Microsoft (D)

Page 1

Samstag, 22. September 2018

Verlagsbeilage

Digitale Transformation

CH-8021 Zürich  ·  Telefon  +41 44 258 16 98  ·  www.nzzcontentsolutions.ch

BILDER MICHELE LIMINA UND BRUNO ARNOLD

QUELLE

Geschichten und Gesichter hinter der Digitalisierung


2  NZZ-Verlagsbeilage

Digitale Transformation

Samstag, 22. September 2018

«Die Cloud demokratisiert den Zugang zu zukunftsträchtigen Technologien» Ab 2019 betreibt Microsoft hierzulande eigene Datenzentren. Welche Vorteile die nationale Cloud-Lösung den Partnern und Kunden bringt, erläutert Marc Holitscher, Chief Technology Officer (CTO) von Microsoft Schweiz. Die Wirtschaft operiert global, digitale Transfers kennen keine Grenzen. Und jetzt das: Microsoft holt die Cloud in die Schweiz und betreibt ab nächstem Jahr in Genf und Zürich zwei inländische Datenzentren. Eigentlich ein Widerspruch, nicht? Nein. Tatsache ist: Die Schweizer Cloud wurde nicht in einem Hinterzimmer von Microsoft ersonnen, sie entspricht einem ausgeprägten Kundenbedürfnis. Der Grossteil der Unternehmen in diesem Land hat mittlerweile erkannt, dass die Cloud die effizienteste Form ist, wie man IT-Leistungen bereitstellen und konsumieren kann. Und viele Betriebe wünschen sich diesbezüglich eben explizit eine Schweizer Lösung. So nach dem Grundsatz «Zu Hause ist es vielleicht nicht immer am besten – aber am sichersten»? Die globalen Cloud Services von Microsoft basieren auf den Prinzipien Sicherheit, Compliance, Datenschutz und Transparenz. Die Möglichkeit, Daten in unseren neuen Cloud-Regionen Zürich und Genf zu speichern, bietet dahingehend eine weitere Kontrollebene. Denn wir garantieren, dass die gespeicherten Daten die Schweiz nicht verlassen. Das hilft Unternehmen und Institutionen, die regulatorischen Anforderungen zu erfüllen.

Welche Rolle spielen Technologiekonzerne in solch einem Konstrukt? Wir von Microsoft haben die Idee der «Digitalen Genfer Konvention» lanciert und wir sind Mitinitiantin des sogenannten «Tech Accords», der globale Technologieunternehmen verpflichtet, staatlich verordnete Cyberattacken nicht zu unterstützen und sich an gemeinsam vereinbarte Handlungsweisungen zu halten. Namhafte Unternehmen haben sich inzwischen der Initiative angeschlossen. Aus der Schweiz beispielsweise ABB und Swisscom. Eine persönliche Frage: Sie befassen sich täglich mit Herausforderungen rund um Daten und Internet. Wie oft überprüfen Sie beim Verlassen Ihres Hauses, ob Sie auch tatsächlich abgeschlossen haben? Eine gute Frage. Ja, ich ertappe mich manchmal tatsächlich, dass ich zweimal prüfend die Türklinke drücke.

«Ob analog oder digital: Das schwächste Glied ist immer noch der Mensch», sagt Marc Holitscher, CTO von Microsoft Schweiz.

Sie sprechen vor allem das Finanzwesen an. Nicht nur. Aber natürlich, in der Finanzindustrie, bei Versicherungen und der öffentlichen Hand ist die garantierte Datenspeicherung in der Schweiz seit Jahren ein ungemein wichtiges Thema. Hier spielen mitunter rechtliche und regulatorische Anforderungen eine entscheidende Rolle. Beim örtlichen Schreiner hingegen schwingen vielleicht eher emotionale Gründe mit, wenn er sich eine Schweizer Cloud-Lösung wünscht. Wie dürfen wir das verstehen? Die meisten von uns kennen es aus eigener Erfahrung: Wir Schweizer haben die Dinge, die uns wichtig sind, gerne möglichst nahe bei uns – und wenn möglich unter eigener Kontrolle.

MICHELE LIMINA

«Wir garantieren, dass die gespeicherten Daten die Schweiz nicht verlassen.»

Wie können gerade KMU von Ihrer Schweizer Cloud-Lösung profitieren? Zum einen sind da verschiedene Skalenvorteile. Beispielsweise bei der Latenz: Die Verbindungszeit verkürzt sich. Vielleicht lediglich um ein paar Millisekunden, aber für Unternehmen, die täglich Hochfrequenztransaktionen tätigen, ist dies ein bedeutender Aspekt. Und auch produzierende Branchen profitieren davon, beispielsweise wenn sie komplexe Modelle bauen oder viele Sensordaten abgreifen.

rückgreifen können, die bis anhin Grosskonzernen vorbehalten waren, beispielsweise Big Data oder künstliche Intelligenz. Die Cloud demokratisiert den Zugang zu zukunftsträchtigen Technologien. Cloud-Lösungen bieten Sicherheit im Cyberspace und sie schützen nicht zuletzt das geistige Eigentum. Etwas, das sowohl für die Schweiz als Wirtschaftsnation als auch und gerade für kleinere Unternehmen von eminenter Bedeutung ist.

Ein Wettbewerbsvorteil also. Genau. Hinzu kommt, dass auch kleinere Betriebe auf Anwendungen zu-

Bleiben wir kurz beim Beispiel des lokalen Schreiners. Welche Vorteile bringt ihm die Cloud-Lösung konkret?

Ob Schreiner oder Treuhänder, ob Gartencenter oder öffentliche Verwaltung: Häufig macht es keinen Sinn, dass solche Firmen und Behörden eigene Datencenter betreiben, geschweige denn, sich mit komplizierten Sicherheitsfragen und Regulatorien beschäftigen müssen. Das hat nie in deren Kernkompetenz gelegen und soll es auch nicht in Zukunft. Unternehmerisch entspricht es also einem rationalen Entscheid, das zu tun, was ich wirklich kann und will – und andere Bereiche jemandem zu übergeben, der darauf spezialisiert ist und nichts anderes tut. Sie meinen selbstredend Microsoft! Den Entscheid, welche Cloud man letztendlich nützt, der liegt nach wie vor in der Verantwortung des jeweiligen Unternehmens. Aber ich glaube, dass gerade im Bereich Sicherheit niemand daran zweifelt, dass Microsoft ein höheres Level bieten kann als ein Einzelunternehmen. Wir investieren jährlich 1 Milliarde Dollar in sicherheitsrelevante Aktivitäten. Das ist schon eine ganze Menge. Die Sicherheit ist heutzutage ein Dauerthema. Absolut. Datenströme halten sich nicht an Landesgrenzen, eine vernetzte Welt erfordert vernetzte Antworten. Ein wirksamer Schutz vor Cyberangriffen kann nur in enger, grenzüberschreitender Zusammenarbeit von staatlichen Einrich-

«Wir investieren jährlich 1 Milliarde Dollar in sicherheits­relevante Aktivitäten.»

tungen und Unternehmen der Privatwirtschaft erfolgen. Wie sieht diese Zusammenarbeit Ihrer Meinung nach aus? Privatsphäre ist für uns ein Menschenrecht, das geschützt werden muss. Und die «Digitale Genfer Konvention» wäre diesbezüglich eine umsetzbare Idee. Diese verpflichtet staatliche Akteure zur Einhaltung von anerkannten Normen. Zum Beispiel: Keine IT-Systeme von Spitälern oder Energieversorgern anzugreifen, deren Zerstörung weitreichende Folgen für die Sicherheit und das Wohlergehen von Zivilpersonen hat.

Inhalt

Eine gewisse «Déformation professionnelle»? Das kann man so sagen, durchaus (lacht). Allerdings ist es mir so persönlich lieber – die Macht der Gewohnheit kann ja b ­ ekanntlich auch genau das Gegenteil bewirken. Wie meinen Sie das? Dass man nachlässig wird. Ich begegne immer wieder Unternehmen, die viel Geld in ihre digitale Sicherheit investieren – und nach Feierabend schlicht vergessen, ihren Serverraum abzuschliessen. Da erübrigt sich dann eine Diskussion um Cyberkriminalität und Cloud Security. Ob analog oder digital: Das schwächste Glied ist in beiden Welten immer noch der Mensch. Interview: Flavian Cajacob

Zur Person fwc. · Als Chief Technology Officer (CTO) und Mitglied der Geschäftsleitung von Microsoft Schweiz unterstützt Marc Holitscher ausgewählte Kunden bei der Umsetzung innovativer Geschäftsmodelle. Insbesondere arbeitet er eng mit Firmen der Finanzindustrie zusammen und begleitet diese in der ganzheitlichen Beurteilung relevanter Chancen und Risiken bei der Einführung von Cloud-basierten Szenarien. Zudem verantwortet Holitscher die Positionierung strategischer Themen wie Cybersecurity oder künstliche Intelligenz bei Entscheidungsträgern im kommerziellen und öffentlichen ­Bereich. Holitscher hat an der Universität Zürich im Bereich Internationale Beziehungen promoviert. Er ist verheiratet und Vater einer Tochter.

Impressum

EDELWEISS AIR

SWISS LIFE

BÜHLER GROUP

Eine neue Plattform beugt Unregelmässigkeiten vor.

Der Versicherungskonzern setzt auf die hybride Cloud.

Die Digitalisierung macht die Nahrungskette besser.

Seite 5

Seite 7

Seite 12

FUNDERS.CH

ROCKETHEALTH

MICROSOFT

Zentralschweizer Initiative zu Crowdlending gestartet.

Swica lanciert mit Partnern erste Symptomcheck-App.

Die Schweiz-CEO wünscht sich von allen mehr Mut.

Seite 6

Seite 8

Seite 13

«Digitale Transformation» ist eine Verlagsbeilage der NZZ-Mediengruppe. Inhalt realisiert durch NZZ Content Solutions in Kooperation mit Microsoft Schweiz. Projektmanagement: Norman Bandi, Leiter NZZ Content Solutions, c/o NZZ Media Solutions AG, Falkenstrasse 11, Postfach, 8021 Zürich. www.nzzcontentsolutions.ch


Digitale Transformation

Samstag, 22. September 2018

3

NZZ-Verlagsbeilage

«Kommunikation spielt sich auf neuem Level ab» Nachgefragt bei Burkhard Böndel, Leiter Unternehmenskommuni­ kation der Bühler Group – ein global führendes Unternehmen der Verfahrenstechnik mit rund 11 000 Mitarbeitenden weltweit. Burkhard Böndel, die Bühler Group ist weltweit tätig. Sie sind auf den Austausch mit Kunden rund um den Globus angewiesen. Wie erleben Sie dies im Alltag? Kommunikation hat sich zu einem ganz entscheidenden Wettbewerbsfaktor entwickelt. Nach innen muss das vorhandene Wissen einfach und effizient allen Mitarbeitenden verfügbar gemacht werden. Geschwindigkeit ist wichtig, ebenso Teamarbeit – alleine stemmt heutzutage kein Mensch mehr ein Projekt, dafür ist unser Geschäft viel zu komplex. Gegen aussen wiederum gilt es, auf uns aufmerksam zu machen. Wir erleben es tagtäglich: Es ist noch nie so einfach gewesen, Kommunikator zu sein. Die Kunst liegt deshalb darin, sich von der Masse abzuheben, Zielgruppen möglichst genau anzusprechen und Inhalte bereitzustellen, die dem Kunden einen Mehrwert bringen.

Collaboration ist für sie nicht nur ein IT-Fachbegriff (von links): Jon Erni (Mia Engiadina), Reto Meneghini (MondayCoffee) und Jan Pfenninger (Planzer).

MICHELE LIMINA

Angewandter Fortschritt Fixfertige Collaboration-Lösungen sparen Zeit, Geld und Nerven. Warum sich ein weltweit tätiger Industriekonzern, eine mittelständische Transportfirma und eine regionale Vernetzungsinitiative für die digitale Arbeitsumgebung des Urdorfer Collaboration-Spezialisten MondayCoffee entschieden haben. FLAVIAN CAJACOB

Die Firma Planzer kennt jedes Kind, das schon einmal über die Autobahn chauffiert worden ist. Die Last- und Lieferwagen des Transport- und Lagerlogistikunternehmens aus Dietikon sind in der ganzen Schweiz unterwegs. Einem Uhrwerk gleich müssen unzählige Zähne perfekt ineinandergreifen, damit eine Fracht pünktlich und unversehrt von A nach B gelangt und der Kunde zufrieden ist. Vertrauen, Vernetzung und Zusammenarbeit, alle drei in Kombination zumal, bilden die Grundlage erfolgreichen Wirtschaftens. Egal, ob auf der Strasse, im Büro oder im weltweiten Meer der Kommunikations- und Organisationstools. Das im Zuge des digitalen Wandels hierfür kreierte Schlagwort: Collaboration.

CoffeeNet 365 via Microsoft Das Urdorfer Unternehmen MondayCoffee hat sich der Erarbeitung von eben solchen Collaboration-Lösungen verschrieben. «Wir liefern unseren Kunden fixfertige Pakete auf Basis von ­Microsoft Office 365», erklärt Reto Meneghini, Gründer und CEO von M ­ ondayCoffee. Die Cloud-gestützte «Out-of-the-Box»Collaboration-Lösung ermöglicht dem Kunden eine rasche und koordinierte Implementierung gewohnter und bekannter Microsoft-Anwendungen. «Was letztendlich Geld und Nerven spart», sagt Meneghini. Bei Planzer entschied man sich für die Lösung CoffeeNet 365. «Auf einer einzigen Plattform wurden Anwendungen wie SharePoint, Yammer, Office 365 oder Skype for Business intelligent verknüpft und auf eine benutzerfreundliche Oberfläche gebracht», erklärt Jan Pfenninger, Leiter Marketing und Kommunikation bei Planzer. «Die neue Arbeitsund Kommunikationsumgebung erlaubt den Mitarbeitenden einen zeit- und ortsunabhängigen Zugriff auf alle Unternehmensinformationen und erleichtert die Abläufe ungemein.»

Zwei Faktoren hätten ganz zentral zum Erfolg der Implementierung beigetragen: «Erstens hat unser Chef Nils Planzer von Anfang an hinter dem Projekt gestanden. Und zweitens verlief die Einführung ganz bewusst als ein laufender Prozess.» Was so viel bedeutet, als dass die Mitarbeitenden so weit als möglich selber und nach ihrem eigenen Gutdünken die Vorzüge der neuen Collaboration-Lösung entdecken sollen. «Wir diktieren nicht von oben herab – wir wollen, dass es sich unter den An­ gestellten herumspricht, was wir da Cooles lanciert haben», sagt Pfenninger. Eine Direktive, die ganz im Sinne von MondayCoffee-Chef Meneghini ist. Digitalisierung habe wenig mit Technologie zu tun, betont er, und fügt mit einem Lächeln an: «Die digitale Transformation findet zuallererst einmal in den Köpfen statt. Und das geschieht am ehesten ohne Druck.»

Alle Möglichkeiten nutzen Ob Konzern oder KMU – rund 90 Prozent der IT-Anwendungen decken sich in etwa. Bei den übrigen 10 Prozent spreche man weniger über technische Finessen, als vielmehr darüber, wie man Möglichkeiten nutzen wolle und könne, ergänzt Meneghini. «Das ist die eigentliche grosse Herausforderung im ganzen Prozess.» Vor grossen Herausforderungen gestanden haben ebenfalls die Bühler Group (siehe Nachgefragt) und die Vernetzungsinitiative Mia Engiadina, die seit fünf Jahren die digitale Evolution im Südbündner Tal auf verschiedenen Ebenen beschleunigt. Für das Projekt, das vom ehemaligen Microsoft-Manager Jon Erni initiiert worden ist, stellt die Digitalisierung sowohl den Antrieb als auch das eigentliche Ziel dar. Scheuklappen, was die Thematik anbelangt, seien deshalb zu keinem Zeitpunkt vorhanden gewesen, betont Erni. Für ihn sei klar gewesen, dass das Gelingen des Vorhabens, das bei der Bereitstellung von Infrastrukturbereichen wie etwa einem Glas-

fasernetz und einem Coworking Space beginnt und nunmehr bei der digitalen Anbindung und der Vernetzung der Schulen angelangt ist, mit der Implementierung einer ausgereiften Collaboration-Lösung einhergeht. CoffeeNet 365 sei dahingehend ideal, weil die Lösung «aus einem Guss» daherkomme. «Ich will mich doch als Unternehmer nicht mit technischen Fragen herumschlagen, ich will ein Tool haben, mit dem ich möglichst rasch all

Wenn man den Menschen ein Produkt in die Hand gibt, dann muss man ihnen auch helfen, ihren Arbeitsstil anzupassen.

meine Aufgaben erledigen kann», umschreibt er sein Credo. Die Implementierung an sich vergleicht Erni mit einem Hausbau. «MondayCoffee hat den Rohbau errichtet und uns als Bauherrschaft eingeladen, zusammen die Räume zu gestalten.» Das habe weniger mit IT und Technik zu tun, viel aber mit Wünschen, Möglichkeiten, Anwendungen und mit der Firmenkultur auch.

Ein Rundum-sorglos-Paket «Angewandte digitale Transformation» nennt Reto Meneghini das, was er und seine Kolleginnen und Kollegen von MondayCoffee täglich praktizieren. Dabei gehe es vor allem ums Zuhören – und

darum, im richtigen Moment das Richtige zu sagen. «Wenn man den Menschen heutzutage ein Produkt in die Hand gibt, dann muss man ihnen auch helfen, ihren Arbeitsstil anzupassen.» Denn es gebe in diesem Zusammenhang nichts Schlimmeres, als wenn ein Unternehmen viel Geld in neue Lösungen investiere und die Mitarbeitenden einfach wie bis anhin weiterarbeiten würden. Diese Gefahr besteht weder im Engadin noch bei Planzer. «Wir sind grundsätzlich eher einmal bodenständig, das liegt in unserer Firmen-DNA und an der Branche, in der wir tätig sind», führt Jan Pfenninger aus. «Trotzdem fanden sich auch jene Kollegen, die nicht unbedingt technikaffin sind, rasch mit der neuen Plattform zurecht.» Lösungen, die vor allem eines sind: Einfach – das ist nach Ansicht von Jon Erni der Schlüssel zum Erfolg, wenn es um die digitale Trans­formation von Unternehmen geht. MondayCoffee-Chef Meneghini nickt ­ zustimmend. «Es klingt zwar ziemlich lapidar, aber ist tatsächlich so: Wenn wir es schaffen, den Zugang zur Thematik dank klar nachvollziehbaren Lösungen zu ermöglichen, wird sich auch die ablehnende Haltung gegenüber neuen Technologien Schritt für Schritt abbauen.»

Was ist der konkrete Auslöser gewesen, dass Bühler in ein neues Intranet investiert hat? Wir verfügten über ein Intranet, das am Ende seines Lebenszyklus angelangt ist. Es war statisch, nicht flexibel und man konnte nur schwer Projekte anlegen und Informationsflüsse generieren. Zudem müssen wir im Alltag auf eine Vielzahl von verschiedenen Produkten und Programmen zurückgreifen, die mit der alten Lösung nicht kompatibel waren. Wo machen Sie in der Folge die grössten Veränderungen aus? Informationsbereitstellung und Kommunikation ganz allgemein spielen sich heute auf einem neuen Level ab. Früher war der Informationsfluss primär «Topdown» strukturiert, von oben nach unten und von der Zentrale hinaus in die Regionen. Mit der neuen Lösung ist er ganz einfach auch zwischen einzelnen Regionen oder Abteilungen möglich, unabhängig von Zeit und Ort. Wobei sich Bühler für CoffeeNet 365 entschieden hat? Die Einführung von CoffeeNet 365 verlief bei uns reibungslos. Die Plattform ist intuitiv nutzbar, was sich natürlich positiv auf die Akzeptanz bei den Mitarbeitenden auswirkt. Die positiven Erfahrungen ermutigen uns, jetzt die nächsten grossen Schritte zu machen und die Zusammenarbeit vor allem auf Dokumentenebene neu zu strukturieren. Das heisst, wir müssen die Daten von den lokalen Festplatten und Fileservern in die Intranet-Cloud hieven. Das erfordert ein Umdenken alter Gewohnheiten – bis ­der letzte Fileserver abgestellt ist, wird es sicherlich noch eine Weile dauern. Interview: Flavian Cajacob

MondayCoffee fwc.  ·  Das im Jahr 2000 von Reto Meneghini und Thomas Peyer gegründete Unternehmen ist auf Collaboration (vernetzte Zusammenarbeit) spezialisiert und beschäftigt in Zürich sowie München rund 50 Mitarbeitende. Auf Basis von Microsoft Office 365 entwickelte MondayCoffee die Lösungen CoffeeNet und Es­presso­Net. Dabei handelt es sich um sogenannte Cloud-­gestützte «Out-ofthe-Box»-Collaboration-Lösungen, also sofort einsetzbare Anwendungen, für Konzerne und KMU.

Burkhard Böndel, Leiter Unternehmenskommunikation der Bühler Group. PD


4  NZZ-Verlagsbeilage

Digitale Transformation

Samstag, 22. September 2018

Mit datenbasierter Intelligenz zur Energiewende Das Zürcher Start-up Winji sammelt und verwertet über eine selbst entwickelte Cloud-Plattform Informationen rund um Wind- und Solarkraftwerke derart lückenlos, dass diese ihre Stromproduktion allein durch Effizienzgewinn um 5 bis 10 Prozent steigern. lichkeiten beziehen müssen, um den zurzeit rasanten Ausbau an Fach- und Vertriebsspezialisten bewältigen zu können», sagt Gränicher. Die mittelfristigen Ziele von Winji sind ambitioniert. Im globalen und rasch wachsenden Gesamtmarkt für saubere Energie durch Windkraft und Photovoltaik, der heute der Leistung von rund 1000 LeibstadtKernkraftwerken entspricht, möchte das Jungunternehmen in den nächsten Jahren einen Marktanteil von 5 bis 10 Prozent ergattern.

ROBERT WILDI

Als Hörsaalkumpels hatten sie in den 1990er-Jahren ihr ETH-Ingenieurstudium abgeschlossen und dann eigene Wege gewählt. Die Faszination für Energiethemen blieb Hans Peter Gränicher und Bernhard Brodbeck stets gemein. Gränicher arbeitete in der Energie- sowie Consultingbranche und gründete 2005 die Beratungsfirma D one, die sich auf datenbasierte Wertschöpfung spezialisiert. Brodbeck machte Karriere in der Stromwirtschaft, war in der Geschäftsleitung der IWB Basel und hat weltweit diverse Grossprojekte für Wind- und Solarenergie als Investor akquiriert und betreut. In den Köpfen beider ETH-Freunde wuchs unabhängig voneinander in den letzten Jahren die Überzeugung, dass die Stromproduktion via erneuerbare Energien durch die smarte Verknüpfung mit

Tonnen von CO2 einsparen Ehrgeizige Pläne seien das, räumt Simon Hefti ein, zumal die Technologie von Winji nicht patentgeschützt und daher auch für Kopien anfällig sei. «Trotzdem sind wir überzeugt, dass wir unsere Chancen dank permanenter Innovation realistisch einschätzen.» Im Vergleich zu proprietären Datenplattformen, die von den Kraftwerkherstellern heute teils selber entwickelt werden, sei die «True Power Platform» nämlich technologie- und herstellerunabhängig und daher problemlos für jede Anlage weltweit einsetzbar. Auch von den schwarz auf weiss nachweisbaren Erfolgsgeschichten bestehender Winji-Kunden erhofft sich das Start-up eine anhaltende Sogwirkung. «Für Betreiber eines durchschnittlich grossen Windparks mit fünf Turbinen erzielt unsere Datenplattform jährliche Mehreinnahmen von 150 000 Euro Umsatz cash auf die Hand», sagt Bernhard Brodbeck. Dies wohlgemerkt bei identischen Kosten. Vom rasanten Steigflug der CloudPlattform hat auch der Bund Wind bekommen. Über die Innovationsförder­ agentur Innosuisse wird das Start-up mit 350 000 Franken unterstützt. «Dass sich die Behörden für spannende Entwicklungen in der noch ‹pubertären› und auf Subventionen angewiesenen erneuerbaren Energiebranche interessieren, ist nachvollziehbar», so Hans Peter Gränicher. Winji wolle das Vertrauen mittelfristig zurückzahlen. Im Rahmen seiner Energiestrategie möchte der Bund die CO2-Emissionen im Land von heute bis 2030 um rund 25 Millionen Tonnen senken. «Unser Ziel ist es, im gleichen Zeitraum rund 10 Millionen Tonnen CO2 allein durch Effizienzgewinn einzusparen.» Dank Machine Learning zur Energiewende. Die drei Macher von Winji glauben fest daran.

Der innovative digitale Ansatz macht erneuerbare Energien am Markt trotz Abbau von Subventionen wettbewerbsfähig.

«Big Data» auf ein deutlich höheres Effizienzlevel anzuheben sein müsste. Beide liess der Gedanke nicht mehr los, etwas in diese Richtung auf die Beine zu stellen. Die jeweilige Suche nach der dafür fehlenden Kompetenz hat sie schliesslich wie zwei Magnete zusammengeführt. Den perfekten dritten Mosaikstein für den interdisziplinären Wissenspool liefert der gelernte Physiker Simon Hefti, Ex-Geschäftsführer des Zürcher IT-Unternehmens Netcetera sowie Mitgründer und Teilhaber von D one. 2016 lancierten die drei visionären Männer das Start-up Winji, was als Abkürzung für «Win Energy» zu verstehen ist.

«True Power Platform» Der Plan war und ist denkbar einfach: Die Nutzung der drei Kernkompetenzen erneuerbare Energieproduktion, Datenanalytik sowie Digitalisierung zum Bau einer revolutionären Plattform, die der Energiebranche hochgenaue Datensätze liefern und damit die Möglichkeit bieten soll, ihre Infrastrukturen effizienter zu nutzen. Gränicher bringt es auf den Punkt: «Durch den Einsatz unserer ‹True Power Platform›, die auch Wettervorhersagen in die Datenoptimierung integriert, können weltweite Betreiber von Windkraftwerken und Photovoltaikanlagen ihre Stromproduktion ohne den Bau weiterer Zusatzinfrastrukturen um 5 bis

D one

Das Führungsteam von D one / Winji (von links): Hans Peter Gränicher, Bernhard Brodbeck und Simon Hefti.

zu 10 Prozent steigern. Und zwar von heute auf morgen.» Während die meisten Jungunternehmen solche vollmundigen Werbebotschaften in der Regel vor ihrem operativen Start platzieren, um Investoren hellhörig zu machen, hat Winji den umgekehrten Weg gewählt. Erst handfeste Erfolge erzielen, dann der Gang ins Schaufenster. Nach der Firmengründung legte das Gründertrio mit einer Handvoll Fachspezialisten los, präsentierte 2017 die fertiggestellte CloudPlattform und startete 2018 mit Marketing und dem Vertrieb von Nutzungslizenzen. Der aktuelle Zwischenstand beeindruckt: «Wir haben bereits gegen

30 Kunden unter Vertrag, die die Plattform aktiv nutzen», sagt Brodbeck. Und es kommen laufend neue hinzu. Winji verschickt auf Anfrage täglich Offerten an Kraftwerkbetreiber, die sich vorderhand vor allem aus dem europäischen Raum melden und sich für die «True Power Platform» interessieren. Die ­Erfolgsquote ist überwältigend: «Jede zweite Offerte wird zur Geschäftsbeziehung», sagt Hefti. Der Zeitpunkt für das Geschäftsmodell scheint ideal, da erneuerbare Energien global eine kritische Masse erreicht haben und gleichzeitig Subventionen abgebaut werden. Schon acht Monate nach dem Verkaufsstart vermisst

MICHELE LIMINA

und optimiert Winji im Minutentakt die Daten von mehr als 100 Windturbinen und 100 Photovoltaik-Wechselrichtern in der Schweiz und weiteren zehn europäischen Ländern. «Die von uns betreuten Anlagen produzieren zusammen eine Strommenge, die dem Gesamtverbrauch von 150 000 Schweizer Haushalten entspricht», macht Brodbeck plausibel. Sollten sich die Auftragsbücher im aktuellen Tempo weiterfüllen, wird sich der Kundenstamm allein bis Ende Jahr verdoppeln bis verdreifachen. Die Büros des Joint Ventures D one/ Winji im Zürcher Stadtkreis 3 platzen bereits aus allen Nähten. «Im Laufe des nächsten Jahres werden wir neue Räum-

row.  ·  D one mit Sitz in Zürich gehört zu den führenden Schweizer Unternehmen im Bereich Daten, Machine Learning und Artificial Intelligence (AI) mit nationaler und internationaler Kundschaft und einem Team von 40 Spezialisten. Das KMU konzipiert und realisiert Projekte, die aus Daten Wert schöpfen, ist Guide auf der Reise zum Data-Driven Enterprise und berät bei der Gestaltung von Prozessen, Organisation und Firmenkultur. Dabei kann D one praktische Erfahrung über die ganze Wertschöpfungskette einbringen. Gegründet wurde das Unternehmen 2005 von Simon Hefti, Hans Peter Gränicher und Netcetera. D one agiert auch als Investor in Startups, zum Beispiel mit einer Minderheitsbeteiligung an Winji. Ausserdem ist D one Partnerin von Microsoft mit dem Fokus Data & Artificial Intelligence. Die «True Power Platform» basiert auf dem Microsoft Azure Stack. Ausserdem unterstützt Microsoft Winji mit dem Start-up-AcceleratorProgramm «BizSparkPlus».


Samstag, 22. September 2018

Digitale Transformation

5

NZZ-Verlagsbeilage

Simon Amrein (links) und Adrian Herzog von Trivadis umrahmen Sarah Amrein (Zweite von links) und Anja Hächler von Edelweiss Air.

MICHELE LIMINA

Neuer Schub mit wenig Mitteln Schnelle Kommunikation ist für Fluggesellschaften im Fall von operationellen Unregelmässigkeiten besonders wichtig. Edelweiss Air hat via Trivadis deshalb eine interne Plattform implementiert – mit positiven Folgen für das ganze Unternehmen. JOHANNES J. SCHRANER

«Wir sind in Seattle zu unserem transatlantischen Heimflug gestartet, wurden dann aber zum Austausch eines defekten Triebwerks nach Minneapolis umgeleitet. Nach acht Stunden ging es weiter nach Amsterdam, wo wir eine ungeplante Zusatznacht im Hotel verbringen mussten», erinnert sich Simon Amrein von Trivadis. Die Betreuung bezeichnet der Abteilungsleiter beim Schweizer ITDienstleister als klar mangelhaft. ­Amrein hatte als Passagier einer amerikanischen Airline eine sogenannte operationelle Unregelmässigkeit erfahren. Solche Erlebnisse dürften Flugreisende künftig seltener haben. Eigenhändig zur Verbesserung der Informationsflüsse in diesen Fällen beitragen konnte der IT-Spezialist vor kurzem bei Edelweiss Air mit Sitz am Flughafen Zürich. Das Trivadis-Team hat beim Mitglied der Lufthansa-Gruppe nämlich innerhalb von sechs Monaten eine interne Online-Plattform zur durchgängig digitalen Bearbeitung von operationellen Unregelmässigkeiten aufgebaut.

In bestehende IT eingefügt Gründe für Verspätungen oder Routenänderungen können neben technischen Defekten auch wetterbedingte Flugplanänderungen, Unterkapazitäten und Streiks von Fluglotsen oder Ausweichlandungen sein. Edelweiss Air fliegt derzeit mit 14 Airbus-Maschinen weltweit 70 Ferienziele in 34 Ländern an und transportierte 2017 insgesamt 1,7 Millionen Passagiere. Angestellt sind 1002 Personen, davon 122 am Boden. Für ihre Pünktlichkeits-Performance erhielt der Ferienflieger im Ranking einer Schweizer Wirtschaftswochenzeitung in diesem Jahr neun von zehn möglichen Punk-

ten, beim Beschwerde-Management indes nur drei. Letzteres dürfte sich seit der Inbetriebnahme der neuen OnlinePlattform im Februar markant verbessert haben. «Mit dem neuen Instrument haben wir mit wenig Aufwand eine gute Unterstützung für schwierige Situationen geschaffen und diese erfolgreich in unsere bestehende IT-Landschaft eingefügt», zieht Sarah Amrein, Head of IT to Business Alignment bei Edelweiss Air, eine positive Bilanz des ganzen Projekts. «Konkret ist der interne Informationsaustausch beschleunigt worden und 24 Stunden funktional, weil alle betroffenen Stellen und Angestellten durchgehend erreichbar sind und alle synchrone Informationen haben», fasst Anja Hächler von Ground Operations/Flight Dispatch den Mehrwert zusammen. Bisher hatte Edelweiss Air Unregelmässigkeiten durch Checklisten auf Papier, per Mail oder am Telefon bearbeitet. Jede der involvierten Abteilungen speicherte zudem jeweils ihre relevanten Daten lokal ab. Bei Unregelmässigkeiten operativ einbezogen sind neben der Einsatzleitstelle die Abteilungen Flight Operations, Vertrieb, Technik und Ground Operations sowie die Geschäftsleitung. Eine hohe Verfügbarkeit von Informationen sowie schnelle Reaktionszeiten aber sind zentrale Kriterien für eine erfolgreiche Arbeit der Einsatzleitstelle. Die neue Plattform spart dem Unternehmen selbstredend Zeit, Ärger und Geld. Die Projektkosten beliefen sich auf relativ bescheidene 40 000 Franken. Trivadis baute die Plattform auf Basis von Microsoft Office 365 und Microsoft SharePoint Online auf. «Ein Vorteil dieser Lösung ist, dass die Cloud, in der die Plattform installiert ist, von Microsoft selber am Laufen gehalten wird», erklärt Adrian Herzog, Account Manager

Die neue OnlinePlattform spart dem Unternehmen selbstredend Zeit, Ärger und Geld.

von Trivadis. Der IT-Dienstleister entwickle die Anwendungen für Edelweiss Air weiter und stehe den Angestellten für spezifischen Support und Wartungen zur Verfügung. Die Plattformlösung erfülle punkto Datensicherheit alle massgeblichen ISO-Normen und biete so maximale Sicherheit.

Digitalisierte Dienstleistung Welche grundsätzlichen Voraussetzungen braucht es für die gelungene Digitalisierung in Unternehmen? Die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen dem lösungsorientierten Auftraggeber Edelweiss Air und dem Know-how-Erbringer Trivadis zeigt, wie es gehen könnte. Für die erfolgreiche Veränderung braucht es zum Beispiel den richtigen Anfangsimpuls zum richtigen Augenblick. Im

Fall der Fluggesellschaft waren es Angestellte auf Abteilungsstufe, die den Anstoss gaben. Die Geschäftsleitung hat den Ball aufgenommen und konsequent gespielt. «Wir sind immer grösser geworden und plötzlich war der Moment da, um die Prozesse und die Dokumentation radikal zu vereinfachen», berichtet Anja Hächler von Edelweiss Air. Eine weitere Grundbedingung für eine erfolgreiche digitale Transformation ist die Stimmigkeit zwischen Unternehmen und externem IT-Dienstleister. «Die Anfrage von Edelweiss Air war klar formuliert und wir sind uns schnell einig geworden», berichtet Adrian Herzog. Alle Beteiligten auf beiden Seiten hätten die klare Kommunikation und die daraus resultierende gute Zusammenarbeit gelobt. Tatsächlich war die gute Chemie beim Gesprächstermin mit den je zwei Vertretern von Edelweiss Air und Trivadis allseits spürbar. Die wohl grösste Hürde für ein erfolgreiches Digitalisierungsvorhaben ist die Umsetzung. «Der Schlüssel für die Umstellung war die interne Schulung, die wir unter konsequentem Miteinbezug aller betroffenen Mitarbeitenden im Do- and Say-Modus durchgeführt haben», bringt es Anja Hächler auf den Punkt. In Teamsitzungen habe man die Angestellten immer auf dem neuesten Stand des Projekts gebracht und nach jedem Einführungsschritt von ihnen Feedbacks eingefordert, was man besser machen könnte. Das alles sei natürlich zeitaufwendig gewesen. Gleichzeitig aber sei der Mehrwert des neuen Systems für die Angestellten immer sichtbarer geworden und damit ihre Motivation gestiegen. Die interne Schulung hat Edelweiss Air aufgrund des Branchenwissens selber durchgeführt. «Wozu wir sie nach dem ‹Train the Trainer›-Prinzip befähigt haben», sagt Adrian Herzog von Trivadis.

Die Folgen der neuen Plattform für die Fluggesellschaft beurteilt Anja Hächler von Edelweiss Air ebenfalls positiv. «Weil die Veränderungen abteilungsübergreifend waren, hat das für das gesamte Unternehmen einen beachtlichen Benefit gebracht.» Ihre Teamkollegin Sarah Amrein ergänzt: «Digitalisierung ist ein generelles Thema und wir gehen alle Abteilungen auf mögliche Mehrwerte einer Transformation durch.» Die mit der Einführung der Online-Plattform gemachten Erfahrungen seien wichtig und sehr wertvoll für andere, künftige Projekte in der Organisation.

Trivadis jjs.  ·  Daten sind im digitalen Zeitalter der Rohstoff für wirtschaftliche Wertschöpfung. Das stellt der IT-Dienstleister Trivadis mit Sitz in Glattbrugg in seinem Firmenporträt fest. Datenmengen, ITLösungen und Sicherheitsanforderungen würden allerdings immer komplexer. Die Interaktionen und Zusammenhänge seien für Unternehmen und ihre IT-Abteilungen deshalb kaum noch überschaubar. Hinzu komme ein stetig steigender Innovations- und Kostendruck. Um Organisationen beim Meistern dieser Herausforderungen zu unterstützen, verwendet Trivadis als Kerntechnologien Microsoft-, Oracle- und Open-SourceProgramme. 1994 gegründet beschäftigt der IT-Dienstleister inzwischen gut 650 Angestellte an 16 Niederlassungen und erzielt einen Jahresumsatz von 115 Millionen Franken. Das eigene Forschungsund Entwicklungsbudget liegt bei jährlich 5 Millionen Franken. Trivadis führt pro Jahr über 1900 Projekte bei mehr als 800 Kunden durch.


6  NZZ-Verlagsbeilage

Digitale Transformation

Samstag, 22. September 2018

Selfie machen und Investor werden Im wachsenden Crowdlending-Markt entscheidet über die Akquisition von Projekten und Geldgebern auch die digitale Fitness der Anbieter. Ein innovativer Wurf ist einem Zentralschweizer Team bestehend aus der Plattform Funders.ch und der IT-Firma Peax gelungen.

ROBERT WILDI

Bis vor wenigen Jahren war Crowdfunding eine Randnotiz. Die aus Nordamerika anbrausende Welle scheint die Schweiz indes bald zu erreichen. Schwarmfinanzierungen dürften ihr Nischendasein bald aufgeben. Besonders kräftig wächst das Crowdlending, die ­Kapitalausleihe an Unternehmen gegen Zinszahlung. Laut dem aktuellen «Crowdfunding Monitoring» hat das so abgewickelte Kreditvolumen hierzulande zwischen 2016 und 2017 um 239 Prozent auf 186,7 Millionen Franken zugenommen. Die Summe bewegt sich zwar nach wie vor im Promillebereich des landesweiten Gesamtkreditvolumens, dürfte aber rasant weiterwachsen. In den USA hat Crowdlending bereits ein Drittel des Firmenkreditmarkts erobert. Während in Europa Grossbritannien vorangeht, gibt es in der Schweiz momentan gut 50 Crowdlending-Plattformen. Zu ihnen gehört Funders.ch. Die Plattform der Luzerner Kantonalbank (LUKB) wurde vor zwei Jahren gegründet und sammelt seither via Crowdsupporting online Geld für Projekte von Organisationen, Vereinen und Privatpersonen vornehmlich in den Sparten Kultur, Sport und Bildung. Kooperationspartner sind die Nidwaldner, Obwaldner, Thurgauer sowie Berner Kantonalbank. Im Juni dieses Jahres erzielte Funders.ch mit dem Luzerner Sinfonieorchester hierzulande das bislang grösste Crowdfunding und sammelte dabei 580 000 Franken. Auch im Sportbereich – 280 000 Franken für das neue Fussballstadion des SC Kriens – hält die Plattform den Schweizer Rekord. Bis heute hat Funders.ch rund 3 Millionen Franken gesammelt.

Alles vollautomatisch «Die Erfolge haben uns bestärkt, diesen Frühling in den deutlich herausfordernden Crowdlending-Markt einzusteigen», sagt Stefan Portmann, Senior Projektleiter bei der LUKB. Beim Crowdlending (Kreditgewährung mittels Schwarmfinanzierungen gegen Zinszahlungen) sind im Vergleich zum Crowdsupporting (Schwarmfinanzierungen von Projekten mit Gegenleistungen) umfangreichere Regulatorien zu berücksichtigen. Genaue Vorschriften für Registrierung, Identifikation, Bonitätsprüfung etc. müssen sowohl für Kreditnehmer (Starter) als auch Geldgeber (Funder) eingehalten werden. Für die im Bereich der Digitalisierung progressiv denkende LUKB war klar, dass man speziell in Bezug auf den zentralen Identifikationscheck nicht ­ als «08/15-Player», sondern als «First Mover» ins Crowdlending-Geschäft einsteigen wolle. «Wir suchten explizit nach einem Partner, der uns einen hochwertigen und vor allem vollautomatischen Registrierungs- und Identifizierungsprozess für Nutzer von Funders.ch entwickeln kann», so Portmann. Die Notwendigkeit einer manuellen Bearbeitung

Funders.ch und sein IT-Partner (von links): Stefan Portmann und Andrea Elmer (beide Peax) mit Stefan Portmann (Luzerner Kantonalbank).

Bis heute hat Funders.ch rund 3 Millionen Franken gesammelt.

respektive Prüfung des sogenannten Onboarding (Nutzerregistrierung) durch einen eigenen Mitarbeiter wollte die LUKB vermeiden. Daher kam der Einsatz von Live­ videos zu Identifikationszwecken, wie sie viele Crowdlending-Plattformen anwenden, für die LUKB nicht infrage. «Unsere Vorrecherchen im Markt haben ergeben, dass diese Livevideosequenzen von vielen Nutzern als unangenehmes Eindringen in die Privatsphäre empfunden werden.» Zentral war auch der Gedanke, dass nur ein vollständig digitales Onboarding für Starter wie Funder während 24 Stunden am Tag und überall auf der Welt verfüg- und nutzbar sei. «Ein Wettbewerbsvorteil im Anbietermarkt, wie wir finden», erklärt Portmann. Mit klaren Vorstellungen machte sich die LUKB im letzten Jahr auf die Suche nach dem passenden Umsetzungspartner und wurde prompt in Sichtweite des eigenen Sitzes an der Luzerner Pilatusstrasse fündig. Dort befinden sich die Büros von Peax. Als einziges der fünf ITUnternehmen, die für Funders.ch in die engere Auswahl kamen, bot Peax die Umsetzung eines vollumfänglich online umsetzbaren «Identity Checks» an. «Ein Glücksfall für uns», sagt Portmann, «weil damit die Finma-Regularien und zugleich unsere eigenen kommerziellen Ansprüche erfüllt wurden.»

Total Finma-konform In kurzen Schritten erklärt, funktioniert das von Peax programmierte Onboarding auf Funders.ch so: Nach Eingabe der Personalien, Wohnadresse und Kontaktdaten prüft das System die eingegebene Telefonnummer mittels SMS-TAN (Transaction Authentication Number). Dann werden über ein Foto des Passes oder der Identitätskarte alle Daten ausgelesen und die Echtheit des Dokuments anhand einschlägiger Merkmale überprüft. Mithilfe eines Selfie-Fotos erfolgen eine Echtheitsüberprüfung (Anti-Spoofing & Live-

ness Check) sowie ein Gesichtsvergleich mit dem Foto des Ausweises. Hier musste Peax die Herausforderung meistern, dass sich Passbild und Selfie wegen fehlender Brille, neuem Bart, fortgeschrittenem Alter etc. teils wesentlich voneinander unterscheiden. «In unzähligen Testreihen und dank eines permanenten Machine Learning konnten wir die Gesichtserkennung auf der Basis biometrischer Daten perfektionieren, selbst bei schummrigen Lichtverhältnissen», erklärt Andrea Elmer, Marketingleiterin und Geschäftsleitungsmitglied bei Peax. Die Gesichtserkennungsquote liege bei hohen 99,46 Prozent (Benchmark Google: 99,63 Prozent). Um dies zu erreichen, habe man intern viel Zeit, Mittel und Herzblut investiert. Die OnlineIdentifizierung wird letztlich mit einer Bankkontoüberweisung von 1 Franken Finma-konform abgeschlossen. Funders.ch blickt inzwischen auf ein erfolgreiches erstes Halbjahr im Crowdlending-Geschäft zurück. «Wir haben schon einige schöne Kredit­ projekte erfolgreich abgeschlossen und erhalten positive Rückmeldungen von den Nutzern», sagt Stefan Portmann. Häufigstes Feedback: Das Onboarding sei angenehm, jederzeit und überall ausführbar und vor allem sehr schnell. Der Peax Identity Check dauert im Durchschnitt drei bis vier Minuten. Sobald das System online sein «OK» gibt, kann man seine Kreditsumme sofort einzahlen. Weil es sich um eine Browser-Lösung handelt, kann der gesamte Prozess von jedem beliebigen Endgerät – Desktopcomputer via Tablet bis Smartphone – problemlos durchgeführt werden.

Auf Welle vorbereitet Bei Funders.ch ist man zuversichtlich, optimal für den Wettbewerb im Crowdlending-Markt gerüstet zu sein. «Der Peax Identity Check spart Zeit und Aufwand für die Kunden, da sie die erforder-

BRUNO ARNOLD

lichen Dokumente nicht beschaffen und per Post einsenden müssen», sagt Portmann. Ebenso profitieren die Mitarbeitenden von Funders.ch, weil sie alle Angaben von neuen Nutzern nach einem Onboarding digital und strukturiert in ihren Systemen zur Verfügung haben und diese somit keinen Medienbrüchen unterworfen sind. Solche Details können aus Sicht der LUKB matchentscheidend sein, wenn es um erfolgreiches Wachstum gehe. Die Gelegenheit dafür dürfte sich schon bald bieten. Der grösste bisher in der Schweiz vermittelte KMU-Kredit via Crowdlending beträgt 8,7 Millionen Franken. Zwar noch eine Ausnahme – könnten solche Summen in ein paar Jahren zur Regel werden. Die Welle naht. Stefan Portmann ist für Funders.ch zuversichtlich: «Wir wollen sie rechtzeitig erwischen und ganz vorne mitsurfen.»

Peax row.  ·  Der IT-Spezialist aus Luzern bietet Firmen und öffentlichen Verwaltungen eine massgeschneiderte Toolbox zur Step-by-Step-Umsetzung ihrer «Digitalisierungs-Strategy». Mit den modular aufgebauten Services von Peax werden Interaktionsprozesse mit Kunden genau­so wie interne Administrationsprozesse durchgängig und automatisiert gestaltet. Ausgeprägte Skills in den Bereichen Input- und Output-Management, Dokumentenarchivierung, Online-Identifikation und Machine Learning erlauben die Zusammenstellung einer individuellen «Digitalisierungs-Engine». Dabei setzt das KMU auf modernste Technologien, die sich optimal in bestehende Systeme integrieren lassen. Peax ist «BizSpark»Partnerin von Microsoft und hat ihre Plattform peax.business initial mit Microsoft aufgebaut.


Digitale Transformation

Samstag, 22. September 2018

7

NZZ-Verlagsbeilage

Mit Teamwork gelingt die Transformation Der Versicherungskonzern Swiss Life hat am Standort Schweiz in Kooperation mit den beiden externen IT-Dienstleistern Microsoft und Inventx den Schritt ins neue digitale Zeitalter gemacht. Die Hybrid Cloud verändert Prozesse und damit das Unternehmen selber.

JOHANNES J. SCHRANER

Das Beste aus zwei Welten vereint: Wer den Hauptsitz von Swiss Life am General-Guisan-Quai 40 in Zürich betritt, kommt in hohe, ehrwürdige Hallen und spürt die über 160-jährige Geschichte des Unternehmens. Wer weitergeht und ein Sitzungszimmer im obersten Stock des 1940 bezogenen Gebäudes ansteuert, findet sich in einer modernen Bürolandschaft wieder. «Auch mit der neuen hybriden Cloud-Plattform wollen wir für Swiss Life Schweiz die besten Angebote aus verschiedenen Welten zusammenführen», erklärt Sylvia Steinmann in einem Sitzungszimmer am Hauptsitz. «Das Fundament ist gelegt und wir sind mit dem Cloud-Projekt insgesamt auf Kurs», so die Chief Information Officer (CIO) von Swiss Life Schweiz. Der Versicherungskonzern ist hierzulande der erste Finanzdienstleister, der für die Transformation seiner IT-Infrastruktur eine hybride Cloud-Lösung gewählt hat.

Komplexe Transformation Hybrid heisst im Fall von Swiss Life Schweiz konkret, dass besonders schützenswerte Daten wie zum Beispiel Vertragsverwaltungssysteme in eine sogenannte Private Cloud transferiert werden. Öffentlich zugängliche Kundenportale wie zum Beispiel Swiss Life myWorld hingegen werden in einer sogenannten Public Cloud betrieben. Dort teilt sich Swiss Life mit anderen Unternehmen eine gemeinsame IT-Infrastruktur. Damit eine solch komplexe Transformation mit grossen und sensiblen Datenmengen gelingt, braucht es hoch motivierte interne Mitarbeitende sowie qualifizierte externe Dienstleister und Spezialisten. Im Fall des Versicherungskonzerns sind das Inventx und Microsoft. Inventx, ein auf die Finanzindustrie spezialisierter IT-Dienstleister, betreibt aus der Schweiz heraus die Private Cloud in ihren g ­ eografisch getrennten Rechenzentren mit höchsten Sicherheitsanforderungen. Als Public Cloud verwendet Swiss Life Schweiz Microsoft Azure in Irland. «Teile unserer IT-Infrastruktur waren am Ende ihres Lebenszyklus angekommen, weshalb die Geschäftsleitung vor drei Jahren die Transformation in die Hybrid Cloud beschlossen hat», sagt Steinmann die Beweggründe. Die bisherigen hauseigenen oder hierzulande gemieteten Rechenzentren seien den steigenden Anforderungen an Flexibilität, Sicherheit, Verfügbarkeit und Leistung sowie Kosteneffizienz nicht mehr ausreichend gerecht geworden. Im März dieses Jahres haben Inventx und Microsoft die Datencenter-Transformation der Infrastruktur von Swiss Life Schweiz in die Hybrid Cloud fristgerecht abgeschlossen. Die Grössenordnung beeindruckt: Insgesamt sind bisher fast 860 Terabyte Daten ausgelagert worden. Das sind 85,9 Kilobyte plus elf Nullen. Darüber hinaus sind 900 infrastrukturelle Dienstleistungen sowie 260 Anwendungen eingerichtet worden. Nicht nur für den Anwender Swiss Life Schweiz, sondern auch für die beiden externen Dienstleister ist das Projekt ein Meilenstein und der Weg dorthin für alle Beteiligten alles andere als Routine. Marianne Janik, CEO von Microsoft Schweiz, zeigte sich sichtlich stolz über die gemeisterte Lernkurve. «Unsere Azure-Plattform bietet auch für die regulierte und auf Compliance

bedachte Finanzindustrie Sicherheitsstandards, die branchenweit einzigartig sind. Wir freuen uns, dass wir in diesem prestigeträchtigen Projekt die Vorteile der Microsoft Cloud-Lösung unter Beweis stellen können», so Janik.

Gegenseitiges Vertrauen «Für so ein Projekt ist neben einer profunden Vorbereitung das gegenseitige Vertrauen zentral. Wir haben immer offen kommuniziert und unsere Spezialisten haben jeweils schnell reagiert», fasst Gregor Stücheli, Mitinhaber und Geschäftsführer von Inventx, seine Erfahrungen zusammen. Wichtig sei auch

Die Grössenordnung beeindruckt: Insgesamt sind bisher fast 860 Terabyte Daten ausgelagert worden.

gewesen, dass die Geschäftsleitung und das IT-Management von Swiss Life Schweiz eine aktive Rolle eingenommen und das Projekt intensiv begleitet hätten. «Für uns entscheidend war, dass Inventx auf die Finanzindustrie spezialisiert ist, die Compliance-Regeln kennt und unsere Anforderungen umsetzen kann», sagt Sylvia Steinmann ihrerseits. Ebenfalls die nötige Risikobereitschaft aller Seiten, ein Projekt in dieser Grössenordnung und mit diesen Sicherheitsanforderungen zu stemmen, war vorhanden. «Dafür braucht es viel Agilität und Flexibilität von allen. Auch unsere Mitarbeitenden waren gefordert. Die interne Kommunikation war deshalb intensiv. Ausserdem fand ein Skill-Shift, sprich eine Verlagerung der Qualifikationsanforderungen, statt», berichtet die CIO von Swiss Life Schweiz. Die Mitarbeitenden hätten die Transformation und deren Folgen gut gemeistert. Innovation sei immer Teamwork, bringt es Steinmann auf den Punkt. ­Mitarbeiterrelevante Projektentscheide seien zeitweise im Monatsrhythmus erfolgt. «Wir haben dabei gelernt, Probleme in verdaubare Teilziele einzuteilen. Dieses Vorgehen ist seither auch in die normalen Change-Prozesse eingeflossen», analysiert Steinmann. Damit spricht die CIO eine grundlegende Folge jeder Digitalisierungsmassnahme in Betrieben an: Sie verändert Prozesse und damit das Unternehmen selber.

Orchestriertes Gesamtwerk Nicht nur Mitarbeitende stellen sich neu ein. Auch für die Kunden von Swiss Life bedeutet die digitale Transformation Veränderung. «Mit der Hybrid Cloud haben wir unsere Kundenschnittstellen modernisiert. Wir können nun noch besser massgeschneiderte, sprich personalisierte Dienstleistungen liefern», erläutert Steinmann. Neben dem Geschäftsnutzen den Kunden gegenüber profitiert der

Versicherungskonzern auch vom «Payper-Use»-Prinzip. Das heisst, Swiss Life kann selbst bestimmen, wie viel Dienstleistung sie von ihren Cloud-Providern beziehen will, und zahlt diese entsprechend nach Aufwand. Was sind die Herausforderungen für die Zukunft? «Nach dem Projekt ist vor dem Projekt», hält die CIO fest. Durch das Infrastruktur-Outsourcing in die Cloud sei das technologische Fundament gelegt. Jetzt gehe es um die Anwendung und Abstimmung der internen und externen Prozesse. «Die Transformation ist ein orchestriertes Gesamtwerk. Bisher spielten unsere Spezialisten auf einem Instrument. Künftig müssen sie mehrere beherrschen und im Zusammenspiel weiterhin harmonieren», umreisst Sylvia Steinmann die technologische Zukunft bei Swiss Life.

Inventx jjs. · Das Schweizer IT-Unternehmen mit Standorten in Chur, Brüttisellen und St. Gallen ist ein unabhängiger Dienstleister mit Fokus auf die hiesige Finanzindustrie. Die 2010 gegründete Firma betreibt die Kernbankenlösungen für Schweizer Privat-, Retail- und Kantonalbanken. Dazu zählen die Migros Bank, verschiedene Kantonalbanken, Clientis und die BZ Bank. Die Swiss Financial Cloud von Inventx basiert auf einem hybriden IT-Betriebsmodell. «Um Serviceleistungen mit höchster Qualität erbringen zu können, sind wir unsererseits auf starke Partner angewiesen», heisst es im Unternehmensprofil. Zu diesen Partnerfirmen zählen neben Microsoft auch Finnova, Avaloq, Citrix, HP, IBM, Oracle, Crealogix und Huawei. Inventx beschäftigt insgesamt 220 Spezialisten mit Banken- und IT-Erfahrung.

Gregor Stücheli, Mitinhaber und Geschäftsführer von Inventx, und Sylvia Steinmann, Chief Information Officer (CIO) von Swiss MICHELE LIMINA Life Schweiz.


8  NZZ-Verlagsbeilage

Digitale Transformation

Samstag, 22. September 2018

Seriöse Konkurrenz für «Dr. Google» Mediziner, ein Krankenversicherer und Entwickler haben gemeinsam Benecura geschaffen. Die Symptomcheck-App ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Digitalisierung einen direkten praktischen Nutzen bringt – und neue Ökosysteme für kreative Partner schafft. FLAVIAN CAJACOB

Die erste Konsultation bei drohender Erkältung? Das Internet! Die Selbstdiagnose per Scroll und Klick ist mittlerweile zum Volkssport geworden. Das Problem: Nicht selten warten «Dr. Google» und seine Kollegen mit irritierenden Diagnosen auf, die den (vermeintlichen) Kranken dem Ableben näherbringen als der raschen Genesung. «Das ist nicht nur unsinnig, sondern mitunter auch gefährlich», sagt Christoph Baumann, praktizierender Arzt und Chef der Winterthurer Firma Helmedica, die für den Krankenversicherer Swica die Benecura-App entwickelt hat.

Administration entlasten Auch Benecura liegt die Absicht zur raschen Hilfestellung bei kleineren und grösseren Gebrechen zugrunde. Der grosse Unterschied zu «Dr. Google»: Die Abläufe und Guidelines der App wurden von Medizinern erarbeitet, die Abklärungen geschehen individuell und orientieren sich garantiert an ärztlichen Richtlinien. «Wir wollen damit in erster Linie die Eigenverantwortung unserer Versicherten fördern», sagt Leyla Akbeyik, Business Development Managerin bei Swica. «Mithilfe des digitalen Symp­ tomchecks wird der Hilfesuchende zu einer konkreten Empfehlung geführt, die vom heissen Tee bis zur umgehenden Konsultation des Hausarztes oder Notfalldiensts reicht.» Die Eingrenzung des Problems erfolgt mit einfachen Fra-

In den ersten zwei Monaten wurde die App bereits 10 000-mal heruntergeladen. gen Schritt um Schritt (siehe Kasten). Angegliedert ist dem Leitfaden ein wissenschaftliches Medizinlexikon und ein Medikamentenverzeichnis. Swica stellt die App ihren rund 1,4 Millionen Kunden kostenlos zur Verfügung. Die technologische Grundlage zur Symptomcheck-App, die Ende Mai 2018 als erste ihrer Art lanciert worden ist, bildet die Software Rockethealth von Helmedica. Als Gründer des Unternehmens und praktizierender Mediziner sieht sich Baumann sowohl in der Rolle des Anbieters als auch in jener des Kunden. Dies nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass sich die App nicht ausschliesslich an Patienten und Krankenkassen richtet, sondern ebenso an die Leistungserbringer, vorab die Hausärzte. «Rockethealth ist ein innovatives Krankengeschichtensystem, das die strukturierte Dokumentation und Verwaltung von Patienteninformationen ermöglicht», erklärt Baumann. «Erstmals wird medizinisches Knowhow und innovative Dokumentationslogistik mit modernster, mobiler Technologie gekoppelt.» Der administrative Aufwand werde dadurch verringert, was sich letztlich positiv auf die Qualität der Behandlung auswirke. Und gibt der Versicherte die mit der App erfassten Daten weiteren Ärzten frei – etwa einem Spezialisten –, so wird die Zahl an wieder und wieder gestellten Fragen deutlich reduziert.

App unter Schweigepflicht Das Zustandekommen der Benecura-App ist ein gutes Beispiel dafür, wie bestehende Strukturen digital transformiert und ähnlich einem grossen Puzzle Teil für Teil in neue, zukunftsweisende Produkte und Lösungen überführt werden können. «Und das nicht von einem

Vier Partner für die Benecura-App (von links): Martin Straumann (Hiag Data), Christian Greuter (AD Swiss Net), Leyla Akbeyik (Swica) und Christoph Baumann (Helmedica).

einzelnen Unternehmen oder zwei, sondern von einem ganzen Ökosystem an Partnern», wie Martin Straumann, Mitglied der Geschäftsleitung bei Hiag Data, ausführt. Nebst IT-Partner Hiag Data, der unter anderem für den Betrieb der Multicloud-Plattform inklusive Connectivity verantwortlich zeichnet, gehören zum innersten Kern des Projekts die bereits genannten Swica (Kunde) und Helmedica (Entwickler) sowie die Firma AD Swiss Net, die die Anwendung be-

FLAVIAN CAJACOB

treibt und den Austausch der medizinischen Daten sicherstellt. Gerade diesem äusserst heiklen Gebiet kam und kommt besondere Aufmerksamkeit zuteil. «Das Gesundheitswesen ist bekanntlich ein hochsensibler Bereich», betont Christian Greuter, Verwaltungsrat von AD Swiss Net. «Zum einen muss der Datenschutz gewährleistet sein, zum anderen die Patientensicherheit.» Nur im engen Zusammenspiel der verschiedenen Partner mit ihren jeweils eigenen Kern-

kompetenzen konnten diese und andere komplexe Herausforderungen gemeistert werden. «Erste Voraussetzung dafür ist natürlich, dass alle am gleichen Strang ziehen und man sich aufeinander verlassen kann», so Helmedica-Chef Baumann. Das Besondere an der Benecura-App ist nicht zuletzt ihre Klassifizierung: Sie wird als Medizinprodukt gelistet, für das gemäss gesetzlichen Vorgaben höhere Anforderungen gelten. So musste Swica beispielsweise belegen, dass die App den

fwc. · Bei einem Patienten stellt sich eine Entzündung am Augenlid ein. Auf der Benecura-App klickt er zuerst die Gesichtspartie, danach konkret das Auge an. Der individuelle Symptomcheck beginnt.

Haben Sie gelbliches oder eitriges Sekret im Augenwinkel bemerkt? Nein.

Beschwerden sind konstant und zunehmend.

Seit wann sind die Beschwerden vorhan­ den? Seit 1 bis 7 Tagen.

Haben Sie einen Fremdkörper oder Gegenstand ins Auge bekommen (z. B. Sand, Splitter, Insekt, Metallstück)? Nein.

Fallbeispiel

Ist ein Auge oder sind beide Augen be­ troffen? Nur ein Auge betroffen.

Ist das Auge morgens verklebt, sodass Sie es schwer öffnen können? Nein.

Haben Sie die Beschwerden bereits selbst behandelt? Nein. Haben Sie neben den bereits angegebe­ nen Symptomen aktuell (jetzt) noch an­ dere gesundheitliche Beschwerden oder Schmerzen? Nein.

Hat ein Augentrauma oder Unfall im Vorfeld stattgefunden (z. B. Schlag oder Prellung oder Ball/Gegenstand ins Auge bekommen)? Nein.

Ist eine Allergie (gegen Medikamente, Nahrungsmittel oder eine andere Sub­ stanz) bekannt? Nein.

Ist die Schwellung schmerzhaft (bei Be­ rührung oder beim Blinzeln)? Ja.

Sind Vorerkrankungen oder Punkte aus der Liste bekannt? Glaukom (grüner Star) bekannt und Bluthochdruck (Hypertonie) bekannt.

Aufgrund des Symptomchecks gibt die App adäquate Empfehlungen ab.

Ist eine Verschlechterung des Sehens (z. B. mehr unscharf sehen) im Vergleich zu sonst aufgefallen? Nein.

Wurden Sie am Auge oder in der Um­ gebung in den letzten 4 Wochen ope­ riert? Nein.

Haben Sie Schmerzen im Auge? Nein.

Sind Sie wegen einer Augenerkrankung regelmässig in augenärztlicher Behand­ lung? Ja.

Ist eine Schwellung oder ein Knubbel im Bereich des Augenlids aufgefallen? Ja.

Juckt oder kratzt das Auge oder haben Sie das Gefühl, ein Fremdkörper oder ein Gegenstand sei im Auge? Ja. Ist das Auge oder sind die Augen gerö­ tet? Auge ist leicht gerötet.

Haben Sie Kontaktlinsen? Nein. Sind die Beschwerden/Symptome kon­ stant oder wechselnd und was trifft zum Verlauf zu?

 Versuchen Sie, vermutete Auslöser wegzulassen (z. B. Kosmetika, ­Seifen oder Kontaktlinsen), und ­beobachten Sie den Verlauf.  Versuchen Sie, das Auge nicht zu ­reiben.  Bei länger andauernden Beschwerden wird eine Abklärung durch eine medizinische Fachperson empfohlen.  Bitte vereinbaren Sie in den ­kommenden Tagen einen Termin bei Ihrem Hausarzt/Ihrer Hausärztin.  Bei Unklarheit, Fragen oder ­Unsicherheiten bezüglich der ­Behandlungsempfehlung kontak­ tieren Sie bitte sante24 für weitere Unterstützung.

QUELLE: HELMEDICA

versprochenen medizinischen Nutzen auch tatsächlich erbringt, die angegebenen Leistungsmerkmale erfüllt, für den Nutzer aufgrund der Konsultation keine (gesundheitlichen) Gefahren bestehen – und eine Anmeldung beim nationalen Heilmittelinstitut Swissmedic vornehmen. Greuter von AD Swiss Net und Akbeyik von Swica unterstreichen, dass die App genau gleich wie der Hausarzt der gesetzlichen Schweigepflicht unterstellt ist. «Wir als Anbieter haben zu keinem Zeitpunkt Einsicht in die Daten, die in der App vorgenommen werden», stellt Akbeyik klar. Der Patient hat zudem stets Überblick über den exakten Verlauf seiner Aktivitäten und kann Daten sichern oder freiwillig medizinischen Fachpersonen freigeben.

Patientendossier im Fokus Für die involvierten Fachleute aus Technologie und Gesundheit stellt die App, die auf dem Smartphone und dem Tablet nutzbar ist, ein Meilenstein im Schweizer Gesundheitswesen dar. «Die Digitalisierung ermöglicht es uns, Patienten umgehend und direkt anzusprechen und sie korrekt zu beraten», führt Greuter aus. Er erhofft sich eine Steigerung der Kompetenz in der Bevölkerung hinsichtlich des Gesundheitsmanagements. Auf der anderen Seite können nachfolgende Behandlungsschritte durch den Informationsfluss für alle Beteiligten optimaler gestaltet werden. Letztlich ist die App auch eine Art elektronisches Patientendossier, ähnlich wie das vom Bund initiierte EPDG, das für Spitäler ab 2020 – für Geburtshäuser und Pflegeheime ab 2022 – verbindlich sein wird. Bei den Nutzern, den Kunden des Krankenversicherers Swica, komme die Symptomcheck-App bisher sehr gut an. Das zeigten die Downloadzahlen. «In den ersten zwei Monaten wurde die App bereits 10 000-mal heruntergeladen», sagt Akbeyik. «Und der Trend hält an.» Den Arzt gänzlich ersetzen kann das Tool zwar nicht. Dessen sind sich die Macher durchaus bewusst. «Das ist auch nicht das Ziel», bemerkt Hiag-Data-Manager Straumann, «aber die Digitalisierung wird unser Gesundheitswesen laufend verändern. Unser Beitrag sind praxistaugliche Angebote, die Nutzen für alle Partner bieten und die Patienten stärker denn je in den Mittelpunkt stellen.»


Digitale Transformation

Samstag, 22. September 2018

9

NZZ-Verlagsbeilage

Digitale Revolution im Stall Modernste Technologien machen auch vor Kühen keinen Halt. Swissgenetics setzt bei der künstlichen Besamung von Rindern voll auf mobile, smarte Lösungen.

MICHAEL BAUMANN

Kühe sind in der Schweiz fast eine Art Nationaltier. In der Werbung werden sie gerne eingesetzt, um typisch helvetische Produkte und Ferienregionen anzupreisen. Wer kennt zum Beispiel die fussballspielende Lovely nicht? Damit der Nachwuchs an Milchkühen und Schlachtvieh gewährleistet ist, braucht es Stiere. Und es braucht Firmen wie Swissgenetics mit Hauptsitz in Zollikofen bei Bern. Vor allem hierzulande, aber auch im Ausland beliefert das Unternehmen Tausende von Kunden mit Samendosen von eigenen Stieren.

Bereits seit 1993 mobil Das Tätigkeitsfeld der 400 Aussendienstmitarbeitenden ist draussen auf dem Feld und im Stall der Bauern. Dorthin werden sie gerufen, wenn eine Kuh brünstig ist und mit einer Dose von Swissgenetics besamt werden soll. Dabei spielt der richtige Zeitpunkt eine wichtige Rolle: Die Brunst einer Kuh dauert rund drei Tage. Man unterscheidet zwischen Vor-, Haupt- und Nachbrunst. In der Zeitspanne von 12 bis 24 Stunden nach Beginn der Hauptbrunst ist die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Besamung am höchsten. In dieser Phase muss die Kuh besamt werden, so Markus Zogg, Bereichsleiter Support und Mitglied der Geschäftsleitung von Swissgenetics. «Da kann man nicht lange zögern und muss bei jedem Wetter raus.»

DXC Technology hat die neue Lösung für Swissgenetics als sogenannte Hybrid Cloud realisiert.

Wenn die Besamung und die Befruchtung der Eizelle erfolgreich waren, dann kommt neun Monate später ein gesundes Kalb zur Welt. Um den Aussendienstlern die administrative Arbeit zu erleichtern und die Prozesseffizienz zu maximieren, setzt Swissgenetics schon seit 1993 mobile Geräte ein. Damit werden zuchttechnische Daten, Verkäufe und Bestellungen aufgenommen und in die Zentrale zur Verarbeitung weitergeleitet. Die erste Generation hatte gerade mal ein Zwei-

Stephan Kreis (links), Head of Complex Integration & Transformation Switzerland bei DXC Technology, und Markus Zogg, Bereichsleiter Support und Mitglied der GeschäftsMICHELE LIMINA leitung von Swissgenetics.

zeilendisplay. Zur Jahrtausendwende wurden diese Geräte durch modernere abgelöst, zehn Jahre später erfolgte der nächste Generationenwechsel. Und seit 2018 sind Tablets im Einsatz, die den stetig gestiegenen Ansprüchen an Speicherkapazität, Übertragungsrate und Kommunikationsmöglichkeiten gerecht werden. Zudem müssen sie jederzeit tadellos funktionieren – im Winter bei Schnee und extremer Kälte sowie im Sommer bei Regen und hohen Temperaturen. «Das bedingt die Robustheit eines Ruggedized-Device, das wasser- und staubdicht ist», sagt Zogg. In Zusammenarbeit mit der Firma DXC Technology, die für die Implementierung der Software zuständig ist, entschied man sich für das Android-Gerät Tab Active 2 von Samsung. DXC Technology ist als einer der weltweit grössten «End-to-End»-ITDienstleister ein Microsoft Goldpartner und globaler strategischer Partner von Microsoft für Azure Cloud Platform Services.

Komplett unabhängig Die Software sollte möglichst robust und unabhängig von Geräten sowie Betriebssystem sein, ergänzt Stephan Kreis, Head of Complex Integration & Transformation Switzerland bei DXC Technology. Bei der Implementierung der Software seien vier Ziele verfolgt worden: Papier ablösen, den Aussendienstmitarbeitenden eine möglichst robuste und einfache Erfassungshilfe bieten, mobil und fehlerfrei Informationen erfassen sowie möglichst schnell neue Anforderungen integrieren können. In diesen Punkten habe in den letzten Jahren eine grosse Entwicklung stattgefunden. «Es ist jetzt auch möglich, in der neuen Lösung Software-Updates im laufenden Betrieb problemlos einzuspielen», sagt Kreis. Und die mobile Lösung funktioniert unabhängig vom System des Innendiensts und der Online-Datenverbin-

dung des Geräts. Diese Unabhängigkeit ist für die Aussendienstler wichtig. Denn Besamungsaufträge haben höchste Priorität. Und solche Kunden befinden sich zum Teil an Orten, wo es keinen Handyempfang gibt, zum Beispiel im Emmental oder im Jura. «Mit dem neuen System werden die eingegebenen und gescannten Daten gepuffert», erklärt Kreis weiter. «Die Synchronisation erfolgt automatisch, wenn das Gerät wieder Empfang hat.»

Hohe Verfügbarkeit Laut Kreis hat DXC Technology die neue Lösung für Swissgenetics als sogenannte Hybrid Cloud realisiert. Diese zeichnet sich durch eine Kombination verschiedener Elemente aus – einerseits aus der Cloud-Computing-Plattform Azure von Microsoft und anderseits aus klassischen In-House-Anwendungselementen. Wesentliche Vorteile dieser Architektur sind eine hohe Verfügbarkeit, einfache und schnelle Skalierbarkeit sowie eine Reduktion der Entwicklungs- und Betriebskosten. Aus technischer Sicht hatten folgende Punkte bei der Entwicklung der neuen Lösung eine hohe Priorität: Offline-Funktionalität, Geräte- oder Betriebssystem-Unabhängigkeit und einfache Bedienbarkeit der mobilen Software. So können die Anwender die Barcodes direkt aus der Anwendung heraus mit der Kamera des Gerätes scannen. Die Browser- und Geräteunabhängigkeit waren weitere wichtige Kriterien sowohl für die Anwendung des Innendiensts als auch für das Kundenportal, das ebenfalls auf der Microsoft Azure umgesetzt wurde. So wurde die Anwendung mit dem Responsive-Design-Konzept entwickelt. Es stellt sicher, dass sich die Darstellung an die Möglichkeiten des Geräts und des Browsers anpasst. Microsoft Azure wurde dabei nicht nur als Plattform für die Swissgenetics-Lö-

sung verwendet, sondern auch für die im Software-Entwicklungsprozess von DXC Technology benötigten Tools.

4000 Einsätze pro Tag In der Schweiz gibt es 30 Meldestellen in vier Regionen, wo die Bauern anrufen und ihre Bestellung für Samendosen aufgeben können. Je nach Rasse bekommt er ein anderes Produkt. «Die Sprachaufträge werden aufgenommen, elektronisch verarbeitet und direkt auf die Endgeräte der Aussendienstmitarbeitenden verteilt», sagt Markus Zogg von Swissgenetics. «Wir versprechen den Kunden, dass jeder Besamungsauftrag innerhalb von 12 Stunden erledigt ist.» Dafür besitzt das Unternehmen eine eigene Flotte von 250 Autos. Pro Jahr werden so rund 8 Millionen Kilometer zurückgelegt, viele davon in Berg- und Randregionen. «Eine Fahrt ist im Durchschnitt 8 bis 9 Kilometer lang», ergänzt Zogg. Hochsaison

sei im Winter, da gebe es bis zu 4000 Einsätze pro Tag. Zweimal täglich werden die Kunden angefahren. Aufträge, die bis 7 Uhr eingehen, werden noch am Morgen erledigt, solche, die bis 13 Uhr gemeldet werden, am Nachmittag. Nicht jede Lieferung kann aber mit dem Auto bis zum Kunden gebracht werden. Laut Zogg sind die Aussendienstler auch zu Fuss, mit Seilbahnen und im Winter mit den Skiern unterwegs. Immer dabei ist aber das mobile Gerät. Die Digitalisierung in der Rindviehzucht wird noch weitergehen. Im Moment sei man noch nicht soweit, aber Zogg ist überzeugt, dass es dank Internet of Things (IoT) bald spannende Überwachungs- und Aufzeichnungssysteme gibt, die Swissgenetics nicht nur die brünstige Kuh melden, sondern auch andere Geschäftsbereiche unterstützen. Dies mit dem Fokus, dem Kunden noch besseren Service bieten zu können. Zukunftsmusik im Kuhstall.

Swissgenetics mbm.  ·  Swissgenetics ist der schweizerische Marktleader und ein international erfolgreiches Dienstleistungs- und Produktionsunternehmen in der Rindviehzucht. Als moderne sowie zukunftsorientierte Firma kombiniert Swissgenetics Innovation und Tradition in der Landwirtschaft auf einzigartige Weise. 1960 als Genossenschaft gegründet, erzielt das Unternehmen einen Jahresumsatz von 57 Millionen Franken und verfügt über einen Marktanteil im Heimmarkt von mehr als 70 Prozent. In den Stationen Mülligen AG (Produktion), Bütschwil SG (Wartehaltung) und Langnau bei Reiden LU (Aufzucht) hält Swissgenetics über 500 Stiere unterschiedlichster Rassen. Jährlich werden rund 2,3 Millio-

nen Dosen für die künstliche Besamung von Rindern und Kühen hergestellt. Im Inland verkauft die Genossenschaft jährlich um die 900 000 Samendosen, dazu kamen im Geschäftsjahr 2016/17 noch rund 560 000 Dosen, die in 55 Länder exportiert wurden – ein Rekord in der Firmengeschichte. Jährlich werden Samendosen von über 2000 verschiedenen Stieren eingesetzt. Davon sind 55 Prozent Milchrassen und 45 Prozent Fleischrassen. Swissgenetics ist 365 Tage im Jahr für ihre 25 000 Kunden unterwegs. Mit ihren 400 Aussendienstmitarbeitenden, 270 angestellte Besamungstechniker und 130 selbständige Tierärzte, werden jährlich 770 000 Rindviehbesamungen durchgeführt.


10  NZZ-Verlagsbeilage

Digitale Transformation

Samstag, 22. September 2018

Optimaler Weg für nachhaltiges Wachstum In der Schweiz rücken Robotic Process Automation und Künstliche Intelligenz zunehmend in den Fokus der Unternehmen. Ein Wandel, der dringend notwendig ist, weil die Nutzung neuer Technologien ein entscheidender Faktor für ihre zukünftige Wettbewerbsfähigkeit wird.

ANDREAS SCHINDLER

Die Unternehmen in der Schweiz stecken derzeit in einem grossen Dilemma. Einerseits wollen sie – ganz traditionell – alles perfekt machen. Andererseits wissen sie aber auch, dass sie mit der Zeit gehen müssen. Ein Konflikt, der ihnen viel Mut abverlangt. Denn der Einsatz neuer Technologien verspricht nicht nur viel Potenzial, er geht gleichzeitig mit Trennung von Altbewährtem einher und birgt Risiken. So manches Unternehmen hierzulande wagt sich schon voran, das lässt sich gut beobachten: Neuerungen wie Intelligent Enterprise, Robotic Process Automation (RPA), Künstliche Intelligenz (KI) und Bots haben in der Schweiz deutlich an Priorität gewonnen. Die Qualität, Versuche zu wagen, ist in anderen Ländern jedoch ausgeprägter. Ein Grund, warum meiner Ansicht nach wesentlich mehr Offenheit gegenüber dem Einsatz solcher Technologien nötig wäre, schliesslich will niemand seiner Konkurrenz den jeweiligen Markt kampflos überlassen. Zudem ist Toleranz gegenüber neuen Technologien ein unverzichtbarer Bestandteil, um sich nachhaltig für die Zukunft zu positionieren: Automatisierung verbessert manuelle, sich wiederholende Aufgaben und Geschäftsprozesse. Intelligent Automation (IA) verbessert die Abläufe etwa mit humanisierenden Interaktionsformen wie der Verarbeitung natürlicher Sprache. RPA verbessert die Effizienz und Wirksamkeit ihrer Vorgänge. Unabhängig davon, ob RPA oder IA – diese Technologien sind längst praxisreif und werden in Zukunft erfolgsentscheidende Treiber für Unternehmen sein. Seit mehr als 50 Jahren ersetzen Maschinen Menschen bei sich wiederholenden Arbeitsvorgängen. Inzwischen verleihen Forscher Maschinen kognitive Fähigkeiten – und das mehr und mehr mit Erfolg: Leistungsfähige Computer, das Internet und grosse Datenmengen lassen innovative, kognitive Methoden entstehen. Der Markt ist massiv in Bewegung, es passiert sehr viel. Kein Wunder also, dass das Thema Cloud-Transformation seit letztem Jahr auch in der Schweiz spürbar an Fahrt aufgenommen hat.

KI bietet zahlreiche Optionen Die wachsenden Rechenleistungen und Datenquellen bilden die Basis, dass Unternehmen Schwierigkeiten meistern und sich neu positionieren können. KIund Automatisierungstechniken bieten – sofern sie optimal verknüpft sind – ungeahnte Potenziale. Auch wenn sich beispielsweise der Schweizer Finanzsektor dieser Entwicklung gegenüber aktuell noch zurückhaltend zeigt, allzu lange darf er sie nicht nur beobachten. Ich bin davon überzeugt, dass nahezu alle Finanzunternehmen profitie­ ren würden, sollten sie sich stärker auf den Einsatz neuer Technologien einlas-

«Wir sind alle gut beraten, die richtige Mischung aus Ruhe, Aufmerksamkeit und Dynamik zu finden», sagt Andreas Schindler, ­Geschäftsführer von Avanade Schweiz. PD

sen, beispielsweise auf den Einsatz von Software-Robotern. Diese kognitive ­ Software reduziert unter anderem die Fehlerquote bei der Bearbeitung von Kundenanfragen, leitet telefonische Anfragen effizient weiter oder vervollständigt Anmeldeformulare. Fortschrittliche Analysemethoden aus dem KI-Set ermöglichen es darüber hinaus, Daten so zu verarbeiten und auszuwerten, dass Abläufe in den Unternehmen besser verstanden, Vorhersagen getroffen und Ergebnisse beziehungsweise Daten innovativ genutzt werden können. Und – ganz nebenbei – profitieren Unternehmen von einem weiteren Effekt: Ihre Mitarbeitenden sind zufriedener und produktiver, weil Advanced Artificial Intelligence sie durch maschinelles Lernen unterstützt und ihre Fähigkeiten erweitert. Ein hoher Automatisierungsgrad ermöglicht es auch, mehr Wertschöpfung in der Schweiz selbst zu generieren.

Ideale Basis für Neues Das sind meiner Meinung nach alles überzeugende Argumente, die Zurückhaltung gegenüber innovativen Technologien aufzugeben und sich zu öffnen. Zumal sich das dafür notwendige Umfeld in der Schweiz ebenfalls modernisiert: Microsoft stattet die Schweiz mit einer Rechenzentrums-Infrastruktur aus, mit deren Hilfe die derzeitige eher defensive Haltung vieler Schweizer Unternehmen gegenüber dem Cloud-Umfeld einer neuen Dynamik weichen könnte. Ab 2019 wird Microsoft Azure, Office 365 und Dynamics 365 aus Datacentern in der Schweiz erhältlich sein – mit entsprechender Sicherheit, Compliance, Datenschutz und Transparenz. Die Datacenter werden allen regulatorischen Vorgaben genügen (siehe Interview auf Seite 2). Dabei ist offensichtlich, dass sie auch für wirtschaftlichen Erfolg, Wachstum und Nachhaltigkeit entscheidend sind: Sie bilden die Grundlage für mögliche Services und Geschäftsmodelle, die richtungsweisende Veränderungen vorantreiben – und sie bilden die Basis, um

Es gibt viele überzeugende Argumente, die Zurückhaltung gegenüber innovativen Technologien aufzugeben und sich zu öffnen.

Fallstudien für Machine Learning, KI und Ähnliches hierzulande zu finden und zu nutzen. Dass KI, RPA und IA sich zu wahren Wachstumstreibern entwickeln können, dürfte Schweizer Unternehmenschefs inzwischen ebenso klar sein wie ihren internationalen Kollegen, allen voran den Deutschen: Wie eine aktuelle Studie des Marktforschungsunternehmens Wakefield Research zum Thema Künstliche Intelligenz und Robotic Process Automation ergab, ist die Zuversicht unter den Managern gross, dass Roboter in der Zusammenarbeit mit Kunden, aber auch mit Kollegen gut funktionieren können. So denken unter anderem 44 Prozent der Studienteilnehmer aus Deutschland, dass in diesem Punkt in drei Jahren oder weniger «Gleichstand» zwischen Mensch und Maschine herrscht.

samkeit und Dynamik zu finden. Das gilt vor allem angesichts des derzeitigen Umfelds, das die Weiterentwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie-Branche (ICT) teilweise stark hemmt. Vage Regulierungen wie die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) führen zu Unsicherheiten und lähmen den Markt. Was in diesem Punkt schon für viele Länder weltweit gegolten hat, trifft jetzt auch auf die Schweiz zu. Zudem erschwert der Fachkräftemangel die dynamische Entwicklung der ICTBranche. Es gilt also v­ orerst jede Menge strukturelle Herausforderungen zu meistern, um den Unternehmen eine ideale Basis zu schaffen. Denn eines ist klar: Passen die Rahmenbedingungen und das Vertrauen in das Umfeld, fällt es Entscheidern um ein Vielfaches leichter, sich auf neue Technologien einzulassen, allen voran KI.

Anschluss nicht verpassen In der Schweiz beginnen die Unternehmen vorsichtig, sich mit KI auseinanderzusetzen. Allerdings noch recht defensiv und wenig zielführend. Um im internationalen Wettbewerb nicht abgehängt zu werden, sollten sie indes zielstrebig an der technologischen Entwicklung und ihren Innovationen teilhaben. Auch wenn das aktuelle Umfeld einen Einstieg möglicherweise erschwert, wäre es eine fatale Entscheidung, den Kopf in den Sand zu stecken und auf Altbewährtes zu setzen. Schliesslich ist KI alles andere als ein kurzweiliger Trend – KI ist für Unternehmen schon heute einer der wichtigsten Treiber für den Erfolg von morgen. Andreas Schindler ist Geschäftsführer von Avanade Schweiz.

Zielorientiertes Vorgehen Der gewünschte nachhaltige Erfolg kommt indes nicht von allein. Wer auf RPA und KI setzt, braucht Verständnis für den Umgang damit. Unternehmen müssen zunächst realistische Projekte aufsetzen und zielorientierte Prozesse etablieren – also einen strategischen Plan haben –, denn nur so lassen sich reale, produktive Lösungen entwickeln. Dabei ist es enorm wichtig, den Fokus nicht auf die Technologie allein zu richten: Auch ein zielführendes Kommuni­ kationsmanagement, das mögliche Lö­ sungen mit den intelligenten Maschinen zusammenführt, ist notwendig. Für derartige Herausforderungen müssen sich Unternehmen hierzulande sehr kritisch analysieren. Ich will ausdrücklich auf die Gefahr hinweisen, dass allein schwammige Ideen den Unternehmen keinen Gewinn bringen. Wirklich positive Effekte erzielen sie nur dann, wenn sie die neuen intelligenten Technologien und die Automatisierung passgenau in ihre Prozesse und ihre Unternehmenskultur integrieren. Wir sind alle gut beraten, die richtige Mischung aus Ruhe, Aufmerk-

Avanade as.  · Avanade ist ein führender Anbieter von digitalen Services, Business- und Cloud-Lösungen sowie design-orientierten Anwendungen. Die Spezialisten des Unternehmens entwickeln auf Basis des Microsoft-Ökosystems für jeden einzelnen Kunden die optimale Lösung. Avanade steht für frisches und modernes Denken und verfügt über ein ausgeprägtes Technologie-, Business- und Branchenwissen. Das macht den Dienstleister zum Wegbereiter der digitalen Transformation mit dem Ziel: Wachstum für direkte Kunden – und deren Kunden. Weltweit arbeiten 30 000 digital vernetzte Menschen in 24 Ländern für Avanade, darunter 174 in der Schweiz. Sie entwerfen in einer Kultur von Kollaboration und Diversität jeden Tag gemeinsam kreative Lösungsansätze. Avanade wurde im Jahr 2000 von Accenture und Microsoft gegründet. Heute gehört das Unternehmen mehrheitlich Accenture.


Digitale Transformation

Samstag, 22. September 2018

11

NZZ-Verlagsbeilage

Jetzt ist auch die Kaffee­maschine online Thermoplan und bbv Software Services haben es geschafft: Nach zwei Jahren tüfteln, forschen und werken ist es den beiden langjährigen Geschäfts­partnern gelungen, die Kaffeemaschine zu digitalisieren.

SANDRA MONN

Als Thermoplan in Weggis vor 23 Jah­ ren die erste vollautomatische Kaffee­ maschine konstruierte, dachte niemand daran, dass diese eines Tages mit dem Internet verbunden sein würde. Bis vor drei Jahren, als die amerikanische Kaf­ feehauskette Starbucks, ein Grosskunde des Schweizer Unternehmens, mit eben­ diesem Anliegen hervortrat: Wie ver­ binden wir eine Kaffeemaschine mit dem Internet? «Für uns war sofort klar, wir machen uns an die Arbeit», erzählt Adrian Steiner, CEO von Thermoplan. Klar war auch, dass sie für dieses Projekt mit dem ihnen bereits vertrau­ ten Entwicklungspartner bbv Software Services in Luzern zusammenarbei­ ten wollten. «Nur, wie wir es umsetzen würden, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar», erinnert sich Roland Krum­ menacher, Cloud-Experte bei bbv. Klang das Vorhaben für manche Ohren viel­ leicht zunächst utopisch, ist es für einen Dienstleister wie bbv, der nach der Philo­ sophie «Making Visions Work» arbeitet, eine durchaus realistische Aufgabenstel­ lung. Seit einigen Wochen ist die Errun­ genschaft nun auf dem Markt.

Die ThermoplanVollautomaten ab 10 000 Franken können mit zusätzlichen 350 Franken digitalisiert werden.

Der Kaffeesatz verrät alles «Vor unserer Zusammenarbeit machte die Maschine guten Kaffee. Jetzt macht sie immer, ohne Unterbruch und Aus­ nahme, guten Kaffee», sagt Steiner. Denn jede Maschine, die ans Internet ange­ schlossen ist, liefert laufend Daten an die Cloud. «Hersteller und Kunde sind jederzeit über den Zustand der Geräte informiert. Wie viele Kaffees werden in welcher Qualität produziert? Wurde die Reinigung korrekt durchgeführt? Funk­ tioniert die Kühlung der Milch? Alles wird registriert», erklärt Philipp Kro­ nenberg, CEO der bbv. Hierfür hat das Unternehmen ein Cloud-System entwi­ ckelt, das diese Daten analysiert. Wird etwas Auffälliges registriert, sendet das System eine Meldung und der Fehler kann sofort behoben werden. «Wir kön­ nen die Betriebssicherheit permanent gewährleisten, wenn nötig schnell reagie­ ren und so einen proaktiven Service leis­ ten», ergänzt Steiner. Ziel ist es, dass in Zukunft jede Ther­ moplan-Maschine weltweit an dieses Cloud-System angeschlossen wird. Dann müssen täglich rund 100 Gigabyte ge­ speichert und verarbeitet werden kön­ nen. «Was schlussendlich von Nutzen ist, entscheidet das Kaffeehaus. Behalten werden die Daten so lange, wie sie span­ nend sind», sagt Krummenacher. Für Thermoplan und ihre Endkunden bietet die Digitalisierung der Kaffee­ maschine gleich mehrere Vorteile. Da sind zum Beispiel selbst Daten eines simplen Satzbehälters wertvoll. «Diese Informationen sind insofern wich­ tig, wenn eine Kaffeehauskette wissen möchte, wann ihre Satzbehälter voll sind. Sind sie es, wenn der grösste Ansturm herrscht, hilft es dem Personal, recht­ zeitig zu reagieren», erklärt Rolf Hoch­ strasser, Project Manager bei Thermo­ plan. Genau dasselbe ist auch für den Bohnenbehälter und den Milchtank

Teamwork für vernetzte Kaffeemaschinen (von links): Adrian Steiner (Thermoplan), Rolf Hochstrasser (Thermoplan), Roland BRUNO ARNOLD Krummenacher (bbv) und Philipp Kronenberg (bbv).

möglich. «Speed of Service ist heutzu­ tage wichtig. Niemand will warten», ist sich Steiner bewusst.

Alles an einem Ort gesteuert Warten muss man noch nicht mal auf den Techniker. «Er weiss schon, bevor er vor Ort eintrifft, was kaputtgegan­ gen ist. Die gesammelten Daten erlau­ ben es sogar vorauszusagen, was dem­ nächst kaputtgehen wird», sagt Hoch­ strasser. Weiss der Techniker früh genug, wann er wo eine Komponente austau­ schen muss, kann er seine Route ent­ sprechend planen. Dem heutigen An­ spruch wird so vollumfänglich Rechnung getragen: Die Maschinen sind jederzeit funktionstüchtig. Nicht nur wenn etwas kaputtgeht, auch wenn die Kaffeehäuser ein neues Kaffee­ rezept entwickeln, musste bisher ein Tech­ niker bei jeder Maschine vorbeifahren und dieses Rezept auf das Gerät laden. Das ist ebenfalls vorbei. «Jede Maschine, egal wo auf der Welt sie sich befindet, kann von einem Ort aus via Internet kon­ figuriert werden», erklärt Krummenacher. «Das ist die Innovation, sonst haben wir das Rad nicht komplett neu erfunden.» Die Cloud-Plattform für die Umsetzung wurde von Microsoft beigesteuert. Azure, so ihr Name, hat einige bereits integrierte Standardfunktionen, den Rest konnte bbv mit Funktionalitäten füllen, die sie mit Thermoplan und Testkunden in Arbeits­ gruppen eruiert hatten. Der rege Kontakt mit dem End­ kunden war wichtig, damit nicht an sei­ nen Bedürfnissen vorbei entwickelt

wurde. Um den Arbeitsprozess so rei­ bungslos wie möglich zu gestalten, hat bbv einige seiner Arbeiter bei Thermo­ plan einquartiert. «Die Zusammen­ arbeit war ab dem ersten Meeting vor drei Jahren sehr agil. Es wurde jeweils in zweiwöchigen Sprints gearbeitet und dann die erarbeiteten Funktionalitäten demonstriert und gleich den Pilotkun­ den zur Verfügung gestellt», erzählt bbvCEO Kronenberg.

Ein Handstand kostet Geld Rückblickend hat der Zeitpunkt, als die Arbeiten aufgenommen wurden, mit­ unter einen rechten Handstand erfor­ dert. Aufgrund der raschen Entwick­ lung im Internet der Dinge gibt es mitt­ lerweile fixfertige Dienste, die einen Teil der damaligen Herausforderungen lösen. «Es war aber von Anfang an klar, dass einige Teile des erarbeiteten Konstrukts irgendwann wieder wegfallen würden», sagt Krummenacher. Dass ein Start, ein paar Jahre später, den Handstand wo­ möglich erspart hätte, ärgert ihn nicht. «Es ist ein Innovationsprojekt, womit wir uns hier befassen. Wir haben eine ordentliche Lernkurve hingelegt und können uns nun von der Konkurrenz ab­ setzen», sagt Steiner. Den richtigen Zeitpunkt gibt es in der Welt der Technik wohl ohnehin nicht. «Die Digitalisierung der Kaffeemaschine hat kein Ende. Die Technik entwickelt sich permanent weiter», so Kronenberg. Dass sie den richtigen Weg eingeschla­ gen haben, bestätigt auch der Blick ins Ausland, wo Thermoplan-CEO Steiner

gerade von einer Asien-Reise zurück­ gekehrt ist. «In China verkauft man im Grosshandel keine Kaffeemaschine, die nicht ans Internet angeschlossen ist. Wir haben momentan einen deutlichen Wett­ bewerbsvorteil.» Von der Innovation sind jedoch noch nicht alle überzeugt. «Der europäische Kunde versteht oft nicht, wieso er Geld dafür bezahlen soll, damit ihm seine Kaf­ feemaschine sagt, was sie braucht», er­ gänzt Steiner. Seine Ambition ist den­ noch, dass irgendwann jede Kaffeema­ schine ans Internet angeschlossen ist. Die Vollautomaten von Thermoplan, die ab 10 000 Franken zu haben sind, kön­ nen mit zusätzlichen 350 Franken digita­ lisiert werden. Die daraus resultierende optimale Nutzung führt wiederum dazu, dass Kosten eingespart werden. bbv und Thermoplan haben drei lehr­ reiche Jahre hinter sich. «Heute sind wir mit dem aktuellen Stand sehr zufrie­ den», sagt Roland Krummenacher von bbv. «In Zukunft wollen wir noch flexib­ ler werden. Ziel ist es, dass wir das neue System längerfristig ohne das Team von bbv steuern und zukünftige Anpassun­ gen selbst vornehmen können», ergänzt Rolf Hochstrasser von Thermoplan. Zusammen mit dem Partner bbv sieht Thermoplan sogar eine mögliche Zukunft mit einer selbstlernenden Kaf­ feemaschine. Eine, die sich alles merken kann, die weiss, welche Wasserqualität zu welchem Zeitpunkt des Tages durch sie hindurchfliesst und entsprechend reagie­ ren kann. Für zwei Partner, die keine He­ rausforderung scheuen, steht wohl auch dieser Vision nichts im Wege.

Thermoplan sm.  · Thermoplan entwickelt und pro­ duziert Kaffeevollautomaten für den professionellen Gebrauch in Gastrono­ mie und Gewerbe. Das Zentralschweizer Familienunternehmen ist global tätig und beliefert Kunden in 72 Ländern. Am Hauptsitz in Weggis sind rund 300 Mit­ arbeitende tätig. Weltweit gehören über 200 zertifizierte Vertriebs- und Service­ partner zum Thermoplan-Netzwerk.

bbv Software Services sm. · bbv Software Services ist ein Schweizer IT- und Beratungsunterneh­ men, das Kunden bei der Realisierung ihrer Visionen und Projekte unterstützt. Die Firma mit Hauptsitz in Luzern ent­ wickelt individuelle Software-Lösungen und begleitet Kunden mit fundierter ­Beratung, erstklassigem Software Engi­ neering und langjähriger Branchener­ fahrung auf dem Weg zur erfolgreichen Lösung. Für bbv Software Services sind rund 260 Mitarbeitende tätig an den Standorten Luzern, Zürich, Bern, Zug, München, Berlin, Thessaloniki und Ho Chi Minh City.


12  NZZ-Verlagsbeilage

Digitale Transformation

Samstag, 22. September 2018

Wie die Digitalisierung die Nahrungskette verbessert Die Bühler Group baut nicht nur für die ganze Welt Maschinen zur Herstellung von Lebensmitteln und Autos, sondern setzt auch konsequent auf die digitale Transformation. Das Ziel ist, so den Energieverbrauch und den Abfall je um bis zu 30 Prozent zu reduzieren. MICHAEL BAUMANN

Ein Familienbetrieb im sankt-gallischen Uzwil, der in der fünften Generation geführt wird und landläufig gar nicht dermassen bekannt ist, ernährt und bewegt die halbe Welt. Mit ihren rund 11 000 Mitarbeitenden in 140 Ländern entwickelt und baut die Bühler Group zur Lebensmittelherstellung sowie für die Autoindustrie verschiedene Prozesslösungen, Maschinen und Anlagen. Die Zahlen sind eindrücklich: Rund 60 Prozent des Getreides, das weltweit verarbeitet wird, durchläuft eine industrielle Mühle von Bühler, auf der bis zu 1000 Tonnen Getreide pro Tag vermahlen werden. Bei der Schokoladenproduktion sind es gar 65 Prozent und bei der Reisverarbeitung 30 Prozent. Und in 50 Prozent aller Autos steckt mindestens ein Teil, das durch eine Maschine von Bühler gelaufen ist. Auch in die Herstellung von Batterien für Elektroautos ist das Unternehmen involviert. Je nach Produktionskette sind bis zu 100 Maschinen nötig, bis das fertige Endprodukt entsteht.

Implementierungspartner Der wirtschaftliche Erfolg ist aber nur ein Teil der Geschichte. Vor dem Hintergrund, dass die Weltbevölkerung bis ins Jahr 2050 auf 9 Milliarden Menschen anwachsen soll und heute noch 800 Millionen hungern und viele Menschen durch kontaminierte Lebensmittel krank werden, setzt Bühler alles daran, die Nachhaltigkeit, die Sicherheit und die Qualität im Produktionsprozess zu verbessern. In der Nahrungsmittel-Wertschöpfungskette verfolgt die Geschäftsleitung das erklärte Ziel, den Abfall und den Energieverbrauch bis ins Jahr 2020 um je 30 Prozent zu senken. Wie Digital Officer Stuart Bashford im Gespräch erklärt, soll diese Verbesserung auch durch die Digitalisierung vonstattengehen. «Bühler hat die Verantwortung, diese Ziele zu erreichen», sagt er. «Dabei setzen wir nicht auf digitale Lösungen, weil es cool ist, sondern weil sie Erfolg versprechend sind.» Man wolle der Lebensmittelindustrie Maschinen zur Verfügung stellen, die noch effizienter arbeiteten, und zwar vom Feld bis zur Gabel. Um diese Aufgaben erfüllen zu können, ist die Bühler Group im Frühling mit Microsoft eine Partnerschaft eingegangen. Vom US-Konzern, der sich in einer Evaluation durchgesetzt hat, bezieht der Schweizer Familienbetrieb die Technologien Azure Cloud und Azure Internet of Things (IoT). Für die Implementierung ist die darauf spezialisierte Firma Codit Schweiz zuständig. Der Solution-Provider wiederum ist einer von weltweit nur sechs Elite-ProgrammPartnern von Microsoft für die Integration und Entwicklung der Cloud-basierten Azure-IoT-Anwendung. Laut Bash-

Stuart Bashford (links), Digital Officer der Bühler Group, und Thorsten Korell, General Manager von Codit Schweiz.

ford nutzt Bühler die grosse Erfahrung von Codit, um eine ganz spezifische Lösung zu erhalten und die Entwicklungszeit kurz zu halten. Customizing nennt sich das. Die Lösung von Microsoft wird auf innovative Art an die Ansprüche des Kunden angepasst. Gemäss Thorsten Korell, General Manager von Codit Schweiz, wird das Ziel verfolgt, das System für die gesamte Lieferkette und alle Fachbereiche innerhalb der Bühler Group auf eine einzige unternehmensweite IoT-Plattform zu bringen.

Grosse Hebelwirkung Bühler verspricht sich von der Implementierung viel Potenzial, weil man etliche Prozesse verbessern und Maschinen sowie Arbeitsschritte vernetzen kann. Wie Bashford ausführt, ermögliche es die Digitalisierung zum Beispiel, Insektenbefall und Schadstoffe wie Schimmelpilzbefall sehr viel genauer zu identifizieren

Bühler will mit seinen Maschinen die Effizienz der Lebensmittelindustrie steigern, und zwar vom Feld bis zur Gabel.

Erkennen von kontaminiertem Getreide mbm.  ·  In der globalen Nahrungskette gehen noch immer viel zu viele Rohstoffe verloren. Der Klimawandel und die ­Bevölkerungsexplosion verschärfen die Probleme noch zusätzlich. Weltweit sind zum Beispiel etwa 25 Prozent des geernteten Getreides von giftigen und krebserregenden Schimmelpilzen und Mykotoxinen befallen. Im Fall von Mais stellt der Schimmelpilz Aflatoxin – einer der giftigsten Stoffe, der in der Natur vorkommt – eine besondere Gefährdung dar. Schätzungsweise verursacht dieses Gift pro Jahr etwa 150 000 Leberkrebserkrankungen und behindert das Wachstum von Kindern und Jugendlichen. Mit der LumoVision hat die Bühler Group

eine optische Sortiermaschine entwickelt, deren spezielle Kamera in Kombination mit einem digitalen Verfahren zum ersten Mal überhaupt mit Aflatoxin verseuchte Maiskörner optisch erkennen und aussortieren kann. Dabei reagieren Sensoren auf Kontaminationsanzeichen und machen die befallenen Körner aus. Mit der Anwendung dieses Verfahrens können nach Angaben von Bühler bis zu 90 Prozent der befallenen Maiskörner eliminiert werden, was sich positiv auf die Nahrungsmittelsicherheit und die Nachhaltigkeit auswirkt. Und es werden Leben gerettet und die Ausbeute in der Produktionskette erhöht. Auch bei der Lagerung und

beim Transport gehen der Lebensmittelindustrie weltweit Jahr für Jahr gegen 85 Millionen Tonnen Getreide verloren. Die Siloüberwachungsanlage PreMa von Bühler sorgt dafür, dass das Getreide stets unter den richtigen Bedingungen gelagert wird und nicht verdirbt. Schliesslich durchstöbert das Frühwarnsystem Safefood.ai unzählige öffentliche Datenbanken, Webseiten, Artikel und soziale Medien nach Informationen zur Nahrungsmittelsicherheit. Beeinträchtigte Lebensmittel- und Futterprodukte werden vom System erkannt, sodass an die verarbeitenden Betriebe massgeschneiderte Frühwarnungen geschickt werden können.

und zu entfernen. Schon seit Jahren bietet der Familienbetrieb dafür optische Sortiermaschinen an, die jetzt mit der CloudLösung verbunden werden und durch die Big-Data-Analyse und Online-Applikationen deutlich an Leistungsfähigkeit und Genauigkeit gewinnen. «Gerade, weil Bühler in der ganzen Welt tätig ist, haben wir eine grosse Reichweite und Hebelwirkung.» Durch die stattliche Menge an Getreide, die Tag für Tag mit Maschinen von Bühler verarbeitet wird, entstehe eine beachtliche Differenz beim Energieverbrauch und beim Abfall. Dafür benötige es aber eine grosse Datenmenge, die laufend analysiert werden müsse. Früher sei Bühler ein Maschinenbauer gewesen, heute positioniert sich das Unternehmen als Lösungsanbieter, die in immer stärkerem Masse auf digitalen Technologien beruhen. Mechanische Maschinen würden mit digitalen Services kombiniert. Um die grosse Datenmenge zu speichern, braucht es laut K ­ orell Cloud-basierte Lösungen wie Microsofts Azure-IoT-Anwendung. Ohne sie wäre alles nicht denkbar. Denn der springende Punkt sei, dass man in Echtzeit Daten sammeln und auch analysieren könne. Nur auf diese Weise sei es möglich, bei einem Problem sofort zu reagieren und beispielsweise bei einer Maschine im Falle einer Fehlermeldung sofort einzugreifen oder etwa Rezepturen anzupassen.

Ein neues Geschäftsfeld Für die Sicherheit des Systems ist Bühler zuständig und setzt dabei auf die langjährige Erfahrung von Microsoft und dessen ebenfalls Cloud-basiertes AzureSecurity-Center. Cybersicherheit im Internet der Dinge ist ein sehr wichtiges Thema, das bei allen Partnern höchste Priorität geniesst. Durch die Digitalisierung und die Integration der Maschinen in eine IoT-

MICHELE LIMINA

Plattform tut sich für die Bühler Group ein neues Geschäftsfeld auf. Wenn der Kunde will, können die intelligenten Online-Services in Zukunft autonom Maschinen und Anlagen überwachen und bei Unregelmässigkeiten rechtzeitig Alarm geben oder Servicetechniker informieren. Im Sinne einer vorausschauenden Wartung ist dann der Mitarbeiter vor Ort, noch bevor die Maschine oder Anlage ausfällt. Die gesammelten Daten erlauben darüber hinaus eine Auswertung, die in die Entwicklung und laufende Verbesserung der Maschinen einfliesst. «Das war früher nicht möglich», sagt Digital Officer Stuart Bashford, «mit diesem Service lässt sich die Effizienz in der Produktionskette deutlich erhöhen, und der Prozess wird transparent.» Und mit den gesammelten Daten werde das System laufend verbessert, ergänzt Thorsten Korell, General Manager von Codit Schweiz. Falls ein Kunde diesen Service nicht mehr wünscht, kann er ihn jederzeit abbestellen. Bashford findet, dass man ohne zu übertreiben von einem Quantensprung, ja von einer Revolution des traditionellen Geschäfts sprechen könne.

Codit mbm. · Der 2000 gegründete ICTDienstleister Codit mit Hauptsitz in Belgien und Niederlassung in der Schweiz ist auf die Integration von Geschäftsanwendungen spezialisiert und bietet Beratung, Technologie und Managed Services an. Als Integrationsspezialist ist Codit auch in den Bereichen API-Management, Cloud-basierte Lösungen auf Microsoft Azure sowie Internet of Things (IoT) tätig.


Samstag, 22. September 2018

Digitale Transformation

13

NZZ-Verlagsbeilage

«Wünsche mir mehr Mut, mehr Neugierde» Unser Land erfüllt alle Voraussetzungen, zu einer «Smart Nation» zu werden, erklärt Marianne Janik, Chief Executive Officer (CEO) von Microsoft Schweiz. Die grosse Herausforderung der digitalen Transformation ortet sie in den Köpfen – nicht in der Technologie. Marianne Janik, wie «digital» sind Sie im Alltag unterwegs? Beruflich bedingt natürlich zu gut 100 Prozent. Privat hingegen reduziere ich den Umgang auf jene Möglichkeiten, die mir sinnvoll erscheinen und mir einen unmittelbaren Nutzen bringen. Sie gehören nicht unbedingt der Generation «Digital Natives» an. Aufgrund Ihrer beruflichen Laufbahn sind Sie aber auch keine klassische «Digital Immigrant». Als was sehen Sie sich am ehesten? Ich würde sagen, ich bin eine «Early Adopter». Also eine Anwenderin, die sich seit der ersten Stunde mit dem digitalen Wandel auseinandersetzt. Ich wurde nicht gezwungen, es hat mich einfach unglaublich interessiert. Trotz dieser Affinität zu neuen Technologien und Innovationen verhalte ich mich aber auch immer mal wieder sehr gerne und sehr bewusst «old school»-mässig. Wie darf man sich das vorstellen? Ich greife nach wie vor gerne zu Papier und Stift. Nicht, weil es zum Schreiben von Notizen und Entwickeln von Ideen keine digitalen Lösungen gäbe, sondern weil ich persönlich damit in gewissen Momenten ganz einfach kreativer sein kann. Und dann sind da ja auch noch all die Bücher, die ich viel lieber in gebundener als in elektronischer Form lese. Kennen Sie Menschen, die ausschliesslich «digital» unterwegs sind? Oh ja! In meinem engsten Umfeld. Ich würde sogar Teile meiner Familie dazuzählen (lacht). Sie kennen die Situation bestimmt auch: Früher, da hat man doch gemeinsam vor dem Fernseher gesessen und sich eine Sendung angeschaut. Heute sind da bestimmt mindestens drei Geräte, die permanent bedient werden. Ist das jetzt gut oder schlecht? Ich will es überhaupt nicht werten. Persönlich schätze ich es einfach, die verschiedenen Möglichkeiten zu nutzen, die mir die digitale und die analoge Welt bieten. So kann ich meine Persönlichkeit am besten entfalten, so öffnen sich mir immer wieder neue Perspektiven. Was denken Sie: Vereinfacht es den Umgang mit dem digitalen Wandel, wenn man zeitlebens gar nie analog unterwegs gewesen ist? Generell würde ich das so nicht sagen, nein. Ob man nun mit ihr aufwächst oder ihr wie viele von uns zwangsläufig begegnet – die Digitalisierung im Sinne einer technologischen Errungenschaft ist lediglich das Mittel zum Zweck. Die digitale Transformation fängt zuallererst einmal im Kopf an. Und das hat weniger mit Können zu tun als vielmehr mit Wollen. Sie sagen folglich, eine Mehrheit der Unternehmen in diesem Land will sich gar nicht mit der Digitalisierung auseinandersetzen? Nein – und ich weiss auch, worauf Sie anspielen: All die Statistiken, die besa-

Zur Person fwc.  ·  Marianne Janik ist seit Juli 2015 als Country Manager für die Leitung von Microsoft Schweiz zuständig. Zuvor verantwortete sie rund vier Jahre lang die Bereiche öffentliche Verwaltung, Bildung und Gesundheitswesen in der Geschäftsleitung von Microsoft Deutschland. Die gebürtige Französin und promovierte Juristin startete ihre berufliche Karriere bei Daimler-Benz im Bereich Public Affairs. Anschliessend übernahm sie bei einem EADS-Tochterunternehmen zunächst die Vertragsabteilung und anschliessend den Vertriebsbereich für das Behörden-, Bundeswehr- und Industriekundengeschäft. Janik ist verheiratet und Mutter zweier Kinder.

Marianne Janik, CEO von Microsoft Schweiz: «Wir sind, was die Digitalisierung anbelangt, auf einem guten Weg. Weshalb aber machen wir uns nicht daran, auf einen MICHELE LIMINA sehr guten Weg zu kommen?»

gen, dass gerade KMU sich der digitalen Transformation komplett verschliessen. In der Realität erlebe ich es tatsächlich anders. Innovation ist nach wie vor ein ganz zentraler Treiber der Schweizer Wirtschaft. Dem wäre bestimmt nicht so, würde sich ein Grossteil der Unternehmen dem digitalen Wandel verschliessen. Wo sehen Sie in diesem Kontext Ihre, die Rolle von Microsoft? Wir sind ein Lieferant und stehen dementsprechend in der Verantwortung. Wir entwickeln unterstützende Technologien, werden also nie Autos bauen, Roboter, auch keine Finanzdienstleistungen anbieten. Unser Geschäft stützt sich auf die Zusammenarbeit mit IT-Partnern, die ihrerseits Lösungen erarbeiten – und das wiederum hauptsächlich in Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen. So entstehen neue, innovative und kundenzentrierte Geschäftsmodelle. Klingt interessant – bringt dem einzelnen KMU aber welchen Nutzen? Diese Partner, in der Schweiz sind es momentan 4600, haben alle ihre spezifischen Kernkompetenzen. Mit ihnen machen wir 95 Prozent unseres Geschäfts. Dank den Kooperationen mit anderen Firmen gewinnt jeder einzelne dieser Partner Zugang zu neuen Kunden, Kompetenzen und Ressourcen, über die er selber gar nicht verfügt oder die er kostspielig aufbauen müsste. Unsere Aufgabe innerhalb dieses Ökosystems ist es, die infrastrukturellen Grundlagen, die technologische Plattform für diese gemeinsamen Projekte bereitzustellen. Im Zuge solcher Partnerschaften entstehen Produkte und Dienstleistungen, die einen hohen Kundennutzen haben und für andere Unternehmen von grossem Interesse sind. Alles auf Kurs also? Es gibt natürlich grosse Unterschiede. Lassen Sie es mich mal so formulieren: Wir sind, was die Digitalisierung anbe-

«Innovation ist nach wie vor ein ganz zentraler Treiber der Schweizer Wirtschaft.»

langt, auf einem guten Weg. Weshalb aber machen wir uns nicht daran, auf einen sehr guten Weg zu kommen? Angefangen bei den bedeutenden Hochschulen bis hin zu den vielen innovativen Unternehmen verfügen wir über alle Mittel und Faktoren, um aus der Schweiz eine grosse «Smart Nation» zu machen. Es ist im Prinzip all das vorhanden, was es braucht, um ein Land erfolgreich zu transformieren. Und das nicht einfach um der Transformation willen, sondern um die Wirtschaft und die Gesellschaft zu stärken. Das klingt jetzt sehr euphorisch. Könnte es sein, dass Sie als in Deutschland aufgewachsene Französin eine andere Herangehensweise an das Thema haben als wir Schweizerinnen und Schweizer? Wie meinen Sie jetzt das? Na ja, dem Neuen gegenüber ist man hierzulande bekanntlich eher skeptisch eingestellt und die Bedächtigkeit nimmt das Vorpreschen gerne straff an die Zügel. Diese Aussage finde ich so pauschal nicht zutreffend. Schliesslich steht die Schweiz seit jeher für Innovation und Fortschritt – und das tut sie auch heute noch. Aber ich gebe Ihnen durchaus ein wenig recht: Natürlich begegne auch ich

immer mal wieder Unternehmen, die dem Wandel, gerade dem digitalen, sehr defensiv gegenüberstehen. Sie würden ihn lieber aussitzen als aktiv angehen. Aber das ist sicher die Minderheit.

die nicht betroffen sind. «Betroffen» – das klingt, als ob da jemand krank wäre und sich die anderen vor einer Ansteckung schützen müssten. Meiner Ansicht nach ist das ein völlig falscher Duktus.

Wo sehen Sie die Gründe für dieses ­Desinteresse, diese Lethargie vielleicht auch? Meistens mangelt es in diesen Unternehmen ganz einfach an fachlichem Wissen und am klar manifestierten Willen, sich im Betrieb Grundlagen anzueignen, die eine sachliche Beurteilung der Situation erlaubt. Auch hier gilt wieder: Es ist nicht die Technologie an sich, sondern der Kopf von Einzelnen, der ganze Firmen auf die Bremse stehen lässt. Dabei sind wohl gerade Schweizer Unternehmen absolut prädestiniert, den digitalen Wandel erfolgreich zu gestalten.

Was schlagen Sie denn vor? Wir müssen hierzulande zu einer neuen Kultur der Diskussion finden. Wie schon erwähnt, im Grundsatz gehe ich nicht davon aus, dass wir mit der digitalen Transformation ein Problem haben. Gerade in den kritisch eingestellten Unternehmen sollte die Erkenntnis wachsen, dass die neuen Technologien Chancen und Mehrwert bieten – sie sich aber auch auf die Mentalität und die Kultur innerhalb des Betriebes auswirken.

Welche Indikatoren lassen Sie zu diesem Schluss kommen? Jedes Schweizer Unternehmen hat einen Plan. Absolut jedes! Mir ist in diesem Land kein Betrieb bekannt, der nicht businessorientiert wäre, der seine Märkte und die Bedürfnisse seiner Kunden nicht kennt. Das ist schon mal eine sehr solide Ausgangslage. Der digitale Transfer ist ja immer auch eng mit der Frage nach dem Return on Investment verknüpft. Welchen Mehrwert bringen mir und meinen Kunden neue Technologien, wo und wie steigern sie meine Rendite, sichern sie meine Zukunft? Das sind alles Fragen, die man sich in einem Unternehmen täglich stellt. Insofern kann ich nicht immer nachvollziehen, weshalb sich beim Thema Digitalisierung mancherorts grosse Nervosität oder gar Ablehnung breitmacht. Vielleicht, weil häufig eben nicht die Ratio entscheidend ist, sondern die Emotion? Sie sagen es. Kürzlich habe ich irgendwo gelesen, dass es in der Schweiz ganze Industriezweige gibt, die direkt vom digitalen Wandel betroffen sind, und solche,

Weniger Angst also und mehr Offenheit dem Thema gegenüber? Ganz genau. Dürfte ich mir von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft etwas wünschen, so wäre es mehr Offenheit. Mehr Mut und Neugierde auch, wenn es um den digitalen Wandel geht. Interview: Flavian Cajacob

Microsoft fwc.  ·  Microsoft – 1975 von Bill Gates und Paul Allen gegründet – ist das führende Plattform- und Produktivitätsunternehmen mit der Mission, jede Person und jede Organisation auf dem Planeten zu befähigen, einen Mehrwert zu leisten. Microsoft Schweiz mit Sitz in Wallisellen ist eine Tochtergesellschaft des amerikanischen Technologiekonzerns mit Sitz in Redmond. Seit der Gründung der Niederlassung im Jahr 1989 hat sich die Ländereinheit zu einem typisch schweizerischen KMU mit rund 620 Mitarbeitenden entwickelt. Das nationale Netzwerk umfasst 4600 lokale Geschäftspartner und 14 000 zertifizierte Produkt- und Lösungsspezialisten.


Microsoft runs on

trust. aka.ms/learn-more-about-trust


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.