Das heilige Feuer des Gesangs
Verehrtes Publikum,
es gibt einen vor zwei Jahren veröffentlichten, faszinierenden Dokumentarfilm des renommierten Filmemachers Jan Schmidt-Garre, der sich auf die Suche nach dem «heiligen Feuer des Gesangs» begibt. Fuoco sacro heisst er. Schmidt-Garre versucht darin herauszufinden, was das Charisma und das emotional Bewegende ganz grosser Sängerinnen ausmacht. Pathetisch zitiert er Petrarca: Der Himmel schenke diesen Gesang nur wenigen, und die seien nicht heimisch unter den Menschen. Es geht also um den Nimbus einer «göttlichen» Stimme, wie sie etwa Maria Callas zugeschrieben wird. Der Filmemacher sucht Stimmen wie diese allerdings nicht in der Vergangenheit, sondern im Opernbetrieb der Gegenwart. Drei aktuelle Göttinnen des Gesangs hat er ausgemacht und in seinem Film bei der Arbeit begleitet und interviewt: Asmik Grigorian, Barbara Hannigan und Ermonela Jaho. Sie haben für ihn das Unvergleichliche, die Makellosigkeit, die Seelentiefe und vor allem den «Schmerz», den eine Stimme über andere erhebt.
Ich erwähne das an dieser Stelle, weil die in Albanien geborene Sopranistin Ermonela Jaho die Hauptdarstellerin in der Eröffnungsproduktion unserer neuen Spielzeit ist – und ein neues Gesicht für Zürich. Sie hat zwar schon vor längerer Zeit als Einspringerin eine Vorstellung am Opernhaus gesungen, aber im Grunde ist ihr Auftritt als Magda in Giacomo Puccinis selten gespielter Oper La rondine ihr Hausdebüt. Wir sind stolz, eine Künstlerin präsentieren zu können, der ein so besonderer Ruf vorauseilt. Der Partner an ihrer Seite ist Benjamin Bernheim, der einst Mitglied in unserem Internationalen Opernstudio war, inzwischen zu den Weltstars unter den Tenören gehört und in der vergangenen Spielzeit grossen Erfolg in Charles Gounods Oper Roméo et Juliette hatte. Die beiden werden das heilige Feuer des Gesangs gewiss entzünden, um das wir uns auch im Opernhaus Zürich so gerne versammeln. Die Stimmen nähren es allerdings nicht allein. Es braucht auch packende Stoffe, berührende Figuren, eine gekonnte Regie und orchestrale Energie. Wir hoffen, dass in unserer La rondine-Neuproduktion all das auf glückliche Weise zusammenkommt. Dass wir mit dieser Oper die Schweizerische Erstaufführung eines Werks von Giacomo Puccini präsentieren, ist angesichts der Bekanntheit von dessen Opernschaffen kaum zu glauben. Das Stück bietet besten Puccini mit einem ins Leichte und Melancholische gewendeten Ton. Für die Inszenierung sorgt Christof Loy, der für seine feinfühligen, charaktergenauen Regiearbeiten bekannt ist, und am Pult steht mit Marco Armiliato eine internationale Dirigentenkoryphäe im italienischen Repertoire. La rondine ist eine Produktion, in der es Ausserordentliches zu entdecken gibt. Wir glauben fest daran, dass die nun beginnende Spielzeit 2023/24 noch viele weitere Überraschungen für Sie bereithält. Folgen Sie uns mit Neugier, denn die hält uns lebendig.
Claus Spahn
MAG 104 / Sep 2023
Unser Titelbild zeigt
Ermonela Jaho, die Magda in unserer Neuinszenierung.
(Foto Florian Kalotay)
Ruzan Mantashyan
Zwischenspiel
Der Podcast des Opernhauses
Als Fiordiligi in «Così fan tutte» und als Mimì in «La bohème» begeisterte sie das Zürcher Opernpublikum, nun kommt Ruzan Mantashyan erneut mit einer wichtigen Mozart-Partie ans Opernhaus: Sie steht als Elvira in «Don Giovanni» auf der Bühne. Neben grossen Opernrollen liegt ihr aber auch ihre junge Familie sehr am Herzen – und ihre Heimat Armenien. Erfahren Sie mehr in unserem Podcast!
10 Eine Oper von Puccini als Schweizerische Erstaufführung –der Musikwissenschaftler Anselm
Gerhard über das unterschätzte Werk «La rondine» 16 Regisseur
Christof Loy erklärt, was ihn an «La rondine» fasziniert 24 Volker
Hagedorn trifft die Sopranistin Ermonela Jaho, die die Hauptrolle in der Puccini-Oper singt
32 Wir stellen die neuen Gesichter des Balletts Zürich unter Cathy Marston vor
Ich sage es mal so – 4, Opernhaus aktuell – 6, Drei Fragen an Andreas Homoki – 7, Wie machen Sie das, Herr Bogatu? – 9, Volker Hagedorn trifft … – 24, Wir haben einen Plan – 38, Auf dem Pult – 45, Der Fragebogen – 48, Kalendarium – 49
Ich sage es mal so
Stumme Antworten auf grundsätzliche Fragen – mit Benjamin Bernheim, der den Ruggero in Giacomo Puccinis Oper «La rondine» singt
Fotos Michael Sieber
Benjamin Bernheim
stand unlängst als Roméo in Gounods «Roméo et Juliette» auf der Bühne des Zürcher Opernhauses. Nun ist er mit Puccinis «La rondine» auch im italienischen Fach zu hören. Der französischschweizerische Tenor ist Zürich seit vielen Jahren eng verbunden und feiert an den besten Opernhäusern der Welt Riesenerfolge.
An welchem Punkt deiner Karriere bist du angekommen?
Wie entspannst du nach einer anstrengenden Vorstellung?
Kann man von Liebe singen, ohne selbst verliebt zu sein?
Wie hältst du dich körperlich fit?
Wärst du gern bei einem Revival der drei Tenöre dabei?
Zwischen Mantua und Dresden
Im ersten La ScintillaKonzert der Saison sind unter Leitung von Riccardo Minasi Werke des 17. Jahrhunderts zu hören, die nördlich und südlich der Alpen entstanden sind. Eine verbindende Rolle zwischen diesen beiden Welten nimmt der Komponist Carlo Farina ein: 1600 in Mantua geboren, führte er ein stetiges Wanderleben, das nur bruchstückhaft überliefert ist und 1639 in Wien endet. Die Reise führte ihn etwa nach Dresden, wo er als damals einziger Italiener in der Hofkapelle angestellt war. Farinas Musik vermischt auf singuläre Weise italienische und deutsche Elemente. Zu hören ist sein Capriccio stravagante, in dem er auf komische Weise Tiere und Instrumente nachahmte. In derselben nachahmenden Tradition stehen auch Johann Heinrich Schmelzers Die Fechtschule und Heinrich Ignaz Franz Bibers La Battalia. Neben verschiedenen Werken aus Norditalien steht ausserdem der berühmte Kanon von Johann Pachelbel auf dem Programm.
4 Okt, 19 Uhr, Opernhaus
Jazz meets Philharmonia
Der Soloklarinettist der Philharmonia Zürich, Robert Pickup, studierte an der University of South Africa. Zum ersten Brunch/Lunchkonzert der Saison hat er zwei Freunde nach Zürich eingeladen, die die südafrikanische Jazzszene seit vielen Jahren prägen: den Saxophonisten McCoy Mrubata und den Pianisten Paul Hanmer. Im Spiegelsaal des Opernhauses treten die drei Musiker, die regelmässig als Trio zusammenarbeiten, für einmal gemeinsam mit einer StreichquartettFormation der Philharmonia Zürich auf.
Brunchkonzert, 17 Sep, 11.15 Uhr
Lunchkonzert, 18 Sep, 12 Uhr Spiegelsaal
Streichquartette von Szymanowski und Mjaskowski
Opernhaus Jung
Hexe Hillary geht in die Oper
Ab Ende September ist auf der Studiobühne wieder unser beliebtes Stück für junge Operngäste ab 5 Jahren zu sehen: Hexe Hillary hat im Radio zwei Karten für die Oper gewonnen. Sie ist stolz auf ihren Gewinn, obwohl sie gar keine Ahnung hat, was das ist: Oper. Zum Glück taucht Maria Bellacanta auf, eidgenössisch diplomier te Hexe und – Opernsängerin. Mit ihr zusammen entdeckt Hillary die Welt der Oper und erfährt, dass man Gefühle oft viel genauer durch Musik ausdrücken kann als mit vielen Worten.
Wiederaufnahme 30 Sep 2023
Weitere Vorstellungen im Okt, Nov, Dez Studiobühne
Einführungsmatinee
«Walkways»
Neustart im Ballett Zürich: Der erste Ballettabend der Spielzeit vereint die Choreografien Infra von Wayne McGregor, Snowblind von Cathy Marston und Glass Pieces von Jerome Robbins. In der Einführungsmatinee spricht Dramaturg Michael Küster mit Ballettdirektorin Cathy Marston und neuen Mitgliedern des Balletts Zürich.
Sonntag, 1 Okt, 11.15 Uhr Bernhard Theater
Karol Szymanowski gilt heute als einer der bedeutendsten Komponisten Polens. Durchsetzen musste er sich aber zunächst im Ausland. Erst nach dem
1. Weltkrieg liess er sich wieder in Warschau nieder, wo er sich, etwa im
2. Streichquartett (1927), mit der Volksmusik seiner Heimat schöpferisch auseinandersetzte. Im zweiten Lunch/ Brunchkonzert erklingt dieses Werk gemeinsam mit dem 13. Streichquartett (1949) des sowjetischen Komponisten Nikolai Mjaskowski, der ein Zeitgenosse Szymanowskis und ein enger Freund von Sergej Prokofjew war. Es spielen Tatjana Pak, Michal Bielenia (Violine), Alexander Tatarinov (Viola) und Lev Sivkov (Violoncello).
Brunchkonzert, 1 Okt, 11.15 Uhr Lunchkonzert, 2 Okt, 12 Uhr Spiegelsaal
1. Lunch-/Brunchkonzert 2. Lunch-/BrunchkonzertDas Mauerblümchen blüht
Herr Homoki, das Opernhaus Zürich hat die vergangene Spielzeit mit Turandot von Giacomo Puccini beendet und beginnt die neue gleich wieder mit Puccini: Die Eröffnungspremiere ist die selten gespielte Oper La rondine. Was macht diesen Komponisten so wertvoll für das Opernrepertoire?
Er ist der letzte Opernkomponist, der mit seinen Werken das ganz grosse Publikum erreicht. Diese Breitenwirkung hat im zwanzigsten Jahrhundert nach ihm niemand mehr erzielt, nicht einmal Richard Strauss. Nach Puccini sind zwar kompositorische Meisterwerke wie Alban Bergs Wozzeck entstanden, aber an die Popularität von La bohème, Tosca oder Madama Butterfly reichen sie nicht heran. Das spüren wir bei der Spielplangestaltung bis heute, obwohl ausgerechnet über Puccini ja von verschiedenen Seiten immer wieder schlecht geredet wurde. Man hat ihn unter Kitschverdacht gestellt und kritisiert, seine Musik sei manipulativ in ihrem Streben nach grösstmöglicher theatralischer Wirkung. Da kann ich nur sagen: Ja, was denn sonst? Genau darum geht es doch: Dramatik und Emotionalität auf den Punkt zu bringen! Vorurteile gegenüber Opernkomponisten haben oft auch mit einer den Blick verengenden Auführungstradition zu tun. Wer immer nur kitschige BohèmeInszenierungen erlebt, denkt natürlich, dass das eine Schmonzette ist. Wer sich aber auf das musikalische Material konzentriert, merkt schnell, wie unglaublich präzise und modern die Oper gearbeitet ist, und das gilt auch für die anderen Opern von Puccini. Ich habe das in den Theaterferien gerade selbst wieder erfahren, als ich in Bregenz war, um auf der Seebühne die Wiederaufnahme meiner Inszenierung von Madama Butterfly zu proben.
Was kann Puccini, was andere Komponisten nicht können?
Er hat einfach einen unfassbaren Theaterinstinkt. Er versteht es, direkt in eine Situation reinzuspringen und auf der Stelle deutlich zu machen, worin die Dramatik besteht. Er legt sie mit geradezu chirurgischer Präzision ofen und arbeitet die emotionalen Möglichkeiten Moment für Moment ab – mit sparsamen, genau kalkulierten musikalischen Mitteln. Oft geniesst er es, die besonders atemberaubenden Momente mit beinahe nichts zu erzeugen. Dieses untrügliche Sensorium für Dramatik haben nur die ganz grossen Opernkomponisten. Ich bin sehr gespannt, wie das bei uns in La rondine über die Rampe kommt.
La rondine ist ein Mauerblümchen in Puccinis Opernschaffen. Das Stück wird kaum gespielt. Die Zürcher Neuproduktion ist sogar die Schweizerische Erstaufführung. Glauben Sie an die Qualität dieser Oper? Absolut. Sonst hätten wir sie nicht in den Spielplan genommen. Der Regisseur Christof Loy hat die Oper vorgeschlagen. Wir sprachen über mögliche Projekte, und er sagte mir, dass er das Stück toll finde und gerne einmal machen würde. Es gehört ja zu unserem programmatischen Anspruch, auch immer wieder Werke auf die Bühne zu bringen, die zu Unrecht kaum gespielt werden. Also haben wir Christof Loy zugesagt und mit Ermonela Jaho und Benjamin Bernheim in den Hauptrollen und Marco Armiliato am Dirigentenpult eine wirklich hochkarätige Besetzung gefunden. Ich selbst habe die Oper noch nie auf der Bühne gesehen, ich kenne sie nur vom Hören. Die emotionalen Ausschläge sind nicht so extrem, wie wir das sonst von Puccini kennen. Seine Idee war ja, etwas Leichtes und Operettennahes zu schreiben. Vielleicht können wir mit unserer Produktion dazu beitragen, dass die Oper in Zukunft mehr Beachtung findet. Das würde mich natürlich sehr freuen.
Schiefer statt Asbest
Traditionell widme ich die erste Kolumne der Spielzeit den sogenannten «Sommerarbeiten». Das sind die Arbeiten, die nur dann durchgeführt werden können, wenn auf den Bühnen für einige Wochen nicht gespielt oder geprobt wird und der Zuschauerraum leer bleibt. Denn wenn die Opernsaison läuft, ist jeder Tag verplant. Aber auch in der Sommerpause ist jeder Tag geplant: Die Arbeiten müssen genau koordiniert werden, so dass etwa nicht gerade der Lift revidiert wird, wenn eine Firma Material in den Keller fahren muss.
Die offensichtlichste Sommerarbeit ist zum Zeitpunkt des Druckes dieses Textes noch nicht abgeschlossen: Die Sanierung des Daches über dem Zuschauerraum. Bei der Sanierung des Altbaus vor 40 Jahren wurde das Dach anstelle der ursprünglichen Schieferplatten mit asbesthaltigen Faserplatten gedeckt. Solange die Faserplatten intakt sind, ist das Asbest kein Problem. Doch bevor diese Platten brüchig und bei Hagel, Wind und Eis beschädigt werden, sollten sie im Sommer entfernt werden. Der damalige Hersteller hätte auch Faserplatten (natürlich ohne Asbest) gehabt, aber die Denkmalpflege bestand darauf, dass das Dach wieder mit Schieferplatten gedeckt werden muss. Das war eine ziemliche Herausforderung, denn der Schiefer wiegt acht Tonnen mehr als die Faserplatten, und zusätzlich haben sich die Normen hinsichtlich der Statik von Tragwerken im Laufe der Jahre verschärft, so dass auch die denkmalgeschützte innere Tragkonstruktion vom Dach aufwändig verstärkt werden musste. Bis auf die Eindeckung mit den Schieferplatten, die aufgrund von Lieferverzögerungen noch auf sich warten lassen, sind diese Arbeiten abgeschlossen. Wir hoffen, die öffentliche Probe von Il turco in Italia im Rahmen des Eröffnungsfestes am 16.8. unter einem schön gedeckten Schieferdach zu zeigen.
Sehr schön wurden auch die abgenutzten Böden vom Spiegelsaal, vom Eingangsfoyer und die grossen Treppen in die Ränge in Stand gesetzt und die Treppenhäuser mit einer energiesparenden, schönen Beleuchtung versehen. Wer genau hinschaut, wird zudem bemerken, dass wir im Zuschauerraum einige in die Jahre gekommene Scheinwerfer durch moderne ferngesteuerte LED-Scheinwerfer ersetzt haben und zwei Stuhlreihen und der Parkettboden darunter saniert wurden.
Was jedoch niemand sehen wird, ist, dass wir auf der Bühne ca. ein Viertel des stark abgenutzten Bühnenbodens ersetzt haben. Der Bühnenboden ist ein 5 cm starker Holzboden, der in die Unterkonstruktion verschraubt ist. Um den Boden überhaupt abzuschrauben, ist eine halbe Operation notwendig: Die Schrauben sieht man nämlich nicht, da sie ca. 1cm tief im Boden versenkt sind und das Schraubloch mit einem Holzzapfen zugeklebt ist. Um an die Schraube zu kommen, schleift die Bühnentechnik die schwarze Farbe dort ab, wo sie die Schrauben vermutet. Dort sieht man dann den angeschliffenen Zapfen. Dieser wird mit einem grösseren Bohrer ausgebohrt, dann kann man endlich die Schraube herausdrehen. Der alte Boden wird dann ausgetauscht, mit versenkten Schrauben verschraubt, die Schraublöcher mit einem Zapfen verklebt. Dann wird der ganze Boden geschliffen und dreimal mit schwarzer Bühnenfarbe übermalt.
Für das Publikum leider ebenfalls nicht sichtbar sind die Mitarbeitenden, die diese Arbeiten geplant, angeleitet und ausgeführt haben, während viele von uns in den Ferien waren: Ihnen gilt der grosse Dank dafür, dass wir im strahlenden Haus nun wieder zehn Monate lang tolle Opern, Ballette und Konzerte proben und zeigen können.
Eine Schwalbe, um die sich niemand kümmert
Eine Oper von Giacomo Puccini, die kaum je aufgeführt wird – gibt es das?
Das ist das Schicksal von «La rondine», die jetzt als Schweizerische Erstaufführung in Zürich auf die Bühne kommt. Ein Gespräch mit dem Puccini-Forscher Anselm Gerhard über ein zu Unrecht vernachlässigtes Werk
kümmert
Anselm Gerhard, wie haben Sie reagiert, als Sie hörten, dass das Opernhaus Giacomo Puccinis La rondine aufführen wird?
Ich habe mich riesig gefreut. Ich halte das für ein wirklich lohnendes, interessantes Stück, das einfach Spass macht und viel zu selten aufgeführt wird. Die Zürcher Produktion wird ja sogar eine Schweizerische Erstaufführung sein.
Wie sicher können wir sein, dass La rondine tatsächlich zum ersten Mal in der Schweiz aufgeführt wird?
Ich würde sagen, zu 99,9 Prozent. Es gibt exzellente Recherchemöglichkeiten mit Tageszeitungen bis in die Gegenwart, und wenn man da absolut nichts findet, kann man es eigentlich ausschliessen, dass das Stück jemals in der Schweiz gespielt wurde. Auch in der Datenbank des Schweizerischen Theaterarchivs sind keine Aufführungsreferenzen für die Schweiz bekannt.
Wie erklären Sie sich das?
La rondine ist kein Kassenschlager à la Tosca oder La bohème. Die Oper ist gewisser massen der arme Verwandte von Puccinis Opern, offenbar noch ärmer als Le Villi und Edgar. Vielleicht ist es aber auch ganz einfach dem Zufall geschuldet.
Wie haben Sie selbst La rondine kennengelernt?
Ich war in Norditalien und hatte bei der Gelegenheit einen Schwenker über Pisa gemacht, um dort eine Aufführung der Rondine zu besuchen: eine Aufführung mit einer sehr guten Provinzbesetzung in einer recht anständigen Inszenierung. Der Abend hat mir gut gefallen. Danach habe ich mich intensiv mit dem Stück auseinandergesetzt.
Es gibt kaum Einträge zu La rondine in den grossen Opernführern… Das ist durchaus berechtigt. Ein Opernführer muss normalerweise in einen oder zwei Bände passen. Da gilt es zu entscheiden, welche Opern oft gespielt werden. La rondine gehört da definitiv nicht dazu.
Die Rondine ist in vielerlei Hinsicht ein Solitär in Puccinis Œuvre. Das Ungewöhnlichste daran aber ist vielleicht, dass der weltweit führende Opernkomponist ursprünglich eine Operette hätte schreiben sollen. Wie kam es zu diesem Auftrag?
Puccini war 1913 wegen einer Fanciulla-Vorstellung in Wien, als er vom Wiener Carltheater, das auf Operetten spezialisiert war, ein Angebot für eine Operette bekam. Ein renommiertes Autorenduo, Alfred Maria Willner und Heinz Reichert,
Worum
es in «La rondine» geht
Magda de Civry (die Schwalbe) lebt in Paris, ausgehalten vom reichen Bankier Rambaldo. In ihrem Salon trifft sich tout Paris. Als der Dichter Prunier ein Gedicht zum Besten gibt, weckt dieses in Magda die wehmütige Erinnerung an ein kurzes Liebesabenteuer mit einem unbekannten Studenten. Als der aus der Provinz kommende junge Ruggero Lastouc auftaucht, empfehlen ihm Magdas Freundinnen einen Besuch im Pariser Nachtlokal Bullier. Es ist derselbe Ort, an dem Magda
einst die rauschende Nacht mit dem Studenten erlebte, von der sie nicht mehr loskommt. Mit Ruggero glaubt Magda ihren Traum von der wahren Liebe erneut leben zu können. Sie verlässt Rambaldo, zieht mit Ruggero an die französische Riviera, um ein neues Leben zu beginnen. Doch das Liebesglück ist von kurzer Dauer. Als Ruggero von einem kleinbürgerlichen Familienglück träumt und von Magdas Vergangenheit erfährt, verlässt sie ihn.
das bereits für Lehár gearbeitet hatte, sollte das Szenario verfassen und Puccini acht bis zehn musikalische Nummern beisteuern. Etwas Leichtes, Eingängiges zu komponieren, das reizte Puccini offenbar. Doch eine Operette schreiben, das wollte er dann doch nicht. Er hatte das von Anfang an nicht im Sinn, das wird in seinen Briefen deutlich. Warum er den Auftrag dennoch annahm, ist mir nicht ganz klar. Puccini war offensichtlich selbst mit sich im Unreinen. Sicher lockte ihn auch das Honorar von 200’000 Kronen, eine enorme Summe, nach heutiger Kaufkraft umgerechnet etwa eine Million Euro. Puccini brauchte natürlich Geld, er hatte teure Hobbies und mehr als eine Geliebte. Andererseits spricht vieles dafür, dass Puccini ganz einfach ein grosses Faible für die Stadt Wien hatte. Er fühlte sich dort wohl und hatte mehrere enge Freunde.
Das Szenario der Wiener Librettisten war von Verdis La traviata und Johann Strauss’ Fledermaus inspiriert. Puccini war nicht gerade euphorisch, was den Stoff betraf, verwarf ihn aber auch nicht. Später zog er den italienischen Dramatiker und Librettisten der Turandot, Giuseppe Adami, hinzu. Was passierte bei dieser Transformation?
Adami war dafür verantwortlich, das Ganze in italienische Verse zu setzen und den direkten Anweisungen Puccinis anzugleichen. Es war eine mühselige Arbeit, wie alle anderen Libretti für Puccini. Schlussendlich hatte Adami 16 verschiedene Akte geschrieben, bis Puccini mit drei Akten zufrieden war. Diese Version muss sich erheblich vom ursprünglichen Entwurf der Wiener Autoren unterschieden haben. Wir Puccini-Forscher würden viel dafür geben, an das originale deutsche Wiener Libretto zu gelangen, aber es ist verschollen. Vieles aus den Wiener Archiven der damaligen Zeit wurde entweder entsorgt oder im Krieg durch Bombardierungen zerstört.
La rondine ist ein internationales Werk geworden. Der Auftrag stammt zwar aus Österreich, die Sprache ist Italienisch, die Geschichte spielt in Paris und an der Côte Azur, uraufgeführt wurde das Werk schliesslich wegen des Ersten Weltkrieges nicht mehr in Wien, sondern in MonteCarlo…
Und dann verwendet Puccini auch noch Walzer, die an Richard Strauss’ Rosenkavalier erinnern… Puccini ist nicht so italienisch, wie wir ihn gerne hätten. Dieses Stück ist eben schwierig einzuordnen und passt nicht in unser Puccini-Bild. Dazu gehört auch die Frage, wie viel oder wie wenig Operette drin ist. Von Anfang an war das für die Rezeption ein ungelöstes Problem, wie man den ersten Wiener Aufführungskritiken entnehmen kann. Das behinderte den Erfolg des Werks enorm. Einem Komponisten kann es zuweilen sehr schaden, wenn er nicht in seinem ureigenen Genre arbeitet.
Wenn Puccini keine Operette schrieb, mit was für einem Gebilde haben wir es denn zu tun?
Für mich ist es eine melancholische Oper mit Operetteneinschlag, jedenfalls eindeutig eine Oper. Puccini bezeichnet sie als Commedia lirica. Für eine Operette wäre gesprochener Dialog konstitutiv und damit auch ein Sängerensemble, bei dem das Schauspiel mindestens genauso wichtig ist wie das Opernsingen, wenn nicht sogar wichtiger. La rondine hat aber keine Dialoge, sondern ist durchkomponiert. Es braucht hier exzellente Sängerinnen und Sänger.
Puccini bezeichnete die Oper einmal als sein «geliebtes Sorgenkind». Von La rondine gibt es drei verschiedene Fassungen...
Puccini wollte immer wieder nachjustieren und war letztlich vor allem mit dem dritten Akt nicht glücklich. Wir kennen Puccini zu Recht als melodienseligen Komponisten, als jemanden, der eingängig schreiben kann, verwechseln aber diese Begabung, Hits zu schreiben, mit leichter Schreibe. Puccini war jedoch ein extrem
Für mich ist «La rondine» eine melancholische Oper mit Operetteneinschlag
Magda lebt in ihrem eigenen Gefängnis, im Museum ihrer Erinnerungen
langsamer Arbeiter, viel langsamer als Verdi, ja sogar als Wagner. Er brauchte Zeit. Und das ging jeweils über die Uraufführungen heraus. Eine theatrale Situation musikalisch-dramaturgisch auf den Punkt zu bringen, daran feilte Puccini unentwegt.
Im Mittelpunkt der Handlung steht die Pariser Lebedame Magda. Sie, die Schwalbe des Titels, unternimmt einen kurzen Flug mit einem jungen Mann namens Ruggero aus der Provinz in die wahre Liebe. Schliesslich kehrt Magda jedoch wieder in den goldenen Käfig eines Pariser Bankiers zurück. Worum geht es für Sie in der Rondine?
Für mich geht es letztlich um die Frage, wie man ein erstes Verliebtsein in dauerhafte Liebe überführen kann. Das ist für uns alle ein fundamentales Thema. Auch für Puccini, der damals in einem fortgeschrittenen Alter war und eine veritable Midlife-Crisis als Italian Lover durchlebte. Ihm persönlich ist es zeitlebens nie gelungen, einen Flirt in tiefere Liebe zu verwandeln. Seine Frau Elvira lernte er kennen, als sie noch mit einem anderen Mann verheiratet war. Puccini lebte in wilder Ehe mit ihr und konnte sich das leisten, weil er ein anerkannter Komponist war. Als dann Elviras Mann starb, begannen die ganzen Affären Puccinis. Eine nach der anderen. Ohne den Reiz des Verbotenen ging es bei ihm offenbar nicht.
Die Magda der Rondine erzählt im ersten Akt von einer kurzen Affäre mit einem unbekannten Studenten, die jedoch nach einer intensiven Nacht bereits wieder zu Ende geht. Mit Ruggero sucht sie erneut dieses Gefühl… Diese Reinszenierung oder dieses Reenactment, wie es in der Theaterwissenschaft heisst, ist ganz zentral für die Rondine. Nach ihrem emotionalen Höhenflug mit Ruggero muss Magda allerdings die komplette Desillusionierung erleben.
Gibt es für Sie so etwas wie eine charakteristische musikalische Sprache in La rondine, obwohl wir es mit einem hybriden Genre zu tun haben?
Ich möchte hier nochmals auf Verdis La traviata hinweisen, der die Rondine in Vielem folgt – inhaltlich allerdings mit einem wichtigen Unterschied: Die scheinbar so verachtenswerte Frau, Magda, muss am Ende nicht wie Violetta sterben, sondern darf aufrechten Hauptes weiterleben. Musikalisch übernahm Puccini von Verdis Traviata die Tanzrhythmen, die den gesellschaftlichen Rahmen für die Pariser Salons des 19. Jahrhunderts bilden. In der Traviata sind das der Galopp und der Walzer, in der Rondine der Walzer sowie modernere Tänze wie Foxtrott oder one-step. Puccinis Walzer sind opulenter als Verdis Walzer von anno 1853. Bei Puccini ist es dieser melancholisch-chromatisch aufgerauhte, sehr süffig orchestrierte Walzer des Rosenkavaliers. Da ist auch eine enge Verwandtschaft mit Ravels La Valse spürbar, die man als ein Symbol einer durch den Massenmord des Ersten Weltkriegs ruinierten Epoche lesen kann. Für mich hat die Musik der Rondine zwar etwas Leichtes, Filigranes und Träumerisches, gleichzeitig auch etwas Uneigentliches. Das hängt wesentlich mit dem Walzer zusammen, der als Modell seit der Fledermaus in jeder Operette anzutreffen ist und per se etwas Zitathaftes hat. Das wiederum entspricht auch inhaltlich der Idee des Reenactments, indem Magda die vergangene Liebesepisode mit dem unbekannten Studenten mit Ruggero zu wiederholen versucht. Das ist auch wieder ein Zitat. Magda lebt gewissermassen in ihrem eigenen Gefängnis, im Museum ihrer Erinnerungen – wie übrigens wohl wir alle.
Bei Puccini ist immer eine Spannung zwischen Handwerk, Tradition und Innovation zu beobachten. Wie innovativ ist Puccini in diesem Werk?
An der Oberfläche scheinbar nicht besonders, weil vieles in der Harmonik sehr eingängig daherkommt und auch in der taktmetrischen Gestaltung einen eher konventionellen Eindruck macht. Aber im Detail ist die Partitur sehr vielschichtig,
sogar in den Harmonien. Man kann an vielen Stellen einen direkten Bezug zum Impressionismus von Debussy herstellen, nicht zuletzt, was die Instrumentation angeht. Bitonalität, Pentatonik – da ist alles drin. Ganz ähnlich wie der fast zeitgleich entstandene Tabarro, der unglaublich modern ist. Puccini hat sich intensiv mit den aktuellen musikalischen Strömungen seiner Zeit auseinandergesetzt. Für die italienische Erstaufführung von Schönbergs Pierrot lunaire setzte er sich extra ins Auto, um Schönberg zu begrüssen. Und schon 1908 nahm er die lange Reise von Budapest nach Graz auf sich, um sich dort Strauss’ Salome anzuschauen.
Ich höre auch Janáček in diesem Stück, besonders im letzten Akt.
Janáček und Puccini haben viel miteinander zu tun! Sowohl bei Janáček als auch beim späten Puccini ist zum Beispiel die Singstimme nicht immer das Primäre der musikalischen Erfindung. In Bezug auf die Rondine kann man das gut anhand der verschiedenen Fassungen beobachten: Puccini baut zuweilen in eine orchestrale Struktur nachträglich Stimmen ein oder lässt diese Stimmen in den nächsten Fassungen wieder weg. Die Partitur lebt von musikalischen Mikropartikeln, von einer Kurzatmigkeit der Melodik, die dann diesen für die Rondine so charakteristischen Parlandoton zur Folge hat.
Puccini war ein Detailfanatiker. Er war Perfektionist, ja. Zum Glück, muss man sagen, sonst wären seine Opern nicht so gut.
Wie haben Sie übrigens zu Puccini gefunden? Gerade die deutsche Musikwissenschaft hat Puccini ja sehr lange verächtlich links liegen gelassen.
Ist Puccini zu populär für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung?
Ich habe in den späten 1970er-Jahren in Frankfurt studiert, habe damals natürlich auch Adorno gelesen und mir das Vorurteil, Puccini sei Kitsch und leichte Muse, zunächst zueigen gemacht. Erst auf dem Umweg über Verdi habe ich verstanden, wie gut diese Stücke gearbeitet und alles andere als einfach gestrickt sind. In Puccinis Werken ist vieles sehr hart, pessimistisch, vielleicht sogar sarkastisch gestaltet, und das fasziniert mich.
Werden Sie eine Aufführung in Zürich besuchen? Selbstverständlich.
Was erwarten Sie sich davon?
Ich hoffe, dass es den Sängerinnen und Sängern, dem Orchester und der Inszenierung gelingen wird, bei dieser Gratwanderung zwischen dickem postromantischem Pinselstrich und doppelbödiger Leichtigkeit den zündenden Funken dieses Stücks zu entfachen. Ich bin da sehr optimistisch.
Das Gespräch führte Kathrin Brunner
Anselm Gerhard ist emeritierter Professor für Musikwissenschaft an der Universität Bern. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehört das europäische Musik theater des 19. Jahrhunderts.
La rondine Oper von
Giacomo Puccini
Musikalische Leitung
Marco Armiliato
Inszenierung
Christof Loy
Bühnenbild
Etienne Pluss
Kostüme
Barbara Drosihn
Lichtgestaltung
Fabrice Kébour
Choreinstudierung
Ernst Raffelsberger
Choreografie
Thomas Wilhelm
Dramaturgie
Kathrin Brunner
Magda
Ermonela Jaho
Lisette
Sandra Hamaoui
Ruggero
Benjamin Bernheim
Prunier
Juan Francisco Gatell
Rambaldo
Vladimir Stoyanov
Périchaud
Andrew Moore
Gobin / Un giovane/
Adolfo Nathan Haller
Crébillon
Stanislav Vorobyov
Yvette / Georgette
Yuliia Zasimova
Bianca / Gabriella
Meeta Raval
Suzy / Lolette
Siena Licht Miller
Maggiordomo
Valeriy Murga
Rabonnier
Amin Ahangaran
Un cantore
Annabelle Kern
Der Kellner
Yannick Bosc
Philharmonia Zürich
Chor der Oper Zürich
Premiere 17 Sep 2023
Weitere Vorstellungen
20, 24 Sep; 1, 8, 13, 18
21, 28 Okt 2023
Official Timepiece
Opernhaus Zürich
Ermonela Jaho als Magda im ersten Akt von «La rondine»Was habe ich im Leben verpasst?
Die Oper «La rondine» erzählt die Geschichte einer Frau, die den Erinnerungen an eine rauschhafte Jugendliebe nachhängt und sie noch einmal erleben will. Der Regisseur Christof Loy über ein Drama ohne Blutvergiessen, das Tragische am nicht gelebten Leben, und die Qualitäten einer bis heute unterschätzten Oper von Puccini, in der die Grenzen zwischen Traurigkeit und Leichtigkeit fliessend sind
Probenfotos Admill KuylerChristof, du hast dieses Stück für Zürich vorgeschlagen. Warum passt La rondine zum Opernhaus Zürich?
Ich glaube, dass die Rondine gut in einem Haus aufgehoben ist, das einen intimen Rahmen hat. Das Stück lebt von vielen kleinen Gesten und Blicken, von einzelnen Details. Für diese Art von Kammerspiel ist Zürich mit seinen gut tausend Plätzen ein ideales Opernhaus. Für mich wäre es undenkbar, La rondine auf einer Breitwandbühne wie der Amsterdamer Oper zu inszenieren. Man merkt dem Stück an, dass es letztlich in Monte-Carlo uraufgeführt wurde, einem noch viel kleineren Haus als Zürich.
Du kennst La rondine seit deiner Jugendzeit. Was faszinierte dich damals so daran?
Ich hatte von Anfang an eine starke Affinität zu Magda. Sie ist die Figur, mit deren Imagination alles losgeht, die in die Vergangenheit taucht und versucht, sich eine neue Gegenwart zu schaffen. Dieses Melancholisch-Verhangene, das immer nah am Tragischen ist, das Tragische im Alltäglichen, hat mich früh fasziniert. Es ist das Drama ohne Blutvergiessen, das mich an diesem Stück interessiert.
Das ist vielleicht ein noch viel grösseres Drama, weil das Leben weitergeht und die kleinen Tragödien in das Leben integriert werden müssen... In La rondine werden viele kleine Tode gestorben, ohne dass wirklich jemand auf der Bühne stirbt. Ich finde das sehr berührend, und es schafft eine grosse Identifikationsfläche für das Publikum. Denn jeder kennt die Konflikte, die in diesem Stück ausgetragen werden. Was hat man im Leben alles verpasst? Kann man kostbare Momente, die sich erst im Nachhinein als wichtig herausstellen, erneut erleben, sie nochmals einfangen? Oder hat sich das Leben in der Zwischenzeit bereits zu sehr verselbständigt, so dass ein Zurückdrehen der Zeit nicht mehr möglich ist? Es geht auch um Reue, um das, was man sich selbst schuldig ist. Es ist ja so leicht, immer andere verantwortlich zu machen für das, was im eigenen Leben schiefläuft.
Daraus folgt diese nostalgische Note, die über diesem Stück schwebt. Das hängt besonders mit Magda zusammen, die eine Aussenseiterfigur und eine fragile Person ist. Magda bewegt sich zwar in diesem gesellschaftlichen Rahmen mit grosser Souveränität, sie hat Sensibilität und Klasse. Aber sie ist ökonomisch abhängig. Magda hat keinen normalen Beruf, keinerlei soziale Absicherung. Wenn sie ein Mann fallen lässt, fällt sie ins Nichts. Mit ihrem reichen Gönner Rambaldo lebt sie eine Ehe-ähnliche Verbindung, aber ohne alle Vorteile einer Ehe, was, wie wir wissen, das Allerschlimmste ist. Zwischen Magda und Rambaldo greifen daher fatale Mechanismen mit einer latenten Aggressivität von beiden Seiten. Zwar hat Magda ein grosses Verdrängungspotenzial, aber gleichzeitig ist ihr Bewusstsein über die aktuelle Situation sehr ausgeprägt. Doch ist sie jemand, der gelernt hat, eine Fassade aufzubauen. Dahinter verbirgt sich ein ganzes, nicht gelebtes Leben. Dabei versucht sie aber auch, ihre Würde zu behalten. Das ist letztlich wie bei Marguerite Gautier, dem Vorbild zu Verdis Violetta, aus Dumas’ Kameliendame. Wenn man diesen Roman liest, wird deutlich, dass sie auch eine Art Geschäftsfrau ist, wie Magda. Sie passt nicht in die normale Schublade eines bürgerlichen Lebens.
Magda sagt einmal, dass das Unnormale in ihrem Haus die Regel sei ... Ja!
Dreh- und Angelpunkt der Oper ist Magdas wehmütige Erinnerung an eine längst vergangene Liebesepisode mit einem unbekannten Studenten. In der Figur des jungen Ruggero versucht Magda diese Begegnung zu wiederholen. Sigmund Freud prägte in der Entstehungszeit von La rondine den Begriff des Wiederholungszwanges, den er sogar mit dem Todestrieb in Verbindung
brachte. Das Thema der Wiederholung scheint damals in der Luft gelegen zu haben.
Bei Magda sehe ich weniger eine Pathologie oder einen Zwang, ein gleiches Muster unentwegt durcharbeiten zu müssen, als vielmehr den Versuch, eine Situation zu schaffen, die zu einer Veränderung führt. Die Episode in ihrer Jugendzeit mit dem unbekannten Mann, die sie so geprägt hat, war das Abenteuer eines Abends, nicht einmal das einer Liebesnacht. Für einen Moment denkt Magda, dass ihr Leben mit Ruggero tatsächlich ganz anders weitergehen wird. Trotz aller Traurigkeit, die sie erwachsen werden liess, ist Magda eine kindliche Seele geblieben. Deshalb hat sie die fixe Idee, an diesem unerfüllten Traum des Lebens festzuhalten. Sie versucht, die neue Realität mit dem neuen Mann in einem Traumzustand zu bewahren. Im Grunde genommen möchte oder kann Magda aber keine richtige Beziehung mehr führen, sondern nur einen Traum leben. Und das ist zum Scheitern verurteilt. Das ist alles nachvollziehbar, aber auch traurig anzusehen.
Wenn man das so hört, würde man nicht denken, dass in diesem Werk auch ein Operettenton mitschwingt. Die Grenzen zwischen Traurigkeit und Leichtigkeit sind hier fliessend. La rondine hat etwas von einem Melodram. Ich muss da immer wieder an französische Filme denken, an Jacques Demys Les Parapluies de Cherbourg mit Catherine Deneuve aus den 1960er-Jahren etwa. Für mich ist die Tatsache, dass in diesem Werk auch
Benjamin Bernheim, der den Ruggero singt, umgeben von Sandra Hamaoui, Meeta Raval, Yuliia Zasimova und Siena Licht Miller.Operette steckt, jedenfalls nichts Schlechtes. Im Gegenteil: Als ob man von einer Operette eine Krankheit bekommen könnte! Und der Begriff «Zarzuela» wird ja von Ignoranten wie ein Schimpfwort benutzt. Wie wir wissen, deckt das Genre der Operette viele verschiedene Formen des Musiktheaters ab und bedeutet nicht automatisch, dass wir es mit einem durchgängig lustigen Stück zu tun haben müssen. Nehmen wir die tragische Operette der Silbernen Operetten-Ära: La rondine hat viel Ähnlichkeit mit dem letzten Akt von Lehárs Zarewitsch oder der Giuditta. Selbst bei der Lustigen Witwe gibt es Momente, in denen alles kippen könnte. La rondine ist einfach ein sehr gutes Stück, bei dem jeder Takt erfordert, dass man genaue szenische und musikalische Entscheidungen fällt, damit die grosse Feinmechanik erhalten bleibt. Man muss alles gut dosieren, darf die Momente von Glück und Seligkeit für einen Moment auch ruhig zulassen, um im nächsten Moment wieder bewusst dagegen anzuarbeiten.
Der leichte Ton ist vor allem in den ersten beiden Akten spürbar. Der letzte Akt ist dann grosse Oper...
Bei der heutigen Probe wurde mir das nochmals ganz deutlich: Zwei Menschen müssen sich trennen, gerade weil sie sich lieben. Sie trennen sich nicht, weil sie sich entlieben, sondern weil sie Angst haben, dass einmal in ferner Zukunft eine Trennung stattfinden könnte und es dann noch schmerzhafter werden würde. Dass hier letzlich die Frau die Entscheidung trifft, ist gerade auch für Puccini bemerkenswert.
oben: Sandra Hamaoui als Magdas Dienstmädchen Lisette und Juan Francisco Gatell als Dichter Prunier
unten: Regisseur Christof Loy
Magda ist eben auch eine starke Frau, selbst wenn sie anlehnungsbedürftig erscheint, ein verträumtes Kind ist oder eine ausgehaltene Frau ohne Beruf.
Magdas Entscheidung, Ruggero zu verlassen, könnte man als einen Akt der Selbstermächtigung lesen.
Sie handelt hier jedenfalls auch aus einem grossen moralischen Gefühl heraus. Magda muss sich aber sehr dazu überwinden und tut sich dabei selbst Gewalt an. Sie sieht ein, dass diese Liebe nicht lebbar ist. Es ist vollkommen widersprüchlich, und doch wäre es zu einfach zu sagen, sie gibt auf. Sie kann letztlich ihr ganzes Leben lang stolz auf diesen Moment sein. So bitter das auch ist.
Puccini schrieb in einem Brief an seinen Librettisten Adami über den Schluss: «Ich habe die ganzen dramatischen Verwicklungen herausgestrichen, der Abschluss wird ganz diskret und leise erreicht, ohne grossen Radau im Orchester. Alles in Ordnung.»
Das bezieht sich auf die allerletzten Momente des Stückes. Natürlich wühlen Magda und Ruggero vorher in ihrer beider Wunden noch einmal ganz ordentlich. Das ist ein lauter Aufschrei. Das gesangliche Ende ist dann allerdings eine Art Verstummen in einem nicht artikulierten Laut, als ob man Magda die Sprache weggenommen hätte. Magda ist grundsätzlich ein verschlossener Charakter, der nicht viel von sich preisgibt. Dass sie ihren Freundinnen im ersten Akt von ihrem Erlebnis mit dem jungen Studenten erzählt, passiert ja auch nur, weil sie durch das Gedicht von ihrem Seelenfreund Prunier dazu angeregt wurde. Sie fühlt sich eingeladen und geht immer mehr in diese Erinnerung. Daraus entsteht dann ihr Wunsch, sich nochmals neu zu erfinden.
Mit Ruggero trifft sie auf jemanden, der völlig konträr zu ihr steht. Ruggero hat natürlich auch seine eigenen Vorstellungen. Das Fatale ist, dass er in dem Masse bürgerlich ist wie sie unbürgerlich. Das meine ich überhaupt nicht wertend. Ruggero hat einfach den Wunsch eines klassischen Familienmodells. Magdas Selbstbewusstsein ist aber so ausgeprägt, dass sie weiss, sie kann das nicht
leisten und wird seinen Vorstellungen nicht entsprechen. Ruggero will einen anderen Traum realisieren als sie, wobei man sagen muss, dass seiner viel realer ist als ihrer. Er hat sich ein falsches Bild von ihr gemacht, während sich Magda im Grunde gar kein Bild von ihm gemacht hat. Magda war für ein paar Wochen mit einem Fantom-Ruggero glücklich, mit dem sie sich als biografische Gestalt überhaupt nicht auseinandergesetzt hat.
Magda selbst gibt sich Ruggero gegenüber auch nicht wirklich zu erkennen. Wenn Ruggero Magda im Tanzlokal Bullier nach ihrem Namen fragt, stellt sie sich als Paulette vor. Das hat doch was von einer psychischen Doppeldeutigkeit...
Wobei Paulette möglicherweise sogar ihr richtiger Name ist. Aber das gehört ja auch zum Programm: Sie will nicht mehr Magda sein!
Magdas Dienstmädchen Lisette wiederum taucht bei Bullier verkleidet als Magda auf. Sie und der Dichter Prunier bilden – zunächst nur im Geheimen – das zweite Paar in dieser Oper. Wie sieht deren Schwalbenflug aus?
Beide Figuren sind für mich wie Volksfiguren und berühren mich sehr. Sie haben das Herz auf dem rechten Fleck, und beide finden im Gegensatz zu Magda und Ruggero für sich ihr Glück.
Prunier geht mit Lisette in der Öffentlichkeit allerdings sehr unzimperlich um.
Lisette aber auch mit ihm! Sie sind beide gleich stark. Es ist ein ständiges Spiel zwischen den beiden, und die Liebe ist gross. Doch es stimmt schon: Prunier ist ein widersprüchlicher Charakter. Prunier hat aber auch diese wunderbare seelische Verbindung zu Magda. Zwischen den beiden besteht eine Beziehung, die auf einer völlig anderen Ebene stattfindet als auf der üblichen Attraktivität oder Anziehungskraft zwischen Frau und Mann. Es ist eine sehr besondere Freundschaft. Man kann sich vorstellen, dass die beiden einst ein Liebespaar waren, aber jetzt zwischen ihnen alles gereinigt und geklärt ist und nur noch das Schöne übriggeblieben ist. Deshalb sehe ich da eine grosse Vertrautheit, ja fast Innigkeit zwischen den beiden. So nah kommt weder Ruggero an Magda, noch Lisette an Prunier.
Was ist für dich die Quintessenz dieser traurigen Komödie?
Bei aller Realistik ist dieses Stück auch eine Traumgeschichte. Für mich ist es ganz klar: Puccini übernimmt hier eine grosse Verteidigung der Träumer. Er weiss, wie wichtig Träume im Leben sind. Es wird nur dann gefährlich, wenn man denkt, dass sich alle Träume auch in die Realität umsetzen lassen. Diese Reise, die Magda unternimmt – sei sie wirklich, oder auch nur in ihrem Kopf – ist nah an der Absturzgefahr.
Viele Regisseurinnen und Regisseure machen einen Bogen um Puccini, dessen Musik fast als szenografisch zu beschreiben ist. Sie scheinen sich in ihrer szenischen Erfindungskraft eingeengt zu fühlen. Bei dir ist das anders...
Man muss natürlich Lust an der Genauigkeit haben, Takt für Takt. Ich merke sofort, wenn jemand nicht im richtigen Winkel im Raum steht, nicht im richtigen Moment zuhört oder sich wegdreht. Da rächt sich das Stück sofort. Menschen in Zeit und Raum – das ist mein Element. Bei der Rondine ist es allerdings sehr angenehm, dass Puccinis Vorgaben nicht so sehr mit Requisiten zu tun haben wie bei La bohème. Das kann einen durchaus lähmen.
Du hast voriges Jahr Puccinis fast zeitgleich zu La rondine entstandenes
Il trittico in Salzburg inszeniert und einige Jahre zuvor La fanciulla del West in Stockholm gemacht. Interessiert dich besonders das Spätwerk Puccinis?
Ich finde seine späteren Stücke insgesamt gelungener als frühe Stücke wie Manon Lescaut oder Le Villi, die zwar schon eine grosse musikalische Qualität haben, aber noch nicht dieses ideale Timing, bei dem kein Takt zuviel ist. Natürlich besteht für mich auch ein Reiz darin, dass die späteren Stücke seltener gespielt werden und man mehr entdecken kann, weil man sie nicht so gut kennt.
Du arbeitest zum ersten Mal mit Ermonela Jaho.
Wir haben uns vor vier Monaten in München getroffen und waren beide sehr neugierig aufeinander. Der Wunsch war schon früher da, etwas gemeinsam zu machen, aber bisher hat es leider nie geklappt. Wir werden in dieser Spielzeit auch noch Poulencs La voix humaine in Madrid zusammen machen. Sie ist für mich, nun ja, um beim Stück zu bleiben, Traum gewordene Realität. Allerdings ohne Absturzgefahr.
Das Gespräch führte Kathrin Brunner Ermonela Jaho und Benjamin Bernheim in einer Szene im dritten AktErmonela Jaho
Ermonela Jaho wurde in diesem Jahr bei den International Classical Music Awards als «Künstlerin des Jahres» ausgezeichnet. Die Sopranistin ist gebürtige Albanerin. Ihre Karriere führte sie an alle grossen Häuser der Welt. Höhepunkte der jüngeren Zeit waren ihr Debüt als Adriana Lecouvreur an der Wiener Staatsoper, Mimì am Teatro Real in Madrid, Liù an der New Yorker Met, CioCio-San an der Staatsoper Hamburg sowie Blanche in «Dialogues de Carmélites» von Francis Poulenc an der Bayerischen Staatsoper.
Sie trinkt ihren Espresso ohne Zucker, das Guetzli bleibt liegen, das Wasserglas bleibt lange voll, trotz der Augusthitze im Wintergarten des Café Sphères, es gibt einfach zu viel zu erzählen. Ich muss nicht mal erklären, was das für eine Porträtreihe ist, für die wir uns hier treffen, nachdem sie, Ermonela Jaho, heute schon sechs Stunden Probe hinter sich hat und ich neun Stunden reiste, dank der üblichen «Störungen im Betriebsablauf» der Deutschen Bahn, von denen die Sängerin erstmals hört, überrascht: «Aber in Deutschland ist man doch so pünktlich!» «Das ist dreissig Jahre her.» Sie klopft mir amüsiert tröstend auf den Arm. Ob man vor dreissig Jahren in Deutschland oder in Albanien lebte, das ist ein himmelweiter Unterschied. Was Ermonela als Kind und Teenager erlebte, das spielt, wie sich herausstellen wird, bis heute eine grosse Rolle.
Auch für ihre Gestaltung der Magda in Giacomo Puccinis La rondine, über die wir zuerst sprechen, denn bis eben hat sie auf der Probebühne an dem Stück gearbeitet. Magda gelingt gerade das nicht, was Ermonela einst schaffte, gegen beträchtliche Widerstände einen Traum zu realisieren. «In dieser Oper stirbt keiner», meint sie, «aber es ist trotzdem dramatisch. Wenn du stirbst, ist das Leben vorbei», sie klatscht kurz in die Hände wie eine Lehrerin, die «Schluss für heute!» ruft, «aber leben mit einem Traum, der nie wahr wird, mit diesem Schmerz, das ist dramatischer, als nur zu sterben.» Magda komme aus der demimonde wie Violetta in La traviata, der junge Mann, den sie liebt, aus solider Familie, «und vielleicht kommt er auch nicht im richtigen Moment…» Sie liebt es, wie der Regisseur Christof Loy arbeitet, «an allen Details, allen Personen. Jeder hat seine eigenen Gedanken, seine eigene Art, ans Leben heranzugehen, das ist in unserer Rondine auch so, nicht nur mit den Solistinnen und Solisten, auch mit der Tanztruppe und dem Chor. Es ist irgendwie eine Reise, die wir erleben hinter der Geschichte von Magda und Ruggero, eine Lebensreise. Ich bin ja seit dreissig Jahren unterwegs auf den Bühnen, ich will nicht sagen im world business, aber es passiert nicht so oft, dass ein Regisseur auf diese Weise Leben auf die Bühne bringt.» Von world business dürfte sie durchaus reden, sie singt, in New York lebend, an den grossen Häusern der Welt, und für Arte entstand sogar ein Film über sie und ihre Kolleginnen Barbara Hannigan und Asmik Grigorian, Fuoco sacro, eine Suche nach dem «heiligen Feuer des Gesangs».
Man könnte auch einfach von Wahrhaftigkeit sprechen, von der Identität von Leben und Kunst, die auf der Bühne gelingen kann, und keineswegs, sagt Ermonela, auf der Bühne allein: «Theater ist eine direkte Verbindung vom Herzen des Künstlers zu dem des Publikums. Verwundbar zu sein gehört auch dazu. Du kannst einem schönen Klang lauschen, fünf Minuten, zehn Minuten. Okay, schön, aber passiert da noch etwas? Die Menschheit existiert noch, weil es den Austausch von Gefühlen gibt, und Oper ist das in gross.» Ihre Stimme, ihre Mimik ändert sich bei diesen Worten, als stünde sie schon wieder auf der Bühne, überhaupt sind ihr schmales Gesicht, die Melodien und die Farben ihres Sprechens immer eins mit dem, was sie sagt. Mitunter könnte man sie fast ohne Worte verstehen – was auch im Getöse des Cafés sehr hilfreich ist. Dunkler und schattiger klingt sie, als sie von dem Erlebnis spricht, das sie überhaupt zur Oper brachte, La traviata im Tirana des Jahres 1988, als Ermonela vierzehn Jahre alt war, in der Dämmerung des kommunistischen Regimes, das Albanien vom Rest der Welt isoliert hatte. «Ich wusste nichts über diese Oper, es war meine erste. Da war etwas, das mich so sehr berührte. Violetta, das ist eine gefolterte Seele. Und wir, in Albanien geboren, haben all die Tragödien des Balkans im Blut. Kinder sind wie ein Schwamm, sie saugen alles auf. Es ist wie ein Archiv. Jeder Mensch
hat das und weiss es nicht.» Das wurde ihr erst später klar. Damals erklärte sie dem älteren Bruder, mit dem sie in die Oper gegangen war: «Ich werde Opernsängerin, und ich werde nicht sterben, ohne einmal in meinem Leben Violetta gesungen zu haben.» Das wäre auch für ein Mädchen unter bequemeren Bedingungen eine kühne Ansage. Ermonela blieb ihr treu, studierte nach dem Zusammenbruch des Regimes Gesang am Konservatorium in Tirana und wurde dort von der Person entdeckt, ohne die es in kaum einer Sängerkarriere geht, die den entscheidenden Schritt ermöglicht. Katia Ricciarelli, italienische Sängerin, die einen Meisterkurs gab, lud sie nach Mantua ein. «Aber es war wirklich hart für mich, 1993 aus Albanien nach Italien zu kommen.» Zehntausende Albaner waren über das Meer nach Italien geflohen und dort nicht gerade willkommen, «und jeder dort sah mich an mit diesem Blick, obwohl ich dabei war, meinen Traum zu realisieren. Warum bin ich kein deutscher oder italienischer Teenager, fragte ich mich, warum muss ich leiden? Meine Therapie war es, zu singen.» Den Lebensunterhalt ihrer Ausbildung, zuerst in Mantua, dann in Rom, verdiente sie mit Babysitten und Gelegenheitsjobs. «Meinen Eltern habe ich immer gesagt, alles ist prima, ich wollte ihnen Sorgen ersparen. Sie hatten mir eine Erziehung gegeben und mich unterstützt, nun war es an mir, zu kämpfen. Wenn man aus Ländern mit solchen Schwierigkeiten wie Albanien kommt, ist das die positive Seite: Du siehst immer, wie du kämpfen musst, um dich durchzusetzen. Es gab auch Momente, in denen ich dachte, ich höre auf, jetzt reicht’s. Aber wenn ich zwei Tage lang nicht sang, merkte ich, das ist mehr als nur Karriere. Meine Seele braucht das. So machte ich weiter und weiter.» So lange, bis sie bei einem Wettbewerb auf einer Bühne ihre «Balkan side» ausspielen konnte, wie sie das nennt. Das ungefiltert Dramatische. «Ich bin auf der Bühne wie ein Tier, das aus dem Käfig kommt», sagt sie und lacht, «im Leben bin ich viel kontrollierter». Mit 26 Jahren hatte sie in Bologna ihr erstes professionelles Engagement als Mimì in La bohème, und von da an ging es so steil aufwärts, dass sie 2008 in London für die erkrankte Anna Netrebko einsprang und triumphierte – in der Rolle ihres frühen Traums, der Violetta. Es ist sozusagen die Rolle ihres Lebens, sie ist inzwischen 310mal in Alfredos Armen gestorben, «aber ich bin nicht immer dieselbe Person. Ich habe in mir bestimmte Seiten entdeckt, die ich mit zwanzig Jahren nicht kannte.» Als sie dachte, jetzt gäbe es für diese Rolle doch nichts mehr zu entdecken, nach ihrer Violetta an der MET im Januar, da brachte ein junger italienischer Dirigent sie auf neue Ideen, Francesco Ciampa vom Teatro Massimo in Palermo. «Ich fühlte mich, als hätte ich das noch nie gesungen! Aber jetzt werde ich mit Violetta aufhören.»
Was bleibt, ist die Erfahrung von Leiden, die sie zuerst in dieser Gestalt gebündelt fand. Ermenola ist überzeugt, dass sie vor allem deswegen etwas zu sagen hat auf der Bühne, weil sie selbst gelitten hat. «Für mich muss ein Künstler ein kleines Trauma haben. Wir lernen aus Schmerz, und Schmerz verbindet, aber das heisst nicht, dass der Künstler traurig sein muss.» Auf die Idee käme man bei ihr ohnehin nicht, so aprilhaft wechseln Wolken und Sonne in ihrem Gesicht, so witzig führt sie vor, warum schöner Klang auch mal auf der Strecke bleiben muss. «Wenn im Drama geweint wird, kann ich nicht sagen, oh, lasst uns das schön machen» – sie sagt das mit süss flötender Stimme und tut, als blicke sie verklärt. «Wenn du weinst, weinst du. Das ist keine Schande. Du musst es wagen, das Publikum mag das.» Ein Vorbild bis heute ist für sie Maria Callas, «weil sie so viel am Gefühl arbeitet. Natürlich musst du deine Hausaufgaben in der Technik machen, ohne die kann man nichts ausdrücken. Es geht darum, der Rolle, die du singst, die Farben der Seele zu geben. Und keine Angst haben, sich verletzlich zu zeigen.» Noch weniger Angst davor hat sie seit Covid. «Wir Künstler sahen, dass wir nicht mehr existierten. Du weisst nicht, was morgen passiert. Seitdem gehe ich immer auf die Bühne, als wäre es die letzte Aufführung, das ist eine Art Befreiung, und ich weiss dann, ich habe 100 Prozent gegeben, mit all meinen Stärken und Schwächen. Like it or dislike it, but it was honest.»
Volker HagedornEntdecken Sie bei unserem Eröffnungsfest am 16. September die neuen Gesichter in der Ballett-Compagnie, erkunden Sie die Werkstätten oder besuchen Sie eine Orchesterprobe – wir öffnen die Türen für alle
Er öffn ungs fest
Fotos: Tanja KrebsBallett
Das Opernhaus Zürich hat eine neue Ballettdirektorin: Cathy Marston. Am Eröffnungsfest gibt es die Gelegenheit, sie bei der Arbeit zu erleben, und zwar gleich in zwei öffentlichen Proben auf der grossen Bühne zur ersten Ballettpremiere der Saison, Walkways. Auch die Ballettsäle sind wieder öffentlich zugänglich, dort können Sie der Compagnie beim morgendlichen Aufwärmtraining zuschauen. Tanzen können Sie aber auch selbst: In den Ballettsälen finden Workshops für Kinder und Erwachsene statt, bei schönem Wetter leiten unsere Tänzer:innen auf dem Sechseläutenplatz ein klassisches Training an der Ballettstange und einen «Bal moderne» für alle an.
Für Kinder
In dieser Spielzeit steht als Familienoper Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer auf unserem Spielplan; am Eröffnungsfest gibt es in Workshops zum Thema Drachen und mit vielen Bastelmöglichkeiten schon mal einen Vorgeschmack auf die Premiere im November. Das Bernhard Theater zeigt für Familien Teile aus dem Musical-Hit Der Löwe, der nicht schreiben konnte. Auf der Studiobühne gibt es für Kinder ab 4 Jahren zwei Aufführungen von Gian und Giachen zu sehen, einem Märchen auf dem Klangteppich, bei dem die Kinder ganz nah am Geschehen sind. Ausserdem stehen natürlich auch Ballett-Workshops für Kinder wieder auf unserem Programm.
«Il turco in Italia», Arien, Chor
Am Abend des Eröffnungsfestes öffnen wir die Türen zur Orchesterhauptprobe von Rossinis turbulenter Opera buffa Il turco in Italia. In den Hauptrollen: Olga Peretyatko und Nahuel Di Pierro. Mehr Musik gibt es am Vormittag auf der grossen Bühne mit einem bunten Arienprogramm. Es treten auf: Rebeca Olvera, Siena Licht Miller, Andrew Owens und Omer Kobiljak. Und wer selbst gern einmal aus vollem Halse mit einstimmen möchte, dem sei der Auftritt unseres Chores mit Sing along wärmstens ans Herz gelegt.
«Götterdämmerung», Kammermusik und Opernstudio
Alle Wagner-Fans und solche, die es werden wollen, haben am Vormittag am Kreuzplatz die Gelegenheit, unserem Generalmusikdirektor Gianandrea Noseda bei der Arbeit mit den Orchestermusiker:innen an der Götterdämmerung zuzuschauen.
Ausserdem gibt es natürlich die beliebten Konzerte im Spiegelsaal; hier reicht das Programm von Mozart über Prokofjew und Schostakowitsch bis zu Jazz aus Südafrika. Auf der Studiobühne präsentieren sich die neuen Mitglieder des Opernstudios und Sänger:innen des Chors der Oper Zürich sowie die Perkussionist:innen der Philharmonia Zürich.
Werkstätten und Kostümabteilung
Wenn Sie regelmässig die Kolumne von unserem technischen Direktor Sebastian Bogatu (s. Seite 9) lesen, dann wissen Sie, was in den Werkstätten des Opernhauses alles er tüftelt und gebaut wird. Beim Eröffnungsfest haben Sie die seltene Gelegenheit, die Metallwerkstatt, die Schreinerei, die Theatermalerei und die Theaterplastik zu besichtigen. In der Montagehalle führen unsere Requisiteur:innen ausserdem einige Effekte aus ihrer Trickkiste vor. Kinder dürfen im Werkstattgebäude
Figurinen basteln (10-16 Uhr) und sich schminken lassen (12-15 Uhr). Im Opernhaus selbst lohnt sich ein Gang durch die Schneiderei und die wunderbare Welt der Kostüme.
Zukunft Oper
Das Opernhaus und der angrenzende Erweiterungsbau müssen in der ersten Hälfte der 2030er-Jahre saniert werden. Im Rahmen eines Dialogprozesses wurde in den letzten Monaten geklärt, welchen Beitrag das Opernhaus der Zukunft für die Entwicklung der Zürcher Kulturszene leisten kann und welche Wünsche und Erwartungen die Bevölkerung mit dem Umbau verknüpft. Im Rahmen des Eröffnungsfests präsentieren wir um 11 Uhr im Bernhard Theater die Ergebnisse des Dialogs.
Ausserdem...
Bei hoffentlich schönem Wetter wird auch auf dem Sechseläutenplatz gefeiert! Am Abend legt DJ Daniel Lutz zusammen mit Chandler Hammond vom Ballett Zürich auf. Tolle Selfies lassen sich bei jedem Wetter schiessen – am besten auf der grossen Bühne mit Blick in den Zuschauerraum. Unsere Kostümabteilung stellt dafür ein paar ungewöhnliche Outfits aus dem Opernhaus-Fundus zur Verfügung.
Eröffnungsfest
Samstag, 16 Sep 2023 ab 10 Uhr
Der Eintritt zu allen Veranstaltungen ist frei. Für einzelne Veranstaltungen werden 30 Minuten vor Veranstaltungsbeginn vor dem Opernhaus kostenfreie Tickets abgegeben.
Gastronomisches
Angebot im Bernadette, im Bernhard Bar Café und rund ums Haus.
Das detaillierte Programm zum Fest erfahren Sie in Kürze auf unserer Website: www.opernhaus.ch/offen
Wir danken unseren Partnern a b
Neue Gesichter im Ballett
Das Ballett Zürich startet in eine neue Ära. Cathy Marston ist ab dieser Spielzeit Direktorin und neue künstlerische Leiterin der Compagnie. Mit ihr sind auch neue Tänzerinnen und Tänzer nach Zürich gekommen. Wir stellen sie in Kurzform vor
Fotos Admill KuylerDores André stammt aus Spanien. Sie war Principal Dancer im San Francisco Ballet; nun tanzt sie als Erste Solistin im Ballett Zürich. «Ich hoffe, hier in Zürich mein Tanzvokabular zu erweitern. Ich freue mich auf die Arbeit an zeitgenössischen Stücken und vor allem auf jene Choreografinnen und Choreografen, mit denen ich bis jetzt noch nicht das Glück einer Zusammenarbeit hatte.»
Aus den USA stammt Max Cauthorn. Auch er war Principal Dancer im San Francisco Ballet, ehe er in dieser Saison als Erster Solist zum Ballett Zürich kam. Auf seine neue Compagnie ist er sehr neugierig: «Mir liegt unsere Kunst sehr am Herzen, und ich glaube, dass wir am besten sind, wenn wir nicht nur von anderen unterstützt werden, sondern uns auch gegenseitig unterstützen.»
Max Cauthorn
Brandon Lawrence stammt aus Grossbritannien und war Principal Dancer des Birmingham Royal Ballet. Nun ist er Erster Solist im Ballett Zürich: «Mich hat die Aussicht begeistert, ein Teil der aufregenden künstlerischen Vision von Cathy Marston zu sein. Die neue Saison ist geprägt von einer unglaublichen Bandbreite des Repertoires und einem Ensemble, von dessen Mitgliedern ich lernen und mit denen ich mich verbinden möchte.»
Charles-Louis Yoshiyama
Charles-Louis Yoshiyama hat die japanische und die französische Staatsbürgerschaft. Er war Principal Dancer im Houston Ballet und ist seit Beginn dieser Saison ebenfalls Erster Solist des Balletts Zürich: «Ich freue mich darauf, mit Cathy Marston an ihren Kreationen zu arbeiten und im für mich schönsten Opernhaus der Welt ein wirklich anspruchsvolles Repertoire zu tanzen.»
Nach erfolgreichen Jahren als Solistin des Royal Ballett of Flanders gehört die Italo-Amerikanerin Shelby Williams neu zum Ballett Zürich: «Nachdem ich mich lange auf zeitgenössischen Tanz und Tanztheater konzentriert habe, freue ich mich, zu den Wurzeln meiner Ballettausbildung zurückzukehren und zu erforschen, wie sich klassisches Ballett, zeitgenössischer Tanz und erzählerische Arbeit gegenseitig beeinflussen.»
Shelby WilliamsWir haben einen Plan
Plan
Der begehrteste Ort an einem Opernhaus ist logischerweise die Bühne. Dort wollen alle hin: auftreten, Kunst machen, Erfolg haben. In 245 Vorstellungen pro Saison. Abends geht der Lappen hoch. Tagsüber wird geprobt. Dazwischen werden Bühnenbilder auf- und wieder abgebaut. Jeden Tag neu. Alles auf die Minute pünktlich. Zwölf Neuproduktionen, zwanzig Wiederaufnahmen, Konzerte, Liederabende, Bauproben. Und jede Produktion ist anders: Hier dauert der Aufbau extra lang. Dort hat die Primadonna Sonderwünsche, was die Vorstellungsintervalle angeht. Chor und Orchester pochen auf tariflich festgelegte Ruhezeiten. Der Tenor kommt später. Die Regisseurin muss zwischendurch mal weg. Wer soll das alles im Blick haben und planen? Das macht der Chefdisponent. Er heisst bei uns Adrian Gosteli. Ist Termintüftler, TabellenKünstler, Probenslot-Detektiv und manchmal ein freundlicher Neinsager. Sorry, geht leider nicht. Wertvoller Mann also. Hat er die Ruhe weg? Anders geht’s nicht. Darf er sich Fehler erlauben? Besser nicht. Wird er von allen zuvorkommend behandelt? Wäre wünschenswert. Und was sagt er selbst: «Ich organisiere das ja nur.»
Ein Türke in Italien
Jan Philipp Glogers temporeiche Inszenierung von Rossinis « Turco in Italia » ist ein lustvoll hintersinniges Spiel um Missverständnisse, die entstehen, wenn orientalische und westliche Kultur aufeinanderprallen.
Fahr zur Hölle!
Mozarts Don Giovanni ist masslos, rücksichtslos und trotzdem unwiderstehlich anziehend. Ein Grenzüberschreiter par excellence, der schliesslich zur Hölle fährt – zu sehen in Sebastian Baumgartens bildgewaltiger Inszenierung!
mit Konstantin Shushakov, Andrew Moore, Golda Schultz, Ruzan Mantashyan u.a. Vorstellungen: 23, 27 Sep, 5, 10, 14 Okt 2023
Alle Infos zur ProduktionAB 21.SEPTEMBER IM KINO
«Kühne Ästhetik verschmilzt in diesem nigerianischen Epos mit mythischen Dimensionen. Ein mutiger, beeindruckender Rausch.»
SIGHT & SOUND
C.J. 'FIERY' OBASI, NIGERIADon Giovanni
Ada Pesch, Konzertmeisterin der Philharmonia Zürich, über ihre Lieblingsstelle in Mozarts Oper
Manche behaupten, der Filmkomponist Ennio Morricone habe diese zwei Takte als Inspiration für seine berühmte Mundharmonika-Melodie im Westernstreifen Spiel mir das Lied vom Tod verwendet. Ich weiss nicht, ob das zutrifft, aber klar ist: Dieses Motiv am Anfang der Ouvertüre zu Mozarts Don Giovanni entstammt einer unheimlichen, todesnahen Sphäre. Es ist die steinerne, fahle Welt des toten Komturs, der am Schluss der Oper den Wüstling Don Giovanni zur Rechenschaft ziehen und ihm den Todesstoss versetzen wird – erneut zu der Musik, die in den ersten dreissig Takten der Ouvertüre erklungen ist. Mozart schrieb seine Ouvertüren jeweils zuletzt. Die Don-GiovanniOuvertüre ist dabei in höchstem Masse programmatisch für das hochkomplexe Drama, das in den nächsten Stunden vor unseren Augen ausgerollt wird. Ich kenne keine andere Ouvertüre, in der man so viele unterschiedliche Emotionen in kürzester Zeit vermitteln müsste! Als Konzertmeisterin bin ich in den ersten Takten der Ouvertüre ganz besonders gefordert, denn das Orchester hat sich zu diesem Zeitpunkt vielleicht noch nicht ganz zusammengefunden – wir spielen in wechselnden Besetzungen –, und ich kann noch nicht wissen, wie das Orchester auf mich und den Dirigenten reagieren wird. Möglicherweise haben wir am Morgen für ein ganz anderes Stück geprobt! Alles hängt jetzt von der jeweiligen Zusammensetzung der Gruppe ab. Ich unterstütze als Konzertmeisterin die Zeichen des Dirigenten und gebe seine Impulse ans Orchester weiter, darf dabei aber selbst nicht zu früh spielen. Hier muss ich meine ganze Erfahrung einfliessen lassen. Für eine eigene Gänsehaut bleibt keine Zeit; ich darf mich in der Musik nicht verlieren, sondern muss hellwach sein.
Ada PeschKreislauf der Gewalt
Ein Stoff von antiker Wucht: Mit der Opferung seiner Tochter hat Agamemnon einst eine schier endlose Kette von Mord und Rache losgetreten.
Iphigénie findet die Kraft zu verzeihen und durchbricht diesen Kreislauf der Gewalt.
Vorstellungen: 24,
mit Birgitte Christensen, Eliot Madore, Andrew Owens u. a. 29 Sep, 1, 11, 15 Okt 2023 Alle Infos zur ProduktionAndrew Moore
Aus welcher Welt kommst du gerade?
Ich komme aus den Sommerferien in New Jersey, wo ich aufgewachsen bin und wo meine Familie und Freunde leben. Small town vibes... Als Amerikaner, der in der Schweiz wohnt, lebe ich immer zwischen diesen beiden Welten. Ich arbeite aber sehr gerne und bin auch froh, wieder zurück zu sein und eine volle Spielzeit vor mir zu haben!
Auf was freust du dich am meisten in dieser Saison?
Ganz besonders freue ich mich darauf, zum ersten Mal den Leporello auf der Bühne zu singen. Seine berühmte Arie, in der er Don Giovannis Frauen aufzählt, gehört zu den ersten Stücken, die ich als Achtzehnjähriger mit meinem Gesangslehrer studiert habe. Er sagte damals: «Ich habe gute und schlechte Nachrichten: Deine Stimme ist toll! Aber dein Italienisch klingt, als würdest du auf deinem Frühstück rumkauen.» Jetzt bin ich 10 Jahre älter und darf diese Arie auf der Bühne singen! Damit geht ein Traum in Erfüllung.
Welches Bildungserlebnis hat dich besonders geprägt?
Es gab glücklicherweise immer wieder Menschen, die mir geholfen haben, dahin zu kommen, wo ich jetzt bin. Als ich meinen Eltern erzählte, dass ich Sänger werden will, hatte meine Mutter die schlimmsten Befürchtungen. Sie sagte: «Du wirst in Ellen’s Sturdust Diner arbeiten» – das ist ein Restaurant in New York mit singenden Kellnern... Ich versuchte es dann mit dem Kompromiss, Musiklehrer zu werden, aber mein Gesangslehrer förderte mich und glaubte an mich, so wie später auch Adrian Kelly vom Internationalen Opernstudio und Annette Weber, die mich ins Ensemble des Opernhauses holte.
Von welcher Musik bekommst du nie genug?
Darf ich etwas anderes sagen als
«Oper»? Ich liebe Musik von den 50erbis in die 80er-Jahre, Rock und Folk vor allem. Musik von heute höre ich hingegen eher selten... Kennst du diese Situation, dass deine Eltern im Auto Musik hören, während du als Kind auf der Rückbank sitzt, aus dem Fenster schaust und dich wie in einem Musikvideo fühlst? Ich glaube, mein Musikgeschmack hat viel mit dieser Erinnerung zu tun.
Welche Persönlichkeit würdest du gerne für einen Tag sein?
Manchmal wünsche ich mir, einen Tag lang eine richtig berühmte Old-SchoolOperndiva zu sein, die mit Sonnenbrille und Pudel den Raum betritt, und alle liegen ihr zu Füssen. Das ist bestimmt ein anderes Lebensgefühl als das eines Bassbaritons...
Woran merkt man, dass du Amerikaner bist?
Auf jeden Fall an meinem starken New Jersey-Akzent. Früher dachte ich allerdings, dass ich gar keinen Akzent habe. Mir ist das erst aufgefallen, als ich zum ersten Mal nach San Francisco gereist bin und gefragt wurde, wo ich herkomme!
Wie wird die Welt in 100 Jahren aussehen?
Vielleicht wird die Schweiz der grüne Daumen auf einer schwarzen Erde sein... Mir scheint, dass die Schweiz auf eine gute Art und Weise konservativ und umweltfreundlich ist und gut mit ihren Ressourcen umgeht. Amerika und andere Länder haben in dieser Hinsicht noch viel zu lernen.
Andrew Moore studierte in Philadelphia. Am Opernhaus Zürich war er Mitglied des Internationalen Opernstudios und gehört seit der Spielzeit 2022/23 zum Ensemble. In dieser Spielzeit singt er Leporello in «Don Giovanni» und ist u.a. in «La rondine», «Die lustige Witwe» und in der Familienoper «Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer» zu erleben.
September
3 So Einführungsmatinee La rondine
11.15 Bernhard Theater
16 Sa Eröffnungsfest
10.00
17 So South African Jazz
11.15 Brunchkonzert Spiegelsaal
La rondine
19.00 Comedia lirica von Giacomo Puccini Premiere
18 Mo South African Jazz
12.00 Lunchkonzert Spiegelsaal
19 Di Il turco in Italia
19.00 Oper von Gioachino Rossini AMAG Volksvorstellung
2O Mi open space tanz
19.00 Tanz-Workshop für alle ab 16 Jahren Mittwochs
La rondine
19.00 Comedia lirica von Giacomo Puccini
22 Fr Il turco in Italia
20.00 Oper von Gioachino Rossini
23 Sa Workshop-Reihe Walkways
9.30 für alle ab 16 Jahren Opernhaus
Märchen auf dem Klangteppich
Gian und Giachen
15.30 Für Kinder ab 4 Jahren, in Begleitung von Erwachsenen Treffpunkt Billettkasse
Don Giovanni
19.00 Oper von Wolfgang Amadeus Mozart
24 So La rondine
13.00 Comedia lirica von Giacomo Puccini
Märchen auf dem Klangteppich
Gian und Giachen
15.30 Für Kinder ab 4 Jahren, in Begleitung von Erwachsenen Treffpunkt Billettkasse
Iphigénie en Tauride
20.00 Oper von Christoph Willibald Gluck AMAG Volksvorstellung
26 Di open space stimme
19.00 Chor-Workshop für alle ab 16 Jahren Dienstags
Il turco in Italia
19.00 Oper von Gioachino Rossini
27 Mi Don Giovanni
19.00 Oper von Wolfgang Amadeus Mozart
29 Fr Iphigénie en Tauride
20.00 Oper von Christoph Willibald Gluck
3O Sa Hexe Hillary geht in die Oper
15.00 Für Operneinsteiger:innen ab 5 Jahren
Studiobühne
Märchen auf dem Klangteppich
Gian und Giachen
15.30 Für Kinder ab 4 Jahren, in Begleitung von Erwachsenen Treffpunkt Billettkasse
Il turco in Italia
19.00 Oper von Gioachino Rossini
Oktober
1 So Mjaskowski Szymanowski
11.15 Brunchkonzert Spiegelsaal
Einführungsmatinee Walkways
11.15 Bernhard Theater
Iphigénie en Tauride
14.00 Oper von Christoph Willibald Gluck
Hexe Hillary geht in die Oper
15.00 Für Operneinsteiger:innen ab 5 Jahren
Studiobühne
Märchen auf dem Klangteppich
Gian und Giachen
15.30 Für Kinder ab 4 Jahren, in Begleitung von Erwachsenen Treffpunkt Billettkasse
La rondine
20.00 Comedia lirica von Giacomo Puccini
2 Mo Mjaskowski Szymanowski
12.00 Lunchkonzert Spiegelsaal
3 Di open space stimme
19.00 Chor-Workshop für alle ab 16 Jahren
Dienstags
Il turco in Italia
19.00 Oper von Gioachino Rossini
4 Mi Hexe Hillary geht in die Oper
15.00 Für Operneinsteiger:innen ab 5 Jahren Studiobühne
open space tanz
19.00 Tanz-Workshop für alle ab 16 Jahren Mittwochs
Biber Farina Pachelbel
19.00 1. La Scintilla Konzert Riccardo Minasi, Musikalische Leitung
5 Do Don Giovanni
19.30 Oper von Wolfgang Amadeus Mozart
6 Fr Walkways
19.00 Choreografien von Wayne McGregor, Cathy Marston und Jerome Robbins
Premiere
7 Sa Hexe Hillary geht in die Oper
17.00 Für Operneinsteiger:innen ab 5 Jahren Studiobühne
Zürich Film Festival Award Night
20.30 Hauptbühne Opernhaus
8 So La rondine
13.00 Comedia lirica von Giacomo Puccini
Walkways
19.30 Choreografien von Wayne McGregor, Cathy Marston und Jerome Robbins
9 Mo COOL-TUR
Text und Tanz
9.00 Herbstferien-Angebot für 9- bis 14-Jährige Opernhaus
1O Di Don Giovanni
19.00 Oper von Wolfgang Amadeus Mozart
11 Mi Iphigénie en Tauride
19.00 Oper von Christoph Willibald Gluck
13 Fr La rondine
19.00 Comedia lirica von Giacomo Puccini
14 Sa Don Giovanni
19.00 Oper von Wolfgang Amadeus Mozart
15 So Walkways
13.00 Choreografien von Wayne McGregor, Cathy Marston und Jerome Robbins
Iphigénie en Tauride
20.00 Oper von Christoph Willibald Gluck
16 Mo COOL-TUR
Jim Knopfs Reise ans Ende der Welt Film ab!
09.00 Herbstferien-Angebot für 9- bis 12-Jährige Treffpunkt Billettkasse
18 Mi La rondine
19.00 Comedia lirica von Giacomo Puccini
2O Fr Walkways
19.00 Choreografien von Wayne McGregor, Cathy Marston und Jerome Robbins
21 Sa Ballette entdecken
Walkways
14.30 Workshop für Kinder von 7 bis 12 Jahren Ballettsaal A
La rondine
19.00 Comedia lirica von Giacomo Puccini
22 So Einführungsmatinee
Götterdämmerung
11.15 Bernhard Theater
Walkways
14.00 Choreografien von Wayne McGregor, Cathy Marston und Jerome Robbins
Walkways
20.00 Choreografien von Wayne McGregor, Cathy Marston und Jerome Robbins
27 Fr Walkways
19.00 Choreografien von Wayne McGregor, Cathy Marston und Jerome Robbins
28 Sa La rondine
19.30 Comedia lirica von Giacomo Puccini
29 So Dvořák Strauss
11.15 1. Philharmonisches Konzert Gianandrea Noseda, Musikalische Leitung
Zurich Talks Dance
11.15 Neue Gesprächsreihe Studiobühne
Walkways
19.00 Choreografien von Wayne McGregor, Cathy Marston und Jerome Robbins
November
1 Mi open space tanz
19.00 Tanz-Workshop für alle ab 16 Jahren Mittwochs
2 Do Lichtspektakel zum Zürcher Ring
18.30 Fassade Opernhaus
3 Fr Lichtspektakel zum Zürcher Ring
18.30 Fassade Opernhaus
4 Sa Familienworkshop
Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer
14.30 ab 9 Jahren, Kinder in Begleitung von Erwachsenen Treffpunkt Billettkasse
Lichtspektakel zum Zürcher Ring
18.30 Fassade Opernhaus
Nachtträume
19.00 Ein Stück von Marcos Morau AMAG Volksvorstellung
5 So Familienworkshop
Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer
14.30 ab 9 Jahren, Kinder in Begleitung von Erwachsenen Treffpunkt Billettkasse
Götterdämmerung
16.00 Oper von Richard Wagner Premiere
7 Di open space stimme
19.00 Chor-Workshop Dienstags
9 Do Götterdämmerung
17.00 Oper von Richard Wagner
1O Fr Nachtträume
19.00 Ein Stück von Marcos Morau
11 Sa Familienworkshop
Nachtträume
14.30 ab 9 Jahren, Kinder in Begleitung von Erwachsenen Ballettsaal A
Rachmaninow
19.00 2. Philharmonisches Konzert Paavo Järvi, Musikalische Leitung
12 So Familienworkshop
Nachtträume
14.30 ab 9 Jahren, Kinder in Begleitung von Erwachsenen Ballettsaal A
Götterdämmerung
15.00 Oper von Richard Wagner
16 Do Nachtträume
20.00 Ein Stück von Marcos Morau
17 Fr Macbeth
19.30 Oper von Giuseppe Verdi
18 Sa Hexe Hillary geht in die Oper
15.00 Für Operneinsteiger:innen ab 5 Jahren
Studiobühne
Götterdämmerung
17.00 Oper von Richard Wagner
19 So Hexe Hillary geht in die Oper
15.00 Für Operneinsteiger:innen ab 5 Jahren
Studiobühne
Jim Knopf und Lukas der
Lokomotivführer
17.00 Kinderoper von Elena Kats-Chernin Premiere
21 Di Macbeth
19.00 Oper von Giuseppe Verdi AMAG Volksvorstellung
22 Mi Hexe Hillary geht in die Oper
15.00 Für Operneinsteiger:innen ab 5 Jahren
Studiobühne
Nachtträume
19.00 Ein Stück von Marcos Morau
24 Fr Götterdämmerung
17.00 Oper von Richard Wagner
25 Sa imprO-Opera
Die Welt der Rameau-Oper
15.30 Für Kinder ab 7 Jahren, in Begleitung von Erwachsenen Treffpunkt Billettkasse
Hexe Hillary geht in die Oper
17.00 Für Operneinsteiger:innen ab 5 Jahren
Studiobühne
Macbeth
19.00 Oper von Giuseppe Verdi
26 So Il giardino del piacere
11.15 Brunchkonzert Spiegelsaal
Einführungsmatinee Platée
11.15 Bernhard Theater
Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer
14.00 Kinderoper von Elena Kats-Chernin
Hexe Hillary geht in die Oper
15.00 Für Operneinsteiger:innen ab 5 Jahren Studiobühne
imprO-Opera
Die Welt der Rameau-Oper
15.30 Für Kinder ab 7 Jahren, in Begleitung von Erwachsenen Treffpunkt Billettkasse
Nachtträume
20.00 Ein Stück von Marcos Morau
27 Mo Il giardino del piacere
12.00 Lunchkonzert Spiegelsaal
28 Di Macbeth
19.00 Oper von Giuseppe Verdi
Führungen
Führung Opernhaus
17, 23, 24, 30 Sept; 8, 14, 15, 21, 22, 29 Okt 2023
Guided Tour Opera House
23, 24, 30 Sept; 14, 21, 29 Okt 2023
Familienführung
Mittwochnachmittags
13, 27 Sept; 11, 18 Okt 2023
Führung Bühnentechnik
6 Okt; 3 Nov 2023
Führung Maskenbildnerei
30 Sept; 21 Okt, 25 Nov 2023
Führung Kostümabteilung
6 Okt 2023
Ballett-Führung mit Mini-Workshop
21, 28 Okt 2023
Tickets für die Führungen sind im Vorverkauf erhältlich
Für stimmungsvolleMomente ...
Willkommen im BEATUS Wellness- & Spa-Hotel in Merligen-Thunersee! Erleben Sie die 2’000 m² Spa-Landschaft, den 12’000 m² Hotelpark, den direkten Seeanstoss, die alpin-mediterrane Kulinarik, begleitete Ausflüge und vieles mehr.
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Ab CHF 990.– p.P. im Zweibettzimmer Nord.
Preise variieren nach Saison. Anreise Sonntag.
Reservationen: 033 748 04 34 oder welcome@beatus.ch
Impressum
Magazin des Opernhauses Zürich
Falkenstrasse 1, 8008 Zürich
www.opernhaus.ch
T +41 44 268 64 00
Intendant
Andreas Homoki
Generalmusikdirektor
Gianandrea Noseda
Ballettdirektorin
Cathy Marston
Verantwortlich
Claus Spahn
Sabine Turner
Redaktion
Beate Breidenbach
Kathrin Brunner
Fabio Dietsche
Michael Küster
Claus Spahn
Gestaltung
Carole Bolli
Sandi Gazic
Fotografie
Florian Kalotay
Admill Kuyler
Danielle Liniger
Michael Sieber
Anzeigen
Linda Fiasconaro
Schriftkonzept und Logo
Studio Geissbühler
Druck
Multicolor Print AG
Illustrationen
Anita Allemann
MAG abonnieren
MAG, das OpernhausMagazin, erscheint zehnmal pro Saison und liegt zur kostenlosen Mitnahme im Opernhaus aus.
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Sponsoren
Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie den Beiträgen der Kantone Luzern, Uri, Zug und Aargau im Rahmen der interkantonalen Kulturlastenvereinbarung und den Kantonen Nidwalden, Obwalden und Schwyz.
Partner
Produktionssponsoren
AMAG
Atto primo
Clariant Foundation
Freunde der Oper Zürich
Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG
Projektsponsoren
René und Susanne Braginsky-Stiftung
Freunde des Balletts Zürich
Ernst Göhner Stiftung
Hans Imholz-Stiftung
Max Kohler Stiftung
Kühne-Stiftung
Georg und Bertha Schwyzer-Winiker Stiftung
Hans und Edith Sulzer-Oravecz-Stiftung
Swiss Life
Swiss Re
Zürcher Kantonalbank
Gönnerinnen und Gönner
Art Mentor Foundation Lucerne
Josef und Pirkko Ackermann
Alfons’ Blumenmarkt
Familie Thomas Bär
Bergos Privatbank
Margot Bodmer
Elektro Compagnoni AG
Stiftung Melinda Esterházy de Galantha
Fitnessparks Migros Zürich
Egon-und-Ingrid-Hug-Stiftung
Walter B. Kielholz Stiftung
KPMG AG
Landis & Gyr Stiftung
Die Mobiliar
Fondation Les Mûrons
Pro Helvetia, Schweizer Kulturstiftung
StockArt – Stiftung für Musik
Else von Sick Stiftung
Ernst von Siemens Musikstiftung
Elisabeth Weber-Stiftung
Förderinnen und Förderer
CORAL STUDIO SA
Theodor und Constantin Davidoff Stiftung
Dr. Samuel Ehrhardt
Frankfurter Bankgesellschaft (Schweiz) AG
Garmin Switzerland
Stiftung LYRA zur Förderung hochbegabter, junger Musiker und Musikerinnen
Irith Rappaport
Richards Foundation
Luzius R. Sprüngli
Madlen und Thomas von Stockar