der Feuervogel/ Frank Bridge Variations

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Der Feuervogel/ Frank Bridge Variations Ballette von Heinz Spoerli und Hans van Manen, Musik von Igor Strawinsky und Benjamin Britten


opernhaus zürich

Mit den Ohren sehen, mit den Augen hören – Ein Gespräch mit Hans van Manen Herr van Manen, mit schöner Regelmässigkeit hat das Zurcher Ballett in den letzten Jahren zahlreiche Ihrer Choreografien in sein Repertoire aufgenommen. Welche Verbindung haben Sie zu Heinz Spoerli und seinem Ensemble?

Heinz Spoerli und ich, wir kennen uns sicher 35 Jahre und arbeiten seit Mitte der siebziger Jahre zusammen. Bis heute verbindet uns eine gegenseitige Sympathie und Wertschätzung. Gern erinnere ich mich an meinen allerletzten Auftritt als Tänzer, als ich 1984 – mit 52 Jahren – in Basel die Titelrolle in Heinz Spoerlis «Falstaff»-Ballett übernommen habe. Meine Choreografien in der Interpretation seiner wunderbaren Kompanie zu erleben, ist immer eine besondere Freude.

Ihre Ballette werden heute von Kompanien auf der ganzen Welt getanzt. Zum Grossteil sind sie aber fur die beruhmten niederländischen Ensembles, das Nederlands Dans Theater und das Het Nationale Ballet, entstanden. Warum diese enge Bindung an diese beiden Kompanien, wo es doch auch an Angeboten anderer Ballettformationen nicht gemangelt hat?

Das freischaffende Arbeiten und Gastieren liegt mir nicht. Auch wenn ich gelegentlich mit anderen Kompanien gearbeitet habe, waren das Nederlands Dans Theater und das Holländische Nationalballett die beiden Pole meiner Arbeit. Jede der beiden Kompanien hat ihr völlig eigenes Profil. Ich arbeite am besten mit dem Rücken zur Wand und geniesse es, mich auf jede der Kompanien immer neu einzustellen. Die Tänzer beim NDT sind völlig anders als jene beim Nationalballett, entsprechend unterschiedlich choreografiert man dann auch. Wichtig ist mir die Vertrautheit mit den Tänzern, die nur entsteht, wenn man über einen längeren Zeitraum mit ihnen zusammenarbeitet. Nur so kann man sich ganz in ihre Persönlichkeit, in ihre Körper hineinversetzen und zu Ideen gelangen, die andernfalls nicht entstehen würden. In beiden Kompanien habe ich immer meine Musen gehabt – phantastische Tänzer, die meine Intentionen voll und ganz getragen haben. Ich mag Tänzer, die etwas riskieren und sich in eine Sache hineinwerfen, ohne Angst, auch einmal einen Fehler zu machen. Erst dann sieht man, welches Potenzial wirklich in einer Choreografie steckt und wo die Reserven liegen, die es noch freizulegen gilt.


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Was geschieht, wenn Sie anderen Kompanien Ihre Choreografien anvertrauen?

Das ist ein ambivalentes Gefühl. Auf der einen Seite ist es, als würde man ein Kind schweren Herzens in die Welt entlassen. Auf der anderen Seite reizt mich natürlich die Neugier zu sehen, was andere Ensembles mit meinen choreografischen Vorgaben anfangen.

Wieviel Freiheit haben die Tänzer, die sich eine Choreografie von Hans van Manen aneignen?

Wie heisst es so schön? Man muss erst wissen, was man sagt, um zu wissen, wie man es sagt. Genauso ist das beim Tanz. Auf meine Assistenten kann ich mich absolut verlassen. Sie studieren die jeweiligen Choreografien ganz in meinem Sinne ein. Dennoch bestehe ich dabei absolut nicht auf der Unveränderlichkeit der Aussage eines Balletts. Im Gegenteil. Natürlich bleiben bei der Einstudierung durch eine andere Kompanie die Schrittfolgen die gleichen, aber es ist durchaus möglich, dass sich die Aussage eines Balletts verändert, wenn sich die Ausstrahlung der neuen Tänzer von jener der Interpreten der Erstaufführung unterscheidet. Ich liebe das sehr, denn ansonsten wäre die Neueinstudierung bestehender Choreografien eine völlig langweilige Angelegenheit.

Seit uber 50 Jahren sind Sie als Choreograf mit einer geradezu ungebrochenen Kreativität tätig. Woher beziehen Sie Ihre Inspiration?

Meine beiden grossen Inspirationsquellen sind die Musik und die Tänzer. Von ihnen ist man abhängig, und ich liebe es, abhängig zu sein. Allerdings weiss ich dann auch genau, wann die Abhängigkeit aufhören muss.

In den einschlägigen Ballettpublikationen ist Ihr Schaffen heute naturlich auch Forschungsgegenstand – und unversehens begegnet man da der eigenen Legende. Kluge Köpfe haben Ihr Schaffen in Perioden eingeteilt. Da ist die Rede von der Fruhzeit, der Zeit der beginnenden Reife, der romantischen Periode, der Phase der kleinformatigen Duos... Sehen Sie sich selbst auch in diesen Phasen, und wie wurden Sie Ihr Schaffen am Beginn des 21. Jahrhunderts beschreiben?

Ich denke über diese Dinge nicht nach. Das Einzige, was ich über mich selbst gerade mit Sicherheit sagen kann, ist: Ich rauche ein Zigarette. Ich komme soeben von einer Asien-Reise zurück. Choreografien von mir hatten in China einen grossen Erfolg. Wenn mein Direktor und mein Partner mir dann erzählen, wie die Künstlerische Leiterin in Peking schwärmt: «He’s a genius, he’s a genius!», dann freue ich mich einfach und denke: Ja, dann muss ich wohl im Mai ein neues Ballett machen. Alles geht immer wieder von vorn los, es hört nie auf. Und es ist auch schön, dass man MUSS und gezwungen wird, etwas zu tun. Ich kann nämlich auch unglaublich faul sein. Ich bin


opernhaus zürich froh, wenn ich sehe, dass Ballette von mir auch nach vierzig Jahren noch wirken, dass sie nicht alt geworden sind. Die Angst, nicht mehr zeitgemäss zu sein und ein Publikum nicht mehr berühren zu können, begleitet einen dabei.

Wie wichtig ist die Musikauswahl bei Ihren Choreografien? Welche Qualitäten muss Musik haben, damit Sie bei Ihnen choreografische Ideen freisetzt?

Die Musik ist meine wichtigste Basis – Musik, die einen Grundimpuls hat. Ich brauche einen Rhythmus, sonst kann ich nicht arbeiten. Ich höre viel Musik, und es passiert, dass ich bei einer Komposition zunächst sage: «Das ist überhaupt nichts für mich», und zehn Jahre später ist es genau die richtige Musik für ein Ballett. Gute Musik muss es sein! Nichts ist fürchterlicher, als wenn man Musik dekorativ wie einen Wandteppich gebraucht. Früher habe ich mit der Musik meiner Ballett regelrecht gelebt, sie immer wieder gehört. Das tue ich heute nicht mehr, um mir die Freiheit für das Choreografieren zu bewahren. Ein Zuviel an Wissen kann schnell zu einer Fessel für die eigene Kreativität werden. Ein Ballett ist gut, wenn man es mit den Ohren sehen und den Augen hören kann.

Wie kam es zur Entstehung der «Frank Bridge Variations»?

Ein Freund von mir ist Konzertdramaturg am Concertgebouw. Als ich 2005 auf der Suche nach einer rhythmusbetonten Streicherkomposition aus dem 20. Jahrhundert war, empfahl er mir Brittens Komposition. Ich fand sie phantastisch, hatte nur Zweifel, was die Eignung von zwei Sätzen, der «Romance» und der «Aria Italiana», betraf. Nachdem ich mir Rat bei einem befreundeten Dirigenten geholt hatte, entschied ich mich, diese beiden Sätze nicht in meine «Frank Bridge Variations» aufzunehmen. Die grosse Herausforderung in dem kleingliedrigen Variationszyklus war der Trauermarsch. Was sollte ich damit anstellen? Ich erinnere mich an den Moment, als ich in den Ballettsaal kam und dachte: laufen, nur laufen! Wenn es diesen Satz nicht gäbe, wäre das Stück nicht, was es ist.

In welcher Beziehung stehen die funf Männer und funf Frauen zueinander, die in diesen spannend gut 25 Minuten die Buhne bevölkern?

In all den Pas de Deux geht es immer wieder um zwischenmenschliche Beziehungen. Aus einer gewählten Blickrichtung choreografiere ich, wie Menschen aufeinander reagieren. Dabei interessiert mich kein Partner, der die Frau nur hebt. Der Mann muss absolut da sein, auf Augenhöhe mit der Partnerin. Die Trios und Sextette sorgen für eine gewisse Abwechslung. Mein grosses Vorbild George Balanchine ist ebenfalls präsent, auch wenn das, was ich tue, nicht wie Balanchine aussieht. Dennoch habe ich eine Menge von ihm gelernt.


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Seit uber 25 Jahren arbeiten Sie mit dem Buhnen- und Kostumbildner Keso Dekker zusammen. Was macht diese kunstlerische Partnerschaft aus?

Wir kennen uns über 40 Jahre, und es ist eine Freundschaft, die schon ein halbes Leben dauert. Keso hatte seinerzeit die Ausstattung für das Ballett eines befreundeten Choreografen geschaffen, und ich habe ihn anschliessend gebeten, auch für mich zu arbeiten. Seit damals begeistert er mich immer wieder mit seinen phantastischen Ideen, seiner Vielseitigkeit und seiner Fähigkeit, eine Bühne frei zu lassen und gleichzeitig Assoziationsräume zu schaffen. Viele meiner Ballette sind ohne seine Bühnenräume und Kostüme nicht vorstellbar. Wie oft sehe ich Ballette und störe mich an einem Zuviel an Dekoration. Nicht so bei Keso Dekker. Bei ihm gibt es nichts Überflüssiges.

In Zurich werden die «Frank Bridge Variations» Igor Strawinskys «Feuervogel» an die Seite gestellt. Hat es Sie nie gereizt, sich einmal in die Welt des Handlungsballetts hineinzuversetzen?

Nein, ich kann und will das nicht. Ich fühle mich durch die szenischen Vorgaben eines Handlungsballetts zu eingeengt und auf pantomimische Vorgänge reduziert. Mir liegt die kleine Form: Choreografien von zwanzig Minuten, einer halben Stunde. Bei grösseren Dimensionen hätte ich immer Angst, nur ein Arrangeur von Schrittfolgen zu sein. «Schuster, bleib bei deinen Leisten!», sagt man, und daran habe ich mich immer gehalten.

Das Gespräch mit Hans van Manen führte Michael Küster.


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