MAG 43: Die Entführung aus dem Serail

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MAG 43

Olga Peretyatko singt Konstanze


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Editorial

Erst geköpft, dann gehangen Verehrtes Publikum, Mozarts Singspiel Die Entführung aus dem Serail ist das perfekte Stück zur aktuellen Weltlage, so könnte man denken. Die Kultur des Abendlandes prallt darin auf die Kultur des Morgenlandes, und das schafft grosse Probleme. Das passt doch. Die schein­ bare Unvereinbarkeit von westlichen und islamischen Werten ist exakt das Thema, das uns in der politischen und gesellschaftlichen Wirklichkeit von heute so dringlich be­ schäftigt. Endlich haben wir es einmal mit einer Oper zu tun, die 236 Jahre alt ist und trotzdem ins Zentrum brisanter Gegenwartsdebatten führt. Ist das wirklich so? Vor Kurzschlüssen sei gewarnt. Mozart hatte ein anderes Bild vom «Orient» als wir heute. Der gewiefte Theaterpraktiker Mozart bediente mit seiner Entführung das damals beliebte Genre der Türkenoper, während unser Blick auf die muslimische Welt politisch geprägt ist. Die Buffo-Figur des Haremswächters Osmin, der die westlichen Eindringlinge «erst geköpft, dann gehangen, dann gespiesst auf heisse Stangen» sehen möchte, ist mitnichten ein früher islamistischer Terrorist. Den Serail-Herrscher Bassa Selim verbindet rein gar nichts mit dem heutigen türkischen Potentaten Recep Tayyip Erdoğan. Aktualisierungsversuche historischer Theaterstoffe können eben ganz leicht schief liegen. Sollte man Die Entführung aus dem Serail deshalb einfach nur humor­ voll und harmlos als folkloristisches Ausstattungsstück «alla turca» auf die Bühne bringen? Das wiederum wäre eine arge Verharmlosung des Werks. Dafür hat der ge­ niale Menschenkenner Mozart das kulturelle Spannungsfeld, in dem er die Handlung ansiedelt, viel zu tiefgründig ausgelotet, um von Liebe und Eifersucht, Verführungs­ gefahr durch das Fremde, Verlustängsten und Paranoia zu erzählen. Es ist also ganz schön verzwickt, eine Inszenierung von Mozarts Entführung aus dem Serail auf die Bühne zu bringen, die auf der Höhe des Gegenstands ist und dabei den vielen Fallen, die der Stoff auslegt, aus dem Weg geht. Der deutsche Regisseur David Hermann wird es in unserer Neuproduktion, die am 6. November an unserem Opernhaus Premiere hat, versuchen. Mit seiner Fähigkeit, der Theaterfantasie freien Lauf zu lassen und dennoch differenziert und genau zu denken, hat er ein ganz aus­ sergewöhnliches szenisches Konzept entwickelt. Am Pult steht der junge, hochbegabte russische Dirigent Maxim Emelyanychev, der kurzfristig für Teodor Currentzis ein­ gesprungen ist, der die Produktion aus gesundheitlichen Gründen absagen musste. Mozarts Entführung ist nicht die einzige Premiere, die wir zurzeit auf unseren Probebühnen vorbereiten. Am 19. November hebt sich der Vorhang zu unserer neuen Familienoper Der Zauberer von Oz. Wie in den Spielzeiten zuvor wollen wir den Kindern (und ihren erwachsenen Begleitern) in einem auf sie zugeschnittenen Musik­ theaterwerk den ganzen Zauber entfalten, zu dem ein Opernhaus fähig ist. Der italie­ nische, mit dem Format der Kinderoper sehr vertraute Komponist Pierangelo Valtinoni hat den Zauberer von Oz nach dem bekannten Buch von Frank Baum für uns neu kom­poniert. Die Uraufführung wird vom holländischen Regisseur Floris Visser insze­ niert, es dirigiert die Estin Kristiina Poska. Zu beiden Produktionen finden Sie in unserem aktuellen Magazin Interviews, Hintergrundinformationen und reflektierende Texte. Viel Vergnügen bei der Lektüre wünscht MAG 43 / Nov 2016 Unser Titelbild zeigt Olga Peretyatko, die in der «Entführung» die Konstanze singt (Foto Florian Kalotay)

Claus Spahn

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Inhalt

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ie wichtig ist eigentlich Treue W in einer Partnerschaft? Anlässlich unserer Mozart-Produktion haben wir den Zürcher Paartherapeuten Guy Bodenmann befragt

Premiere «Die Entführung aus dem Serail» Mozarts Singspiel in einer neuen Lesart: Regisseur David Hermann und Bühnenbildnerin Bettina Meyer im Gespräch

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Adieu, Matti Salminen Am 12. November verabschiedet sich Matti Salminen mit einem Konzert vom Opernhaus. Wir lassen seine Zürcher Karriere fotografisch Revue passieren

K inderoper «Der Zauberer von Oz» Der Komponist Pierangelo Valtinoni hat eine neue Märchenoper für das Opernhaus geschrieben. «Der Zauberer von Oz» steht ab dem 19. November auf unserem Spielplan

Opernhaus aktuell – 6 Drei Fragen an Andreas Homoki – 7 Wie machen Sie das, Herr Bogatu? – 9 Volker Hagedorn trifft… – 22 Die geniale Stelle – 28 Meine Rolle – 38 Kalendarium und Serviceteil – 40 Der Fragebogen – 44

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DIE PASSEN ZUSAMMEN!

Fotos: Gregory Batardon

Sie könnte den feinfühligen Harlekin Petruschka haben, erliegt aber lieber den Reizen des kraftstrotzenden Mohren. Dumm und schön ist die Ballerina, und der Mohr hat Muskeln. So findet man sich auf Igor Strawinskys Jahrmarkt der Temperamente. Katja Wünsche und Tigran Mkrtchyan tanzen in der «Petruschka»-Choreografie von Marco Goecke.


Opernhaus aktuell

Kritikerumfrage

Liederabend

Ehrungen für «Macbeth» Anne Sofie von Otter und «Wozzeck» & Brooklyn Rider Bei der diesjährigen Kritikerumfrage der Zeitschrift «Opernwelt» ist das Opernhaus Zürich gleich in mehreren Kategorien ausgezeichnet worden. Der Regisseur Barrie Kosky wurde für seine Zürcher Inszenierung von Verdis Oper Macbeth zum Regisseur des Jahres gewählt. Teodor Currentzis, den Dirigenten der Macbeth-Produktion, kürten die Kritiker zum Dirigenten des Jahres. Christian Gerhaher errang mit seiner Zürcher Interpretation des Wozzeck den Titel des Sängers des Jahres. Die Bühnenbildnerin Anna Viebrock wurde unter anderem für ihre Zürcher Arbeit in Rossinis Il viaggio a Reims zur Bühnenbildnerin des Jahres gewählt, und die Produktion von Wolfgang Rihms zeitgenössischem Musiktheater Die Hamletmaschine gehörte zu den Wiederentdeckungen des Jahres.

Einführungsmatinee

Messa da Requiem Am 3. Dezember hat Giuseppe Verdis Messa da Requiem als spartenüber­ greifende Produktion von Ballett und Oper auf der Hauptbühne Premiere. Regisseur und Choreograf Christian Spuck bringt Verdis bewegende Totenmesse in einer szenisch-choreografischen Interpretation auf die Bühne, am Dirigentenpult steht Fabio Luisi. Unsere Matinee mit musikalischen LiveBeiträgen und Gesprächspartnern aus der Produktion gewährt Ihnen Einblicke in diese spannende Kreation. 27 Nov, 11.15 Uhr Bernhard Theater

Ob Mahler-Lieder, skandinavische Romantik oder ABBA-Songs – Liederabende mit Anne Sofie von Otter sind immer besondere Erlebnisse. Diesmal begibt sich die schwedische Mezzosopranistin in Begleitung von Brooklyn Rider auf die Reise ins Universum der Popmusik. Mit dem New Yorker Streichquartett, das sich genau wie sie für Grenzgänge zwischen Stilen und Genres begeistert, lässt sie Popikonen wie Björk, Sting, Elvis Costello und Kate Bush auf Klassikgrössen wie Philip Glass, Nico Muhly oder John Adams treffen. Darüber hinaus erklingt eine ganze Reihe eigens in Auftrag gegebener Kompositionen wie Cant voi l’aube der amerikanischen Komponistin Caroline Shaw. Sonntag, 13 Nov, 19.30 Uhr Hauptbühne

Brunch- und Lunchkonzerte

Kammermusik aus Böhmen

Sehnsüchtige Melodien und ausschweifende Volkstänze sind charakteristisch für die Musik Böhmens. Auch die Kompositionen von Josef Bohuslav Foerster und Erwin Schulhoff aus dem frühen 20. Jahrhundert sind vom unverkennbar slawischen Kolorit geprägt. Die Sehnsucht nach der alten Heimat durchzieht

das Nonett von Bohuslav Mar­ti­nů: Das Werk, das der Komponist 1959, kurz vor seinem Tod im Schwei­zer Exil geschrieben hat, endet mit einer Hymne auf die «Fluren und Haine von Polička», Martinůs Hei­mat­dorf. Neun Musikerinnen und Musiker der Philharmonia Zürich sind im ersten Brunch- und Lunchkonzert dieser Saison zu hören. Brunchkonzert: 6 Nov, 11.15 Uhr Lunchkonzert: 7 Nov, 12.00 Uhr Spiegelsaal

Liederabend

Pavol Breslik singt «Die schöne Müllerin»

Der Tenor Pavol Breslik hat Franz Schuberts Liedzyklus Die schöne Müllerin (1823) unlängst auf CD eingespielt und präsentiert ihn nun in einem Liederabend am Opernhaus Zürich: Die Geschichte um einen jungen Müllersburschen beginnt weit idyllischer und hoffnungsvoller als Schuberts Winterreise, doch die Liebe zur schönen Müllerin endet ebenfalls im Unglück. Der Bayerische Rundfunk empfahl Bresliks Inter­ pretation, weil dieser «nicht nur eine betörend schöne Stimme, sondern emotional unglaublich viel mit­zu­ teilen hat. Weil er brennt für das, was er da erzählt. Weil er einen damit ganz unmittelbar erreicht. Und weil er einen fantastischen Begleiter am Flügel hat: Den Pianisten Amir Katz, der mitatmet, mitdenkt, mitfühlt und mitleidet.» Mittwoch, 30 Nov, 19.00 Uhr Hauptbühne

Illustrationen: Anita Allemann  /  Foto: Frank Blaser

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Drei Fragen an Andreas Homoki

Das Ensemble ist mir wichtig Herr Homoki, wie wichtig ist es, ein festes Sängerensemble am Opernhaus Zürich zu haben? Ohne ein festes Ensemble ist kein vielseitiger Repertoire-Betrieb möglich, es verleiht unserer künstlerischen Arbeit Stabilität und Kontinuität. Hierzu ge­ hören eigentlich alle Sängerinnen und Sänger, die regelmässig an unserem Haus singen. Da Theaterarbeit immer auch Teamarbeit ist, hilft es sehr, wenn Solisten, Dirigenten und Regisseure bei einer neuen Zusammenarbeit auf frühere gemeinsame Erfahrungen aufbauen können. Noch bedeutender ist die persönliche Bindung zwischen dem Publikum und «seinem» Opernhaus, die gerade über die Wiedererkenn­ barkeit bestimmter Künstler entsteht. Erst dadurch entsteht das unver­ wechselbare Profil eines Theaters. Bei Opernhäusern ohne festes Ensemble und regelmässigen Repertoire-Betrieb geht eine solche Identifikation zwangsläufig verloren. Was noch schlimmer ist: Jungen Sängerinnen und Sängern wird ohne den geschützten Rahmen eines Ensembles die Möglichkeit entzogen, ein vielseitiges Repertoire zu erarbeiten und ihre stimmlichen Möglichkeiten behutsam weiterzuentwickeln. Das Re­ pertoire-System sorgt also auch für die notwendige Förderung des künstlerischen Nachwuchses. Im landläufigen Verständnis besteht ein Ensemble aus Sängerinnen und Sängern, die fest am Haus angestellt sind und in der Nähe wohnen... Als unser heutiges Repertoiresystem im 19. Jahrhundert entstanden ist, war das genau so: die Sänger lebten und sangen hauptsächlich in ihrer jeweiligen Stadt. Das Leben der Menschen war viel stärker lokal ausgerichtet und nur wenige herausragende Künstler wurden eingeladen, anderswo zu gastieren. Natürlich gibt es das noch immer, und die Basis jedes Ensembles bilden Künstler, die mit einem Festvertrag oft

über Jahrzehnte am gleichen Haus auftreten – allerdings eher in kleinen oder mittleren Partien. Aber wie wir alle wissen, ist unsere Mobilität in den vergangenen 60 Jahren stark gestiegen, was dazu führt, dass gefragte Sänge­rin­nen und Sänger heute innerhalb kurzer Zeit an ganz verschiedenen Orten auftreten können. Im Gegenzug sind aber auch die Ansprüche und damit der Bedarf an Spitzenkräften gestiegen. Wenn Sie heute einen viel­ versprechenden jungen Sänger ins Ensemble holen, kann es passieren, dass er bereits nach wenigen Spielzeiten dem festen Ensemble entwachsen ist. Ich muss dann versuchen, ihm attrakti­ve Projekte anzubieten, um ihn – dann als Gast – möglichst regelmässig an sein altes Haus zurückzulocken. In der Neuproduktion von Mozarts Entführung wird Claire de Sévigné aus dem Internationalen Opernstudio die Blonde singen. Gehört das Opernstudio auch zum Ensemble? Klar, in enger Zusammenarbeit mit meiner Operndirektorin Sophie de Lint und der Leitung des Opernstudios versuchen wir ganz bewusst, die jungen Künstler von Anfang an in kleinen oder mittleren Partien auf der grossen Bühne einzusetzen. Natürlich kann man nicht mit jeder kleineren Rolle einen jungen Sänger aus dem Opern­studio be­ trauen, aber für die jugendlichen Charaktere sind sie darstellerisch ideal. Im vergangenen Jahr konnten wir sogar zwei erste Puccini-­Partien wie Musetta und Liù sehr erfolg­reich aus dem IOS besetzen. Junge Künstler brauchen Herausfor­derungen und das nötige Vertrauen der Direktion weshalb wir einzelne IOS-­Mitglieder immer wieder in feste En­semble-Positio­nen übernehmen. Besonders schön ist es, wenn man einzelne Sängerinnen und Sänger über eine möglichst lange Strecke ihrer Karriere hinweg begleiten darf.

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KUNSTHAUS ZÜRICH

Die Meisterwerke in Gips, Stein, Ton und Bronze

Alberto Giacometti, Werke 1949 – 1965, Kunsthaus Zürich, Alberto Giacometti-Stiftung, Foto: Dominic Büttner, © Succession Alberto Giacometti / 2016 ProLitteris, Zürich

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Wie machen Sie das, Herr Bogatu?

Wasser marsch!

Illustration: Anita Allemann

Selten hatte ich so viele Rückfragen, «wie wir das eigentlich gemacht haben», wie nach der Ballett-Vorstellung Le Sacre du printemps. Mitten im Stück treffen zwölf kräftige Wasserschwälle von oben auf die Bühne, und das Wasser verteilt sich über den ganzen Boden. Etwas später fängt es wie aus Kübeln an zu giessen und hört erst nach einigen Minuten wieder auf. Die Bühne ist dann so voll mit Wasser, dass die Balletttänzerinnen, von ihren Partnern gezogen, wie Schwäne über den Tanzboden gleiten und dabei das Wasser wie Gischt zu beiden Seiten wegspritzt. Wie wir das machen? Wir füllen einfach zwölf Eimer mit je zehn Litern Wasser, hängen diese auf, kippen sie auf Kommando aus und lassen es danach regnen. Einfach? Zunächst muss das Wasser sehr heiss in die Eimer gefüllt werden, damit es später genau die richtige Temperatur für die Tänzer hat, auf die es herabfällt. Die Eimer werden dann an ihren Griffen in unsere Zugstangen gehängt und zehn Meter hochge­ zogen. Zum Auskippen sind die Eimer an der Unterseite mit einer anderen Zugstange verbunden. Ziehen wir diese Zugstange hoch, so kippt der Eimer um. Ja, einfach. Der Platzregen ist schwieriger: Es sollen ja keine Wasserstrahlen nach unten schiessen, sondern eben ganz viele Tropfen. Wie ein Platzregen eben. Unser Schlosser Steph Widmer hat das genial gelöst: Er montierte einen Beregnungsschlauch (Schlauch mit Löchern aus dem Baumarkt), nach oben spritzend, in ein nach unten offenes Me­tall­rohr: Das Wasser spritzt aus den Löchern gegen das Metall und tropft dann senkrecht nach unten wieder ab. Viele Tropfen landen dabei wieder auf dem Schlauch und würden an diesem bis zum nächsten Befestigungspunkt entlang laufen, um dort in einem unerwünschten Sturzbach herabzufliessen, wenn Steph nicht noch den Schlauch mit einem Metallgewebe umwickelt hätte. An dem Gewebe bleiben die Trop­ fen hän­gen und fallen an Ort und Stelle herab. Das gibt ein gleichmässiges Tropfen­ bild. Einfach genial! Diese ganze Konstruktion haben wir zwischen die Eimer in unseren Schnürboden gehängt. Den Schlauch haben wir an das warme Duschwasser angeschlossen: Auch hier wird die Temperatur mit den Tanzenden abgestimmt. Das Wasser fällt auf den Tanzboden. Dieser besteht aus miteinander verklebten PVC-Bahnen und ist zum Glück von sich aus wasserdicht. An den Rand der Tanzfläche haben wir Bretter mit einer Gummidichtung geschraubt. Diese verhindern, dass sich das Wasser ausserhalb des Tanzbodens verteilt. Nach dem Stück saugt die Bühnen­ technik das Wasser einfach mit Nasssaugern auf. Kritisch reagiert unser wichtigstes Gewebe auf Wasser: Der schwarze Samt, aus dem der Vorhang besteht, der am Ende der Vorstellung ins Wasser herabfährt. Jeder Tropfen Wasser würde deutlich sichtbare Flecken auf diesem Stoff hinterlassen, da das Flammschutzmittel mit Wasser reagiert. Den Vorhang müssten wir entsorgen, wenn er tatsächlich in das Wasser eintauchte. Wenn wir aber den Vorhang nicht eintauchen, so bleibt ein hässlicher Lichtspalt. Dieses Problem haben wir gelöst, indem wir direkt hinter die Unterkante des Samts eine zwanzig Zentimeter hohe Schürze aus einem wasserunempfindlichen schwarzen Stoff geklettet haben, der anstelle des Samtes in das Wasser taucht. So schliesst der Vorhang lichtdicht ab, und der Samt kommt trotzdem nicht mit Wasser in Berührung. Einfach, aber wirkungsvoll. Sebastian Bogatu ist Technischer Direktor am Opernhaus Zürich

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Wo beginnt Untreue?


Foto: Guy Le Querrec / Magnum Photos


12 Die Entführung aus dem Serail

Und wann ist Eifersucht Wahn? In Mozarts «Entführung aus dem Serail» ist eine der zentralen Fragen, ob Konstanze ihrem Geliebten Belmonte in der Fremde treu war; durch Belmontes Zweifel an Konstanzes Treue, durch seine Eifersucht ist die Beziehung der beiden einer existentiellen Bedrohung ausgesetzt. Ein Gespräch mit dem Paartherapeuten Guy Bodenmann über Treue, Eifersucht und Paranoia Guy Bodenmann, was sind Ihrer Erfahrung nach heute die häufigsten Probleme von Paaren zwischen 30 und 40? Eines der drei häufigsten Streitthemen von Paaren ist die Eifersucht. Daneben bieten Kinder, finanzielle Aspekte und die faire Verteilung und die Art der Erledigung der Hausarbeit weiteren Konfliktstoff. Um welche Art von Eifersucht geht es häufig? Die Bandbreite ist gross. Während der eine schon Eifersucht empfindet, weil der Partner jemand anderem nach­ schaut, liegt die Grenze bei anderen Paaren beim Flirten des Partners oder einer möglichen Gefährdung der sexuellen Exklusivität. Haben Sie erlebt, dass Eifersucht zur Obsession werden und die Beziehung zerstören kann? Ja, krankhafte Eifersucht bis hin zur Paranoia kommt vor und äussert sich häufig sehr bizarr, wie das Beispiel eines

Mannes zeigt, der davon überzeugt war, dass seine Frau einen Geliebten hätte. Das Paar ging zusammen auf eine einsame, entlegene Insel mitten im Pazifik in die Ferien; dort war weit und breit niemand. Dennoch war der Mann von der Idee besessen, dass der Geliebte sich auch auf dieser Insel auf­ halten und sich heimlich mit seiner Frau treffen würde. Das sind paranoide Vorstel­lungen mit damit einher­ gehenden konfron­tativen Verhaltenswei­ sen, die eine Beziehung arg strapazieren. Wie weit kann so ein Wahn gehen? In seltenen Fällen bis hin zu Tötungs­ delikten, die durch krankhafte Eifersucht motiviert sind. Wie kann man aus einem solchen Wahn herausfinden? Dazu braucht es eine Psychotherapie. Das Kontinuum ist jedoch fliessend; es stellt sich daher im Einzelfall immer die Frage, ab wann ist Eifersucht ob­sessiv oder krankhaft? Diese Grenz­ zie­hung ist sogar für den Psycho­­­


Die Entführung aus dem Serail 13

therapeuten nicht immer einfach. Und oft wird von einem Partner dem an­ deren krankhafte Eifersucht unterstellt, obwohl die Eifersucht durchaus be­ gründet sein mag. Ich erinnere an den Fall eines Piloten, der mit seinen Ste­wardessen grenzwertigen E-Mail-­ Kontakt vor den gemeinsamen Flügen hatte, aber beteuerte, dies sei einfach der Jargon in ihren Kreisen und habe nichts zu bedeuten. Seine Part­ne­ rin sah das anders und war eifersüchtig und besorgt. Eifersucht ist, ausser bei pathologischen Fällen, meist ein partnerschaftliches Phänomen: Wie stark gibt ein Partner Anlass zur Eifersucht, wie behutsam und feinfühlig geht er auf den Partner ein, der Mühe mit seinem Verhalten hat, oder wie stark pocht er auf seine Frei­hei­ten? Ist eine Frau zu Unrecht eifer­süch­tig, wenn sie mit ihrem Mann und einem befreundeten Paar essen geht und dabei ihren Mann belauscht, wie er dem anderen Lokale empfiehlt, in denen es besonders «heisse Kapseln» gebe? Häufig wird in Beziehungen dies­bezüglich mit dem Feuer gespielt, die Eifersucht unnötigerweise geschürt. Vielfach versucht man den Partner auch eifersüchtig zu machen, um ihm etwas heimzuzahlen oder sich interes­ santer zu machen. Solche Verletzungen sollten vermieden werden. Haben Sie Fälle erlebt, bei denen auch eine Therapie nicht geholfen hat? Ja. Die Frage ist dann oft, ob die Pro­ble­ ­matik paardynamisch oder persön­lich­ keitsbezogen ist. Es gibt Menschen, die neigen zu einer misstrauischen Art, haben konstant das Gefühl, getäuscht zu werden, und wittern grundlos die Un­ treue des Partners, unterstellen ande­ren Menschen Boshaftigkeit oder man­ geln­de Loyalität, denken, sie würden bewusst benachteiligt oder schikaniert und sind lange nachtragend. Solche Menschen weisen paranoide Persönlich­ keitszüge auf, die nicht paarthera­­peu­ tisch, sondern individualtherapeutisch be­handelt werden müssen. Es ist nicht aussichtslos, dass eine Therapie an­ schlägt; oft sind es allerdings langwieri­ge

Prozesse, bis dieses Muster verändert werden kann, und oft zerbricht die Part­ nerschaft bereits vorher. Stehen hinter der Angst des Mannes, die Frau könnte fremdgehen und um­ gekehrt, auch manchmal Ver­sa­gens­­ ängste bzw. die Angst, nicht zu genügen, nicht gut genug zu sein für den Partner, für die Beziehung? Häufiger ist es Bindungsunsicherheit. Unsere ersten Bindungserfahrungen machen wir in der Frühkindheit. Dort wird im günstigen Fall ein Grund­ ver­trauen gelegt, die eigene Wirksam­ keit und die Verlässlichkeit emotionaler Bindung erfahren. Bindungssicherheit wird dann erworben, wenn der Säugling verlässlich die Erfahrung macht, dass die Bezugsperson ange­messen auf seine Bedürfnisse eingeht und sein Miss­ behagen (z.B. die Erfahrung von Kälte, Wärme, nassen Windeln, Angst) zu regulieren imstande ist. Diese Erfahrun­ gen schaffen Urvertrauen, und das Kind lernt, dass es etwas bewirken kann, indem es schreit, dass jemand kommt und es beruhigt. Dies bildet die Grund­ lage für die Entwicklung eines ge­ sunden und stabilen Selbstwerts. Man erfährt, dass man geliebt wird, etwas bewirken kann, für andere wichtig ist. Wenn diese Erfahrungen nicht ange­ messen gemacht werden können, indem die zentralen Bezugspersonen zu häufig abwesend sind oder zu wenig sensitiv auf die Bedürfnisse des Kindes eingehen, entsteht eine unsichere Bindung. Das Kind wird entweder ängstlich-ambivalent oder vermeidend gebunden. Der Bindungsstil zeigt sich bereits bei Kindern im Alter von einem Jahr in der Art und Weise, wie sie auf Trennungen und Wiedervereini­ gungen reagieren. In einem Bindungs­ test weinen die sicher gebundenen Kinder, wenn die Mutter den Raum verlässt; wenn sie zurückkommt, lassen sie sich jedoch rasch wieder b­eruhigen. Bei ängstlich-ambivalenten Kindern beobachtet man dagegen, dass sie ex­ zessiv schreien, der Mutter nach­krie­ chen, sie versuchen festzuhalten, wenn sie hinausgeht; wenn die Mutter zurück­ kommt, sind sie ambivalent, sie stossen

«Eines der drei häufigsten Streitthemen von Paaren zwischen 30 und 40 ist heutzutage die Eifersucht.»


14 Die Entführung aus dem Serail

«Die Treue wird es in Zukunft noch schwerer haben.»

die Mutter zurück, sind schwie­rig zu beruhigen. Die ver­meidenden Kinder ignorieren die Mutter bereits, wenn sie den Raum verlässt, schauen ihr kaum nach, und wenn sie zurückkommt, spielen sie weiter, als wäre nichts ge­ wesen. Diese Kinder – die auf den ersten Blick als die pflegeleichtesten wirken könnten – sind bindungsmässig gestört. Diese frühen Bindungserfahrungen sind auch für die spätere Eifersucht prä­ diktiv. Ein Mensch, der ängstlich ge­ bunden ist, wird auch in der Partner­ schaft bezüglich der Verlässlichkeit des Partners unsicher sein und vermehrt Angst haben, nicht ausreichend geliebt oder sogar verlassen zu werden. Diese Befürchtungen gehen zwangs­ läufig mit erhöhter Eifersucht einher. Somit sind die frühkindlichen Bindungs­ erfahrungen häufig stärker für Eifer­ sucht verantwortlich als Versagens­ängste. Diese können allerdings ebenfalls eine Rolle spielen. Beim Gefühl, dem Partner nicht zu genügen und ihn an einen vermeintlich besseren Konkur­ renten zu verlieren, spielen häufig beide Aspekte eine Rolle: eine unsichere Bindung und ein niedriges Selbstwert­ gefühl. Eine Person mit gutem Selbst­ bewusstsein wird durch andere weniger stark gestresst und hat mehr Vertrauen in den Partner und in die Überzeugung, dass dieser bei ihr bleiben und ihr treu sein wird, auch wenn sie ihm nicht in allen Belangen genügen kann. Für wie wichtig halten Sie Treue in einer Beziehung? Vor 15 Jahren haben wir bei 17-jährigen Gymnasiasten eine Fragebogenstudie durchgeführt und diese letztes Jahr wiederholt. Es ging um die Sicht von Liebe und Partnerschaft. Eine Frage war, für wie wichtig Jugendliche Treue in der Partnerschaft halten. Im Jahr 2015 gaben 98 Prozent der Mädchen und 90 Prozent der Jungen an, dass Treue für sie zentral sei. Vor 15 Jahren waren es 83 Prozent der Mädchen und 80 Prozent der Jungen. Die Idee, dass Treue unerlässlich sei für das Ge­ lingen der Partnerschaft, ist also heute noch stärker als vor 15 Jahren, was ich bemerkenswert finde. Evolutions­

biologisch spielt Treue für beide Ge­ schlechter eine wichtige Rolle. Die Frau möchte, dass sich der Mann für ihren Nachwuchs verantwortlich fühlt, sich um ihn sorgt und beiden eine gute Lebensgrundlage bietet; der Mann wiederum möchte Treue, damit er keine Kuckuckskinder aufzieht und seine Ressourcen nicht mit fremdem Nach­ wuchs verschwendet. Treue ist aber er­ neut vor allem bindungstheoretisch relevant, weil man sich eine verlässliche und stabile Partnerschaft wünscht. Interessant ist nun die Frage, wie Treue im Alltag gelebt wird. Studien zeigen, dass rund 50 Prozent der Paare im Verlauf der Beziehung Untreue erfahren. Die Einstellung zu Treue und das tatsächliche Verhalten unterscheiden sich also stark. Viele wünschen sich Treue vom andern, definieren für sich selbst Treue aber grosszügiger. Noch interessanter wird es, wenn nicht nur die sexuelle Treue, sondern auch die emotionale Treue berücksichtigt wird. In den USA hatte ein konservativer, ver­ heirateter Senator Nacktbilder von sich an verschiedene Frauen verschickt, was einen Skandal ausgelöst hatte, obwohl er objektiv seiner Frau sexuell treu war, da er (soweit man informiert ist) keine sexuellen Affären mit anderen Frauen hatte. Die Definition von Untreue als Verletzung der sexuellen Exklusivität (auch als Seitensprung oder Ehebruch bezeichnet) griff in diesem Fall zu kurz. In einer kürzlich in Deutschland und der Schweiz durchge­ führten Studie, bei der man sich zuerst selbst bezüglich seiner Treue ein­ schätzen musste, ergab, dass rund 80 Prozent sich als treu bezeichneten, gleich­wohl aber emotional intime Chats mit einer fremden Person ausserhalb der Partnerschaft führten oder teils sogar explizite sexuelle Chats verfassten. Sind wir denn Ihrer Erfahrung nach überhaupt dafür geschaffen, über Jahrzehnte monogam und treu zu leben? Diese Frage ist komplex. Bei den Primaten gibt es nur drei Affenarten (Gibbon, Klammeraffe, Nachtaffe), die monogam sind. Bei den Schimpansen,


Die Entführung aus dem Serail 15

unseren nächsten Verwandten, ist es sogar so, dass alle Männchen sexuel­ len Kontakt mit allen Weibchen der Gruppe haben; entsprechend kümmern sich auch alle Männchen um den Nachwuchs. Interessanterweise lassen die Weibchen zwar alle Männchen an sich heran – ausser zum Zeitpunkt der Ovulation; da gewähren sie nur ihrem Favoriten sexuelle Kontakte. Das heisst, die Weibchen steuern ohne das Wissen der Männchen, mit wem sie Nachwuchs haben. Aber grundsätz­ lich ist Treue bei Primaten selten. Damit wäre es evolutionsbiologisch ge­ sehen kein Konzept, das uns mitge­ geben wurde. Weiter spielen in der modernen westli­ chen Welt gesellschaftliche Werte wie Selbstverwirklichung, Autonomie und Freiheit – man soll tun und lassen können, was für einen selber am besten ist – eine Rolle. Die Einstellung, dass die Sexualität jedem selbst gehöre und der andere keinen Anspruch da­rauf habe, erzeugt ein weiteres Spannungs­ feld, innerhalb dessen es immer schwie­ riger wird, Treue einzu­fordern. Diese Liberalisierung spiegelt sich auch in den Medien, wo Untreue namhafter Per­­sönlichkeiten immer stärker als Privat­sache verstanden wird und nicht mehr zu wochenlanger Ächtung und Empörung führt. Auch begrifflich werden negativ besetzte Ausdrücke wie Ehebruch seltener verwendet, statt­ dessen findet man Begriffe wie Seiten­ sprung, One-night-Stand oder Affäre. All dies verändert die Konnotationen von Treue und Untreue. Auch juristische Barrieren sind heute entfallen. Bis ins 20. Jahr­hundert wurde Ehebruch sank­ tioniert und in der Schweiz erst 1989 aus dem Strafgesetzbuch ge­stri­chen. Damit ist es heute auch rechtlich unbe­ denklich geworden fremd­zugehen. Einzig aus bindungstheoretischer Sicht ist und bleibt die Treue zentral. Wenn jemand sexuell untreu wird, strapaziert er auch die emotionale Bindung. Unser Bindungsbedürfnis fordert Treue ein; alle anderen Faktoren wirken eher gegen die Treue oder fördern diese zumindest nicht. Das wird es der Treue in Zukunft nicht leichter machen.

Wie sehr sind Paare Ihrer Erfahrung nach in Beziehungsmustern gefangen, aus denen sie nicht herausfinden? Je länger Paare zusammen sind, desto stärker werden diese Muster. Man bringt jedoch immer eine Grundkonstante mit, wie zum Beispiel den eige­ nen Bindungsstil – das heisst, auch wenn man eine neue Partnerschaft ein­ geht, ist es kein Neuanfang mit völlig offenem Ausgang. Entscheidend kann aber sein, wie der andere damit umgeht. Wenn ein Partner sensibel auf die Ängste des anderen eingehen kann, er­ möglicht dies mitunter einen positive­ ren Verlauf. Doch irgendwann ist das Verständnis des Partners vielleicht er­ schöpft, er fühlt sich von der Eifersucht und den Ängsten des anderen zu stark eingeschränkt und beansprucht, und die bekannten Muster gewinnen wieder Oberhand. Also ist die Chance, aus Beziehungs­ mustern auszubrechen, die auf die Art der Bindung zurückgehen, wie wir sie in unserer frühesten Kindheit gelernt haben, eher klein? Es bräuchte dafür jahrelange neue Er­ fahrungen, die zeigen: Ich werde akzeptiert und geliebt, der Partner oder die Partnerin ist verlässlich und trägt mir Sorge; so kann Vertrauen neu gelernt und der Bindungsstil über­ schrieben wer­den. Hinzu kommt je­ doch, dass auch die Art und Weise, wie die Eltern ihre Partnerschaft gelebt haben, für die Partnerschaft der Kinder eine Rolle spielt. Verhaltensmuster tradieren sich über Generationen. Ent­ sprechend ist dieses familiäre Gepäck – dieses Herkunfts­gepäck – ein weiterer wichtiger Faktor innerhalb der Partnerschaftsdynamik. Das Gespräch führte Beate Breidenbach

Prof. Dr. Guy Bodenmann ist Inhaber des Lehrstuhls für Klinische Psychologie Kinder/ Jugendliche und Paare/Familien an der Universität Zürich. Zuletzt erschienenen von ihm die Bücher: «Was Paare stark macht» (Beobachter Edition, 2015) und «Bevor der Stress uns scheidet» (Hogrefeverlag, 2015).


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Die Entführung aus dem Serail

Gefangen in den eigenen Ängsten Am 6. November hat «Die Entführung aus dem Serail» Premiere. Zu Lebzeiten Mozarts fügte sich dieses deutsche Singspiel bruchlos in die beliebte Tradition der Türkenoper und wurde der grösste Erfolg des Komponisten. Heute schauen wir mit ganz anderen Augen auf dieses Stück. Ein Gespräch mit Regisseur David Hermann und Bühnenbildnerin Bettina Meyer über ihre Lesart der «Entführung». Fotos Danielle Liniger

In Mozarts Entführung aus dem Serail prallen zwei Kulturen aufeinander, die europäisch-christliche, verkörpert von Belmonte, Konstanze, Blonde und Pedrillo, und die türkisch-islamische, repräsentiert durch Bassa Selim und Osmin. Ist die Entführung also ein brandaktuelles Stück? Oder anders gefragt: Was geht einem als Regisseur, als Bühnenbildnerin durch den Kopf, wenn man eine Inszenierung dieses Stückes vorbereitet? David Hermann: Man wird sich bewusst, wie aufgeladen und komplex dieses Thema ist, und man fragt sich, ob Oper das richtige Vehikel ist, um dieses Thema differenziert zu betrachten. Obwohl das Stück durchaus einen aufklärerischen Habitus hat, gerade, was Islam und Christentum betrifft, sehe ich Schwierigkeiten, das auf unsere Zeit zu übertragen. Ich habe Sorge, dass man da keine befriedigende Antwort bekommt; heute ist alles so viel komplexer geworden. Allerdings gibt es in diesem Stück eine Figur, nämlich Osmin, die eine Radikalisierung aus Wut und Hass durchmacht. Diese Radikalisierung ist in ihrer Energie sehr theatral, aber für uns heute auch sehr erschreckend. Das haben wir versucht, so zu zeigen, dass es dabei viel mehr um unsere Angst geht, um das, was wir sofort befürchten, wenn jemand laut schreit und brutale Dinge fordert. So ist dieser Aspekt der Radikalisierung auch in unserer Lesart durchaus ein Thema. Bettina Meyer: Vielleicht ist die Oper nicht das richtige Medium, um den ak­ tuel­len Kulturkonflikt aufzugreifen. Dennoch leben wir heute, machen heute Kunst und tragen die aktuellen Konflikte mit uns. Den Begriff «politisches Theater» finde ich schwierig – was das sein soll, davon hat jeder eine andere Vorstellung. Trotzdem stehen wir mit dem, was wir machen, in der Öffentlichkeit und haben auch eine Haltung. Wir haben uns dafür entschieden, die Geschichte der Entführung aus dem Serail aus dem Kopf, aus der Perspektive eines heutigen Westeuropäers – nämlich Belmonte – zu erzählen, der Ängste hat. Und diese Ängste betreffen nicht nur die Frage, ob Konstanze ihm treu war, sondern auch andere Bereiche, nämlich die Furcht vor dem radikalen Islam und vor dem Fremden ganz allgemein. Um das zu zeigen, verwenden wir Symbole oder Zeichen wie etwa einen arabischen Schriftzug. David Hermann: Wir wollen zeigen, wie solche Ängste entstehen und auch wieder verschwinden... Bettina Meyer: ...oder wie sie zum Teil auch paranoid sind. Das Auftauchen des arabischen Schriftzugs löst sofort Beunruhigung aus, weil wir momentan mit dieser Schrift nicht in erster Linie gelehrte Bibliotheken oder einen Hinweis auf die Wiege unserer gemeinsamen Kultur verbinden, sondern beängstigende Parolen – dabei bedeuten die Schriftzeichen in unserem Bühnenbild nichts anderes als «Das ist Bassa Selims Haus».


Olga Peretyatko und Pavol Breslik


Olga Peretyatko (rechts) als Konstanze, Claire de Sévigné als ihre Doppelgängerin Blonde

Wie entlarvt man solche Ängste als eigentlich unbegründet? David Hermann: Der Held dieses Abends ist Belmonte, wir erleben seine Sicht der Dinge. Wir erzählen zudem keine lineare Geschichte, in der es von A nach B und dann weiter nach C geht, sondern unsere Geschichte geht von A nach B, springt dann vielleicht wieder zurück nach A, geht dann weiter nach C und anschliessend wieder zurück nach A. Durch diese Erzählweise wird, so hoffen wir, klar, dass es um Angstvorstellungen geht, die immer wieder kommen, die einen nicht loslassen, aber auch um bestimmte, vielleicht destruktive Muster in Beziehun­ gen, in die man immer wieder zurückfällt, aus denen es kein Entrinnen gibt. Bettina Meyer: Ich denke, jeder von uns kennt das Gefühl, nicht mehr zu wissen, was man eigentlich glauben soll. Auch unsere Ängste sind sehr diffus, sehr undifferenziert. Ich würde mir wünschen, dass in dieser Aufführung auch klar wird, wie reale, durchaus begründete Sorgen immer mehr zu etwas Albtraumhaftem, nicht mehr Kontrollierbarem werden können, sich so verselbständigen, dass sie aus der Realität herauskippen. Neben der Angst vor dem Fremden und terroristischer Bedrohung steht die Angst Belmontes im Zentrum, Konstanze könnte ihm untreu geworden sein. David Hermann: Ja, das Eifersuchtsproblem ist in Mozarts Originallibretto ganz zentral. Die Geschichte erinnert an eine Laborsituation, in der zwei Paare – Bel­ monte und Konstanze einerseits, Pedrillo und Blonde andererseits – in die Fremde geraten und die Aufgabe haben, dem Serail zu entkommen, in dem sie gefangen sind. Dabei durchleben sie verschiedene Stadien der Sorge, der Angst und vor allem der Eifersucht, weil es in dieser Fremde zwei Männer gibt, die jeweils eins der beiden Paare bedrohen. In unserer Lesart konzentrieren wir uns auf Konstanze und Belmonte und fragen uns, welchen Störungen dieses Paar aus­gesetzt ist: Wie stark


Die Entführung aus dem Serail 19

ist die latente Eifersucht von Belmonte? Gibt es von Konstanze ein unbewusstes Begehren, eine Sehnsucht nach einem anderen Mann? Sowohl Konstanze als auch Belmonte haben in unserer Version Doppelgänger, nämlich Blonde und Pedrillo, was uns die Möglichkeit gibt, weitere Spielarten dieser Paarbeziehung zu zeigen. Bettina Meyer: Wir kennen das aus unseren Träumen, dass wir uns selbst zuschauen, aber nicht eingreifen können. In Belmontes Kopf laufen verschiedene alb­traum­artige Filme ab, die ihn bedrohen. Belmonte arbeitet gegen sich selbst. Das lässt sich mit dem Alter Ego, das wir eingeführt haben, sehr gut zeigen. David Hermann: Für Belmonte gibt es aus diesem Albtraum kein Entkommen. Falls sich eine der verschlossenen Türen überhaupt öffnet, wartet dahinter nicht die Befreiung, sondern es beginnt der nächste Albtraum. Bettinas Räume haben zwei Pole, nämlich das Öffentliche des Restaurants und das Private des Schlafzimmers. Zwischen diesen beiden Polen spielt sich der Abend ab, und wir fragen uns, welchen Zwängen wir einerseits in einem öffentlichen Raum unterliegen und welche Rituale wir andererseits im privatesten Raum befolgen. Bettina Meyer: Und dann gibt es ja auch noch den weissen, leeren «Zwischen-­ Raum» – hier ist Belmonte mit sich allein, gefangen in seinen Ängsten und Gedanken. Dieser Raum steht ganz allgemein für Belmontes Situation. Die Räume, die ihr jetzt beschrieben habt, sind auf einer Drehbühne an­ge­ ordnet, deren Bewegung eine Reise, aber zugleich auch das unentrinnbare Kreisen um sich selbst, das ausweglose Gefangensein in den eigenen Ängsten erfahrbar macht. David Hermann: Ja, und ich denke, wir sind da ganz nah bei Mozart – es geht in der Entführung darum, einer Situation, in der man gefangen ist, zu entkommen. Belmonte möchte verstehen, worin er gefangen ist, und dieser Situation entfliehen. Die Reise ins Serail seht ihr also eher als Reise ins Innere, in die seelischen Abgründe Belmontes... David Hermann: Dabei gehen wir von einer ganz konkreten Situation aus: Nach einem Streit mit Belmonte verlässt Konstanze den Raum und kommt einfach nicht zurück. Belmonte begibt sich auf die Reise, um diese Frau wiederzufinden, und gerät in einen Strudel von immer schwieriger werdenden Situationen. Bassa Selim ist ja eine Sprechrolle, er unterscheidet sich also schon dadurch, dass er nicht singt, von allen anderen Figuren in Mozarts Singspiel – und übt durchaus auch eine gewisse Anziehung auf Konstanze aus. Wer ist Bassa in eurer Lesart, und wie ist er besetzt? David Hermann: Bassa ist eine Angstfigur, eine Vision von Belmonte. Er hat eine spezielle Körperlichkeit und taucht nach einer bestimmten Logik im Stück auf. Für Belmonte ist er die Verkörperung der Eifersucht. Für Konstanze wird er an ein, zwei Stellen zur Sehnsuchtsfigur. Bettina Meyer: Bassa ist ja – in Belmontes Vorstellung – nicht nur der bessere Liebhaber, sondern auch der bessere Mensch: ruhig, souverän, mutig. David Hermann: Er ist eine Projektion von beiden. Und gerade sein Schweigen macht ihn so gross – denn genau deswegen können wir so vieles in ihn hinein­­­ projizieren... B. Meyer: ...und dadurch fühlt sich Belmonte auch provoziert! Im Grunde funktioniert der Bassa in unserer Version wie ein Spiegel, in dem Konstanze und Belmonte ihre eigenen Ängste und Sehnsüchte erkennen. David Hermann: Wir haben ihn mit dem belgischen Tänzer und Schauspieler Sam Louwyck besetzt, mit dem ich schon einmal bei der Ruhrtriennale gearbeitet habe, wo er auch eine bedrohliche Figur aus dem Unterbewussten gespielt hat. Daher wusste ich, dass er eine sehr starke Präsenz hat und etwas Beunruhigendes ausstrahlen kann.

Maxim Emelyanychev ist der Dirigent unserer «Entführung» und kurzfristig für Teodor Currentzis einge­sprungen, mit dem er am Opernhaus Perm als Cembalist zu­s­ammengearbeitet hat. Zurzeit ist er Chef­dirigent des Barock­orchesters Il Pomo d’Oro, mit dem er 2015 neapoli­ tanische Arien mit Max-Emanuel Cencic auf CD herausbrachte. Er stammt aus Nizhny Novgorod und debütierte als Dirigent bereits im Alter von 12 Jahren. Als Cembalist der Pro­duktion «Le nozze di Figaro» an der Oper Perm, die ebenfalls auf CD erschienen ist, erhielt er die Goldene Maske, die höchste russische Theateraus­ zeichnung.


Olga Peretyatko, Pavol Breslik und Sam Louwyck


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Der Bassa ist also eine Projektionsfigur, die nicht spricht; und nicht nur er spricht nicht, sondern ihr erzählt das Stück komplett ohne gesprochene Dialoge. David Hermann: Zum einen zweifle ich an der Form des Singspiels, weil es mich meistens nicht überzeugt, wenn Sänger Dialoge sprechen. Zum anderen war es für mich auch ein Experiment zu schauen, was passiert, wenn man dieses Stück ohne Dialoge spielt: Welche Arien und Ensembles treffen direkt aufeinander, wo entstehen neue Bedeutungsstränge, was heisst das für die Dynamik, die Spannungskurve? Dass es überhaupt möglich ist, die Entführung fast ganz ohne gesprochenen Text zu erzählen, hat auch damit zu tun, dass Mozart im Gegensatz zu anderen Komponisten seiner Zeit in diesem Singspiel die Handlung keines­ wegs nur in den Dialogen stattfinden lässt, sondern dass sich die Handlung auch in der Musik abspielt... David Hermann: Ja, das ist so, ganz besonders zum Beispiel in dem Quartett, in dem das Motiv der Eifersucht, des Zweifels der Männer an Konstanzes und Blondes Treue, zum ersten Mal auftaucht. Die Entführung gilt als aufklärerische Oper; sie endet im Original damit, dass der Bassa den Europäern verzeiht und sie in die Freiheit entlässt – obwohl sich herausstellt, dass Belmonte, der ins Serail eingedrungen war, um Konstan­­ze, die der Bassa liebt, zu entführen, der Sohn von Bassas ärgstem Feind ist. Wie steht ihr zu dieser Versöhnung am Schluss dieses Stückes? Bettina Meyer: Ich habe diesen Schluss nie wirklich glauben können. Ebenso wie am Schluss der Zauberflöte finde ich, dass auch der jubelnde Schlusschor in der Entführung merkwürdig klingt, als wäre die Freude, die hier zum Ausdruck kommen soll, nicht ganz echt. Zudem scheint ja eine Versöhnung der Kulturen, der Religionen heute schwieriger denn je; kein Wunder also, dass uns dieser originale Schluss fast naiv erscheint. David Hermann: Wenn man die Geschichte von vornherein anders erzählt, so wie wir das tun, dann evoziert das auch einen anderen Schluss. In unserer Lesart müssen wir am Ende noch einmal ganz deutlich zeigen, aus wessen Perspektive die Geschichte erzählt wurde. Zu Beginn unserer Aufführung sagt Belmonte zu Konstanze: «Ich glaube, du bist die Geliebte des Bassa». Und wenn dann der Chor am Ende singt: «Bassa Selim lebe lange», dann zeigt das in unserer Version, dass Belmonte auch am Schluss des Stückes immer noch in seiner Eifersuchtsschlaufe drin ist, er hat es nicht geschafft, dieses Problem für sich zu lösen, er durchlebt in den allerletzten Takten noch einmal wie in einer Zentrifuge dynamisiert seine Ängste – dieser Mensch wird nicht erlöst, er bleibt vor dem Angstgebäude seiner Persönlichkeit stehen und muss damit fertig werden. So wie wir alle. Das Gespräch führte Beate Breidenbach

Die Entführung aus dem Serail Singspiel von W. A. Mozart Musikalische Leitung Maxim Emelyanychev / Christoph Altstaedt Inszenierung David Hermann Bühne Bettina Meyer Kostüme Esther Geremus Lichtgestaltung Franck Evin Choreinstudierung Jürg Hämmerli Dramaturgie Beate Breidenbach Sounddesign Malte Preuss Bassa Selim Sam Louwyck Konstanze Olga Peretyatko Blonde Claire de Sévigné Belmonte Pavol Breslik Pedrillo Michael Laurenz / Spencer Lang Osmin Nahuel Di Pierro Orchestra La Scintilla Zusatzchor der Oper Zürich Statistenverein am Opernhaus Zürich Premiere 6 Nov 2016 Weitere Vorstellungen 11, 20, 26 Nov 2, 9, 15, 18, 21 Dez 2016 Unterstützt von den Freunden der Oper Zürich


22 Volker Hagedorn trifft…

Olga Peretyatko Olga Peretyatko stammt aus St. Peters­ burg und hat am Opernhaus Zürich be­ reits einen grossen Erfolg als Gilda in einer Aufführungsserie von Verdis «Rigoletto» verbuchen können. Nun debütiert sie hier als Konstanze in Mozarts «Die Entführung aus dem Serail», die sie anschliessend auch an der Deutschen Oper Berlin singen wird. An der Metropolitan Opera in New York sang sie neben Gilda bisher auch Elvira in «I puritani».

«Ich seh’ Sie», höre ich ihre Stimme im Handy und blicke auf, und da steht Olga Peretyatko, fünf Meter weit von meinem Tisch vorm Café. Das ist also ihre Art, herauszufinden, welcher der Typen hier mit ihr verabredet ist. Das erspart Umstände. Sie ist genauso elegant und hübsch wie ihre Donna Anna, die ich am Abend vorher sah, in der Staatsoper Berlin, Rollendebüt der 36-jährigen Russin. Und sie ist völlig anders. In Claus Guths Inszenierung geht es zwischen Donna Anna und Don Giovanni höchst einvernehmlich zu. Sie ist da von Anfang an auch eine Verführerin, oder? «Das ist politisch korrekt gesagt», sie lacht, «sie ist eine Schlampe und eine Lügnerin, was mir natürlich nicht so gut gefällt.» Aber sie respektiert den Regisseur, und so hat diese Anna elegant und undurchschaubar und in weitem Bogen ihren Verlobten belogen in der Arie «Or sai chi l’ onore… Jetzt weisst du, wer mir die Ehre rauben wollte.» Immerhin sei es eine der Rollen bei Mozart, die «wirklich mehrdeutig sind. Auch im Text steht nicht offensicht­ lich, was vor meinem ersten Auftritt passiert.» Schwieriger fand sie es, mit der dichtbewaldeten Drehbühne klarzukommen, oft im Dunkeln und mit hohen Schuhen, alles andere als sängerfreundlich. «Auf der einzigen Bühnenprobe mit Orchester habe ich alle Fehler gemacht, die möglich waren. Aber die anderen haben mich total unter­ stützt, und gestern war ich superkonzentriert und kaltköpfig. Ich bin fast zufrieden.» Sie spricht mit eher tiefer Stimme, diese Perfektionistin, deren Teint eher ans Mittelmeer als an St. Petersburg denken lässt, und tatsächlich hat sie sich bis ins Alter von 20 Jahren für einen Mezzo gehalten und von Carmen geträumt, «das bleibt immer noch eine Lieblingsrolle – die ich nie singen werde. Mein Stimmumfang war immer gross. Im Opernchor habe ich Alt gesungen, das ist sozusagen mein Joker. Ich bin nicht eine hohe Koloratursopranistin, Pi-pi-pi in der dritten Oktave und nichts in der Mitte… So wie ich es sehe, geht es in Richtung dramatisches Koloratursopran­fach, und das freut mich.» Auch ihren Vater wird es freuen, denn der, bis heute Chorsänger am Mariinski­-Theater in St. Petersburg, war noch vor ihr selbst überzeugt, sie müsse Solistin werden. Auffällig wurde sie mit dreieinhalb, weil sie da schon lesen konnte. «Mama sagt, dass ich alles gesungen habe, was ich gelesen habe, so hat’s angefangen.» Mit fünf lernte sie Geigenspielen und Notenlesen, und in der Oper war sie sowieso zu Hause, «in den Gassen und zwischen den Kulissen, obwohl’ s natürlich streng verboten war. Ich war immer da und hab’s total genossen, diesen Theatergeruch! Die erste Vorstel­ lung, an die ich mich erinnere, war Faust, ich sass so nah wie möglich an der Bühne, und das war toll.» Und doch vermisst sie St. Petersburg nicht. «Es ist zu weit weg für meine Arbeit, und es kann sehr deprimierend sein. Von Oktober bis April ist praktisch Nacht.» Sie tippt ins Smartphone: «Berlin: 20 Grad, Sonne. St. Petersburg: 9 Grad, keine Sonne, und es regnet. Sehn Sie?» Aber nicht nur darum ist sie «total verliebt in Berlin», wo sie seit vierzehn Jahren lebt, nah am lärmigen Nollendorfplatz. «Es ist die Freiheitsluft, die ich hier immer spüre.» Sie kam zuerst 2001, «ich hatte alles auf eine Karte gesetzt und mich an der Hochschule für Musik Hanns Eisler beworben, nur da.» Sie sang Brenda Mitchell vor, kam dann zur Aufnahmeprüfung, bestand und blieb. Und wurde zugleich Teil der grossen russischen community in Berlin, deren Mitglieder sie schon erkennt, ehe sie den Mund aufmachen. Woran denn? Sie karikiert eine finstere Miene: «Das ist eine Schutzmaske aus sowjetischer Zeit. Keiner lächelt. Bei Deutschen ist Lächeln normal, es bedeutet nicht gleich etwas Besonderes. Wenn ein Russe dich anlächelt, heisst das, er mag dich.»


Volker Hagedorn trifft… 23

2007 gewann sie den zweiten Preis bei «Operalia», «das brachte keine Jobs, aber Geld, und damit konnte ich weiter vorsingen, denn das Reisen kostet Geld.» Zu der Zeit war sie noch im Opernstudio der Hamburger Staatsoper, «ich bin zu jedem Dirigenten gegangen, der da gastierte: Kann ich vorsingen? Und keiner sagte nein. Zehn Minuten tun ja nicht weh.» Seitdem ist sie beruflich frei und froh darüber, «dass ich nicht morgens um zehn Mozart proben und abends um sieben Wagner singen muss.» In ein Ensemble will sie «vielleicht später, wenn ich ein Kind bekomme und an einem Ort bleiben will und soll. Ich plane nicht so weit, ich bin ein bisschen fatalistisch. Es kann alles passieren…» Das ungewöhnlichste Vorsingen ergab sich, als sie längst schon einen Namen hatte und mit ihrem Mann, dem Dirigenten Michele Mariotti, in Bologna war. «Da rief Boris Beresowski an, der Pianist, er schätzt mich sehr. Wo bist du? – Bologna. – Kannst du morgen nach Rom kommen, ich hab’ Pappano von dir erzählt. Er will dich hören.» Sie fährt also im Zug nach Rom, Beresowski, Jahrgang 1969, einer der bedeutenden Pianisten seiner Generation, aber ohne Opernerfahrung, hat schon einen Stapel Klavierauszüge von Vincenzo Bellini gekauft, vieles durchgespielt und ist begeistert: «Jetzt verstehe ich, was Chopin in Paris von ihm gelernt hat!» Damit gehen sie zu Antonio Pappano. Der fragt, «wer spielt?» Boris: «Na, ich.» «Kannst du das denn?» Sie lacht. Es seien dann «spitzenmässige 40 Minuten Arbeit» geworden mit Beresowski und Pappano, die sich als Korrepetitoren am Klavier ablösten. Mit Pappano hat sie zwar seit­dem noch nichts gemacht, «aber mal seh’n. Alles, was passiert, hat seine Zeit.» Mittlerweile hat sie die Gilda an der MET gesungen und mit grossen Dirigenten und Regisseuren gearbeitet. «Ich kann eigentlich sagen, dass ich von jedem etwas gelernt habe. Dmitri Tcherniakov hat uns hier an der Staatsoper die Geschichte von Rimski-Korsakows Zaren­braut so gut erklärt, da hatte jeder das Gefühl, es könnte bei den Nachbarn passieren, eine aktuelle Geschichte. Er braucht viel von dir, aber er gibt auch viel.» Und wenn einer sie nicht überzeugt? «Dann werden wir sprechen.» Sie hat durchaus Vorstellungen von dem, was sie machen will und was nicht. Zu einer Produktion, für die in den Sprechtext überall «fuck you» und «fuck off» eingebaut wurden, hat sie dem Regisseur gesagt: «So gehe ich nicht auf die Bühne. Ich werde was ändern. Punkt.» Auf solche Konflikte braucht sich David Hermann eher nicht ein­zurichten, wenn er in Zürich die Entführung aus dem Serail mit Olga Peret­yatko probt. «Wir haben in Amsterdam schon zusammen Il turco in Italia gemacht, ich bin offen und freu mich. Es geht in Richtung David Lynch, Doppelgänger, Unklarheiten… Die Kostüme habe ich schon gesehen und bin total zufrieden, das ist schon was.» Sie freut sich auch deswegen, weil die Konstanze für sie bedeutet, «zurück nach Hause zu kommen. Ich hab’ mit Konstanze angefangen, 2005 an der Hochschule, mein Blond­chen war Anna Prohaska. Diese Partie ist für mich superbequem!» Wie würde sie eigentlich einem Outsider erklären, warum sie diesen Job macht? Einem, der sonst nur ins Kino geht? «Es geht um Emotionen, um Stimmen und live performance, trotz all der wunderbaren CDs und DVDs. Um das, was mit Orchester und Stimmen zusammen in dem Moment passiert. Es ist etwas, was du nicht jeden Tag erlebst. Der Klavierauszug ist tot, wenn er da liegt, wir bringen ihn ins Leben. Es ist immer wie zum ersten Mal. Und wir machen das seit 400 Jahren ohne Verstärker, das ist doch gewaltig.» Sie glaubt, dass man als Besucher aus dem Theater auch dann «ein bisschen glücklich nach Hause gehen» kann, wenn auf der Bühne gelitten, betrogen, gestorben wurde. Sie möchte das eigentlich nicht erklären müssen, sondern es die Leute erleben lassen, «und man muss schon früher anfangen. Man muss die Schüler in die Proben bringen. Sie sollten zusehen, was da passiert, wie wir schwitzen, lachen, hinfallen, weinen ab und zu… es ist eigentlich das Leben!» Volker Hagedorn


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Matti Salminen in Zürich

König Marke in «Tristan und Isolde» (mit Sabine Hass) Regie: Werner Düggelin Spielzeit 1997/98

Der finnische Bass verabschiedet sich von der Bühne. Stationen einer aussergewöhnlichen Karriere Daland in «Der fliegende Holländer» (mit Bryn Terfel) Regie: Andreas Homoki Spielzeit 2012/13

Gurnemanz in «Parsifal» Regie: Claus Guth Spielzeit 2010/11


Veit Pogner in «Die Meistersinger von Nürnberg» (mit Juliane Banse) Regie: Harry Kupfer Spielzeit 2011/12 Boris in «Boris Godunow» Regie: Klaus Michael Grüber Spielzeit 2007/08


Sarastro in «Die Zauberflöte» (mit Rudolf Schasching) Regie: Martin Kušej Spielzeit 2006/07

Osmin in «Die Entführung aus dem Serail» Regie: Jean-Pierre Ponnelle Spielzeit 1984/85

Filippo II in «Don Carlo» (mit Anja Harteros) Regie: Sven-Eric Bechtolf Spielzeit 2011/12

Fotos: Suzanne Schwiertz / T + T Fotografie (Der fliegende Holländer) / Hans Jörg Michel (Die Zauberflöte) / Susan Schimert-Ramme (Die Entführung aus dem Serail)

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Abschiedskonzert Matti Salminen Matti Salminen, Bass Leif Segerstam, Dirigent Philharmonia Zürich Chor der Oper Zürich Jürg Hämmerli, Choreinstudierung Arien aus «Die Zauberflöte», «Eugen Onegin», «Don Carlo», «Der fliegende Holländer», «Götterdämmerung», «Boris Godunow» u.a. Samstag, 12 Nov 2016 19.00 Uhr Hauptbühne

Hagen in «Götterdämmerung» Regie: Robert Wilson Spielzeit 2001/02



Die geniale Stelle 29

Die Grenzen des Spiels Ein Motiv aus Giuseppe Verdis «Don Carlo»

Zeitgenossen und Nachwelt sind in der Beurteilung eines Künstlers selten einig. Mancher Liebling seiner Epoche verstaubt in den Archiven und manch einer, dessen Name zu Lebzeiten kaum genannt wurde, ist den Späteren ein Stern erster Grösse. Auch an Friedrich Schiller scheiden sich die Geister. Weite Teile seines lyrischen Werks sind heute verblasst, sein Lied von der Glocke zum Beispiel, gut hundert Jahre lang Gegenstand hellen Entzückens des gebildeten Bürgertums, gilt nunmehr als Gipfelwerk des unfreiwilligen Humors (schon Caroline von Schlegel fiel bei der Verlesung des Gedichts vor Lachen vom Stuhl). Keinen Streit gibt es allerdings über den Dramatiker Schiller, der nach wie vor einhellig als Autor unverwüstlich bühnenwirksamer Stücke bewundert wird. Wie genau Schiller um theatralische Wirkungen und Möglichkeiten des Theaters wusste, zeigt sich oft in kleinen Details, die man leicht übersehen kann. Eine dieser unauffälligen Meisterleistungen findet sich im vierten Akt seines Don Karlos: Die Prinzessin von Eboli enthüllt Elisabeth, dass sie es war, die dem König die Liebesbriefe übergab, die Karlos an Elisabeth geschrieben hatte, und gesteht schliesslich auch, dass sie ein Verhältnis mit dem König hatte. Die Szene ist als ein grosser Steigerungsbogen fiebrig-unruhiger Verse angelegt, der mit einer trockenen Regieanweisung abgebrochen wird: «Die Königin geht ab.» Schiller widersteht der Versuchung, einen pathetischen Monolog folgen zu lassen oder zumindest eine stumme Szene vorzuschreiben, die zeigt, was in der Königin vorgeht. Er versteht zu viel vom Theater, um nicht zu wissen, dass niemand spielen kann, was hier geschieht. Und er weiss, dass der Bruch der Konvention ein sehr viel stärkeres Mittel ist, das Ungeheuer­ liche des Vorgangs deutlich zu machen: Was hier geschieht, ist so entsetzlich, sprengt so sehr das Vorstellungsvermögen, dass das Theater kapituliert, dass nichts mehr möglich ist als der stumme Abgang der Darstellerin. Diese Passage stellte Verdi bei seiner Adaption des Schillerschen Dramas vor eine schier unlösbare Aufgabe. Denn was im Schauspiel möglich und von starker Wirkung ist: die Königin kommentarlos abgehen zu lassen, verbietet sich in der Oper, in der jeder Vorgang szenisch-musikalisch gestaltet werden muss. Aber auch Verdi konnte der Darstellerin nicht zumuten, das Unspielbare zu spielen. Er musste einen ganz anderen Weg gehen: Das Orchester spielt im dröhnenden Fortissimo ein Motiv, das aus einer chromatisch abstürzenden Achtelbewegung und einem unmittelbar folgenden halb so schnellen Aufstieg zum Ausgangspunkt besteht. Während dieses Motiv sechsmal, stetig leiser werdend, wiederholt wird, rezitiert die Königin mit fahler Stimme auf einem Ton die Worte, mit denen sie die Prinzessin ins Exil schickt. Auch Verdi unterläuft also die Erwartung des Publikums, das hier mit einer Arie der Elisabeth rechnet oder zumindest mit einem ausladenden Orchesterzwischenspiel, das den Sturm im Innern der Figur ausmalt. Stattdessen überträgt er dem Orchester, die Geste zu evozieren, die auf der Bühne nicht gezeigt werden kann: In fast grafischer Reduktion schildert das Motiv, wie der Köper der gedemütigten und aller Hoffnungen beraubten Frau zusammenbricht und sich mühsam wieder aufrichtet. Indem der Komponist den Vorgang, der auf der Bühne nicht zeigbar ist, dem inneren Auge des Hörers überantwortet, findet er eine ganz und gar opernspezifische Übertragung des Schillerschen Theatercoups, und erweist sich damit einmal mehr als einer der grössten Theatermänner seines Jahrhunderts. Werner Hintze



Dorothys grosse Reise Der italienische Komponist Pierangelo Valtinoni hat schon einige erfolgreiche Kinderopern geschrieben. Das Opernhaus Zürich bringt nun seine neue Märchenoper «Der Zauberer von Oz» zur Uraufführung. Am 19. November ist Premiere Illustrationen Paula Troxler


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Der Zauberer von Oz Die Geschichte

Mit dem Wirbelsturm auf die Reise Die kleine Dorothy lebt bei ihrer Tante Emmy und ihrem Onkel Henry auf einer Farm in Kansas. Eines Tages fegt ein schrecklicher Tornado über das Land und trägt Dorothy und ihr Hündchen Toto mitsamt ihrem Haus weit fort in das wundersame Land Oz. Dort landen sie mit ihrem Haus ausgerechnet auf der Bösen Hexe des Ostens, von der gerade noch ihre roten Schuhe herausragen. Die kleinen Einwohner des Landes, die Munchkins, sind überglücklich, dass sie die böse Hexe endlich losge­ worden sind und feiern Dorothy als eine Zauberin. Auch die Gute Hexe des Nordens ist hocherfreut über Dorothys Ankunft. Dorothy erklärt ihr, dass sie eigentlich so schnell wie möglich wieder nach Hause möchte. Die gute Hexe rät ihr, in die Smaragd­ stadt zum geheimnisvollen Zauberer von Oz zu gehen, denn nur er könne ihr den Heimweg weisen. Dorothy schlüpft in die Schuhe der bösen Hexe und tritt mit Toto die Reise an – immer dem gelben Ziegelsteinweg entlang.

Drei seltsame Weggefährten Schon bald treffen die beiden auf eine Vogelscheuche. Ihr sei furchtbar langweilig auf ihrer Stange, klagt sie. Als Dorothy ihr erklärt, dass sie zum Zauberer von Oz wolle, schliesst sich ihr die Vogelscheuche an, denn auch sie hat einen Wunsch: sie will end­ lich ein richtiges Gehirn anstatt bloss Stroh im Kopf! Ein wenig später führt sie ein merkwürdiges Geräusch zu einem Baum. Sie ent­ decken einen verzweifelten Blechmann, der beim Holzhacken eingerostet ist und dringend Öl braucht. Zufällig findet Dorothy etwas Schmieröl und ölt seine Gelenke. Überglücklich über seine wiedergefundene Beweglichkeit, schliesst sich der Blechmann der Reisegruppe an, denn auch er hat einen Wunsch: er möch­te wieder ein Herz in seiner blechernen Brust haben! Die Gefährten haben inzwischen einen dunklen Wald erreicht, als ihnen plötzlich ein ziemlich unfreundlicher Löwe entgegenspringt. Er versucht Toto zu schnappen, aber Dorothy gibt ihm eine Ohrfeige. Der Löwe ist schnell eingeschüchtert und ge­ steht, dass er eigentlich ganz feige sei. Nur zu gern möchte auch er zum Zauberer, denn als König der Tiere wünscht er sich richtig viel Mut!

Das Feld der giftigen Mohnblumen Der Weg in die Smaragdstadt ist sehr beschwerlich. Dank der Hilfe des Löwen schaf­ fen sie es aber einen Graben zu überwinden. Schwieriger wird es, als sie zu einem Mohnfeld kommen. Der Duft der Blumen ist so betörend, dass Dorothy und der Löwe sofort einschlafen; die Vogelscheuche und der Blechmann können sie aus eige­ ner Kraft nicht aus dem Mohnfeld herausziehen. Da entdecken sie eine Maus in einer Mau­se­falle und befreien sie – es ist die Königin der Feldmäuse höchstpersönlich! Ihre Untertanen, die Feldmäuse, sind so glücklich über die Befreiung ihrer Königin, dass sie zum Dank den Löwen aus dem Mohnfeld ziehen. Inzwischen ist auch Dorothy wieder erwacht, und die Reise auf dem gelben Weg kann weiter­gehen.


Der Zauberer von Oz 33

Abracadabra, simsalabim Endlich stehen sie vor der Smaragdstadt. Ein Wächter der Stadt verteilt ihnen Brillen, damit sie vom grünen Glanz der Stadt nicht erblinden. Die Freunde haben Glück, denn der mächtige Oz empfängt ausgerechnet heute. Einzeln treten sie vor den Zauberer, der jedem in einer anderen Gestalt erscheint: als riesengrosser Kopf, als wunderschöne Frau, als furchtbare Bestie und als Feuerball. Oz verspricht ihnen zu helfen, jedoch nur unter der Bedingung, dass es ihnen gelingt, die Böse Hexe des Westens zu besiegen, die sein Reich bedroht. Und – o Schreck: Da taucht die Hexe auch schon auf! Ihre Diener, die Flügelaffen, ergreifen den Blechmann und die Vogel­ scheuche. Dorothy und der Löwe müssen der Hexe folgen.

Im Schloss der Hexe Im Schloss der Bösen Hexe des Westens muss Dorothy hart arbeiten. Sie hat Heim­ weh. Der Löwe kann ihr nicht helfen, denn er ist in einem Käfig eingesperrt. Als sich Dorothy erschöpft schlafen legt, erscheint auf einmal die Hexe. Sie möchte Dorothy heimlich ihre roten Schuhe entwenden, denn sie haben Zauberkräfte, wovon Dorothy aber nichts weiss. Glücklicherweise erwacht Dorothy rechtzeitig und giesst der Hexe wütend einen Kübel Wasser über den Kopf. Und siehe da: Die Hexe löst sich komplett auf und verschwindet, denn sie ist auf Wasser allergisch! Die Flügelaffen sind erleich­ tert, denn auch sie haben unter der Hexe gelitten. Nun bringen sie die Freunde zu­rück in die Smaragdstadt.

Eine überraschende Entdeckung In der Smaragdstadt fordern die vier Freunde die Erfüllung ihrer Wünsche. Aber Oz behauptet plötzlich, dass er dafür noch nicht bereit sei und noch etwas Zeit brauche. Durch einen Zufall entdecken die Vier schliesslich, dass sich hinter der Tür, woher bisher die Stimme von Oz kam, ein ängstlicher Mann verbirgt. Zitternd gesteht er ihnen, gar kein richtiger Zauberer zu sein, sondern ein Stimmenimitator aus dem Zirkus. Immerhin erfahren sie durch ihn, dass sie das, was sie sich so sehnsüchtig wünschen, schon längst in sich tragen: nämlich Herz, Mut und Verstand. Als äusseres Zeichen erhält die Vogelscheuche von Oz Nägel und Schrauben für ein Gehirn, der Löwe eine Flasche mit Mut und der Blechmann ein seidenes Herz.

Zurück nach Kansas Oz gesteht ihnen, dass er kein Schwindler mehr sein wolle und die Smaragdstadt und ihre Bürger heimlich verlassen wolle. Er bietet Dorothy an, mit ihm in seinem Heiss­ luftballon nach Hause zu fliegen. Dummerweise verpasst Dorothy die Abreise, weil Toto plötzlich weggerannt ist. Dorothy ist völlig verzweifelt. Die Wünsche der Vogel­ scheuche, des Blechmanns und des Löwen gingen in Erfüllung, nur sie weiss immer noch nicht, wie sie nach Hause kommt. Aber da erscheint Glinda, die Gute Hexe des Südens. Sie erklärt Dorothy, dass ihre roten Schuhe magische Kraft besitzen und sie nach Hause bringen können. Sie müsse nur dreimal die Hacken ihrer Schuhe zusammenschlagen. Gesagt, getan: klick, klack, klick – und Dorothy wacht wieder zuhause in Kansas auf!


34 Der Zauberer von Oz

Die Suche nach dem Eigenen «Der Zauberer von Oz» des amerikanischen Schriftstellers Lyman Frank Baum ist ein Weltstoff. Der Regisseur Floris Visser erklärt, warum die Geschichte bis heute Jung und Alt fasziniert

Floris Visser, als wir uns das erste Mal trafen, haben wir beide festgestellt, dass wir als Kinder nicht in Berührung mit dem Zauberer von Oz gekommen sind. Wie hast du dich als Erwachsener dem Stoff genähert? Wie viele andere auch, habe ich an Weihnachten immer mal wieder Ausschnitte aus der berühmten Verfilmung mit Judy Garland gesehen. Aber irgendwie hat es mich nie sonderlich gepackt. Ich bin Holländer, und Der Zauberer von Oz war nie wirklich Teil unseres Kulturgutes. Für Amerikaner hingegen ist das etwas ganz anderes. Der Zauberer von Oz ist ihnen heilig, wohl auch deshalb, weil es ein Juwel der amerikanischen Kultur ist. Als die Anfrage aus Zürich kam, den Zauberer von Oz zu inszenieren, habe ich mir natürlich sofort das Buch von Lyman Frank Baum gekauft. Zu diesem Zeitpunkt war gerade eine neue Übersetzung auf Holländisch mit wunderbaren Illustrationen erschienen. Ich erinnere mich an das herrlich gezeichnete Mohnfeld oder an die aufgeblasene, einäugige Hexe mit den Wölfen, die ihren riesigen blauen Rock erklimmen. Es sind sehr poetische und minimalis­ tische Illustrationen, die mich sofort auf die Geschichte neugierig gemacht haben. Als ich dann das Buch las, hat es mich zunächst etwas irritiert, denn es ist doch sehr anders als unsere europäischen Märchen. Ich glaube, das hängt auch damit zu­ sammen, dass die Geschichte sehr eng mit der Zeit um 1900 verknüpft ist, in der Baum das Buch geschrieben hat. Eine Biografie über Frank Baum mit dem Titel Finding Oz hat mir dann die Augen geöffnet für den Zauberer von Oz. Inwiefern? Alles, wirklich alles im Zauberer von Oz kann als ein kleines Mosaiksteinchen aus dem Leben von Frank Baum betrachtet werden. Baum spiegelt sich in sämtlichen Figuren. Er ist der feige Löwe, denn er selbst hat sich oft so empfunden. Er ist der Zauberer von Oz, der Schwindler und Versager. Baum selbst sah sich als eine Art gescheiterter Zirkusartist, er versuchte sich als Theaterautor, Theaterdirektor, Zeitungsverleger, als Inhaber eines Gemischtwarenladens mit Spielzeug für Kinder – und immer ging er bankrott. Auch die gelbe Strasse mit den Ziegelsteinen findet sich in Baums Biografie wieder, denn Baum hat als kleiner Junge in Virginia mit­bekommen, wie die Schiffe aus Amsterdam mit gelben Ziegelsteinen am Hafen einliefen, um anschliessend vollgepackt mit Zigarren wieder zurückzufahren. Die Steine dienten den Schiffen als Gewicht, und die Amerikaner haben damit ihre Strassen bepflastert. Die gelben Steine sieht man übrigens noch heute in den Kanälen von Holland. Die Smaragdstadt wiederum ist mit Baums grün gestrichenem Elternhaus verbunden, aber auch mit der pulsierenden Stadt Chicago und der Weltausstellung von 1893, wo Baum den Zauberer von Oz innerhalb von wenigen


Der Zauberer von Oz 35

Wochen schrieb. Chicago war für ihn ein Ort des Glücks, nachdem er zuvor mit seiner Familie den gesamten Mittleren Westen und Kansas bereist hatte und das Leben dort über zwanzig Jahre lang – wie Dorothy am Anfang des Buches – als sehr grau und ohne Farbe und Hoffnung empfunden hatte. Dort erlebte er all diese beruflichen Schicksalsschläge, die auch eng mit der damaligen Wirtschafts­ krise zusammenhingen. Aber offensichtlich hat er nie aufgegeben, auch wenn er in den Augen der Gesellschaft sicher lange Zeit als Loser dastand. Mit dem Zauberer von Oz schrieb er dann gewissermassen sein eigenes Märchen. Das Buch zeigt gleichzeitig, dass Baum die kindliche Seele verstand. Er muss ein wunderbarer Vater und Geschichtenerzähler gewesen sein. Und offensichtlich hat er auch in sich selbst diese kindliche Seite bewahren können. Das Buch wurde sofort zu einem riesigen Hit und Baum über Nacht berühmt. Er erlebte buchstäblich die Erfüllung des «American Dreams» – auch das ist sicher mit ein Grund, warum sich die Amerikaner mit diesem Buch so identifizieren. Wie ist der Erfolg dieses Stoffes über Amerika hinaus zu erklären? Was ist das Zeitlose daran? Ich denke, dass hier mehrere Faktoren zusammenkommen. Nach dem Buch kam gleich eine Musical-Revue heraus, anschliessend der berühmte Film von 1939 mit dem Hit Somewhere over the Rainbow und in den 70-er Jahren ein weiterer, erfolg­reicher Film mit Michael Jackson. Die verschiedensten Medien haben sich in den verschiedensten Zeiten diese Geschichte immer wieder zu eigen gemacht. Auch daher mag der Stoff bis heute überlebt haben. Aber das Wichtigste ist, dass das Buch eine ganz klare, wunderbare Message hat: nämlich dass man alles, wonach man sucht, bereits in sich trägt. Und das können Kinder genauso gut wie die Erwachsenen verstehen! Dorothy hat von Anfang an alles bei sich, was sie braucht. Die magischen Schuhe, die sie am Ende wieder nach Hause bringen, besitzt sie bereits in der ersten Szene mit den Munchkins. Sie realisiert die Kraft der Schuhe nur noch nicht. Ich finde daher auch, dass es sich bei der Geschichte weniger um eine Reise handelt als vielmehr um eine Suche. Eine Suche nach dem Eigenen. Daher hat diese Geschichte ja auch so viele Episoden, denn eine Suche braucht Zeit. Es erscheint kein «Deus ex machina», der plötzlich alles auflösen würde! Und natürlich: Mut, Verstand und ein Herz haben – das sind die grossen Themen des Lebens. Ich habe gerade einen wunderbaren Artikel eines belgischen Psychologen gelesen, in welchem er schreibt, dass wir heute zwar alle nach Glück streben, aber alle viel glücklicher wären, wenn wir akzeptieren könnten, dass das Leben nicht immer nur grossartig ist. Es geht um die richtige Balance im Leben und darum, seinen Weg nach Hause zu finden. Aber was genau macht die Geschichte für Kinder so attraktiv? Kinder verstehen die Geschichte natürlich ganz konkret: Dorothy ist völlig verloren und weit weg von ihrer Familie, sie muss sich in einem sehr gefährlichen Märchenland behaupten. Die Flügelaffen sind schrecklich, und die böse Hexe möchte Dorothy wirklich töten. Das ist alles sehr aufregend. Wir als Macher müssen diese Geschichte ganz ernst nehmen; es geht um Leben und Tod. Und wir können uns denken: Wenn Dorothy zuhause ankommt, beginnt das Leben erst. Es geht nicht um einen Endpunkt. In diesem Sinne wird es wirklich eine Familienoper und nicht nur eine Oper für Kinder sein. Natürlich hat die Geschichte alles, was ein gutes Märchen ausmacht. Ein gutes Märchen ist jedoch kein Disney-Märchen. In Grimms Aschenbrödel zum Beispiel schneiden sich die Schwestern die Zehen ab, damit sie in die Schuhe passen. Um ihr Ziel zu erreichen, würden sie sogar in Kauf nehmen, zu sterben. Märchen sind oft grausam und aus irgendeinem Grund glauben wir, diese Grausamkeit vor Kindern fernhalten zu müssen. Aber das ist falsch. Märchen müssen grausam sein, denn sonst würden die Kinder nie eine Katharsis erleben. Es braucht die Krise, die Dunkelheit, die absolute Hoffnungs­


36 Der Zauberer von Oz

losigkeit, den Hass genauso wie die Liebe und Hoffnung. Märchen zeigen Kindern, wie das Leben später sein wird und können sie auf eine gesunde Art auf das wahre Leben vorbereiten. Das Clevere an Baums Geschichte ist ja, dass Dorothy gleich mehrere Freunde hat, die gemeinsam mit ihr die Abenteuer bestehen. Sie ist nicht allein. Und die Kinder haben mit dem feigen Löwen, dem Blechmann und der Vogel­ scheuche viele liebenswerte Identifikationsfiguren. Richtig, und sie alle suchen nach etwas. Das ist ja das Spezielle an dieser Geschichte, dass Baum kein sprechendes Herz oder einen sprechenden Kopf erfunden hat, sondern richtige Figuren, die ein persönliches Anliegen haben. Natürlich sucht der Prinz mit dem Schuh in der Hand nach Aschenbrödel, aber das ist nicht das Gleiche. Was meinst du mit «richtigen Figuren»? Sie sind sehr klar gezeichnet, auch was ihr Verhalten angeht. Erwachsene können von ihnen genauso viel lernen. Es ist ja nicht so, dass beispielsweise die Vogel­ scheuche dumm wäre, nur weil sie glaubt, kein Gehirn zu haben. Sie ist vielleicht nur etwas naiv, vielleicht fehlt ihr der Fokus. Die Vogelscheuche hat bereits Verstand und Klugheit, nur erkennt sie es noch nicht. Baum geht es ja auch um die Erfahrungen, die man im Laufe seines Lebens machen muss. Oz sagt im Buch zur Vogelscheuche einmal: «Ein Baby hat Verstand, aber es weiss nicht viel. Das Einzige, was Wissen erzeugt, ist Erfahrung.» Richtig. Das ist ja auch die Idee der Reise, der Suche, versinnbildlicht durch die gelbe Ziegelsteinstrasse. Dorothy und ihre Freunde erleben hier Positives wie Negatives, Berührendes und Dinge, die Angst machen. Durch diese Erfahrungen machen sie einen Lernprozess durch. Um richtig zu verstehen, dass man bereits ein Herz hat, und was das bedeutet, muss man fähig sein, zu lieben – und – was für viele Menschen noch viel schwieriger ist, auch geliebt zu werden! Auch der Mut des Löwen ist bereits da, ihm fehlt es nur an Selbstvertrauen. Er traut sich nur nicht, den ersten Schritt zu machen. Aber dann hilft er den Freunden über den Graben. Warum schafft er das hier? Vielleicht aus Liebe zu seinen neuen Freunden? Das Gleiche betrifft den Blechmann. Die Tatsache, dass er für seine Freunde soviel riskiert, bedeutet, dass er bereits ein Herz hat. Das alles zu erkennen, dauert seine Zeit. Man kann richtiggehend mitansehen, wie die vier Freunde lernen. Am

Pierangelo Valtinoni Pierangelo Valtinonis Tonsprache steht ganz in der Tradition der lyrischen italie­ nischen Oper, die durchaus auch von Musical- und Jazzklängen geprägt ist. Valtinoni, im italienischen Vicenza gebo­ ren, widmet sich immer wieder dem Genre der Kinderoper, meistens in Zusammen­ arbeit mit den Librettisten Paulo Madron und Hanna Francesconi. Besonders er­folg­reich war die Kinderoper Pinocchio, die nach ihrer Uraufführung in Vicenza auch in einer deutschen Neu­ fassung an der Komischen Oper Berlin herauskam. Sie wurde anschliessend an der

Hamburgi­schen Staatsoper, der Baye­ri­ schen Staats­oper, in Leipzig, Turin, Mos­ kau und Madrid gezeigt. Als Auftrags­werk für die Komische Oper Berlin erfolg­te 2010 die Märchenoper Die Schnee­königin nach dem Märchen von Hans Christian Andersen. Sie wurde später von der Ham­ burgischen Staatsoper übernommen und in Vicenza sowie Mailand gespielt. Pierange­lo Valtinoni studierte Dirigieren, Orgel und Komposition. Sein Schaffen um­ fasst an die einhundert Werke für Chor-, Orchester-, Kammermusik­be­set­ zun­gen, Film und Theater.


37

Anfang starten sie mit einer ziemlich egozentrischen Suche, die sie selbst betrifft, aber erst in der Gemeinschaft mit den anderen finden sie wirkliche Klugheit. Und was hat es mit der Figur des Zauberers auf sich? Er passt jedenfalls nicht in das normale Gut-Böse-Schema der Märchen. Das ist ja das Wunderbare an dieser Geschichte, dass es diese Polarisation nicht gibt. Wirklich böse sind nur die Hexen des Westens und des Ostens. Oz ist nicht böse, Oz ist neben Dorothy die menschlichste Gestalt in diesem Stück. Wie gesagt: Oz ist Frank Baum. Dass Oz zu einem Schwindler geworden ist, kann man gut verstehen: Er ist einmal in eine fatale Situation geraten und in der Smaragdstadt gestrandet. Dort musste er das Beste daraus machen. Oz versucht grösser zu er­ scheinen, als er ist – wie viele Menschen. Und irgendwann wird man entlarvt. Aber wenn man aufhört, hinter einer Fassade zu leben, wird plötzlich alles ganz einfach. ...und in dem Moment, wo seine Fassade einstürzt, kann Oz den zentralen Satz sagen, nämlich, dass die Vier bereits alles besitzen, wonach sie suchen. Dann bietet Oz Dorothy an, sie nach Hause zu bringen. Auch das ist eine menschliche Geste. Genau. Oz ist im Grunde der fünfte Reisegefährte. Er ist der Schlüssel, der die anderen aufsperren kann. 2013 erschien der Walt-Disney-Film Die fantastische Welt von Oz. Er wartet mit vielen Special effects auf, was auf der Theaterbühne so nicht möglich ist. Was kann die Oper, was der Film nicht kann? Das Live-Erlebnis. Wir sitzen alle zusammen im selben Raum und wissen, dass es auch schiefgehen kann. Das ist natürlich sehr aufregend. Jede Sekunde im Theater ist einzigartig. Natürlich ist es auf der Bühne eine grosse Herausforderung, Tornados, herumfliegende Häuser oder fliegende Affen mit den Mitteln des Theaters darzustellen. Wir müssen uns eine Welt ausdenken und klare Bilder finden. In unserem Fall bedeutet das, dass wir uns entschieden haben, Dorothys Ge­ schich­te als Traum zu erzählen, der auch albtraumhaft sein kann. Alles spielt sich in ihrem Zimmer ab, was durchaus etwas Klaustrophobisches hat; aber schliesslich kann sie ja dieses Land von Oz auch nicht einfach so verlassen. Und wir haben uns etwas ganz Spezielles ausgedacht, um trotzdem 17 verschiedene Bilder zeigen zu können. Aber wie, verraten wir noch nicht. Wie geht es dir mit der Musik von Pierangelo Valtinoni? Mir scheint, dass unsere bisherigen Proben auch deshalb so vergnügt sind, weil Valtinonis Musik so liebevoll ist. Das stimmt. Was ich an Pierangelo Valtinoni so schätze, ist, dass er in der Tradition der barocken und klassischen Oper verwurzelt ist und gleichzeitig in der zeit­ genössischen Musik bewandert ist. Er erschafft mit seiner Musik ganz klare Welten und ist ein wunderbarer Melodiker. Er macht keine formalen Experimente, sondern benutzt die Form, um eine Geschichte zu erzählen. Du hast bisher vor allem das grosse Opernrepertoire inszeniert. Wie ist es für dich, für Kinder Theater zu machen? Ich habe riesigen Spass daran. Eigentlich ist meine Arbeit genau gleich, nur muss man für Kinder noch präziser sein, denn sie kennen noch keine Codes und ver­zeihen einem nichts. Wenn sie etwas nicht glauben oder sich langweilen, haben wir sie sofort verloren. Gelingt es uns, sie jetzt zu begeistern, haben wir sie möglicherweise für den Rest ihres Lebens für das Theater gewonnen! Das Gespräch führte Kathrin Brunner

Der Zauberer von Oz Märchenoper von Pierangelo Valtinoni Libretto von Paolo Madron, Deutsche Fassung von Hanna Francesconi nach «The Wizard of Oz» von Lyman Frank Baum Uraufführung Musikalische Leitung Kristiina Poska Inszenierung Floris Visser Bühnenbild und Kostüme Gideon Davey Lichtgestaltung Franck Evin Choreinstudierung Jürg Hämmerli Dramaturgie Kathrin Brunner Dorothy Deanna Breiwick/ Rebeca Olvera Die Vogelscheuche Iain Milne Der Blechmann Cheyne Davidson Der feige Löwe Reinhard Mayr Die Gute Hexe des Nordens /Die Gute Hexe des Südens /Die Königin der Feldmäuse Hamida Kristoffersen Die Böse Hexe des Westens Irène Friedli Der Zauberer von Oz/ Der Wächer des Tores Daniel Hajdu Philharmonia Zürich SoprAlti, Kinderchor der Oper Zürich Premiere: 19 Nov 2016 Weitere Vorstellungen: 27 Nov, 2*, 4, 6*, 10, 13*, 26, 31 Dez 2016 2, 15, 21, 27, 29 Jan, 5 Feb 2017 (* geschlossene Schülervorstellung) für Kinder ab 6 Jahren Unterstützt durch


38 Meine Rolle

Bemitleidenswerte Intrigantin

Die Mezzosopranistin Marina Prudenskaya stammt aus St. Peters­ burg. Als Ensemble­ mitglied an der Berliner Staatsoper Unter den Linden singt sie in dieser Spielzeit Venus in «Tannhäuser» und Eboli in «Don Carlo». Sie ist regelmässig bei den Bayreuther Fest­spielen zu Gast. Am Opernhaus Zürich gibt sie als Prinzessin Eboli ihr Hausdebüt.

Die Prinzessin Eboli in Don Carlo gehört zu meinen liebsten Verdi-Partien, obwohl sie kein einfacher Charakter ist – oder vielleicht gerade deshalb! Jedenfalls ist sie eine Figur mit ganz unterschiedlichen Facetten und wartet sowohl darstellerisch als auch gesanglich mit Herausforderungen auf. In ihrer ersten Szene singt die Prinzessin, eine Hofdame der Königin Elisabeth, das «Lied vom Schleier», das uns wichtige Hinweise auf ihren Charakter gibt. Es geht darin um einen Maurenkönig, der um eine verschleierte Unbekannte wirbt und schliesslich mit Schrecken feststellt, dass es seine eigene Frau ist. In diesem Lied kann die Prinzessin mit ihrer Schönheit und ihren Verführungskünsten kokettieren. Versteckt werden darin aber auch die Themen der Intrige, der Verwechslung und der Untreue angedeutet, die später im Stück eine wichtige Rolle spielen. Das «Lied vom Schleier» ist aber auch musikalisch ein wunderbarer Einstieg. Man muss es sehr leicht und spie­ lerisch, mit Ironie und vor allem elegant singen – ich vergleiche das gerne mit der Kunst eines Juweliers: das Lied muss so brillant sein wie ein Schmuckstück! Diese Art zu singen gehört eigentlich zum Koloraturfach, und wenn man bedenkt, wie sich die Partie der Eboli danach entwickelt, ist man schon ein bisschen überrascht! Im zweiten Akt geschieht eine deutliche Wendung: Auf einem nächtlichen Gartenfest trifft Eboli den Infanten Don Carlo, in den sie verliebt ist. Don Carlo hält sie im ersten Moment für die Königin Elisabeth, die er heimlich liebt. Die Situation führt in ein skurriles Verwechslungs-Liebesduett, das abrupt endet, als Carlo die Prinzessin erkennt. Auf einen Schlag begreift Eboli, dass Carlo nicht sie, sondern die Königin – die Frau seines Vaters! – liebt. Hier tritt die unbeherrschte, aufbrausende Seite von Ebolis Temperament deutlich hervor: Sie erträgt es nicht, dass Carlo sie abweist und steigert sich in blinde Eifersucht und Wut hinein. Später erfährt man, dass die Prinzessin ein Verhältnis mit dem König hatte. Ich persönlich vermute, dass diese Annäherung an den König erst passiert ist, nachdem sie von Carlo abgewiesen wurde, quasi als Folge davon. Das zeigt, wie herrschsüchtig sie ist, und dass sie am Hof mit allen Mitteln an Einfluss zu gewinnen versucht. Aus Rache spielt Eboli dem König eine Schmuckschatulle der Königin zu, in der der dieser ein Bild des Infanten Carlo findet und deshalb seine Frau des Ehebruchs ver­dächtigt. Die Situation kulminiert in einem Quartett, in dem Elisabeth, der König, Marquis Posa und Eboli gleichzeitig von ihren ganz verschiedenen Gefühlen singen. Damit das für den Zuhörer nachvollziehbar ist, muss dieses Quartett sehr transparent musi­ziert werden. Die Prinzessin Eboli beginnt hier die Folgen ihrer Intrige für die Köni­gin und für Carlo zu begreifen. Ihr schlechtes Gewissen quält sie. Unmittelbar darauf gesteht Eboli der Königin ihre Intrige und das Verhältnis mit dem König. Elisabeth kann ihre Gefühle trotz dieser ungeheuerlichen Aussage beherr­ schen und stellt Eboli vor die Wahl zwischen einem Leben im Kloster oder im Exil. Das ist der Moment für den grossen Gefühlsausbruch der Prinzessin, der sich in ihrer grossen Arie «O don fatale» entlädt, in der sie versteht, dass sich ihre eigene In­trige gegen sie selbst gewendet hat. Ich finde es eine der schwierigsten Arien der ge­samten Literatur für Mezzosopran. Es ist eine Explosion der Verzweiflung, für die Verdi die ganze Tessitura der Stimme ausnutzt. Während die Prinzessin Eboli in Schillers Don Karlos eine verachtenswerte Person bleibt, verleiht ihr Verdi durch diese grossartige Arie, die ihrer Reue Raum gibt, zum Schluss auch etwas Bemitleidenswertes. Marina Prudenskaya

Illustration: FLAG Aubry Broquard

Marina Prudenskaya debütiert als Prinzessin Eboli am Opernhaus Zürich



40 Kalendarium

Oktober 2O16 27 Do Le nozze di Figaro

19.00

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Wahl-Abo, Preise E

28 Fr Petruschka / Sacre

19.30

Choreografien von Marco Goecke und Edward Clug Musik von Igor Strawinsky Ballett-Abo Gross, Preise C

29  Führung Opernhaus Sa

14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Klangteppich Petruschka

15.30

Für 4- bis 6-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 15

Le nozze di Figaro 19.00

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Preise E

3O  So Petruschka / Sacre 14.00

Choreografien von Marco Goecke und Edward Clug Musik von Igor Strawinsky Wahl-Abo, Preise C

Klangteppich Petruschka

15.30

Für 4- bis 6-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 15

I Capuleti e i Montecchi Wiederaufnahme

20.00

Oper von Vincenzo Bellini Preise H AMAG-Volksvorstellung

Sa Gold 5

16.00

Petruschka / Sacre

19.00

Mi I Capuleti e i Montecchi 2

19.00

Oper von Vincenzo Bellini Mittwoch-Abo A, Preise E

Do 3  Liederabend Leo Nucci

19.00

Paolo Marcarini, Klavier/Arrangements Italian Opera Chamber Ensemble Lieder-Abo, Preise C

Fr 4  Führung Bühnentechnik

16.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

I Capuleti e i Montecchi

19.30

Oper von Vincenzo Bellini Freitag-Abo A, Preise E

Sa Gold 5

14.00

Kinderoper von Leonard Evers Studiobühne, CHF 50/35, Kinder CHF 20/13

Choreografien von Marco Goecke und Edward Clug Musik von Igor Strawinsky Misch-Abo C, Preise C

So Brunchkonzert 6

11.15

«Böhmen» Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch im Restaurant Belcanto Spiegelsaal, CHF 60

Gold

14.OO

Kinderoper von Leonard Evers Studiobühne, CHF 50/35, Kinder CHF 20/13

Gold

16.00

Kinderoper von Leonard Evers Studiobühne, CHF 50/35, Kinder CHF 20/13

Die Entführung aus dem Serail

19.00 Premiere Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Premieren-Abo A, Preise F Mo Lunchkonzert 7

12.00

«Böhmen» Kammermusik am Mittag Spiegelsaal, CHF 20

Mi 9  I Capuleti e i Montecchi

19.00

Oper von Vincenzo Bellini Mittwoch-Abo B, Preise E

Fr 11  Die Entführung aus dem Serail

19.00

November 2O16

Kinderoper von Leonard Evers Studiobühne, CHF 50/35, Kinder CHF 20/13

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Premieren-Abo B, Preise E

12 Sa Ballett-Führung mit Mini-Workshops 14.30

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Konzert Matti Salminen

19.00 Abschiedskonzert

Leif Segerstam, Dirigent, Philharmonia Zürich Wahl-Abo, Preise C

13 So I Capuleti e i Montecchi

14.00

Oper von Vincenzo Bellini Sonntag-Abo B, Preise E

Liederabend Anne-Sofie von Otter & Brooklyn Rider 19.30

Lieder-Abo, CHF 60

16 Mi Führung Werkstätten 15.30

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20


Kalendarium 41

18 Fr Petruschka / Sacre

20.00

Choreografien von Marco Goecke und Edward Clug Musik von Igor Strawinsky Misch-Abo A, Preise C

Mode·Leder·Pelze

19 Sa Stücke entdecken «Der Zauberer von Oz»

Kaiserstrasse 42 D-79761 W a l d s h u t Tel. 0049 7751 3486

Ballette entdecken «Petruschka»/«Sacre»

www.kueblerpelz.com

14.30

14.30

Für 7- bis 12-Jährige, Studiobühne, CHF 20

Für 7- bis 12-Jährige, Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Der Zauberer von Oz  Premiere

Märchenoper von Pierangelo Valtinoni Kinderpreise

2O So Petruschka / Sacre

14.00

Choreografien von Marco Goecke und Edward Clug Musik von Igor Strawinsky Preise H AMAG-Volksvorstellung

Stücke entdecken «Der Zauberer von Oz»

14.30

Für 7- bis 12-Jährige Studiobühne, CHF 20

Die Entführung aus dem Serail

20.00

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Sonntag-Abo D, Preise E

23 Mi Stücke entdecken «Der Zauberer von Oz» 14.30

Für 7- bis 12-Jährige, Studiobühne, CHF 20

26 Sa Führung Opernhaus 14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Stücke entdecken «Der Zauberer von Oz»

14.30

Für 7- bis 12-Jährige, Studiobühne, CHF 20

Unterwegs mit Ohrwurm Squillo

14.30

Für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Führung Maskenbildnerei 15.30

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Cashmere Mantel mit Persianer/Nerz nero Winter 2016/2017

17.00

27 So Don Carlo  Wiederaufnahme

18.00

Oper von Giuseppe Verdi (Mailänder Fassung in vier Akten von 1884) Sonntag-Abo C, Preise F

3O  Mi Liederabend Pavol Breslik 19.00

Amir Katz, Klavier Lieder-Abo, CHF 60

Die Entführung aus dem Serail

19.00

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Samstag-Abo, Preise E

27 So Der Zauberer von Oz

11.00 Märchenoper von Pierangelo Valtinoni Kinderpreise Einführungsmatinee Messa da Requiem

11.15

Bernhard Theater, CHF 10

Stücke entdecken «Der Zauberer von Oz»

14.30

Für 7- bis 12-Jährige, Studiobühne, CHF 20

Das Opernhaus Zürich für Kurzentschlossene: Am Opernhaustag erhalten Sie 50% Ermässigung für die gleichentags stattfindende und gekennzeichnete Vorstellung. www.opernhaus.ch/opernhaustag

Die Werkeinführung findet jeweils 45 Min. vor der Hauptbühnen-Vorstellung bzw. den Philharmonischen Konzerten statt.


42 Serviceteil

Billettkasse

Billettpreise und Platzkategorien

Öffnungszeiten: Mo–Sa 11.00 Uhr bis Vorstellungsbeginn, an Tagen ohne Vorstellung bis 18.00 Uhr. Sonntags jeweils ab 1.5 Stunden vor Vorstellungsbeginn resp. 1 Stunde bei kleinen Produktionen. T +41 44 268 66 66, Mo-Sa, 11.00 – 18.00 Uhr / tickets@opernhaus.ch Opernhaus Zürich AG, Falkenstrasse 1, CH-8008 Zürich

1

2

3

Preisstufe A

92

76

65

43

16

AMAG-Volksvorstellungen

Preisstufe B

141

126

113

56

20

Die AMAG-Volksvorstellung ermöglicht es Theaterliebhabern, das Opernhaus Zürich zu einem deutlich reduzierten Preis zu be­suchen. Die regelmässig stattfindenden AMAG-Volksvor­stel­lungen werden in der kalendarischen Übersicht dieses Magazins, online in unserem Monatsspielplan sowie per News­letter an­gekündigt. Die AMAG-­ Volksvorstellungen gelangen jeweils einen Monat vorher in den Verkauf. Fällt der Tag des Verkaufsbeginns auf einen Sonn- oder Feier­tag, beginnt der Vorverkauf am Öffnungstag davor. Schriftliche Kartenbestellungen sind nicht möglich. Der Maximalbezug für diese Vorstellungen liegt bei 4 Karten pro Person.

Preisstufe C

169

152

130

56

20

Preisstufe D

198

173

152

92

32

Preisstufe E

230

192

168

95

35

Preisstufe F

270

216

184

98

38

Preisstufe G

320

250

220

98

38

Preisstufe H

75

59

44

25

15

Kinderoper K

60

50

40

30

20

Preisstufe P1

95

80

65

50

35

Preisstufe P2

Opernhaus-Tag  Das Opernhaus Zürich für Kurzentschlossene: Am Opernhaustag erhalten Sie 50 % Ermässigung für die gekennzeichnete Vorstellung. Fällt der Opernhaustag auf einen Sonntag, können die ermässigten Tickets bereits ab Samstag erworben werden. Die Termine finden Sie im Kalendarium dieses Magazins und werden Ihnen auf Wunsch regelmässig per E-Mail mitgeteilt. Newsletter abonnieren unter: www.opernhaus.ch/newsletter

4 5

125

105

85

65

40

Legi (Preisstufen A – C + K + P)

35

25

20

18

13

Legi (Preisstufen D – F)

45

33

25

20

15

Alle Preise in CHF

Club Jung Stark vergünstigte Tickets, Probenbesuche, interessante Einblicke hinter die Kulissen und mit Gleichgesinnten die neuesten Opern- und Ballettproduktionen besuchen: All das und mehr bietet der Club Jung für junge Leute zwischen 16 und 26 Jahren. Die Mitgliedschaft ist kostenlos und unverbindlich (einmalige Aufnahmegebühr von CHF 20). Club Jung-Mitglieder erhalten Last-Minute-Karten ab 30 Minuten vor der Vorstellung für CHF 15. Auch stehen ihnen bereits im Vor­ verkauf Karten zum Preis von CHF 15 für ausgewählte Vorstellungen zur Verfügung. Spezielle Veranstaltungen wie Probenbesuche oder Workshops geben einen exklusiven Einblick hinter die Kulissen und sind für Clubmitglieder kostenlos. Der Club Jung-Newsletter informiert regelmässig über die aktuellen Angebote und Aktionen. Details zur Mitgliedschaft im Club Jung und zum aktuellen Programm finden Sie auf www.opernhaus.ch/clubjung.

Ermässigungen  Das Opernhaus Zürich bietet unterschiedliche Ermässigungen für Kinder, Schüler, Studenten, Lernende und KulturLegi-Inhaber, AHV- und IV-Bezüger. Informationen hierzu finden Sie unter www.opernhaus.ch/besuch oder in unserem Sai­son­­buch.

MAG Abonnieren  MAG, das Opernhaus-Magazin, erscheint zehnmal pro Saison und liegt zur kostenlosen Mitnahme im Opernhaus aus. Sie können das Opernhaus-Magazin abonnieren: zum Preis von CHF 38 bei einer inländischen Adresse und CHF 55 bei einer ausländischen Adresse senden wir Ihnen jede Ausgabe druckfrisch zu. Bestellungen unter: T +41 44 268 66 66 oder tickets@opernhaus.ch.

AdèLE hAENEL

LA FILLE INCONNUE un film de jEAN-pIErrE et LUC dArdENNE

jEtzt Im KINO


Serviceteil 43

Impressum

Sponsoren

Magazin des Opernhauses Zürich Falkenstrasse 1, 8008 Zürich www.opernhaus.ch T + 41 44 268 64 00

Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie den Beiträgen der Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Zug und Aargau im Rahmen der interkanto­n alen Kulturlastenvereinbarung und den Kantonen Nidwalden und Obwalden.

Intendant Andreas Homoki

Partner

ab

Generalmusikdirektor Fabio Luisi Ballettdirektor Christian Spuck Verantwortlich Claus Spahn Sabine Turner Redaktion Beate Breidenbach Kathrin Brunner Fabio Dietsche Michael Küster Claus Spahn Gestaltung Carole Bolli Florian Streit Fotografie Danielle Liniger Florian Kalotay Bildredaktion Christian Güntlisberger Anzeigen Nathalie Maier Schriftkonzept und Logo Studio Geissbühler Druck Multicolor Print AG Illustrationen Anita Allemann FLAG Aubry Broquard

Produktionssponsoren

StockArt – Stiftung für Musik

Evelyn und Herbert Axelrod

Swiss Casinos Zürich AG

Freunde der Oper Zürich

Van Cleef & Arpels

Walter Haefner Stiftung

Else von Sick Stiftung

Swiss Re Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG

Förderer Confiserie Teuscher

Projektsponsoren

Frankfurter Bankgesellschaft (Schweiz) AG

AMAG Automobil- und Motoren AG

Garmin Switzerland

Baugarten Stiftung

Horego AG

Familie Christa und Rudi Bindella

Sir Peter Jonas

Clariant Foundation

Luzius R. Sprüngli

Freunde des Balletts Zürich

Elisabeth Stüdli Stiftung

Ernst Göhner Stiftung

Madlen und Thomas von Stockar

Max Kohler Stiftung

Zürcher Theaterverein

Ringier AG Georg und Bertha Schwyzer-Winiker-Stiftung Swiss Life Zürcher Kantonalbank Gönner Abegg Holding AG Accenture AG Josef und Pirkko Ackermann Alfons‘ Blumenmarkt Allreal Ars Rhenia Stiftung Familie Thomas Bär Berenberg Schweiz Beyer Chronometrie AG Elektro Compagnoni AG Stiftung Melinda Esterházy de Galantha Fitnessparks Migros Zürich Fritz Gerber Stiftung Egon-und-Ingrid-Hug-Stiftung Walter B. Kielholz Stiftung KPMG AG Kühne-Stiftung Landis & Gyr Stiftung Lindt und Sprüngli (Schweiz) AG Die Mobiliar Fondation Les Mûrons Neue Zürcher Zeitung AG Notenstein La Roche Privatbank AG Pro Helvetia, Schweizer Kulturstiftung


44 Fragebogen

Kristiina Poska Aus welcher Welt kommen Sie gerade? Soeben war ich in Helsinki, wo ich zum ersten Mal Le nozze di Figaro dirigiert habe – ohne Zweifel für jeden Dirigenten ein ganz besonderes Er­ lebnis. Heute früh hatten wir eine Probe zum Zauberer von Oz, und am Nach­ mittag lerne ich ein Programm, das ich nächste Woche mit dem Radio-Sym­ phonieorchester Wien machen werde. Im Moment geschieht in meinem Leben gerade sehr viel parallel!

Welches Bildungserlebnis hat Sie besonders geprägt? Ein Schlüsselerlebnis war für mich als 17-Jährige eine Probe von Beethovens 7. Sinfonie mit dem Staatlichen Symphonieorchester in Estland. Nach dieser Probe wollte ich unbedingt Teil eines Orchesters sein und in diesem Live-Klang-­Wunder leben. Beethovens Siebte ist später auch ein wichtiger musikalischer Begleiter auf meinem künstlerischen Weg geworden.

Worüber freuen Sie sich bei unserer neuen Kinderoper Der Zauberer von Oz am meisten? Zunächst freut es mich natürlich, zum ersten Mal am Opernhaus Zürich dirigieren zu dürfen. Ich fühle mich sehr wohl mit dem gesamten Oz-Team, und Pierangelo Valtinoni hat ein wunderbares Stück geschrieben. Seine Musik ist sehr kindgerecht, aber durchaus auch herausfordernd und mit vielen Farben und Zwischentönen.

Welches Buch würden Sie niemals aus der Hand geben? Bulgakows Der Meister und Margarita.

Was ist Ihre Lebensmaxime? Spontan würde ich sagen: Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst. Und – ganz im Sinne des Zauberers von Oz: Der Weg ist das Ziel! Was wollten Sie als Kind unbedingt werden? Marzipanfiguren-Macherin. Unlängst war ich in Schweden, wo es diese Tradi­ tion zu Weihnachten tatsächlich gibt. Vielleicht sollte ich jetzt als Erwachsene endlich einmal damit anfangen!

Welchen überflüssigen Gegenstand in Ihrer Wohnung lieben Sie am meisten? Eigentlich versuche ich, nichts Überflüssiges zu haben! Weniger ist mehr. Das gilt natürlich nicht für Partituren und Bücher. Was wollen Sie unbedingt noch lernen? Auf jeden Fall noch ein paar Sprachen. Mit welchem Künstler würden Sie gerne einmal essen gehen? Mit Beethoven – keine Frage! Die Präsenz und Intensität der existenziellen Fragen in seiner Musik sind einzigartig. Ich würde sehr viel dafür geben, einen Einblick in diese Welt werfen zu dürfen.

Kristiina Poska stammt aus Estland. Die junge Dirigentin steht mit der neuen Kinderoper «Der Zauberer von Oz» zum ersten Mal am Pult unseres Orchesters.

Foto: Kaupo Kikkas

Was beschäftigt Sie als Dirigentin am meisten? Der Musik gerecht zu werden. Wenn ich Oper dirigiere, bin ich zudem sehr am Zusammenspiel von Musik und Regie interessiert. Beides muss so miteinander verschmelzen, dass der Eindruck ent­ steht, dasss es nur so und nicht anders sein kann. Das klingt selbstverständlich, ist es aber nicht.

Welche CD hören Sie immer wieder? Bachs h-Moll-Messe in einer Aufnahme mit Philippe Herreweghe.


Messa da Requiem – hautnah dabei

Die Premiere von Verdis monumentalem Meisterwerk «Messa da Requiem» gehört zu den absoluten Highlights der Spielzeit 2016/17 am Opernhaus Zürich. Präsentiert wird die Totenmesse am 3. Dezember 2016 in einer gross besetzten Gemeinschaftsproduktion von Ballett und Oper. Christian Spuck ist Choreograf und Regisseur dieses aussergewöhnlichen Projekts, die musikalische Leitung liegt in den Händen des General­musikdirektors Fabio Luisi. Diese einzigartige Produktion möchten wir für alle Opern- und Ballettfans weltweit auf DVD und Blu-Ray er­hältlich machen.

Unterstützen Sie uns bei der Realisierung und nehmen Sie auf eine exklusive Weise teil am Geschehen hinter den Kulissen während der Entstehung von «Messa da Requiem». Und weil die Produktion so einzig­artig ist, warten auf Sie auch einzigartige Einblicke, die Ihnen un­ver­gessliche Momente bescheren werden: Nehmen Sie Platz im Orchester, zwischen den Chorsängern, in der Intendantenloge oder am Inspizientenpult, dinieren Sie mit den Künstlern in der Kronenhalle, ver­abreden Sie sich zum Lunch mit Fabio Luisi. Zusammen machen wir es möglich!

Alle Infos unter: www.opernhaus.ch/requiem


Mehr Privatsphäre geht nicht. Und trotzdem kennt man mich persönlich. SWISS First

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