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UHREN & SCHMUCK

Der Abschwung ist da, aber längst nicht alles ist düster

Andrea Martel Die Uhrenbranche erwarte ein holpriges Jahr haben wir vor sechs Monaten an dieser Stelle geschrieben. Genau so ist es gekommen. Seit Monaten sinken die Uhrenexporte, vor allem der chinesische Markt ist stark eingebrochen. Eine schnelle Erholung ist nicht in Sicht. Denn in der Mittelschicht herrscht grosse Verunsicherung, wie unser China-Korrespondent berichtet (Seite11) Viele haben ihre Ersparnisse in Häuser und Wohnungen investiert, im Glauben an stetig steigende Preise Doch die Immobilienpreise fallen rapide, und kaum jemand erwartet, dass sie frühere Höchststände je wieder erreichen werden

DieAnpassung an diese neue Realität ist für einige Uhrenhersteller schmerzhaft. Im Vorteil sind Marken mit breiter geografischer Aufstellung Sie können die Verluste in China durch Zuwächse in anderen, derzeit stark wachsenden Märkten wie Indien oder Mexiko ausgleichen. Hilfreich ist natürlich auch, einem finanzstarken Konzern anzugehören. So kann man auch in schlechteren Zeiten weiter investieren und seine Präsenz dort ausbauen, wo man Potenzial sieht Der Chef der Richemont-Marke

Panerai erzählt, wo er wachsen will und wie er die Kundschaft an seine Marke bindet (Seite7) Existenzängste haben die grossen Marken nicht. Ob sie Kurzarbeit einführen oder Personal abbauen, ist bei ihnen keine Frage des Überlebens, sondern hängt allein von der Konzernstrategie ab Trotzdem ist auch in den Führungsetagen der Luxuskonzerne Nervosität zu spüren. Nie in den letzten 20 Jahren gab es so viele Chefwechsel wie dieses Jahr (Seiten 12 und 13) Doch es geht längst nicht nur um Krise und Abschwung in der Uhrenwelt. Es gibt auch viele positive Entwicklungen und kreative Höhepunkte Eine Renaissance erleben derzeit etwa die Handwerkskünste, die sogenannten Métiers d’Art. Viele High-End-Marken haben ihre Werkstätten erweitert und veredeln Zifferblätter zu einzigartigen Kunstwerken. Wenn sich nun auch noch die Erkenntnis durchsetzt, dass nicht jeder auf verspielte Blumenmuster Fabelwesen oder Tierkreiszeichen steht, könnten diese Schmuckuhren aus ihrem Nischendasein heraustreten und neue Typen von Sammlern begeistern (Seiten 16 und 17).

Eine Renaissance

erleben

derzeit die Handwerkskünste, die sogenannten Métiers d’Art.

Auch bei kleinen Marken tut sich Spannendes Die Bieler Uhrenfirma Horage hat ein Verfahren entwickelt, das es ermöglicht, die Ganggenauigkeit mechanischer Uhren selbst zu regulieren (Seite 6). Jeder, der eine mechanische Uhr trägt, kennt das Problem:Auch Uhren mit Chronometerzertifikat laufen am Handgelenk oft nicht ganz genau, da sie auf den Träger reagieren. Die Uhr zu Hause selbst nachjustieren zu können, ist daher zumindest für Uhrenfans ein vielversprechendes Konzept. Rexhep Rexhepi ist eine Erfolgsgeschichte, wie sie nur die Uhrenindustrie schreiben kann.Als 12-jähriger kosovarischer Flüchtling kam er in die Schweiz und machte eine Lehre bei Patek Philippe Heute führt er sein eigenes Unternehmen mit 25 Mitarbeitern,und seine Uhren sind extrem begehrt: Die «Antimagnétique» erzielte im Frühling bei der Wohltätigkeitsauktion Only Watch mit 2,1 Millionen Franken den zweithöchsten Preis –übertroffen nur von einer Patek Philippe Wir haben den leidenschaftlichen Uhrmacher in seinen Ateliers in der Genfer Altstadt besucht (Seite5) Auch bei den Neuheiten gibt es bemerkenswerte Entdeckungen: Den

Maxigraph etwa die erste Uhr der neu lancierten Marke Albishorn. Der Gründer, ein Uhrenkenner und VintageSpezialist mit grosser Erfahrung in der Herstellung von Uhren, hat seinen Traum verwirklicht: Er konzipiert und produziert Uhren, die es nie gegeben hat, aber die es hätte geben können, wenn die Weichen der Geschichte anders gestellt worden wären. «Imaginary Vintage» nennt er das Konzept, an dem er über Jahre in seiner Freizeit gearbeitet hat. Interessant auch der Neustart des Traditionsmarke Favre Leuba oder die Wiederbelebung von Daniel Roth, hinter der Jean Arnault, der jüngste Spross der LVMH-Dynastie steht (Seiten 8 und 9).

Weniger Trouvaille als Kuriosität ist das Thema Wasserdichtigkeit. Patek Philippe hat entschieden, alle wasserdichten Uhren im Sortiment nur noch mit «wasserdicht bis 30 Meter» zu bezeichnen – auch solche, die bisher als «wasserdicht bis 120 Meter» deklariert waren. Dies hat uns dazu veranlasst, der Frage nachzugehen, was Wasserdichtigkeit bei Uhren tatsächlich bedeutet (Seite10). Die Ergebnisse dürften selbst Branchenvertreter überraschen

Uhren & Schmuck ist ein Schwerpunkt des Unternehmens NZZ. Beilagen werden nicht von der Redaktion produziert, sondern bei NZZone von unserem Dienstleister für journalistisches Storytelling: NZZ Content Creation. Hinweis: Nicht gekennzeichnete Inhalte sind publizistisch unabhängig entstanden; bei Gastbeiträgen handelt es sich um kommerziell erworbene Inhalte. Konzept: Andrea Martel (Redaktorin, «Neue Zürcher Zeitung»).

Realisation: Christina Hubbeling Layout: Armin Apadana. Verkauf: Gabriela Holenstein. Kontakt: NZZone, c/o Neue Zürcher Zeitung AG Falkenstrasse 11, CH-8021 Zürich, +41 44 258 16 98, sales@nzzone.ch, nzzone.ch.

shop@nzz.ch +4144258 13 83

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Chinesen kaufen deutlich weniger Uhren – sowohl bei sich zu Hause als auch auf Reisen.

ANDREAS ZURBRIGGEN (TEXT) NICOLAS EYER (BILDER)

Die Zeiten, in denen sich Uhrmacher in einsamen Tälern im Jura versteckt hielten, scheinen definitiv passé zu sein. Der beste Beweis dafür ist Rexhep Rexhepi, der als neuer Liebling der Schweizer Uhrmacherszene hoch gehandelt wird Seine Ateliers befinden sich an bester Lage im Herzen der Genfer Altstadt Ein Team von 25 Personen pflegt in minutiöser Detailarbeit das traditionelle Uhrenhandwerk und überführt dieses ins neue Jahrtausend. Das dort gelebte Credo: möglichst sämtliche Schritte bei der Uhrenproduktion von Hand ausführen. Ein kühler Wind bläst bei unserem Besuch durch die Grand-Rue Vier Werkstätten unterhält Rexhep Rexhepi an dieser pittoresken Gasse in der Nähe der Kathedrale Saint-Pierre. Zuletzt kam eine Maisonettewohnung dazu, in der er sich in einem Turmzimmer eingenistet hat – mit Blick auf den Genfersee und die Alpen. Dieses Zimmer vereint den Charakter eines Labors, einer Studierstube und einer Alchimistenkammer Rexhep Rexhepi sitzt an seinem Uhrmachertisch und entwirft in Skizzenbüchern neue Ideen. «Ich hatte einfach unglaublich viel Glück», wiederholt er mehrmals in Gespräch.

Immer wieder erliegt Rexhep Rexhepi dem Reiz, neue Komplikationen zu entwickeln Die diesmalige Herausforderung: eine für moderne Uhren prägende Eigenschaft mit den Mitteln des traditionellen Uhrenhandwerks zu meistern. Zurzeit arbeitet der wohl gefragteste Uhrmacher seiner Generation an einem Zeitmesser mit springender Sekunde Eine springende Sekunde ist das typische Merkmal von Quarzuhren, mechanische Uhren hingegen weisen schleichende Sekunden auf.

Ihm stehen vier Ingenieure zur Seite «Ich habe grossen Respekt vor den Uhrmachern der Vergangenheit, die noch nicht auf IT-Programme zurückgreifen konnten. Daher müssen unsere Uhren noch besser sein als die Uhren von damals», sagt Rexhep Rexhepi.

Koryphäe an Bord geholt

In seinen vier Ateliers arbeiten Spezialisten an der Herstellung von Einzelteilen und Gehäusen, an der Dekoration der Uhren und seit Neustem auch in der Kreation von Lederarmbändern Das Team besteht aus Menschen mit verschiedenem Background – von der Textilspezialistin bis zum Juwelier

Bei unserem Besuch dekoriert eine Mitarbeiterin gerade ein Emaille-Zifferblatt. 80 Prozent der Zeit fliesst bei der Uhrenproduktion in die Finissage Die Ruhe und Konzentration in den Ateliers wirkt ehrfürchtig, wie aus der Zeit gefallen. Die Atmosphäre in mittelalterlichen Klosterskriptorien mag eine ähnliche gewesen sein.

Vor fünf Jahren gelang Rexhep Rexhepi ein Coup Er holte Jean-Pierre Hagmann, eine Genfer Koryphäe für Gehäuse, zurück aus der Pension. Der über 80-Jährige arbeitet nun täglich vormittags an der Produktion von Uhrengehäusen. Nur 40 bis 50 Uhren verlassen die Genfer Grand-Rue pro Jahr Der Weg in die Haute Horlogerie war Rexhep Rexhepi nicht vorgezeichnet. 1987 im Kosovo geboren wuchs er dort bei seiner Grossmutter auf Die Mutter verliess die Familie, als Rexhepi ein Kind war, seinen in Genf arbeitenden Vater sah er nur während weniger Wochen im Jahr Bei den Heimataufenthalten seines Vaters fiel ihm an dessen Handgelenk eine Tissot-Armbanduhr auf «Ich war fasziniert von der Schönheit dieser Uhr und hätte sie am liebsten aufgeschraubt, um zu sehen, wie dieses Wunderwerk funktioniert», erinnert er sich

Nach Ausbruch des Kosovokriegs kam Rexhepi im Jahr 1998 als Flüchtling nach Genf Zuerst fand er keinen Anschluss zu Gleichaltrigen, vergrub sich tagelang in der Bibliothek und begann, manisch Bücher über Uhren zu lesen.Als 15-Jähriger dann der Befreiungsschlag: Unter 300 Mitbewerbern wurde er vom Luxusuhrenhersteller Patek Philippe ausgewählt Er bekam das Privileg, in der prestigeträchtigen Genfer Uhrenmanufaktur seine Lehre zu absolvieren

Nächste Etappen führten ihn zu Grössen seines Faches Bei FrançoisPaul Journe einem Pionier der eigenständigen Entwicklung und Umsetzung

Vom Flüchtling und Aussenseiter

zum

Shootingstar

Als 12-Jähriger kam Rexhep Rexhepi als kosovarischer Flüchtling in die Schweiz. Ein Vierteljahrhundert später gilt er als einer der bemerkenswertesten Schweizer Uhrmacher. Ein Besuch in seinen Genfer Ateliers

von Armbanduhren, verblieb er zwei ganze Jahre. Dessen Wahlspruch «Invenit et Fecit» («er erfand und setzte um») scheint Rexhepi verinnerlicht zu haben. 2,1 Millionen Schweizer Franken Diesen Betrag bot kürzlich ein Uhrenliebhaber an der Wohltätigkeitsauktion Only Watch für eine Rexhep Rexhephi Chronomètre Antimagnétique. Auf der Website von Only Watch wurde der Preis vor der Auktion auf 100000 bis 150000 Franken geschätzt Die in schlichtem Design gehaltene Armbanduhr erzielte letztlich somit das 20-fache des Richtwerts. Nur eine Patek Philippe wurde an der Auktion zu einem höheren Preis ersteigert. Deren Schätzwert war jedoch vor der Auktion bereits bei über 1,5 Millionen Franken angesetzt.

Aller Anfang ist schwer Rexhep Rexhepi ist auf dem Olymp der Uhrenmachergilde angekommen. Sein Glück scheint er noch nicht ganz fassen zu können. Mehrmals im Gespräch lässt er Selbstzweifel durchblicken und erzählt freimütig über die Misserfolge zu Beginn seiner Laufbahn. Mit 25 Jahren macht sich Rexhepi selbständig und gründet eine eigene Manufaktur: Akrivia. Das aus dem Griechischen entlie-

hene Wort für Genauigkeit und Präzision soll seine Vision zum Ausdruck bringen. Als er 2012 an der Baselworld eine erste Uhr, die Tourbillon Chronographe Monopoussoir präsentiert, erhält er keinerlei Beachtung «Die erste Akrivia war kommerziell ein Desaster», so Rexhepi. Nach dem Misserfolg in Basel arbeitet Rexhepi in unermüdlichem Eifer weiter. «Ich wollte eine Uhr erschaffen, die zu mir passt, und ich wollte von meiner Passion leben können. Das war meine Motivation.» 2018 bringt er eine Uhr auf den Markt, die zum ersten Mal nicht mehr mit Akrivia, sondern mit seinem Namen gekennzeichnet ist: den Chronomètre Contemporain Damit gewinnt er – wie vier Jahre später nochmals mit dem Nachfolgemodell Chronomètre Contempoirain II – den renommierten Grand Prix d’Horlogerie de Genève Das Design zeigte sich nun klassischer weniger verspielt, jedoch stärker symmetrisch – wie in seinem Namen angelegt oder wie die Uhren einer Schweizer Uhrmacherlegende, für die Rexhep Rexhepi Hochachtung empfindet: Philippe Dufour Rexhepi fühlt sich als Schweizer durch und durch. Lange Zeit plagte ihn jedoch ein Unbehagen: «Bin ich Schweizer genug, um eine Schweizer Uhr mit mei-

In einer Epoche, in der das Smartphone die neue Taschenuhr ist und die Smartwatch den Zeitgeist verkörpert, machte sich ein ehemaliger kosovarischer Flüchtling mit calvinistischem Arbeitseifer in Genf auf die Suche nach der verlorenen Zeit. Und man kann behaupten: Er scheint sie gefunden zu haben.

Wartefristen und Preise auf Anfrage

Rexhep Rexhepi verkauft seine Uhren in der Schweiz direkt über seine Gesellschaft Akrivia, im Ausland über Händler wieA Collected Man,The Hour Glass und Ahmed Seddiqi & Sons DieWartefrist für eine Uhr kann sich über einen längeren Zeitraum hinziehen. Preise auf Anfrage.

nem Namen zu signieren?», sinnierte er dann Diese Frage stellt sich im Schweizer Uhrenmilieu eigentlich nicht. Es waren französische Hugenotten, die im 17 Jahrhundert als religiöse Flüchtlinge in Genf und im Jura die Schweizer Uhrmacherkunst weiterentwickelten. Nun ist es ein kosovarischer Flüchtling, der das traditionelle Genfer Uhrmacherhandwerk zu neuer Blüte führt – und dabei typische Verzierungen wie Genfer Streifen oder anglierte Kanten kultiviert Mit Rexhep Rexhepi übernimmt eine neue Generation das Zepter in der Schweizer Uhrmacherkunst Gaël Petermann, Florian Bédat, Raúl Pagès oder Hervé Schlüchter sind weitere Namen junger Wilder, die mit ihren Kreationen die Szene durchwirbeln Was Rexhep Rexhepi, der seine Inspiration ebenso aus der bildenden Kunst zieht wie aus der Haute Cuisine oder aus einer riesigen Sammlung an Uhrenbüchern an die Spitze bringt: raffinierte Eleganz und eine atemberaubende Perfektion in der Konstruktion des Uhrwerks Die Linie Akrivia will er in Zukunft allerdings nicht mehr weiterverfolgen. Ideen für neue Uhrenmodelle der Marke Rexhep Rexhephi hat er hingegen bereits über Jahre hinaus – und dies nicht nur für Armbanduhren Als Vater einer Tochter und eines Sohns im Vorschulalter gilt es nun, familiäre Pflichten zu erfüllen Sind die Zeiten vorbei, in denen er ganze Wochenenden pausenlos durcharbeitete? «Ich überlege mir, in meinem Atelier ein Spielzimmer für die Kinder einzurichten damit ich auch am Wochenende an neuen Komplikationen forschen kann», sagt er mit einem Schmunzeln.

Ruhe wie im Skriptorium eines Klosters: Bei Rexhep Rexhepi ist der Begriff Manufaktur kein leeres Versprechen.
Rexhep Rexhepi tüftelt in seinem Atelier unentwegt an neuen Komplikationen.
Der erste Chronomètre Antimagnétique wurde für 2,1 Millionen Franken versteigert

Per Knopfdruck die Uhr regulieren

Die Bieler Uhrenmarke Horage hat ein Verfahren vorgestellt, das es Uhrenträgern erlaubt, den Gang ihrer mechanischen Uhr selber zu regulieren Das ist bahnbrechend Aber hat es auch Zukunft?

Über ein flaches Kästchen, das man an die Uhr andockt, lässt sich die Länge der Spiralfeder in kleinen Schritten verändern. Pro Schritt läuft die Uhr dann 0,1 Sekunden pro Tag schneller oder langsamer PD

PIERRE-ANDRÉ SCHMITT

Der Uhrmacher schläft. Jedenfalls bildlich gesprochen. Er schläft tief im Uhrwerk von Zeitmessern der Marke Horage und ist in Wirklichkeit ein winziges mechanisches Teilchen, das es sich es in sich hat.

Das Teilchen, Sleeping Watchmaker genannt tut normalerweise nichts – es ruht. Doch wenn es nötig wird, erwacht es schlagartig Und hilft, die Ganggenauigkeit der Uhr zu korrigieren. Es braucht keinen Uhrmacher dafür, der die Uhr öffnen müsste – selbst handwerklich unbegabte Menschen können sie von aussen ganz einfach auf Knopfdruck schneller oder langsamer ticken lassen. «Revolutionär!», jubelt Andi Felsl, der Chef von Horage Uhren reagieren auf ihre Träger Tatsächlich hat es die Erfindung in sich. Denn die Präzision einer mechanischen Uhr ist seit jeher ein wichtiges Anliegen und gleichzeitig eine Knacknuss Einfache Faustregel: Je akkurater die angestrebte Ganggenauigkeit ist, die eine Marke anbieten will, desto teurer wird es, jede zusätzlich gewonnene Präzisionssekunde treibt die Kosten exponentiell in die Höhe Dazu kommt das grosse Problem, dass eine mechanische Uhr auf ihren Träger reagiert: «Sie wird bei Ihnen anders laufen als bei mir, je nachdem, wie Sie sich bewegen», sagt Felsl. Ein aktiver Mensch, der ausgiebig Sport macht, beeinflusst die Reguliermechanik einer Uhr zum Beispiel anders als jemand, der vor allem am Pult oder auf dem Sofa sitzt.

Genau das kann der schlafende Uhrmacher nun korrigieren, der von Horage mit dem Hightech-Unternehmen Miniswys entwickelt wurde Noch ist das Produkt zwar nicht marktreif, aber Prototypen funktionieren. Miniswys, dies nebenbei, wurde vom Ingenieur Elmar Mock mitbegründet, einem der Entwickler der ersten Swatch-Uhr Uhren, so muss man wissen, werden per se von den Marken einreguliert, also auf möglichst korrekten Trab gebracht Eine gängige Methode besteht darin, die aktive Länge der Spiralfeder – das ist der wichtigste Teil im Regulierorgan einer Uhr – zu verändern, wobei eine sehr ruhige Hand gefragt ist: Eine Kürzung oder Verlängerung von nur einem hundertstel Millimeter Länge verän-dert laut Horage den Gang der Uhr um eine Sekunde pro Tag. Genau auf die Länge der Spirale wirkt nun der schlafende Uhrmacher: ein kleines Plättli, das im Grunde genommen ein Miniaturmotor ist. Über ein flaches Kästchen, das man an die Uhr andockt, kann der Winzling von aussen gereizt werden und dann die Spiralfederlänge in kleinen Schritten von plus oder minus 0,1 Sekunden pro Tag verändern Dafür sorgt ein sogenannt piezolektrischer Effekt: Das Teilchen ist aufgrund des Materials und seiner Form so beschaffen, dass sich eine Art flache Zange spreizt oder zusammenzieht, wenn man daran eine elektrische Spannung anlegt. Eine entsprechende Uhr namens Revolution 3 Microreg hat Horage geplant, sie soll ab 2026 für 6900 Franken plus Mehrwertsteuer erhältlich sein. Schnellentschlossene können das Stück jetzt für 3900 Franken vorbestellen.

Dass es bei der Präzision von Uhren um viel Geld geht, zeigt der personelle Aufwand, der für Zertifizierungen betrieben wird: Die Contrôle Officielle Suisse des Chronomètres (COSC), welche im Auftrag von Marken Uhren prüft, beschäftigt dafür etwa 60 Vollzeitmitarbeiter plus rund 70 Hilfskräfte Getestet werden die Uhrwerke also nicht die ganzen Uhren; um eine COSC-Zertifizierung zu erhalten, dürfen sie maximal vier Sekunden nach- oder sechs Sekunden vorgehen.

Eine reife technische Leistung

Das klingt vielleicht nach viel, ist aber technisch eine reife Leistung: «Selbst wenn eine Uhr täglich sechs Sekunden vorginge, würde dies immer noch bedeuten, dass sie bemerkenswert regelmässig geht», schreibt jedenfalls die COSC «Auf das metrische System übertragen, würde die Abweichung nach einem Jahr bei 1000 Metern gerade einmal 7 Zentimeter betragen.» Noch pingeliger gehen die SwatchGroup-Marke Omega sowie die zu Rolex gehörende Marke Tudor mit der Präzision um: Sie lassen Uhren nicht nur vom COSC zertifizieren, sondern zusätzlich vom Eidgenössischen Institut für Metrologie, kurz Metas Die staatliche Stelle prüft die komplette Uhr und nicht nur das Werk Es gibt zahlreiche Auflagen; unter anderem muss ein extrem starkes Magnetfeld von 15 000 Gauss überstanden werden. Toleriert wird eine maximale Abweichung von 0 bis +5 Sekunden pro Tag, um das Prädkat «Master Chronometer» zu erhalten. Doch wie wichtig sind solche Zahlen

für ganz normale Uhrenträger? «Dass eine Uhr vor- oder nachgeht, ist die häufigste Klage von Kundinnen und Kunden», sagt Felsl – das müsse die Branche interessieren. Allerdings gibt es auch Skeptiker Branchen-Doyen Jean-Claude Biver kennt das Projekt zwar nicht im Detail, hält die Ganggenauigkeit einer Uhr aber für ein eher sekundäres Verkaufsargument: «Präzision erhalten Sie heute für etwas über 50 Franken mit einer Swatch», sagt er «Präzision haben Sie im Auto an der Borduhr, im Handy, am Bahnhof und fast überall – das ist nichts Exklusives mehr.»

Differenzierter sieht es der frühere Swatch-Group-Manager Manuel Emch

Horage

Die von Andi Felsl und seiner Ehefrau Tzuyu Huang gegründete und in Biel domizilierte Marke Horage pflegt einen dezidiert industriellen Ansatz und hebt sich in dieser Beziehung von der traditionellen Uhrmacherei ab Entwickelt wurden bisher vier verschieden Uhrwerke, jeweils mit 150 bis 220 Bauteilen, stets mit einer Siliziumspirale ausgerüstet. Die Architektur der Werke ist ausgespro-chen modern die Fertigungsstrasse laut Felsl problemlos bis 500000 Stück hinaufskalierbar Derzeit baut Horage geschätzt jährlich rund 1000 Uhren unter eigenem Namen, dazu kommen Auftragsarbeiten für Dritte HorageUhren kosten zwischen 2200 bis 26000 Franken.

Die Präzision einer mechanischen Uhr ist seit jeher ein wichtiges Anliegen und gleichzeitig eine Knacknuss.

der heute diverse Uhrenfirmen berät und bei der Uhrenmarke Louis Erard einen spektakulären Turnaround hingelegt hat. «Höchst interessant», findet Emch das Horage-Projekt: «Solche Innovationen sind wertvoll.» Entscheidend sei jedoch, dass nun andere Marken einsteigen, allein könne ein Nischenplayer ein solches Projekt nicht bis zum Durchbruch stemmen «Es braucht einen Branchenleader, der mitzieht, um daraus eine Erfolgsstory zu machen, sonst wird die Sache wohl verpuffen.»

Happiness ist wertvoll

Andi Felsl zeigt sich optimistisch. Das Interesse sei enorm, meint er Das zeige sich einerseits an den vielen Vorbestellungen, anderseits an den zahlreichen, positiven Reaktionen auf der InternetPlattform Linkedin: «Alle schauen sich das an.»

Überhaupt rechne sich das Projekt für eine Uhrenmarke, meint Felsl: Gehe man davon aus dass jährlich vielleicht 1,2 Millionen Uhren wegen Gangfehlern eingeschickt würden und das ganze Prozedere mit rund 500 Franken zu Buche schlage, lande man bei Kosten von 600 Millionen Franken pro Jahr Komme dazu, dass Marken wohl um die 80 Franken auslegten, um eine Uhr COSC-fähig zu machen. Bei 2,2 Millionen Uhren pro Jahr ergebe das nochmals 176 Millionen Franken. Nicht eingerechnet, fügt er bei, seien die Effekte der Kundenzufriedenheit, weil sich Besitzer über die Präzision ihrer Armbanduhr freuen. «Dieser Happiness-Faktor hat sehr wohl auch seinen Wert.»

«Die Märkte sind schwieriger geworden»

Jean-Marc Pontroué, CEO der Uhrenmarke Panerai, setzt trotz herausfordernder Marktbedingungen auf Expansion. Im Gespräch mit Andrea Martel erklärt er, wie Panerai mit exklusiven Erlebnissen die Bindung zu den Kunden stärkt und welche Rolle die Community der Paneristi spielt

Herr Pontroué, das erste Halbjahr lief für viele Uhrenhersteller nicht allzu gut. Sind Schweizer Uhren nicht mehr gefragt?

Wir dürfen nicht vergessen, dass wir nach Corona einen unglaublichen Nachfrageboom hatten. Es war klar, dass dies nicht ewig so weitergehen konnte Wir hatten deshalb nun einige rückläufige

Monate Aber im Juli waren die Exportzahlen bereits wieder über Vorjahr Also alles gut?

Die Märkte sind schwieriger geworden, und die Spekulation mit Uhren hat aufgehört. Aber im Gegensatz zu anderen Branchen ist unser Geschäft keineswegs am Kollabieren.

Gilt das auch für das Geschäft in China? China ist tatsächlich eine grosse Herausforderung, und dies schon seit einigen Monaten.Wir haben das Glück, dass unser Nummer-eins-Markt die USA sind, und dort läuft es gut In Japan und Italien ebenfalls

Auch Panerai hat viel investiert in China Glauben Sie an eine baldige Erholung?

Ich bin ein Optimist. Es gab in den vergangenen Jahren ständig Auf und Abs. Aber im Grundsatz haben wir ein Land mit 1,4 Milliarden Leuten und mit einer wachsenden Mittelklasse, die einen starken Appetit auf westliche Luxusgüter hat.

Wie haben Sie auf die Abschwächung reagiert?

Man muss viel härter arbeiten für das gleiche Resultat. Aber wir bleiben bei unserer Expansionsstrategie. Bis Weihnachten werden wir zehn neue Läden eröffnen: von einem zweiten Geschäft in Mailand über Boston bis Honolulu. In vielen Schlüsselstädten sind wir bis jetzt noch gar nicht vertreten.

Können Sie so viel investieren in guten Zeiten?

Für eine Boutique brauchen Sie mindestens 18 Monate Vorlauf Die Orte, die wir jetzt eröffnen, sind seit Ende 2022 auf der Liste. Am schwierigsten ist es den richtigen Standort zu finden; wenn wir den haben, dann legen wir auch los. Nicht überall bedeutet das riesige Investitionen: Zwei Drittel unserer BoutiqueProjekte machen wir mit Fachhändlern.

Wie entscheiden Sie, wo Sie neue Boutiquen eröffnen?

Weil wir Teil einer grossen Gruppe sind wissen wir genau, welche Märkte stark wachsen und welche langsamer.Auf dieser Basis können wir dann entscheiden, in welchem Land oder in welcher Stadt wir ausbauen wollen.

Sucht Ihr Eure Standorte selber, oder läuft das auf Gruppenebene?

Die Immobilienabteilung von Richemont hat unsere Wunschliste Manchmal warten wir mehrere Jahre, bekommen zu grosse oder zu kleine Standorte angeboten. Und plötzlich kommt der richtige Dann müssen wir uns innert Wochenfrist entscheiden.

Die anderen Richemont-Marken suchen auch Standorte Konkurrenziert Ihr Euch gegenseitig?

Erinnern Sie sich, als Sie noch ein Kind waren? Es ist ein wenig wie damals an Weihnachten. Sie geben Ihren Eltern einen langen Wunschzettel, Ihre Geschwister ebenfalls, aber es ist klar, dass nicht all Ihre Wünsche erfüllt werden.

Wollen Sie nur noch MonobrandBoutiquen?

Es ist falsch, zu glauben, dass es nur noch Monobrand-Stores geben wird Unsere Erfahrung zeigt: Wenn eine Stadt in Sachen lokale Bevölkerung und Touristen gross genug ist, dass sich eine Boutique rentabel betreiben lässt dann ist die Boutique die beste Lösung In vielen

Italienisches Design, kombiniert mit Schweizer Uhrmacherkunst

Officine Panerai wurde 1860 von Giovanni Panerai in Florenz als Uhrenladen, Werkstatt und Schule gegründet 1938 erhielt das Familienunternehmen von der italienischen Marine den Auftrag, eine Taucheruhr zu entwickeln, die besonders gut ablesbar und zuverlässig sein sollte Da Panerai das technische Know-how fehlte bezog man die Uhren von Rolex und ergänzte sie mit eigenen Zifferblättern, auf denen die zuvor entwickelte Leuchtmasse Radiomir

Städten in der Schweiz und der Welt ist der Multimarken-Fachhandel die einzige und beste Option.

Was unterscheidet Panerai von anderen Uhrenmarken? Ihr Design ist unverwechselbar. Viele behaupten, man erkenne eine Panerai aus 50 Metern Entfernung Zudem hat die Marke nach wie vor etwas Insiderhaftes, da wir zwar zu den Top-15-, aber nicht zu den Top-3-Uhrenmarken gehören. Wenn zwei Panerai-Träger aufeinandertreffen, entsteht typischerweise ein Gespräch. So ist die Community der Paneristi entstanden.

Das ist ein Club mit rund 30 000 Panerai-Liebhabern. Tauschen Sie sich mit diesen Fans aus?

verwendet wurde. Lange ein Nischenprodukt, erlangte Panerai internationale Bekanntheit, als Sylvester Stallone Mitte der 1990er Jahre in Florenz zufällig auf die grossformatigen Uhren stiess Er kaufte mehrere Modelle, schenkte sie Hollywood-Freunden und trug eine in seinem Film Daylight. Dies machte die Marke für Luxuskonzerne interessant, und 1997 übernahm Richemont Panerai für rund eine Million Euro, womit die globale Expansion begann.

Bis heute setzt Panerai auf das traditionelle Design. 90 Prozent der Uhren haben den markanten Hebel, der die Krone schützt und vor Wasser sichert. Neben den klassischen 44-MillimeterUhren gibt es nun auch elegantere 38-Millimeter-Versionen. Die Werke der rund 67 000 jährlich produzierten Uhren stammen heute aus der eigenen Manufaktur in Neuchâtel. Seit 2018 führt Jean-Marc Pontroué (60) die Marke

Die Paneristi organisieren jedes Jahr ihren sogenannten P-Day einen dreitägigen Event, an dem jeweils rund 250 Paneristi aus aller Welt teilnehmen. Anfang Oktober findet der nächste P-Day in Kuala Lumpur statt. Ich werde dort einen Abend bestreiten Da kann ich die Teilnehmer treffen und ihnen zeigen, was wir im kommenden Jahr vorhaben.

Was sagen Sie Paneristi zu den modernen Uhren, mit denen Ihr Euer Sortiment ergänzt habt?

Die Paneristi sind Puristen. Für sie muss eine Panerai mindestens 44 Millimeter gross sein, mit Handaufzug, ohne Datum, schwarzes Zifferblatt. Wir brauchen aber auch kleinere und elegantere Uhren im Sortiment nicht zuletzt um die weibliche Kundschaft zu errei-

chen Deshalb hat mein Vorgänger die Modellreihe Luminor Due mit 38-Millimeter-Modellen lanciert Ich versuche, den Paneristi jeweils zu erklären, warum wir etwas machen. Die Marke kann nicht nur von dieser Fangemeinde leben. 80 Prozent des Geschäfts machen wir mit neuen Kunden Auch viele Sammler sind im Übrigen keine Paneristi.

Sie sind seit 2018 bei Panerai.Was haben Sie an der Produktpalette verändert? Seit fünf Jahren haben wir Kollektionen in limitierter Auflage, die wir als Experience-Uhren bezeichnen. Wer diese Uhren kauft, bekommt Zugang zu einem aussergewöhnlichen Erlebnis Die Käufer unserer im Frühling lancierten Submersible Luna Rossa Tourbillon GMT beispielsweise waren Anfang September drei Tage mit uns in Barcelona. Sie durften dort hinter die Kulissen schauen, die Luna-Rossa-Crew kennenlernen und das Rennen vom Wasser aus mitverfolgen.

Im Gegensatz zu anderen Branchen ist unser Geschäft keineswegs am Kollabieren.

Die Leute zahlen also einen Aufpreis für die Uhr, um an einem Erlebnis teilzunehmen Genau. Aber wichtig ist, dass es sich um Erlebnisse handelt, die man typischerweise auch für viel Geld nicht kaufen kann Eine Reise zum Nordpol mit unserem Markenbotschafter Mike Horn beispielsweise, oder ein Training mit den Navy Seals in Florida.

Was bringt das Panerai?

Uhren sind keine Alltagsgüter Man kauft sie nicht, weil man sie braucht, sondern wegen der damit verbundenen Emotionen. Ein spezielles Erlebnis löst starke Emotionen aus Das bindet die Kunden an die Marke und verbindet sie auch untereinander Ich beobachte das jedes Mal bei diesen Events Am Anfang kennen sich die Teilnehmer kaum, und nach kurzer Zeit haben Sie ihre eigene Whatsapp-Gruppe.

Sind Sie als CEO typischerweise ebenfalls dabei? Nicht immer, aber beim ersten Mal und bei einmaligen Erlebnissen versuche ich jeweils teilzunehmen. Die Kunden möchten auch gerne die Menschen hinter der Marke kennenlernen

Dann haben Sie also auch schon ein Navy-Seals-Training hinter sich? Ja, das ist heftig Das Programm beginnt um 5 Uhr 30 in der Früh, man wird militärisch angeredet und erhält entsprechende Befehle – in dem Ton, der dort üblich ist. Wir machen den potenziellen Teilnehmern vorher klar dass sie nur dabei sein können, wenn sie hundertprozentig fit sind, denn es ist körperlich extrem fordernd. Sie müssen sich auch vorbereiten: Vier Monate vor dem Event erhalten sie von uns ein detailliertes Trainingsprogramm, das sie durchführen sollten, um sich in Form zu bringen. Zudem werden sie unmittelbar vor dem Start vor Ort noch einmal medizinisch getestet.

Ihre Uhren überleben ein solches Abenteuer ebenfalls? Selbstverständlich. Unsere Uhren müssen extreme Crash-Tests überstehen, bevor sie auf den Markt kommen. Wir haben deshalb fast keine Garantiefälle obschon wir acht Jahre Garantie geben.

Jean-Marc Pontroué (60), CEO von Panerai.
FOTOS: PD
Die Radomir Bronzo verkörpert den traditionellen Panerai-Stil

1. Albishorn

Hypothetischer Klassiker

«Was wäre gewesen, wenn…?» Diese Frage hat sich Sébastien Chaulmontet, Uhrenkonstrukteur, Anwalt, Sammler und Buchautor, oft gestellt. Zum Beispiel: Was wäre gewesen, wenn die Marke XY nicht in der Versenkung verschwunden wäre? Mit seiner frisch gegründeten Marke Albishorn und unter der Stilbezeichnung «Imaginary Vintage» erforscht Chaulmontet eine hypothetische Vergangenheit und kreiert Uhren, die aus einer bestimmten Epoche stammen könnten, aber nie gebaut wurden. Sein erstes, über Massena Lab vertriebenes (und deshalb in Dollar angeschriebenes) Modell Maxigraph ist ein Regatta-Timer mit einer patentierten Countdown-Funktion in der Ästhetik der 1930er Jahre und mit heutiger Technologie Die Uhr hätte für die erste Ausgabe der angesehenen GenferseeRegatta Le Bol d’Or im Jahr 1939 in Auftrag gegeben werden können – wäre damals jemand auf die Idee gekommen.

4990 Dollar

vom Koffer

Nach dem Re-Design der Linie Tambour im Jahr 2023 folgt dieses Jahr eine komplett neu gestaltete Familie Escale. Waren die Escale-Modelle bisher stets mit Komplikationen versehen, strahlen die neuen Modelle dank einfacher Dreizeigeranzeige eine wohltuende Ruhe aus. Aus der Distanz könnte man meinen, ein klassisches Modell der fünfziger Jahre vor sich zu haben, doch bei genauerem Hinsehen offenbart sich, dass Gehäuse und Zifferblatt diskret mit Zitaten gespickt sind, die auf das einstige Kerngeschäft von Louis Vuitton hinweisen: die Produktion von Koffern. So sind die Bandanstösse optisch durch Beschläge mit den für das Haus typischen Nieten verstärkt. Auf ähnliche Art und Weise stellen die vier Indexe bei 12, 3, 6 und 9 h eine Verbindung zwischen dem Zifferblattzentrum mit geprägter Lederstruktur und der mit facettierten Indexen versehenen Peripherie her Im Inneren arbeitet ein eigenes Automatikwerk 27500 Franken

5. Breitling

Ewiger Kalender

zum Geburtstag

Zum 140. Geburtstag zeigt die für sportliche Uhren bekannte Marke dass sie auch klassische Komplikationen wie den ewigen Kalender in Kombination mit einer Stoppfunktion beherrscht. Von den drei mit diesen Komplikationen ausgestatteten Jubiläumsuhren in limitierter Stückzahl überzeugt die Version Navitimer am meisten Die ohnehin schon mit Skalen gespickte Uhr können ein paar zusätzliche Anzeigen nicht aus der Ruhe bringen. Für Exklusivität und Noblesse sorgt der Farbton des Roségolds, der nicht nur das Gehäuse ziert, sondern auch das mit Sonnenschliff satinierte Zifferblatt Im Inneren steckt das Automatikkaliber B19, das auf dem hauseigenen Chronographenkaliber B01 basiert. Es verfügt über Vollkalender und Mondphase, korrigiert automatisch Monate mit 28, 30 und 31 Tagen sowie Schaltjahre und kann daher fast 100 Jahre lang ohne grössere Anpassungen laufen Noch dazu hat es eine Gangreserve von 96 Stunden.

55000 Franken

2. Favre Leuba

Neustart mit Tempo

Mit Gründungsjahr 1737 gehört Favre Leuba zu den ältesten existierenden Uhrenmarken Allerdings hat sie turbulente Zeiten hinter sich Ihre Blütezeit hatte Favre Leuba in den 1960er und 1970er Jahren, als sie sich mit Innovationen wie mechanischen Höhenmessern in ihren Uhren sowie avantgardistischen Designs einen Namen machte. Doch die Quarzkrise würgte das Unternehmen nach der Blüte ab 2011 übernahm die indische Tata Group die in Indien sehr beliebte Marke, doch drei Versuche, sie wiederzubeleben, scheiterten. Seit 2023 gehört Favre Leuba nun zur ebenfalls indischen Etos-Gruppe, für die Patrik Hoffmann, ehemals CEO von Ulysse Nardin und danach Vizepäsident der Uhrenverkaufsplattform Watchbox, tätig ist. Hoffmann lanciert die Marke mit drei Modellfamilien und 22 Referenzen neu. Die Werke stammen von La JouxPerret. Abgebildet ein Modell der Kollektion Deep Blue

2250 Franken

4 Armin Strom

Zwei Uhren in einer

Zum 15-jährigen Bestehen ihrer Manufaktur stellen die Bieler eine neue Version ihrer Dual Time GMT Resonance First Edition vor. Streng genommen, sind dies zwei Uhren in einer, weshalb es auch sinnvoll ist, die zwei Zifferblätter unterschiedliche Zeiten anzeigen zu lassen. So kann man bei Reisen in andere Zeitzonen sowohl die Uhrzeit am Aufenthaltsort als auch diejenige von zu Hause anzeigen lassen. Die beiden Uhrwerke im Inneren laufen allerdings nicht komplett unabhängig voneinander, denn ihre beiden Unruhen werden durch das Phänomen der Resonanz miteinander synchronisiert. Eine patentierte, gemeinsam mit dem Forschungsinstitut CSEM entwickelte Feder koppelt deren Bewegungen, ohne ihre Schwingungen zu stören Abgesehen von der technischen Besonderheit, glänzt diese Uhr mit Endbearbeitungen von Werk Zifferblatt und Gehäuse auf höchstem Niveau. Das hat aber auch seinen Preis. 115 000 Franken

Sternenhimmel als Zifferblatt

Die 2017 gegründete Uhrenmarke Ming ist in einer auf Nationalstolz beruhenden Industrie ein herausragendes Beispiel für Globalisierung unter umgekehrten Vorzeichen Ming sitzt nicht in der Ersten Welt, um in der Dritten Welt produzieren zu lassen. Nein, der Hauptsitz der Marke befindet sich in Kuala Lumpur, und produziert wird in La Chaux-de-Fonds. In Kuala Lumpur entwirft Namensgeber Ming Thein die Zeitmesser, die eine komplett andere Designsprache sprechen als hiesige Uhren. Zeiger, Gehäuse, Armbänder, alles ist ein wenig anders Ganz besonders sind jedoch die Zifferblätter, mal dreidimensional, mal tiefgründig wie das mit glitzernden Sternen gespickte Aventurinzifferblatt des Modells Starlight Auch der Kaufvorgang ist anders Hier kommt die einst von AbrahamLouis Breguet eingeführte Bestellmethode der Subskription zum Tragen: Bei der Bestellung wird die Hälfte angezahlt, der Rest wird bei Erhalt der Uhr fällig

2250 Franken

Neuh

Von Timm und Andrea

3. Louis Vuitton

7. Beauregard

uheiten fürs gelenk

mm Delfs ea Martel

Steinerne

Blüte

einer Legende

Die vom Kanadier Alexandre Beauregard 2018 gegründete gleichnamige Uhrenmarke steht für eine komplett andere Herangehensweise an die Uhrmacherei. Für einmal steht nicht das Uhrwerk im Zentrum, sondern die Gestaltung des Zifferblatts, für einmal sind nicht Herrenuhren Vorbild für verkleinerte Damenuhren und für einmal zieren Edelsteine nicht das Äussere, sondern das Innere der Uhr Alexandre Beauregard ist ein Liebhaber farbenfroher Edelsteine, eine Passion, der er an der Tucson Gem Show in Arizona verfiel, wo er die für seine Uhren verwendeten Edelsteine findet Mithilfe begnadeter Steinschleifer entwickelte er ein Zifferblatt in Form einer Blüte deren Blätter von tropfenförmigen Edelsteinen geformt werden Das türkis schimmernde Gesicht dieses Exemplars, das von einem Quarzwerk angetrieben wird, besteht aus australischem Chrysopras Das Gehäuse aus Roségold ist seinerseits mit Brillanten besetzt.

35000 Franken

9. Audemars Piguet

Royale

Mini Oak

Daniel Roth ist ein Uhrmacher aus dem Vallée de Joux der wie kein anderer die Ästhetik und Mechanik der heutigen Haute Horlogerie beeinflusst hat. In den 1980er Jahren entwarf und baute er Armbanduhren für die Marke Breguet. 1988 machte er sich selbständig und entwickelte seine eigene Formensprache mit einem Gehäuse in Form eines Kreises mit angeschnittenen Flanken. Weitere Markenzeichen waren handguillochierte Zifferblätter und ein sichtbares Tourbillon mit dreispeichigem Sekundenzeiger Nachdem Bulgari im Jahr 2000 seine Marke gekauft hatte, wurde es still um Daniel Roth 2023 holte Jean Arnault die Marke wieder aus der Versenkung Er liess die vom Uhrmacher geschaffenen Klassiker wieder aufleben und machte dem 79-jährigen Uhrmacher eine grosse Freude. Das Kaliber DR001wurde von Michel Navas und Enrico Barbasini entworfen, deren Firma La Fabrique du Temps heute zu LVMH gehört

155000 Franken

10. Longines Taucheruhr mal anders

Auch zwei Jahre nach dem 50 Geburtstag der Royal Oak sorgt das achteckige Modell für Gesprächsstoff Die Manufaktur aus dem Vallée de Joux hat nämlich eine ausserordentlich schmucke Version des Klassikers mit einem Durchmesser von nur 23 Millimetern herausgebracht. Die Uhr mit der Grösse eines Fingerrings schafft auch ohne Edelsteinbesatz einen glitzernden Auftritt, zumal alle planen Oberflächen von Uhr und Armband mit einem Stichel mit Diamantspitze gehämmert wurden, was das Gold gleissen lässt wie frisch gefallener Schnee und sich «Frosted Gold» nennt. Die Uhr weckt Erinnerungen an die erste miniaturisierte Royal Oak von 1976 sowie die kleinste Royal Oak von 1997, die nur 20 Millimeter gross war. Die Royal Oak Mini ist mit einem Quarzwerk ausgestattet, dessen Batterie eine Lebensdauer von über sieben Jahren hat, und ist in Gelbgold, Weissgold und Roségold erhältlich.

30 000 Franken

Die Legend Diver von Longines ist eine echte Taucheruhr aus Stahl, die die ISONorm 6425 für diese, professionellen Ansprüchen genügenden Zeitmesser erfüllt Dennoch ist ihr Anblick für diese Uhrengattung ungewohnt, denn sie verfügt nicht über einen aussen liegenden Drehring zur Einstellung der Dekompressionszeit Stattdessen liegt der Drehring im Inneren und umschliesst das Zifferblatt wie ein geneigter Zifferblattreif. Zum Einstellen dient die zweite verschraubbare Krone, die der Uhr ihr charakteristisches Aussehen verleiht Diese Optik geht auf das Jahr 1959 zurück als Longines das erste Modell dieses Namens mit dem patentierten System lancierte. Die Legend Diver ist nun mit den drei neuen Zifferblattfarben Grün, Terracotta und Anthrazit erhältlich, die ihrem professionellen Look eine modische Note geben Das Stahlarmband mit Reiskornoptik ist ein Hinweis auf die Ursprünge dieser Uhr.

3200 Franken

Erfrischender

Taucher

12. Nivada Grenchen

Fünf Farben in einem

Das Modell DS Super PH1000M STC von Certina ist ebenfalls eine Taucheruhr, deren Aussehen sich von anderen ihrer Gattung abhebt Das ist in erster Linie dem konischen Gehäuse mit der geriffelten Drehlünette geschuldet, welche die Silhouette eines Vulkans oben abschliesst. Wie so viele neue Taucheruhren orientiert sich auch dieses Exemplar an einem Modell aus der Vergangenheit So stammt das Vorbild aus dem Jahr 1970 und besass bereits damals eine rekordverdächtige Druckresistenz gegen 100 bar – was einer Tauchtiefe von 1000 Metern entspricht. Die neue Interpretation des formschönen Zeitmessers besticht durch ihre fröhliche Farbgebung, deren Blauton vom Logo der in Florida beheimateten Sea Turtle Conservancy zum Schutz der Meeresschildkröten übernommen wurde. Certina unterstützt dieses Non-Profit-Unternehmen mit dem Erlös aus dem Verkauf dieser attraktiven Automatikuhr, die darüber hinaus zu einem äusserst interessanten Preis angeboten wird

915 Franken

Nivada Grenchen feierte 2019 mit der Wiederauflage des Chronomaster Broad Arrow ein erfolgreiches Comeback. Der Chronograph greift das klassische Design der 1960er Jahre auf, das der Uhr einen professionellen Charakter verleiht Neu können die Chronographen der Serien Chronomaster und der quarzbetriebenen Chronoking durch aufsteckbare Lünetten individualisiert werden. Die Lünetten sind in verschiedenen Farben und mit unterschiedlichen Funktionen erhältlich, darunter eine Worldtimer-Funktion und die für Chronographen typische Tachymeterskala, mit der sich Durchschnittsgeschwindigkeiten bestimmen lassen. Sie lassen sich ohne Werkzeug auswechseln. Wie früher besteht der Einsatz aus transparentem Plexiglas, das von unten bedruckt ist. Ein komplettes Set besteht aus einer Uhr und fünf verschiedenen Lünetten. Die Markenrechte gehören Guillaume Laidet und Rémi Chabrat von der französische Montrichard Group

1670 Franken

Wasserdicht, aber trotzdem zum Schwimmen ungeeignet?

Trotz strenger Normen zur Wasserdichtigkeit warnen viele Uhrenhersteller davor, ihre Modelle im Wasser zu tragen Das irritiert, denn seit Jahren ist klar: Wasserdicht heisst wirklich wasserdicht. Die eigentliche Frage lautet: Für wie lange?

ANDREA MARTEL TIMM DELFS

Um das Prädikat «wasserdicht» zu tragen, muss eine Uhr hohe Anforderungen erfüllen: Sie muss zehn Minuten lang dem Druck von 2 bar standhalten. Das ist der Druck, der in 20 Metern Wassertiefe herrscht. Zudem darf sie während einer Stunde in zehn Zentimetern Tiefe keine Feuchtigkeit ins Innere lassen. Und sie darf kein Problem damit haben, in unterschiedlich heisses und kaltes Wasser eingetaucht zu werden. So verlangt es die seit 2010 gültige Norm ISO 22 810, beziehungsweise ihr Schweizer Pendant NIHS 92-20. Man könnte meinen, dass eine solche Uhr problemlos beim Duschen oder Schwimmen getragen werden kann. Doch erstaunlicherweise wird bei vielen Uhrenherstellern und Juwelieren anderes kommuniziert. Dort heisst es oft, dass eine als wasserdicht deklarierte Uhr lediglich «spritzwassergeschützt» sei und «nur vorsichtig mit einem feuchten Tuch gereinigt werden darf» Wer seine Uhr beim Schwimmen tragen möchte, solle eine wählen, die mindestens mit 5 bar getestet sei.

Ist das Attribut «wasserdicht» also irreführend? Eine Anfrage beim Uhrenverband Fédération Horlogère (FH) bringt Klärung: Die verbreiteten Aussagen stimmen nicht Eine Uhr, die als wasserdicht, étanche oder water resistant deklariert ist, kann problemlos zum Duschen, Schwimmen oder Schnorcheln getragen werden

Warum die Marketing-Abteilungen der Uhrenhersteller dennoch zurückhaltend kommunizieren ist unklar Möglicherweise liegt es daran, dass lange Zeit Unsicherheit darüber herrschte, wie viel Druck in verschiedenen Wassersituationen tatsächlich entsteht. So ging man früher davon aus, dass das herabprasselnde, oft sehr warme Wasser beim Duschen Druckspitzen bis zu 5 bar bewirkt, womit Gefahr bestünde dass bei einer auf 2 bar getesteten Uhr Feuchtigkeit ein-

dringt Das Gleiche bei einem plötzlichen Aufprall aufs Wasser Doch seit 17 Jahren ist bekannt, dass dies nicht stimmt. Im Jahr 2007 stellten zwei Ingenieure der Swatch-GroupTochter ETA am jährlichen Chronometrie-Kongress eine Studie vor die zeigte dass der Druck, der in verschiedenen Wassersituationen auf eine Uhr ausgeübt wird, viel niedriger ist als bis dahin angenommen

Nicht für die Ewigkeit

Die ETA-Ingenieure prüften sämtliche Aktivitäten und Situationen, die in Wasserumgebungen vorkommen: Schwimmen, Tauchen, Planschen, Turmspringen. Durchgeführt wurden die Versuche mit Uhrengehäusen, die mit Sensoren an der Position der Krone, der Oberseite und des Gehäusebodens ausgerüstet waren. Gemäss den Messungen entsteht der grösste Überdruck auf eine Uhr beim Sprung vom Zehn-Meter-Brett im Moment des Eintauchens Aber selbst dort beträgt er gerade mal 0,7 bis 1,4 bar. Die Zusammenfassung der Publikation stellt fest: «Sie (die Tests) zeigen, dass in all diesen Situationen die tatsächlichen Spannungswerte auf der Uhr unter den von der ISO-Norm 2281 (Vorgängerin von ISO 22 810) vorgeschriebenen Mindestkriterien liegen. Die Tests stehen im Widerspruch zu den bisher allgemein veröffentlichten Informationen» Einfach gesagt: Es genügt also, eine Uhr bei zwei bar (20 Meter) zu prüfen, damit sie problemlos für sämtliche Wasseraktivitäten (abgesehen von Tauchen) genutzt werden kann.

Ist es vielleicht Vorsicht, die viele Hersteller dazu veranlasst, die Erwartungen in die Wasserdichtigkeit ihrer Uhren bei den Kunden nicht zu hoch zu stecken? Man muss berücksichtigen, dass Wasserdichtigkeit keine Eigenschaft für die Ewigkeit ist. Dichtungen, insbesondere aus Gummi, zeigen mit der Zeit Alterungserscheinungen: Sie können ihre Elastizität verlieren, und das

Eine Uhr, die als wasserdicht deklariert ist, kann beim Duschen getragen werden.

Schmiermittel kann sich verflüchtigen. Zudem ist die Dichtung einer Krone bei jedem Bedienen Reibung ausgesetzt und nutzt sich dadurch ab Diese Informationen könnten den Kunden allerdings offen kommuniziert werden. Gleichzeitig könnte man sie darauf hinweisen, dass es sinnvoll wäre, regelmässig beim Fachhändler vorbeizugehen, um die Wasserdichtigkeit zu prüfen. Viele bieten diesen Service, der mit Druckluft durchgeführt wird, kostenlos an. Das ist besser, als eine Uhr als wasserdicht zu bezeichnen, nur um danach im Kleingedruckten zu empfehlen, sie nicht im Wasser zu tragen.

Die Ergebnisse der ETA-Ingenieure werfen auch die Frage auf, warum Hersteller weiterhin verschiedene Grade der Wasserdichtigkeit angeben. Wenn alle wasserdichten Uhren den normalen Gebrauch im Wasser problemlos aushalten, ist der Nutzen dieser Angaben fraglich. Höhere Anforderungen sind nur nötig, wenn eine Uhr zum Tauchen genutzt wird. Dann reicht eine hohe Wasserdichtigkeit allerdings nicht aus; die Uhr muss zusätzliche Sicherheitsanforderungen erfüllen.

Laut der Norm ISO 6425 (NIHS 9211) müssen Taucheruhren bis 100 Meter wasserdicht sein,wobei dieTests mit einer Sicherheitsmarge von 25 Prozent durchzuführen sind. Sie benötigen aber auch eine Lünette zur Berechnung der Tauchzeit,die nur einseitig drehbar sein darf,damit bei Fehlmanipulation die Zeit unter Wasser nicht zu niedrig angegeben wird Zudem müssen sie besonders leuchtkräftige Zeiger und Indizes besitzen.

Patek Philippe macht es richtig Ein Vorreiter in der Vereinfachung der Wasserdichtigkeitsangaben ist Patek Philippe Der Genfer Luxusuhrenhersteller deklariert seit einigen Monaten all seine wasserdichten Modelle mit «wasserdicht bis 30 Meter» Argumentiert wird dabei mit den Erkenntnissen aus der besagten ETA-

Studie: «Als wasserdicht zertifizierte Uhren erlauben es dem Kunden, die Uhr bei folgenden täglichen Aktivitäten zu tragen: Händewaschen, Duschen, Baden, Schwimmen und andere Aktivitäten im Wasser, einschliesslich Tauchen bis zu einer Tiefe von 30 Metern, was den meisten Anwendungen entspricht» heisst es in einer Mitteilung vom April. Bei Patek Philippe sind es 30 Meter, weil das Unternehmen den eigenen Standard etwas über der ISO-Norm ansetzen will. Auch Modelle wie die Nautilus, die bisher als wasserdicht bis 120 Meter galten, werden nun mit einer Dichtheit bis 30 Meter angegeben, was Fans der Marke zunächst verunsicherte Patek Philippe betont jedoch, dass sich an der tatsächlichen Konstruktion der Uhren nichts geändert habe – sie würden nur nicht mehr auf 12 bar getestet. Laut Philip Barat, dem Chef Uhrenentwicklung bei Patek Philippe, sei dies besser für die Uhren. Diese würden zwar auch bei 12 bar dicht halten, aber der hohe Druck könne etwa dazu führen, dass bei Uhren mit versenkten Korrektoren das Datum verstellt werde Deshalb wolle man den Kunden nicht suggerieren, dass die Nautilus eine geeignete Uhr sei, um in 120 Metern Tiefe getragen zu werden Dafür gebe es Taucheruhren. Die frühere Angabe von 120 Metern stammt laut Barat aus einer Zeit, als die Wasserdichtigkeit noch nicht so verbreitet war und man sich damit differenzieren konnte Die Nautilus-Kollektion wurde 1976 lanciert. Heute sind 3 bar schon fast Standard, und diese genügen für die meisten Anwendungen. Das Fazit ist somit einfach: Wasserdicht heisst tatsächlich wasserdicht. Und wer als Hersteller eine Uhr als wasserdicht bezeichnet, kann sich im Garantiefall nicht darauf berufen, dass er dem Kunden empfohlen habe, die Uhr beim Schwimmen abzulegen. Die Fédération Horlogère startet demnächst eine Informationskampagne um ihre Mitglieder und die Öffentlichkeit besser über diese Thema aufzuklären

Eine als wasserdicht deklarierte Uhr sollte regelmässig gewartet werden, weil die Dichtungen und das Schmiermittel mit der Zeit abgenutzt werden.
ADOBE STOCK

Chinesen kaufen kaum noch Schweizer Uhren

Autos, Designerkleidung, Uhren, teurer Schmuck: Vor allem die nicht enden wollende Immobilienkrise sorgt dafür, dass Chinas Konsumenten vor grösseren Anschaffungen zurückschrecken.

MATTHIAS KAMP SCHANGHAI

Die Huaihai-Strasse ist so etwas wie die Zürcher Bahnhofstrasse Schanghais. Auf beiden Seiten des Boulevards reihen sich teure Boutiquen an Juweliergeschäfte und edle Restaurants Auch die meisten Uhrenmarken aus der Schweiz betreiben an der Huaihai-Strasse ihre Geschäfte

An einer der grossen Kreuzungen bietet etwa die Marke Tissot ihre Uhren an. In den Vitrinen liegen sportliche Zeitmesser mit Preisen zwischen umgerechnet 800 und 1400 Franken. Doch während sich an einem angenehm warmen Freitagabend auf der Strasse die Passanten drängen, ist der Tissot-Shop menschenleer «Wir haben heute noch keine Uhr verkauft», gesteht eine der beiden Verkäuferinnen.An den Tagen zuvor sei es kaum besser gewesen Woran das liegt? Die Verkäuferin zuckt mit den Schultern.

Anderen Uhrenmarken geht es nicht besser Von Breitling über IWC, JaegerLeCoultre, Lange & Söhne, Hublot bis zu Omega – überall ist das Minus laut Brancheninsidern im zweistelligen Bereich. Auch die teuren Modelabels wie Hugo Boss, Gucci oder Burberry leiden

Die Verkaufszahlen westlicher Luxusmarken in China kennen derzeit nur eine Richtung: nach unten.

Der Grund dafür ist eine grosse Verunsicherung bei der während der vergangenen Jahrzehnte schnell gewachsenen Mittelschicht. Denn fast alle der gut verdienenden Chinesinnen und Chinesen haben in Erwartung

stetig steigender Preise grosse Teile ihrer Ersparnisse in Häusern und Wohnungen angelegt Rund 70 Prozent der privaten Vermögen sind in Immobilien gebunden.

Keine Europareisen mehr

Im Hinterkopf schwebte stets der Gedanke mit,dieWohnung und das Haus irgendwann mit einem satten Gewinn verkaufen zu können. Diese vermeintliche Gewissheit sorgte dafür,dass Chinas Besserverdienende bei westlichen Luxusartikeln bereitwillig zugriffen. China war auf dem Weg, der grösste Markt für westliche Luxusartikel zu werden.

Doch damit ist nun Schluss. Seit drei Jahren befinden sich die Immobilienpreise praktisch im freien Fall. Das hat dazu geführt, dass die Chinesinnen und Chinesen ihr Geld zusammenhalten.

Statt der Flasche Wein für 80 Franken kaufen sie jetzt die Flasche für 20 Franken. Statt des Porsches wählen die Menschen ein preisgünstiges Modell eines chinesischen Herstellers Und statt nach Europa zu reisen, gönnen sich viele nur noch den Kurztrip ins benachbarte Hongkong. «Der Markt für Luxusartikel korreliert eng mit dem Immobilienmarkt» sagt der Vertreter eines europäischen Luxuslabels

Die Stimmung ist schlecht. Nur noch 39 Prozent der Chinesinnen und Chinesen glauben, dass es ihnen heute finanziell besser geht als vor fünf Jahren Vor Ausbruch der Immobilienkrise waren es noch 77 Prozent. Laut Angaben der

Nationalen Statistikbehörde fiel das Konsumentenvertrauen im Juli auf ein neues Rekordtief Da wundert es kaum, dass die Zeiten, in denen man sich spontan eine teure Uhr gönnte, vorbei sind – womöglich unwiederbringlich Denn es kann wohl ausgeschlossen werden dass die Preise für Häuser und Wohnungen je wieder die Höchststände der Vergangenheit erreichen. Westliche Luxuslabels müssen sich folglich darauf einstellen, dass die satten Zuwächse auf dem chinesischen Markt Geschichte sind. Die

vor wenigen Tagen von Chinas Statistikern vorgelegten Zahlen zu den Detailhandelsumsätzen bestätigen den düsteren Trend. Im August kletterten die Umsätze im Detailhandel im Jahresvergleich nur noch um 2,1 Prozent; Analysten hatten mit einem Zuwachs von 2,5 Prozent gerechnet. Im Juli waren die Umsätze immerhin noch um 2,7 Prozent gestiegen Die chinesischen Händler von Uhrenmarken aus der Schweiz gehen davon aus, dass es eher noch schlimmer wird, ehe sich in China die Lage bes-

Publireportage

sert. In der Branche ist zu hören, dass die Verkäufe teurer Uhren bis frühestens Mitte kommenden Jahres weiter sinken werden

China war wichtigster Markt Mittelbar könnte die Flaute am chinesischen Markt für Luxusartikel Folgen für die europäische Wirtschaft haben, denn die bedeutendsten Marken sind in Europa beheimatet, das Reich der Mitte war ihr wichtigster Markt. China stand bis vor kurzem für 23 Prozent der globalen Umsätze mit Luxusartikeln. Bis 2030 sollte die Quote gemäss Berechnungen der Beratungsgesellschaft Bain auf 40 Prozent steigen. Am chinesischen Markt für Luxusartikel gibt es derzeit nur noch ein Segment, in dem die Geschäfte noch halbwegs laufen: das absolute Top-Segment. Die kleine Schicht der chinesischen Milliardäre steckt Preisrückgänge bei ihren Immobilien ohne grössere Blessuren weg. Die Folge: Top-Marken wie Hermès, Chanel oder Rolex verbuchen weiterhin Zuwächse. «Die Top-Kunden reagieren kaum auf das schwierigere Umfeld», sagt Kathy Jiang, Expertin für Konsumgüter und Detailhandel bei der Beratungsgesellschaft Roland Berger in Schanghai. Diese Käufergruppe zeige wenig Markentreue, sondern kaufe gewöhnlich Produkte verschiedener Marken. Betroffen von der Krise sei in erster Linie das Segment mit Artikeln mit Preisen zwischen einigen Hundert und wenigen Tausend Franken

Dasist,was fürunsere Kundinnenund Kunden zählt.

Im PrivateBanking setzen wirauf individuelle Betreuungund gegenseitiges Vertrauen. LesenSie online in weiteren Portraitsnach, worauf unsere Kundinnenund Kunden im LebenWertlegen undwarum sie sich fürdie ZürcherKantonalbank entschiedenhaben

«Überzeugt

hatuns dieMenschlichkeit»

Beider Finanzierung einerVilla im Tessin hatdas Ehepaar Fischer dieUnterstützung der Zürcher Kantonalbank kennen undschätzengelernt

Dasweitläufige Haus strahltRuhe, Harmonie undSchönheit aus. Auch wenn draussen gerade ein starkerWindweht, dieWolken tief hängen undheute dieSicht aufden Seenur mittelprächtig ist: In derTessinerVilla fühlen sich Christianund Marie-LuiseFischer wohl

Im Familien-und Berufslebender Fischers istimmer Bewegung AktuellarbeitetMarie-Luise an der Lancierung einer neuenKosmetiklinie. «Wir werden dasNarrativim

BereichKosmetikneuschreiben», istdie stilvolleFrauüberzeugt

DasThema Schönheitist beim Ehepaar FischerProgramm. Auch fürFinanzinstitute habensie einen «BeautyContest»veranstaltet. AlssichChristian undMarie-Luise in einZürcher Penthouseverliebten, musste raschein Finanzierungspartner her

Den«Beauty Contest» hatdie ZürcherKantonalbankgewonnen. «Nicht nurder Zinssatz hatgepasst»,sagtChristian Fischer. «Es stimmteeinfach alles. Überzeugt habenuns diepersönlichenKontaktesowie dieMenschlichkeit, diewir spürten. Wirwaren sehr angetan.»

FürChristian undMarie-Luise Fischerist eine Bankbeziehungauf Augenhöhezentral.«DieErreichbarkeitist wichtig, undeszählen Tempo, Fachwissen,Hinweiseund Kompetenzen»,sagtChristian Sie legt Wert aufpersönliche und vertrauensvolleBeziehungen

Wasmacht dieZürcher Kantonalbank anders alsandereBanken? «Man spürtdie Kontinuität»,sagt ChristianFischer.«PrivateBanking istein diskretes–ebenein privates –Geschäft. Manwillsichnicht immerwiederjemandNeuem anvertrauen.»

Deshalbist demEhepaar Fischer Stabilität so wichtig. Undumso mehr schätzen diebeidendie

zkb.ch/privatebanking

Rundumbetreuungdurch ihre persönlicheAnsprechpartnerin und diehoheVerfügbarkeit desBetreuungsteamsder Zürcher Kantonalbank

Dasnächste Vorhaben mitder Bank ihresVertrauenssteht bereitsan. Christianund Marie-LuiseFischer habenschon konkrete Pläne, die aber noch nichtfür dieÖffentlichkeit bestimmt sind.Auchdafür werden sieallerdings bestimmt auf dieBetreuung ihrerZürcher Kantonalbanksetzen.

Viele Menschen auf den Strassen, aber kaum einer in den Shops ADOBE STOCK

Das wilde CE

In den Chefetagen der Schweizer Uhrenmarken herrscht ein hektisches Kommen und Gehen.

PIERRE-ANDRÉ SCHMITT

«Wenn sich die Flut zurückzieht», so geht ein französisches Bonmot, «sieht man, wer nackt gebadet hat» In diesem Sinne, meint Jean-Philippe Bertschy, Head of Swiss Equity Research bei Vontobel, der den Satz zitiert, werde man bald merken, welche Uhrenmarken in den letzten Monaten wirklich gelitten haben.

Die Flut, das waren die fetten PostCovid-Jahre, als eine euphorische Kauflust der Kundschaft die Branche beflügelte Vorbei: Heute herrscht bei vielen Marken Ebbe in den Bestellbüchern, die Exporte sind eingebrochen, und man sieht etwa, wer einseitig auf China fixiert war, wo derzeit fast nichts mehr geht. Das ist, unter anderem, ein Grund für das hektische Kommen und Gehen, das derzeit in den Chefetagen herrscht: Nie in den letzten 20 Jahren gab es so viele neue Ernennungen, Absetzungen und Rochaden wie dieses Jahr – das CEOKarussell dreht in schwindelerregendem Tempo

Wiederholte Rochaden bei LVMH

Beim LVMH-Konzern zum Beispiel wechselte Julien Tornare innert sieben Monaten gleich zweimal sein Amt: Der frühere Zenith-CEO wurde zunächst an die Spitze von TAG Heuer berufen wenig später vertraute man ihm statt-

dessen die Marke Hublot an Bei TAG Heuer rückt Antoine Pin nach, bisher Chef der Bulgari-Uhrendivision. Und bei Zenith durfte sich Benoit de Clerck in den Chefsessel setzten, ehemaliger Chief Commercial Officer bei der Marke Panerai, die dem Konkurrenten Richemont gehört. Über allem steht die Ernennung von Frédéric Arnault Sohn von Konzernchef Bernard Arnault. Er wurde Anfang Jahr zum CEO der Uhrensparte ernannt. Frédéric Arnault war vorher TAG-Heuer-Chef und verantwortet neu die LVMH-Uhrenmarken Hublot, Zenith und TAG Heuer Das Organigramm der Uhrensparte von LVMH sieht damit plötzlich ganz anders aus als noch vor einem Jahr Und das gilt in der Branche ziemlich generell: Egal, ob bei grossen Konzernmarken, Nischenplayern oder Internet-Plattformen – die CEO-Drehtür ist momentan gut geölt.

Auch im Richemont-Konzern ist es jüngst zu mehreren Rochaden gekommen. So wird die bisherige Chefin der Uhrenmarke Jaeger-LeCoultre CEO bei Van Cleef & Arpels, nachdem der dortige Chef, Nicolas Bos, an die Konzernspitze gerufen wurde Dieser löst dort wiederum Jerôme Lambert ab, der als COO ins zweite Glied zurücktritt. Bei Cartier wiederum, der grössten Konzernmarke von Richemont, übernimmt der bisherige Vacheron-Constantin-

Grosse Ausnahme ist die Swatch Group. Sie setzt im obersten Kader auf Kontinuität.

Chef Louis Ferla demnächst für CEO Cyrille Vigneron

Swatch Group als Ausnahme

Sesselrücken gab es aber auch bei unabhängigen Marken wie Audemars Piguet, wo am 1. Januar Ilaria Resta für François-Henry Bennahmias übernahm. Oder bei Nischenbrands wie Greubel Forsey, wo Michel Nydegger für Antonio Calce kommt. Bei HYT löst Vahé Vartzbed Davide Cerrato ab, der zur Marke Bremont wechselt. Die Liste lässt sich fast beliebig verlängern. Bei Favre-Leuba übernimmt Patrik Hofmann (bisher bei Watchbox und früher CEO von Ulysses Nardin), bei der Internet-Plattform Chrono24 kommt der ehemalige Zalando-Mann Carsten Keller ans Ruder, und bei der Konkurrenz Chronext wurde Frederike Knop auf die Kommandobrücke gerufen. Sie ersetzt Philippe Roten, von dem man sich vor ein paar Monaten trennte (und der zuvor bei Favre Leuba CEO war) Grosse Ausnahme im munteren Sesselrücken ist die Swatch Group: Der Branchengigant, von Finanzanalysten für seine Zahlen gerne gebasht, setzt im obersten Kader auf Kontinuität –hier gab es dieses Jahr praktisch keine Wechsel. Eine Ausnahme ist die Berufung von Gregory Kissling bisher Produktechef bei Omega, zum Nachfolger

von Breguet-Chef Lionel A. Marca, der seit Mitte 2021 im Amt war Kissling war 2003 von Cartier zu Omega gekommen; er gehört zu der kleinen Gruppe, die – unter dem Projektnamen Galileo – mit Swatch-GroupChef Nick Hayek den Erfolg der MoonSwatch angeschoben hat. Man darf sich sicher auf neue Impulse von ihm für Breguet freuen

Neue Strategie, neuer Chef

Personelle Wechsel stehen nicht immer für Machtkämpfe, Strategiewechsel oder Probleme – oft aber schon. Bei Greubel Forsey etwa ist klar dass der neue CEO Michel Nydegger, Stiefsohn von Marken-Co-Gründer Robert Greubel, eben die Reissleine gezogen hat. Sein Vorgänger hatte dem Unternehmen in der Post-Covid-Euphorie eine waghalsige Wachstumskur verschrieben: Statt wie zuvor 100 Uhren pro Jahr, wollte er die Produktion auf 500 Stück stei gern – und dafür einen gigantischen Neubau errichten, dreimal so gross wie das bisherige Gebäude Der 34-jährige Nydegger trat jetzt auf die Bremse, das Bauprojekt ist gestoppt, in Bezug auf Wachstum wird man vorsichtiger und pragmatischer agieren. Auch bei Bremont, wo das Geschäftsjahr 2022/23 mit einem Verlust von 13,9 Millionen Pfund geendet haben soll –

CEO-Karussell

Das hat mit der erhöhten Nervosität zu tun, die derzeit in der Branche herrscht Aber nicht nur.

vor allem weil man ein eigenes Kaliber entwickeln wollte –, ist die CEOErnennung im Zusammenhang mit Problemen zu sehen: Der erfahrene Davide Cerrato soll das Unternehmen endlich in die Gewinnzone bringen. Cerrato profitiert von seinen Erfahrungen bei Panerai, Tudor und Montblanc Nebenbei: Bei HYT, wo er nach zwei Jahren das Handtuch warf, plant sein Nachfolger im Gegenzug ebenfalls einen Kurswechsel: «Wir wollen mehr uhrmacherischen Inhalt», sagt Vahé Vartzbed Und: Die Zeitmesser sollen kleiner, leichter und tragbarer werden. Kein gemeinsamer Nenner Krisen, man weiss es, haben oft personelle Konsequenzen an den Schlüsselstellen zur Folge Voreilige Schlüsse sind dennoch fehl am Platz, wie Vontobel-Analyst Jean-Philippe Bertschy betont: Einen gemeinsamen Nenner für die vielen Wechsel gebe es nicht. Vielmehr müsse man die Sache von Fall zu Fall ansehen Klar sei, so Bertschy, dass beim LVMH-Konzern die Marken Hublot, TAG Heuer und Zenith in jüngerer Zeit «kein gutes Wachstum» hatten. Überhaupt gehöre die LVMH-Uhrensparte, zusammen mit der Swatch Group, in Sachen Wachstum zu den Branchenschlusslichtern. Laut einer von Bertschy

verfassten Vontobel-Studie weist die Swatch Group über die Jahre 2019 bis 2023 ein jährliches Wachstum (Compound Annual Growth Rate) von 2 Prozent aus, bei der LVMH-Uhrensparte sind es 3 Prozent. Das sei deutlich unter dem Wert für die Schweizer Uhrenexporte im gleichen Zeitraum, der bei 6 Prozent liege. «Es ist sicher nicht abwegig», schlussfolgert Bertschy, «in den personellen Wechseln bei LVMH einen Zusammenhang zu suchen». Anders verhalte es sich bei der Richemont-Gruppe Mit 9 Prozent Wachstum hat sich die Uhrensparte gut geschlagen, und die Ernennung von Nicolas Bos zum Konzernchef sei für die Zukunft grundsätzlich vielversprechend. Als Chef von Van Cleef & Arpels habe Bos einen «phänomenalen Erfolg» vorzuweisen Er habe es vor allem auch verstanden, «seine Marke mit Magie aufzuladen» – etwa mit zauberhaften Standauftritten an der Uhrenmesse Watches and Wonders Tatsächlich freut die Personalie die Börsenwelt ganz allgemein: Am Tag der Ernennung stieg die Richemont-Aktie um 5,3 Prozent. Mit anderen Worten: Man muss die Gründe für das CEO-Karussell differenziert betrachten, zumal ein gewichtiger Abgang mitunter gleich mehrere Verschiebungen zur Folge haben kann wie etwa bei Richemont

Zwar gilt es zum Beispiel als offenes Geheimnis, dass bei Richemont der eher bodenständige Chairman und Hauptaktionär Johann Rupert und der feingeistig-urbane Cartier-Boss Cyrille Vigneron sehr unterschiedliche Charaktere sind Die Verdienste von Vigneron indes sind unbestritten. Seine Strategie, bei Cartier die Abenteuer in der HauteHorlogerie zu stoppen und sich stattdessen ganz auf die grossen Markenklassiker wie Santos oder Panthère zu konzentrieren, ging auf: Cartier gilt heute in der Uhrenwelt als Nummer 2 hinter dem kaum einzuholenden Monument Rolex. Es dürfte kaum der Fall sein, dass der nüchterne Zahlenmensch Rupert den Chef seiner erfolgreichsten Marke wegen irgendwelcher Befindlichkeiten wegbefördert hat. Wahrscheinlicher ist, dass der 63-Jährige tatsächlich Lust darauf hatte, vor dem Erreichen des Pensionsalters noch etwas Neues zu machen. Seine Rolle seit 1. September – die Position des Chairman of Cartier Culture & Philanthropy – scheint ihm jedenfalls wie auf den Leib geschnitten.

«Die Leute sind nervös»

Generell aber, so glaubt ein Bancheninsider, der nicht namentlich zitiert werden möchte, stünden die Wechsel bei vielen Marken für die Erkenntnis dass eine neue Dynamik bei ihnen zwin-

gend notwendig sei Bei LVMH sei die Tatsache, dass ein Spross von Bernard Arnault an die Spitze der Uhrendivision gesetzt wurde, in diesem Sinne ein positives Zeichen. Es zeige, dass die Besitzer das Heft in die Hand nehmen und handeln wollen.

Trotzdem: «Die Leute sind nervös – das ist ganz klar», urteilt Branchenkenner Oliver Müller, Co-Autor der regelmässig erscheinenden Marktstudie von Morgan Stanley und Luxe Consult, über die Branche Und das sei sehr wohl der derzeit wirtschaftlich schwierigen Lage geschuldet Wenn in einem Konzern ein CEO innert eines halben Jahres gleich zweimal auf dem Marken-Schachbrett verschoben werde, sende das kein gutes Signal aus: «Gerade im Uhrenbereich wären Stabilität und langfristiges Handeln matchentscheidend.»

Man kann es auch so sehen: Bei der Uhrenabteilung von Hermès ist Laurent Dordet seit neun Jahren Managing Director; für die Luxusmarke ist er in anderen Positionen seit Dezember 1995 tätig. Jean-Fréderic Dufour wiederum leitet seit 2014 die Geschicke der Erfolgsmaschine Rolex. Zufall oder nicht, laut der erwähnten VontobelStudie legte der Branchenprimus Rolex von 2019 bis 2013 jährlich 17 Prozent zu die Uhrensparte von Hermès gar 32 Prozent.

Chefwechsel in der Uhrenbranche

Cyrille Vigneron, Chairman of Cartier Culture & Philanthropy
Louis Ferla, CEO Cartier
Julien Tornare, CEO Hublot
Jérôme Lambert, COO Richemont
Nicolas Bos, CEO Richemont

TIMM DELFS

Armbanduhren für Riesen

Sie hängen in Flughäfen, an Fassaden von Einkaufsstrassen oder in Uhrengeschäften, zeigen die Zeit an und werben für Uhrenmarken. Wer diese Armbanduhren im Riesenformat herstellt, bleibt jedoch im Hintergrund.

Der Eingang zur Firma Ruegg SA verbirgt sich hinter der Tür eines Mehrfamilienhauses am Südhang von LaChaux-de-Fonds.Anders als die grossen Uhrenmarken mit ihren prestigeträchtigen Bauten sucht man hier keine Publicity. Diskretion ist oberstes Gebot, wenn man für renommierte Uhrenmarken arbeitet, denn diese geben ihre Zulieferer in der Regel lieber nicht preis Daniel Lenherr und sein Sohn Ludovic führen das Familienunternehmen, das 1957 von Jacob Ruegg gegründet wurde 1994 erwarb Jean-Claude Lenherr, Vater des heutigen Geschäftsführers, die Werkstatt.

Fotos sind nicht erlaubt

Die Wände des kleinen Büros sind fast lückenlos mit Beispielen aus der eigenen Produktion behangen «Leider können wir Ihnen nicht erlauben, davon ein Foto zu machen Das hätte für uns schwerwiegende Folgen», entschuldigt sich Daniel Lenherr So stolz er auf seine Produkte ist, er darf sich nicht damit brüsten. Hier hängt die gesamte Konkurrenz der Uhrenwelt in Eintracht nebeneinan-

der – etwas, das man heute nicht einmal mehr in Fachgeschäften sieht, weil jede Marke einen eigenen Bereich für sich beansprucht. In den Vitrinen sind jede Menge weiterer Objekte zu sehen, die die Ruegg SA für ihre anspruchsvollen Kunden fertigt: funktionierende, detailgetreue Uhrwerke im Massstab 10:1, Ansichtsmodelle von Hemmungen zur Schulung von Verkaufspersonal, Türgriffe mit Logo für Boutiquen, Logos und Schriftzüge aus Metall sowie Briefbeschwerer «Als das noch unproblematisch war», schmunzelt Daniel Lenherr, «produzierten wir auch Aschenbecher für die Marken»

Seit den Anfängen der Firma hat sich viel geändert. «Es gab Fälle, da legte uns der Repräsentant der Marke seine Armbanduhr als Vorlage auf den Tisch und meinte, er wolle sie einfach wieder zurückhaben», sagt Daniel Lenherr Heute bekomme man sämtliche Pläne digital und müsse sie nur ins eigene System übertragen Die Anfertigung der gewünschten Anzahl eines neuen Modells dauert etwa vier bis fünf Monate dazu kommt die Planungsphase von etwa einem Monat.

Wenig mit Uhrmacherei zu tun

Ein Gang durch die verwinkelten Ateliers im Hinterhaus macht es deutlich: Die Herstellung von Grossuhren hat wenig mit Uhrmacherei gemein. Da als Antrieb elektronisch gesteuerte Uhrwerke zum Einsatz kommen, die kräftig genug sein müssen, die je nach Massstab recht schweren Zeiger bewegen zu können, gibt es hier auch keine Uhrmacher. Alles dreht sich um das Gehäuse und das Gesicht der Uhr: das Zifferblatt und die Zeiger. Während die typischen Uhren für die Innenräume von Boutiquen Durchmesser von rund 40 Zentimetern aufweisen, verwirklicht Ruegg bei Bedarf auch bedeutend grössere Exemplare: «Für einen unserer Kunden durften wir kürzlich eine Uhr mit mehr als zwei Metern Durchmesser anfertigen» freut sich Ludovic Lenherr «in solchen Fällen übernehmen wir nicht nur den

«Wir sind dankbar, dass unsere Kunden dem ‹Swiss made› treu bleiben.»

Und wenn doch mal etwas kaputtgeht? «Wir besitzen Pläne und Werkzeuge für alles, was wir bisher gefertigt haben und können jederzeit Ersatzteile herstellen. Es gibt Firmen, die ihre Grossuhren an all ihren gesponserten Sportanlässen dabeihaben. Am Ende der Saison kommen diese Uhren zu uns zurück zur Auffrischung Das gehört zu unserem Service», so Ludovic Lenherr

Geheime Signatur

Gibt es eine geheime Signatur, an der man erkennen kann, ob so eine Uhr von Ruegg SA stammt? «Ja, aber die befindet sich im Inneren auf der Rückseite des Zifferblatts», erklärt Daniel Lenherr Das sei nützlich, wenn ein Kunde die Uhr reparieren lassen wolle und sich nicht erinnere, woher sie stamme Das komme durchaus vor. «Wir erhalten immer mal wieder Uhren zur Reparatur, die noch von meinem Vater hergestellt wurden.»

Wir wollen wissen, ob man von diesem Geschäft leben kann. «Wir haben genügend Aufträge, um bestehen zu können», sagt Daniel Lenherr Und es gebe in der Schweiz nur einen Konkurrenten, der zum Teil andere und zum Teil dieselben Kunden bediene «Natürlich gibt es Konkurrenz aus Asien, mit der wir preislich nicht mithalten können. Doch wir sind dankbar, dass unsere Kunden nicht nur bei der eigenen Produktion dem ‹Swiss made› treu bleiben», erklärt Daniel Lenherr. Doch die Auftragslage ist nicht gleichmässig aufs Jahr verteilt. Es gibt durchaus auch mal Flauten, die in der Regel von heftigen Anstürmen gefolgt sind. Dann müssten alle anpacken, denn einen Auftrag abzulehnen, sei keine Option. «Unsere Mitarbeitenden wissen, dass wir niemanden wegen schlechter Auftragslage entlassen. Deshalb halten sie zum Unternehmen, wenn es rundgeht.»

Transport an die Destination, sondern auch die Montage vor Ort.» Auch in der Luxuswelt der Uhren gibt es unterschiedliche Budgets und nicht alle können sich die raffinierteste Ausführung leisten, bei der alle Details des Zifferblatts originalgetreu nachgebildet sind «Oft kommen auch junge Marken zu uns, die sparsam mit dem Geld umgehen müssen. Auch für sie haben wir Lösungen die dank moderner Drucktechnik beinahe so plastisch aussehen wie eine dreidimensionale Uhr.» Ludovic Lenherr zeigt auf eine Wanduhr, die von weitem verblüffend dreidimensional wirkt, tatsächlich aber aus einem flachen Aluprofil mit den Konturen der Armbanduhr besteht, auf das die Karbonoberfläche mit all ihren Schattierungen aufgedruckt ist Selbstverständlich ist das Zifferblatt bis ins Detail originalgetreu und sogar mit einer indirekten Beleuchtung versehen. Am anderen Ende des Preisspektrums darf sich der Kunde über ein aus massivem Aluminium ausgefrästes und poliertes Gehäuse freuen, das sämtliche Spiegelungen des Originals eins zu eins wiedergibt. Sogar guillochierte Zifferblätter, Mondphasen, animierte Tourbillons und ewige Kalender sind möglich «Eigentlich sind alle unsere Uhren mit Datumsfenster ewige Kalender», sinniert Daniel Lenherr, «denn das eingebaute elektronische Werk schaltet selbsttätig Ende des Monats auf das richtige Datum. Wir können von unseren Kunden nicht erwarten, dass sie am Ende der kurzen Monate auf die Leiter steigen, um das Datum zu korrigieren.» Mit ihren zwölf Mitarbeitenden produziert die Firma Ruegg aber nicht nur Uhren für Innenräume, sondern auch solche, die draussen dem Wetter ausgesetzt sind. «Sie müssen wasserfest sein, aber nicht wasserdicht, wie eine Taucheruhr Eher so wie ein Auto, das zwar kein Regenwasser reinlässt, aber in einem Gewässer trotzdem untergehen würde», erklärt Daniel Lenherr. Solche Uhren müssten sowohl eisige Kälte als auch Bruthitze aushalten und dürften sich bei andauernder Sonnenbestrahlung nicht verfärben. «Bei aller Robustheit verlangen sie von unseren Kunden dennoch ein Minimum an Pflege Die Exkremente von Vögeln, die sich gerne obendrauf ausruhen, greifen das Metall an, wenn man sie nicht regelmässig entfernt. Darauf machen wir unsere Kunden aufmerksam.»

Daniel Lenherr und sein Sohn Ludovic führen das im Jahr 1957 gegründete Unternehmen.
TIMM DELFS
Grosse «Outdoor»-Uhren müssen Wind und Wetter standhalten. PD

Weil es Wahre Liebe ist.

Ascona: Charly Zenger •Basel: Seiler• Bern:Zigerli+Iff •Chur: Zoppi• Luzern: LesAmbassadeurs •Olten: Adam St.Gallen:Labhart Chronometrie •Samnaun:Zegg•Zermatt: Bucherer •Zug: Lohri •Zürich: LesAmbassadeursund Beyer
Ring Wahre Liebe

Kunst am Handgelenk

Das Kaliber ist das Herz einer Uhr. Das Zifferblatt jedoch ist ihre Seele. Das gilt besonders für Modelle, die von Handwerkskünstlern veredelt werden

MICHELLE MUSSLER

Lange hat der Herr mit den silbergrauen Haaren überlegt, ob er öffentlich über seine Leidenschaft sprechen soll: «Es ist wie ein Blick in meine Seele Ich verrate damit ja, wie ich denke und fühle.»

Deshalb möchte er anonym bleiben. Der 62-Jährige räumt ein, zusammen mit seiner Frau einen Spleen zu haben Er bezeichnet es aber lieber als «sammeln mit Strategie und Sinn» Im Fokus stehen leicht transportable Gegenstände, wegen der Wertanlage aus kostbaren Materialien wie Gold und Edelsteinen. Klassischer Schmuck jedoch wäre zu banal. «Die Objekte, die wir suchen, müssen praktische Funktionen bieten mit einem Mix aus Kulturgut und seltenen Handwerkskünsten», erklärt der Feingeist. Mittlerweile besitzt das Selfmade-Paar eine der kostbarsten Sammlungen an Schmuckuhren mit Zifferblättern, die von Handwerkskünstlern, sogenannten Meistern der Métiers d’Art, gestaltet wurden Über 50 Exemplare von Cartier, Patek Philippe, Piaget, Van Cleef &Arpels, meist aber von Vacheron Constantin, darunter Einzelstücke für rund eine Million Franken. Die beiden sehen sich als Mäzene und «möchten Sinnstiftendes fördern». Derart kunstverliebte Sammler stehen bei Uhrenmanufakturen hoch im Kurs Sie gelten als besonders anspruchsvoll und werden hofiert. Für sie kreieren ganze Métiers-d’Art-Abteilungen Uhren, die in der gleichen Liga wie mechanisch ausgeklügelte Grosse Komplikationen spielen: komplexe Schmuckuhren mit Seele und Charakter

Kreative Spielwiese

«Unsere Métiers-d’Art-Kollektion ist weit mehr als Feinuhrmacherei. Sie ist unser kreativer Spielplatz, weil sie noch mehr Flexibilität und Freiheiten erlaubt», erklärt Christian Selmoni, Artistic Director von Vacheron Constantin. Wie beides miteinander harmonieren kann, bewies die Manufaktur schon 1996 mit der Mercartor-Linie Ihre Emaille-Zifferblätter zeigen Kartografien antiker Händlerrouten zusammen mit retrograden Anzeigen für die Stunden und Minuten. Die Mercator-Uhren waren nicht nur für den anonymen Sammler eine Initialzündung Mittlerweile haben Tra-

ditionshäuser, die sich vom MainstreamLuxus distanzieren wollen, eigene Kompetenzateliers und Kollektionen aufgebaut, um Schmuck- und UhrmacherKnowhow miteinander zu kombinieren. Patek Philippe nennt seine künstlerischen Modelle für Damen und Herren «Rare Handcrafts» Auch Chopard berücksichtigt in seiner Métiers-d’Art-Linie beide Geschlechter Bei Ulysse Nardin spricht man von «Highlights der Haute Horlogerie», bei Van Cleef&Arpels von «Extraordinary Dials», bei Piaget von «Les Ateliers Extraordinaires» Gemeint ist stets dasselbe, mit gewollten Nebeneffekten: seltene und jahrhundertealte Handwerkskünste zu bewahren oder wiederzubeleben; und manchmal sogar neue Techniken zu entwickeln.

Labor in einem alten Bauernhof

Bei Cartier feiert die Maison Métiers d’Art diesen Herbst ihr zehnjähriges Bestehen Als Innovationslabor des Kunsthandwerks ist sie neben der Manufaktur in La Chaux-de-Fonds in einem Bauernhof von 1872 untergebracht. Auf renovierten 1500 Quadratmetern entstanden Empfangsräume für die anspruchsvolle Klientel, die oft mit dem Privatjet auf der 800 Meter entfernten Piste einfliegt. Vor allem aber verblüffen HighEnd-Ateliers wo etwa 50 Künstler und Künstlerinnen aus aller Welt in sieben Handwerksdisziplinen arbeiten: Emaillierung und Miniaturmalerei mit Grisaille, Gravuren und Intarsienarbeiten sowie das Edelsteinfassen sind die bekanntesten Künste Als Leckerbissen gelten die extrem seltene Filigranarbeit aus hauchdünnen Goldfäden sowie die perfektionierte Granulationskunst der Etrusker

Als Cartiers Chef der Innovationen leitet Romain Moyse seit Beginn die Ateliers «Eine unserer grössten Herausforderungen war die Granulationstechnik», erklärt der Ingenieur Schon in der Antike wurden als plastische Dekore winzige Goldperlen auf Schmuckstücken und auf Tutanchamuns legendären Meteoreisendolch geschweisst. Doch in Vergessenheit geriet der Trick, wie man die Goldkörnchen auf ein Metall lötet, ohne dass sie selber schmelzen «Zusammen mit Experten vom Louvre forschten wir zwei Jahre, bis wir ein zufriedenstellendes Ergebnis hatten» sagt Moyse Auch dank Lasertechnik fertigt

Selbst renommierte Marken stossen an ihre Grenzen.

Stichwort: Fachkräftemangel.

die Maison inzwischen Zifferblätter mit etwa 4000 winzigen Goldperlen unterschiedlicher Grösse die 2000 bis 3000 Mal unter die Flamme gehalten werden. Drei Monate dauert das Prozedere für ein einziges Zifferblatt Aber damit begnügt sich Cartier nicht Man erfand zudem die Technik der Emaille-Granulation.Auf die weiteren, über 30 Patente aus dem Innovationsbauernhof sei man ebenfalls sehr stolz.

Es herrscht Fachkräftemangel Trotz aller Kompetenzen stossen selbst renommierte Manufakturen an ihre Grenzen. Stichwort Fachkräftemangel. Etwa acht Jahre Ausbildung sind nötig, sofern es Lehrplätze gibt. Einige Manufakturen engagieren deshalb externe Künstler Meist werden deren Namen verschwiegen, um die Aufmerksamkeit auf den Markennamen zu fokussieren. Allerdings haben einige der Artisans mittlerweile einen Ruf, auf den man stolz verweisen kann. Darunter der Meister-Graveur JeanVincent Huguenin, der unter anderem den Automatenuhren mit animierten

Figürchen der Marken Ulysse Nardin und Blancpain Persönlichkeit einhauchte – auf Wunsch sogar mit detailgetreuen Konterfeis Yann von Kaenel studierte erst Physik, promovierte an der EPFL (École polytechnique fédérale de Lausanne), schmiss hin und eröffnete eine kleine Guilloche-Manufaktur, wo an über 100 Jahre alten Drehbänken Zifferblätter entstehen. Oder Rose Saneuil, deren komplexe Intarsien im Metaphoria-Modell von Piaget letztes Jahr mit dem Grand Prix de l’Horlogerie de Genève geadelt wurden. Sie alle sind Genies auf ihrem Gebiet, und Marken sowie Sammler müssen in langen Warteschlangen anstehen. Ähnlich bei Anita Porchet. Sie gilt als die grösste unter den Uhrenmalern, auch dank ihres Förderers Schon vor 40 Jahren, lange bevor Métier-d’ArtZifferblätter in der Uhren-Hautevolee chic wurden, erkannte Philippe Stern ihr Talent. Der ehemalige Patron von Patek Philippe unterstütze Porchet finanziell und mit Aufträgen, damit sie ihrer Passion folgen konnte Sie hat ein eigenes Emaille-Atelier, wo sie seither Nachwuchskünstler fortbildet. Selber

Die Emaillekünstlerin Anita Porchet arbeitet an einem Zifferblatt mehrere Monate

begann sie schon mit zwölf Jahren, das Emaillieren von ihrem Onkel zu erlernen. Legendär sind Porchets Kreationen für Jubiläumseditionen von Vacheron Constantin und Patek Philippe Für Hermès und Chanel bannte sie berühmte Stoffmotive auf Zifferblätter Für Fans hinterlässt Porchet etwas versteckt ihre Initialen AP auf dem Zifferblatt. Ein Novum in der Branche, das inzwischen auch andere Künstler durchsetzen.

Mit der Code 11.59 Grand Sonnerie Carillon Supersonnerie von Audemars Piguet jedoch überraschte Porchet vor vier Jahren selbst Insider Sie interpretierte das uralte Paillonnés-EmailleDekor völlig neu. Statt Blümchen, Fabelwesen oder Tierkreiszeichen zieren geometrische Muster für den zeitgenössischen Gusto die Zifferblattvarianten «Endlich!», meint der anonymen Sammler Viele Marken seien selber Schuld, dass Métiers-d’Art-Schmuckuhren manchmal als Kitsch verkannt würden: «Die Manufakturen müssen endlich weg vom ewiggestrigen Design. Das ist längst überstrapaziert und wird den Künstlern nicht gerecht.»

Faszinierende Neuheiten, die in aufwendiger Handarbeit in den Ateliers entstanden sind

1. Emaille

«Ewiger Fluss», so nennt Vacheron Constantin seine Neuheiten aus der Métierd’Art-Linie und verweist auf traditionelle Symbolik der chinesischen Kaiserzeit.Obwohl das Goldgehäuse nur 38 mm misst, finden auf dem Zifferblatt 220 Golddrähte für das Cloisonné-Emaille Platz, dessen Fertigung über 120 Stunden Handarbeit abverlangte Abgerundet von einem Gravurfries auf der Lünette, erscheinen 15 limitierte Exemplare mit Automatikwerk

3. Gravur

Ein doppeltes Tourbillon mit drei höchst seltenen Handwerkskünsten –das vereint die Marke Breguet in der rotgoldenen «Classique Double Tourbillon Quai de L’Horloge» Auf 46 mm Diagonale ist ein Saphirglas-Zifferblatt mit eingravierter Minuterie und Indizes platziert, um tiefe Einblicke in das Handaufzugskaliber zu erlauben. Extrem selten und sehr aufwendig sind nicht nur die Gravuren und das Guil-

«Die Manufakturen müssen weg vom ewiggestrigen

Design.»

5. Marketerie

Ein Feuerwerk aus fünf Handwerkskünsten und einen Tag voller Blütenpracht zelebriert Van Cleef & Arpels Auf der «Lady Arpels Jour Enchanté» lockt ein dreidimensionals Gartenparadies mit Intarsien aus Türkisen Granatedelsteinen, farbigen Saphiren und leuchtenden Diamanten. Selbst die Blütenblätter bestehen aus Weissgold und Emaille Das farbenfrohe, verspielte Kunstwerk zeigt eine Fee, die in der

7. Fräsen

500 Arbeitsstunden stecken in Piagets

Ensemble aus Collier und Uhr «Swinging Sautoir» taufte die Manufaktur ihr Unikat aus Gelbgold, Türkisen, Diamanten, Aquamarin und Malachit, das zum 150. Jubiläum kreiert wurde Herzstück unter dem gelben Saphir mit über 29 Karat ist die Quarzuhr, die auch an einem Armband getragen werden kann Inspiriert von den 1960er Jahren sind ihre Trapezform sowie das Zifferblatt aus einem

2. Miniaturmalerei

Bei der Uhr Arceau Chorus Stellarum von Hermès galoppiert ein von Hand graviertes Skelett über das mitternachtsblaue Zifferblatt. Der Reiter in türkisfarbenem Gewand und sein goldenes Schlachtross entspringen einer Miniaturmalerei, die mit Hilfe von feinsten Marderhaarpinseln unter dem Mikroskop entstanden ist und wirken dank Gravuren und ChamplevéEmaille besonders plastisch.

loche auf der Platine aus Gold, äusserst speziell und bemerkenswert ist auch, dass sämtliche Kanten angliert und poliert sind. Ebenso spektakulär entpuppt sich aber auch die Rückseite hinter dem Saphirglas: In über 100 Arbeitsstunden wurde hier die Werkstatt des Firmengründers und Uhrenmachers Abraham-Louis Breguet am Quai de L’Horloge fast schon skulptural eingraviert.

Morgensonne Blumen pflückt. Das Märchen setzt sich auf der Rückseite der Uhr mit einer Gravur fort. Intarsien, auch Marketerien genannt, bestehen aus winzigen, ultradünnen Plättchen in unterschiedlichen Formen und Materialien Sie werden wie ein Puzzle zusammengesetzt und mit versteckten Stiften oder Drähten fixiert, damit sie eine figürliche Darstellung oder ein Muster ergeben.

makellosen Türkis Zifferblätter aus Perlmutt, Meteoritengestein oder Schmuckedelsteinen wie Türkis und Lapislazuli werden aus einer ganzen Muschel oder einem Gesteinsblock gefräst.Für Damenuhren sollten sie maximal 0,4 Millimeter dick sein, weshalb sie beim Bearbeiten schnell brechen oder splittern können. Um das zu vermeiden, werden sie meist auf einer dünnen Metallplatte fixiert und nur mit Mini-Saugnäpfen berührt.

4. Guilloche

Obwohl das Zifferblatt der Rare Handcrafts Taschenuhr (995/143G-001) von Patek Philippe aus purem Weissgold besteht und ein changierendes Sonnenschliff-Guilloche besitzt, wurde es mit einem transluzenten Emaille beschichtet. Damit nicht genug Auf der Rückseite zeigt sich stolz ein weisser Reiher, der aus 400 Intarsien zusammengefügt wurde, die von 18 verschiedenen Holzarten stammen.

6. Edelsteinfassen

Cartier feiert das zehnjährige Jubiläum seiner Maison Métiers d’Art. Über 100 Handarbeitsstunden sind nötig, um den Blendfaktor aus insgesamt 9,8 Karat Diamanten im Brillantschliff auf der «Joaillière Crocodile» zu initiieren. Weitere kommen für das Krokodil aus Weissgold hinzu. Das Highlight aber ist der Edelsteinbesatz aus über 100 Saphiren, Smaragden und Turmalinen auf dem Zifferblatt und der Lünette

Limitierte Uhr aus der Linie «Ewiger Fluss» von Vacheron Constantin. PD
Der Reiter und sein Pferd werden unter dem Mikroskop gemalt. JOEL VON ALLMEN/
Die Classique Double Tourbillon Quai d’Horloge von Breguet PD
Die Lady Arpels Jour Enchanté ist ein märchenhaftes Kunstwerk. PD
Über zwei Wochen sind nötig, um die rund 100 Edelsteine zu fassen PD Die Joaillère Crocodile von Cartier ist mit über 100 Edelsteinen besetzt. PD
Das Swinging Sautoir von Piaget ist ein Ensemble aus Collier und Uhr. PD
Beim Guilloche werden Wellenlinien in eine Metallscheibe eingraviert. PD Rare Handcrafts Taschenuhr von Patek Philippe. PD
220 Golddrähte finden auf dem Zifferblatt Platz. PD
Arceau Chorus Stellarum von Hermès JOEL VON ALLMEN/

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