NZZ Folio: Sept 2011

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Die Zeitschrift der Neuen Z端rcher Zeitung, September 2011

Am Tatort

Die Spuren bringen es an den Tag


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bleiben sie am ball und proFitieren sie vom goldenen angebot!

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E D ITORI A L

Nachts im Wald Tatorte ziehen Menschen in ihren Bann. Warum fasziniert, wovor wir uns eigentlich fürchten?

Der erste von mehreren Toten, die ich im Laufe der Heftrecherchen sah, lag auf einem Tisch, die Haut aufgeplatzt, Knochen schauten hervor. Ein junger Mann stand neben der Leiche und dokumentierte die Verletzungen. Der gewaltsame Tod als realer Bestandteil unseres Alltags: daran ist nichts unterhaltsam, nichts schaurig oder gruselig. Jeder Tod ist eine Tragödie. Wir verabscheuen das Böse, und gleichzeitig betrachten wir es gebannt. Im Fernsehen töten sie zu jeder Tages- und Nachtzeit, inflationär fahnden Polizisten und Rechtsmediziner nach Bestien, in Buchhandlungen reiht sich Krimi an Krimi. Der Psychologe Bruce M. Hood erinnert sich in seinem Beitrag in diesem Heft daran, wie er als Kind Dinge genoss, vor denen er sich fürchtete. Er vermutet, dass ein Teil dieser Lust auch dem Erwachsenen erhalten bleibt – allerdings nur, solange wir uns in sicherer Entfernung vom Bösen wissen. Die Faszination schwindet, sobald das Grauen in die eigene Welt einbricht. Häuser, in denen ein Mord geschah, verlieren an Wert, bevor sie, falls überhaupt, wieder einen Käufer finden. Wo das «Waldeggli» im solothurnischen Seewen stand, in dem an Pfingsten 1976 ein fünffacher Mord geschah, neigen sich heute Ebereschen im Wind. Der Journalist Jost Auf der Maur berichtet vom wohl bekanntesten Mordfall der Schweiz – plötzlich war geschehen, was man nur aus Amerika kannte. Es gibt die Ungeheuer, aber meistens sind es die gewöhnlichen Mitmenschen, die zuschlagen, wie das Wochenprotokoll von Zürcher Opferberatungsstellen zeigt. 2010 starben in der Schweiz 53 Menschen eines gewaltsamen Todes, die Hälfte davon infolge häuslicher Gewalt. Zu Hause ist es am gefährlichsten. Nach Abschluss der Recherchen fuhr ich mit Mann und Baby in die Ferien. Im Gepäck einen Kommissar auf der Suche nach einem Axtmörder. Eine unglückliche Buchwahl. Mein Mann liess mich im Ferienhaus im Wald allein zurück: «Zwei Nächte nur, die Arbeit», sagte er. Es wurden zwei sehr lange Nächte. Gudrun Sachse PS: Tour de Suisse – das schwierigste Rätsel der Schweiz geht weiter.

Der Zürcher Forensiker Martin Lory im Beschussraum. S. 20

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IN H A LTSV E R Z E ICH N I S

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TH E M A : A M TAToRT

18 Auftakt

Titelblatt  Von Max Grüter und Patrick Rohner Editorial  Nachts im Wald. Von Gudrun Sachse Beim Coiffeur  «Ich bestimme, was zu ihnen passt». Von Sabine Meyer Vom Fach  Beim Support. Von Roman Kern Seitenblick  Die rote Pik-Neun. Von Luca Turin Zerlegt  Schutz im Schützengraben. Von Jeroen van Rooijen Rätsel  Der Pöstler war der Täter. Von CUS Binders Vexierbild  Wo ist die Mordwaffe? Von Hannes Binder Liebhaber  Big Mama. Von Anja Jardine

20 CSI Aussersihl

Um Verbrechern auf die Spur zu kommen, greifen Zürcher Forensiker zu allen  Mittelchen.  Von Gudrun Sachse 29 Wo steckt Mr. Rise?

Auf Verbrecherjagd im Internet.  Von Tim Schröder 32 Leichen im Keller

Niemand will in einem Haus wohnen, in dem ein Mord geschah. Warum   eigentlich nicht?  Von Bruce M. Hood 38 Grafik: Einbrechern auf der Spur

Wie oft wird eingebrochen? Wo steigt der Täter ein? Welches Zimmer meidet er?  Welche Jahreszeit bevorzugt er?   40 Barbies Albtraum

In den 1970er Jahren entstanden am Institut für Rechtsmedizin der   Universität Zürich ungewöhnliche Puppenstuben: Modelle von realen Tatorten  samt Bettchen, Leichen und Blutspuren.  Von Reto U. Schneider 49 «Mein Sohn schlägt mich»

In den eigenen vier Wänden ist es am gefährlichsten. Protokolle von fünf   Opferberatungsstellen.  Von Gudrun Sachse 54 Jaeggis Fall

Der fünffache Mord in Seewen gilt als grösstes ungeklärtes Verbrechen der  Schweizer Kriminalgeschichte.  Was an Pfingsten 1976 geschah, beschäftigt den  Polizisten Max Jaeggi immer noch.  Von Jost Auf der Maur

Haus des Serienmörders West. S. 32

67 70 72  74 79 81 82

Das Experiment  Verhaften oder nicht verhaften? Von Reto U. Schneider  Am Herd  Ein eigenes Süppchen. Von Andreas Heller  Schlaglicht  St. Petersburg, die unwahrscheinliche Stadt. Von Wolf Schneider Wer wohnt da?  Vom Sattel aufs Sofa. Von Gudrun Sachse Leserbriefe Folio Folies  Von Gerhard Glück Vorschau / Impressum

Ausstellung: Puppenhäuser des Grauens

AuS S E RDE M

Zwischen 1970 und 1985 wurden am Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich  reale Tatorte als Modelle nachgebaut (siehe Seite 40). NZZ Folio präsentiert diese   einmaligen Miniaturen nun zum ersten Mal der Öffentlichkeit. Ausstellungsdaten:   16. September von 8 bis 18 Uhr, 17. September von 10 bis 16 Uhr im Foyer der NZZ,  Falkenstrasse 11, Zürich.

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B E I M CO I FFEU R

«Ich bestimme, was zu ihnen passt» Amélie Wawa arbeitet mit Rasierklinge, Nadel und Faden. In der Regel macht sie die Haare länger, nicht kürzer. Einmal frisieren, bitte!

Amélie Wawa, 37, Bamako, Mali, lebt mit ihrem Mann und ihrer 10jährigen Tochter Cyn­ thia in Bamako. Die Familie wohnt in einer Drei­ zimmerwohnung für 145 Franken Miete pro Monat. Seit 10 Jahren ist Amélie Besitzerin des gleichnamigen Salons und zahlt sich mo­ natlich einen Lohn von rund 482 Franken. Auf­ gewachsen ist Amélie in Abidjan, Côte d’Ivoire. Amélie’s Der Damensalon liegt in Missira, einem ruhi­ gen Wohnquartier, in dem Mittelstandsfami­ lien zu Hause sind. Amélie Wawa beschäftigt sieben Frauen aus Senegal, Mali und von der Côte d’Ivoire, vier davon sind noch in Ausbil­ dung. Es werden auch Manicure, Pédicure und Make­up im senegalesischen, malischen oder ivoirischen Stil angeboten. Preis für durchschnittlichen Haarschnitt Ein Kurzhaarschnitt mit Mèches kostet 25 Franken, eine Packung künstliche Haare 8 und das Flechten der eigenen Haare 10 Franken. Mali Einwohner: BIP pro Kopf: Milch: Baguette: Kinobillett: Zigaretten: Taxi:

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13,5 Millionen 346 Fr. 1 Liter 95 Rp. 50 Rp. 3.90 Fr. 95 Rp. 0.95 bis 3.90 Fr.

Welcher Haarschnitt ist zurzeit ange­ sagt? Kurzhaarschnitte sind gefragt. Immer wenn es heiss ist, wollen alle kurze Haare. Sehr im Trend ist «la petite coiffure», ein Kurzhaarschnitt, den man mit ganz speziellen, kurzen Haarteilen macht – am besten mit sogenannten Masterpieces, die sind aus der Côte d’Ivoire. Die nähe ich dann Stück für Stück auf die natürlichen Haare, die ganz eng an den Kopf geflochten werden, und stutze sie am Ende mit der Rasierklinge zurecht. Sind Frisuren aus eigenem Haar selten? Die Frauen hier lieben künstliche Haare. Die kann man ohne Probleme frisieren. Sie selbst haben meist nicht genug Haare, um sich eine Frisur zu machen, die hält. Selbst für Kurzhaarfrisuren verwende ich künstliches Haar. Die Frisuren halten auch viel länger – bis zu zwei Monate. So können die Frauen sparen und haben Geld, um neue Haare für eine neue Frisur zu kaufen. Hier ist es sehr wichtig, regelmässig eine neue Frisur zu tragen. An jede Hochzeit und an jede Tauffeier geht man neu frisiert. Je nach Kleid ändert man die Frisur. Warum sind Sie Coiffeuse geworden? Bereits mit 10 Jahren wollte ich Coiffeuse werden. Mein Vater bestand darauf, dass ich erst die Schule beende. Das habe ich auch gemacht. Danach habe ich in einer Versicherung gearbeitet. Aber ich glaube, für mich ist das Coiffeuse-Sein eine Berufung. Irgendwann habe ich auf ganz natürliche Weise mit dem Frisieren angefangen, obwohl ich darin noch keine Ausbildung hatte. Wie haben Sie Ihr Handwerk erlernt? Es ist für mich eine Gabe. Meine Ausbildung in einem Salon dauerte nur drei Monate. Alles andere habe ich durch Beobachtung in Etappen gelernt. Was ist Ihr Stil? Ich arbeite mit dem Gesicht. Ich nenne mich deshalb auch Coiffeuse-Visagistin. Ich schaue genau, was zu einem Gesicht passt. Das machen andere Coiffeusen hier in Mali nicht. Meine Kundinnen sagen mir nicht, welche Frisur sie wollen. Ich bestimme, was zu ihnen passt. Meine Kundinnen wissen das. Die Frisur, die ich

für sie wähle, ist bisher immer gut angekommen. Was sind Ihre Zukunftspläne? Mein Traum ist es, eines Tages eine eigene Coiffeurschule zu eröffnen, um wirklich gute Leute auszubilden. Die fehlen hier. Die meisten absolvieren nur eine halbjährige Ausbildung Wer schneidet Ihnen die Haare? Meine Mitarbeiterinnen, die ich ausgebildet habe. Haben Sie Stammkunden? Ich habe nur Stammkunden. Frauen aller Art, junge Frauen, ältere Damen, Ministerinnen, Büroangestellte, Unternehmerinnen. Darunter auch wichtige Persönlichkeiten, die mich zu sich nach Hause bestellen. Welche zum Beispiel? Amy Sako, eine Sängerin. Sie müssen sie kennen. Sie ist die Frau von Bassékou Kouyaté, den man in Europa gut kennt. Es kommen überhaupt sehr viele Künstlerinnen zu mir. Wem würden Sie gern die Haare schnei­ den? Rihanna, der R&B-Sängerin aus England. Ich mag ihre Frisur sehr, und es kommen viele Leute zu mir, die ihr Haar so frisieren lassen wollen wie Rihanna. Welche ungewöhnlichen Reaktionen ha­ ben Sie schon erlebt? Beklagt hat sich noch nie jemand. Selbst die schwierigsten Kundinnen habe ich im Griff. Wie sind Sie nach Bamako gekommen? Das war Gottes Wille. Hier hat man mir Arbeit angeboten, und so habe ich Abidjan verlassen. Und später wurde dieser Salon frei, den ich übernehmen konnte. Es ist ein angenehmes, ruhiges Quartier. Wie verbringen Sie Ihren Abend? Oftmals komme ich erst gegen 23 Uhr aus dem Salon. Da bleibt nicht mehr viel Zeit, um etwas zu unternehmen. Aber ich gehe gerne in die Disco oder in ein Restaurant oder verbringe den Abend vor dem Fernseher. Wo machen Sie Ferien? Meistens bin ich in Abidjan, um meine Verwandten zu besuchen. Viel Ferien habe ich als Besitzerin des Salons nicht. Sabine Meyer

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Geniessen Sie Gauguins «Der Markt», ohne an Börsen denken zu müssen.

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VOM FACH

S E ITE N B LICK

Beim Support

Die rote Pik-Neun

Neulich unter Informatikern. Was reden die da?

Manche Abweichungen stehen gleichsam im rechten Winkel zur Realität. Wer sich dafür begeistern kann, sollte Wissenschafter werden.

«Mann! Das Air hängt sich schon wieder auf. Zeit für den T 1.» «Hast du eine Kernel Panic? Versuch in die EFI zu kommen und einen FSCK zu machen.» «Bringt doch eh nichts.» «Könntest auch einmal den NVRAM zappen. Zwar nein, drück besser einmal die Badewanne.» «Da tut sich auch nichts, ich suche mal den Leoparden.» «Lieber eine neue SSD auftreiben.» «Ohne CS-Code ist nichts zu machen.» «Einen Headcrash konnte man wenigstens noch verkaufen, aber so was?» «Die Kundin kriegt voll die Krise, und Zeitreisen mag sie ja auch keine.» «Und natürlich sind mal wieder wir schuld, dabei sind wir keine Äpfel.» «Vermutlich hat die Alte den SMC immer ge-resettet beim Abwürgen.» «Kann ich mir gut vorstellen. Nimm das LB auch noch.» Air: Mac Book Air, dünnes Notebook von Apple. T 1: Schraubenzieher von der Grösse Torx null. Kernel Panic: Absturz des Betriebssystems. EFI: Extensible Firmware Interface. FSCK: File System Consistency Check, Befehl zur Reparatur des Filesystems auf der Festplatte. NVRAM: Non-Volatile Random-Access Memory, ein nicht flüchtiger Datenspeicher, der auf RAM-Speichern basiert und dessen Inhalt ohne externe Energieversorgung erhalten bleibt. Zappen: den Speicherinhalt löschen. Badewanne: alter Name für die «Alt»-Taste der Apple-Tastatur. Leopard: veraltete Version des Betriebssystems MacOS X. SSD: Solid State Drive, neuartige Technologie für die Speicherung von Daten. CS-Code: Customer Satisfaction Code, erlaubt kostenlose Reparaturen auch nach der regulären Garantiezeit. Headcrash: bei Festplatten ein lautes Klicken, das entsteht, wenn der Lesekopf die Magnetspeicherplatten berührt und so den Datenträger zerstört. Zeitreise: die Funktion Time Machine, um automatische Backups zu erstellen. Apfel: Mitarbeiter von Apple. SMC: System Management Controller, Chip für die Verwaltung der Grundfunktionen. Ge-resetted: alemannisch für «to reset», das Zurücksetzen auf die Werkseinstellungen. Abwürgen: mit dem Einschaltknopf ausschalten, eine Brechstangen-Strategie. LB: Logic Board, zentrales Bauteil eines jeden Macs, wenn man so will: das Herz. Roman Kern

Haben Sie Lust, ein «Vom Fach» zu schreiben? Dann schicken Sie Ihren Vorschlag, wir prüfen ihn gern: folioredaktion@nzz.ch. Eine Liste der bisherigen Dialoge gibt es online: bit.ly/ehtmPu

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Bei einem berühmten psychologischen Test werden den Probanden Fotos von Spielkarten gezeigt, die für einen Augenblick auf einem Bildschirm erscheinen, während die Versuchsperson per Knopfdruck Wert und Farbe der Karte angeben muss. Nach einer Weile wird ab und zu eine ungewöhnliche Karte eingestreut: eine rote Pik-Neun zum Beispiel. Die meisten Leute entscheiden sich entweder für Pik oder für Herz, je nachdem, ob sie nach der Form oder der Farbe gehen. Eine Minderheit ist überfordert und kann sich nicht entscheiden, manche berichten gar über Angstgefühle. Ich habe oft gedacht, man sollte solche Tests einsetzen, um in möglichst jungen Jahren festzustellen, wer sich zum Wissenschafter eignet. Wer nichts merkt, dem wird zu einem anderen Beruf geraten. Wer den Unterschied bemerkt und nicht verstört reagiert, bekommt Pluspunkte. Wer durch den Anblick einer roten Pik-Neun in Hochstimmung versetzt wird, wird aus der Familie genommen und auf eine Eliteschule geschickt: Auf solche Geister können wir nicht verzichten. Beachten Sie, dass es bei der Abweichung in diesem Test nicht um Richtig oder Falsch geht. Ein rotes Pik kann entweder korrigiert werden, indem man seine Form oder indem man seine Farbe ändert. Es ist nicht das «Gegenteil» einer richtigen schwarzen Pik-Karte. Vielleicht könnte man sagen, dass solche Karten im rechten Winkel zur Normalität stehen. Auch in der Wissenschaft stehen abweichende Tatsachen, anders als man ge-

meinhin glaubt, oft nicht in direktem Widerspruch zur herrschenden Auffassung. Sie brechen aus und durchqueren die verschiedensten Felder und Gewässer, bis sie zum Ziel gelangen. Dies war es wohl, was Thomas Kuhn meinte, als er – etwas grossspurig – davon sprach, dass die Wissenschaft durch den Wechsel von Paradigmen voranschreite, die sich wechselseitig unverständlich sind. Ich entsinne mich, in einem wunderbaren russischen Buch über Elektromagnetismus einmal einen kleingedruckten Absatz gelesen zu haben – folgenschwere Geheimnisse werden oft diskret offenbart –, der mir in aller Ruhe auseinandersetzte, dass die Energie, die von einer Batterie zur Glühbirne gelange, nicht durch die Drähte fliesse. Sie ströme vielmehr in alle Richtungen aus der Batterie und werde gleichsam zwischen den Drähten zur Birne hin kanalisiert, die dadurch zum Glühen gebracht werde, dass die Energie von aussen in sie eindringe. Diese Beobachtung wurde zum ersten Mal von einem der grössten Sonderlinge der Wissenschaftsgeschichte gemacht, dem bedeutenden Oliver Heaviside. Der Mann bekam niemals eine Stelle, revolutionierte die Telekommunikation und war seiner Zeit um mindestens fünfzig Jahre voraus. Seine Einsichten über Batterien und Glühbirnen sind immer noch wahr, und noch heute, anderthalb Jahrhunderte später, versucht man ihre genaue Bedeutung zu ergründen. Ich führe ihn hier als Beispiel dafür an, dass Tatsachen im rechten Winkel zum Vertrauten stehen können. Am Anfang hat mich das beunruhigt, aber inzwischen geniesse ich es. Wenn Sie sich erst einmal daran gewöhnt haben, erschliesst sich Ihnen die betörende Schönheit der Dinge, die um neunzig Grad gedreht wurden. Falls Sie zufällig am Strand liegen, während Sie diese Zeilen lesen, richten Sie sich auf und schauen Sie sich um: Liegend sehen alle Körper schön aus und alle Gesichter unvertraut. Es braucht nicht mehr als eine Drehung um neunzig Grad. Luca Turin Illustration: Fabienne Boldt

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Z E RLEGT

Schutz im Schützengraben Auch das neuste Modell von Burberrys Trenchcoat erinnert noch daran, dass der Mantel aus Gabardine ursprünglich geschneidert wurde, um Soldaten warm zu geben. Man sieht es dem Trenchcoat an, dass er nicht erst seit ein paar Jahren auf dem Markt ist. Jedes Detail an diesem Klassiker ist so durchdacht, wie es eben nur der Fall ist, wenn ein Kleidungsstück über Jahrzehnte weiterentwickelt wurde. Die Firma Burberry vernäht seit 1870 baumwollene Gabardine zu diesem Manteltyp – zuerst lange für die britische Armee, die dem Kleidungsstück, das im feuchtkalten Schützengraben (trench) gute Dienste tat, seinen Namen gab. Seit jener Zeit hat der Trench seine Schulterpatten. Auch der Abenteurer George Mallory trug 1924, als er den Mount Everest als erster besteigen wollte und tödlich verunglückte, einen solchen Mantel. Erst später begann die «zivile» Karriere des Trenchcoats, als ihn einfache Bürger nach dem Ersten Weltkrieg als Alltagsmantel trugen. Die Weihen der Mode bekam der Mantel nach dem Zweiten Weltkrieg, als Filmstars wie Humphrey Bogart («Casablanca»), Audrey Hepburn («Frühstück bei Tiffany’s») oder Peter Falk («Inspector Columbo») ihn trugen. Die bis heute typische Farbe für einen Trenchcoat ist ein gelblicher Sandton, «Honey», wie Burberry ihn nennt. Der Stoff ist aus reiner Baumwolle gewoben; es handelt sich um feine Pima-Fasern aus Perú, die garngefärbt werden und den leicht schimmernden Changeant-Effekt des Stoffes erzeugen. Beim Verweben werden die Garne extrem eng aneinandergelegt – über hundert Fäden pro Quadratzentimeter sorgen dafür, dass der Stoff trotz seiner natürlichen Faser wasserabweisende Eigenschaften bekommt. Der Stoff, den man an seiner charakteristischen Diagonalrippe erkennt und Twill oder Gabardine nennt, wiegt rund 170 Gramm pro Quadratmeter. Was die Konstruktion der Details betrifft, so folgt der Trenchcoat des Jahres 2011 den historischen Vorbildern. Das doppelte Brustteil rechts vorne sorgte einst dafür, den Rückstoss beim Schiessen etwas abzufedern, ausserdem sollte es verhindern, dass der Mantel durchgescheuert wird, wenn man beim Marschieren das Gewehr schultert. Die Klappentaschen sind mit Knöpfen gesichert. Der

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Trenchcoat, reine Baumwolle, Burberry, 2195 Franken.

vierfach abgesteppte Gürtel ist mit mehreren Laschen am Mantel fixiert, so dass man ihn unmöglich noch verlieren kann. Die Manschettengürtel am Ärmel minderten einst die Zugluft, und der mit einem Riegel gesicherte Rückenschlitz mit Kellerfalte sorgte früher dafür, dass der Trenchcoat auch beim Offizier hoch zu Ross korrekt sass. Gefüttert ist der Mantel mit fester Baumwolle, die das für Burberry typische Nova-Check-Webmuster hat. Punkto Schnitt hat sich der in den Burberry-Produktionsbetrieben in London/ Castlewood genähte Trenchcoat namens

Britton etwas weiter von den Ursprüngen entfernt. Er ist wesentlich kürzer und figurbetonter als einst gearbeitet – schliesslich steht die Marke Burberry seit zehn Jahren, als der Designer Christopher Bailey das kreative Zepter übernahm, auch für Sex-Appeal. Der neue Trench ist zwar immer noch zweireihig geschlossen, doch mit den schmalen Schultern und hoch sitzenden Armlöchern wäre er einem Soldaten nicht mehr nützlich. (Der zerlegte Trenchcoat ganz: Seite 79.) Jeroen van Rooijen Foto: Patrick Rohner

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CO2 132 g/km bedeutet 13% weniger

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Der neue Audi A6 Avant mit Audi Leichtbautechnologie. Einer der vielen Vorteile der Audi Leichtbautechnologie besteht darin, dass ein leichteres Auto weniger Treibstoff verbraucht und somit weniger CO2-Emissionen verursacht. Beim neuen Audi A6 Avant 2.0 TDI sind dies im Vergleich zum Vorgängermodell 13 Prozent weniger. In der gesamten Baureihe wurde zudem der Treibstoffverbrauch um bis zu 21 Prozent reduziert. So können Sie länger fahren – für weniger. www.audi.ch/a6avant Audi A6 Avant 2.0 TDI, 130 kW (177 PS), 1968 cm3. Normverbrauch gesamt: 5,0 l/100 km. CO2-Emissionen: 132 g/km (188 g/km: Durchschnitt aller Neuwagenmodelle). Energieeffizienzkategorie A.


R ÄTS E L

Der Pöstler war der Täter Was hat dieser Eidgenosse den Deutschen bloss getan, dass er so unbeliebt ist? Hat er wirklich Grund, sich zu schämen? Raten Sie mit – und gewinnen Sie! dschaners aus jenen Tagen. Eigentlich hätte auch die Schweiz Grund, auf den Aserbaidschaner sauer zu sein. Doch das ist eine andere Geschichte. Von einer Briefmarke zugunsten des Pöstlers ist uns nichts bekannt. Die Deutschen mögen die Schweizer wieder. Der Tatort existiert nicht mehr – er wurde abgerissen. Wie hiess unser Pöstler?

Unter allen Völkern sind die Deutschen bei den Schweizern am wenigsten beliebt, so darf man sagen. Dabei können sich die Deutschen nicht erinnern, den Schweizern je etwas angetan zu haben. Umgekehrt dagegen schon: Tief in die deutsche Psyche eingegraben hat sich ein nationales Trauma, das ihr ausgerechnet ein Schweizer zufügte – in deutschen Augen der bis heute wohl unbeliebteste Eidgenosse. Dabei war er doch nur ein biederer Pöstler mit einer Vergangenheit in Kleinhüningen. Sie haben noch nie etwas von ihm gehört? Mag sein, doch nicht so in Deutschland: Da könnte ihn fast jedes Kind auf ewig zum Briefmarkenabschlecken verdammen. Die «Bild»-Zeitung forderte, er solle sich sein Leben lang schämen. Genauso berüchtigt wurde übrigens sein Amtskollege aus Aserbaidschan, den viele als den eigentlich Schuldigen ausgemacht haben. Wer von beiden denn nun der Anstifter zur Tat und wer nur der Gehilfenschaft schuldig war, darüber wurden zwar gewichtige Publikationen verfasst, doch ist die Diskussion müssig: Letztlich lag die Entscheidung über Trauma oder nicht Trauma allein in Schweizer Hand. Schade nur, dass unser Pöstler gar nicht recht mitbekommen hatte, was an jenem Samstag genau passiert war. Vielmehr schloss er aus der Reaktion der Näherstehenden, was wohl passiert sein musste. Den Rest machte er in dem dienstlichen Gespräch mit dem Aserbaidschaner aus. Wie zum Hohn erschien sogar eine Briefmarke mit dem Foto des Aserbai-

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Auflösung des Rätsels aus Folio 7/11 Gesucht war das Schweizer Veloidol Hugo Koblet. Der «Pédaleur de charme» gewann 1951 die Tour de France. Von da an ging es bergab: Die grossen Erfolge im Radsport blieben langsam aus, die Erfolgsquote bei den Frauen sank, das Geld zerrann ihm zwischen den Fingern. 1964 kam er mit seinem Alfa Romeo von der

Strasse zwischen Mönchaltorf und Esslingen ZH ab und fuhr gegen einen Birnbaum. Der Aufprall schleuderte ihn auf den Rücksitz. Kurz darauf starb Koblet im Spital. Manche sprachen von Selbstmord, andere von technischem Versagen. Der Birnbaum steht nicht mehr. Einsenden und gewinnen: Wer das Rätsel gelöst hat, kann die Antwort an folioraetsel@nzz.ch schicken (oder per Post an Verlag NZZ Folio, Rätsel, 8021 Zürich). Aus den Einsendern der richtigen Lösung wird ein Gewinner ausgelost, der eine exklusive Folio-Tasche erhält. Einsendeschluss ist der 12. September 2011; der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Ende 2011 werden alle Monatsgewinner überdies zu einem Nachtessen mit dem Rätselmeister CUS eingeladen. Gewinnerin des Juli-Rätsels war Heidi Gottschalk aus Zug. CUS Illustration: Anna-Lina Balke

B IN D E RS V E X I E RB I LD

Wo ist die Mordwaffe?

Aus Gründen des Urheberrechts nicht elektronisch erhältlich.

Auflösung auf Seite 79.

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LI E B H A B E R

Big Mama Eva Sturzenegger ist Hausärztin in Zürich. Doch wann immer möglich, schnappt sich die 57jährige ihr Surfbrett und steigt in die Fluten. Auch in der meerlosen Schweiz ist das möglich. Nicht in der Sprechstunde, das nicht. Aber immer mal zwischendurch, wenn sie ein Rezept ausstellen oder eine E-Mail beantworten muss, geht die Ärztin Eva Sturzenegger schnell auf die Website des Bundesamtes für Umwelt und checkt den Wasserstand der Reuss. Führt der Fluss an einer bestimmten Station zwischen 200 und 400 Kubikmeter Wasser pro Sekunde und hält er dieses Niveau auch an der weiter unten im Fluss liegenden Messstation, erfasst die Ärztin eine gewisse Unruhe, eine ganz konkrete Sehnsucht. Und sie weiss, dass sie nicht die Einzige ist, die den Lockruf der Natur vernimmt: Die Reusswelle läuft! In diesem Frühjahr mussten sie lange drauf warten, über Wochen hatte es kaum geregnet, vom Flusssurfen konnte man nur träumen. Doch dann endlich kam der Regen, und an einem scheusslich kalten Freitag im Juni ist es endlich so weit. Zu ihrem Glück hat Sturzenegger freitags erst ab Mittag Sprechstunde, und so kann sie sich bereits um neun Uhr morgens auf dem Parkplatz eines Waffenplatzes im Aargau einfinden. Ausser ihr sind schon etwa zehn Surfer da, zwei Stunden später werden es mehr als doppelt so viele sein. Im Nieselregen steigen sie aus ihren VW-Bussen und anderen surfboardtauglichen Fahrzeugen, präparieren ihre Bretter mit Wachs namens «Sex Wachs» oder «Mrs. Palmers», tauschen im Schutz der Autotüren die Kleider gegen Neoprenanzüge, hier ein nackter Hintern, dort ein Tattoo, gebräunte Haut, muskulöse Körper. Hallo, wie geht’s? Endlich! «Unkompliziert und offen» sei die Surferszene, sagt Eva Sturzenegger. Man kennt sich. Und wie es scheint, kennt vor allem jeder sie. «Es ist komisch», sagt Sturzenegger, «aber ich vergesse immer völlig, dass ich fast doppelt so alt bin wie die anderen.» Und die vergessen es auch ganz schnell. Wie die junge Geographiestudentin, die sie an diesem Morgen mitgenommen hat, klettert Eva das Ufer hinab zum Fluss, wirft ohne Zaudern das Brett ins Wasser und sich obendrauf. Schon beim Zuschauen schüttelt es einen – 14,

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Eva Sturzenegger und ihr Shortboard. Weil das Brett so voluminös ist, nennt man es in der Szene «Big Mama». Sturzenegger gefällt das. Sie nimmt den Spitznamen persönlich.

vielleicht 15 Grad hat das Wasser um diese Jahreszeit. Auf dem Bauch liegend, paddeln die Surfer augenblicklich los, denn die Strömung ist stark, und sie müssen das Wehr in der Flussmitte erreichen, das «Inseli». Und tatsächlich: Dort läuft die Welle. Man sagt auch: sie steht. Von Menschenhand ermöglicht. Das im Flussgrund verankerte Wehr stört den natürlichen Flusslauf und wirft die Welle auf. Trägt der Fluss genug Wasser, ist sie gross genug zum Surfen: an diesem Morgen etwa anderthalb Meter hoch und zehn Meter breit. Flusswellen dieser Art sind selten in Europa, denn Wassermenge und Fliessgeschwindigkeit müssen sich in idealer Weise ergänzen. Als das Wehr vor Jahren saniert wurde, konnten selbst die Inge-

nieure nicht voraussagen, ob die Welle danach noch laufen würde. Am Ufer gegenüber zeugt ein Turm von der Zeit, als das Wehr die Wasserkraft der Reuss für die Industrie nutzbar machte. Es ist die Bleiche einer ehemaligen Spinnerei. Daneben ein Campingplatz, dahinter die Skyline von Bremgarten mit Kirchturm. Und auf dem steinernen Inselchen mitten im braungrün schäumenden Fluss eine Handvoll Gestalten unter tiefgrauem Himmel. Nicht die Südsee, aber auch schön.

Ein Bottich Salzwasser «Immer schon war ich ein Wasserkind», sagt Eva Sturzenegger. Und mit Wasser meint sie das Meer. Dabei ist sie in Zürich aufgewachsen, nachdem ihre Familie

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aus Tschechien eingewandert war. Während des Medizinstudiums bot sich zufällig die Chance, das Hochseesegeln zu erlernen. Meteorologie, Seerecht, Technik – all das faszinierte sie, aber nur als Mittel zum Zweck. «Was mich lockte, war die weite Welt, Stürme, Inseln und dieses Gefühl, wenn Angst und Mut zusammenkommen.» Die Abenteuerlust erlosch auch nicht, als sie Ärztin, Ehefrau und Mutter war. Ganz im Gegenteil. Als sich eines Tages die Erfüllung all dieser Sehnsüchte in einem attraktiven Weltenbummler zu personifizieren schien, brach sie aus den gespurten Bahnen aus. Gemeinsam kauften sie ein Segelschiff und skipperten Touristen über die Weltmeere – im Winter in der Karibik, im Sommer im Mittelmeer. Evas kleiner Sohn David immer mit dabei. «Du spinnst doch!» riefen alle. Und so mancher fügte hinzu: «So kann man doch nicht Ärztin sein!» Doch, sie konnte. Ein paar Monate verbrachte sie jedes Jahr in der Schweiz und arbeitete als Praxisvertretung. So ging es sechs Jahre. Dann kam die Weltumsegelung mit der «Paso Doble», zwischen den Galapagosinseln und den Marquesasinseln war fünf Wochen kein Land in Sicht. «Das alte Holzschiff knarrte und knallte bei jedem Manöver. Wer duschen wollte, schüttete sich einen Bottich Salzwasser über den Kopf, den Horizont im Blick, herrlich.» Das erste und zweite Schuljahr wurde ihr Sohn an Bord von Lehrern unterrichtet, die im Gegenzug umsonst mitsegeln durften. Tauschgeschäfte sind üblich unter Weltenbummlern: Schulteruntersuchen gegen Relingschweissen. «Vieles funktioniert auch so viel einfacher und anders, als wir es kennen», sagt Sturzenegger. «Das hat mich das Reisen gelehrt.»

Take-off gelungen Doch irgendwann musste David in eine richtige Schule. Sie kehrten zurück in die Schweiz, und wie es der Zufall wollte, suchte eine Praxisgemeinschaft in Zürich eine Ärztin. Drei Jahre wollte sie bleiben, mittlerweile sind es siebzehn, und nie war sie länger fort als dreieinhalb Wochen. Inzwischen ist David gross, und hätte Eva nicht vor vier Jahren das Surfen entdeckt, wäre sie vielleicht schon längst wieder ausgespurt. Also, hinein ins Nass. Eva ist an der Reihe, immer nur einer zur gleichen Zeit. Vom steinernen Inselchen hinab wirft sie

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das Brett in das schäumende Weisswasser und legt sich mit dem Bauch darauf. Dann paddelt sie drei Armzüge, bis sie an der Rückwand des Wellentals liegt, paddelt noch wilder und zack! steht sie auf den Füssen. Take-off gelungen. In den Knien federnd, mit den Armen balancierend, surft sie ein kleines Stück in die Flussmitte und wieder zurück. Wer vom Ufer aus zuschaut, hat den Eindruck, Flusssurfen sei eine recht statische Angelegenheit. Der Surfer bewegt sich kaum vom Fleck. Warum nur haben hinterher alle diesen entrückten Blick, als seien sie einer Achterbahn entstiegen? «Vom Gefühl her hast du ein Affentempo», sagt die junge Frau mit Baby auf den Knien und Hund an der Leine, die auch zuschaut. «Schliesslich rast das Wasser unter deinem Brett hinweg.» Wer noch mehr Tempo machen will, fängt an zu «pushen»: ein rhythmisches Stampfen mit dem vorderen Fuss. So mancher prügelt die Welle, als wolle er sie zerlegen. Eva hingegen tanzt, anmutig und souverän. Nie lüpft sie ihre Füsse vom Brett. Weder 360-Grad-Drehungen noch «Airs» sind ihr Ziel, «nur ein lustvolles Carven». Anders als die Anfänger, die es früher oder später umhaut, entscheidet sie selbst, wann genug ist. Dann lässt sie sich rücklings ins Wasser fallen und schwimmt zügig zum anderen Ende des Inselchens, um sich erneut anzustellen. «Genug hatte ich noch nie», sagt sie. Grad war sie drei Wochen in Biarritz surfen, täglich zwei Sessions à anderthalb Stunden. Sie übernachtete im Zelt und sass abends mit den anderen am Feuer, «ich bin da ein bisschen die Big Mama». Im letzten Jahr habe sie mal die Anwandlung gehabt, sie brauche in ihrem Alter doch ein Einzelzimmer, das war in Costa Rica. Es hat nicht geklappt, und sie landete wieder im Surfercamp: einem Matratzenlager mit Dach, offen zum Meer. «Später habe ich gedacht: ‹Zum Glück! Es war wunderbar.›» Immer mehr Komfort und immer mehr Sicherheit seien eine zweischneidige Sache, sagt Sturzenegger. «Als Hausärztin erlebe ich oft, mit welchen Ängsten sich die Menschen plagen – dass sich etwas ändern könnte, dass dies oder das passieren könnte. Alles wollen sie absichern. Ich glaube, wenn man immer wieder erlebt, wie wenig es braucht, um Freude zu haben, ist man robuster.»

Anja Jardine Foto: Suzanne Schwiertz

Von Amts wegen extra.

Der Commendatore Molinari aus Civitavecchia war von seinem Produkt überzeugt. Kein anderer Hersteller schaffte es, einen ähnlich feinen Anislikör zu brennen wie er. Dies wollte er amtlich bestätigt haben und nahm Kontakt mit den Behörden auf. Nach eingehender Prüfung gaben ihm die Beamten recht: Sein glasklares Destillat aus Sternanis, grünem Anis und einer streng gehüteten Kräutermischung war einzigartig und musste ausgezeichnet werden. Von diesem Tag an durfte Molinari die Auszeichnung «Extra» im Namen führen. Der Unternehmergeist des Commendatore und das Tradit ionsb ewus s t sein seiner Erben haben Molinari Extra zum meistverkauften Sambuca gemacht. In Italien und weltweit. <wm>10CAsNsjY0MDAx1TU0srQ0MAQAJUNRrw8AAAA=</wm>

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Am Tatort Die Spuren bringen es an den Tag

Ein realer Tatort als Puppenstube. Modelle wie dieses wurden in den 1970er Jahren in Z端rich bei der Ausbildung von Rechtsmedizinern und vor

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Gericht verwendet. Die Geschichte ihrer Entstehung: Seite 40. Die Modelle können erstmalig besichtigt werden, mehr dazu Seite 65.

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CSI Aussersihl Um Verbrechern auf die Spur zu kommen, greifen Zürichs Forensiker zu allen Mitteln: 3D-Laserscanner, Natriumrhodizonat und manchmal zum Reiseföhn. Von Gudrun Sachse

Krimiserien wie «CSI» haben das Bild von der Arbeit der Forensiker etwas «verzerrt», sagt der Leiter des forensischen Instituts Zürich, Peter Pfefferli, und lehnt sich auf seinem Bürostuhl zurück. Anders als die Experten bei «CSI» ist Pfefferli nicht in kaltes grünes Licht getaucht und von flachen Supercomputern eingerahmt, die in hoher Auflösung Leichenteile zeigen. Pfefferli umspielt gräuliches Nachmittagslicht, an den Wänden seines Büros in Zürich Aussersihl hängen ein paar Wimpel. In einem Raum, weit entfernt vom Glanz der TV-Jäger, fragt man sich: Wie arbeiten Forensiker denn wirklich? «Nehmen wir einen Modellfall», sagt Peter Pfefferli: «Eine kleine Zweizimmerwohnung. Auf dem Fussboden vor dem Bett liegt ein Toter. Bekleidet ist er mit einem TShirt, Jeans, die Schuhe sind ihm von den Füssen gerutscht. Er ist Mitte dreissig, neben ihm liegt eine Pistole, Jennings Kaliber 22 Long Rifle, geladen mit vier Patronen, eine Pa­ trone im Patronenlager, zwei Patronenhülsen auf dem Schlafzimmerteppich, ein Einschussloch im Rahmen der Schlafzimmertür, ein Einschussloch in der rechten Schläfe. In der Wohnung herrscht Chaos. Ein Nachbar hat ihn am Abend in der Wohnung gefunden. Die Tür war angelehnt. Selbstmord oder Mord?» fragt Pfefferli. Besteht die Möglichkeit, dass jemand keines natürlichen Todes gestorben sein könnte, rückt der kriminaltechnische Einsatzdienst aus mit einem Kleintransporter, gefüllt mit 15 Koffern mit Spezialgeräten: Pinseln und Pulvern, Taschenlampen und Türzylindern, Gummihandschuhen und Gips. «80 Prozent der Lösung eines Falles geschehen am Tatort bei der Spurensuche und -sicherung», sagt Martin Lory. Vor Ort findet man Männer wie ihn: Ende vierzig, gutsitzendes hellblaues Hemd, wacher Blick, klare Sprache. Lory ist Experte für Schusswaffen und Brände. Seine letzten Fälle führten ihn ins schwyzerische Einsiedeln zum Mann, der Frau und Tochter erschossen hatte, und in den Simplontunnel nach dem Brand eines Güterzugs. Wenn Lory loszieht, ist immer ein Kollege dabei, um Varianten möglicher Tatabläufe zu besprechen, die sich aufgrund der Spuren beweisen oder ausschliessen lassen. Um den Tatort nicht zu kontaminieren, trägt Lory bei der Spurensicherung einen weissen Schutzanzug, Mundschutz und Handschuhe. Im letzten Jahr sicherten die Zürcher Kriminalforensiker Spuren an 3600 Tatorten. Zuerst untersuchen sie den Boden Millimeter für Millimeter mit Taschenlampen nach Schuhspuren. Sie fotografieren mit der Vermessungskamera den Tatort im Überblick und einzelne Details. Systematisch arbeitet sich das Team zum Toten vor. An ihm sichern sie mit einem Watte-

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tupfer Fingernagelschmutz für die DNA-Analyse und drücken Klebebänder – Zone für Zone – auf die Kleider des Opfers. Die Idee, mittels Klebeband Faserspuren oder Haare zu sichern, hatte der Zürcher Botaniker Max Frei-Sulzer Anfang der 1950er Jahre. Seither gehört diese Methode weltweit zum Standard in der Kriminaltechnik. Im Labor durchmustern Fachleute die Klebebänder stundenlang unter dem Stereomikroskop. Weist der gefundene Tote einen Kopfschuss auf, wie in unserem Modellfall, bereitet Lory einen Schmauchtest vor: Er zieht sich zinkfreie Gummihandschuhe über – zinkfrei, da die gängigen Kaliber Zinkbestandteile im Schmauch aufweisen, und alles andere Zinkhaltige den Nachweis der Schmauchspuren verfälschen würde. Am Kopf und an den Händen des Opfers sucht er nach Verbrennungspartikeln des Mündungsfeuers, deren Verteilung Aufschluss darüber gibt, wie weit die Waffe vom Opfer entfernt war, als der Schuss es traf, oder ob der Tote die Waffe gegen sich selbst richtete. Lory legt auf das Einschussloch an der Schläfe ein rundes Stück Löschpapier, das er eine Minute lang andrückt. Dasselbe wiederholt er an den Händen des Toten. Will er dasselbe Verfahren bei Tatverdächtigen anwenden, muss er sich beeilen. Schmauch lässt sich abwaschen und verschwindet durch Reibung. Nur bis vier Stunden nach der Tat lassen sich Spuren davon nachweisen. Noch am Tatort befeuchtet er die Löschblätter mit stark verdünnter Weinsäure und trocknet sie mit einem Föhn. Ein Reiseföhn gehört in ­jeden Einsatzkoffer. Die Schmauchpartikeln sind jetzt angelöst und werden auf den Papier­ oblaten zur weiteren Untersuchung mit ins Institut genommen. Dort sprühen Experten Natriumrhodizonat auf das Filterpapier mit den Partikeln. Mit der Stereolupe und ­einem automatischen Schmauchspuren-Scanner suchen und markieren sie die orange- und weinroten Pünktchen. Ihre Verteilung zeigt, ob und, wenn ja, wie Täter oder Opfer mit der Waffe in Berührung kamen. 1954 werteten Gerichtsmediziner in England und Deutschland erstmals Schmauchspuren aus. An der Technik hat sich seither wenig verändert. Mögen Löschpapier und Föhn altbacken anmuten – die Methode ist international im Einsatz, auch das amerikanische FBI und das deutsche Bundeskriminalamt arbeiten nach ihr. «Seit vierzig Jahren ist sie das Beste», sagt Lory. Wann sich eine Methode ändert, hängt manchmal von zufälligen Laborfunden ab, manchmal ist es ein tüftelnder Mitarbeiter, der herausfindet, dass sich eine ein­seitig klebende, durchsichtige Kunststofffolie für die Schmauchabnahme besser eignet als Löschpapier, so wie kürzlich ein

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Martin Lory feuert in den Schusskanal, wo Baum- und Schafwolle das Projektil auffangen.

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Am Tatort

Berner Kollege. Die Zürcher denken dar­über nach, ihre Koffer umzurüsten. Der Tote in Pfefferlis Modellfall hat ein rundes, dunkles Einschussloch, gleich oberhalb des Ohrs. Die Kugel steckt noch im Kopf, eine Austrittswunde fehlt. Die verwendete Munition 22 LR ist «relativ energiearm», sagt Lory, «wenig geeignet für einen sicheren Suizid». Aus dem Loch ist kaum Blut gesickert, aber die Waffe hat feine Spritzer abbekom­ men, die den Blutspurenspezialisten bereits Hinweise auf den Tatablauf liefern. Befänden sich auch Blutspritzer an den Wänden oder am Boden, liessen sie sich dreidimensio­

Wissenschafter arbeiten am Traum jedes Kriminalisten: Gericht oder Verteidigung können sich virtuell an den Tatort versetzen. nal vermessen: Anhand von Aufnahmen könnte dann der Ursprungsbereich der Blutspritzer berechnet und ein Tat­ ablauf rekonstruiert werden. Solche virtuellen Rekonstruk­ tionen des Tatherganges sind für die Beurteilung durch das Gericht wichtig. Lory erinnert sich an einen Fall, in dem winzige Blutspritzer auf den Hosen des Opfers sowie den Ärmeln des Täters gefunden wurden. Daraus konnten Fachleute rekonstruieren, dass das Opfer kniete; es also hingerichtet wurde. Seit 2006 arbeitet die Zürcher Forensik mit einem 3D-La­ serscanner, der eine Wohnung in zwei Stunden abtastet. Das Gerät sieht aus wie ein kleiner Koffer und wiegt knapp 13 Kilo. Der Scanner dreht sich auf einem Stativ um 180 Grad, der Laserstrahl wird über einen rotierenden Spiegel in vertikaler Achse abgelenkt. Später am Computer bewe­ gen sich die Experten durch eine hochaufgelöste 3D-An­ sicht der Wohnung und markieren darin gefundene Spuren oder sehen sich nachträglich Details in Grossaufnahme an: Sie können die Perspektive wechseln und den Blickwinkel der am Tatort anwesenden Personen einnehmen. 180 000 Franken kostet das Gerät. Die Zukunft sieht aber weit mehr vor. Mit finanzkräftiger Unterstützung aus der Wirtschaft ar­ beiten niederländische Wissenschafter am Projekt «CSI The Hague», dem Traum jedes Kriminalisten: Gericht, Ver­ teidigung oder Anklage sollen den Tatort künftig virtuell begehen können. Dafür setzt sich ein Spezialist ein Gerät auf den Kopf, eine Art Tropenhelm mit zwei seitlich befes­ tigten Scannern, die den realen Tatort detailliert aufzeich­ nen und Spuren vor Ort analysieren. Um den Tatort später anzuschauen, setzt man sich den Helm auf und ist per Knopfdruck mitten im Geschehen. Für Lory keine kühne Zukunftsvision. Vermutlich wird auch er sich in seiner noch bevorstehenden Dienstzeit so an den Tatort zurückversetzen lassen. Die Gefahr dabei: Die modernen Methoden ermöglichen virtuelle realisti­ sche Rekonstruktionen, die zu viele nicht bekannte respek­

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tive nur angenommene Details zeigen, wie beispielsweise Körperhaltungen oder Handlungen. Ein Leitspruch in Zü­ rich lautet: Die Technik ist immer nur das Hilfsmittel. «Wir müssen das Resultat im Zusammenhang des Ablaufes se­ hen und in Versionen denken», sagt Lory, nur so liessen sich Fehler vermeiden. Wie etwa der, der deutschen Ermitt­ lern unterlief. Auf der Suche nach einem vermeintlichen Serientäter folgten sie jahrelang einer Trugspur: Das an 40 verschiedenen Tatorten gefundene identische DNA-Mate­ rial stammte nicht von einem Verbrecher, sondern von der Fabrikarbeiterin, die die Wattestäbchen verpackt hatte, mit denen die DNA-Proben genommen wurden. Immer wieder verleiten DNA-Spuren zu falschen Interpretationen. Auch sie können verschleppt oder übertragen werden oder zu einem anderen Zeitpunkt an den Tatort gelangt sein. DNA enthält die genetische Information des Menschen. Durch Zufall gelang es 1984 dem britischen Humangeneti­ ker Alec Jeffreys von der Universität Leicester, aus mensch­ lichen Zellen ein typisches Genmuster herauszulesen, das für jeden Menschen individuell ist – ausser bei eineiigen Zwillingen. Knapp ein Jahr nach der Entdeckung kam die Methode erstmals zum Einsatz. 1986 wurde das erste spek­ takuläre Verbrechen gelöst, als der genetische Fingerab­ druck bei einem doppelten Sexualmord den Täter über­ führte. Seither konnte Jeffreys’ Methode zahlreiche Fälle lösen, so prominente wie die Identifizierung der Leiche von KZ-Arzt Josef Mengele, aber auch bei langjährig Inhaftier­ ten die Unschuld beweisen. Jeffreys forscht noch immer an der Universität Leicester und gilt heute als Kritiker des in seinen Augen zu leichtfertig angewendeten Verfahrens. Molekularbiologen arbeiten in Rotterdam an einer Me­ thode, die es ermöglichen soll, von einer DNA-Spur auf die äusserlich sichtbaren Merkmale – die Augen- und Haarfar­ be sowie das ungefähre Alter – einer unbekannten Person zu schliessen. DNA-Tests revolutionierten die Kriminalistik, aber sie liefern nur einen kleinen Teil der Informationen, die Exper­ ten bei einem Mordfall verarbeiten. Wichtig sind zum Bei­ spiel immer noch die Fingerabdrücke. Seit 1897 Scotland Yard den ersten Verbrecher anhand von Fingerabdrücken überführt hat, tragen die klügeren unter ihnen Handschuhe. Am Tatort unseres Modellfalls machen Spurensicherer mit Pinsel und Pulver aus gemahlenem Aluminium Finger­ abdrücke am Türrahmen sichtbar. Die Papillarleisten an Händen und Fingern sind bei jedem Menschen einzigartig – und im Gegensatz zur DNA auch bei eineiigen Zwillingen unterscheidbar. Die besten Abdrücke sichern sie auf schwarzer Gelatinefolie. Lory steckt Waffe und Hülse am Tatort in numerierte Klarsichtbeutel, während sein Kollege protokolliert. Etliche Kisten gefüllt mit Beweismaterial wer­ den aus der Wohnung geschafft. Sind alle Spuren um den Leichnam gesichert, kniet sich Sabine Franckenberg für die sogenannte Legalinspektion neben den Toten. Die 31jährige ist Assistenzärztin am In­

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Am Tatort

Sabine Franckenberg vor den 21 Kühlfächern des Instituts für Rechtsmedizin in Zürich.

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Am Tatort

stitut für Rechtsmedizin. Franckenberg entkleidet ihn und überprüft die Haut auf Verletzungen und andere Auffälligkeiten wie Stauungsblutungen in Gesicht, Augen und Schleimhäuten, die etwa bei einer Drosselung entstehen können. Bei unserem Modellfall deutet die Wunde am Kopf darauf hin, dass aus relativ kurzer Distanz geschossen wurde. Aufgesetzt war der Schuss nicht, die Stanzmarke, eine Art «Abklatsch» der Waffenmündung, fehlt. Um das Einschuss-

Mindestens acht Zentimeter tief – rektal – wird die Körpertemperatur des Toten gemessen und mit der Raumtemperatur verglichen. loch ist ein schwärzlicher Schmauchsaum sichtbar. Franckenberg untersucht Schultergürtel, Brustkorb, Becken, Arme und Beine auf Brüche. Dann beurteilt sie die Totenflecken: Menge, Farbe und Verteilung. Weil das Blut der Schwerkraft folgt, entstehen sie normalerweise an tiefer gelegenen Körperteilen und erlauben deshalb festzustellen, ob die Lage des Toten nachträglich verändert worden ist. Die Totenstarre beginnt meist nach 2 bis 3 Stunden in der Kiefer- und Nackenmuskulatur. Nach sechs Stunden geht sie auf den ganzen Körper über und löst sich wieder vollständig nach 36 bis 48 Stunden. Mit einem kleinen Hämmerchen schlägt die Rechtsmedizinerin auf den Armbeugermuskel am Oberarm, um zu prüfen, ob sich auf mechanische Reizung noch eine lokale Muskelkontraktion – spürbar als kleiner Wulst – hervorrufen lässt. Dann untersucht sie Augen und Nasenhöhlen, Gehörgänge, Mundhöhle, Genital- und Analregion. Mindestens 8 Zentimeter tief wird die Körperkerntemperatur des Toten gemessen – rektal – und mit der Raumtemperatur verglichen. Aus der Temperaturdifferenz, den Leichenflecken und der Totenstarre kann die Rechtsmedizinerin den Todeszeitpunkt auf Stunden genau schätzen. Bei stark Fäulnisveränderten immerhin noch auf Wochen, bei Skelettierten nur noch auf Monate oder Jahre. Wenn Rechtsmediziner wegen starker Zersetzung der Leiche an Grenzen stossen, helfen forensische Entomologen. Anhand auf der Leiche gefundener Insekten stellen sie fest, wann eine Person ums Leben kam, ob die Fundstelle der Tatort ist oder wie lange der Körper an einer bestimmten Stelle lag. Ein erster entomologischer Einsatz fand in China im 13. Jahrhundert statt. In einem Reisfeld wurde ein Bauer tot aufgefunden. Am Tatort und an der Leiche fanden sich keine brauchbaren Spuren, einzig die Verletzung, die zum Tod führte, bot einen Anhaltspunkt, sie stammte von einer Sichel. Am folgenden Tag mussten alle Arbeiter des Dorfes ihre Sicheln vorführen, auf einer liessen sich Schmeissfliegen nieder, sie überführten den Täter. Auch in Zürich arbeitet man mit forensischen Entomologen zusammen. Die wenigen Experten weltweit ziehen Rückschlüsse, indem sie Arten, Alter und Stadium der Tiere

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bestimmen. Aus meist Hunderten von Eiern, die Fliegen auf der Leiche abgelegt haben, wachsen Maden heran. Die Maden fressen Leichengewebe, verpuppen sich. Aus den Puppen schlüpfen später Käfer oder Fliegen. Indem der Entomologe das Alter der Insekten bestimmt, lässt sich auch die Lebenszeit der Tiere auf der Leiche bestimmen. Bestatter bringen die Toten vom Tatort in die Rechtsmedizin auf den Zürcher Irchel, wo man sie in Kühlfächer legt. Im schummrig beleuchteten Raum duftet es streng süsslich, nach einer Mischung aus Urin und Veilchen. Seit zwei Jahren werden in Zürich die Toten vor der Obduktion tomographiert. Virtopsie nennt sich diese virtuelle Autopsie mit Hilfe von Computertomographie, Magnetresonanztomographie und 3D-Oberflächenscan. In Bern in den 1990er Jahren entwickelt, ist sie überall dort im Einsatz, wo es die finanziellen Mittel zulassen. Computer- und Mag­ netresonanztomographen sind millionenschwere Investi­ tionen, die sich nur die wenigsten Institute leisten können. Bei der Fahrt durch den Tomographen wird der Körper des Toten schichtweise aufgenommen. Nach jeweils einem halben Millimeter wird ein Foto geschossen. Am Bildschirm bewegt sich die Assistenzärztin Sabine Franckenberg durch ein dreidimensionales Modell des Körpers. Der Schädelknochen wird virtuell entfernt, Gewebe erscheint in unterschiedlichen Farben, und Knochen werden durchsichtig wie Glas. So können organische Veränderungen entdeckt und Knochenbrüche erkannt werden, die einer Tat vorausgingen. Im forensischen Institut steht Beat Keller zwischen Laborgeräten und Chemikalien. Das Labor sei seine «Spiel­wiese», sagt er und geht zu seinem liebsten Stück, dem Cyan­ acrylat-Schrank. Es ist eine Art Ofen, in dem er Fingerabdrücke auf glatten Oberflächen sichtbar macht. Nachdem er das Tatwerkzeug hineingehängt hat, tropft er ein wenig Cyanacrylat – was nichts anderes ist als Sekundenkleber – in ein Aluminiumschälchen, erzeugt im Schrankinnern eine Luftfeuchtigkeit von 70% und erhitzt den Klebstoff auf 130 °C. Die dadurch entstehenden Dämpfe polymerisieren auf dem Gegenstand und verbinden sich mit der Restfeuchtigkeit – dem sogenannten Hydrolipidfilm, der hauptsächlich aus Schweiss und Talg besteht – zur daktyloskopischen Spur. Die Methode sei zwar schon einige Jahre alt, aber «absolut genial», sagt Keller. Der Bedampfungsvorgang dauert 20 Minuten. Keller ist zufrieden, wenn etwa auf dem Waffenlauf ein weisser Fingerabdruck sichtbar wird. Um ihn noch deutlicher hervortreten zu lassen, wird er mit einem lumineszierenden Reagenz eingefärbt. Nicht immer sei der Abdruck klar zu sehen, sagt er. Keller überprüft täglich diverse daktyloskopische Spuren mittels Stereomikroskop oder in einem Bildbearbeitungssystem am Computer auf ihre ­Qualität und Verwertbarkeit. Die gesicherten Fingerabdruckspuren übermittelt er an das Automated Fingerprint

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Am Tatort

Identification System des Bundes (AFIS), wo sie mit dem Datenbestand registrierter Personen verglichen werden. Rund 750 000 10-Finger-, Handballen- und HandkantenDatensätze sind in Bern registriert. Jährlich werden 132 500 Überprüfungen mit Hilfe von AFIS durchgeführt. Auf Kel-

Lorys Arme stecken bis zu den Ellbogen in Schafwolle: «Irgendwo muss es sein», murmelt er und sucht nach dem Projektil. lers Spielwiese wird auch getüftelt. Wie hier entwickeln weltweit Labors ihre Spezialmischungen, manchmal allein des Klimas wegen. Eine Methode, die im Süden funktioniert, kann in nordischen Ländern versagen. Nach der virtuellen Autopsie kommen die Toten auf den Obduktionstisch in einen gekachelten, hell erleuchteten Raum. Sabine Franckenberg trägt Gummischürze und Gummischuhe. Sie durchtrennt mit dem Skalpell die Kopfhaut von Ohr zu Ohr. Dann zieht sie die Kopfschwarte über das Gesicht, das Schädeldach liegt nun frei. Mit einer feinen Knochensäge durchtrennt sie kreisförmig das Dach, entnimmt das Gehirn, schneidet es in Scheiben und begutachtet es. Hat der Tote, wie bei unserem Modellfall, einen Einschuss im Kopf, entscheiden Kugellage und Verlauf des Schusskanals, wie geschnitten wird. Informationen, die Franckenberg durch die Virtopsie erhielt. Das Gewebe im Schusskanal ist aufgeweicht, mit einer Plasticpinzette entfernt sie die kleine Kugel, die zu einem unförmigen metallischen Klumpen verformt ist. Den Toten werden die Organe entnommen und untersucht. Am Schluss löst die Rechtsmedizinerin am ganzen Körper die Haut vom Unterhautfettgewebe und der Muskulatur und klappt sie wie einen Lappen nach unten, um im Weichteilgewebe Verletzungen zu suchen. Eine Obduktion dauert rund vier Stunden. Das aus dem Schädel entfernte Projektil geht per Kurier an Martin Lory und wird im Büro der Kriminaltechnik 2 untersucht. Das Büro mit einer Reihe Computern und einem Bäumchen in der Ecke ist das Herz der Schweizerischen Zentralstelle zur Auswertung von Schusswaffen­ spuren. Hier vergleicht man Waffen- und Munitionsteile aller ungeklärten Schusswaffen­delikte mit sichergestellten Waffen. Im Waffenarsenal liegen und hängen in einfachen Holzschränken über 2000 Handfeuerwaffen, im Keller zusätzlich Langwaffen, wie Schrotflinten und Maschinengewehre. Zürich hat die grösste forensische Vergleichswaffensammlung der Schweiz: Smith & Wesson, Beretta, Walter, Glock, Taurus und dazwischen klein und unscheinbar auch die amerikanische Jennings aus unserem Modellfall. Martin Lory fährt mit dem Lift in den forensischen Beschusskeller. Hier wird getestet, ob eine am Tatort gefunde-

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ne Waffe funktioniert und damit als Tatwaffe überhaupt in Frage kommt. Zudem sollen Schüsse mit Vergleichsmuni­ tion zeigen, ob Projektile und Hülsen mit denen vom Tatort übereinstimmen, denn jede Waffe hinterlässt auf dem Geschoss und der Hülse ihre individuelle Handschrift in Form von feinsten Schartenspuren und Abdrücken. Aus einer Schublade nimmt sich Lory Vergleichsmuni­ tion und steckt sie in das Magazin der Jennings. Er zieht sich Brille und Gehörschutz an. Ein Knall. Der Geruch von Schiesspulver breitet sich im engen Beschussraum aus. Lory beugt sich über den Schusskanal, eine hauseigene Konstruktion aus Eternitplatten, gefüllt mit Baum- und Schafwolle, «eine optimale Konstruktion, um die Kaliber sanft aufzufangen», erklärt er. Lorys Arme stecken bis zu den Ellbogen in Schafwolle: «Irgendwo muss es sein», murmelt er und sucht nach dem Projektil. 5,6 mm Durchmesser haben die Projektile der Jennings Kaliber 22 LR, «verdammt klein». 250 Franken kostet so eine Pistole im Laden, auf der Gasse das Dreifache. Leicht wie ein Handy, teilweise verchromt, «eine Waffe für die Handtasche», sagt Lory, und noch während er sie zu «Trash» erklärt, hat er das Projektil in dem fünf Meter langen Schusskanal entdeckt. Im Büro der Kriminaltechnik 2 untersucht Lory die Projektile aus dem Beschussraum und aus der Rechtsmedizin in einem kleinen Tischscanner. Seit 2004 arbeitet man in Zürich mit einem ballistischen Identifikationssystem. Das System «Evofinder» wird in St. Petersburg in Russland hergestellt und auch vom Bundeskriminalamt in Deutschland benutzt. Der automatische Vergleich mittels Korrelation der Schartenspuren erspart den Forensikern die mühsame Untersuchung der Projektile und Hülsen am Vergleichsmikroskop. Lory liest im Scanner Hülsen und Patronen ein, die Spuren auf Projektilen und Hülsen erscheinen auf dem Bildschirm stark vergrössert als abstrakte Gemälde aus schwarzen und grauen Linien. Es sind Puzzleteile, die Lory und seine über hundert Kol­ legen des Forensischen Instituts in Zürich suchen, auswerten und später zusammenfügen. Da sind vielleicht die Schmauchpartikeln, die einen Selbstmord ausschliessen, da ist vielleicht der Fingerabdruck, schön wie eine Blüte, den der Täter auf dem Magazin der Waffe zurückliess, da sind vielleicht Mikrospuren an der Kleidung des Opfers. Alles nur Indizien. Noch fehlt der Täter. Doch dafür sind in Zürich – anders als in Krimiserien wie «CSI» – nicht auch noch die Forensiker zuständig. Das ist Sache der Ermittler.

Gudrun Sachse ist NZZ-Folio-Redaktorin. Fotos: Julian Salinas, Basel.

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Wo steckt Mr. Rise? Über Monate verfolgte der Sicherheitsexperte Serge Droz einen Kriminellen im Internet. Am Ende stolperte der Betrüger über einen dummen Fehler. Von Tim Schröder

Ganz unten in den Tiefen des Computersystems, in jenem Die Jagd beginnt an einem strahlenden Frühlingssonntag, Programm, das als erstes startet, wenn man den Computer als Serge Droz diese E-Mail erhält: «Hallo Herr Droz, wir anschaltet. Der unbekannte Dritte hat ein Rootkit instalhaben hier Veränderungen in einem gesicherten Bereich liert, ein winziges Softwarepaket, mit dem sich der Compuunseres Computersystems. Schauen Sie sich das doch bitte ter fernsteuern lässt. Fährt der Rechner hoch, gaukelt das an.» Droz ist Leiter der Sicherheitsabteilung bei der Stiftung Programm vor, alles sei normal, zugleich aber lädt das Switch, dem grössten Internetdienstleister für HochschuRootkit die Fernsteuerfunktion. Eine Hintertür öffnet sich, len in der Schweiz. Die E-Mail hat ein Computertechniker durch die der Unbekannte in das gesicherte Computereines Forschungsinstituts geschrieben, das Kunde von system schleichen kann. Droz greift zum Telefon, wählt die Switch ist. Offenbar gibt es ein handfestes Problem: Auf die Nummer des Forschungsinstituts: «Checkt alle eure Comgesicherten Computer haben nur zwei Leute Zugriff. Keiputer.» Nach drei Tagen überblicken die Techniker das ner von beiden hat an den Rechnern gearbeitet. Also muss Ausmass der Infektion: Mehrere ein Dritter über das Internet in den Dutzend Computer sind mit dem Zentralrechner eingedrungen sein. Rootkit verseucht. Am nächsten Morgen fährt Droz ins Forschungsinstitut. Auf den ersNoch weiss niemand, was das geten Blick ist alles in Ordnung. Die hackte Rechnerensemble eigentlich Computer in den Labors arbeiten tut. Droz aber schwant Böses, denn wie immer. Nur eine Kleinigkeit hat Rootkits machen Computer zu willsich in dem gesicherten Rechner fährigen Zombie-Rechnern. Cyberverändert: Eine Datei mit einer neukriminelle versenden damit Spamen Nummer ist aufgetaucht. Eine E-Mails, klauben Bankpasswörter automatische Suchsoftware hat sie zusammen oder die Eingangsdaten am Sonntag gefunden. von E-Bay-Konten. Droz schaut Droz durchsucht den Rechner. sich das Rootkit genauer an. Die Nichts. Ein bekanntes Schadprokleine Ganovensoftware verwischt gramm scheint es nicht zu sein. offensichtlich den Funkverkehr mit Kurzentschlossen schraubt er den dem Steuerrechner, der aus der Computer auf, baut die Festplatte Ferne die Befehle sendet. Für geaus und fährt zurück in sein Büro. wöhnlich protokolliert jeder ComIn seinem Labor wird er die FestStraftat ohne Tatort: Cyberkriminelle puter, wann er mit welchem andeplatte analysieren. hinterlassen weder Fingerabdrücke noch ren Rechner verbunden war. Das Droz ist ein Fährtenleser im virKleiderfasern. Rootkit aber löscht diese Daten. tuellen Raum, im immateriellen Nach drei Tagen gelingt es Droz, die Elektronengewirr des Internets. Er Vernebelungsfunktion auszuschalten. kennt sich aus in diesem globalen Hightech-Abstraktum, in Doch der Unbekannte funkt nicht direkt von seinem Pridem Datenpäckchen mit Lichtgeschwindigkeit durch Glasvatrechner die Computer des Forschungslabors an. Denn faserkabel jagen und ein Tastenbefehl in Rumänien genügt, jeder Computer hat einen individuellen Erkennungscode, um ein fremdes Bankkonto in Zürich zu plündern. Europol die IP-Adresse. Mit dem ersten Kommando würde sich der schätzt die weltweiten finanziellen Verluste durch InternetGauner zu erkennen geben. Er verschleiert darum seine kriminalität auf 750 Milliarden Euro jährlich. Und das BunHerkunft und lässt die Steuerbefehle zunächst über mehredesamt für Polizei registriert schon länger steigende Zahlen re gekaperte Computer springen. Proxys nennt man solche beim Onlinebetrug. Serge Droz und seine Kollegen sichern Zwischenstationen. Spuren an einem Tatort, an dem es weder Fingerabdrücke Droz findet heraus, dass die Zwischenstationen Fornoch Kleiderfasern gibt – im Grunde nicht einmal den Tatschungsrechner an Hochschulen in Europa, Russland, den ort selbst. USA sind. Die Besitzer der gekaperten Rechner wissen nicht, dass man ihre Computer als Proxys missbraucht. Die Datei mit der unbekannten Nummer ist das erste Indiz. «Wir haben die Leute gebeten, ihre verseuchten Computer Droz koppelt die Festplatte an einen Analysecomputer, der zunächst weiterlaufen zu lassen, damit wir weiterfahnden jeden Rechenschritt beobachtet. Tatsächlich ist etwas faul.

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können», sagt Droz. Nach gut zehn Tagen erkennt Droz, dass der Unbekannte nur einige der präparierten Rechner intensiv nutzt, um Spam- und Schadprogramme zu lagern, und dabei hat er seinen ersten entscheidenden Fehler begangen: Er hat die Programme mit einem viel zu schwachen Passwort geschützt. «Nur drei Buchstaben», sagt Droz mit einem Lächeln, «das hatten wir in Minuten gehackt.» Offenbar fühlt sich der Unbekannte allzu sicher. Droz dringt in eines der Softwarelager ein, kehrt den Spiess um und manipuliert das Rootkit des Gauners. So wie sich das Rootkit tief im Computersystem versteckt, so

Endlich ist es so weit. Aus dem Gewirr der Proxy-Verknüpfungen tritt eine Verbindung deutlich hervor – die Datenleitung zum Täter. pflanzt Droz jetzt dem Rootkit selbst einen eigenen, winzigen Schnüffelcode ein. Der meldet Droz, mit welchen Computern das Rootkit Kontakt aufnimmt. Droz will mit­ lesen, über welche Kanäle der Funkverkehr läuft. So weit der Plan. Doch dann passiert lange Zeit gar nichts. Der Unbekannte schickt keine Befehle mehr. Hat er etwas gemerkt? Nein, nach zwei Wochen ist der Gauner wieder online. «Vielleicht war er nur in den Ferien.» Droz protokolliert, wie der Unbekannte Hunderten neuen Rechnern seine Rootkits implantiert. Am Ende sind es gut 2000 Zombies. Er zeichnet eine Art Landkarte mit sämtlichen Verbindungen zwischen den Computern. Bald treten die Hauptachsen zwischen den aktivsten Rechnern hervor. Droz entdeckt auch Onlinearchive mit gestohlenen Kreditkartendaten, und er findet einen Proxy-Rechner, über den der Gangster seine E-Mails verschickt. Erstmals taucht der Deckname des Täters auf, Mr. Rise. Bald liegt die Taktik von Mr. Rise offen: Er klaut Kreditkartendaten, um Geldkarten zu fälschen. Von manchen gekaperten Rechnern verschickt er Phishing-E-Mails an Arglose. «Wir müssen Ihre Kontodaten überprüfen. Bitte tragen Sie hier Geheimnummer und PIN ein.» Die Zahlencodes schickt er weiter an Kartenfälscher. Auch die Drecksarbeit lässt er andere machen: den riskanten Schritt, mit den gefälschten Karten an kamera­ überwachten Bancomaten Geld abzuheben. Money-Mules, Geldesel, heissen diese Helfer. «Ich habe zwei Kinder, das mache ich nicht selbst», mailt Mr. Rise einem Bekannten. Droz liest den E-Mail-Verkehr zwischen Mr. Rise und seinen Kumpanen mit. «Fahre wieder nach Hause nach Rumänien in die Ferien», schreibt Mr. Rise einmal. Vor allem aber schürft Droz weiter in den Verbindungsdaten. Dann endlich ist es so weit. Aus dem Gewirr der ProxyVerknüpfungen tritt eine Verbindung deutlich hervor – die Datenleitung zum Täter. Droz hat den Internetanschluss gefunden, dem alle Steuerkommandos entspringen: einen Anschluss in Amsterdam, so etwas wie die Postadresse von Mr. Rise. Droz informiert die Polizei.

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Wenige Tage später ist Mr. Rise aus dem Internet verschwunden, keine Befehle mehr, die die Zombies erwecken könnten. Der Anschluss bleibt tot. Für Droz ist das sein bisher grösster Erfolg. Was mit Mr. Rise tatsächlich passiert ist, erfährt er nicht. Die niederländische Polizei gibt keine Auskunft. Serge Drozs Jagd nach Mr. Rise fand vor gut fünf Jahren statt. Nur deshalb kann sie hier im Detail erzählt werden. Über aktuelle Fälle sprechen die Experten nicht. Doch das Vorgehen bleibt immer dasselbe, ausser dass Mr. Rise fremden Computern seine Schadprogramme noch von Hand implantierte. Inzwischen kapern sogenannte Bots andere Rechner automatisch und bilden «Botnets». Mittlerweile hat die Polizei in verschiedenen Ländern Botnets mit mehreren Mil­lionen Rechnern hochgehen lassen. Ein Bot funkt automatisch nach Hause, sobald ein infizierter Computer eingeschaltet wird: «Ich bin bereit. Was soll ich tun?» Fach­leute nennen Botnets das Schweizer ­Taschenmesser der Cyberkriminalität: Sie verschicken nicht nur Spams oder klauen Passwörter. Sie starten sogar Grossangriffe auf die Internetseiten von Firmen. Dann geht nichts mehr, die Website bricht zusammen. Heute herrscht auf der dunklen Seite des Internets ­Arbeitsteilung auf hohem Niveau. Da sind die Programmierer, die die Botnet-Software schreiben, oder die Cashiers, die ihr Bankkonto zur Verfügung stellen. Cashiers werden meist mit Spam-E-Mails angeworben: «Haben Sie Lust auf einen Extraverdienst mit freier Zeiteinteilung?» Auch in Second-Hand-Börsen gehen die Bauernfänger auf die Suche nach Cashiers, berichten Fahnder. Da wird an­ geboten, einen Kinderwagen für den doppelten Preis zu kaufen, wenn der Verkäufer so freundlich sei, den Differenz­ betrag abzüglich seiner Belohnung auf eine Bank im Ausland zu transferieren. Das letzte Glied in der Kette sind dann die Money-Mules, die die virtuelle Währung in bare Münze tauschen. Trotz der scheinbar perfekten Organisation sei die Internetkriminalität zutiefst menschlich, sagt Droz. Jeder mache irgendwann einen Fehler. So war es auch beim Kopf der Bredolab-Bande. Einer Gruppe, die zum Schluss 30 Millionen Computer mit der Botnet-Software Marke Bredolab infiziert hatte. Täglich jagten sie drei Milliarden E-Mails mit übler Fracht um die Welt. Der Pate ging den Fahndern im vergangenen Jahr ins Netz, weil seine Freundin mit seinem Laptop Ferienfotos verschickt und damit die entscheidende Spur gelegt hatte. Und Mr. Rise? «Er hat den Fehler ganz am Anfang gemacht», sagt Serge Droz. Die Dateinummer des Schadprogramms. «Er hätte das Rootkit in eine schon vorhandene Datei hineinschreiben müssen, dann hätte es keine neue Nummer und auch keinen Alarm gegeben.» Vielleicht hätte Serge Droz ihn nie gekriegt. Tim Schröder ist Wissenschaftsjournalist; er lebt in Oldenburg (D).

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Leichen im Keller Selbst wenn das Haus eines Serienmörders gereinigt wurde, will niemand darin leben. Warum eigentlich nicht? Von Bruce M. Hood

Im Jahr 2000 schauten sich Alan und Susan Sykes auf Channel 5 im britischen Fernsehen eine Dokumentation über Dr. Samson Perera an, einen Wissenschafter der Universität Leeds, der fünfzehn Jahre zuvor seine dreizehnjährige Adoptivtochter Nilanthie ermordet und zerstückelt hatte. Die beiden waren erst kürzlich in ihr bescheidenes neues Heim in Wakefield, West Yorkshire, eingezogen und fühlten sich in ihrem neuen Zuhause sehr glücklich. Doch während der Sendung stellten sie plötzlich mit Entsetzen fest, dass sie selbst in ebendem Haus wohnten, wo der Mord geschehen war, und sie erfuhren weiter, dass die Polizei seinerzeit nicht alle Körperteile von Nilanthie hatte finden können. Sie zogen sofort aus dem Haus des Grauens aus und verkauften es sechs Monate später mit einem Verlust von 8000 Pfund. Hätten sie um die grausige Vorgeschichte des Gemäuers gewusst, hätten sie es gar nicht erst erstanden, weshalb sie den Vorbesitzer auf Schadenersatz verklagten. Doch obschon der Richter voller Mitgefühl war, entschied er in der Sache gegen die beiden: Der Verkäufer sei nicht zur Mitteilung dieses Sachverhalts verpflichtet gewesen. Die Makler bezeichnen solche Immobilien als «stigmatisiert», weil sie nur schwer verkäuflich sind, und falls doch, erzielen sie einen weit geringeren Wert als eine vergleichbare Immobilie, die nicht mit einem Mord in Verbindung steht. Das Haus, in dem 1994 Nicole Brown Simpson, die ehemalige Ehefrau des American-Football-Spielers O. J. Simpson, zusammen mit ihrem Freund Ronald Goldman umgebracht wurde, war im Folgejahr für 795 000 Dollar zum Kauf ausgeschrieben, wurde aber erst zwei Jahre später für 595 000 Dollar verkauft. Die meisten Leute möchten einfach nicht in einem Gebäude wohnen, in dem jemand auf gewaltsame Weise zu Tode gekommen ist. Die entsprechenden Informationen zu bekommen ist jedoch gar nicht so leicht, denn die Gesetze zur Offenlegung solcher Fakten variieren stark. In Grossbritannien ist man nicht verpflichtet, dem Käufer einen Mord mitzuteilen, wohl aber, ob man mit dem Nachbarn im Streit liege. Woraus man schliessen muss, dass bestehende Zwistigkeiten mit Nachbarn dort stärker ins Gewicht fallen als eine Vorgeschichte von Mord und Totschlag. In den USA gibt es in etwa der Hälfte der Teilstaaten Gesetze, die den Verkäufer zur Offenlegung eines Mords in der Immobilie verpflichten, allerdings nur, wenn der Käufer ausdrücklich danach fragt. Und selbst dann müssen nur solche Das Haus in Beverly Hills, in dem am 9. August 1969 die Ehefrau von Roman

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Polanski, die Schauspielerin Sharon Tate, und ihre Freunde umgebracht worden waren. Es wurde später abgerissen.

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Gewaltverbrechen angegeben werden, die im letzten Jahr oder in ähnlich kurzen Zeiträumen verübt wurden. In Hawaii dagegen ist der Makler zur Offenlegung aller Informationen verpflichtet, die den Wert der Immobilie beeinflussen könnten, beispielsweise dass ein Haus von Geistern heimgesucht wird. In der Schweiz indes besteht weder von Seiten des Maklers noch des Hausbesitzers eine Auskunftspflicht darüber, was sich in dem Objekt zugetragen hat. Der Käufer muss fragen und kann nur darauf hoffen, eine ehrliche Antwort zu erhalten. Dass Objekte durch Mord an Wert verlören, sei

Das Zimmer, in dem Uwe Barschel tot in der Badewanne aufgefunden wurde, war Ziel von Tatorttouristen. kein Thema, heisst es beim Hauseigentümerverband. Dass sich einer, der «eher esoterisch veranlagt ist», gegen das Objekt entscheide, sei möglich, sagt man dort, die meisten aber kauften es, bauten es um und würden darin glücklich, «Vorgeschichte hin oder her». Das Zimmer 317 im Genfer Luxushotel Beau Rivage wurde auch umgebaut. Der Raum, in dem der deutsche Politiker Uwe Barschel 1987 in der Badewanne tot aufgefunden wurde, war später ein populäres Ziel von Journalisten und Tatorttouristen. Jahrelang hat das Hotel merkwürdige Besucher abwimmeln müssen, bis der Besitzer des «Beau Rivage» die Zimmer 317 und 318 zu einer Juniorsuite zusammenlegen und die Räume neu einrichten liess. Im Zuge der Renovierung entsorgten Bauarbeiter die Badewanne. Die Schauplätze mancher berühmten Mordfälle sind zu Touristenattraktionen geworden. Scott Michaels bietet unter dem Titel «Dearly Departed: The Tragical Mystery Tour» (Verehrte Verblichene: Eine tragische Entdeckungsreise) Stadtrundfahrten zu den Örtlichkeiten in Hollywood an, wo Stars ihr Leben ausgehaucht haben. Ein Ausflug der besonderen Art heisst «Helter Skelter»: Für 50 Dollar werden die Teilnehmer an die Orte geführt, an denen die von Sektenführer Charles Manson in Auftrag gegebenen Gewaltverbrechen begangen wurden, darunter der Mord an der schwangeren Schauspielerin Sharon Tate, der damaligen Ehefrau von Roman Polanski. Nachdem Manson und seine Bande verhaftet worden waren, wurde Polanskis Haus abgerissen, aber Scott Michaels führt gern an die Stelle, wo das Haus stand, und verschenkt als Zückerchen ein Stückchen Stein, das er angeblich vom Cheminée des zerstörten Gebäudes gerettet hat. Die meisten Gebäude, in denen berüchtigte Morde verübt wurden, werden später abgerissen. Die Oxford Apartments in Milwaukee, USA, in denen Jeffrey Dahmer während seiner Schreckensherrschaft als Serienkiller von 1978 bis 1991 zahllose junge Männer schlachtete und ass, wurden ebenso dem Erdboden gleichgemacht wie das Haus in

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Soham, England, in dem Ian Huntley 2002 zwei Schulmädchen ermordete. An der Stelle von Dahmers ehemaliger Wohnstätte steht heute ein Parkhaus, und über Huntleys Stätte des Tötens in Soham ist buchstäblich Gras gewachsen. Nachbarn und Gemeinde wollen keine sichtbaren Überreste in ihrer Gegend haben, die an das begangene Verbrechen erinnern. Aber der Abriss von Gebäuden mit Kainszeichen hat vielleicht noch andere Gründe als nur die Beseitigung eines unerwünschten Denkmals. Vor Jahren besuchte ich Cromwell Street 25 im englischen Gloucester, wo Fred West mehr als ein Dutzend junger Frauen, darunter seine eigene Tochter, brutal ermordet und anschliessend im Keller und im Garten vergraben hatte. Bevor das Haus 1996 abgerissen wurde, stand es unter permanenter Polizeiüberwachung, um zu verhindern, dass Sammler Souvenirs aus dem Haus entwendeten. Danach wurde der Bauschutt abgetragen und auf mehrere geheimgehaltene Deponien verteilt. Als Myra Hindley, die Serienmörderin und Komplizin des «Moormörders» Ian Brady, mit dem sie mehrere Kinder bestialisch ermordet hatte, 2002 im Gefängnisspital starb, wurde ihr Bettzeug entfernt und verbrannt. Warum sammelt jemand Souvenirs vom Schauplatz eines Mordes? Ich glaube, die Antwort auf diese Frage liegt in unserer sonderbaren Neigung, alle möglichen Objekte zu sammeln, die mit berühmten Ereignissen oder Menschen in Beziehung stehen. Für ein Schnipsel von dem Stoff, aus dem Prinzessin Dianas Hochzeitskleid genäht wurde, wurden 2000 Dollar bezahlt. Ein von Britney Spears ausgespuckter Kaugummi wurde bei E-Bay für mehrere Hundert Dollar versteigert. Warum geben Leute gutes Geld für solche vollkommen wertlosen Dinge aus? Indem wir Devotionalien von Berühmtheiten erwerben, identifizieren wir uns mit diesen Leuten. Bereits vor über hundert Jahren vermerkte der amerikanische Psychologe William James, dass der Mensch sein Selbst als die Summe seiner Besitztümer begreife, und Russell Belk, Professor für Marketing an der York University in Kanada, hat unsere Leidenschaft für Dinge als «Erweiterung des Selbst» beschrieben – als das Bedürfnis, anderen unsere materiellen Vorlieben vorzuführen. Aber es geht nicht nur um den Besitz von Devotionalien. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass Menschen mit einem Hang zu Souvenirs auch einen stärkeren Drang verspüren, diese Dinge festzuhalten und zu berühren. Es reicht nicht aus, das Bewunderte zu betrachten oder zu besitzen. Wenn wir mit einem Gegenstand gefühlsmäs­ sig verbunden sind, verspüren wir auch das Bedürfnis, ihn zu berühren. In unseren Forschungen haben wir die psychischen Mechanismen untersucht, die durch Gefühls­ objekte ausgelöst werden. Die Ursprünge dieses Verhaltens können bis auf unsere sentimentale Bindung zu Stofftieren und Schnüffeltüchern in der Kindheit zurückverfolgt werden. Etwa die Hälfte der in westlichen Haushalten aufge-

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Am Tatort

uns eingehauchte Essenz kann durch Berührung übertra­ gen werden, weshalb wir in physischen Kontakt mit ihm treten möchten. Der Essentialismus erklärt auch unsere Reaktion auf Dinge, die wir mit gefürchteten oder verabscheuten Ereig­ nissen verbinden. Der Psychologe Paul Rozin von der Uni­ versity of Pennsylvania hat nachgewiesen, dass Leute nur ungern Kleidungsstücke eines Mörders berühren oder an­ ziehen. Ein Grund dafür könnte darin bestehen, dass wir befürchten, die Essenz des Bösen könnte uns wie ein Virus anstecken und moralisch verderben. Von einem evolutionären Standpunkt aus erscheint es vernünftig, den Kontakt mit Leuten zu vermeiden, die ei­ nem potentiell Schaden zufügen können. Andere Autoren vertreten die Auffassung, wir zögen die Kleidung eines Mörders nur wegen der dadurch ausgelösten Assoziatio­ nen ungern an, aber laut unseren Forschungen fühlen sich die Menschen körperlich schmutzig, nachdem sie Kleider getragen haben, die einem Mörder gehörten. Der blosse Anblick solcher Kleider reicht nicht aus, eine solche Reak­ tion auszulösen, was nahelegt, dass es hier nicht um blosse Assoziation geht. Aber wenn unser Faible für Orte und Gegenstände tat­ sächlich in essentialistischen Überzeugungen gründet, weshalb faszinieren uns dann jene Dinge, die mit gewalt­

wachsenen Kinder bilden eine emotionale Bindung zu sol­ chen Objekten aus, was vermutlich darauf zurückzuführen ist, dass man sie in einem gesonderten Raum schlafen lässt. In asiatischen Gesellschaften, wo die Kinder bis ins mitt­ lere Kindesalter bei ihren Müttern schlafen, sind solche Bindungsobjekte weit weniger verbreitet. Die frühe Tren­ nung von der Mutter führt wahrscheinlich zu einem Ver­ halten der Selbsttröstung, das sich in der Regel auf die in der Wiege verfügbaren weichen Objekte konzentriert. Die Objekte nehmen jedoch schon bald einzigartige Qualitäten an und lassen sich nicht mehr durch identische Kopien er­ setzen. So wie eine glücklich verheiratete Person sich wei­ gern würde, ihren Ehering durch ein identisches Exemplar zu ersetzen, so halten wir auch andere gefühlsmässig be­ setzte Objekte aufgrund einer nicht reproduzierbaren Ei­ genschaft für unersetzlich. Unsere Forschung hat gezeigt, dass die Authentizität dieser Gefühlsobjekte einen psychischen Mechanismus wachruft, den man Essentialismus nennt: die Unterstellung einer unsichtbaren, einzigartigen Eigenschaft, die über die mate­ rielle Zusammensetzung des Objekts hinausgeht. Kunst­ werke, Devotionalien und andere mit Gefühlen besetzte Objekte rufen alle die Vorstellung hervor, ihnen wohne eine verborgene Dimension inne. Diese dem Objekt von

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Am Tatort

Nicht alle empfinden gegenüber solchen Objekten oder Häusern des Schreckens gleich. Manche reagieren sehr empfindlich auf das Wissen, dass an einem Ort etwas Böses passiert ist, andere wiederum glauben, sie verfügten über die psychische Macht, mit den Geistern der Verstorbenen Kontakt aufzunehmen. Meiner Ansicht nach sind manche von uns einfach anfälliger für jene allgemeine essentialistische Neigung, Orten und Dingen verborgene Eigenschaften zuzuschreiben, die gar nicht existieren. Falls Sie von dieser Neigung vollkommen frei sind, könnten Sie beim nächsten Hauskauf ein Schnäppchen machen. Aber bedenken Sie, dass Sie Schwierigkeiten haben könnten, ihr Haus wieder los zu werden.

samen Todesfällen in Verbindung gebracht werden? Ist die Angstlust, die diese schaurigen Dinge erregen, nur die Kehrseite des Sammelns von Devotionalien? Im Englischen spricht man von «murderabilia», um den Handel mit Mordsouvenirs zu bezeichnen. Ich entsinne mich gut, wie sehr ich als Kind Dinge genoss, vor denen ich mich fürchtete. Ein Teil dieser Lust bleibt uns wohl auch als Erwachsenen erhalten. Weshalb sonst sollten wir uns an Horrorfilmen, Spukschlössern und Museen des Schreckens erfreuen? Viele Jugendliche machen in der Adoleszenz eine Phase der Rebellion durch, in der sie sich schwarz kleiden, finstere Musik hören und vom Tod fasziniert sind. Manche überwinden dieses Stadium nie und beginnen später echte Todesdevotionalien zu sammeln. Die Behörden sind zunehmend besorgt über die Profite, die durch den Internethandel mit Gegenständen aus Straftaten gemacht werden. Das Internetauktionshaus E-Bay schliesst den Verkauf solcher Objekte in den Geschäftsbedingungen aus, und viele Länder haben den Handel damit verboten; dennoch existieren immer noch zahlreiche Websites, die das Bedürfnis nach dem Besitz solcher Dinge befriedigen. Auf einer Website wird ein von Jeffrey Dahmer signierter Brief für 3000 Dollar angeboten. Eine Locke von Charles Mansons Haar ist derzeit für 5000 Dollar zu haben.

Bruce M. Hood leitet die Abteilung für experimentelle Psychologie an der Universität Bristol (GB). Übersetzung: Robin Cackett, Berlin. Literaturhinweise: Bruce M. Hood, Übernatürlich? Natürlich! Warum wir an das Unglaubliche glauben (Spektrum Heidelberg 2010). Ioannes Lisa van Eget, Über Wasser gehen – 50 Jahre im Kloster? (Freiburg 1963).

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Einbrechern auf der Spur

Einbruch im Vergleich mit anderen Straftaten Mit einem Anteil von 10 % gehört der Einbruchdiebstahl zu den häufigsten Straftaten in der Schweiz. Nur 13 % davon werden aufgeklärt. Noch tiefer ist die Aufklärungsrate beim Velodiebstahl. Brandstiftung, Vergewaltigung und Tötung sind weit seltener, die Täter werden aber öfter gefunden (Schweiz 2010).

Wo wird eingebrochen?

Ziel sind öfter Mehr- als Einfamilienhäuser (Schweiz 2010).

Wie wird eingebrochen? Die Hälfte aller Einbrüche finden im Umkreis von 2 km der Wohnung des Täters statt.

Viele Einbrecher bevorzugen diese Route: Elternschlafzimmer, andere Schlafzimmer Erwachsener, Wohnbereich (Wohnzimmer, Esszimmer, Büro), Küche. Kinderzimmer werden gemieden. Grafik: Ole Häntzschel,

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Wann wird eingebrochen?

Wenn die Tage kürzer werden, kommen die Einbrecher. Im Sommer ist Flaute (Zürich 2010).

Alle 10 Minuten wird in der Schweiz ein Einbruch verübt. 50 210 Mal im Jahr 2010. Berlin. Mitarbeit: Susanne Vetter. Recherche: Reto U. Schneider. Quellen: British Journal of Criminology, Universität Kopenhagen, Bundesamt für Statistik, Kantonspolizei Zürich.

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Barbies Albtraum Am Institut für Rechtsmedizin in Zürich wurden in den 1970er Jahren seltsame Puppenstuben gebaut: Modelle von ­realen Tatorten samt Bettchen, Blutspuren und Minileichen. Von Reto U. Schneider

An einem Morgen im September 1973 rückten Beamte der Zürcher Polizei aus, um einen seltsamen Fall zu untersuchen. Um sieben Uhr war ein 47jähriger Kranführer erhängt im Treppenabgang zum Keller seiner Wohnung gefunden worden. Aussergewöhnlich daran war, dass die Leiche zwölf Wunden am Kopf aufwies, die teilweise bis auf den Schädel reichten. Als Tatwerkzeug kam ein blutverschmierter Fäustel in Frage, der im Zimmer des Verstorbenen neben einer Blutlache lag. War hier ein Mord geschehen, der als Selbstmord getarnt werden sollte? Oder hatte sich der Mann die Verletzungen selber beigebracht und sich dann erhängt? Wäre er dazu mit der Kopfverletzung überhaupt in der Lage gewesen? Weil der Fall so viele Rätsel aufgab, war auch Jacques Bürgi an den Tatort gekommen. Normalerweise arbeitete Bürgi als Präparator am Gerichtlich-Medizinischen Institut der Universität Zürich und ging nicht vor Ort. Er assistierte bei Obduktionen, legte Knochen frei, präparierte Körperteile für die Verwendung als Beweismittel vor Gericht. Dass der Direktor des Instituts, Hanspeter Hartmann, ihn trotzdem zur Wohnung des Kranführers schickte, hatte mit Bürgis Vergangenheit zu tun. Er war Möbelschreiner gewesen, bevor er das Fach wechselte. Und niemand eignete sich besser für die bevorstehende Aufgabe als ein Möbelschreiner. Bürgi schaute sich die Stelle an, wo der Strick hing, ging in das Zimmer mit dem Blut, vermass die Möbel und zeichnete einen Plan. Dann verschwand er in seiner Werkstatt und baute, was am Institut «Bäbistube» hiess, ein Modell des Tatorts samt Miniaturschränken und Vorhängen, Tatwaffen und Leichen. Wer die Polizeifotos mit dem Modell vergleicht, versteht, warum Bürgis Frau ihn manchmal einen «pingeligen Cheib» nennt. Der Kalender an der Wand, die Uhr neben dem Bett, die Blutspur, die sich vom Zimmer zur Kellertreppe zieht, der Knoten am Strick, alles findet sich originalgetreu verkleinert im Modell wieder. Neun solche Puppenstuben hat Bürgi zwischen 1970 und 1985 geschaffen. Bis auf eine, die verschollen ist, lagern alle im Keller des rechtsmedizinischen Instituts. Jacques Bürgi ist heute 81 Jahre alt, und er erinnert sich gut an seine Modelle. Zum Beispiel an jenes ganz vorne im Regal, eine Berglandschaft mit einem Chalet. «Das war der mit dem Gas», sagt er und zeigt durch die Plexiglasabdeckung auf die kleine Gasflasche im Haus. Auf dem Tisch steht eine Miniaturschreibmaschine mit einem fingernagelgrossen Blatt Papier eingespannt: der Abschiedsbrief. Der Mann, der ihn geschrieben hatte, hatte beim Sterben so viel Pech wie im Leben. Er wollte sich im Chalet mit Gas umbringen, wusste aber offensichtlich nicht, dass das gewählte Flüssig-

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gas nicht besonders giftig war. Er verlor anscheinend die Geduld und zündete sich eine Zigarette an, worauf das ­Gas-Luft-Gemisch explodierte. Mit schweren Verbrennungen schleppte er sich zum Auto 200 Meter unterhalb des Hauses, wo er die Abgase mittels eines Gartenschlauchs ins Innere leitete und schliesslich starb. Aus einer stattlichen Limousine am Ende der Treppe, die zum Chalet führt, ragt eine halbverkohlte Puppe. «Das Auto stimmt nicht genau überein, das richtige gab es nicht im Spielzeugladen.» Bei der indischen Holzvase auf dem englischen Buffet einer anderen Wohnung musste hingegen alles stimmen: Sie war die Tatwaffe. «Ich habe sie selbst gedrechselt und bemalt», sagt Bürgi. Schwarz und Gold und zuletzt ein bisschen Rot für das Blut. Der Wohnungsbesitzer hatte einen «aus einer Verwahrungsanstalt entwichenen» 19jährigen Mann zum Übernachten eingeladen, wie es in der Beschreibung heisst, und ihn «unsittlich betastet». Darauf schlug ihn dieser mit der Holzvase bewusstlos, stahl 900 Franken und flüchtete, wurde aber später gefasst. Was er dachte, als er sein Verbrechen vor Gericht in einer Puppenstube vorgeführt bekam, wissen wir nicht, dürfen aber annehmen, dass es eine bizarre Erfahrung war. Den Anstoss, Tatorte als Miniaturen nachzubauen, gab Hanspeter Hartmann, der das rechtsmedizinische Institut von 1969 bis 1988 leitete. Einige der Modelle sollten den Geschworenen eine klare Vorstellung vom Ort des Verbrechens geben. Wenn ein Bild mehr sagt als tausend Worte, dann sagt ein Modell mehr als tausend Bilder. Die meisten dienten jedoch als Anschauungsobjekte in der Ausbildung. Zu jedem Modell gibt es einen Ordner mit Aufgaben: «Was hätten Sie getan, wenn Sie als Arzt zu dieser Situation ge­ rufen worden wären?» oder «Handelt es sich nach Ihrer Meinung um einen Suizid oder einen Mord?» Es gibt Rechtsmediziner, die sich damit brüsten können, ihr Staatsexamen an einem Puppenhaus abgelegt zu haben. Zur Aufklärung der genauen Umstände trugen die Modelle hingegen kaum bei. Bei den meisten Fällen war bald klar, dass es Suizide waren. Wie der 1988 verstorbene Hartmann auf die Idee gekommen war, daran kann sich am Institut niemand erinnern. Aber es ist offensichtlich, dass der Bau von Tatortmodellen im Denken von Rechtsmedizinern eine gewisse innere Logik hat. Wer Beweisstücke archiviert und Körperorgane präpariert, will auch Tatorte konservieren. Bloss haben die meisten gerade keinen Möbelschreiner, der ihnen zur Hand geht. Vielleicht war Hartmann auch auf die Arbeit der Amerikanerin Frances Glessner Lee aus den 1940er Jahren gestos­

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Oben: Was geschah im Hinterzimmer? Unten: Unfall oder Selbstmord? (Fallbeschreibungen S. 46)

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Oben: Warum sind die Kleider des Opfers angesengt? Unten: Wie kam die Leiche in den Wald? (Fallbeschreibungen S. 46)

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Oben: Mord oder Selbstmord? Unten: Ist das Opfer lebendig verbrannt? (Fallbeschreibungen S. 46)

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Am Tatort

sen. Glessner Lee war eine exzentrische Millionenerbin aus Chicago, die in ihrer zweiten Lebenshälfte eine Leidenschaft für die Rechtsmedizin entwickelte. 1931 finanzierte sie an der Harvard-Universität einen Lehrstuhl für Rechtsmedizin und begründete zwei Jahre später die Bibliothek des Instituts mit Tausenden seltener Bücher, die sie zum Thema gesammelt hatte. Obwohl sie nie eine Ausbildung in Rechtsmedizin genossen hatte, wurde sie zur Beraterin des Department of Legal Medicine in Harvard. Nachdem ihr aufgefallen war, dass die Studenten kaum Möglichkeiten hatten, das Vorgehen am Tatort zu üben, begann sie, Tatorte als Puppenstuben im Massstab 1:12 zu bauen. Anders als Bürgis Bäbistuben kamen diese nie vor Gericht zum Einsatz. Die Fälle, die Glessner Lee in ihren Dioramen darstellte, waren nicht authentisch, sondern aus verschiedenen Verbrechen zusammengestückelt. Heute stehen die 18 Puppenstuben im Amt

Studies of Unexplained Death» von Corinne May Botz, zitiert wird. Erst nach dem Tod ihrer Eltern wandte sie sich der Rechtsmedizin zu. Jacques Bürgi kommt aus einer Arbeiterfamilie. Seinen wahren Berufswunsch, Chirurg, wagte er als Jugendlicher nicht auszusprechen. Um seinem Traum zumindest nahe zu sein, wollte er Krankenpfleger werden. Doch dazu brauchte er eine Lehre oder die Matur. Also wurde Bürgi Möbelschreiner und legte damit unwissentlich den Grundstein für seine spätere Tätigkeit als Tatortmodellbauer. Nach der anschliessenden Ausbildung zum Krankenpfleger wollte er in den Operationssaal, doch es war kein Ausbildungsplatz frei. Bürgi landete in der Pathologie des Kantonsspitals Zürich, wo er 15 Jahre blieb. 1965 wechselte er ans rechtsmedizinische Institut. Meistens baute Bürgi die Modelle nachts. Zwanzig bis dreissig Stunden dauerte es, bis eines fertig war. Wenn er sich unter dem Schein der Werkstattlampe über die Wohnung des erhängten Kranführers beugte und die kleine Parkbank vor dem Fenster grün strich oder ein paar Blutspritzer in die Puppenbadewanne tupfte, überfielen ihn dieselben widerstrebenden Gefühle wie die Betrachter seiner Werke.

Das Puppenhaus ist der Inbegriff der heilen Welt. Seit es Puppenhäuser gibt, spielen Kinder darin intakte Familien in ordentlichen Zimmern, deren schlimmstes Ungemach der Vater ist, der zu spät von der Arbeit kommt. In einem Jacques Bürgi war prädestiniert dazu, die Tatortmodelle zu bauen. Bevor er als Präparator Puppenhaus Leichen und Blut am Institut für Rechtsmedizin arbeitete, war er Möbelschreiner gewesen. zu verteilen ist wie im Zebragehege den Löwen loszulassen. Selbst Bürgi, der die Unordnung in den Räumen nach den Fotos der Spurensicherung für Gerichtsmedizin von Maryland in Baltimore. Sie sollen nachbildete, hatte manchmal den Drang, aufzuräumen. dort immer noch in der Ausbildung verwendet werden. Bei zwei Modellen malte er einen Hintergrund: satte grüne So unterschiedlich die Leben von Frances Glessner Lee Wiesen, Berggipfel mit etwas Schnee, blauer Himmel. Imund Jacques Bürgi auch scheinen, sie haben eine übermer ist es schönes Wetter, wenn das Grauen über die Pupraschende Gemeinsamkeit: Beiden war verwehrt, ihren penwelt hereinbricht. Es ist der Kontrast zwischen Form Traumberuf zu ergreifen, und nur aus diesem Grund gibt es und Inhalt, der irritiert. heute ihre einzigartigen Tatortmodelle. Glessner Lee kam Wie exakt Bürgi die Tatorte nachbildete, hing davon ab, zwar aus reichem Haus und wurde als Kind von Privatlehwelche Aspekte bei einem Verbrechen wichtig waren. Beim rern unterrichtet, doch Ärztin durfte sie nicht werden. Ein Chalet zum Beispiel waren es nicht die Zimmer, sondern es Universitätsstudium kam für ihre Eltern nicht in Frage. Ihr war die lange Treppe vom Haus zum Auto. Eigentlich Vater war der Meinung, das gehöre sich nicht für eine mussten die Details nur so weit korrekt sein, wie sie für den Dame. Sie war unglücklich verheiratet, hatte Kinder und Fall eine Rolle spielten, doch Bürgi nahm es immer sehr gehörte zur «Kategorie reicher Frauen, die nicht genug zu genau. Beim Fall eines Wirtes, der sich im Hinterzimmer tun haben», wie sie im Buch über ihre Arbeit, «The Nutshell

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Am Tatort

seines Restaurants das Leben genommen hatte, baute er einen Liftschacht mit herausziehbarer Liftkabine, obwohl der Lift für die Lösung des Falles unerheblich war. Auch die Tür am Haus des Kranführers ist mit allen Beschlägen, Holzverzierungen und dem geschmiedeten Gitter im Modell auferstanden. «Man hätte es natürlich einfacher haben können», sagt Bürgi halb entschuldigend, halb stolz, dann zieht er einige Kisten aus dem Gestell und blickt hinein, «irgendwo müsste eigentlich noch der Schädel liegen». Bürgi hat nicht nur die Puppenstuben gebaut, sondern am Seziertisch auch den Schädel des toten Kranführers präpariert. Die Frakturen zeigten, dass er sich selbst mit dem Hammer auf den Kopf geschlagen hatte und sich danach erhängte. Die Protagonisten seiner Minidramen kaufte Bürgi im Laden. Sie bestimmten den Massstab der Modelle. Es sind fingergrosse Plasticpüppchen, die hier ihr Leben liessen, und in zwei Modellen ist es Ken. Einmal liegt er als blutüberströmter Wirt im Hinterzimmer des Restaurants mit dem Lift, und gleich zwei Kens geben tote Schreiner in einer Holzwerkstatt – arme Barbie. Auch Autos, Badewannen und Puppenschuhe kaufte Bürgi in Spielzeuggeschäften. «Ich habe natürlich nicht gesagt, was ich damit vorhabe.» Die Kleider für die Puppenleichen nähte seine Frau. Auch Erna Bürgi hatte von klein auf ein Faible für die Medizin. Schon als Kind schaute sie sich gerne Anatomiebücher an. Kennengelernt hat sie ihren Mann an einem Instruktorenkurs des Militärsanitätsvereins. Wenn Bürgis Modelle etwas gemeinsam haben, dann, dass sie keine glamourösen Fälle darstellen. Keine von langer Hand geplanten perfekten Morde, keine Taten in der besseren Gesellschaft, für die man Inspektor Columbo ruft. Es sind Alkoholiker und entlaufene Zöglinge, Depressive und Verzweifelte, die seine Puppenstuben bevölkern. Bei den beiden Toten in der Schreinerei – einer mit abgeschnittenem Arm, der andere mit einem Kehlmesser in der Brust – stellte sich heraus, dass es sich um einen Suizid mit anschliessendem Unfall handelte: Der eine Schreiner nahm sich das Leben, indem er sich mit der Fräsmaschine den Arm abschnitt, der andere verletzte sich tödlich, als er ihm helfen wollte. Wenn Bürgi wieder einmal eine der malträtierten Figuren in die fertige Puppenstube legte, ertappte er sich hin und wieder beim Gedanken, dass auch er zu diesen gescheiterten Existenzen gehören könnte. Bürgis Mutter starb bei seiner Geburt, die zweite Frau seines Vaters habe ihn nie geliebt. «Ich könne nichts und sei nichts wert, hat sie ständig zu mir gesagt.» Noch in der Lehre zum Möbelschreiber verliess er sein Elternhaus. «Eher verrecke ich im Strassengraben, als dass ich zu dir zurückkomme», hatte er seiner Stiefmutter als letztes gesagt. Bis er eine Bleibe gefunden hatte, übernachtete er im Heustock eines Bauern. Der Lehrmeister wusste von nichts. Auf die Frage, woher er die Kraft ­genommen habe, seine Lehre abzuschliessen und dann

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gleich noch eine zweite als Krankenpfleger dranzuhängen, schweigt er einen Augenblick, dann sagt er: «Ich habe einfach gedacht, denen zeige ich es jetzt.» Vielleicht war es auch die Leidenschaft für alles, was mit Medizin zu tun hat, die ihn antrieb. Im Militär brachte er es bei den Sanitätern zum Adjutanten, dem höchsten Grad, den ein Nichtarzt damals erreichen konnte, später unterrichtete er Krankenschwestern und begleitete in seiner Freizeit Patienten auf Autotransporten der Rega. Und natürlich sammelt Bürgi nicht Briefmarken, sondern Ambulanzfahrzeuge. Dutzende davon stehen in der Vitrine in seinem Wohnzimmer. Es ist möglich, dass Bürgis und Glessners Tatortpuppenstuben die einzigen sind weltweit. Jedenfalls wusste keiner der angefragten Experten von weiteren Beispielen. Eine andere Art von Modellen, wie sie offenbar in Kanada hin und wieder verwendet werden, sind Nachbauten aus Plexiglas von grossen Gebäuden, um Geschworenen die Wege von Tätern und Opfern zu veranschaulichen. Doch die Herstellung solcher Modelle ist teuer, und mehr und mehr werden wohl Computer ihre Aufgabe übernehmen. Bürgi hingegen steigt auch heute noch regelmässig in seine Holzwerkstatt hinab, um einen Weinflaschenhalter, einen Gewürzständer und immer wieder den Stall zu Bethlehem zu bauen.

Reto U. Schneider ist stellvertretender Redaktionsleiter von NZZ Folio. Fotos: Patrick Rohner, Zürich. Die Tatortpuppenstuben können am Freitag, 16.  September, von 8 bis 18 Uhr und am Samstag, 17. September, von 9 bis 16 Uhr im Hauptgebäude der NZZ an der Falkenstrasse 11 in Zürich besichtigt werden.

Die Fälle auf den Bildern: Unfall oder Selbstmord (S. 18 / 19, S. 41 unten)? Tathergang im Text. Was geschah im Hinterzimmer (S. 41, oben)? Die Serviertochter fin­ det den Wirt an einem Samstagmorgen blutüberströmt auf der Couch im Büro der Bar. Der Tote weist Schnittwunden an beiden Handgelen­ ken auf. Ein Fleischermesser liegt am Boden. Der Verstorbene war zweimal geschieden und verschuldet. Es gibt keine Spuren von Fremd­ einwirkung. Der Wirt hat sich das Leben genommen. Warum sind die Kleider des Opfers angesengt (S. 42, oben)? Tat­ hergang im Text. Wie kam die Leiche in den Wald (S. 42, unten)? Der nackte Körper einer Frau wird im Wald gefunden. Etwa einen Kilometer entfernt liegen ihre Kleider. Der an den Füssen haftende Schnee deutet darauf hin, dass die Fusssohlen unterkühlt waren, die Frau also längere Zeit durch den Wald gegangen sein muss. Die geistig verwirrte Frau zog sich of­ fenbar selbst aus und verirrte sich darauf im Wald, wo sie erfror. Mord oder Selbstmord (S. 43, oben)? Tathergang im Text. Ist das Opfer lebendig verbrannt (S. 43, unten)? Nachdem ein Brand gemeldet worden ist, findet die Polizei in einer Wohnung eine angekohl­ te Leiche, um deren Hals eine Pyjamajacke geknotet wurde. Der Mann liess sich von einem Kumpan nach Hause bringen. Dort schlug ihm dieser einen Stock auf den Kopf, würgte und fesselte ihn und suchte nach Geld. Um die Tat zu vertuschen, legte er einen Brand. Da in der Luftröhre kein Russ gefunden wurde, starb der Mann wahrscheinlich an einer Kohlenmonoxidvergiftung, bevor ihn das Feuer erreichte.

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«Mein Sohn schlägt mich» Am gefährlichsten ist es nicht im Wald oder nachts auf der Strasse, sondern daheim. Protokolle einer ganz ­normalen Woche von fünf Zürcher Opferberatungsstellen. Von Gudrun Sachse

Montag: Kinderspital – 044 266 76 46 Gegen Morgen wird es noch kühler. Und das im Sommer. Als wäre es ein Omen für diesen Tag. Seit 23 Jahren ist ­Ulrich Lips Leiter der Kinderschutzgruppe und Opferbera­ tung des Kinderspitals Zürich. Der Arzt studiert die Proto­ kolle vom Wochenende: Samstag, 18 Uhr: Herr D. bringt seine 2 Jahre alte Toch­ ter Jasmin in die Notfallstation. Jasmin lebt nach der Schei­ dung bei ihrer Mutter, zusammen mit deren neuem Part­ ner. Herr D. hat ein 14tägliches Besuchsrecht. Nach der Übernahme von der Mutter am Freitag fiel ihm ein Bluter­ guss an der Nasenwurzel auf. Herr D. will Jasmin am Sonn­ tagabend nicht mehr zu ihrer Mutter zurückbringen und erwartet ein entsprechendes Schreiben. Die Ganzkörper­ untersuchung von Jasmin ergibt keine weiteren Spuren oder Verletzungen. Der Streit um das Sorgerecht. Fälle, die stark zunehmen und kaum je lösbar sind. Eine Woche später wird die Mut­ ter mit Jasmin im Spital erscheinen, auf einen blauen Fleck zeigen und sagen: «Mein Exmann …». Sonntag, 23 Uhr: Denise, 16, wird von der Polizei ange­ meldet und in die Notfallstation gebracht. Sie hat sich am Nachmittag mit Freundinnen und ihr Unbekannten am Bahnhof aufgehalten. Bis 16 Uhr kann sie sich an alles er­ innern. Sie trank Wodka und Red Bull, nahm aber keine Drogen. Danach weiss sie nichts mehr. Spät in der Nacht erwachte sie mit blutverschmierten Unterhosen auf einer öffentlichen Toilette. Passanten riefen die Polizei. Um 23.30 Uhr wurde notfallmässig die Kinder- und Jugendgynäkolo­ gin zugezogen. Das Jungfernhäutchen ist verletzt, am übri­ gen Körper finden sich keine Verletzungen. Montag, 11 Uhr: Laura, 15, wird in die Notfallstation ge­ bracht. Sie klagt über Schmerzen am rechten Oberarm. Laura wird vom Vater immer wieder geschlagen, ebenso ihre Mutter. Die Untersuchung ergibt neben einem Bluter­ guss am rechten Oberarm und Striemen am Rücken keine frischen oder bereits wieder geheilten Knochenbrüche. Die sichtbaren Hautverletzungen werden fotografisch doku­ mentiert. Verwahrlosung, Vernachlässigung, körperliche und see­ lische Misshandlungen. 2010 wurden Lips 487 Fälle von Kindesmisshandlung gemeldet. Allein in der ersten Jahres­ hälfte wurden fünf Babies mit Schütteltrauma in die Not­ aufnahme des Kinderspitals gebracht. «So viele wie in kei­ nem Jahr zuvor.» Ein anderes Kleinkind hatte am Körper starke Verbrühungen. Die Ärzte vermuteten eine Haut­ krankheit. «Es gibt Misshandlungen, die halten selbst wir für unmöglich», sagt Lips. Wenn er in all diesen Jahren et­

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was gelernt hat, dann, dass jeder Täter sein kann, dass sich kein Mensch hinter die Fassade blicken lässt. Selten erfährt er, was aus Opfern und Tätern wurde. Der Mann, der sein Kind verbrühte? «Ja, der sitzt jetzt», sagt er. Ein wenig Recht. Von Gerechtigkeit spricht hier niemand. 14 Uhr: Die Eltern eines 5jährigen Mädchens aus dem Tessin, das wegen eines bösartigen Nierentumors zur Be­ handlung hospitalisiert ist, verweigern die Therapie. Die onkologische Oberärztin verlangt eine dringende Beratung mit der Kinderschutzgruppe. Die Chance, dass Mara mit kombinierter medizinischer Therapie geheilt wird, liegt bei 90 Prozent, ohne Therapie wird sie innert Monaten sterben. Das Gespräch der Kinderschutzgruppe mit den Eltern bleibt erfolglos. Ulrich Lips erstattet Meldung an die Vor­ mundschaftsbehörde. «Nein, so etwas habe ich in all den Jahren noch nie erlebt», sagt er. «Eltern, die ihr Kind lieber sterben lassen, obwohl ihm geholfen werden könnte.» Dienstag: Beratungsstelle für Frauen gegen Gewalt in Ehe und Partnerschaft – 044 278 99 99 2010 starben in der Schweiz 26 Personen in der Folge einer Gewalteskalation in den eigenen vier Wänden. 16 000 Straf­ taten wurden in diesem Zusammenhang angezeigt. Hinter jeder statistischen Zahl steht ein Mensch, einige wenige da­ von kennt Eva Glaus. Die Psychologin ist eine von elf Mitar­ beiterinnen bei der Beratungs- und Informationsstelle für Frauen gegen Gewalt in Ehe und Partnerschaft. 1270 Fälle werden dort jährlich behandelt. Das Sitzungszimmer hat einen kleinen Balkon. Manch­ mal stellt sich Glaus hier ins Freie und atmet tief durch. Seit das Gewaltschutzgesetz es vorschreibt, nimmt sie nicht nur Anrufe entgegen, sondern ruft auch bei den Opfern zu ­Hause an. Namen und Nummern hat sie von der Polizei bekommen. Sie hilft, indem sie zum Beispiel über Gewalt­ schutzmassnahmen aufklärt, darüber etwa, wie eine Weg­ weisung des Täters verlängert werden könnte. Es geht auch um Kriseninterven­tion und die Vermittlung von juristi­ schen Informationen. Das Opfer sei nicht immer die vom Mann abhängige Migrantin. «Die Hälfte der Betroffenen sind Schweizerinnen. Nur harren die meist nicht so lange aus wie Frauen, denen nach einer Trennung oft die Ab­ schiebung droht.» 9 Uhr: Frau M. wurde von ihrem Mann mit dem Messer bedroht. Sie war im Frauenhaus und ist jetzt wieder da­ heim. Die Küche ist noch blutverschmiert vom letzten Ge­ waltausbruch ihres Mannes. Sie weiss nicht, wie weiter. 9.35 Uhr: Frau S. wird von ihrem Expartner durch SMS belästigt, er passt sie am Wohn- und Arbeitsort ab, bedrängt

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Am Tatort

sie und hält sie fest. Sie möchte die Gewaltschutzmassnahmen verlängern lassen. 10 Uhr: Frau G. wird heute aus dem Spital entlassen. Sie will nicht mehr zurück zum Partner. Er ist Alkoholiker und unberechenbar, schreit sie aus dem Nichts an, bedroht sie: «Ich schmeisse dich aus der Wohnung» und demütigt sie: «Du taugst zu nichts.» 14 Uhr: Frau K. wird von ihrem Exmann mit dem Tod bedroht. Sie hat panische Angst. 15.15 Uhr: Frau E. wird seit Jahren von ihrem Mann geschlagen und misshandelt, er droht, sie und die Kinder umzubringen. 15.30 Uhr: Frau T. meldet, dass ihre Nachbarin, eine Mutter von fünf Kindern, seit Jahren vom Ehemann bedroht und massiv beschimpft wird. 16 Uhr: Frau M. vom Vormittag. Sie ist dabei, die Wohnung von den Blutspuren zu reinigen. Sie möchte keine Putzfirma, die ihr dabei hilft. Es soll keiner mitbekommen, was bei ihr zu Hause vor sich geht. Mittwoch: Opferberatung Zürich – 044 299 40 50 Seit einigen Monaten sind die Räume der Opferberatung umgebaut. Möbel von USM Haller, Sessel als Farbtupfer in Orange, Gelb und Grün, wie Blumen, die aus dem trendigen Zementboden spriessen. «Gespendet», sagt die Sozialarbeiterin und Leiterin der Fachstelle, Elsbeth Aeschlimann, «die Dankestafel haben Sie gesehen?» Ein Reflex. Als hätte man ihr schon oft gesagt, dass für Opfer das Einfachste genüge. Hier kümmert man sich um Opfer von Gewalt und ihre Angehörigen, um Stras­senverkehrsopfer sowie sexuell missbrauchte und geschlagene Männer. Zehn Beraterinnen und Berater bekommen jährlich 1400 Lebensgeschichten zu hören. Die meisten von Männern zwischen 30 und 64 Jahren. Nebst Anrufen und persönlichen Gesprächen werden Abklärungen mit Polizei, Staatsanwaltschaft, Versicherungen und Arbeitgebern gemacht. Ausserdem stellt die Opferberatung, wie andere Beratungsstellen auch, Gesuche für Entschädigungs- und Genugtuungszahlungen. 2010 bezahlte der Kanton Zürich aus dem Opferhilfefond rund 3 Millionen Franken aus. 8 Uhr: Frau M., 44, wird von ihrem 19jährigen Sohn mit der Waffe bedroht. Zuerst dachte sie, es handle sich um eine schlechte Phase, doch die Situation wird immer schlimmer. Ihr Sohn hat die Lehrstelle verloren und sitzt nur zu Hause vor dem Fernseher oder ist mit Freunden im Ausgang. Sie vermutet, dass er auch Drogenprobleme hat. Der Sohn hat immer wieder aggressive Ausraster und bedroht sie. 9.45 Uhr: Die Eltern einer im November 2010 bei einem Verkehrsunfall getöteten 25jährigen Frau kommen zu einem Beratungsgespräch. Sie leiden schwer an dem Verlust. 9.55 Uhr: Die Opferberatung kontaktiert Herrn Z. Er wurde zum wiederholten Male von seinem 23jährigen

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Sohn tätlich angegriffen. Ein Nachbar verständigte die Polizei. Die Polizei informierte die Opferhilfestelle. 11.10 Uhr: Herr B., 30, wurde am Wochenende nach einem Clubbesuch von einer Gruppe junger Männer mit Faustschlägen und Fusstritten traktiert, bis er zu Boden ging. 11.30 Uhr: Frau A., 50, wurde an ihrem Arbeitsplatz in einem Tankstellenshop Opfer eines bewaffneten Raubüberfalls. 14 Uhr: Herr A. wird seit längerer Zeit von seiner Frau geschlagen. Alle Versuche, Konflikte durch Gespräche zu regeln, eskalieren. Ihm fehlt zunehmend die Energie, seiner Arbeit nachzukommen. 14.45 Uhr: Herr C. ist Koch. Bei der Arbeit wurde er von einem Kollegen mit dem Küchenmesser bedroht. Er hat seither täglich Angst, zur Arbeit zu gehen. Eine Kündigung kann er sich aber nicht leisten, da er seine Familie ernähren muss. Ein Gespräch mit seinem Vorgesetzten hat noch keine Lösung gebracht. 17 Uhr: Herr M., 27, fragt per E-Mail an, ob er für ein Gespräch vorbeikommen dürfe. Herr M. wurde als Kind missbraucht. Donnerstag: Castagna – 044 360 90 40 Regula Schwager erzählt vom Mädchen, das von Klassenkameraden auf dem Schulweg ausgezogen und im Intimbereich berührt wird. Gefährlicher als der Schulweg sei aber das Mittagessen daheim, sagt sie. Und sie erzählt vom Jungen, der nach der Schule am Heizkörper festgebunden wird, um seinen Vater zu befriedigen, von sexueller Gewalt an Babies – «machen Sie es wie ich, stellen Sie sich keine Bilder dazu vor, dann halten Sie es aus». In über 90 Prozent der Fälle kommt der Täter aus dem sozialen Umfeld der Kinder. Regula Schwager ist Psychologin bei Castagna, einer Beratungsstelle für «sexuell ausgebeutete Kinder, weibliche Jugendliche und in der Kindheit ausgebeutete Frauen». 1100 Betroffene oder ihre Bezugspersonen melden sich hier im Jahr. Der Grossteil der Opfer sind zwischen 10 und 17 Jahre alt, ein Drittel jünger. 9.30 Uhr: Frau S. ruft an. Ihre 5jährige Tochter wurde von einem 18jährigen Jungen aus der Nachbarschaft sexuell belästigt. Er zwang sie, ihn im Intimbereich zu berühren. 10 Uhr: Kindergärtnerin H. Ein Mädchen, 5, sagt, dass ihr Vater sie im Intimbereich berührt und ihr Schmerzen zugefügt habe. 11 Uhr: Frau Z., 40, kommt vorbei. Ihr Mann konsumiert Kinderpornographie. Sie hat Angst um ihre Kinder, fürchtet, dass ihrem Mann als Kick bald nicht mehr nur Bilder genügen. 13 Uhr: Denise, 15, wurde auf dem Nachhauseweg von einem Unbekannten belästigt. Ein Exhibitionist versperrte ihr den Weg und masturbierte vor ihr. 15 Uhr: Frau B. Sie hat weitere Hinweise entdeckt, dass ihr 6jähriger Sohn vom Vater sexuell missbraucht wird.

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Am Tatort

Freitag: Nottelefon – 044 291 46 46 Maja Fringeli lässt zwei Assugrin in ihren Kaffee fallen. Die Psychologin ist die erste heute früh. Die Zeitung hat sie «selektiv» gelesen, wie immer, seit sie hier arbeitet. Vergewaltigungen überblättert sie, davon habe sie im Alltag genug. Sie ist eine von sechs Expertinnen der Beratungsstelle Nottelefon für Frauen gegen sexuelle Gewalt. Alle arbeiten sie Teilzeit, die Belastung wäre sonst zu gross. Ein gutes Team sei wichtig, sagt sie, und die regelmässige Supervision. Letztes Jahr meldeten sich 866 Personen, die nach dem Telefongespräch oft zu einer persönlichen Beratung vorbeikommen. Dann wird der vierte Stock in einem unscheinbaren Geschäftshaus an der Langstrasse für eine Stunde zum Ort der Sicherheit. 9 Uhr: Frau B., 44, sagt den vereinbarten Termin ab. Sie ist zu Hause beim Putzen vom Stuhl gefallen, ihr Mann fährt sie jetzt ins Spital. Frau B. kam letzte Woche weinend in die Beratung. Ihr Mann schlägt sie seit Jahren. Sie möchte ihn verlassen. Am

Zum Glück hat die Mobiliar auch Lebensversicherungen.

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Telefon klingt Frau B. verschnupft. Sie sagt, ihr Mann habe versprochen, sich zu ändern, sie habe ihm ein Ultimatum gestellt, wenn er sie wieder verprügle, verlasse sie ihn. Sie brauche keinen Termin mehr. 10 Uhr: Frau L., 45, ruft an. Ihr Ehemann quält sie. Sie darf das Haus kaum verlassen, keine Kontakte pflegen. Er gibt ihr kein Geld für sie und die gemeinsamen Kinder. Sie weiss nicht, wovon sie leben soll. Wenn er nach Hause kommt, schlägt er sie und beschimpft sie als Nutte. Das Kind, das sie in wenigen Tagen bekommt, entstand, als er sie wieder einmal vergewaltigte. 10.30 Uhr: Frau B., 22, arbeitet als Cabarettänzerin. Während der Arbeit wurde sie von einem Kunden im Séparée zu Sex gezwungen. Der Mann hielt ihr ein langes Messer an den Hals. Niemand kam ihr zu Hilfe. Sie hat sofort Anzeige bei der Polizei erstattet, war im Spital zur Untersuchung, nimmt nun HIV-Prophylaxe ein. Nächste Woche reist sie in ihre Heimat nach Russland zurück. 11 Uhr: Frau H. 25, wurde vor drei Jahren an ihrem Arbeitsplatz, einem Theater, von ihrem Vorgesetzten sexuell belästigt. Er bedrohte sie mit einer Waffe, um sexuelle Handlungen zu erzwingen. Sie hat bisher mit niemandem darüber gesprochen. Seit einem Monat verschlechtert sich ihr psychisches Befinden, sie hat Flashbacks und reagiert ihrer Familie gegenüber aggressiv.

16 Uhr: C., 17, wurde im Dorf von mehreren Jugendlichen vergewaltigt. 16.30 Uhr: Herr M., 50. Sein 13jähriger Sohn missbraucht die 3jährige Tochter. Er weiss nicht, wie weiter.


Am Tatort

11.30 Uhr: Anonym: Eine Frau ruft weinend an. Im Januar wurde sie von einem Fremden vergewaltigt. Seither zerfällt ihr Leben. Sie hat zu trinken begonnen, ihre Arbeitsstelle und Wohnung verloren. Sie weiss nicht mehr weiter. 13.30 Uhr: Herr T., 25. Seine Partnerin wurde vor zwei Jahren im Urlaub vergewaltigt. Er macht sich grosse Sorgen, da es ihr nach wie vor sehr schlecht geht. Die Beziehung leidet massiv unter ihrem Befinden und Verhalten. 14 Uhr: Frau E., 22, willigte in eine arrangierte Ehe ein. Ihr zukünftiger Ehemann vergewaltigte sie beim ersten Treffen im Ausland. Sie heiratete ihn dennoch, um ihre Ehre wiederherzustellen. Er bedrohte sie weiterhin psychisch und sexuell. Vor kurzem trennte sie sich von ihm und zeigte ihn an. Der Mann ist zu seiner Familie in die Türkei zurückgekehrt. Frau E. wartet auf das Resultat eines HIV-Tests. Sie arbeitet 100 Prozent, obwohl es ihr sehr schlecht geht. 15 Uhr: Frau G., 41, wurde von einem Arbeitskollegen vergewaltigt. Sie hat Ekelgefühle, Angstzustände und Flashbacks. 16.30 Uhr: Frau W., 39, kommt für eine Beratung vorbei. Sie erlebt sexuelle Übergriffe durch den Hausabwart. 17.30 Uhr: Frau J., 19, fühlte sich von einer Kontaktanzeige im Internet angesprochen und vereinbarte ein Blind Date. Sie traf sich mit dem Täter im Café. Da er ihr sympathisch war, gingen sie in seine Wohnung, um etwas zu kochen. Dort vergewaltigte er sie. Mit den Opfern werden Sicherheitsmassnahmen besprochen. Sie werden psychosozial und juristisch beraten. Manchmal über längere Zeit. Bis die Frauen sich beim Nottelefon oder bei der Polizei melden, vergehen Tage, Monate, manchmal Jahre. Sexuelle Belästigung verjährt nach 3 Monaten, eine Vergewaltigung nach 15 Jahren. In über 80 Prozent aller Fälle ist der Täter der Frau bereits bekannt. Erstattet eine Frau Anzeige, geht Maja Fringeli auch mit zur Staatsanwaltschaft, wo die Opfer in stunden-, manchmal tagelangen Einvernahmen schildern müssen, wo die Hand des Täters lag, wann und wie er die Hose öffnete, wie und wo er sie berührte. In den 30 Jahren, in der es die Beratungsstelle Nottelefon gibt, habe man lediglich zwei Falschanzeigen erlebt. Abends versucht Fringeli die Leben von Frau H. und Frau E. abzustreifen wie einen Mantel. Doch manch eine Geschichte gleitet nicht so einfach über ihre Schultern. Glaubt sie, dass Frau B. heute früh wirklich vom Stuhl gefallen ist? «Wissen Sie, möglich ist alles.»

«Ich bin nicht Kunde bei Wegelin & Co., weil die nur mit Wasser kochen.» Miraculixl

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Gudrun Sachse ist NZZ-Folio-Redaktorin.

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Jaeggis Fall 1976 erschüttert der fünffache Mord von Seewen die Schweiz. Polizist Max Jaeggi lässt der Fall auch nach 35 Jahren nicht los. Von Jost Auf der Maur

Die Welt befand sich im Frühling 1976 in vertrauter Unordnung. Die Spinnerei Burlington in Arlesheim kündigte die Schliessung und den Verlust von 200 Arbeitsplätzen an. In der Tongrube von Frick AG war ein Saurier entdeckt worden. Im Gefängnis Stuttgart Stammheim fand man die RAF-Terroristin Ulrike Meinhof erhängt in ihrer Zelle. Abba spielte den Song «Fernando». Und nach einem regnerischen Mai wurden die Wetterprognosen für die Schweiz günstiger. Auf den Strassen glänzten Pfützen, als am Pfingstsonntag, dem 6. Juni 1976, endlich eine strahlende Sonne am Himmel stand. Die berühmten Kirschen im Baselbiet und im Schwarzbubenland waren reif, geplatzt im Regen, verschwendeten ihren roten Saft auf die Erde. In Solothurn schlug es von St. Urs und Viktor die Stunde, 12 Uhr mittags. Kurz darauf kehrte Max Jaeggi heim und setzte sich an den gedeckten Tisch. Der Mann mit dem Schnurrbart freute sich auf das Sonntagsessen, seine Frau ist eine gute Köchin. In ihrem Einfamilienhaus am Rande von Solothurn herrschte heiterer Frieden. Die drei Kinder genossen es, ihren Vater daheim zu haben. Zwei Monate lang war Jaeggi unterwegs gewesen, mit der Swissair. Ein sogenannter Tiger, ein fliegender Polizist in Zivil. Max Jaeggi, 40, arbeitete bei der Fahndung der Kantonspolizei Solothurn. Habichtsaugen. Bekannt dafür, dass er kein Gesicht je vergass. Ehemaliger Ringer, Mitglied der Nationalmannschaft, Teilnehmer an der Weltmeisterschaft 1959 in Teheran. Die Reise mit dem Zug kostete 600 Franken, alles selber berappt. Alles längst vorbei. Jetzt sass der Fahnder mit seiner Familie beim Mittagessen. Es war halb eins, als das Telefon schellte. Am selben Mittag, in Luftlinie nur 30 Kilometer in nordöstlicher Richtung entfernt, in einem Dorf des romantischen Waldenburgertals, rieb sich das junge Liebespaar Röbi und Anita den Schlaf aus den Augen. Es war ruhig im Haus, Anitas Eltern ausgeflogen. Am Abend zuvor hatten die beiden im Basler Kleintheater Fauteuil das Programm «Emil träumt» erlebt. Es war spät geworden. Sie brauten Kaffee und freuten sich auf ein ausgedehntes Frühstück mit Aussicht auf die zwei freien Pfingsttage. Robert Siegrist, 21, kaufmännischer Angestellter, strich sich die schulterlangen Haare aus dem Gesicht. Das Brot aus dem Dorfladen duftete. Ein perfekter Tag. Da verstummten sie mit einem Mal, hielten inne, beunruhigende Geräusche waren zu hören, leise, aber eindeutig im Haus. Wenige Stunden zuvor, am Morgen jenes Pfingstsonntags, wartete Röbis Schwester, Esther* Siegrist, in Basel auf ihre Eltern. Sie wollten den Tag zusammen verbringen. Ihr Am 5./6. Juni 1976 wurde das heimelige «Waldeggli» in Seewen zum Ort des

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Grauens: Vier Leichen im Haus, das fünfte Opfer lag auf der Veranda.

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Am Tatort

Vater hatte seit einigen Jahren eine kleine, propere Hütte am Waldrand bei Seewen im Schwarzbubenland. Wie zwei Dutzend andere Naturfreunde in der Gegend auch, nicht legal errichtet und erst noch in der Juraschutzzone, aber herzig. Er nannte die Hütte «Waldeggli». Sie hätte auch in einem Schrebergarten stehen können. Die Gemeindever­ waltung drückte beide Augen zu. Eugen Siegrist störte sich aber am Pfad entlang dem Waldrand, weil der eng an sei­ nem illegalen Häuschen vorbeiführte. Darum schaufelte er im Wald eigenmächtig eine Umgehung frei. Auf eine Tafel am Häuschen hatte er geschrieben: «Überlege deine Tat gut, wenn du hier abbrechen solltest, der Besitzer hat dir nichts zuleide getan.» In den vier Ecken der Tafel hatte er das Totenkopfzeichen angebracht. Esthers Eltern schienen sich verspätet zu haben. Der grüne Opel Ascona mit dem schwarzen Vinyldach tauchte nicht auf. Sie ging zum Telefon, drehte die Wählscheibe –

nach Westen blickenden Fensters standen offen, sonst war alles verriegelt, der Opel fehlte. Ganz und gar unüblich. Ru­ hig war es. Keine Regung. Esthers Begleiter sagte: «Schau, die Kirschen sind reif.» Überreif. Überall waren rote Tropfen im Gras zu sehen. Die Sonne lachte. Auf der kleinen Veran­ da sahen sie ein Bündel, ein Etwas unter einem Teppich. Esther Siegrist und ihr Bekannter beschlossen, das «Wald­ eggli» nicht zu betreten, sondern umzukehren. Ihnen war es unheimlich geworden. Da stimmte etwas nicht. Auf dem Polizeiposten in Dornach machten sie Meldung. Zwei Polizisten rückten aus. Auf dem Banholz kletterten sie aus Vorsicht und der besseren Übersicht wegen auf ei­ nen Hochsitz, von dem aus sonst Jäger ahnungsloses Wild überraschten. Lugten durch ihre Feldstecher. Und ent­ deckten, dass neben dem Etwas unter dem Teppich auf der Veranda zwei matt schimmernde Patronenhülsen lagen. Im Gras konnten sie eine dicke Blutlache ausmachen. Sie stiegen herab, näherten sich behutsam dem «Waldeggli», schlugen auf der ebenerdigen Veranda den Teppich zurück und fanden eine weibliche Lei­ che. Sie spähten durch das Fenster ins Häuschen, drück­ ten die Scheibe ein und ent­ deckten am Boden zwei weite­ re Tote. Die Polizisten lösten Alarm aus.

Als Fahnder Max Jaeggi in So­ lothurn den Telefonhörer auf die Gabel gelegt hatte, kehrte er nicht zurück an den Ess­ tisch. Er wurde dringend ge­ braucht. Das Pikettfahrzeug stand vor dem Haus. Er mied die Autobahn wegen des Die Polizei suchte die Umgebung des Tatorts minutiös ab. In einem Weiher fand sie mehrere Portemonnaies. Wie sich herausstellte, hatten sie mit der Tat nichts zu tun. Pfingstverkehrs, nahm den Weg über Balsthal, fuhr zügig vorbei am Gasthof zum Reh. Oben in der Haarnadelkurve beim «Alpenblick» hatten die und hörte nur den Rufton. Darauf machte sich Esther Sieg­ Ausflügler den Parkplatz vollgestellt, liessen es sich gutge­ rist auf den Weg zum Elternhaus an der Marschalkenstras­ hen auf der Aussichtsterrasse. Jaeggi fuhr durch den Schei­ se, nahe beim Stadion des Sportclubs Old Boys Basel. Es teltunnel und hinab nach Nunningen, bog vor dem Toten­ war niemand zu Hause. Der Opel stand nicht da. Esther rief gässli rechts ab, nahm Bretzwil, liess den Mühlemattweiher einen Bekannten an und bat ihn, sie nach Seewen zu brin­ links liegen. Seewen. Jaeggi stoppte oben am Waldrand, gen. Das kleine Dorf liegt am Südhang des Dorneckberges hundert Meter vom «Waldeggli» entfernt. Die Kollegen hat­ zwischen Birs­ und Oristal. 450 Haushaltungen. Die Fahrt ten sich eine erste Übersicht verschafft. über Münchenstein, Dornach, Duggingen dauerte 30 Mi­ Das Ergebnis war erschütternd. Es waren nicht drei, es nuten. In Seewen zweigt von der Dorfstrasse ein asphaltier­ waren fünf Tote. Offensichtlich aus geringer Distanz getötet ter Fahrweg ab und führt auf die Anhöhe des Banholzes. durch Schüsse in den Kopf. Vier Opfer befanden sich im Am Waldrand angekommen, mussten sie über die Kuhwei­ Innern des «Waldeggli». Das fünfte auf der Veranda, in den de zum Häuschen der Eltern Siegrist fahren. Teppich gehüllt, war Elsa Siegrist, 62, die Mutter von Esther Das knöchelhohe Gras war noch feucht. Über dem Well­ und Röbi. Drinnen im Häuschen lagen Eugen Siegrist, 60, blechdach des dunkel gebeizten «Waldeggli» hing schlaff seine Schwester Anna Westhäuser, 80, im Geräteschuppen die Schweizer Fahne. Die Fensterläden eines der beiden

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Am Tatort

die Söhne Emanuel, 52, und Max Westhäuser, 49. Ein Sui­ zid war beim ersten Augenschein bei keiner der Leichen erkennbar. Die Tatwaffe fehlte. Eine Nachbarin hatte zwar am Samstagnachmittag Schüsse gehört, war aber davon nicht aufgeschreckt. In der Nähe gibt es einen Schiessstand. Bauern hatten zudem Schreckschussanlagen eingerichtet, um Vögel von den Kirschen zu scheuchen. Max Jaeggi schloss den Kofferraum des Pikettfahrzeugs auf, klappte das mobile Büro nach aussen, brachte die Her­ mes Baby in Position und eröffnete das «Journal Mord­ büro». Sieben Durchschläge. Bei ihm liefen jetzt die Fäden zusammen. Die ersten Stunden nach einer Tat, das ist eine alte Erkenntnis, sind für die Fahndung besonders wichtig. Schnelles Handeln ist gefragt, aus klaren Fragen ergeben sich Aufträge. Wo etwa ist das Auto? Wo ist die Tatwaffe? Ein Netz wird ausgeworfen. In einem so gravierenden Fall ist ein Beziehungsdelikt immer ein starker Ermittlungsan­

«Ganz deutlich hörten wir Schritte, direkt vor der Türe un­ seres Zimmers. Sekunden später bewegte sich die Türklin­ ke, und eine fremde Männerstimme forderte uns auf, sofort zu öffnen», schreibt Robert Siegrist in seinen Erinnerungen. «Zu unserem Schrecken hörten wir, dass sich draussen eine zweite Person befand. Uns wurde angst und bange. War das ein Raubüberfall?» Es waren Kriminalpolizisten des Korps von Basel­Landschaft, und es war die erste Festnahme im Mordfall Seewen. Röbi und Anita wurden intensiv verhört und während der Alibiüberprüfung in Untersuchungshaft gesetzt. In den Nachrichten um 18 Uhr vom Pfingstsonntag erfuhr die Schweiz von dem Verbrechen und von den Fest­ nahmen. Die Wucht der Nachricht erwuchs aus der Kalt­ blütigkeit der Tat, aus der Zahl der Toten, aus dem unbe­ kannten Motiv. Und die Schweiz war nicht mehr ganz jene Schweiz, die sie vor Pfingsten 1976 gewesen war. Die NZZ schrieb vom «schwersten Ver­ brechen in der Kriminalge­ schichte» des Landes. Jetzt gab es so etwas auch bei uns, nicht nur in Amerika.

Max Jaeggi und zwei Dutzend weitere Beamte bildeten die Sonderkommission. Der Wis­ senschaftliche Dienst der Stadtpolizei Zürich und das Gerichtsmedizinische Institut Bern wurden sofort beigezo­ gen. Der Tatort war auf eine Fläche von 9 mal 13 Metern konzentriert. Die Chance, dass der Fall aufgeklärt werden würde, schien intakt. Die bes­ ten Leute waren im Einsatz. Im Saal des Restaurants Zwanzig Jahre und drei Monate nach der Tat, im Herbst 1996, entdeckte ein Handwerker in einer Liegenschaft in Olten die Tatwaffe, Briefe, Fotos und weitere Dokumente, die Carl Sonne in Seewen wurde ein Doser gehörten. Er gilt seither als Haupttatverdächtiger. Von ihm fehlt jede Spur. Kommandoposten eingerich­ tet. Der Weg von der solothur­ nischen Exklave Schwarzbubenland über die Jurahöhe satz. Esther Siegrist war trotz dem schrecklichen Ereignis in nach Solothurn war eben doch zu weit, gefühlsmässig zu­ der Lage, Auskünfte über die nächsten Verwandten und mindest. Der Druck auf die Polizei durch Politik und Öf­ Bekannten zu geben. Täterprofile bei Gewaltverbrechen fentlichkeit war enorm. Die Fahnder verlangte es nach zeigen, dass neun von zehn Tötungsdelikten von Männern Nähe zum Tatort. Als ob da etwas wäre, was zu ihnen spre­ zwischen 20 und 60 Jahren verübt werden. chen könnte. Noch ahnte Max Jaeggi nicht, dass er von jetzt Robert Siegrist, Esthers Bruder, war 21. Zudem meldeten an während fünfeinhalb Jahren ausschliesslich und unun­ Beamte der Polizei Basel­Stadt, es sei vor zwei Jahren in der terbrochen an diesem Fall arbeiten sollte. Und dass er bis Familie Siegrist angeblich zu häuslicher Gewalt gekommen ans Ende seiner Dienstjahre als Fahnder immer wieder da­ vom Sohn gegenüber dem Vater. Eine Anzeige war ausge­ mit betraut sein würde. «Seewen» geriet zum aufwendigs­ blieben. Der Vorfall, Aktion eines Adoleszenten, sei harm­ ten Kriminalfall in der Geschichte der Schweiz. los verlaufen. Eine offizielle Akte existierte nicht. Dennoch Während am Pfingstsonntag die erste Mordnachricht spielte dieser Hinweis nach der Entdeckung des Verbre­ über Radio und Fernsehen verbreitet wurde, stiessen die chens jetzt eine Rolle. Fahnder auf den Opel Ascona mit dem schwarzen Vinyl­ Röbi Siegrist sass mit seiner Freundin Anita beim späten dach. Verlassen stand er am Rande der Strasse, die Muttenz Morgenessen im Waldenburgertal, als sie verstummten:

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Am Tatort

und Münchenstein verbindet, im sogenannten Teufelsgraben. Die Fahnder hatten inzwischen auch herausgefunden, dass das Vehikel nur einen halben Kilometer vom Tatort entfernt, nämlich auf der Fahrt über die Waldstrasse in Richtung Hochwald, in einer Pfütze am Fusse eines kleinen Anstiegs stecken geblieben war. Die Antriebsräder hatten hier leer gedreht. Der Täter, einer, stieg aus. Dabei hinterliess er verwischte Spuren seiner Schuhsohlen. Er nahm zwei Wolldecken aus dem Kofferraum und legte sie vor die Antriebsräder, um das Fahrzeug wieder flottzubekommen. Das gelang – und erzählt etwas über die Geistesgegenwart des Mörders von Seewen.

vergleichen. Dafür standen zeitweise gegen 40 Beamte im Einsatz. Ohne die Unterstützung durch andere Korps wäre die Kantonspolizei Solothurn mit ihren 247 Angehörigen, davon 20 Kripobeamte, überfordert gewesen. Im Kantonsrat wurde über die Kosten der Ermittlung debattiert. Die deutsche Polizei meldete, sie habe bei RAF-Terroristen eine Winchester gefunden. Ein ballistischer Test verlief aber negativ. Inzwischen war auch klar, dass die ersten Festgenommenen, Robert Siegrist und seine Freundin Anita, über ein Alibi verfügten. Abgesehen davon hatten beide zu den Eltern Siegrist ein herzliches Verhältnis. Für den unschuldigen jungen Mann bedeutete die irrtümliche Verdächtigung aber eine unvergessliche Herabsetzung.

Der Fahnder Max Jaeggi hatte inzwischen in seinem Fahrzeug ein Feldbett untergebracht, um bei Gelegenheit zu ein paar Stunden Schlaf zu kommen. Ob in der Wohnung eines Polizeikollegen in Basel, in Liestal, in Seewen. 48 Stunden

Fünf Tage nach der Tat wurde das «Waldeggli» mit einem fahrbaren Kran von den sechs Betonpfosten abgehoben, zum Polizeistützpunkt Liestal gebracht und von der Spurensicherung in seine Einzelteile zerlegt. Die Spezialisten staunten, wie wenig Spuren der Täter im Häuschen hinterlassen hatte. Der Fall wurde immer rätselhafter: Es fehlte ein Motiv, es fehlte die Tatwaffe, es fehlte an Verdächtigen. Und es stellten sich beunruhigende Fragen. Warum war keines der Opfer geflüchtet? Warum waren sie alle aus höchstens drei Metern Distanz von vorn erschossen worden? War der Täter den Opfern vertraut? Oft führt der Weg zum Täter über die Opfer. Mit grossem Aufwand wurde den Verästelungen und den Untiefen In der Asservatenkammer der Kantonspolizei Solothurn reihen sich 18 Meter Akten zum der Beziehungen nachgespürt. Mordfall Seewen. Als Max Jaeggi den Fall übernahm, war er 40 Jahre alt. Heute ist er 75 und In der Verwandtschaft etwa will immer noch wissen, was damals im «Waldeggli» geschah. gab es einen jungen Mann, der als Waffennarr bekannt war und wegen seines Hermaphroditismus und Kleinwuchses nach der Tat traf aus Zürich eine Meldung ein, und Jaeggi oft gehänselt wurde. War hier ein seelischer Abgrund entschrieb ins «Journal Mordbüro»: «8. Juni 1976, 14.10 Uhr. standen, aus dem furchterregender Zorn erwachsen konnWissenschaftlicher Dienst teilt mit, dass es sich bei der Tatte? Im Schlafzimmer von Anne Westhäuser-Siegrist entwaffe um ein Gewehr oder Karabiner Winchester, Unterhedeckten die Ermittler wunderliche Bilder an der Wand: belrepetierer, Kal. P. 38 Spezial oder Punkt 357 Magnum, unverhohlene Reminiszenzen an den Nationalsozialismus. Original Winchester oder Replika gehandelt habe.» Anna Westhäusers Mann war ein deutscher Musiker und Die Untersuchung der 13 Patronenhülsen zeigte auch, Nazi gewesen. Lag da der Keim zum Verbrechen? dass die Schüsse aus einer einzigen Waffe abgegeben worDie Söhne Emanuel Westhäuser, ein kaufmännischer den waren. Das war ein hartes Faktum, und es bedeutete Angestellter, und Max, ein Postbeamter, waren beide ledig Arbeit. Bei den Importeuren und der Oberzolldirektion geblieben und hatten bis zu ihrer Ermordung im Haus bei konnten Waffenlisten verlangt werden. Alle 3007 bekannder Mutter gelebt. Emanuel hatte sich aber früher einmal in ten Besitzer von Winchestergewehren in der Schweiz wurBern in eine Frau verliebt. Als diese schwanger wurde und den aufgesucht und befragt. Die ballistischen Eigenschafdas Kind zur Welt brachte, verbot Anna Westhäuser ihrem ten von 2846 Gewehren waren im Schiesskeller zu testen Sohn die Heirat und regelte die Angelegenheit in einer ausund mit den Spuren an den Patronenhülsen vom Tatort zu

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Am Tatort

sergerichtlichen Vereinbarung mit Geld. War in dieser ­unterdrückten Mésalliance ein Ansatz zu finden? Eugen Siegrist hatte angekündigt, falls jemand sein illegales «Wald­eggli» beseitigen wolle, werde er sich «bis zum Letz­ ten» wehren. Hatte er sich mit einem militanten Umwelt­ schützer angelegt? Eugen Siegrist arbeitete bei einem Che­ miemulti in Basel – war Industriespionage mit im Spiel?

Der Besucher war vielleicht ein Bekannter, ­sicher war es der Täter. Nach der Tat meldeten sich mehrere Frauen und behaup­ teten, Eugen Siegrist sei ihnen im Tram zu nahe getreten. Gab es ein sexuelles Motiv? Oder war es die nackte Lust am Töten eines Geisteskranken gewesen? Die weit ausgreifen­ den Untersuchungen blieben ohne verwertbares Ergebnis. Das «Journal Mordbüro» füllte sich mit Max Jaeggis Einträ­ gen. Nach 40 Tagen waren über 1200 Hinweise aus der Be­ völkerung eingegangen. Dazu gehörten auch Dutzende Resultate von Pendlern und Wahrsagerinnen. Fast 10 000 Personen wurden befragt, 27 Hausdurchsuchungen veran­ lasst, 21 Tatverdächtige überprüft und 9 Menschen der Pein einer Untersuchungshaft ausgesetzt. Das intensive Stöbern brachte die Klärung von zehn Ne­ bendelikten, ein Pädophiler wurde überführt, ein Rasen­ mäherdiebstahl entdeckt. Das Kapitalverbrechen von See­ wen blieb ein Rätsel. Freie Tage gab es für die Kriminalisten keine mehr. Mit dem minutiös geführten Karteikartensy­ stem und dem Stecknadelplan blieb die Übersicht zwar ge­ wahrt. Dennoch mussten immer wieder Zwischenberichte geschrieben werden, um die Equipe à jour zu halten. Täg­ lich waren zwei Leute allein damit beschäftigt, die einge­ henden Akten zu ordnen und abzulegen. Den fieberhaft arbeitenden Ermittlern gelang schliess­ lich eine weitgehende Rekonstruktion des Tatverlaufs, und der zeigte den Täter in seiner ganzen Kälte. Eugen und Elsa Siegrist waren am Samstag vor Pfingsten mit dem Opel As­ cona nach Seewen gefahren und im «Waldeggli» gegen halb ein Uhr mittags angekommen. Eugen Siegrist war ein sehr genauer Mann. Im «Waldeggli» konnte er sich ausle­ ben. Die Schraubenschlitze des Verandazauns waren alle genau in vertikale Richtung gedreht. An diesem Samstag nahm er sich den Rasenmäher vor, demontierte das Mes­ ser, um es zu schleifen. Danach fettete er es ein und schlug es in ein Tuch. Da kam Besuch, Siegrist liess das Messer auf dem Tischchen im Aufenthaltsraum liegen und trat ins Freie. Der Besucher war vielleicht ein Bekannter, sicher war es der Täter. Eugen Siegrist muss im letzten Moment die Gefahr erkannt und versucht haben, eine Abwehrbewe­ gung zu machen. Darum traf ihn die erste Kugel am Arm. Die zweite in den Kopf. Nicht zu ermitteln war, ob Elsa Sieg­ rist vor oder nach ihrem Mann sterben musste. Sie wurde in die Stirn geschossen.

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Der Täter liess Elsa Siegrist auf der Veranda liegen, deck­ te sie aber mit einem Teppich aus dem Häuschen zu. Eugen Siegrist schleppte er in den Aufenthaltsraum und bedeckte ihn mit einer Wolldecke. Danach hat der Täter sich aber nicht vom «Waldeggli» entfernt. Vielleicht ist er überrascht worden von den Westhäusers. Oder er hat gewartet, weil er eben wusste, dass Anna Westhäuser und ihre beiden Söhne wie so oft auch zum «Waldeggli» kommen würden. In der warmen Jahreszeit hatte die kleine Gesellschaft hier gern grilliert und gejasst. Das Haus der Familie Westhäuser lag nur etwa 20 Fussminuten vom «Waldeggli» entfernt in der Gemeinde Hochwald. Die Westhäusers sind an jenem Samstag durch den Wald spaziert und dabei nachmittags um halb vier von einem Zeugen noch gesehen worden. Kurze Zeit später sind auch sie getötet worden, auch sie im Freien und aus nächster Nähe durch Kopfschüsse. Der Täter schleifte die Leichen ins Häuschen, verriegelte Türen und Fenster, bis auf das eine. Erstaunlich, dass er bei seiner schrecklichen und sehr an­ strengenden Tätigkeit keine verwertbaren Spuren hinter­ liess. Danach setzte er sich in den Opel des Ehepaars Siegrist und entfernte sich über jene Waldstrasse in Richtung Hoch­ wald, über die die Westhäusers gekommen waren. Max Jaeggi und seine Equipe vermuteten, dass Eugen Siegrist das Hauptopfer war. Sie vermochten die letzten 36 Stunden in seinem Leben bruchstückhaft zu rekonstruie­ ren. Am Freitagmorgen, dem 4. Juni, hat Siegrist an seinem Arbeitsplatz kurz nach 7 Uhr morgens mit einer Frau na­ mens Claire oder Clara telefoniert. Es konnte nie festgestellt werden, wer das war. Im Lauf des Tages hat Siegrist am Ar­ beitsplatz auf der Schreibmaschine auch einen Brief ver­ fasst und ihn persönlich zur Post gebracht. An wen der Brief adressiert war, ist unbekannt geblieben. Unbekannt blieb auch, was Eugen Siegrist getan hat, wenn er sich an den Wochenenden jeweils allein mit dem Auto für eine bis zwei Stunden vom «Waldeggli» entfernte. Die Fahnder liessen Testamente öffnen, um auf diesem Weg vielleicht auf ein Geständnis zu stossen. Sie suchten nach Hinweisen, aus denen sich ein gemeinsamer Vorwurf an die Opfer als Mordmotiv hätte herausschälen lassen. Sie gingen nach Lehrbuch vor, und sie liessen sich von der ­Intuition leiten, die guten Kriminalbeamten eigen ist. Sie schöpften alle Mittel aus. Allein, Tatwaffe, Motiv und Täter blieben unbekannt. Der Fall schien unlösbar. Zwanzig Jahre und drei Monate nach der Tat, im Herbst 1996, wurden in einer kleinen Liegenschaft am Ritterweg 1 in Olten Renovationsarbeiten ausgeführt. Dabei wurde die Küchenkombination entfernt. Der Handwerker entdeckte einen Hohlraum in der Mauer. Darin befanden sich ein längst abgelaufener Pass, ein Versicherungsbeleg, Briefe mit nationalsozialistischem Inhalt und ein Gewehr mit ab­ gesägtem Lauf und gekürztem Schaft. Die Papiere lauteten auf den Namen Carl Doser, geboren 1947. Es war Hinweis Nummer 9424 im Mordfall von Seewen. Max Jaeggi machte

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Zusammenspiel im Private Banking.

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Senden Sie Ihre Antwort sowie Ihre Anschrift per Post oder per E-Mail an : CONCOURS SÉLECTION DES VINS VAUDOIS Office des vins vaudois CP 1215 1001 Lausanne (Nur richtig ausgefüllte Teilnahmescheine werden berücksichtigt)

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Dieser Wettbewerb ist für alle in der Schweiz ansässige Personen offen (Mindestalter 18 Jahre). Die Mitglieder des Office des Vins Vaudois und deren Mitarbeiter sind ausgeschlossen. Die Gewinner werden, in einer Frist von 5 Tagen nach der Ziehung, schriftlich benachrichtigt. Teilnahmeschluss 15. Oktober 2011. Die Auslosung findet am 20. Oktober 2011 statt. Das Reglement des Wettbewerbes kann beim Office des Vins Vaudois per E-Mail verlangt werden: info@vins-vaudois.com Es besteht kein Kaufzwang. Ein einziger Teilnahmeschein pro Person. Es wird keine Korrespondenz über den Wettbewerb geführt. Kein Rekurs möglich.

WETTBEWERB

AUßERGEWÖHNLICH !


sich wieder an die Arbeit: Carl Doser war aktenkundig. Er war eine der 3007 Personen, die wegen Besitzes eines Ge­ wehrs Typ Winchester befragt worden waren. Und er ge­ hörte zu jenen 30, die über den Verbleib ihrer Waffe keine genaue Auskunft hatten geben können. Doser hatte be­ hauptet, sein Gewehr sei defekt gewesen, eine Reparatur zu teuer. Darum habe er es unbrauchbar gemacht und auf ei­ nem Trödelmarkt verkauft. Er war zweimal einvernommen worden, ebenso seine Mutter. Eine Überprüfung Dosers er­ gab nicht den kleinsten Hinweis, dass Beziehungen zu den Opfern oder ihrer Verwandtschaft bestanden hätten. Doser war ein Einzelgänger, wirkte narzisstisch gestört, trug eine Brille mit Fensterglas, las Survivalliteratur. Sein früh verstorbener Vater war Offizier gewesen und hatte sich mit seiner Sympathie für braune Ideologie hervorgetan. Vom Vater schienen die Briefe aus der Nazizeit zu stam­ men. Eine Frau, mit der Carl Doser sich angefreundet hatte, erzählt folgende Begebenheit: Doser habe mit ihr eines Nachmittags seine Mutter besucht. Dabei habe er sie gebe­ ten, mit ihm in den Keller zu kommen. Dort habe er ohne Vorwarnung einen Schuss in die Wand abgefeuert und sich ob ihres Schreckens ergötzt. Max Jaeggi liess die Waffe mit dem abgesägten Lauf bal­ listisch testen. Es war die Tatwaffe. Doser aber ist seit 1977 verschollen, verschwunden irgendwo im südlichen Afrika. Möglich, dass er vor und nach «Seewen» dort Söldner war. Die Tatwaffe liegt heute in der Asservatenkammer der Kan­ tonspolizei Solothurn, zusammen mit 18 Laufmetern Ak­ ten. Die Staatsanwaltschaft Solothurn hat am 1. Oktober 2010 die Schliessung des Verfahrens verfügt. Die interna­ tionale Ausschreibung Carl Dosers wird nicht erneuert. Der Mordfall von Seewen aber bleibt ein Fanal: Es ist in der Neuzeit die erste derart gravierende Bluttat in der Schweiz. Die Gründe bleiben im Dunkeln. Und weil eine Sühne aus­ geblieben ist, bleibt die Erinnerung daran wach. 35 Jahre nach dem Verbrechen, Sommer 2011: Oberhalb von Seewen weht ein kleiner Wind, wirbelt den Rauch aus der Tabakpfeife fort – Max Jaeggi raucht Borkum Riff. Dort, wo das «Waldeggli» gestanden hat, wachsen Ebereschen. Ein alter Kirschbaum neigt sich vom Waldrand her über den Tatort. Der pensionierte Fahnder stopft den Tabak be­ hutsam nach. Auch darum nannten sie ihn einst «Maigret». Ob ihn die Bilder von damals verfolgen? Er schüttelt den Kopf. «Nein, ich kann das abschalten.» Er schmaucht, geht über die Wiese. Die Sonne lacht. «Ein normaler Mensch», sagt er, «würde die Tatwaffe entsorgen.» Pafft. «Aber Doser hat sie nicht entsorgt. Weil er ein Waffennarr war.» Nur, welches Motiv hatte Doser? Max Jaeggi zieht an seiner Pfei­ fe und schweigt. Zerstösst mit der Schuhspitze eine Kirsche am Boden. «So hat das damals ausgesehen da.»

*Name geändert Jost Auf der Maur ist Reporter der «Schweizer Familie»; er lebt in Chur.

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Ausstellung

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Foto: Patrick Rohner

Am Tatort

Ausstellungsdaten: 16. September 8 bis 18 Uhr, 17. September 10 bis 16 Uhr im Foyer der NZZ Falkenstrasse 11, 8021 Zürich. Freier Eintritt.


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Das e x pe ri m e nt

Verhaften oder nicht verhaften? Die Ergebnisse eines 1981 durchgeführten Experiments zum Vorgehen bei häuslicher Gewalt haben bis heute enormen Einfluss auf die Polizeiarbeit – obwohl sich zeigte, das sie falsch waren. Am 17. März 1981 trat für einige Polizisten in Minneapolis eine seltsame Regel in Kraft. Wenn sie zu einem Streit in die Wohnung eines Paares gerufen wurden, durften sie nicht mehr nach Gutdünken handeln, sondern mussten eine Art Los ziehen: War das oberste Rapportformular auf ihrem Klemmbrett weiss, versuchten sie den Streit zu schlichten, war es grün, schickten sie den Mann weg, bei rot nahmen sie ihn fest. Es war der Kriminologe Lawrence W. Sherman, der die Stapel aus weissen, grünen und roten Formularen für die Polizisten vorbereitet hatte. Er sortierte sie so, dass die drei Fälle zufällig, aber gleich häufig auftraten. Sherman war erst 32 Jahre alt, als er sein berühmtestes und umstrittenstes Experiment durchführte. Zehn Jahre zuvor hatte er als Kriegsdienstverweigerer Ersatzdienst bei der Forschungsabteilung der New Yorker Polizei geleistet und dort Anthony V. Bouza kennengelernt. Wie Bouza glaubte auch Sherman, dass Forschung ein wichtiges Mittel sei, um die Polizei zu reformieren. Als Bouza 1980 zum Polizeichef von Minneapolis berufen wurde, schlug Sherman – in der Zwischenzeit Doktor der Soziologie – ihm vor, seine Polizei zu einer Art Forschungsstation zu machen, «wie es sie in der Landwirtschaft gibt, wo die Forschung unter realen Bedingungen im Feld erfolgt und nicht im Labor», erzählt Sherman dreissig Jahre später. In Minneapolis hatten die Gesetzgeber der Polizei eben die Vollmacht erteilt, bei häuslicher Gewalt auch Verhaftungen vorzunehmen, doch die Polizisten übten ihre neue Macht nur zögerlich aus, weil sie nicht an ihre Wirkung glaubten. Sherman sah seine Stunde kommen. «Ich sagte mir, das ist ein klassisches Beispiel, wo ein Experiment Klarheit schaffen kann.»

Abschrecken oder stigmatisieren? Die Frage, welche Wirkung eine Strafe beim Täter zeige, war umstritten. Die Experten waren in zwei Lager gespalten. Die Anhänger der Abschreckungstheorie glaubten, dass eine Strafe einen Täter tendenziell davon abhalten würde, eine

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Helfen Verhaftungen häusliche Gewalt einzudämmen, oder bewirken sie das Gegenteil?

Tat zu wiederholen. Die Anhänger der Etikettierungstheorie waren gegenteiliger Meinung: Eine Strafe wie zum Beispiel eine Verhaftung stigmatisiere den Verdächtigen als Kriminellen – vor der Gesellschaft und vor sich selbst. Und dieses neue Selbstbild erhöhe die Wahrscheinlichkeit, dass er wieder eine Tat begehe. Mit seinem Freund, Polizeichef Bouza, im Rücken wollte Sherman die Frage endgültig klären.

Das System hatte Schlupflöcher Sherman instruierte die Polizisten über das Vorgehen mit den farbigen Formularen und zeichnete danach ein halbes Jahr lang auf, welche der Täter wieder zuschlugen. Dazu machte er Interviews mit Opfern und Tätern und überprüfte, ob ihre Namen erneut in einem Polizeirapport auftauchten. Dabei sollte sich zeigen, ob die Verhafteten häufiger oder seltener rückfällig wurden. Als erstes zeigte sich jedoch etwas anderes, nämlich dass viele Polizisten nicht auf einen Doktor der Soziologie gewartet hatten, der ihnen farbige Formulare in die Finger drückte, die ihnen vorschrieben, was sie zu tun hatten. Es war vorgesehen, dass das Experiment in jenen zwei Bezirken von Minneapolis stattfinden sollte, in denen häusliche Gewalt am häufigsten war. Alle ausser einem der 34 dort tätigen Polizisten erklärten sich be-

reit, mitzumachen. Doch viele waren nicht mit Eifer bei der Sache. Zu den regelmässigen Treffen erschien die Hälfte erst gar nicht, und auch viele der anderen trugen nur sporadisch einen Fall bei. Nach acht Monaten, im November 1981, wurde klar, dass es nicht möglich sein würde, die angestrebten 300 Fälle wie vorgesehen in einem Jahr zu sammeln, und Sherman rekrutierte 18 weitere Polizisten. Aber auch das half nicht, und er musste die Untersuchungsperiode von 12 auf 18 Monate verlängern. Am Ende stellte sich heraus, dass drei Polizisten aus der ersten Gruppe fast einen Drittel aller Formulare eingereicht hatten. Die geringe Kooperation war aber nur der Anfang von Shermans Schwierigkeiten. Wie bei jedem Experiment war es wichtig, dass die Massnahmen – Streit schlichten, wegschicken oder verhaften – gänzlich zufällig angewandt wurden. Das hoffte Sherman mit den zufällig gestapelten farbigen Formularen auf dem Klemmbrett zu erreichen, von denen die Polizisten jeweils dem obersten folgen mussten. Aber das System hatte Schlupflöcher. Wenn die vom Formular vorgegebene Massnahme den Polizisten in einer bestimmten Situation nicht passte, konnten sie zum Beispiel entscheiden, dass dieser Fall gar nicht zum Experiment gehörte. Oder sie konnten, da sie zu zweit unter-

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wegs waren, aus den Optionen auf zwei Klemmbrettern auswählen. Der Versuch, das Verhalten der Poli­ zisten mittels Stichproben zu überprü­ fen, scheiterte daran, dass die Fälle, die die Bedingungen des Experiments erfüll­ ten, unerwartet selten auftraten. Law­ rence Sherman ging zwar mit auf Streife – «ich verbrachte Hunderte von Stunden in Polizeiautos» –, aber vergebens. Es dauerte Wochen, bis ein Polizist zum ers­ ten Mal auf einen passenden Fall traf, bei dem er das Verfahren mit den Formula­ ren anwenden musste. Auch den Polizei­ funk abzuhören und den Beamten mit dem eigenen Wagen hinterherzujagen, wie es Sherman versuchte, erwies sich als nicht praktikabel. Trotzdem hatte er nach 18 Monaten die erforderlichen 300 Fälle beisammen und begann mit der Analyse.

Ergebnisse in der «New York Times» Am 5. April 1983 erschien in der «New York Times» ein Artikel mit dem Titel «Domestic Violence: Study Favors Ar­ rest» («Häusliche Gewalt: Studie spricht für Verhaftungen»). Sherman hatte in sei­ nen Daten einen Trend ausgemacht. Wenn die Polizisten den Streit schlichte­ ten oder den Täter wegschickten, tauchte er in etwa zwanzig Prozent der Fälle wäh­ rend der nächsten sechs Monate wieder in den Polizeiakten auf; verhafteten sie ihn, nur in zehn Prozent der Fälle. Die Auswertung der Befragung der Opfer ergab ein ähnliches Bild. Im Artikel der «New York Times» wurde die Studie von anderen Experten gelobt. Sie hätte «zuverlässige Ergebnisse» erbracht, die «Bestand» hätten, liess sich einer zitieren – er sollte sich täuschen. Die Ergebnisse waren irreführend, und das hatte schwer­ wiegende Konsequenzen. Andere Forscher kritisierten Sherman für seine aggressive Öffentlichkeitsarbeit. Tatsächlich hatte er der «New York Times» die vorläufigen Resultate noch vor der Publikation in einer Fachzeit­ schrift exklusiv zugespielt. Und weil er wusste, dass das Fernsehen nur darüber berichten würde, wenn er Filmmaterial liefern konnte, liess er, während die Stu­ die noch in Gang war, vorsorglich ein Fernsehteam in einem Streifenwagen mitfahren. Heute darauf angesprochen, sagt er: «Die Steuerzahler bezahlen diese For­ schung, sie haben ein Recht darauf zu wissen, was dabei herauskommt.» Zu­ dem überschätze jeder seinen Einfluss,

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der glaube, er selbst könne bestimmen, wie oft er in der Presse erscheine. Auf der anderen Seite ist Sherman nicht der Typ Wissenschafter, der im stillen seine Stu­ dien für Fachzeitschriften verfasst. Sein Credo heisst: «Akademische Forschung ist nur von Bedeutung, wenn sie zu gesell­ schaftlichen Verbesserungen führt.»

Zweifel am Resultat Das «Minneapolis Domestic Violence Ex­ periment», wie es genannt wurde, war schon bald die einflussreichste Studie für die Polizeiarbeit. Bis zum Jahr 1991 hat­ ten 15 Bundesstaaten der USA die Ver­ haftung der Täter bei häuslicher Gewalt im Gesetz vorgeschrieben. Andere Län­ der übernahmen diese Politik. Einige von Shermans Kollegen mahn­ ten zur Vorsicht. Einerseits gab es die ge­ nannten Probleme bei der Durchführung der Studie, andererseits schienen ihnen die sechs Monate Nachverfolgungszeit zu kurz, zudem stellte sich die Frage, ob sich das Ergebnis von Minneapolis auf Städte mit einer anderen Bevölkerungs­ struktur übertragen lasse. Und dann war da noch ein Punkt, der sich als wichtigster von allen herausstellen sollte: War es möglich, dass die Täter unterschiedlich auf die Sanktion reagierten? Selbst Sher­ man schrieb in der offiziellen Publika­ tion: «Es ist wahrscheinlich, dass eine Verhaftung bei einigen Tätern eine stär­ kere Wirkung zeigt als bei anderen.» Weil Shermans Studie so einflussreich geworden war, beschloss man, sie in sechs Städten mit einer grösseren Anzahl Fällen und verbessertem Verfahren zu wiederholen. Zum Beispiel mussten die Polizisten vor Ort zuerst entscheiden, ob ein Fall die Bedingungen der Studie er­ füllte, erst danach erfuhren sie per Tele­ fon vom Hauptquartier, welche der drei Massnahmen sie ergreifen mussten. Als die Ergebnisse Anfang der 1990er Jahre eintrafen, war die Überraschung gross: Keiner der neuen Versuche bestä­ tigte die Resultate des ursprünglichen ­Experiments. Doch in den verwirrenden Daten zeichnete sich ein Muster ab: Ver­ haftungen schreckten Männer ab, die ei­ ner Arbeit nachgingen, wohl weil sie be­ fürchten mussten, das nächste Mal ihren Job zu verlieren. Bei arbeitslosen Tätern hingegen hatten sie den gegenteiligen ­Effekt. Diese Täter neigten nach einer Verhaftung stärker zu gewalttätigem Ver­ halten – wie es die Etikettierungstheorie voraussagte.

Eine der Wiederholungen des Experi­ ments hatte Sherman in Milwaukee selbst durchgeführt, und er war zuerst ratlos, was das Resultat bedeute. «Nur Täter zu verhaften, die eine Anstellung hatten, und nicht die arbeitslosen, wäre ungerecht. Überhaupt niemanden zu verhaften würde die generelle Abschre­ ckung einer Verhaftung erodieren. Alle Täter zu verhaften würde hingegen zu mehr Gewalt von Tätern führen, die nichts zu verlieren haben.» In Stadtteilen mit hoher Arbeitslosigkeit, wo häusliche Gewalt besonders häufig ist, riet er schliesslich von Verhaftungen als Stan­ dardverfahren ab. Das war nicht das, was Politiker und die Öffentlichkeit hören wollten. Die Empfehlung aus seiner ersten Studie, die Täter zu verhaften, war nicht nur wegen Shermans virtuoser Medienarbeit von vielen Gesetzgebern adoptiert worden, sondern auch, weil sie im Amerika Ro­ nald Reagans dem gesunden Rechtsbe­ wusstsein vieler Bürger und in seltener Allianz auch jenem der Frauenbewegung entsprach. Die Idee, arbeitslose Delinquenten bewusst nicht zu verhaften, war hingegen «schlicht nicht akzeptierbar», wie Sher­ man britische Justizbeamte wissen lies­ sen. «Und so verfolgen sie seit zwanzig Jahren eine Verhaftungspolitik, die wahr­ scheinlich mehr Gewalt verursacht als verhindert», sagt Sherman rück­blickend. Dass er daran mitschuldig ist, bedauert er, sagt aber: «Alles, was man tut, kann kurzfristig negative Folgen haben, aber ich glaube fest daran, dass mehr Wissen langfristig besser für alle ist.»

Kriminologie und Medizin Die grössere Frage, die das «Minneapolis Domestic Violence Experiment» aufwarf, formulierte Sherman 1992 so: «Ist die Kri­ minologie als Wissenschaft reif genug, um als Grundlage der öffentlichen Ord­ nung zu dienen? Wie viel Forschung reicht aus, um eine Empfehlung zu Hän­ den der Politik auszusprechen?» Sherman vergleicht seine Studien ger­ ne mit der Medikamentenforschung. Dort ist selbstverständlich der Test der Wirksamkeit das Mass aller Dinge. Bei Strafmassnahmen hingegen werde die populistische Forderung nach strenge­ ren Strafen oft höher bewertet als die ­Frage, was die Strafen brächten. Reto U. Schneider

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Der Tag begann mit einer schönen Über­ raschung: Andy Zaugg, der Patron des Restaurants Zum alten Stephan in Solo­ thurn, hatte eben die Arbeit in der Küche aufgenommen, da stand Fritz unter der Tür, in der Hand einen Korb voller Stein­ pilze aus dem Berner Oberland. Zaugg musste nicht lange studieren und kaufte die ganze Pracht. Der erfahrene Pilzler ist einer von vie­ len Lieferanten, die Andy Zaugg mit Spe­ zialitäten versorgen. Der Bauer Fivian aus dem Seeland liefert das Lammfleisch, der Fischer Gougain Egli und Zander aus dem Bielersee, Frau Stalder aus Subingen Beeren und Gemüse aus dem eigenen Garten. «Ich habe mir über die Jahre ein Netzwerk von Qualitätsfanatikern ge­ schaffen», sagt Zaugg, während er die Steinpilze inspiziert. Jeder ist ein Prachts­ exemplar. Zaugg schneidet Stiel und Hut, dünstet das feste Pilzfleisch kurz in Oli­ venöl, gibt Salz und Pfeffer sowie eine Pri­ se Zucker dazu – fertig. Selbst ein Thy­ mianzweiglein wäre als Zugabe bereits zu viel. «Mir geht es vor allem darum, dass der Eigengeschmack möglichst unver­ fälscht zur Geltung kommt», sagt der vom Guide Michelin mit einem Stern ausge­ zeichnete Koch. «So einfach ist das.» Das war im «Alten Stephan» nicht im­ mer so. Wie so viele versuchte sich auch Zaugg eine Zeitlang in der Molekularkü­ che, verwandelte mit allerlei Tricks edle Produkte zu Schäumchen und Gelées. Er strebte mit seiner Gourmetstube nach höheren Weihen, wollte unbedingt den zweiten Michelin­Stern erobern – und fiel auf die Nase: Statt ihn mit einem wei­

teren Stern zu dekorieren, entzogen ihm die Tester den einen. Zaugg verlangte eine Erklärung, und die Kritiker belehr­ ten ihn: «Il faut respecter le terroir.» Heu­ te hat er die Schmach verdaut und meint: «Sie hatten recht, die Molekularküche war zum Teil ein Modegag.» So kehrte er zu seinen Wurzeln zurück. Die Marktküche auf klassischer fran­ zösischer Basis, die er heute wieder pflegt, setzt die kulinarische Tradition Solothurns fort – schliesslich residierten hier über 250 Jahre lang französische Am­ bassadoren. Die Botschafter prägten das gesellschaftliche Leben wie auch die Kü­ che. Die bekannteste Spezialität aus jener Zeit ist die Solothurner Wysuppe, die na­ türlich auch im «Alten Stephan» auf der Karte steht. Zur Zeit der Franzosen wurde der Wein auf dem Wasserweg aus den solo­ thurnischen Rebgütern am Bielersee – in Le Landeron, Schafis und Schernelz – in die Ambassadorenstadt verschifft. Es muss ein ziemlich saurer Tropfen ge­ wesen sein, und auch heute braucht man für die Suppe keinen Spitzenwein zu ver­ kochen: Ein süffiger Chasselas genügt vollauf. Erstklassig sollte hingegen die Hühnerbrühe sein, die die Basis der Sup­ pe bildet. Die Bouillon wird im «Alten Stephan» täglich mit einem Suppenhuhn und Gemüse frisch angesetzt und köchelt dann den ganzen Tag über. Die Brühe ist so etwas wie der Dreh­ und Angelpunkt der guten Küche, sie wird auch für den Ri­ sotto oder für Saucen verwendet. Zur Zeit der Franzosen kam neben Ge­ müse meist gekochter Schinken in die Wysuppe. Zaugg kocht hingegen sein ei­ genes Süppchen und gibt stattdessen geräucherte Poulardenstückchen dazu. Wie delikat das geräucherte Geflügel schmeckt, hat er auf seinen Lehr­ und Wanderjahren in der Neuen Welt ent­ deckt. Und auch für diese Spezialität hat er im Dorfmetzger von Bellach einen spe­ ziellen Lieferanten gefunden.

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SCH L AG LICHT

St. Petersburg, die unwahrscheinliche Stadt St. Petersburg, Petrograd, Leningrad, St. Petersburg – die Kapitale im hohen Norden wurde mehrmals umbenannt. Heute ist sie die weltoffenste Stadt Russlands. Am 6. September vor 20 Jahren vollzog der Oberste Sowjet eine seiner letzten Amtshandlungen: Leningrad wurde in St. Petersburg zurückbenannt – die Me­ tropole, die einst Peter der Grosse aus den Sümpfen stampfen liess; ein Dreh­ kreuz der Weltgeschichte; eine der beein­ druckendsten Städte auf Erden. 1703, gerade hatte er den Schweden das Niemandsland an der Mündung der Newa entrissen, beschloss der Zar, dort Russlands neue Hauptstadt zu errichten – als Fanal für die Öffnung des verschlafe­ nen Riesenreichs zum Meer, zur Welt; so hoch im Norden wie die Südspitze Grön­ lands, mit finsteren Wintern also, Ende Juni aber mit den «weissen Nächten».

Aufstieg aus den Sümpfen Mehr als 80 000 Sträflinge, Kriegsgefan­ gene und russische Bauern komman­ dierte Peter herbei; unter der Knute leg­ ten sie die Sümpfe trocken und holzten Wälder ab. Zehntausende erfroren, er­ tranken, verhungerten. In Italien, Frank­ reich, Deutschland, Holland warb Peter Architekten und Bauhandwerker an. Den Stadtgrundriss mit grossen Plätzen, Parks und Boulevards gab er selber vor. 1712 erhob er sein Petersburg zur Hauptstadt des Reiches. Sein Hofstaat musste umziehen, tausend Adligen wies er die Plätze an, an denen sie Paläste zu bauen hatten. Den Provinzgouverneuren befahl er, Handwerker zu schicken, Zim­ merleute vor allem, Waffen­, Gold­ und Kupferschmiede. Auch den italienischen Baumeister Graf Bartolomeo Rastrelli holte Peter in die Stadt; die Zarin Anna Iwanowna machte ihn 1736 zum Hofar­ chitekten, und in Peters Geist errichtete er monumentale Bauten wie das Winter­ palais und ganze Fronten von Palästen, vorzugsweise in Zartgelb und Pastellblau. Blüte, Streik und Anarchie Im 19. Jahrhundert wuchs Petersburg zur grössten Industriestadt Russlands heran, zu einem Zentrum der Wissenschaften; Kaufleute aus aller Welt liessen sich nie­ der. In Kellerkneipen heckten Anarchis­ ten schon Umsturzpläne aus; 1849 wurde Dostojewski dort verhaftet und nach Sibi­

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rien verbannt. 1866 erdachte er den Stu­ denten Raskolnikow, der in Petersburg eine alte Wucherin ermordet – nur, «um es zu wagen». 1905 liess Nikolaus II. vor dem Winter­ palais einen Massenprotest von Arbei­ tern mit ihren Frauen und Kindern zu­ sammenschiessen, und im Schwarzen Meer meuterte die Besatzung des Pan­ zerkreuzers «Potemkin». 1914 taufte der Zar seine Hauptstadt in Petrograd um, des allzu deutsch klingenden Namens wegen. Mit 2,3 Millionen Einwohnern war sie grösser als Tokyo oder Wien.

Schlimmer als alle Donner der Welt Im März 1917 übernahm ein «Sowjet» aus streikenden Arbeitern und meuternden Soldaten die Macht und stellte den Zaren unter Hausarrest. Am 16. April 1917 kam Lenin an – vom deutschen Kaiserreich aus der Schweiz in einem plombierten Zug nach Finnland verfrachtet, weil er, anders als die republikanische Regie­ rung, den Krieg sofort zu beenden ver­ sprach. Einen Monat nach ihm traf Trotz­ ki ein, auf die Nachricht von der Revolte hin aus New York herbeigeeilt. Er rekrutierte sogleich eine Rote Gar­ de aus bewaffneten Arbeitern, und in der Nacht auf den 7. November 1917 organi­ sierte Trotzki die Revolution. Lautlos be­ setzten die Roten Garden die Bahnhöfe, die Brücken, die Elektrizitätswerke, die

Staatsbank, die Proviantlager des Militärs – «in einer Stille, schrecklicher als alle Donner der Welt», schrieb er darüber. Stürmen liess Trotzki nur das Winterpa­ lais.

Kreuzfahrt zu Peter dem Grossen Da hatten 5000 bewaffnete Arbeiter das Reich der 140 Millionen umgestülpt und Lenin das Forum verschafft, auf dem er die Weltrevolution verkünden konnte – in schamloser Verdrehung der Lehre von Marx: Da das Proletariat unfähig sei, die Macht zu ergreifen, müsse eine Klasse von Berufsrevolutionären die Diktatur «in seinem Namen» errichten. 1922 wur­ de wieder Moskau zur Hauptstadt ausge­ rufen. 1924 starb Lenin, und Petrograd wurde in Leningrad umbenannt. Von September 1941 bis Januar 1944 war die Stadt von deutschen Truppen eingekes­ selt; fast eine Million ihrer Bewohner ver­ hungerten, erfroren oder gingen an Seu­ chen zugrunde. Heute ist Petersburg wieder Russlands weltoffenste Stadt, ein Magnet für Künst­ ler, Touristen und Kreuzfahrtschiffe – immer noch mit jener imposanten Archi­ tektur, wie ihr wüster Gründer sie gefor­ dert hatte. Wer in einer der «weissen Nächte» durch die Strassen bummelt, hört die Stadt lachen und singen – und staunt. Wolf Schneider Illustration: Angelo Boog

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We r Woh nt da?

Vom Sattel aufs Sofa Ein Kerl in Lederkluft? Ein Töffmechaniker aus Uri auf der Suche nach scharfen Kurven? Wen eine Psychologin und ein Innenarchitekt anhand der Bilder in diesen Räumen vermuten. Die Psychologin Hier dreht sich (fast) alles nur um das eine – das Motorrad. Eine «Sie» namens Ducati wohnt auch hier und hat ihren fes­ ten Platz im Wohnzimmer. Weil sie schon ein älteres «Guetsli» ist, fährt sie nicht mehr aus; er, unser Bewohner, braust aber vielleicht mit seinem Stahlross noch über Strassen und Pässe. Jedenfalls scheint er gern einen Sattel unter dem Hintern zu haben, allein oder mit Sozia, daheim mag er ebenfalls Ledernes und Gepolstertes zum Sitzen. Die Sitzecke in der Küche, das Faxge­ rät im Wohnzimmer und das Dekor der diversen Textilien sind von anno dazu­ mal, sehr ordentlich und etwas nüchtern wohnt er. Auf der Strasse gibt er Gas und liebt die Schräglage, in den eigenen vier Wänden will er seine Ruhe. Um Wohnlichkeit wird kein Tamtam gemacht; Hauptsache, die Loge funktioniert: Bett, Tisch und Sofa, das reicht. Geselligkeit findet nicht da­ heim statt, der helle Spannteppich sieht aus wie neu, Strassenschuhe bleiben wohl draussen. Aber was nur sammelt sich da genau in seinem Privatmuseum, der Vitrine? Für einen Kerl in Lederkluft will das fili­ grane Figurenkabinett nicht so recht pas­

sen. Beherbergt die Vitrine seine andere Egowelt, eine private Phantasiewelt? Wohnen in der Vitrine gar Eigenkreatio­ nen, gekrönt von seinem Karabiner? Oder ist da das Reich der «Frau» versam­ melt? Die diversen Duftwässerchen und Fotos über dem Bett lassen auf Weibli­ ches schliessen. Er benutzt – ebenfalls von anno dazumal – den klassischen Her­ renduft Pino Silvestre. Vielleicht bastelt er selber an Maschi­ nen herum, peppt Töff­Senioren zu schi­ cken Oldtimern auf? Unser Bewohner scheint zufrieden mit dem, was er hat, wie es ist und vermutlich auch bleibt. Ingrid Feigl

Der Innenarchitekt Die Flinte hängt im Fünfundvierzig­ Grad­Winkel aufwärtsstrebend an der Wand. Auf einem kleinen Vorlegeteppich mit Ducati­Inschrift steht ein Motorrad. Es glänzt in wunderbarer grüner Farbe. Auf dem schwarz lasierten Spanplatten­ möbel wartet der Fax mit integriertem Telefon auf Anrufe oder handgeschriebe­ ne Texte. In der Küche versteckt sich ein Swissair­Trolley. Turbulenzen allerdings sind in dieser Wohnung keine zu erwarten. Es scheint, als ob sich die Dinge Sedimenten gleich

die Psychologin: «Um Wohnlichkeit wird kein tamtam gemacht.»

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gesetzt hätten. Alles ist wohlüberlegt po­ sitioniert. Ein Radio mit keck ausgezoge­ ner Antenne beschallt die Küche aus der Ecke hinten rechts. Im Zentrum der De­ cken von Küche und Wohnzimmer hän­ gen im Kreis angeordnete Halogenleuch­ ten. Sie scheinen sich einem Ufo gleich zur Landung bereitzumachen. Diese Wohnung wird von Geräten dominiert. Hier wohnt der Töffmechaniker mit sei­ ner Frau. Wir sehen nicht nur eine Wohnung, wir sehen hier auch ein Büro. Der Fax nimmt die neuen Aufträge entgegen. Ge­ wohnt wird hingegen mit schweizeri­ schen Archetypen: Das schwarze Bett wird von zwei schwarzen Nachttischchen flankiert. Die Eckbank löst die Sitzproble­ me in der Küche, im Wohnzimmer über­ nimmt die braune Lederpolstergruppe. In ihrem geometrischen Zentrum sitzt der Glastisch. Der einzige Stuhl im Haus funktioniert als Kleiderständer. Aber wer oft auf dem Motorrad sitzt, braucht ja zu Hause nicht mehr allzu viel. Vielleicht sind wir im Urnerland. Die Strassen dieses Kantons haben noch scharfe Kurven. Jörg Boner Auflösung auf der nächsten Seite

der Innenarchitekt: «alles wohlüberlegt positioniert.»

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Vera, 51, und René Aufranc, 67: «Die Kleider müssen abends zweimal in die Maschine.» Auflösung von der vorigen Seite

Vera und René Aufranc, Handwerker «Wir waren schon immer sehr ordentlich, aber seit wir Müll- und Leichenwohnungen säubern, darf es zu Hause noch etwas ordentlicher sein. Als wir in unsere Genossenschaftswohnung in Zürich Triemli zogen, haben wir erst mal alles gründlich nachgereinigt, etliches haben wir auch erneuert, in der Küche ersetzte ich dunkle Plättli durch diese freundlichen hellen. Vera und ich lernten uns vor 26 Jahren kennen. Damals war ich bei der Swissair im Catering für Hausdienst, Reinigung und Entsorgung tätig. Ein Jahr lang bedrängte mich Vera telefonisch, sie brauche einen Job. Vera musste bereits als Achtjährige bei der Pflege ihrer kranken Mutter sehr viel mithelfen. Mit 14 nahm sie der Vater aus der Schule, seither musste sie selbst schauen, wie sie über die Runden kam. Tagsüber machte sie für andere Familien den Haushalt, abends war sie im Hausdienst, frühmorgens trug sie Zeitungen aus. Jeder von uns hat zwei Kinder aus einer früheren Beziehung. Unser gemeinsames Kind ist der Töff. Wir fahren

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schwere rote Maschinen. An der grünen Ducati im Wohnzimmer haben wir beide sechs Jahre lang geschraubt. Vera ist lieber in der Werkstatt als im Nagelstudio. 1994 gründeten wir unsere Firma. Der erste Tote war perfekt: ein gepflegter 85jähriger Mann in einer sauberen Wohnung. Ein guter Einstieg. Wir räumten schon eine Wohnung, da lag eine Tote eineinhalb Jahre von den Nachbarn unentdeckt, von niemandem vermisst. Die Frau war ein Messie, zugemüllt bis zu den Knien. Die Maden krochen längst im Hausflur. Keiner der Nachbarn wollte etwas bemerkt haben. Selbst in Alterssiedlungen liegen die Menschen zum Teil Wochen tot in ihren Zimmern. Schrecklich. Die Kleider müssen abends gleich zweimal in die Waschmaschine, Leichengeruch ist hartnäckig. Wir sprechen über alles Gesehene in unserer Küche oder auf dem kleinen Balkon bei einem Glas Rotwein. Manchmal setzen wir uns auch zusammen in die Badewanne mit einem Kerzchen und einem Prosecco. Wir sind sehr glücklich, uns zu haben. Wir denken nie: Der Arme, was mag bloss geschehen sein? Wir fragen uns aber: Wie kann ein Mensch bloss so weit

kommen? Keinen Kilometer von hier entfernt räumten wir die Wohnung eines jungen Kerls – total verwahrlost. Im Geschirrspüler Hunderte Sexhefte. In einer anderen Wohnung musste ich die Pfannen mit dem Geissfuss vom Herd entfernen, der Kühlschrank war schwarz, wir dachten, er sei mit Torf gefüllt. Aber es waren Würmer, Millionen Würmer! Bei so einem Anblick fragt Vera dann schon mal, ob sie uns ein Brötchen machen soll. Wenn sich einer den Kopf wegschiesst, finden wir überall Hirn. Liegt eine Leiche bereits lange in ihrem eigenen Saft, frage ich Vera, ob sie das Tessinerbrot mitgebracht hat – zum Tünkeln. Solche Einsätze überstehen wir nur dank Humor. Bei einem Mord gehen wir rein, wenn alle anderen ihre Arbeit getan haben. Wir öffnen die Tür, nehmen den ersten Schluck des Geruchs, gehen zum Fenster und öffnen es. Der Gaumen reagiert, es macht Klick, Verwesungsgeruch ist haarsträubend. Manchmal kommt man rein, und es macht ssss, und man sieht nichts als grüne Fliegen. Einen Arbeitsanzug ziehen wir nur über, wenn es wirklich extrem ist, also wenn das Blut bereits geronnen ist. Leichensaft frisst sich in die Wände, Böden und Decken. Schlimmstenfalls fräsen wir den Boden heraus, entsorgen alle Möbel in einer Mulde, die Wohnung muss komplett saniert werden. Wenn alles gut gemacht ist, merkt der Nachmieter den Verwesungsgeruch nicht. Für mich wäre es kein Problem, in so eine total renovierte Wohnung zu ziehen. Nach so vielen Jahren Chrampf sind wir froh, dass der Sohn das Geschäft übernommen hat. Er und seine Schwester, Alain und Nathalie, machen das super. Aus unserer Wohnung kommen nur gute Düfte. Ich mag Fisch, und Vera macht phantastische Desserts. Wir sehen einen sehr traurigen Teil der Schweiz. Die zwischenmenschlichen Beziehungen gehen immer mehr verloren. Im Haus haben wir zu allen Kontakt und kümmern uns umeinander. Wir reden ja auch gern. In Beizen setzen wir uns an Tische, an denen schon jemand sitzt, auch wenn das ganze Lokal leer ist. Wir machen das bewusst, auch wenn die meisten das anfangs befremdlich finden. Aber dann kommen wir ins Gespräch, und schon haben wir wieder jemanden kennengelernt.» Aufgezeichnet von Gudrun Sachse Fotos: Heinz Unger

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LE S E Rb RIE FE

Geniale Titelbilder

Privatsphäre nicht verletzt

20 Jahre Folio 8/11

«Der abgerissene Kopf, 1/2005», 20 Jahre Folio 8/11

Seit der ersten Nummer habe ich alle Folio-Ausgaben gelesen und schätzengelernt. Besonders gefallen mir immer wieder die genialen Titelbilder. Emil Fehlmann, Altendorf SZ

könnte. Länge: 15 000 Zeichen. Adresse: Redaktion NZZ Folio, Volontariat, Postfach, 8021 Zürich.

Noch viele Folio-Montage

Das Bild des abgerissenen Kopfes kommt mir dann und wann wieder in den Sinn und erinnert mich an den Wahnsinn, Menschen zu Selbstmordattentaten zu verführen. Dass das Bild vom Presserat moniert wurde, wusste ich nicht. Die Begründung, die ich lese, ist peinlich. Meine Privatsphäre haben Sie damit nicht verletzt. Und schon gar nicht meine Menschenwürde – wenn jemand denn ohne Gottesbezug definieren kann, was Menschenwürde ist. Laurenz Hüsler, Egg ZH

20 Jahre Folio 8/11

INTERNA

Zerlegt, S. 13

Ich lese das Folio schon lange mit Begeisterung, weil es Journalismus auf hohem Niveau bietet, originelle Ideen entwickelt und sie sorgfältig umsetzt. Darum finde ich auch Zugang zu Themen, die mich auf Anhieb gar nicht besonders interessieren. Und Glücks Cartoons sind jedes Mal ein Highlight. Ich wünsche Ihnen und mir noch viele weitere Folio-Montage. Edith Fischer, per E-Mail

Volontariat beim Folio Auf Januar 2012 besetzen wir in unserer Redaktion die auf ein Jahr befristete Volontariatsstelle neu. Interessierte schicken uns bis zum 3. Oktober 2011 nebst den üblichen Bewerbungsunterlagen (Lebenslauf, Foto, Arbeitsproben) einen selbstverfassten Text, der in einem Folio zum Thema «Haustiere» erscheinen

Ganz: Trenchcoat von burberry.

Ein Sommer zum Lesen 20 Jahre Folio 8/11

Danke schön für das herrliche Jubiläumsheft. Dieser Sommer gibt einem sogar perfekt Zeit zum Lesen. Margret Omlin, Stans NW

Das Buch zur Ausstellung «Mord und Totschlag»

AU FLÖS U NG

Binders Vexierbild, S. 15 Die Mordwaffe – ein Messer – befindet sich am rechten Bildrand; es wird begrenzt vom Unterarm des Kommissars. Das Vexierbild wurde inspiriert von Jacques-Louis Davids Gemälde «Der Tod des Marat» (1793). Der Revolutionsführer wurde von Charlotte Corday in der Badewanne erstochen.

Historisches Museum Bern Musée Historique de Berne

STRAFTAT, SCHAULUST, STRAFTAT, SPURENSUCHE SCHAULUST, Das Buch zu Mord und Totschlag SPURENSUCHE Herausgegeben von Elio Pellin

im Auftrag des Bernischen Historischen Museums Das Buch zu Mord und Totschlag

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Verlag Neue Zürcher Zeitung

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MORD UND TOTSCHLAG. JETZT ZUSCHLAGEN!

Verlag Neue NZZ Libro Zürcher Zeitung

Packende Reportagen und Interviews rund ums Thema Mord.

Crimes de sang. Une exposition sur la vie. www.nzz-libro.ch 09/2011

Eine Kooperation mit dem Historischen Museum der Stadt Luxemburg Une coopération avec le Musée d’Histoire de la Ville de Luxembourg

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WAS MÄNNER WOLLEN


Folio Folie s

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VORSCH AU

Ausgewandert

I M PRE S S U M Redaktion Daniel Weber (Leitung), Reto U. Schneider (Stv.), Andreas Heller, Anja Jardine, Gudrun Sachse, Florian Leu (Volontär), Katja Abderhalden (Sekretariat) Gestaltung und Produktion Partner & Partner / Benno Maggi (Art Direction und Bildredaktion), Ernst Jaeger Die Autoren der Rubriken Sabine Meyer, Redaktorin SRF, Zürich Roman Kern, Apple Certified System Administrator, ZH Luca Turin, Duftforscher MIT, Boston (USA) Jeroen van Rooijen, Mode- und Stilkritiker der NZZ Hannes Binder, Illustrator, Zürich (Vexierbild) Wolf Schneider, Schriftsteller, Starnberg (D) Gerhard Glück, Cartoonist, Kassel (Folio Folies) Korrektorat Alexandra Bernoulli, Urs Remund, Zürich Titelblatt Max Grüter und Patrick Rohner, Zürich Übersetzung Robin Cackett, Berlin (Seitenblick) Bildnachweise S. 5: Julian Salinas, Zürich; S. 7: South West News Service, Rex Features / Dukas; S. 18 / 19, S. 79: Patrick Rohner, Zürich; S. 29: Gaetan Bally / Keystone; S. 32 / 33: AP / Keystone; S. 54 / 55: RDB, Zürich; S. 56: Kurt Baumli / Keystone; S. 58: Jürg Müller / Keystone; S. 60: zVg Polizei Kanton Solothurn; S. 67: Nubar Alexanian Adresse Redaktion Redaktion NZZ Folio, Falkenstrasse 11 Postfach, CH-8021 Zürich Tel. +41 44 258 12 40, Fax +41 44 258 12 59 E-Mail: folioredaktion@nzz.ch Internet: www.nzzfolio.ch Newsletter: E-Mail mit Informationen zur jeweils nächsten Ausgabe: www.nzzfolio.ch/mailing Verlag Andreas Häuptli (Leiter Product Management) Milena Andretta

Das nächste Folio erscheint am 5. September 2011.

Wer hat nicht schon davon geträumt, sein Leben am anderen Ende der Welt neu zu beginnen? Nicht nur eine Reise nach Sydney oder an den Yukon zu unternehmen, sondern eine Bar in New York zu er­ öffnen oder Lebensretter an einem schneeweissen Strand auf den Seychellen zu werden. So, als Ver­ wirklichung eines Traums, stellt man sich Auswan­ dern oft vor, aber es gibt noch viele andere Gründe, weshalb Menschen ihre Heimat für immer verlas­ sen. Das Folio vom Oktober 2011 berichtet über Auswanderer mit unterschiedlichsten Motiven. Von Wissenschaftern, die von Universität zu Universität ziehen, und von einer Textileinkäuferin aus Basel, die mit 47 Jahren einen griechischen Ziegenhirten heiratete und sich in Kreta niederliess. Wir sprechen mit einem Benediktinermönch, der in Kamerun lebt, und einem Schweizer, der in Afrika Löwen und Giraffen ausstopft. Den 1. August feiern wir mit der Schweizer Gemeinde in Salvador da Bahia in Brasi­ lien, und wir setzen uns in der französischen Schweiz an einen Stammtisch von Deutschschwei­ zer Bauern. Schliesslich gehen wir der Frage nach, was Männer und Frauen erleben, die wegen der Lie­ be auswandern, und wir besuchen Schweizer Pen­ sionäre, die sich entschlossen haben, ihren Lebens­ abend in Thailand zu verbringen.

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Anzeigenverkauf Publicitas AG, NZZ Media, Seehofstr. 16, 8021 Zürich Telefon 044 258 16 98, Fax 044 258 13 70 E-Mail anzeigen@nzzmedia.ch, www.nzzwerbung.ch Deutschschweiz: Nicole Costa, Tel. +41 44 258 12 63 Westschweiz: Yves Gumy, Tel +41 21 317 88 08 Leser- und Aboservice Tel. +41 44 258 15 30, Fax +41 44 258 18 39 leserservice-schweiz@nzz.ch Abonnements NZZ Folio wird am ersten Montag des Monats der Inlandauflage der «Neuen Zürcher Zeitung», der «Neuen Zuger Zeitung» sowie Teilauflagen des «St. Galler Tagblatts» und der «Neuen Luzerner Zeitung» beigelegt. Den Auslandabonnenten der NZZ wird es separat zugestellt. Separatabonnements Inland CHF 94 inkl. MWSt, Ausland CHF 105 / € 68 pro Jahr. NZZ Folio erscheint monatlich. Einzelheftbestellung Tel. +41 44 258 13 78, Fax +41 44 258 12 68 Einzelnummern CHF 12 / € 12 Adresse Verlag Verlag NZZ Folio, Falkenstrasse 11 Postfach, CH-8021 Zürich Tel. +41 44 258 12 60, Fax +41 44 258 12 68 E-Mail: folioverlag@nzz.ch Druck und Litho Swissprinters St. Gallen AG, Fürstenlandstrasse 122, 9001 St. Gallen NZZ-Mediengruppe Albert P. Stäheli (CEO) Geschäftsbereich NZZ Markus Spillmann, Marius Hagger, Felix E. Müller, Peter Hogenkamp

© Verlag NZZ Folio, 2011 (ISSN 1420-5262). Alle Rechte vorbehalten. Jede Verwendung der redaktionellen Texte (besonders ihre Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung und Bearbeitung) bedarf der schriftlichen Zustimmung durch die Redaktion. Ferner ist diese berechtigt, veröffentlichte Beiträge in eigenen gedruckten und elektronischen Produkten zu verwenden oder eine Nutzung Dritten zu gestatten.

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