹ihre Brandrede›.»

Trudi von Fellenberg-Bitzi

© Ursula Markus

Trudi von Fellenberg-Bitzi, geboren und aufgewachsen in Zug, ist Journalistin und Autorin. Sie war verantwortliche Redakteurin von Crosstalk, Ressortleiterin Reportagen bei annabelle und Chefredakteurin der SAirGroup-Konzernzeitung. Sie hat verschiedene Biografien sowie Lyrik und Prosa publiziert und ist Trägerin von Förderpreisen des Kantons Zug und – für ihre Kinderstunden im Schweizer Radio DRS – der früheren SRG Zentralschweiz. Seit 2018 ist sie Vizepräsidentin des Innerschweizer Schriftstellerinnen- und Schriftstellervereins ISVV.

Emilie Lieberherr (1924–2011) wuchs unter einfachen Bedingungen im Kanton Uri auf und sprengte bereits als junge Frau die Grenzen aller Konventionen: Sie besuchte als reformiertes Mädchen das katholische Internat Ingenbohl, ging als erste Frau aus dem Kanton Uri an die Universität und doktorierte 1965 in Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Heute gilt sie als eine der wichtigsten Vorkämpferinnen einer fortschrittlichen Frauen-, Alters- und Drogenpolitik. Als erste Zürcher Stadträtin und Vorsteherin des Sozialamts erkannte sie früh, von welch grosser gesellschaftlicher Bedeutung das Thema Alter bald sein würde. Sie stand mit Temperament und Herz für eine neue, liberale Drogenpolitik ein, die weit über die Landes­grenzen hinaus prägend wirkte. Vor allem aber setzte sich die hartnäckige Konsumentenschützerin, Sozialpolitikerin, Stadtund Ständerätin ein Leben lang kampflustig und konsequent für die Rechte der Frauen ein.

Trudi von Fellenberg-Bitzi

Emilie Lieberherr Pionierin der Schweizer Frauenpolitik ISBN 978-3-03810-408-7

ISBN 978-3-03810-408-7

9 783038 104087

www.nzz-libro.ch

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NZZ Libro

Umschlagfoto: Christian Lanz

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