NZZ Folio: Belichtete Schweiz

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September 2012

Nr. 254

Belichtete Schweiz


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Das Buch GLUTMUT ist 2011/12 in Partnerschaft mit dem Kulturmagazin und der Kulturzeitschrift

Nr. 823 Nr. 95

veröffentlicht worden. Unter anderem haben folgende Institutionen das Buch erworben und in ihren Katalog aufgenommen:

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PennLibraries,Philadelphia, U.S.A Deutsche Nationalbibliothek Bibliothèque Nationale de France Schweizerische Nationalbibliothek Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden Instituto Svizzero di Roma Landesbibliothek Österreich und Südtirol Bibliothek der Goethe-Universität Frankfurt Universitätsbibliothek Salzburg Eidgenössische Technische Hochschule, Zürich Universität Münster, Westfalen Accademia di Architectura, Università della Svizzera Italiana Institut für Kommunikationswissenschaft, Münster Zentrum für Literatur- und Kulturforschung, Berlin Bibliothek der Universität Toronto, Kanada Unione Romana Biblioteche Scientifiche, Italien Fachhochschule Ostschweiz, University of Applied Sciences, St. Gallen Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft SIK-ISEA, Zürich Schweizerisches Sozialarchiv, Zürich Mit bestem Dank. GOLTON Verlag, Zürich


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Editorial

Das Gedächtnis der Bilder Wer sind wir? Was macht die Schweiz aus? Zwanzig Antworten anhand von fotografischen Trouvaillen.

Wo landet der Fladen? Kuhlotto in Bad Zurzach.

Ein knorriger Alter mit Wilhelm-Tell-Bart, ein mit Geranien gefüllter Brunnentrog, eine halbnackte Tänzerin in der Garderobe eines Nachtclubs, ein aufgeräumtes ländliches Postbüro: Fotografien aus diesem Heft, Fotografien aus der Schweiz. Was erzählen sie über unser Land? Man sagt, ein Bild sage mehr als tausend Worte. – Aber sag das mal mit einem Bild! Der Spruch hat einen wahren Kern. Wer Bilder zum Sprechen bringen will, muss mit ihnen in einen Dialog treten. Das war die Grundidee des Projekts, das der Filmer Heinz Bütler und der Direktor der Fotostiftung Schweiz, Peter Pfrunder, entwickelt haben: «Belichtete Schweiz» stellt in zwanzig Kurzfilmen Bildgruppen vor, die von zwanzig Betrachtern kommentiert werden. (Näheres dazu auf Seite 10.) Unser «Heft zum Film» ist eine Koproduktion mit der Fernsehsendung der Neuen Zürcher Zeitung, NZZ Format, und der Fotostiftung Schweiz. Es zeigt die aufschlussreichsten Fotografien und liefert dazu prägnante Zitate aus den Filmkommentaren: «Belichtete Schweiz» zum Schauen und Lesen. Dabei gibt es einiges zu entdecken. Im Vordergrund stehen nämlich kaum bekannte Trouvaillen aus der Sammlung der Fotostiftung. Etwa die Fotos der Beratungsstelle für Unfallverhütung oder die Passbilder, die 1940 alle Bewohner eines solothurnischen Bezirks machen lassen mussten. Gerade weil sie es nie beabsichtigten, verraten diese Fotografien so viel über die Schweiz. Um den Bildern den angemessenen Raum zu geben, haben wir ausnahmsweise auf unsere Rubriken und Kolumnen verzichtet – bis auf den Cartoon von Gerhard Glück, der auch diesmal einen heiteren Schlusspunkt zum Thema setzt. Daniel Weber

«Belichtete Schweiz» wird im September viermal jeweils am Donnerstag um 23 Uhr 20 auf SF 1 ausgestrahlt. Alle Kurzfilme sind auch auf DVD erhältlich: tvnzzshop.ch (mehr Informationen S.88). Folio 9 / 2012


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inHalT

1 TiTelblaTT Max Grüter und Patrick Rohner 7 ediTorial Das Gedächtnis der Bilder. Daniel Weber 10 die auToren 12 Zu diesem HefT Reality Check. Peter Pfrunder

Thema: Belichtete Schweiz

14 NatioNale traNquilizer Peter von Matt Hermann Stauder: Innerschweizer Volksszenen während des Ersten Weltkriegs. 18 aus der kälte Brida von Castelberg Juraj Lipscher: Krematorien, Bordelle, Schönheitssalons. 24 spiNNeN wir? David Signer Andri Pol: Dekorative Gemütlichkeit in der Anonymität. 28 im labyriNth Stefan Zweifel Theo Frey: Das eigenwillige Reich des Einsiedlers Armand Schulthess. 32 lauter buNker Benedikt Loderer Christian Schwager: Diese Chalets sind getarnt, aber militärisch überholt. 36 augeNzeugeN Beat Wyss Archiv der Beratungsstelle für Unfallverhütung: Die Gefahren des Strassenverkehrs. 40 hiNter dem schalter Alfredo Häberli Jean-Luc Cramatte: Postämter aus ungewohnter Perspektive. 42 VerstohleNe blicke Elisabeth Joris Diverse Fotografen: Der Nachtclub als Gegenstück zur Hausfrauenwelt. 46 im VerschoNteN laNd Jakob Tanner Diverse Fotografen: Flüchtlingskinder im Zweiten Weltkrieg. 48 kaNdidateN Klaus Merz Nicolas Savary und Tilo Steireif: Wahlplakate in der Landschaft. 50 die halbstarkeN Dieter Meier Karlheinz Weinberger: Der Schrecken des Bürgertums. 54 die VerkauFteN berge Katja Gentinetta Jules Spinatsch: Die Spielplätze der Spassgesellschaft. 58 wie seheN schweizer aus? Valentin Groebner Georg Vogt: Dorfbewohner brauchen erstmals Passfotos. 62 geNeratioN h & m Robert Hunger-Bühler Barbara Davatz: Globalisierte Individualität. 66 eiN polizisteNlebeN Melinda Nadj Abonji Walter Roth: Einblicke in ein Fotoalbum. 70 go west! Berthold Rothschild Yann Gross: Im Wilden Wallis. 74 der FerdiNaNd Endo Anaconda Gertrud Dübi-Müller: Hodlers Modell fotografiert den Meister. 78 uNheile welt Peter Stamm Nicolas Faure: Die Schönheit des Hässlichen. 82 kleiNe möglichkeiteN Susanna Schwager Heini Stucki: Das beinahe verschwundene Dorfleben von Ins. 86 sbb FroNtal Martin Heller Martin Stollenwerk: Die Bahnhöfe und Stellwerke des Architekten Max Vogt. 88 leserbriefe 89 folio folies Gerhard Glück 90 VorscHau / impressum

ausserdem

40 Folgen der Folio-Rubrik «Wer wohnt da?» erscheinen als Buch. (Mehr Informationen Seite 45.) Es kann ab sofort für 48 Franken bestellt werden: wer-wohnt-da@nzz.ch.

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Die Autoren

Peter von Mat t In Stans aufgewachsen, war Professor für Neuere Deutsche Literatur an der Universität Zürich. Seine jüngsten Bücher handeln von der Intrige (2006), der deutschen Lyrik (2009) und der Literatur und der Politik in der Schweiz (2012). (S. 14)

Benedikt loderer Lernte Bauzeichner, studierte Architektur, wurde Schreiber, war der Gründer und erste Chefredaktor von «Hochparterre», der Zeitschrift für Architektur und Design, und lebt heute als freier Schreiber in Biel. (S. 32)

JakoB tanner Ist Professor für Geschichte der Neuzeit an der Forschungsstelle für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte und am Historischen Seminar der Universität Zürich. Von 1996 bis 2001 war er Mitglied der Bergier-Kommission. (S. 46)

Brida von CastelBerg Hat an der Universität Zürich Medizin studiert und sich danach zur Fachärztin allgemeine Chirurgie und Frauenheilkunde weitergebildet. Von 1993 bis 2012 war sie Chefärztin an der Frauenklinik des Zürcher Stadtspitals Triemli. (S. 18)

Beat wyss Professor für Kunstwissenschaft und Medientheorie an der HfG Karlsruhe. Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Letzte Publikation: «Bilder von der Globalisierung, Die Weltausstellung von Paris 1889», Berlin, Suhrkamp-Insel 2010. (S. 36)

kl aus MerZ In Aarau geboren, lebt als freier Schriftsteller in Unterkulm. Jüngste Bücher: «Der Argentinier», Novelle, 2009; «Aus dem Staub», Gedichte, 2010. Seit 2011 erscheint seine Werkausgabe. Ausgezeichnet mit dem Friedrich-Hölderlin-Preis 2012. (S. 48)

david signer Schreibt als Journalist vor allem für die NZZ am Sonntag, lehrt als promovierter Ethnologe an der Universität Zürich und hat diverse Bücher publiziert, so auch «Grüezi», zusammen mit dem Fotografen Andri Pol. (S. 24)

alfredo HäBerli Geboren in Buenos Aires, lebt in Zürich. Er studierte Industrial Design und ist heute ein international etablierter Designer. Sein grösstes Projekt, «25hours Hotel Zürich», wird im Herbst 2012 eröffnet. (S. 40)

dieter Meier In Zürich geboren, Künstler und Unternehmer. Gründete 1979 mit Boris Blank die Band Yello. 2006 erschien sein Buch «Hermes Baby», 2011 das Bilderbuch «Out of Chaos». Seit 1997 betreibt er in Argentinien biologischen Landbau, Rinderzucht und Weinbau. (S. 50)

stefan Zweifel Publizist in Zürich, Gesprächsleiter des «Literaturclubs» des Schweizer Fernsehens. Bekannt wurde er als De-Sade-Übersetzer (mit Michael Pfister). Jüngste Übersetzung: «Träumereien eines einsam Schweifenden» von Jean-Jacques Rousseau. (S. 28)

elisaBetH Joris Dr. phil., ist freischaffende Historikerin in Zürich und veröffentlichte eine Vielzahl von Beiträgen sowie einige Standardwerke zur Frauen- und Geschlechtergeschichte in der Schweiz. (S. 42)

k atJa gentinetta Die politische Philosophin ist Gesprächsleiterin der «Sternstunde Philosophie» am Schweizer Fernsehen und Lehrbeauftragte für Public Affairs an der Universität St. Gallen. Sie berät Unternehmen, Institutionen und Personen in gesellschaftspolitischen Fragen. (S. 54)

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Valentin Groebner Geboren in Wien, Professor am Historischen Seminar der Universität Luzern. Veröffentlichte Bücher zur Sozial- und Kulturgeschichte, zu Gewalt, Mittelalterbildern und über die Geschichte von Ausweisen und Identifikationspapieren. (S. 58)

endo anaconda Geboren in Burgdorf, entschied sich nach seinen Internatsjahren für eine Ausbildung zum Serigraphen in Wien. 1989 kehrte er in die Schweiz zurück und war Mitbegründer der erfolgreichen Band Stiller Has. Er ist Vater dreier Kinder und lebt in Bern. (S. 74)

robert HunGer-büHler In Aarau aufgewachsen. Arbeitete als Schauspieler auf vielen Bühnen Europas mit Regisseuren wie K. M. Grüber, Christoph Marthaler, Frank Castorf, Stefan Pucher und Peter Stein. Er gehört zum Ensemble am Schauspielhaus Zürich und lebt in Kilchberg. (S. 62)

Peter staMM Seit 1990 freier Autor. Längere Auslandaufenthalte, u. a. in Paris, New York und Berlin. Lebt in Winterthur. Schreibt Prosa, Hörspiele und Theaterstücke. Zuletzt erschienen 2011 die Erzählungen «Seerücken» im S. Fischer Verlag, Frankfurt. (S. 78)

Melinda nadj abonji Geboren in Becsej, Wojwodina (Serbien). Studium der Germanistik und Geschichte in Zürich. Autorin, Musikerin und Leiterin einer Schreibwerkstatt. Für den Roman «Tauben fliegen auf» (2010) erhielt sie den Deutschen und den Schweizer Buchpreis. (S. 66)

susanna scHwaGer Verfasste unter anderem die beiden Bestseller «Das volle Leben – Frauen bzw. Männer über achtzig erzählen» und den Roman «Ida – eine Liebesgeschichte». 2012 ist «Das halbe Leben – junge Männer erzählen» erschienen. Die Autorin wohnt in Zürich. (S. 82)

bertHold rotHscHild Dr. med., ist emeritierter Psychiater und Psychoanalytiker. Er lebt in Zürich und sucht nach Morgenröten im Lebensabend. (S. 70)

Martin Heller Lebt in Zürich und Berlin. Ausstellungsmacher, Autor und Kulturunternehmer (Heller Enterprises). War Direktor des Museums für Gestaltung Zürich, künstlerischer Direktor der Expo 02, Intendant von «Linz 2009 Kulturhauptstadt Europas» und vieles mehr. (S. 86)

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Zu diesem Heft

Reality Check Was sagt die Fotografie über unser Land? Im Dialog mit den Betrachtern entsteht ein neuartiges Schweiz-Panorama.

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«Das Groteske an der Schweiz ist ja, dass die Vorstellung, die wir von uns haben, und das, was wir leben, sich nicht decken», sagte Hugo Loetscher einmal in einem Interview. Das Gespräch drehte sich um die Fotografie, und als Kenner und Liebhaber der Fotografie wusste Loetscher sehr wohl, dass das Dokumentarische des Mediums immer von Phantasien und Projektionen überlagert wird – in der Vergangenheit nicht weniger als in der Gegenwart. So gesehen, ist die Fotografie eine Art Sprache, in der wir uns über die Wirklichkeit unterhalten. In der Bildsprache der Fotografie versuchen wir, Geschichten über uns und andere zu erzählen. Mit Fotografien fragen wir, wer wir sind, oder überprüfen, was wir tun. Sie geben uns die Möglichkeit, unsere Sicht auf die Welt mit derjenigen anderer zu vergleichen – Reality Check. Aber wie jede Sprache hat auch die Sprache der Fotografie ihre Unzulänglichkeiten: Sie kann nur Interpretationen der Wirklichkeit liefern. Was erzählen Fotografien über die Schweiz? Und auf welche Weise tun sie es? Diese Fragen standen am Anfang des mit dem Filmer Heinz Bütler entwickelten Projekts «Belichtete Schweiz». Ziel war es, die Schweiz des 20. und 21.Jahrhunderts nicht nur als geographisches Territorium, sondern vor allem als kollektiven mentalen Raum zu erkunden – eben im Spiegel der Fotografie. Dabei drängte es sich auf, das Potential von Fotografien im Dialog zu erschliessen: im Wechselspiel zwischen den Bildern, denen die persönliche Sicht der Fotografen eingeschrieben ist, und ausgewählten Betrachtern, die das «belichtete Papier» zu lesen versuchen. Die Betrachter sollten als Übersetzer helfen, zwischen Bildsprache und Wortsprache hin und her zu pendeln. Sie sollten sich von den vorgelegten Fotografien anregen oder irritieren lassen. Was der spontane Dialog an Gedanken, Gefühlen, Assoziationen oder Informationen freisetzte, wurde in Kurzfilmen festgehalten. So ergab sich ein neuartiges Schweiz-

Panorama, eine visuelle und gedankliche Annäherung an helvetische Befindlichkeiten. Und mithin eine Zeitreise, vermittelt unter anderem durch den Wandel der Bildsprache. Doch an welchen Bildern sollte man sich orientieren? Basis für die Suche nach aufschlussreichen Fotografien bildete die Sammlung der Fotostiftung Schweiz. Diese enthält nicht nur wichtige Nachlässe und Archive, sondern wird auch laufend erweitert durch aktuelle Werke aus dem jüngeren schweizerischen Fotoschaffen. Für «Belichtete Schweiz» ging es allerdings nicht darum, einmal mehr die Klassiker der Schweizer Fotografiegeschichte Revue passieren zu lassen. Herausragende Meisterwerke oder geschichtsträchtige Ereignisbilder wurden beiseite gelassen. Denn bei solchen Ikonen erliegt man allzu leicht der Faszination des singulären Moments. Viel ergiebiger waren Bildgruppen, die über das Einzelwerk hinausweisen, Serien, die Zustände und Befindlichkeiten beschreiben, sowie ephemere Bestände, in denen die Brechungen der Realität unübersehbar sind. «Die Fotografie wird unweigerlich Korrekturen der Klischees bringen», antwortete Hugo Loetscher auf die Frage, was die Fotografie zum Verständnis der Schweiz beitragen könne – obschon die Gefahr bestehe, dass die Korrekturen den Rand überbetonten. «Der Rand sagt immer auch etwas über die Mitte aus und vielleicht mehr als diese selber. Dennoch: Das Schwierigste ist, die ganz gewöhnliche Realität darzustellen, das, was der Grossteil der Menschen hier täglich erlebt.» Peter Pfrunder, Fotostiftung Schweiz

Die Fotostif tung Schweiz, 1971 gegründet, besitzt über 50 Nachlässe, 50 000 Fotografien in Ausstellungsqualität, 250 000 Archivabzüge und über 1 Million Negative bzw. Dias. Ein Schwerpunkt liegt auf der Schweizer Fotografie des 20. Jahrhunderts. Die Fotostiftung Schweiz organisiert Ausstellungen, gibt Publikationen heraus, veröf fentlicht ausgewählte Bestände im Internet. Gemeinsam mit dem Fotomuseum Winterthur führt sie ein Zentrum für Fotografie in Winterthur (www.fotostiftung.ch).

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14 Belichtete Schweiz

NatioNale traNquilizer Hermann Stauder hat während des Ersten Weltkriegs in der Innerschweiz typische «Volksszenen» festgehalten. Man kann sie auch als Idyll lesen, das die politischen Spannungen verdrängte. PETER VON MATT

Es gibt eine Zone in der Schweiz, wo die Geschichte ruht. Das ist eine Grundphantasie, die sich bis heute erhalten hat und die bis heute auch politisch ausgebeutet wird: die Vorstellung der ruhenden Schweiz. Sie war immer schon falsch, aber sie hat eine bestimmte Magie. Ich spüre sie in diesen Bildern. Aber wo finde ich die Realität hinter dem Arrangement? Der Betrachter ist hier wie in einem Spiel – und das gilt auch für die Figuren selbst.

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15 Belichtete Schweiz

Dieses Urner Mädchen – das finde ich ein unglaublich faszinierendes Portrait. Nicht, weil es so angezogen ist und diese Frisur hat. Das ist offensichtlich das schönste Kleid, das sie hat und das sie anzieht, wenn sie am Sonntag zur Kirche geht. Aber das Gesicht! Wie hier diese Vorsicht, diese Mischung von Angst und Schüchternheit dem Fotografen gegenüber, die Spannung im Moment des Fotografiertwerdens – wie das alles herauskommt, ist grossartig. Ich glaube, Stauder hat gar nicht gewusst, was für ein grossartiges Portrait er hier schuf.

Die vielen knorrigen alten Männer mit diesen Bärten erinnern uns an die TellIllustrationen, an die Bilder in der Tellskapelle, an die Rütlischwur-Szenen, die wir alle im Kopf haben. Man hat die Leute, die Ernst Stückelberg um 1880 in der Tellskapelle gemalt hat, dann in Uri gesucht. Und wenn dort einer diesen Bildern glich, hat man gesagt: Das ist jetzt das Urbild. Dabei waren dies ja nur Annäherungen an die Phantasie des Malers. Folio 9 / 2012


16 Belichtete Schweiz

Bei Stauder wird sozusagen ein entschärftes Idyll gezeigt. Was hier als Armut erscheint, erweckt ein Wohlbehagen. Der Städter denkt: Das ist ja schön, dass es das alles so einfach noch gibt. Die Leute sind nicht arm – sie sind einfach. Diese Unterschlagung der Armut ist kein unsympathischer Betrug, aber es ist ein Betrug. Solche Aufnahmen mussten den unveränderlichen, für alle Schweizer gültigen Kern dokumentieren. Das durfte nicht angezweifelt werden.

Zusammenhalt gab die Erinnerung an eine Zeit, die es nie gegeben hat. An die Welt eines kleinen, ländlichen, unschuldigen, freiheitsdurstigen Bergvolks. Angesichts der politischen Spannungen – zwischen den Sozialisten und dem Industriebürgertum, zwischen den katholischen und reformierten Gebieten, zwischen den verschiedenen Sprachen – sind solche Bilder nationale Tranquilizer. Sie stellen die Erregung still, indem sie die Stille zeigen.

HERMANN STAUDER Hermann Stauder (1887–1949) war der erste Schweizer Pressefotograf. Nach der Ausbildung zum Studio- und Por traitfotografen durchstreifte er das Land auf der Suche nach sogenannten Volksszenen und erarbeitete ein Mappenwerk zu Schweizer Gegenden und volkskundlichen Themen. Die Aufnahmen aus der Innerschweiz entstanden während des Ersten Weltkriegs. Drei Jahre nach dem erstmaligen Erscheinen der «Schweizer Illustrierten Zeitung» veröffentlichte er ab 1914 als sogenannter Spezial-Photograph seine ersten Bildberichte. 1916 trat Stauder die Stelle als fester Fotograf bei der «Schweizer Illustrierten» an und arbeitete bis in die 1940er Jahre für die Zeitschrift. 1949 starb er bei einem Autounfall. Seine biographischen Spuren haben sich verloren. Sein umfangreiches Archiv wurde nach seinem Tod weitgehend zerstört.

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18 Belichtete Schweiz

aus der kälte Juraj Lipscher fotografierte nicht nur Krematorien, sondern auch Bordelle, Schönheitssalons, Geburtsstationen. Trotzdem denkt man immer zuerst an den Tod. Brida Von CastelBerg

obwohl es so unterschiedliche orte sind, weiss man nie sofort, wo man ist. die räume sind in ihrer anonymität und Unpersönlichkeit austauschbar, und auch wenn sie alle mit menschlichem leben zu tun haben, ist der erste eindruck, dass es um den tod geht, um die abwesenheit von leben. die Menschen sind greifbar abwesend. auch auf diesem Bild. Hier sieht man, so glaube ich, eine Maschine, mit der Cellulitis behandelt wird. es ist eine schreckliche Vorstellung, dass man von diesen schläuchen traktiert wird. Und dieser Hintergrund, eine asiatische landschaft mit Bäumen, ist nur da, um einen zu beruhigen, damit man das schreckliche besser aushalten kann.

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19 Belichtete Schweiz

Es gibt auf den Bildern viele rührende Situationen mit einer einzelnen Pflanze. Man versucht so, wenigstens ein bisschen Menschlichkeit herzustellen. Aber das macht es nur noch schlimmer. Weil man den Versuch so genau durchschaut.

Diese Garderobe sieht aus wie in einem Spital – anonyme Kästchen, und oben stehen diese Schuhe. Man kann sich genau vorstellen, wie normale junge Mädchen mit ihren Turnschuhen hierherkommen und sich dann verkleiden: in ihre Rolle als Nutten. Dann erledigen sie ihre Dienste. Wenn die acht Stunden – oder wie viele auch immer – um sind, gehen sie in ihren Turnschuhen wieder nach Hause oder in die Migros einkaufen. Dieses Bild hat mich extrem berührt, weil es die Personen hinter der Rolle zeigt. Und dass alles auch ein wenig Theater ist.

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20 Belichtete Schweiz

Es sind lauter Situationen, in denen der Raum während der Benutzung stark verschmutzt wird. Aber man sieht kein Stäubchen, keinen Tropfen. Die Räume sind so sauber geputzt, dass man nicht einmal glaubt, dass sie wirklich benutzt werden. Eine Doppelverdrängung: Man verdrängt die Situation, die da stattfindet, und auch das faktisch Verschmutzte dieser Räume. Bei der Geburt etwa wird das Blut, Fruchtwasser und auch Kot sein. Ich nehme an, die Figur im Hintergrund ist eine Matte, die man auf den Boden legt, wenn eine Frau auf einem kleinen Hocker gebärt. Aber sie sieht aus wie ein Gespenst. Und bei der Badewanne weiss man auch nicht genau, was darin wirklich vor sich gehen soll, jedenfalls sicher nichts, was man erleben möchte. Alles wirkt bedroh­ lich, dabei wird hier nur: geboren und gebadet.

Unter all den Fotos in Krematorien gibt es ein einziges mit einem Kindersarg. Und alle anderen akzeptiert man als normal. Der Tod gehört ja zum Leben, so ist es halt, und dann kommt dieser kleine weisse Kindersarg. Plötzlich ist man emotional dabei und denkt: Dass dieser Kindersarg hier steht, das gehört eben nicht zum Leben. Mit einer Kleinigkeit werden die Anonymität und das Unbeteiligte ge­ brochen.

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«Ich bin Vaudoise.» Simon Bandanna, Zürich

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22 Belichtete Schweiz

Dieses schwebende Baby im Wasser ist etwas ganz Normales: Anschauungsmaterial für Mütter, die lernen, in diesem komischen Kübel ihre Babies zu baden. Aber auch hier wird man emotional gepackt und denkt: Um Himmels willen, was ist denn da passiert? Das Bild fällt aus dem Rahmen, aus der Serie mit all den glatten Oberflächen, dem Metall und der Künstlichkeit. Plötzlich ist man ganz nah am Leben dran und merkt dann doch: Auch das ist künstlich.

JURAJ LIPSCHER In der ab 1998 entstandenen Serie «Body Shops» beschäf tigt sich der Fotograf Juraj Lipscher mit Räumen, in denen sich alles um den Körper dreht: Gebärsaal, Schönheitssalon, Fitnesscenter, Bordell, Krematorium. Dem gebür tigen Tschechen, der seit 1968 in der Schweiz lebt, war aufgefallen, dass sich alle diese Räume in fast erschreckender Weise gleichen. «Ich war fasziniert von den Maschinen und dem technischen Zubehör, die einen Menschen vom ersten bis zum letzten Schrei in seinem Leben begleiten. In einem Gebärsaal sehen sie ganz ähnlich aus wie in einem Krematorium.» Die streng funktionalen Einrichtungen und die keimfrei-sauberen Instrumente dieser Körperräume scheinen alles Körperliche und Organische zu verdrängen. Ein Widerspruch? Oder ist das obsessive Streben nach totaler Kontrolle, Sterilität und Perfektion auch ein Ausdruck tiefsitzender Ängste?

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24 Belichtete Schweiz

spinnen wir? Der Fotograf Andri Pol hält Schweizer Kollisionen fest. In seinen Bildern prallt das Dekorative auf das Praktische, die Gemütlichkeit auf die Anonymität, und die Städte werden enturbanisiert. david Signer

es besteht ein Missverhältnis zwischen diesem fast lächerlich kleinen rasen und der übermenschlichen anstrengung, die der Mann da vollbringt; er hat etwas von Sisyphus. die einfamilienhäuschensiedlung und diese reminiszenzen an die Heidischweiz, das passt überhaupt nicht zusammen. der Witz in diesen Bildern entsteht oft durch das Zusammentreffen von Heterogenem. das ergibt dann eine paradoxe, absurde Kollision.

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25 Belichtete Schweiz

Die Leitplanke ist ja eigentlich etwas ganz Praktisches, Technisches, und die Geranien dienen einfach der Dekoration, der Schönheit. Das scheint eine schweizerische Spezialität zu sein, die Verschönerung des Praktischen. Und gewissermassen als Krönung der obligate Brunnentrog aus Holz, der von Genf bis St. Gallen so beliebt ist.

Das trifft etwas Elementares der Schweizer Mentalität. Vielleicht hat es damit zu tun, dass wir eine seltsame Mischung von Urban und Ländlich sind. Unsere städtische Kultur ist relativ jung. Wir alle stehen mit einem Fuss in der Stadt und mit dem andern noch im Landleben. Darum wollen wir das Städtische ein bisschen entschärfen oder verharmlosen, ein bisschen enturbanisieren.

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26 Belichtete Schweiz

Was wir hier sehen, ist eine Art psychotisch gewordene Gemütlichkeit. Oft hat das Dorfbild, hat die Aussenwelt etwas von einem Interieur an sich. Auch die Fassaden der Häuser werden eigentlich eingerichtet, so wie man sonst Interieurs einrichtet.

Es scheint so, als wolle man auf jeden Fall vermeiden, dass sich die Leute irgendwie anonym oder entfremdet fühlen im eigenen Land – dass sie sich dem ausgeliefert fühlen, was man gemeinhin mit Urbanität verbindet … Irgendwie sind wir eben schon Spinner.

andri pol Seit den 1990er Jahren hat sich andri pol darauf spezialisiert, Komisches und Bizarres festzuhalten. auf seinen Streifzügen durch die Schweiz scheint er immer genau dort aufzutauchen, wo kleine, aber bemerkenswerte dinge geschehen. pols Fotografien zeigen ein Zerrbild, eine Karikatur der Schweiz; doch gerade der subjek tive Blick und die satirische Zuspitzung sind geeignet, Widersprüche und risse in unserem alltag aufzudecken. die Bildsprache, die auf unkonventionelle Blickwinkel, überraschende ausschnitte und bewusste Überbelichtung setzt, trägt da zu bei, dass man Ver trautes plötzlich mit anderen augen sieht. 2007 hat andri pol seine Trouvaillen im Buch «Grüezi. Seltsames aus dem Heidiland» zusammengefasst.

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FOTOS FÜRS LEBEN IHRE SCHÖNSTEN MOMENTE IN DEN AUSGEZEICHNETEN FOTOBÜCHERN VON IFOLOR <wm>10CAsNsjY0MDAx1TU0NzMzNQYAVw73pw8AAAA=</wm>

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FOTOS FÜRS LEBEN


28 Belichtete Schweiz

im labyrinth Ein ehemaliger Bürogehilfe der Bundesverwaltung schuf sich im Onsernonetal ein eigenwilliges Reich, indem er einen Wald in eine Enzyklopädie des Wissens verwandelte. Theo Frey hat das Werk des Einsiedlers dokumentiert. Stefan Zweifel

Das Haupt einer antiken Statue hinter einem Gitter, darüber ein name: armand Schulthess. Dieser armand Schulthess hat sein ich sozusagen zu stabilisieren versucht in seinem Reich, einem riesigen Garten, der, wie ich irgendwo las, 18 000 Quadratmeter gross war, mit verschiedenen Hütten, Bäumen und wegen. es ist sein inneres labyrinth, das er nach aussen stülpt. er versucht, dieses ich, das ihm vielleicht immer wieder entgleitet und abhanden kommt, nach aussen zu projizieren und im Garten festzulegen.

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Per Post der Werbebrief. Perfekt der Ausverkauf.

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30 Belichtete Schweiz

Hier sieht man eine Ansammlung von Nägeln und kleinen Sachen, mit denen er die Welt darstellt, die um­ rundet wird von Planeten.

Das ist eine der gewaltigsten Installatio­ nen, die es in der Schweiz je gab. Sie ist verschwunden, aber eingefangen in der Fotografie. Die Fotografie hält immer auch den Augenblick fest, der schon den Tod in sich trägt. Eindrücklich ist das Totenhafte der Vegetation, wo der Mensch eigentlich nur noch ein paar Schilder hinterlässt. Der Besitz des Menschen verschwindet und verwildert in der Natur, verwittert in diesen Schrifttafeln an den Bäumen. Die­ ser Wald ist ein Dschungel, der schwarze Kontinent der Seele, die Freud erkunden wollte, der Vater der Psychopathologie, wie es hier am Baum der Seele heisst.

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31 Belichtete Schweiz

Eigentlich ist es schön, dass die Fotografie ab und zu sozusagen den Text verliert, wo er ins Unscharfe kippt: Es ist nur noch ein Flimmern eines Steins, das von irgendeiner Geschichte erzählt, die man schon lange vergessen und verdrängt hat in der Schweiz. Wenn er sich hier in Szene setzt, an der Schreibmaschine arbeitend, ist das auch ein Aufruf zur Kommunikation. Man schreibt ja, damit jemand das lesen kann. Und vielleicht hat er das in gewisser Weise auch genossen, dass sein Werk von jemandem so aufgenommen wurde, dass es nach aussen getragen werden konnte. Dass dieser heimliche magische Bezirk, in dem er sich bewegte, doch geöffnet wurde.

100% Beinahe

ng. Beachtu

für einen achtung 100% Be macht st s a Fa D t: . it e is zeig Kinderarb n e Die Prax g e g en Brief lgreich. physisch ising erfo s Fundra moderne

theo frey Mit besonderer Sympathie für Aussenseiter dokumentier te theo frey das Leben in der Schweiz. Armand Schulthess, der seit 1951 im onsernonetal einen Kastanienwald in ein philosophisches Labyrinth ver wandelte, weckte früh sein Interesse, ab 1964 besuchte er den einsiedler mehrmals. Das Lebenswerk des ehemaligen Bürogehilfen der Bundesver waltung faszinier te ihn. «Pop-Ar t wider Willen?» fragte er in einer repor tage. «Wohin man blickt, glitzern an Stämme genagelt und Äste gehängt Blechstreifen und Böden von Konser venbüchsen, säuberlich beschrieben. es mögen tausend oder noch mehr solche traktätchen, Inhaltsverzeichnisse, rezepte zu besserem Leben, Lieben und Kochen, hinweise auf erfindungen und Aufzählungen sämtlicher menschlicher Leistungen vom Steinbeil bis zum Sputnik herumbaumeln und dahinrosten.» Nach Schulthess’ tod 1972 wurde der enzyklopädische Garten zerstört.

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32 Belichtete Schweiz

lauter bunker Früher wären Christian Schwagers Bilder Landesverrat gewesen. Heute sind die getarnten Bunker militärisch überholt. Sie sind Symbole für eine Schweiz, die alles aus eigener Kraft schaffen will. BENEDIKT LoDErEr

Es sind falsche Chalets, aber es sind echte Bunker. Es ist nicht so, wie die Schweizer immer noch glauben, dass man nur das réduit verteidigt hätte, also nur die Alpen. Die falschen Chalets gibt es flächendeckend im ganzen Land. Es gibt wahrscheinlich kein Land, das so verbunkert ist wie die Schweiz. Der Bunker ist das eigentliche Symbolgebäude der Schweiz, dieser alten GuisanSchweiz, die sich jetzt langsam auflöst.

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33 Belichtete Schweiz

Hinter diesen Bunkern steckt die Vorstellung eines Landes, das sich selbst verteidigt, das nur sich verteidigt, das sich allein verteidigt. Das alles aus eigener Kraft schaffen kann. Darum müssen wir die Möglichkeiten des Geländes ausnützen, von der Grenze bis zum Gotthard. Wir dürfen keinen Geländevorteil preisgeben.

Der Gegner soll meinen, wir seien schwach – und wenn er dann da ist, wird er sich seine mechanischen Zähne an unseren Felsen ausbeissen. Wir sind eingegraben, wir sind bereit. Wir haben die Munition, wir haben die Notpackung B. Und dann werden wir sehen, was die mit ihren Panzern in diesem Gelände anstellen. Denen werden wir’s zeigen.

Die Überzeugungskraft dieser Bunker muss abfärben auf die Mannschaft. Den Leuten, die den Krieg führen sollen, muss man ein Sicherheitsgefühl vermitteln. Denn alle diese Bunker nützen nichts, wenn die Männer darin nicht kämpfen wollen. Wenn die nicht bereit sind, im Bunker zu sterben, ist der Bunker für nichts. Darum bin ich auch dagegen, dass man sich lustig macht über die Tarnung.

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34 Belichtete Schweiz

Das ist ein 10,5-Zentimeter-Panzerturm schweizerischer Konstruktion, mit dem man rundherum schiessen kann. Das funktioniert im Grunde ähnlich wie ein Schiffsgeschütz.

Dies ist einer meiner Lieblingsbunker. Wie alle anderen steht auch er wie zufällig dort. Es gibt nur ganz feine verräterische Spuren, die darauf hinweisen, dass etwas nicht stimmt. Das hat etwas Unheimliches. Wahrscheinlich liegt es auch daran, dass die Bunker stumm sind. Anders als in normalen Chalets passiert hier nie etwas. Die Bunker sind militärisch längst überholt, aber sie waren schon zu mickrig, als man sie gebaut hat. Da gibt es Festungen für 120 Soldaten und zwei kleine 7,5-Zentimeter-Geschütze mit bemitleidenswerter Wirkung.

Man hat ununterbrochen versucht, die Bunker à jour zu halten. Die Tarnung auf den Bildern: picobello.

Christian sChwager Mit dem ende des Kalten Krieges haben viele Festungsbauten der schweizer armee ihre Bedeutung verloren. auch die 150 Bunker, die mit grossem aufwand und in liebevoller Kleinarbeit als Chalets, scheunen oder ställe getarnt worden waren. Die ab 1941 erstellten anlagen, jahrzehntelang geheimgehalten, fügen sich unauffällig in den Baustil der jeweiligen Landesgegend. Zwischen 2001 und 2003 wurden sie von Christian schwager aufgespürt und fotografier t – und zwar so, als handle es sich um idyllische Postkartenmotive. im schönsten herbstlicht und vor blauem himmel wirkt die vorgetäuschte harmlosigkeit noch surrealer.

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Ein Teil von

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36 Belichtete Schweiz

augenzeugen Die Aufnahmen aus dem Archiv der Beratungsstelle für Unfallverhütung zeigen nicht nur die Gefahren des Strassenverkehrs. Sondern auch, wie rasant sich die Schweizer Landschaft innert 50 Jahren veränderte. Beat Wyss

Das weite Land der schweiz – das könnte ein Roadmovie aus den 1960er Jahren sein. Da scheint die Welt noch in Ordnung. allerdings zeigen die Bilder auch: es beginnt die grosse Zersiedelung der schweiz. schon tauchen die ersten tankstellen auf, an diesem lauschigen Plätzchen wird es allmählich laut.

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37 Belichtete Schweiz

Die Fotografie ist ein Kontrollinstrument: Können die Verkehrsströme hinreichend geregelt werden? Diese Ströme sind natürlich auch ein Zeichen für die Entflechtung der Städte. Wohnen und Arbeiten wurden quasi auseinandergedröselt. Man wohnt irgendwo im Grünen und arbeitet im Zentrum.

Das ist ein Prototyp für die Monitor-Ästhetik. Man fragt sich: Wo ist denn das aufgenommen worden? Es ist eine Beobachtung ohne Autor. Das ist die Situation, in der wir heute leben, für uns ist dieser unheimliche anonyme Beobachter Alltag geworden. Es kann ja heute auf der Strasse fast nichts mehr passieren, ohne dass man dazu ein Bild findet. Folio 9 / 2012


38 Belichtete Schweiz

Eines meiner liebsten Unfallbilder ist dieser CartierBresson-mässige Zusammenprall eines Dodge mit einem Verkehrspfosten. Dass es ihm fast axialsymmetrisch die Kühlerhaube gespalten hat – um das zu schaffen, muss man sich fast schon Mühe geben.

Die ländliche Idylle kontrastiert mit dem katastrophischen Geschehen – das macht den Reiz der Unfallbilder aus. Das erinnert mich an meine Kindheit. Es gab eigentlich nichts Schöneres als Autounfälle, da hatte man nachher etwas zu erzählen. Es geht auch um die kommunikative Bewältigung dieser Unwahrscheinlichkeit, die in diese heile Welt eingebrochen ist. Insofern sind die Fotografien natürlich auch Einübungen, sie sind Katastrophenübungen. beratungsstelle für unfallverhütung Die bfu in bern setzt sich für sicherheit im strassenverkehr ein. seit Jahrzehnten dokumentiert sie unfälle und gefahrenzonen; von 1940 bis 1990 entstanden über 50 000 bilder. heute hat dieses archiv für die Prävention keinen nutzen mehr, aber es ist eine einzigartige kulturhistorische Quelle. Die beamten hielten fest, wofür sich kein professioneller fotograf interessier te: Passanten beim überqueren von strassen, tankstellen und Kreuzungen im niemandsland. ungewollt registrierten sie aber noch mehr: zeittypische stimmungen und menschliche tragödien. vor allem die aufnahmen aus den 1950ern und 1960ern machen bewusst, wie rasend schnell sich die schweiz in der Zeit des Wirtschaftswunders veränderte.

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L i e g t e s d a r a n, d a s s S i e i m S p a- u n d F i tn e s s b e re i c h s o v i e l Pl at z f ü r s i c h h a b e n w i e a u f ke i n e m a n d e re n S c h i f f ? A n d e n g ro s s zü g i g g e s t a l te te n S u i te n, a l l e m i t e i g e n e r Ve r a n d a? O d e r a m u nve rg l e i c h l i c h p e r s ö n l i c h e n S e r v i c e? S i c h e r i s t: N u r d i e EU R O PA 2 b i e te t I h re n Wü n s c h e n s o v i e l Fre i r au m. S i e i s t d e r p e r fe k te O r t f ü r I h re ex k l u s i ve Au s ze i t a u f S e e.

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40 Belichtete Schweiz

hinter dem schalter Jean-Luc Cramatte hat mehr als 150 Postämter aus einer Perspektive fotografiert, die man als Kunde nicht kennt. Auf seinen Bildern sieht man keine Angestellten, aber Spuren, die von ihrem Kampf gegen die Anonymität zeugen. alfredo Häberli

ich habe hier einen blick von der anderen Seite auf die Post, den ich eigentlich nicht kenne. ich sehe normalerweise die angestellten von der anderen Seite aus. ich bin überrascht über die farbigkeit, die da herrscht, über die kleine persönliche Welt mit Vorhängen. Über diese präzise ordnung – und das doch leicht Chaotische. das ist auch ein wenig bei mir im Studio so. ich lebe auch von Gegenständen, von inspirationen, von farben und formen.

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41 Belichtete Schweiz

Was mich erschreckt: dass ich weit und breit keinen Menschen sehe. Aber wenn wir genau hinschauen, sehen wir Kratzer, Spuren, die Patina, die gewisse Möbel und Wände haben. In dieser perfekten Ordnung sind Menschen am Arbeiten.

Staubfrei, vollkommen ausgeleuchtet – ich kann auf dem Computer fast die Files erkennen. Das ist unglaublich ernüchternd, so klar, so direkt. Und durch das Menschenfreie wird es noch schärfer. Durch die Ausleuchtung oder die extreme Tiefenschärfe werden die Bilder sehr flach, ich sehe Vordergrund und Hintergrund genau gleich scharf. Es ist fast surreal, alles auf einer Fläche. Die Möbel sind No-Names, Industrieprodukte, die in grosser Masse hergestellt werden.

jean-luc cramat te Das Postbüro, aushängeschild des Ser vice public, ist ein Paradebeispiel für schweizerische Ordnung, Präzision und ef fizienz. restruk turierungen und die Schliessung von Postämtern bringen aber neuerdings auch ihre Vergänglichkeit zu Bewusstsein. um das jahr 2000 begann jean-luc cramatte sich Postbüros zu widmen. er machte eine fotografische Bestandesaufnahme von über 150 Poststellen in der Westschweiz, vom jura bis ins Wallis. Im unscheinbaren und alltäglichen entdeckte er eine spannende Innenwelt, in der sich menschen mit der anonymität des Systems zu arrangieren versuchen. Obschon der Fotograf die Postbeamten bewusst ausspart, bleiben sie durch vielfältige Spuren präsent. mit dem kühlen Blick des archäologen registriert cramatte auch den unmerklichen Wandel der Bürowelt im Zuge der Digitalisierung.

Eine Innenarchitektur, bei der von A bis Z alles stimmt, ist für mich auch ein Schrecken. Darum gefällt mir dieses Bild, es wirkt richtig menschlich. Folio 9 / 2012


42 Belichtete Schweiz

verstohlene blicke Der Nachtclub ist in den 1950er Jahren ein Gegenstück zur biederen Welt der Hausfrauen, eine erotische Gefahrenzone, in der die Treue der Ehemänner auf die Probe gestellt wird. ElisabEth Joris

Eindrücklich bei diesen bildern ist der blick hinter die Kulisse. Man sieht nicht Posen, sondern die Vorbereitung auf den auftritt. Das macht es legitim, die Nacktheit zu zeigen. Wir befinden uns in einer arbeitssituation. Die Frauen sind mit ihrem Gesicht beschäftigt, mit den augen, dem Mund, der haartracht – sie inszenieren sich für das Publikum eines Nachtclubs. Die Zigarette ist auch typisch für die fünfziger Jahre, american blend. Frauen beginnen zu rauchen, aber in der Öffentlichkeit zu rauchen ist noch verpönt.

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43 Belichtete Schweiz

Das ist Erotik – und Nichterotik. Der Büstenhalter ist auch für damalige Verhält­ nisse ein bisschen «handgestrickt». Es fehlt der moderne Stoff, das ältliche Modell geht zurück auf die dreissiger Jahre. Aber die modernen Strümpfe sind da. Und die Kette. Eine Perlenkette mit dem Dessous. Das Bild ist – auf den ersten Blick – ab­ solut unerotisch, weil die Situation un­ erotisch ist. Trotzdem ist es höchst erotisch aufgeladen – wegen des Blicks auf das Nichtöffentliche, beinahe Intime.

Wie nackt die Frau auftreten wird, ist nicht ganz klar. Vielleicht kriegt sie noch ein Top, das wäre für die Zeit wahr­ scheinlich angemessen. Trotzdem ist das Bild typisch für die Zeit. Die Breiten­ wirkung der «Folies Bergère» in Paris reicht bis ins «Terrasse» in Zürich. Solche Lokale besucht auch der Kleinbürger (nicht der Proletarier). Sie sind eine Männerwelt, ein Gegenstück zur biede­ ren Welt der Hausfrauen. Diese Szene spiegelt nichts Schweizerisches, sondern das Urbane. Sie bestätigt die Vorurteile gegenüber der Stadt als Hort des Bösen, als Ort sündiger Verführung.

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44 Belichtete Schweiz

Die gepflegte Hausfrau und Gattin, wenn sie in den Ausgang geht oder am Sonntag zur Messe, verfügt über die modernen Accessoires, die zur Erotisierung beitragen. Das Private, das Verborgene, das Verbotene ist auch in der Öffentlichkeit spürbar in der Art, wie die Frau auftritt. Folio 9 / 2012


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In den frühen sechziger Jahren spüren wir dann den Wandel: Man darf die Bühne zeigen. Man fotografiert und zeigt unverhohlen die Lust an der Inszenierung – die Fotografen ebenso wie die Tänzerin. Gleichzeitig ist in diesem Bild ein ganz wichtiges Thema spürbar: die Angst der Hausfrauen vor einem Seitensprung des Mannes. Das ist ein Dauerbrenner in den Leserbriefen etwa in der «Annabelle». Da ist der Nachtclub natürlich eine Gefahrenzone, aber die noch grössere Bedrohung lauert im Büro, mit der Erotisierung der Rolle der Sekretärin: jung, schön, gepflegt und immer dienstbereit. Diese erotische Aufladung weckt Imaginationen, beim Mann und bei der Frau – bei der Frau wahrscheinlich mehr Ängste.

Wer wohnt da? Die beliebte Rubrik aus dem «NZZ Folio» jetzt als Buch. Seit Jahren besucht Gudrun Sachse für die «NZZ Folio»-Rubrik «Wer wohnt da?» Schweizer Wohn- und Lebenswelten. Mit dabei ist der Fotograf Heinz Unger. Namhafte Psychologen und Innenarchitekten analysieren anschliessend die Aufnahmen der Wohnräume: Was hält die Analytikerin von einem Porsche neben der Hausbar? Wie ordnet ein Innenarchitekt Campingstühle am Esstisch ein? Die Experten graben sich, Archäologen gleich, durch Wohnungsdetails in der Hoffnung, in diesem Fundus die Geheimnisse der Bewohner zu ergründen. Mit Expertenmeinungen von Berthold Rotschild, Ingrid Feigl, Jasmin Grego, Stefan Zwicky und Jörg Boner. <wm>10CAsNsjY0MDAx1TU0N7M0MgQAgb7kDQ8AAAA=</wm>

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Wer wohnt da? DIVERSE FotogRaFEn Wie die gesellschaf t der 1950er Jahre ist auch die Schweizer Fotografie jener Zeit voller Widersprüche. Zwar lockert sich die Haltung gegenüber Erotik und Sexualität, doch ihre öffentliche Darstellung ist auf bestimmte Situationen beschränkt. Fotografen wie Martin glaus, armin Haab, gotthard Schuh, Paul Senn und Christian Staub nutzten die Sphäre der garderobe, um das geheimnis weiblicher Ver führung, das Spiel von Verhüllung und Enthüllung zu beobachten und zu erhaschen – stellvertretend für viele brave Familienväter, denen der Besuch solcher Etablissements nur in der Phantasie erlaubt war. In den Bildern der bekannten Fotografen spiegelt sich die neue Freiheit – und ihre grenzen. Sie sind das gegenstück zum of fiziellen Ideal der per fekten Hausfrau und Mutter, die sich für die Familie aufopfert und ihren Mann umsorgt.

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Herausgegeben von Gudrun Sachse. Mit Fotografien von Heinz Unger, 176 Seiten und 120 farbige Abbildungen. Fr. 48.– (Versand kostenlos).

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46 Belichtete Schweiz

Im Verschonten Land Die Schweiz geriet gegen Ende des Zweiten Weltkriegs zunehmend unter Druck. Um das Image aufzupolieren, gab es nichts Geeigneteres als Bilder von Kindern, die mit offenen Armen empfangen werden. Jakob Tanner

Die Schweiz verstand sich als Durchgangsland, als eine Transitzone. Schutzsuchende Menschen sollten nur auf Zeit bleiben dürfen. Dafür waren diese «Drei­ monatskinder» geradezu ideal. Sie verkörpern das geltende flüchtlingspolitische Paradigma. Die Schweiz inszeniert sich so als schützende Insel. In den Gesich­ tern der kinder spiegelt sich das nationale Selbstbild eines unschuldigen Landes, das auch nichts dafür kann, dass es zu diesem krieg gekommen ist.

ab Sommer 1940 spielten Flüchtlingskinder aus Frankreich und belgien in den Schweizer Medien eine wichtige rolle. Mit der medialen repräsentation der «fremden kleinen Gäste» wollte das Land seine humanitäre Traditon unter be­ weis stellen. Im Mai 1941 ordnete das eJPD den ausschluss von «Judenkindern» aus den Flüchtlingskonvois an. als Deutschland im november 1941 den im ausland lebenden Juden die Staatsbürgerschaft aberkannte, wurden diese kin­ der staatenlos und passten noch weniger ins Transitland­ konzept der Schweiz. Staatspolitisch rechtfertigte das eine harte Haltung, die dem nationalsozialismus zuarbeitete. Folio 9 / 2012


47 Belichtete Schweiz

Unter dem Titel «Rotkreuzkinder» sehen wir den jüngsten Knaben, der aus dem Konzentrationslager Buchenwald befreit wurde. Dieses verstört in die Kamera blickende Kind trägt alle Insignien der Unmenschlichkeit: die KZNummer, das Schild «Buchenwald». Das Bild vermittelt die Botschaft: Jetzt ist das Schreckensregime zu Ende, und die Schweiz hilft in der Stunde der Not.

Diese Kinder hatten auch vergangenheitspolitisch eine Funktion. Wenn man sich an den Zweiten Weltkrieg erinnert, fallen einem immer diese Gesichter ein, die für die gute Schweiz stehen. Man könnte sagen: Das Syndrom der Vergangenheitsverdrängung läuft auch über diese KinderbilderRepräsentation in der Schweiz.

Diese Bilder gewinnen ihre Bedeutung aus dem Kontext: Bei Kriegsende sah sich die Schweiz international isoliert. Die riesige Diskrepanz zwischen dem kriegsverschonten Land und dem kriegszerstörten Europa war ein wichtiges Thema der Medienberichterstattung. Die humanitäre Aussenkommunikation wurde verstärkt; ab Sommer 1944 öffnete die Schweiz die Grenze für gefährdete Zivilflüchtlinge. Folio 9 / 2012

Diverse FotograFen Die Flüchtlingspolitik zur Zeit des Zweiten Weltkriegs gehört zu den dunklen Kapiteln der schweizer geschichte. Fotografien dazu gibt es kaum, ganz im gegensatz zu den unzähligen von Flüchtlingskindern: Die «rotkreuzkinder» finden sich in den reportagen fast aller wichtigen Fotografen der Zeit. ernst Brunner, theo Frey, Hans-Peter Klauser, gotthard schuh, Paul senn, Hans staub: Die aufnahmen von abgemagerten ankömmlingen gleichen sich. Und das Bedürfnis, mit berührenden Bildern eine humanitäre Haltung zu demonstrieren, ist nicht zu übersehen. vor allem gegen Kriegsende, als die Kritik an der restriktiven Flüchtlingspolitik immer lauter wurde, brauchte man eine art gegendarstellung – Fotografien, die dazu beitrugen, das angeschlagene image zu korrigieren, das schlechte gewissen zu beruhigen.


48 Belichtete Schweiz

kandidaten Auf den Bildern von Nicolas Savary und Tilo Steireif stehen die Politiker ziemlich verloren in der Landschaft. Sie wollen sich vorteilhaft präsentieren, die Gewinnerin aber ist immer die Natur. Klaus Merz

Wenn ich auf dieses ensemble der «Kam­ pagne», der «campagne», schaue, zeigt sich mir ein ziemliches elend. Das elend der Verlorenen am strassenrand, die ja eigent­ lich ins zentrum, sogar ins zentrum der Macht tendieren. Ich sehe nichts Neues oder gar zeitentsprechendes, sondern lediglich eine relative enge. Man benutzt jede ecke und jede rückwand, um noch ein Plakat hinkleben zu können. und man sieht viel Grün. ein Wort, das mir in den Kopf schoss dabei, war «Grasnarben». Ich habe mir deshalb ein paar «Grasnarben» notiert: zwischen den Wahlplakaten spriesst Gras, es hört die auf­ getakelten leise seufzen: Guter rat ist so teuer!

In der Nähe eines Wegkreuzes, vor allem, wenn nur ein einzelnes Bildchen dasteht, gelüstet es einen fast, da und dort ein Kerzlein anzuzünden. zugespitzt in vier zeilen: zuweilen scheint es ja als gedächte man lauter Verunglückter am Fahrbahn­ rand, vierfarbig. Folio 9 / 2012


49 Belichtete Schweiz

Und alle sind mit unbeirrbarem Lächeln unterwegs, aber im Grunde ist der grosse Lachende – und das stimmt mich zuversichtlich – die Natur, in der die Bilder herumstehen. Oder in einem Fünfzeiler gesagt: Der eine Kandidat die andere Kandidatin sie sind schon dem Wind anheimgefallen – also auf der sicheren Seite. Was mir sehr sympathisch ist: Es wird nicht einfach nur eine Partei aufs Korn genommen, es stehen alle ähnlich verlassen und daneben in der Landschaft. Das ist nicht nur politisch, sondern es ist auch menschlich korrekt. Man merkt den Bildern an: Da sagt jemand, ja, ich stelle mich für eine Kandidatur zur Verfügung, und wenn er selber durchs Land fährt, erschrickt er wahrscheinlich vor seinem Konterfei und kann sich nur trösten damit, dass es andern wohl auch so ergeht.

Nicol as savary / Tilo sTeireif Die arbeit «Kampagne» von Nicolas savar y und Tilo steireif entstand im Jahr 2007 während des Wahlkampfes der eidgenössischen Parlamentarier. savar y und steireif interessier ten sich für den Umgang mit Bildern im öffentlichen raum, aber auch für die rituale, die aus einer Privatperson eine öffentliche figur machen. Diese folgen ungeschriebenen Gesetzen und einer Ästhetik, die sich erst offenbar t, wenn man das Zusammenspiel von politischer Botschaft, visuellen strategien und realer landschaft gegen den strich zu lesen versteht.

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die halbstarken Karlheinz Weinberger fotografierte in den 1950er Jahren den Schrecken des Bürgertums. Dass die Jugendlichen ihm Zugang zu ihrer Welt gewährten, lag daran, dass auch er zu den Aussenseitern gehörte. Dieter Meier

Anfang der 1950er Jahre ging ich als kleiner Junge mit meinen eltern jeweils ans Knabenschiessen. Das war die Kathedrale der Auftritte dieser Leute. elvis Presley lief auf allen schnellen Karussells, als Hymne der Halbstarken. Man hat die Kinder erschreckt weggezogen von diesen erscheinungsformen einer rebellion, die vor allem in der Kleidung zum Ausdruck kam.

Das ist, bis in die Details der Frisur, der Ornamente auf den Stoffen, des Schmollmunds, der Schminke um die Augen – Amy Winehouse, eins zu eins.

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51 Belichtete Schweiz

Diese Kleidung war nicht primär als Protest gedacht, sie war für die Jungen sozusagen ein getragenes Gedicht, eine Form des Man-selbstSeins in den Klamotten. Dass sie damit Anstoss erregten, war ein Nebeneffekt, der sie zusammengeschweisst und ein Gruppenbewusstsein geschaffen hat. Sie wollten nicht in den Uniformen des Kleinbürgertums durch diese Welt gehen. Sie haben in Kauf genommen, ausgestossen zu sein und anzuecken – sie waren die Outcasts Seldwylas.

Das ist ein wunderbares Beispiel für die Individualisierung einer Uniform: Wahrscheinlich weil er die einschlägigen Ringe, die es in amerikanischen Läden gab, nicht gefunden hat, hat er sich mit diesen Bierbügeln dekoriert. Übrigens trägt er, wie ich selbst auch, dieses Tüchlein, das ja sozusagen zu meinem Spleen geworden ist. Der Junge könnte in jedem Magazin von heute als stilbildend gezeigt werden. Folio 9 / 2012


52 Belichtete Schweiz

Das Empfinden des Körpers in dieser Hülle war ein erotisches Erlebnis. Darum empfand man es als stossend, wenn jemand so enge Hosen trug, dass sich die Private Parts abzeichneten oder die wunderbaren Ärsche. Die Helden jener Zeit waren James Dean, Marlon Brando und Elvis Presley. Die Jungen wurden wahrgenommen als Kinder von Eltern, die ihre Kinder nicht erziehen konnten. Das ist eigentlich der Hauptpunkt. Es waren ja keine Oberschichtskinder, die sich den Luxus einer Exzentrizität leisteten, es waren Arbeiterund Angestelltenkinder. Ich glaube, sie wurden wahrgenommen als etwas, was einem hoffentlich erspart bleibt: Um Gottes willen, wenn nur mir das nie passiert, dass ich so ein Kind habe.

k arlheinz weinberger 1958 fotografierte karlheinz weinberger zum ersten Mal einen halbstarken in zürich. es war der auftakt zu einer langzeitstudie über junge Menschen, die gegen ein bürgerliches leben rebellierten und sich mit ihrer kleidung einen Code von zeichen und Symbolen schufen. weinberger war selbst ein aussenseiter, er arbeitete als lagerist und publizier te als amateur fotograf in der Schwulenzeitschrif t «Der kreis». gerade deshalb fand er wohl den zugang zu den gangs der halbstarken, wie sie in den 1950er Jahren genannt wurden. er durfte an ihren ausflügen teilnehmen, und es gefiel ihnen, sich in seiner wohnung fotografieren zu lassen. Über die Jahre entstand eine aussergewöhnliche Dokumentation, eine innensicht auf eine soziale gruppe, die von den zeitgenossen gern verteufelt wurde.

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JEDER TROPFEN EIN ORIgINal.

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enjoy responsibly

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54 Belichtete Schweiz

Die verkauften Berge Wo einst Ruhe und Abgeschiedenheit war, feiert heute die Spassgesellschaft. Die Bilder von Jules Spinatsch sind die Antwort auf eine nüchterne Frage: Was haben wir hier, und was machen wir damit? Katja Gentinetta

in diesen Bergen ist in der Regel so viel los, dass man gar nicht mehr weiss, wo man sich befindet. Die augen blenden die natur aus. es wäre ein irrtum zu glauben, die Spassgesellschaft begebe sich in die Berge, um Berge zu sehen. nein: Sie will das erleben, was man aus diesen Bergen machen kann: Freizeit und Wettkampf. Das sind die Objekte einer Spassgesellschaft. einer Gesellschaft, die zappt und die keinen Moment lang eine unberührte Landschaft sehen kann, die einfach schön wäre, so wie sie ist. Das auge wird Zentimeter um Zentimeter abgelenkt. Diese Dokumentation irritiert, sie erschreckt gar, und man fragt sich: Was machen die mit dieser Landschaft? Offenbar aber hat diese ablenkung ihre Funktion.

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55 Belichtete Schweiz

Wir gehen in die Berge, und es ist wie überall sonst. Nicht mehr Ruhe und Abgeschiedenheit, sondern zivilisierte Berge mit allem, was unseren Alltag durchdringt. Die Bilder sind ambivalent. Sie zeigen alles in seiner totalen und gnadenlosen Hässlichkeit – ich würde nie in diese Berge wollen. Umgekehrt aber hält der Fotograf fest, was wir aus den Bergen machen. Auch das ist eine Realität. Die Menschen müssen sich die Berge auf diese Weise nutzbar machen: für den Tourismus, den Wettkampf, das Fernsehen. Sonst hätten sie dort keine Lebensgrundlage.

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56 Belichtete Schweiz

Diese Bilder dokumentieren die ganz nüchterne Entscheidung der Leute: Was haben wir hier, und was machen wir da­ mit? Von dem, was man im 18.Jahrhundert als Entdeckung der Alpen gefeiert hat, ist hier nichts mehr zu sehen. Aber auch jene Entdeckung war bereits gespalten. Einer­ seits feierte man die Schönheit, die Ästhe­ tik dieser mythischen Landschaft und ihre autochthonen Gesellschaften. Andererseits unterstrich man schon damals das Vor­ haben, in die Alpen vorzudringen, sie zu erobern und zu nutzen. Hier ist dasselbe Phänomen auf zeitgemässe Weise wieder­ gegeben.

Jules spinatsch «snow M a nag e me nt. We r tsc höpf ung a m schiefen acker» – so nennt der Künstler und Fotograf Jules spinatsch seine z wischen 2001 und 2007 entstandene Fotoserie. neben grossformatigen, gespenstisch wirkenden szenen von nächtlichen pistenpräparationen umfasst die arbeit ein inventar der infrastrukturen und Dekorationen, die für die fernsehgerechte Bewirtschaftung der landschaft rund um skiwettbewerbe benötigt werden. schnee, einst inbegriff der unberührten und unschuldigen natur, erscheint darin als Rohstoff, der zu kontrollieren und zu bearbeiten ist. Mit seinen aufnahmen knüpft spinatsch an die tradition künstlerischer auseinandersetzung mit den Bergen an. Dem pathos der historischen Bergdarstellungen, die noch immer unsere phantasie beflügeln, setzt er zeitgemässe, ernüchternde Bilder entgegen: Der ausverkauf der alpen scheint keine Grenzen zu kennen.

Die Natur als restlos überklebte Werbe­ fläche: In diesen Fotografien steckt die Aufforderung, sich selber Grenzen zu setzen. Diese Landschaft fotografisch festzuhalten heisst, ihre Verunstaltung zu dokumentie­ ren. Jeder ethnographische Blick – und das hier ist ein solcher – beinhaltet ja die Kritik an dem, was er betrachtet.

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58 Belichtete Schweiz

wie sehen schweizer aus? Der Solothurner Georg Vogt hatte keinen einfachen Auftrag: Für die neue Identitätskarte musste er im Sommer 1940 die Bewohner dreier Dörfer fotografieren. Auch jene, die das gar nicht wollten. VALENTIN GROEBNER

Die Leute aus dem Bezirk Thal wurden fotografiert, weil sie fotografiert werden mussten. Erlass des Kantons Solothurn: Jeder braucht eine Fotografie neueren Datums für die Identitätskarte. Und sie alle kannten den Fotografen, den Mann aus dem Dorf mit der Kleinbildkamera.

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59 Belichtete Schweiz

Auf manchen Bildern gibt es Hinweise auf Alltagsarmut und Entbehrungen – wenn man wollte, könnte man mit diesen Fotos ein ziemlich düsteres Bild der Schweiz von 1940 entwerfen. Diese alte Frau zum Beispiel sieht fast aus wie aus einem Bild von Edvard Munch oder wie eine Allegorie des Todes.

Für die allermeisten Leute war es eine Zu­ mutung, fotografiert zu werden. «Sie sahen gar nicht ein, warum sie das machen sollten», hat der Fotograf fünfzig Jahre später zu Protokoll gegeben. Das galt vor allem für die Älteren. Andere machten ein Spiel daraus, eine ver­ gnügte Pose.

Bei diesem Knecht hat man den Ein­ druck, dass er sich schämt. Er schämt sich, weil er fotografiert wird und weil er zu den ärmsten Leuten im Dorf gehört. Auf den Fotos wird heute wahrschein­ lich mehr und anderes sichtbar als da­ mals, als sie gemacht wurden. Die Leute liessen sich ja schliesslich nicht freiwillig fotografieren. Und der Fotograf hat zwar gern und enthusiastisch Bilder gemacht, aber nicht nur von denen, die er sich aussuchen konnte, sondern von allen.

Aus einem Grund, der mir selber nicht ganz klar ist, fin­ de ich den Metzger und Gastwirt mit der eisernen Hand besonders berührend. Er schaut zwar nicht besonders freundlich drein, aber ein Ungeheuer ist er auch nicht. Mir scheint, dass wir als Betrachter uns zu einem Bild immer eine Geschichte erfinden, fast automatisch. Wir schieben jedem Bild gleich unsere eigene Erzählung hinterher. Folio 9 / 2012


60 Belichtete Schweiz

Es gibt einen besonderen Effekt bei diesen Portraits: diesen besonderen, freimütigen Blick, mit dem einen plötzlich eine fremde Person anzuschauen scheint, aus der Distanz von 60, 70 Jahren. Und einen damit ein bisschen verhext. Dieser Blick verhext oder verzaubert, weil er zu sagen scheint: Mach etwas mit mir. Das heisst, dass die Bilder zurückschauen. Dass dieses Phänomen festgehalten wird in einem technischen Vorgang für die Herstellung von so etwas Langweiligem wie den Passbildern für Personalausweise, das ist schon unglaublich.

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61 Belichtete Schweiz

Dieser verhexende Blick hat natürlich nicht mir gegolten. Sondern dem Fotografen oder anderen Leuten, Freunden, Bekannten, die schräg hinter ihm standen und zuschauten. Der psychische Mechanismus – ich werde angeschaut – drängt aber trotzdem durch, durch all die Assemblagen und technischen Vervielfältigungen, bis hierher, in die eigene Gegenwart.

Die Frage ist natürlich: Wie schweizerisch sehen Schweizer eigentlich aus? Und die Antwort ist ganz einfach: Schweizer sehen auch nicht schweizerischer aus als andere Leute.

GeorG VoGt Im Sommer 1940 verordnete der regierungsrat des Kantons Solothurn, dass jede Person einen Identitätsausweis mit Foto besitzen müsse – damals noch keine Selbstverständlichkeit. Auf diese Weise bereitete man sich auf den drohenden einmarsch der Deutschen vor. Im Bezirk thal wurde der Maschinenschlosser und Amateurfotograf Georg Vogt beauftragt, die Bevölkerung mit Passfotos zu versorgen. Von diesem Auftrag sind 19 Filme mit rund 700 Por traits von 450 Personen erhalten geblieben. Vogt hatte sie nach dem Krieg im estrich seines Hauses verstaut und vergessen. 50 Jahre später wurden sie von seinem Sohn wiederentdeckt. Zwar ging es dem Fotografen und seinen Kunden nur um die Köpfe, trotzdem nahm er meist die ganzen Menschen in ihrer Umgebung auf. So entstanden einzigar tige Bildserien, die neben dem dokumentarischen auch einen hohen ästhetischen reiz haben.

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62 Belichtete Schweiz

Generation H & M Ihre Kleidungsstücke sind uniformiert und globalisiert. Und doch strahlen die Modeverkäuferinnen und Modeverkäufer auf den Fotografien von Barbara Davatz Individualität aus. Woran liegt das? robert Hunger-büHler

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63 Belichtete Schweiz

Ich rate mal: Die links ist vielleicht eine Deutsche. – Falsch, geboren im Kanton Schwyz, schreibt die Fotografin, sie kommt aus der Schweiz. Die erste oben ist vielleicht aus Mazedonien. – Nein, sie ist aus Scherzingen, Schweiz. Die nächste kommt aus Brasilien. – Falsch, das ist Fränzi aus Zürich. Ich würde sagen, die kommt aus Kolumbien. – Nein, das ist Tamara aus Hanover, aber Jamaica. Das ist Chitti, die kommt aus Malaysia. – Falsch, sie ist aus Dürrenäsch, Schweiz. Die letzte ist aus Ungarn. – Oh, die kommt aus Kosovo. Diese Serie hätte vor dreissig, vierzig Jahren nicht gemacht werden können, weil die Fotografin nicht diesen Fundus vorgefunden hätte mit dieser Vielzahl von Nationalitäten im Land.

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64 Belichtete Schweiz

Es ist da etwas Verborgenes. Wenn ich dahinterschaue, sehe ich einen fast durchgehenden Charme, der aus diesen Gesichtern leuchtet. Es gibt ein schönes Zitat von Kafka: «Wie könne man von einem Bild so sehr die unumstössliche Überzeugung eines verborgenen Gefühls des Abgebildeten erhalten.» Das ist hier absolut gegeben. Ich kann bei einigen ein bisschen in die Seele blicken.

Was fehlt, wohltuend fehlt, ist jegliche Form von Extravaganz. Der fotografische Blick ist kein zynischer, und es ist auch kein Blick, der sich über die Figuren stellen und mit ihnen etwas machen will, etwas anderes, das er ihnen gar nicht verrät. Folio 9 / 2012


65 Belichtete Schweiz

Das Tolle an diesen Bildern ist, dass es überhaupt nicht um eine Art klassischer Schönheit geht. Sie haben trotzdem eine ungeheure Sinnlichkeit, weil sie so dastehen. Ich kann es nicht anders sagen. Die schauen dich richtig an. Vor allem die Frauen haben etwas entfernt Monalisisches. Das kann man nicht spielen. Das leuchtet nach, es hat eine Nachwirkung. Und es hat auch etwas von: Du musst nicht, aber bitte erkenne mich. Jede Figur sagt: Du musst nicht unbedingt, aber bitte – so bin ich.

barbara davatz Für die Portraitserie «beauty lies within» hat barbara davatz 2007 81 verkäuferinnen und verkäufer aus Schweizer Filialen der Modekette H & M vor die Kamera gebeten. alle wurden gleich fotografiert: frontale Sicht, ausschnitt ab Kniehöhe, neutrales Licht, weisser Hintergrund. dadurch treten die persönlichen Unterschiede noch deutlicher her vor. So bildet das Individuelle den Gegensatz zum thema der Globalisierung, das sich in der Herkunft der Porträtierten spiegelt. Mit ihren natürlichen auftritten überstrahlen sie auch die tatsache, dass ihre Kleidungsstücke uniformier t sind und überall auf der Welt verkauft werden.

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66 Belichtete Schweiz

ein polizistenleben Die Fotoalben von Walter Roth zeigen ein Familienleben in den 1930er Jahren und eine berufliche und milit채rische Laufbahn. In der Spannung zwischen individueller und gesellschaftlicher Entwicklung entfalten sie ihren Reiz. Melinda nadj abonji

die 1930er jahre sind eine Zeit, in der die Familie in die Gesellschaft eingebettet ist. ich lese aus diesen bildern eine starke Verstrickung: die Familienbilder bedeuten auch einen gesellschaftlichen Werdegang. F체r diesen Polizisten ist es wichtig, dass er sich als Teil der Gesellschaft begreift, dass er sich mit ihr identifiziert.

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67 Belichtete Schweiz

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Über die dokumentierten sechs Jahre hinweg ist für ihn die Essenz, dass er seine berufliche und militärische Laufbahn festhalten will. Oft fotografiert er Offiziere, da kommt seine Hörigkeit Autoritäten gegenüber zum Ausdruck. In den Bildern mit seiner Nichte hingegen zeigt sich eine gewisse Zärtlichkeit. Die Nichte kommt oft vor, sie wird älter, grösser. Und das ist genau dieser Spannungsbogen zwischen Individuum und Gesellschaft. Wo es individuell wird, da berührt es mich auch.

So dünn.

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68 Belichtete Schweiz

Die Bilder sind in der Vorkriegszeit auf­ genommen worden, zwischen 1929 und 1934. Dass die Militarisierung einen gros­ sen Raum einnimmt, ist für mich auch ein Beweis dafür, dass sich die Gesellschaft irgendwie auf einen Krieg vorbereitet, ohne dass sie das eigentlich weiss. Es gibt Indizien, aus denen sich die politische Gesinnung dieses Polizisten herauslesen lässt. Einmal hat er ein Hakenkreuz aus­ geschnitten und eingeklebt. Da erschrickt man natürlich beim Blättern.

Dieser Mensch, der sicher viel arbeitete und einen sehr strengen Alltag hatte, setzt sich hin, macht ein Fotoalbum, schnipselt die Kom­ mentare mühsam einzeln heraus, die sind ja manchmal sehr klein – das ist unglaublich aufwendig. Es war ihm ein Anliegen, das zu tun, und es hat ihn viel Zeit gekostet.

Dieser krampfhafte Versuch, Zeit anzu­ halten, was absurd ist, weil sie fliesst, so oder so. Ich glaube, das ist ein sehr grosses Thema: dieses Festhaltenwollen in jedem Moment, um Zeit irgendwie zu stoppen. Um zu sagen: Das ist mein Leben. Folio 9 / 2012


69 Belichtete Schweiz

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Und so genussvoll. walter roth Sieben sorgfältig gestaltete und numerier te alben, Format 25 × 33 cm, mit einem einband aus bunt bedrucktem Papier: ein lange gehüteter Familienschatz voller erinnerungen. wer genauer hinschaut, erkennt in den eingeklebten Fotografien die Stationen einer Biographie, alltägliche und bedeutungsvolle Momente aus der Schweiz der 1930er Jahre. Über den Fotografen selbst ist wenig bekannt: walter roth lebte von 1909 bis 1995 in luzern, machte eine lehre als Sattler-tapezierer und fand später eine Stelle bei der Verkehrspolizei. er brachte es zum wachtmeister und zum Bezirkschef, engagier te sich im Polizei-Motorspor t-Club, war Briefmarkensammler und liebte Motorradtouren. Sein Stolz war ein Fiat Balilla, mit dem er am Sonntag die Familie ausführte – am liebsten über alpenpässe.

www.lindt.com Folio 9 / 2012


70 Belichtete Schweiz

Go west! Nicht in den Weiten des Wilden Westens der USA, sondern im Wallis hat Yann Gross Menschen gefunden, die dem Traum der Freiheit in Ritualen Ausdruck geben, mit denen sie den Alltag ausser Kraft setzen. berthold rothschild

eine solche zivilisatorische brache ruft nach landnahme. Und jetzt kommen da besetzer, die in einer tradition des besetzens stehen, nämlich der «Frontier» in den UsA. die wollen das hier nochmals inszenieren, diesen Frontiergeist – dass man in ein Nichts geht, sozusagen, und es urbar macht für die eigenen Zwecke und mit einer bestimmten ideologie, die sich in diesen Fotos ausdrückt.

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71 Belichtete Schweiz

Der Fotograf zeigt uns den Clash of Civilizations: Tanklager und Rothis Western Restaurant. Die Freiheit ist die des Mannes, die Frau ist eine Begleitattrappe. Sie gilt nicht etwa als diskriminiert, sie ist Teil des Programms, aber untergeordnet der Ideologie des Mannes, der in der freien Natur seine Freiheit verteidigt. So wie wir das im «Wilhelm Tell» über die Eidgenossen lesen.

Wenn man dem Mann einen Alltagsanzug anzieht, könnte er auch ein Bankvizedirektor oder ein Arzt oder ein Gymilehrer sein. Wie bei uns an der Fasnacht nehmen sich diese Leute periodisch die Freiheit, in diesem Falle nicht die Sau rauszulassen, sondern die Echtheit, nach der sie sich sehnen. So kultivieren sie ihr Alter Ego mit den Mitteln der Einmaligkeit dessen, was sie machen. Zusätzlich wird dies betont mit der Ornamentierung des eigenen Körpers. Folio 9 / 2012


72 Belichtete Schweiz

Hier müssen sich die Menschen nicht hässlich fühlen. Das ist eine organisierte Maskerade, die allen gleiche Startbedingungen gibt. Das ist nicht der Catwalk der Schönen und Edlen, sondern das ist das Leben aus seiner rauhen Quelle, die eine alternative Demokratie herstellt – auch zwischen Männern und Frauen, auch wenn die Rollen in einer bestimmten Art verteilt sind.

Ich glaube, das sind in die Neuzeit transferierte Pferde und Büffel. Die werden aber so verändert, dass sie unverwechselbar sind. Das ist nicht einfach ein TöffFreak, da mussten auch Symbole her; auch auf dem Motorrad gibt es so etwas wie Tätowierungen. Eigentlich parkieren hier unten die Autos, aber vom Bild her müsste man dort die Pferde aufzäumen. Es ist genau so, wie wenn statt der Autos die Pferde herbeikommen könnten.

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73 Belichtete Schweiz

Ein Alter Ego, ein zweites Selbst, bereichert mich. Dr. Jekyll und Mr. Hyde sind zwei Facetten einer Existenz, die bei Bedarf wechseln kann und die sich in der einen wie in der anderen Rolle relativ wohl fühlt, auch wenn sie völlig auseinanderdriften. Dieser Typ hier ist wunderbar, dieser Buffalo Bill, wie aus einem Comic Strip. Wie er mit Freude und mit Schlitzaugen und Bierbauch ganz natürlich dem Treiben zuschaut und wirklich das Gefühl hat, er sei jetzt in einem Saloon im Jahre 1870.

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yann gross Unerwartete Exotik eines schweizer alpentals: Im Wallis hat yann gross eine gemeinschaft von Menschen angetroffen, die sich nicht mit den folkloristischen Klischees ihrer Heimat identifizieren mögen. Vielmehr bedienen sie sich aller möglichen Versatzstücke aus Kinound Fernsehfilmen, um daraus eine eigene Wirklichkeit zu basteln. Wilder Westen und «american Dream» vermischen sich zu einer Kunstwelt, weit entfernt von den sorgen des alltags, aber auch weit entfernt von der historischen realität. stiefel, Jeans, Tattoos und Motorradaccessoires sind nicht nur Dekoration und Verkleidung. Es sind symbole, die Verbundenheit signalisieren – ebenso wie die befremdlich wirkenden spiele und rituale. sie dienen dazu, die «normale» Wirklichkeit ausser Kraft zu setzen.


74 Belichtete Schweiz

der ferdinand Die junge Gertrud Dübi-Müller war keine ausgebildete Fotografin, sondern gelegentlich Ferdinand Hodlers Modell und eine geliebte Freundin. Dank ihrer Nähe zum Maler gelangen ihr private Bilder von grosser Unmittelbarkeit. Endo AnAcondA

das hat etwas Becketthaftes. Er hat ja diese Melone bevorzugt. Er hat ja auch ein Gesicht für einen Hutträger. Er hat einen guten Hutkopf.

Hodler als Trommler: das ist ja wie an einem Polterabend. da ist er richtig übermütig. Irgendwie hat das etwas Heroisches, aber auch etwas dadaistisches – immer wenn man ihn mit Musikinstrumenten sieht. Er trommelt gegen das Alter. Er trommelt gegen den Tod. Folio 9 / 2012


75 Belichtete Schweiz

Er malt auch gegen den Tod mit seinen jugendlichen Modellen. Ich stelle mir vor, dass er sehr galant war, wenn er mit den Frauen war, und er wusste sicher auch um seine Wirkung. Er war auch ein glücklicher Mensch. Ich glaube, er hat seine Arbeit geliebt, und er hat seine Frauen geliebt, über alles. Er war ein starker Charakter, ein Mensch, der das Leben liebte.

Diese Gartenbilder … dieser unheimliche Dschungel, der ihn beunruhigt haben muss – es gibt ja diese Bilder bei der Gartenarbeit, da hat er etwas sehr Gequältes. Vielleicht hatte er auch einen Gärtner, der ab und zu wenigstens den Sitzplatz freimachen konnte, damit ihm dann Fräulein Müller Modell sitzen konnte.

Letizia Raviola war eines seiner Modelle. Hier sieht man, dass etwas gelaufen ist. Die haben sich sehr gern gehabt. Folio 9 / 2012


76 Belichtete Schweiz

Sie schauen alle in eine andere Richtung: Hodler schaut schon in die Gruft, Berthe schaut in die Unendlichkeit, und die Kleine würde am liebsten dieses Hüpfspiel machen. Berthe ist nicht die Mama, nur so etwas Ähnliches, und er – wird sterben.

So kennt man ihn ja nicht. Wie ein kleiner Bub, voller Freude, dass er da hinunterstieben kann mit dem Schlitten. Folio 9 / 2012


77 Belichtete Schweiz

Sein Totenbild. Vielleicht war für ihn sein künstlerisches Leben nicht abgeschlossen, aber dieser Friede, den er ausstrahlt … Für den lieben Gott war es wahrscheinlich abgeschlossen, das musste er dann auch akzeptieren, der Ferdinand.

Er wusste das schon, das sieht man in den Bildern wie hier bei der letzten Kutschenfahrt: Bruder Hein fährt mit – trotz der Heiterkeit der Tochter und seiner Frau. Bruder Hein sitzt schon in der Kutsche, tja …

gertrud dÜbi-mÜLLer Ferdinand Hodler gehört zu den am meisten fotografierten Künstlern seiner Zeit. er mochte es, zu posieren und sich selbst zu inszenieren – am liebsten vor der Kamera von gertrud dübi-müller. die junge, attraktive Solothurnerin war ihm nicht nur modell, sondern auch eine geliebte Freundin. Von 1911 bis zu seinem tod 1918 fotografierte sie Hodler über hundert mal. es gelang ihr, den meister von seiner menschlichen Seite zu zeigen: bewegt von kindlichem Übermut, in seinen nachdenklichsten momenten oder gezeichnet vom nahen tod. die Aufnahmen der Autodidaktin zeichnen sich durch unmittelbarkeit und direktheit aus, aber auch durch ein sicheres gespür für ausdrucksstarke und bildwirksame momente.

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78 Belichtete Schweiz

unheile welt Sicherheitsleute bei Rettungsübungen, Landschaften, in denen Menschen merkwürdige Zeichen hinterlassen haben – der Genfer Nicolas Faure sucht das Gesicht der Gegenwart und beweist einen Blick für die Schönheit des Hässlichen. peter Stamm

Die menschen hier sind eigentlich Schauspieler, es geht ja um eine Übung. Der Fotograf zeigt menschen nicht im normalen arbeitsumfeld, sondern wie sie etwas inszenieren.

Fast alles, was wir sehen, sind ausnahme­ situationen, Dinge, die aus ihrem Zusam­ menhang gerissen sind. Diese seltsame Flugzeugpiste etwa, wo jetzt vermutlich Go­Kart gefahren wird. Hier werden Dinge gezeigt, die nicht mehr den Zweck haben, für den sie ursprünglich vor­ gesehen waren.

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79 Belichtete Schweiz

Die Schweiz hat ja etwas einerseits Per­ fektes – alles ist wunderbar gemacht –, aber anderseits auch etwas Dysfunktio­ nales. Man merkt oft: Es funktioniert nicht so ganz. Es ist zwar alles perfekt gebaut und zurechtgebogen – und trotz­ dem sind die Leute ein bisschen verloren in dieser perfekten Welt.

Hier werden Grenzen gezogen. Da sind Zäune, Kiesbette, das fällt schon auf. Die Natur ist ja vermutlich nirgendwo in Europa so wild wie in der Schweiz mit ihren Bergen – und auch den Natur­ katastrophen, die hier passieren. Daher kommt vielleicht dieses Bedürfnis, die Natur irgendwie zu beherrschen, Lawinenverbauungen zu machen, alles irgendwie abzusichern.

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80 Belichtete Schweiz

Der Fotograf versucht, auch dem Hässlichen eine Art von Schönheit zu geben. Hier sind Pflanzen vermutlich für den Winter eingepackt – etwas vom Trostlosesten, was man sich vorstellen kann, mit diesem Kugelgrill und dieser Zypresse. Und doch hat es auch eine Ästhetik. Das ist eine Aufgabe der heutigen Künstler: aus dieser Welt, die oft nicht schön ist, sich nicht in die Vergangenheit flüchten und so tun, als wären wir noch ein Bergbauernvolk, sondern ins Mittelland gehen und die Welt anschauen, wie sie ist, und darin auch eine Schönheit sehen oder wenigstens eine Bedeutung.

Diese Findlinge: als könne man sie zähmen, indem man sie auf eine Asphaltstrasse legt. Das ist eine sehr schweizerische Art, mit der Natur umzugehen. Wir sind vermutlich das Land, dem es am besten geht auf der ganzen Welt, und trotzdem ist immer dieses Gefühl von drohendem Unheil über uns. Und daher kommt auch dieser Absicherungswahn. Und man spürt auch oft ein Unwohlsein in diesem ganzen Reichtum.

nicolas faure seit den 1970er Jahren versucht der Genfer nicolas faure, schweizerische lebenswirklichkeit zu erforschen. er schaut dort hin, wo andere gern wegsehen, und er schär f t den Blick für das wahre Gesicht der Gegenwar t – ohne es zu beklagen oder zu idealisieren. nach thematischen studien, zum Beispiel über die findlinge vor unseren Häusern, interessiert sich faure neuerdings für landschaf ten, in denen Menschen kuriose spuren hinterlassen haben. seine grossformatigen Bilder erzählen von den Bemühungen, unberechenbares zu berechnen und ungeordnetes zu ordnen; sie vermitteln das Gefühl, dass heile Welt und unheil sehr nahe beieinanderliegen.

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Sicher.


82 Belichtete Schweiz

kleine möglichkeiten Als Heini Stucki in seinem Heimatort Ins fotografierte, war das Dorfleben auch dort schon beinahe verschwunden. Ein letztes Mal spielten die Menschen ihre Rolle, wie in einem Theaterstück um Mauser und Metzger. SuSanna Schwager

Die Fotografien sind vordergründig dokumentarisch, aber das ist natürlich ein Kunstgriff. Sie zeigen nicht die realität, der Fotograf schafft seine eigene realität. Dieses Bild hier finde ich phantastisch, weil der Metzger so hingebungsvoll wirkt. er schaut mit grosser Freude und Liebe auf sein werkstück und wetzt das Messer. und rundherum sind Blutspritzer. Folio 9 / 2012


83 Belichtete Schweiz

Alles ist immer in der Schwebe, aber die Möglichkeiten sind aufgezeigt. In vielen Bildern steckt dieses leicht Wahnsinnige, eine Möglichkeit, weiter zu gehen, als wir es meistens tun. Der kleine, «gwehrige» Kerl etwa, dem die Frau davonläuft. Der haut einem vielleicht wirklich eine runter. Das sieht man an der Faust, bilde ich mir ein, und trotzdem mag ich ihn. Wo man hinschaut: Geschichten.

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84 Belichtete Schweiz

Er tötet Mäuse, sammelt und verkauft sie, für zehn Rappen wahrscheinlich, vielleicht auch nur die Schwänze. Das ist ein uraltes, nicht sehr ehrenvolles Gewerbe. Vielleicht ist er ein ganz kluger, begabter Mensch, der mit den falschen Begabungen in die falsche Zeit und am falschen Ort geboren ist; dann wurde er Mauser. Da sind wir beim Thema des Potentials, das in diesen Menschen steckt. Sie konnten in dieser sehr engen Welt ganz sicher nicht all ihre Möglichkeiten erschliessen, so wie wir das heute selbstverständlich finden.

Sie hat nicht aufgegeben, aber sie hat ihre Pflicht erfüllt. Und vielleicht steht diese Frage in ihrem Gesicht: Hab ich etwas dafür bekommen? Hebammen waren wahnsinnig schlecht bezahlt und genossen kein hohes Ansehen in diesen Dörfern. Weil sie alles sahen, was man sehen kann und was sonst niemand sieht. Sie waren häufig Aussenseiterinnen. Dorf heisst ja Nähe, meint man oft. Aber räumliche Nähe kann innerlich grösste Distanz bewirken. Diese Menschen stehen oft sehr für sich, wie ein Baum.

Heini Stucki Die Schweiz, ein L and der Dör fer. Doch Wunschbild und Wirklichkeit klaf fen of t weit auseinander. um 1970 machte sich der Fotograf Heini Stucki auf, eine kleine Welt zu erkunden. Sein Heimatdor f ins, seit Alber t Anker inbegriff der ländlichen idylle, bot ihm den Stoff für eine comédie humaine: Hier gab es noch den Schmied und den Schuhmacher, den Metzger und den Wagner, den Feldmauser und die Hebamme. Aber die Veränderungen waren nicht mehr zu übersehen. Wie auf einer Bühne lässt der Fotograf seine Protagonisten auftreten und noch ein letztes Mal ihre Rolle spielen; Geister aus einer anderen Zeit, die in der modernen Welt keinen Platz mehr haben. Heini Stuckis «ins» ist ein stilles Requiem auf die real existierenden Dör fer – und nahrung für unsere Phantasie, die nicht aufhör t, das Dorf als einen mythischen Ort zu betrachten.

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Unterwegs zuhause.

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86 Belichtete Schweiz

SBB frontal Der Architekt Max Vogt hat das Erscheinungsbild der SBB geprägt – und seine Bauten waren immer auch ein Manifest gegen die Biederkeit. Der Fotograf Martin Stollenwerk hat sie aufgespürt und festgehalten. Martin Heller

Das Gesicht, das sich die SBB hier gegeben hatten, stand für eine neue Zeit. Vielleicht ähneln sich diese lösungen alle, weil sie das Staatstragende des Systems zum ausdruck bringen. Wie auch die Uniform der Kondukteure. Das architektonische Branding fügt sich dem übrigen Branding. natürlich kann man sich fragen: ist die Schweiz so diskret, so kompakt, so verharrend?

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87 Belichtete Schweiz

Oder ist die Schweiz manchmal auch so pathetisch, wie diese Stellwerkauf­ nahme vermuten lässt? Da hat man plötzlich das Gefühl, man sei in Las Vegas. Stollenwerks Stellwerkfotos sind wie kleine Träume. So möchte die Schweiz auch sein – aber die Schweiz, die wir kennen, hat mit dieser Auf­ nahme wenig zu tun.

In der komplexen Raumsituation mit diesem Bauteil stecken Spuren eines Versprechens. Es war der Wunsch einer ganzen Ge­ neration, die alte Schweiz los zu werden und Störstellen wie enge Ortsdurchfahrten zu bereinigen, Umfahrungen und Autobahnen zu bauen, das System endlich leistungsfähig zu machen. Es ging um Effizienzsteigerung, und darüber erzählen diese Bauten sehr viel. Gute Form, klare Funktion, selbstgewisser Auftritt, berechen­ barer Unterhalt. Alle diese Momente fügen sich zu einem Bild penibler Sauberkeit und dem Wunsch, dem Alten zu entfliehen.

martin stollenwerk Jeder kennt die Fixpunkte im sBB-schienennetz: schnörkellos-kantige Betonbauten, die als Bahnhöfe, stellwerke, remisen, Güterhallen und Unterstände dienen. Doch kaum jemand kennt max Vogt, den architekten. Zwischen 1957 und 1990 realisierte der ehemalige Chef der sektion Hochbau kreis iii, Zürich, 150 dieser Gebäude auf sBB-Boden. es entstand ein system von kühlen, asketischen Gebäuden, die bis heute das Gesicht der schweiz prägen. wie kompromisslos der architek t sein gestalterisches Credo umsetzen konnte, macht der 2005/06 entstandene Überblick des Fotografen martin stollenwerk sichtbar.

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Leserbriefe

Ammoniak in der Luft «Die Kuh zur Sau gemacht», Soya 8/2012

Soya hat eine verheerende ökologische Wirkung in den Anbaugebieten. Was aber vergessen geht, dass sie das indirekt auch in der Schweiz hat. Der im Eiweiss enthaltene Stickstoff geht zum guten Teil als Ammo­ niak in die Luft und düngt Moore, Mager­ wiesen und Wälder. Er ist in der Schweiz der Hauptgrund für die dramatisch schwinden­ de Biodiversität. Die Agrarlobby tut so, als sei das Problem mit dem Schleppschlauch gelöst. Solange damit zusätzliche Subventio­ nen fliessen, stört es niemanden, dass die Ammoniakbelastung tatsächlich sogar noch steigt. Peter Bucher, Luzern

Nicht gesünder «Die Kuh zur Sau gemacht», Soya 8/2012

Dass die «Wiesen­Milch» im Vergleich zur konventionellen Milch einen etwas höheren Omega­3­Fettsäuren­Gehalt aufweist, stimmt offenbar. Es liegen aber kaum Beweise vor, dass sich bei den «Wiesen­Milch»­Trinkern relevante blutchemische Vorteile nachwei­ sen lassen. Man kann die «Wiesen­Milch» aus ideologischen, ökologischen und ande­ ren Gründen bevorzugen, aber nicht davon ausgehen, dass sie gesünder ist. Andreas Petrin, Dietikon ZH

schaftspolitik. Ohne Soya­ und übrige Kraft­ futterimporte für Kühe hätten wir keinen Butterberg, keinen Milchsee und kein Käse­ vermarktungsproblem, und unsere Gewässer wären weniger belastet. Immer mehr und da­ für immer schlechter und tierschädigender zu produzieren macht uns nur abhängiger vom Ausland. Martin A. Liechti, Maur ZH

Auf den Teller, nicht in den Tank «Der grosse Wandel», Soya 8/2012

Lester Brown, der Präsident des Earth Policy Institute in Washington, liefert ein anschau­ liches Beispiel dafür, wie viel Getreide man für einen vollen 80­Liter­Ethanol­Autotank braucht: «Mit der Menge könnte man ei­ nen Menschen ein Jahr lang ernähren.» Es ist daher sehr zu begrüssen, dass die ver­ pflichtende Beimischung von zehn Prozent Bioethanol zum Superbenzin in Österreich vom 1.Oktober 2012 auf frühestens Herbst 2014 verschoben wurde. Agrana möchte aber schon jetzt Autofahrer dazu bringen, Biosprit aus Getreide auf freiwilliger Basis in den Tank zu füllen. Das Produkt soll auf zahlreichen Tankstellen angeboten werden. Agrana verarbeitet in Österreich 600 000 Tonnen Getreide zu Bioethanol. Hände weg vom Bioethanol, denn zuerst sollen die Tel­ ler gefüllt werden und dann die Tanks! Harald Schober, Weiz (A)

Immer mehr, immer schlechter «Die Kuh zur Sau gemacht», Soya 8/2012

Klare Worte! Die Unmengen von Kraftfutter sind nicht nur ungesund für unsere Kühe, sondern auch qualitätsmindernd für unsere Milch und schädlich für unsere Landwirt­

Soya oder Soja? Soya 8/2012

Einmal mehr mit Freude habe ich das neus­ te Folio gelesen. Meine Irritation wuchs mit jedem «Soya», das in den Texten vorkommt.

Soya ist die englische Form von Soya. Nichts gegen Englisch, aber der Import von Soya für Soya ist für mich nicht zwingend, weil er etwas Bestehendes nicht verbessert. Werner Zuber, Langnau ZH

Die Schreibung der Namen und Fremdwör­ ter aus dem afrikanisch­asiatischen Raum ist nicht einfach, weil neben der ursprüng­ lich englischen immer mehr die deutsche Transliteration vordringt. So gibt es oft zwei Schreibweisen nebeneinander, z.B. Himalaya/Himalaja, Jihad/Dschihad. Den Laut «dsch» geben wir in der Regel durch «j» wieder: Kilimanjaro, Jakarta, Maharaja, Fujiyama. Intervokalisches oder anlauten­ des, vor einem Vokal stehendes «i» geben wir mit «y» wieder, um den Unterschied in der Aussprache kenntlich zu machen: Aya­ tollah, Ayurveda, Himalaya, Soya, Yen, Yin und Yang, Yoga, Yangtsekiang. Der Duden ist hier inkonsequent; man findet z.B. nur Ayurveda und nur Jangtsekiang. Er favori­ siert Ajatollah, andererseits Yokohama. Es ist auch unverständlich, dass fast alle Zei­ tungen «Tokio», aber «Kyoto­Protokoll» schreiben. Wir haben uns in beiden Fäl­ len für die «y»­Schreibweise entschieden. Die Redaktion AN uNSere LeSerINNeN uNd LeSer Wir freuen uns über Ihre Briefe und bitten um Verständnis dafür, dass wir nur eine Auswahl abdrucken können. Aus Platzgründen müssen wir uns Kürzungen vorbehalten. Leserbriefe, die uns per E-Mail erreichen, veröf fentlichen wir auf unserer Website (nzzfolio.ch). Adresse: Redaktion NZZ Folio, Postfach, 8021 Zürich. E-Mail: folioredaktion@nzz.ch

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Was Fotografien über ein Land erzählen Eine Sendereihe von Heinz Bütler und Peter Pfrunder

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Mitwirkende: Endo Anaconda, Brida von Castelberg, Katja Gentinetta, Valentin Groebner, Alfredo Häberli, Martin Heller, Robert Hunger-Bühler, Elisabeth Joris, Benedikt Loderer, Peter von Matt, Dieter Meier, Klaus Merz, Melinda Nadj Abonji, Berthold Rothschild, Susanna Schwager, David Signer, Peter Stamm, Jakob Tanner, Beat Wyss, Stefan Zweifel <wm>10CAsNsjY0MDAx1TU0N7MwMAYAGNce0A8AAAA=</wm>

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Folio Folies

Folio 9 / 2012


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Vorschau

Dominic, Frederico und Giorgina brauchen Ihre Hilfe. Bitte spenden Sie.

Dominic, 16

Frederico, 13

Giorgina, 15

Cerebral gelähmte Kinder sind von vielem ausgeschlossen. Dank Ihrer Spende können sie dabei sein. Auf www.cerebral.ch erfahren Sie, was Ihr Geld ihnen bringt. <wm>10CAsNsjY0MDAx1TU0M7Q0tQAA64HOmw8AAAA=</wm>

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Impressum

Bombay Bombay ist eine der grössten Städte der Welt. 20 Millionen Menschen bevölkern die Metropole am Indischen Ozean, mehr als die Hälfte leben in den Bretterbuden der Slums, ein paar wenige in klimatisierten Appartements mit allem erdenklichen Luxus. Bombay, die boomende Finanzkapitale Indiens, ist eine Stadt der Gegensätze: Eine Stadt des Elends und des Big Business, eine Stadt des täglichen Überlebenskampfs und des schnellen Geldes. Und eine Stadt der Träume. Die Folio-Redaktion ist ins Chaos der Megacity eingetaucht. Wie lebt man in diesem Moloch? Wir liessen uns im «flow» des indischen Alltags treiben und befragten Bewohnerinnen und Bewohner aller Schichten zu ihrer Stadt. Wir waren zu Gast bei einer mittelständischen Familie und bei Slumbewohnern. Wir besuchten Aamir Khan, den Bollywoodstar, und Lawrence Hardinge, der Strassenkindern eine Hoffnung auf Zukunft gibt. Wir tranken Cocktails mit Investmentbankern und zogen mit einem Anwalt vor Gericht, der gegen Grosskonzerne kämpft. Wir sprachen mit dem Architekten und Stadtplaner Charles Correa und mit der Bettlerin Preeti Bhaskar, die auf dem Trottoir lebt. Wir waren im Spital, in der Schule, auf der Pferderennbahn, im exklusiven Nachtclub und im Arme-Leute-Kino. Nach Hause brachten wir ein mit Begegnungen prall gefülltes Reisetagebuch: Notizen, Portraits und Geschichten aus der aufregendsten Stadt der Welt.

Das nächste Folio erscheint am 1. Oktober 2012.

ReDak tiOn Daniel Weber (Leitung), Reto U. Schneider (Stv.), Andreas Heller, Anja Jardine, Gudrun Sachse, Barbara Klingbacher, Florian Leu, Katja Abderhalden (Sekretariat) GestaltunG unD PRODuk tiOn Benno Maggi (Creative Director), Ernst Jaeger Die autORen DeR RuBRiken Gerhard Glück, Car toonist, Kassel (Folio Folies) kORRek tORat Alexandra Bernoulli, Urs Remund, Zürich BilDnachweise Die Fotografien in diesem Heft stammen aus der Sammlung der Fotostiftung Schweiz, Winterthur. Copyrights: S. 7: Andri Pol; S. 14-16: Hermann Stauder (Schenkung Familie Hans P. Schaad); S. 18-22: Juraj Lipscher; S. 24-26: Andri Pol; S. 28-31: Theo Frey / Fotostiftung Schweiz; S. 32-34: Christian Schwager / ProLitteris (Depositum Freunde der Fotostiftung Schweiz); S. 36-38: bfu, Bern: S. 40 / 41: Jean-Luc Cramatte (Depositum Freunde der Fotostiftung Schweiz); S. 42: Gotthard Schuh / Fotostiftung Schweiz; Martin Glaus, Fotostiftung Schweiz / Pro Litteris; S. 43: Armin Haab, Fotostiftung Schweiz /ProLitteris; S. 44: Candid Lang, Fotostiftung Schweiz / ProLitteris; Rob Gnant, Fotostiftung Schweiz / ProLitteris; S. 46: Ernst Brunner, Schweiz. Institut für Volkskunde, Basel; Theo Frey / Fotostiftung Schweiz; S. 47: Theo Frey / Fotostiftung Schweiz (oben links); Ernst Brunner, Schweiz. Institut für Volkskunde, Basel (oben rechts); Hans Peter Klauser / Fotostiftung Schweiz / ProLitteris; S. 48 / 49: Nicolas Savary / Tilo Steireif; S. 50-52: Nachlass Karlheinz Weinberger bei Patrik Schedler, Zürich; S. 54-56: Jules Spinatsch (Depositum Freunde der Fotostiftung Schweiz); S. 58-61: Georg Vogt, Fotostiftung Schweiz / ProLitteris; S. 62-65: Barbara Davatz; S. 66-69: Walter Roth / Fotostiftung Schweiz; S. 70-73: Yann Gross (Depositum Freunde der Fotostiftung Schweiz); S. 74-77: Gertrud Dübi-Müller / Fotostiftung Schweiz; S. 78-80: Nicolas Faure; S. 82-84: Heini Stucki; S. 86 / 87: Martin Stollenwerk.

aDResse ReDak tiOn Redaktion NZZ Folio, Falkenstrasse 11 Postfach, CH-8021 Zürich Tel. +41 44 258 12 40, Fax +41 44 258 12 59 E-Mail: folioredaktion@nzz.ch Internet: www.nzzfolio.ch Newsletter: E-Mail mit Informationen zur jeweils nächsten Ausgabe: www.nzzfolio.ch/mailing VeRl aG Silke Wolf (Leiterin Product Management NZZ) Daniel Allemann anzeiGenVeRk auF Publicitas AG, NZZ Media, Seehofstr. 16, 8021 Zürich, Telefon +41 44 258 16 98, Fax +41 44 258 13 70, E-Mail anzeigen@nzzmedia.ch, www.nzzwerbung.ch Deutschschweiz: Nicole Costa, Tel. +41 44 258 12 63 Westschweiz: Yves Gumy, Tel +41 21 317 88 08 leseR- unD aBOseRVice Tel. +41 44 258 15 30, Fax +41 44 258 18 39 leserser vice-schweiz@nzz.ch aBOnnements NZZ Folio wird am ersten Montag des Monats der Inlandauflage der «Neuen Zürcher Zeitung», der «Neuen Zuger Zeitung» sowie Teilauflagen des «St. Galler Tagblatts» und der «Neuen Luzerner Zeitung» beigelegt. Den Auslandabonnenten der NZZ wird es separat zugestellt. Separatabonnements Inland CHF 94 inkl. MWSt, Ausland CHF 105 / € 68 pro Jahr. NZZ Folio erscheint monatlich. einzelheFtBestellunG Tel. +41 44 258 15 30, Fax +41 44 258 18 39 Einzelnummern CHF 12 / € 12 ADResse VeRl aG Verlag NZZ Folio, Falkenstrasse 11 Postfach, CH-8021 Zürich lithO unD DRuck Swissprinters AG

Schweizerische Stiftung für das cerebral gelähmte Kind Erlachstrasse 14, Postfach 8262 3001 Bern, Telefon 031 308 15 15 Postkonto 80-48-4, www.cerebral.ch

nzz-meDienGRuPPe Albert P. Stäheli (CEO) © Verlag NZZ Folio, 2012 (ISSN 1420-5262). Alle Rechte vorbehalten. Jede Ver wendung der redaktionellen Texte (besonders ihre Ver vielfältigung, Verbreitung, Speicherung und Bearbeitung) bedar f der schriftlichen Zustimmung durch die Redaktion. Ferner ist diese berechtigt, veröffentlichte Beiträge in eigenen gedruckten und elektronischen Produkten zu verwenden oder eine Nutzung Dritten zu gestatten.

Folio 9 / 2012


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