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Klaus Florian Vogt singt den Siegfried in der «Götterdämmerung»


Quiet, impressive. Der rein elektrische Audi SQ8 e-tron. Future is an attitude

SQ8 e-tron quattro, 504 PS, 28,0–24,5 kWh/100 km, 0 g CO₂/km, Kat. D

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Editorial

Weltenbrand Verehrtes Publikum, am 5. November geht der neue Zürcher Ring des Nibelungen mit der Premiere von Götterdämmerung zu Ende. Ein mächtiger Erzählbogen, der sich über vier Abende und sechzehn Stunden Musik wölbt, erlebt dann seine finale musikalische und dramatische Engführung und mündet in das katastrophische Ende der Ring-Geschichte. Walhall steht in Flammen. Der Rhein tritt über die Ufer. Die Götterwelt geht unter. Das ist das Faszinierende an jedem Ring: Dass er uns Zuhörende vier Abende lang in ein abgründiges Handlungsgeflecht aus Gier, Intrigen, Verrat, Mord und ver­zweifeltem Ringen um Liebe verstrickt – und am Ende von höherer Warte auf eine untergehende Welt herabblicken lässt. Es ergreift uns, wenn – nachdem der letzte Hoff­nungsträger Siegfried ermordet ist – nur noch Brünnhilde bleibt, eine der stärksten Frauenfiguren der gesamten Operngeschichte, und sie alle in den Untergang füh­renden Zusammenhänge durchschaut und handelt: In ihrem grossen Schluss­mo­ no­­log «Starke Scheite schichtet mir dort» opfert sie sich selbst und gibt den Rheintöchtern den verfluchten Ring zurück. Wenn sie ihr «alles, alles, alles weiss ich» singt, nehmen wir gemeinsam mit ihr eine Aussenperspektive auf das Weltganze ein. Das ist ein Grund, warum sich Regisseurinnen und Regisseure in ihren Inszenierungen von Richard Wagners Ring des Nibelungen von jeher herausgefordert fühlen, die Verfasstheit ihrer Gegenwart mit zu reflektieren. Wie sieht diese im Jahr 2023 aus? Klimakrise, Kriege, Terror, Pandemie und menschengemachte Naturkatastrophen halten uns in immer kürzerer Abfolge und Gleichzeitigkeit in Atem. Vielleicht war es deshalb weise, dass Andreas Homoki für seinen Zürcher Ring entschieden hat, die Inszenierung nicht mit den drängenden Krisen der Gegenwart kurzzuschliessen und die Geschichte und ihre mythischen Dimensionen möglichst bei sich selbst zu lassen. Wir erleben es gerade bei den dramatischen Entwicklungen im Nahen Osten: Die Aktualität ist schneller, als die Kunst hinterherkommen kann. Dass Wagners Weltenbrand in der Götterdämmerung grosse Dringlichkeit offenbart, erschliesst sich auch ohne direkte Aktualitätsbezüge. Im letzten Abend des Zürcher Rings werden Camilla Nylund und Klaus Florian Vogt ein weiteres Debüt als Brünnhilde und Siegfried geben. Gianandrea Noseda bringt am Pult der Philharmonia Zürich die grosse Wagner-Reise zu Ende. Er verweist in unserem MAG-Interview auf ein Motiv in der Götterdämmerung, das sehr markant auf einer der letzten Seiten erscheint, das sogenannte Erlösungsmotiv. Es steht für die Liebe und neues Leben und dafür, dass aus der Katastrophe Positives und Neues erwachsen kann. «Die Götter mögen die ganze Welt in ihren Untergang hineinreissen», sagt der Generalmusikdirektor, «aber die Hoffnung können sie nicht zerstören.» Darauf bauen wir. Claus Spahn

MAG 106 / Nov 2023 Unser Titelbild zeigt Klaus Florian Vogt, ein Porträt lesen Sie auf Seite 28 (Foto Florian Kalotay)

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Podcast

d l a r Ha midt Sch Zwischenspiel Der Podcast des Opernhauses

Harald Schmidt ist nicht nur legendärer Talkmaster und Entertainer, sondern auch passionierter Orgelspieler, gelernter Kirchenmusiker und Schauspieler. In Zürich hat er alle vier Teile des neuen Zürcher «Ring des Nibelungen» gesehen! Ist er Wagnerianer? Was hält er vom Kult um den Grünen Hügel? In welcher «Ring»-Partie würde er sich selbst besetzen? Am Tag nach der Premiere der «Götterdämmerung» ist er Gast in unserem Podcast.


Inhalt

18 Mit der «Götterdämmerung» schliesst sich der neue Zürcher «Ring». Andreas Homoki spricht über sein Inszenierungskonzept 24 Generalmusikdirektor Gianandrea Noseda, der die «Götterdämmerung» dirigiert, im Interview 28 Volker Hagedorn trifft unseren Siegfried, Klaus Florian Vogt 30 «Jim Knopf» kommt auf die Bühne! Ein Gespräch mit der Regisseurin Kai Anne Schuhmacher

Ich sage es mal so – 4, Opernhaus aktuell – 6, Drei Fragen an Andreas Homoki – 9, Wie machen Sie das, Herr Bogatu? – 11, Auf dem Pult – 27, Volker Hagedorn trifft … – 28, Wir haben einen Plan – 38, Der Fragebogen – 48, Kalendarium – 49

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Ich sage es mal so Stumme Antworten auf grundsätzliche Fragen – mit Georgina Fürstenberg, die als Jim Knopf in unserer neuen Familienoper auf der Bühne steht Fotos Michael Sieber

Georgina Fürstenberg wurde auf der Karibik­ insel Barbados geboren und ist in England auf­ gewachsen. Sie stu­­ dierte in Wien und war Mitglied im Opernstudio der Komischen Oper Berlin, wo sie bereits in der Uraufführung von Elena Kats-Chernins «Jim Knopf» die Titel­ partie sang. Anschlies­ send debütierte sie u. a. an der Deutschen Oper Berlin als Blonde («Die Entführung aus dem Serail») und war an der Bayerischen Staatsoper München und der Semperoper Dresden zu erleben.

Wie fühlt es sich an, vor Kindern auf der Bühne zu stehen?


Wie schützt du dich vor einer Erkältung?

Kann eine Lokomotive schwimmen?

Wie spielst du einen Jungen? Muttersein und Karriere – wie geht das zusammen?


Opernhaus aktuell

Ballett Zürich

«Zurich Talks Dance»

Liederabend Simon Keenlyside Der britische Bariton Simon Keenlyside widmet sich in seinem Zürcher Rezital gemeinsam mit dem Pianisten Malcom Martineau dem deutschen und französischen Lied. Die beiden präsentieren Mörike-Lieder von Hugo Wolf, Lieder aus Schuberts Schwanengesang sowie Werke von Claude Debussy und Gabriel Fauré. Dass Keenlyside ursprünglich Zoologe werden wollte und sich auch sonst gerne in der freien Natur aufhält, davon zeugen die ausgewählten Brahms-Lieder sowie Maurice Ravels kleiner Liedzyklus Histoires naturelles nach Tiergedichten von Jules Renard: Die Hauptrollen spielen hier ein eitler Pfau, eine fleissige Grille, ein ge­frässiger Schwan, ein majestätischer Eisvogel sowie ein witziges Perlhuhn. Donnerstag, 7 Dez, 19.30 Uhr, Opernhaus

Brunch-/Lunchkonzert

Einführungsmatinee

Il giardino del piacere

«Platée»

Musik und Lyrik des Barock gehen im nächsten Kammermusikkonzert Hand in Hand. Werke von Georg Muffat, Christoph Willibald Gluck, Carl Philipp Emanuel Bach sowie Nikolaus Adam Strungk stehen Liebeslyrik von Paul Fleming, Sibylla Schwarz oder Christina Dorothea Lachs gegenüber. Ein beson­ deres Juwel ist der Triosonatenzyklus Il giardino del piacere (1695) von Johann Friedrich Meister – ein musikalischer «Lustgarten» von ungeahnter Ernsthaf­ tigkeit und emotionaler Tiefe. Mit: Juli­ ana Georgieva, Daniel Kagerer, Maria Clément, Barbara Oehm, Dieter Lange, Simon Linné und Claus Spahn.

Mit Platée kommt im Dezember eines der verrücktesten Werke des Barock­ zeitalters auf die Zürcher Bühne. Im Zentrum von Jean-Philippe Rameaus Oper steht eine liebessüchtige Wasser­ nymphe, für die sich angeblich Götter­ vater Jupiter höchstselbst interessiert. Angesiedelt zwischen Komödie und Tragödie, zwischen Oper und Ballett, stellt Rameaus Ballet bouffon alle fest gefügten Werte in Frage. Regisseurin Jetske Mijnssen und Dirigentin Emma­ nuelle Haïm, die mit Platée ihre er­folg­ reiche Zusammenarbeit nach Rameaus Hippolyte et Aricie am Opernhaus Zü­ rich fortsetzen, erläutern in der Matinee – gemeinsam mit anderen Beteiligten der Produktion – ihre Sicht auf dieses Meisterwerk.

Brunchkonzert: 26 Nov, 11.15 Uhr Spiegelsaal Lunchkonzert: 27 Nov, 12 Uhr Spiegelsaal

Sonntag, 26 Nov, 11.15 Uhr Bernhard Theater

Um die Arbeit des Balletts Zürich in einem grösseren Rahmen zu präsen­ tieren und mit weiteren Tanzschaffenden und Tanzbegeisterten ins Gespräch zu kommen, findet die Gesprächsreihe Zurich Talks Dance nicht ausschliesslich im Opernhaus statt. Am 6. Dezember wird das The­ater der Künste in der Zürcher Gess­nerallee zum Gesprächs­ podium. Themen und Gäste werden Mitte November auf der Website www. zurichtalksdance.ch sowie auf der Website des Opernhauses veröffentlicht. Mittwoch, 6 Dez, 19 Uhr Bühne A, Theater der Künste, Gessnerallee 13

Opernhaus Jung

imprO-Opera Rameau / Familienworkshop «Platée» Ende November und Anfang Dezember bekommen Kinder und ihre Begleitung die Möglichkeit, den musikalischen Reichtum von Rameaus Opernmusik kennenzulernen. Dessen originelles Froschgequake, seine Vogelgesänge, das Hühnergeschnatter, Sturmböen und Donnerschläge regen den Erzähler Christoph Betulius in der imprO-Opera zu spontanen Geschichten an. Dazu singen und spielen ein Haute-Contre, ei­ ne Mezzosopranistin sowie Musike­rin­nen und Musiker auf Barockinstrumenten. Im Familien-Workshop zu Platée stellen wir die gleichnamige Sumpfnymphe vor, die sich selbst für unwiderstehlich hält, aber Opfer eines bitterbösen Spiels der Götter wird. imprO-Opera «Die Welt der Rameau-­Opern» Sa 25, So 26 Nov, 15.30 Uhr Dauer: 90 Minuten, Treffpunkt Billettkasse Familien-Workshop «Platée» Sa 2, So 3 Dez, 14.30 Uhr Dauer: 2 ½ Stunden, Treffpunkt Billettkasse

Illustration: Anita Allemann

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Paavo Järvi am Pult der Philharmonia

Foto: Gaetan Bally

Der Chefdirigent des Tonhalle-Orchesters leitet im Zürcher Opernhaus ein Konzert mit Werken von Rachmaninow

Noch bis 1985 teilten sich die Tonhalle und das Zürcher Opernhaus die Musike­ rinnen und Musiker. Doch ein Opern­ orchester und ein sinfonisches Orchester sind zwei vollkommen unterschiedliche Organismen, und so kam es schliesslich zur spektakulären Orchestertrennung, die einen Qualitätsschub und Schärfung des jeweiligen Profils zur Folge hatte. Die künstlerischen Bande zwischen den bei­ den Klangkörpern sind allerdings nie ganz abgerissen. Dass die beiden aktuellen Chef­dirigenten Paavo Järvi und Gianan­ drea Noseda eng miteinander befreundet sind, beflügelt nun erneut den künstleri­ schen Austausch. Direkt nach Gianandrea Nosedas Gastspiel in der Tonhalle Zürich wechselt Paavo Järvi zum Abschluss des gemeinsamen Rachmaninow-Zyklus am 11. November ins Opernhaus. Dabei tritt

der international gefeierte Schweizer Pia­ nist Francesco Piemontesi als Solist auf und interpretiert die Rhapsodie über ein Thema von Paganini – eine Reihe vir­­ tuoser Variationen über das berühmte Thema des Teufelsgeigers Paganini aus der Caprice op. 1 Nr. 24. Entstanden ist die Rhapsodie am Vierwaldstättersee, wo Rachmaninow eine Villa besass. Ebenfalls auf dem Programm steht seine Zweite Sinfonie, die Rachmaninow zwischen 1906 und 1907 in Dresden komponierte, wohin er vor dem politischen und beruf­ lichen Druck aus Russland geflohen war. Die Sinfonie wurde mit grossem Erfolg uraufgeführt und ist bis heute eine tra­ gen­de Säule des Orchesterrepertoires. Samstag, 11 Nov 2023, 19 Uhr Hauptbühne


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Drei Fragen an Andreas Homoki

Foto: Daniel auf der Mauer

Der Zauber des Puppenspiels Herr Homoki, das Opernhaus spielt in diesem Jahr Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer von Michael Ende als Familienoper. Haben Sie eine persönliche Beziehung zu diesem Stoff? Ja, ich liebe das Buch sehr. Ich habe es schon als Kind oft gelesen, zum Beispiel in der Grundschule. Wenn ein Kind Geburtstag hatte, durfte es sich ein Kinderbuch wünschen, aus dem die Lehrerin dann ein Kapitel vorgelesen hat. Da war Jim Knopf natürlich dabei. Ich habe es später auch als Vater gerne mit meinem Sohn gelesen. Es ist einfach eine wunderschöne Geschichte mit fantasievollen Figuren, für die man sofort eingenommen ist, wenn ich etwa an den Scheinriesen denke, der beim Näherkommen immer kleiner wird, an das klitzekleine Kindeskind des kaiserlichen Kochs oder an Emma, die Lokomotive, die lebendig zu sein scheint. Michael Ende ist ein grossartiger Erzähler, nicht nur in Jim Knopf, sondern auch in all seinen anderen Büchern, und ich finde, dass gerade Jim Knopf von einem in jeder Hinsicht zugewandten, positiven Menschenbild geprägt ist, das sehr gut in unsere heutige Zeit passt. Michael Ende geht beispielsweise mit dem Thema der Fremdheit und der kulturellen Unterschiede sehr liebevoll um. In der Schule, die in dem Buch vorkommt, sitzen Kinder aus allen möglichen Ländern, egal, welchem kulturellen Hintergrund sie entstammen. Als Musiktheater ist Jim Knopf an der Komischen Oper in Berlin uraufgeführt worden, als ich gerade dort inszenierte. Die Komponistin Elena Kats-Chernin hat eine sehr ansprechende, zugängliche Musik zu der Geschichte geschrieben. Das Stück passt deshalb ideal in unser Format der Familienoper, für das wir ja immer Opern suchen, die für Kinder gemacht sind, an denen aber auch Eltern und Grosseltern Spass haben.

Was müssen eine Regisseurin oder ein Regisseur mitbringen, um einen solchen Stoff für Kinder gut auf die Bühne zu bringen? Sie müssen ihn ernst nehmen. Sie müssen auf die Geschichte vertrauen und sie direkt, klar und sinnlich erzählen und nicht durch interpretatorischen Überehrgeiz verkomplizieren. Wir haben unsere Jim Knopf-Produktion der Regisseurin Kai Anne Schuhmacher anvertraut, die ich schon lange kenne. Sie hat zu Beginn ihrer Theaterlaufbahn bei mir hospitiert und geht mit grosser Ziel­ strebigkeit ihren künstlerischen Weg. Sie hat zum Beispiel eine besondere Leidenschaft für das Puppenspiel, das sie gerne in ihre Regiearbeiten integriert – auch jetzt in Zürich. Jim Knopf ist auf der Hauptbühne des Opernhauses zu sehen. Funk­ tionieren Puppen auch auf einer so grossen Bühne? Absolut. Gerade bei Jim Knopf finde ich die Idee, mit Puppen zu arbeiten, hervorragend. Bei vielen Figuren, die in der Handlung vorkommen, bietet sich das ja geradezu an. Vergangene Woche fanden erste Workshops mit den Puppen statt. Da habe ich neben meinen Proben zur Götterdämmerung mal reingeschaut. Das funktioniert wirklich fantastisch. Als ich dort war, wurde gerade mit zwei Geiern geprobt, bei denen die Flügel, der Schnabel und die Füsse bewegt werden. Diese Puppen sind lebens­ gross. Wir haben Puppenspielerinnen und Puppenspieler für die Produktion engagiert, aber auch Sängerinnen und Sänger werden die Figuren spielen. Wird eine Puppe durch Bewegung beseelt, ist das die einfachste und schönste Form von Illusion, die man sich auf der Theaterbühne vorstellen kann. Dass von Puppen ein grosser Zauber ausgeht, weiss niemand besser als die Kinder.

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© Studio Ponant-Leslie Levadoux

Kreuzfahrt mit den führenden Tänzern der Pariser Oper. Himmlische Tänze auf der Adria Die Reederei Ponant und knecht reisen bitten zum Tanz: In Partnerschaft mit dem Ballett der Pariser Oper ist eine einzigartige Kreuzfahrt entstanden, die sich ganz dem Thema Tanz widmet. Während der 8-tägigen Reise auf der «Austral» von Athen nach Venedig werden die «Danseurs étoile» der Pariser Oper – Valentine Colasante und Mathieu Ganio – gemeinsam mit weiteren Tänzern des Ensembles an Bord sein. Zahlreiche besondere Momente, darunter Live-Auftritte an Bord und an Land, Meet and Greets, Vorträge, Tanzkurse, Vorführungen während der Reise zwischen der Ägäis, dem Ionischen und dem Adriatischen Meer. Einstündige Aufführungen von klassischem und modernem Tanz im Stadttheater von Korfu sowie im Marin Držić Theater in Dubrovnik. Zwei Übernachtungen in Athen vor der Kreuzfahrt krönen diese Traumreise. Vom 30.07. bis 08.08.2024 Inkl. Kreuzfahrt, Flug & Programm in Athen ab CHF 5990.– pro Person in der Doppelbelegung © PONANT-N.Matheus

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Wie machen Sie das, Herr Bogatu? 11

Lokomotive ahoi!

Illustration: Anita Allemann

Lokomotiven können nicht schwimmen. Bevor man mit ihnen in See sticht, muss man diese «kalfatern» – also alle Ritzen üblicherweise mit Teer und Werk abdichten. Diese These stammt aus dem Buch Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer – eines der ersten Bücher, die mein Papa mir vorgelesen hat. Lukas und Jim haben ihre stählerne Lok kalfatert, sind damit in See gestochen und haben gemeinsam wundersame Abenteuer erlebt. Diese kann man in unserer gleichnamigen Familienoper mitverfolgen, und wer unsere Familienopern kennt, weiss, dass die Vorstellungen mit theatertechnischen Wundern nur so gespickt sind. Es braucht – na klar – eine Insel mit zwei Bergen, dazu eine Bahnstrecke, Tunnel, ein Meer, 12 (!) Piraten, mehrere Drachen, einen Scheinriesen, Geier, Vulkane, Wüsten, Schluchten und natürlich eine Lokomotive, mit der Jim und Lukas durch die Welt reisen. Eine? Bei uns lässt unsere Regisseurin Kai Anne Schuhmacher gleich fünf Lokomotiven mitspielen, die alle gleich aussehen, aber unterschiedlich gross sind und verschiedene Funktionen haben. Zum einen haben wir eine ungefähr schuhschachtelgrosse Lokomotive, die sich Lukas der Lokomotivführer unter den Arm klemmen kann. Dann drei sehr kleine Spielzeugloks, so klein, dass sie in jede Kinderhand passen. Eine davon hat einen Motor, Schein­werfer, und aus dem Kamin raucht es. Sie fährt wie eine Modelleisenbahn auf einer kleinen Insel mit Bergen und Tunneln. Wenn Sie sich jetzt fragen, wie man das aus dem Zuschauerraum noch sehen soll: Mittels einer Kamera wird die winzige, wenige Gramm wiegende Lok riesengross auf das Bühnenbild projiziert. Dort sieht man auch, wie Jim die Lok durchs Meer oder durch Sand – sprich: Durch die Wüste fährt. Dafür musste übrigens eine zweite kleine Lok gebaut werden: Der Antrieb der anderen Lok würde im Sand kaputt gehen… Damit die Loks auch projiziert gut aussehen, hat sie Andi Gatzka, unser Leiter der Theaterplastik, zunächst nach Angaben von der Bühnenbildnerin Elisa Alessi im Computer detailliert modelliert und dann mit dem 3D-Drucker gedruckt. Dabei muss­te er viele Probleme lösen: Wie zum Beispiel lässt man es aus einem erbsengros­ sen Kamin heraus rauchen? Einmal gefunden, ist die Lösung ganz einfach: Der Kamin wird aus Metall gebaut, eine Art gewachster Kerzendocht hineingelegt, zum Glimmen gebracht, und der raucht dann wie eine soeben ausgepustete Kerze. Damit der heisse Kamin dann nicht das gedruckte Plastik schmilzt, ist zwischen Kamin und Lok noch eine Schicht Gips geklebt… Was aber, wenn die kleine Lok in einem Tunnel entgleist und umkippt? Damit der glühende Docht dann nicht die ganze Insel in Flammen setzt, bekam der Tunnel eine Brandschutzverkleidung, und die Landschaft der Insel wurde schwer entflammbar imprägniert… Was sich übrigens bestätigt hat, ist die These, dass Lokomotiven von sich aus nicht schwimmen können: Die beiden gedruckten Loks gingen beim ersten Schwimmversuch unter. Andi Gatzka hat sie dann nicht kalfatert, sondern eine dritte kleine Lok ausgedruckt und mit einem eigens dafür in Form geschäumten Schwimmkörper und kleinen Gewichten versehen, so dass diese wunderbar schwimmen kann. Bei ho­ hem Wellengang ist sie bei den Proben dennoch umgekippt und wird jetzt mit drei Fäden wie eine Marionette stabilisiert. Wer jetzt mitgezählt hat, kommt auf drei kleine und eine etwas grössere Lok. Da fehlt noch die Nummer fünf. Die müssen Sie in der Inszenierung selbst entdecken. Verraten sei hier nur, dass diese nicht ganz klein ist… Sebastian Bogatu ist Technischer Direktor am Opernhaus Zürich


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Anna Bolena 13


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Braucht unsere Zeit neue Helden? Der Kulturwissenschaftler und Philosoph Thomas Macho denkt anhand von Siegfried, der männlichen Hauptfigur in Richard Wagners «Götterdämmerung», über Helden nach – und über die Frage, was die neue Sehnsucht nach Heldenfiguren über den Zustand unserer Zeit erzählt

Das 20. Jahrhundert hat der Historiker Eric Hobsbawm 1994 als Age of Extremes dargestellt, und diese Bezeichnung gilt wohl auch für die ersten Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts. Der Rhythmus von Krisen und Katastrophen hat sich beschleunigt, und gegenwärtig taumeln wir geradezu durch einen Wirbelsturm bedrückender Nach­richten von Kriegen und Massakern und dem politischen Aufstieg rechtsextremer Parteien, vom Klimawandel mit verheerenden Erdbeben, Bränden und Überschwemmungen, ganz abgesehen von der Weltfinanzkrise 2007/08 oder von der Pandemie, die uns in den letzten drei Jahren mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert hat. In dieser Lage erscheint es nicht verwunderlich, dass die Frage nach neuen Helden und Heldinnen verstärkt diskutiert wird. 2019 veröffentlicht die Schriftstellerin Jagoda Marinić eine Studie mit dem Titel Sheroes: Neue Held:innen braucht das Land, und im selben Jahr erscheint das Plädoyer für einen zeitgemässen Heroismus des Philosophen Dieter Thomä. 2020 publiziert der Soziologe Ulrich Bröckling ein Zeitbild über Postheroische Helden, und das erste Heft der Neuen Rundschau im Jahr 2021 widmet sich der Frage: Braucht Demokratie Helden? Be­reits 2015 hatte der italienische Philosoph und Aktivist Franco «Bifo» Berardi einen – rasch in mehrere Sprachen übersetzten – Essay über Helden (Heroes) vorgelegt, der sich allerdings überwiegend mit Suizidanschlägen, Amokläufen und Massenmorden befasste.

Neue Aktualität Wagners Götterdämmerung ist demnach erneut aktuell: Auch die letzte Oper der Tetralogie vom Ring des Nibelungen kreist um die Frage nach dem Helden. Im Vorspiel erinnern die drei Nornen auf dem Walkürenfelsen an Wotan und die Helden Walhalls, an die Fällung der Weltesche und den Bau der Burg für Götter und Helden; begleitet vom Heldenmotiv, aber auch schon vom Leitmotiv der Götterdämmerung singen sie: «Gehau’ner Scheite hohe Schicht ragt zu Hauf rings um die Halle: die Welt-Esche war dies einst! Brennt das Holz heilig brünstig und hell, sengt die Glut sehrend den glänzenden Saal: der ewigen Götter Ende dämmert ewig da auf.» Das Seil der Nornen reisst; sie resignieren: «Zu End’ ewiges Wissen! Der Welt melden Weise nichts mehr: hinab zur Mutter, hinab.» Wenig später treten Brünnhilde und Siegfried aus ihrem Gemach; Siegfried trägt seine Waffen, Brünnhilde führt ihr Pferd Grane. Sie adressiert Siegfried mehrfach als Held, er nennt sie «Wunderfrau», schenkt ihr den Ring aus dem Nibelungenhort und empfängt zum Dank Brünnhildes Pferd. Das Vorspiel endet mit mehreren «Heil»-Rufen, die kaum unbefangen gehört werden können. Der erste Aufzug beginnt danach mit einem Gespräch zwischen Gunther, Hagen und Gutrune. Neuerlich wird über Siegfrieds Heldentum beraten: Hagen


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preist ihn als «stärksten Held», Gutrune fragt ein wenig skeptisch: «Welche Tat schuf er so tapfer, dass als herrlichster Held er genannt?» Hagen erwähnt sofort die Tötung des Drachen Fafner und betont: «Solch’ ungeheurer Tat enttagte des Helden Ruhm.»

Was ist ein Held? Ist Siegfried ein Held? Aber wer ist ein Held oder eine Heldin? Mythen und Sagen folgen keiner einheitlichen Definition; doch bestimmte Eigenschaften werden in zahlreichen Kulturen anerkannt. Helden und Heldinnen, so heisst es, sind zumeist Personen mit aussergewöhnlichen Fähigkeiten und Kräften; sie sind stark, furchtlos, listig und klug. Ruhm und Ehre erwerben sie durch ihre Taten, im Krieg, auf der Jagd, im Kampf mit einem Ungeheuer wie dem Drachen Fafner oder bei der Befreiung von gefangenen Jungfrauen wie Brünnhilde. Sie überschreiten die Grenze zwischen Zivilisation und Wildnis (wie Jason auf der Suche nach dem Goldenen Vlies, oder wie Odysseus auf der Zyklopeninsel), die Grenze zwischen Genialität und Wahn (wie Herakles, der Megara und die mit ihr gezeugten Kinder erschlägt, oder wie der Löwen­ritter Yvain, der nackt und tobsüchtig im Wald lebt), die Grenze zwischen Leben und Tod (Gilgamesch oder Orpheus), die Grenze zwischen der irdischen Welt, dem Olymp und dem Hades (Prometheus). Helden und Heldinnen sind – wie die Ethnologie beteuert – «Trickster», die alle Arten der Seelen- und Jenseitsreise kennen. Geburt und Abstammung sind häufig traumatisch. Nicht selten entspringen die Helden und Heldinnen einer verbotenen Liebe zwischen Gottheiten und Menschen, oder der inzestuösen Zuneigung eines Zwillingspaars wie Siegmund und Sieglinde; sie werden ausgesetzt (wie Moses, Ödipus, die Zwillinge Romulus und Remus), von Hirten oder wilden Tieren – einer Wölfin, einem Adler, einer Hirschkuh – gerettet und aufgezogen. In ihnen verkörpern sich Weisungen und prophetische Visionen: die erhoffte Rettung vor dem Untergang, die Begründung einer neuen Dynastie oder die Errichtung einer Stadt. Noch das zeitgenössische Medien-Universum wird von Helden und Heldinnen bevölkert, die als Revenants älterer Traditionen betrachtet werden können. Auch in Comics, Filmen und Computerspielen reüssieren Menschen mit gewaltigen Kräften, kämpfen mit Ungeheuern, drachenartigen Aliens, während sie (wie Superman) auf singuläre Abstammungs- und Geburtsgeschichten zurückblicken; sie müssen die Welt retten, die Grenzen zwischen Kosmos und Chaos, Leben und Tod, überschreiten. Manchmal fusionieren sie mit Göttern (Thor), manchmal mit Tieren: mit Vögeln (Bird­man), Fledermäusen (Batman) oder Spinnen (Spiderman). Gelegentlich scheitern sie; doch selbst darin gleichen sie älteren Vorbildern. Gilgamesch gelingt es bekanntlich nicht, seinen treuen Freund und Begleiter Enkidu mit dem Kraut der Unsterblich­ keit vor dem Tod zu retten; Jason verliert das Vlies und seine Kinder, Orpheus versagt beim Versuch, Eurydike zurückzugewinnen. Prometheus scheitert gerade als Kultur­ stifter: Der Begründer menschlicher Opferkulte wird selbst geopfert und an einen kaukasischen Felsen geschmiedet, wo ihm ein Adler die unentwegt nachwachsende Leber wegfrisst. Auch zeitgenössische Helden und Heldinnen teilen gelegentlich das prometheische Schicksal: Superman wird bekanntlich schwach, sobald er auf Kryptonit, Material von seinem Herkunftsplaneten, stösst; Batman resigniert wiederholt – zumindest in Christopher Nolans Filmen – vor den Paradoxien der Selbstjustiz. Die Unverwundbarkeit scheint des Zweifels oder eines Makels zu bedürfen, der sie konfirmiert: der Achillesferse, des Mistelzweigs (bei der spielerischen Beschiessung Balders) oder des Lindenblatts, das während Siegfrieds Bad im Drachenblut zwischen seine Schulterblätter fällt. Zum Leben legitimer Helden und Heldinnen gehören Niederlagen und Untergänge; sie bilden den unverzichtbaren Schatten des Triumphs. Keine Helden oder Heldinnen ohne Heldentod! Der Sturz, das Scheitern und der Tod beglaubigt den Rang der heroischen Kultur- und Religionsstifter; darin folgte selbst das Christentum

Der Untergang einer Welt Der Schweizer Graphic Novel Künstler Thomas Ott hat für diese MAG-­Ausgabe seine düstere Sicht auf das Ende einer Welt gezeichnet – in der einzig ein zart auf­ keimendes Pflänzchen Hoffnung auf einen Neuanfang macht.


Die kollektive Sehnsucht nach neuen Helden muss, auch in der Gegenwart, als Krisensymptom wahrgenommen werden

einer älteren Traditionslinie, nicht nur um sie fortzuführen, sondern auch um sie neu zu prägen: Der Tod am Kreuz führt zu Auferstehung und Himmelfahrt. Richard Wagner hatte seine Nibelungen-Oper im Revolutionsjahr 1848 als Siegfrieds Tod konzipiert; erst drei Jahre später erhielt die Oper, nun unter dem Titel Götterdämmerung, ihre Vorgeschichte, die zuerst Der junge Siegfried heissen sollte. Erzählt wird darin tatsächlich von einem jungen, starken, furchtlosen Helden, der die typischen Heldentaten – Tötung eines Ungeheuers, Eroberung eines wertvollen Schatzes, Befreiung einer gefangenen Jungfrau – vollbringt; dennoch wirkt das Ende im Feuer­ ring, in der Liebesglut zwischen Siegfried und Brünnhilde, seltsam schal. Sogar ein Publikum, das weder die Kulturgeschichte der Heldenmythen noch die Götterdämmerung kennen würde, müsste eigentlich den schlechten Ausgang ahnen. Der Held wird ihm gezeigt als trotziger Junge, der Brünnhilde halb befreit, halb vergewaltigt. Die heisse erste Liebe im Feuerring beschwört schon das apokalyptische Finale für die Welten der Götter und Menschen: «Leuchtende Liebe, lachender Tod». Wagner präsentiert Siegfried zunächst als Naturkind, das einen notdürftig gezähmten Bären vor sich hertreibt, um Mime zu erschrecken. Der Bär erinnert an die nordischen «Berserker», an die gefürchteten Krieger, die zumeist in vorderster Schlachtreihe – gehüllt in Bärenfelle, mit ekstatischem Gebrüll – angriffen. Der Bär bezeugt Siegfrieds Nähe zur Natur und seinen Abstand von Ziehvater Mime. Nähe wie Distanz entspringen einer unbeantworteten Frage Siegfrieds: der Frage nach der eigenen Abstammung, nach Vater und Mutter. Das elternlose Naturkind – Wolfskind, Bärenkind, Vogelkind, mit der Gabe, spätestens nach der Tötung Fafners den Gesang der Waldvögel zu verstehen – ist den Geltungsansprüchen der Kultur, den symbolischen Gesetzen der Genealogie und Verwandtschaft, nicht unterworfen. Siegfrieds Eltern Siegmund und Sieglinde, so erfährt der Held, starben bald nach seiner Geburt; obendrein waren sie Zwillinge. Siegfried ist das Kind einer inzestuösen Liebe zwischen Bruder und Schwester. Gerade diese Mitteilung unterstreicht den heroischen Sonder­ status Siegfrieds; sie stellt ihn noch einmal auf die Seite der Natur, denn das oberste Gesetz der Kultur verbietet den Inzest. Auch darum lebt Siegfried im Wald. Denn im Wald leben die Aussenseiter: Leprakranke, Räuber, flüchtige Leibeigene, wilde Männer und Werwölfe, Schweinehirten, Einsiedler, Jäger und Wilderer, Köhler, Schmiede und Waldleute, die nach Honig (für den beliebten Met) und wildem Wachs suchten, gewiss auch Trolle, Nymphen und die Geister der Toten, die zu bestimmten Zeiten die wilde Jagd veranstalten.

Heroismus und Totenkult Am Samstag, dem 21. November 1874, beendet Wagner die Arbeit an der Partitur der Götterdämmerung; uraufgeführt wird die Oper am Donnerstag, dem 17. August 1876, im Rahmen der ersten Bayreuther Festspiele. Sechs Jahre zuvor tobten im Deutsch-Französischen Krieg drei erbitterte Schlachten um die Stadt Metz, zwei Wochen vor Beginn der Schlacht bei Sedan. In diesem Krieg, der nicht viel länger als ein halbes Jahr dauerte, starben auf beiden Seiten mehr als 180.000 Soldaten; in Relation zu seiner Zeitdauer war der Krieg zwischen Frankreich und Preussen signifikant verlustreicher als der nordamerikanische Bürgerkrieg, der zwischen 1861 und 1865 rund 650.000 Opfer forderte. Die Soldaten, die in den modernen Kriegen starben, waren zumeist adoleszente Männer, junge Helden und Siegfriede, nicht mehr mit Schwertern, sondern mit Gewehren und Kanonen. Die neuen Armeen waren eben keine Söldnerheere mehr: Seit der Entstehung moderner Nationalstaaten entwickelte sich mit einer gewissen Notwendigkeit die Praxis, an Stelle von transnationalen Söldnerheeren und Berufstruppen die eigene Jugend auf die Schlachtfelder zu schicken. Nicht umsonst leitet sich der Terminus «Infanterie» – als Bezeichnung für die Fusssoldaten, die in der modernen Schlachtordnung oft genug als «Kanonenfutter», Opfer eigener wie fremder Artillerie, eingesetzt wurden – von lateinisch «infans»


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ab: Kind, Junge, Edelknabe. Der Ausdruck «Infanterie» hat sich erst kurz vor Beginn des Dreissigjährigen Krieges (ab 1616), im Zuge der allmählichen Durchsetzung der nassauisch-oranischen Heeresreformen in Europa, verbreitet; noch später hat sich die Subjektivierung «Infanterist» (in Deutschland etwa ab 1801) eingebürgert. Am 17. August 1876 betrat Siegfried nicht bloss als archaischer Held die Bühne des Bay­ reuther Festspielhauses, sondern auch als moderner Infanterist, der den Tod in Kauf zu nehmen bereit ist. «Leuchtende Liebe, lachender Tod.» Lachender Tod: Erst wird Siegfried mit einem verkehrten Liebestrank, der nicht die Zuneigung entflammt, sondern das Vergessen, zum Betrug an Brünnhilde verführt; im Hintergrund lenkt der verfluchte Ring das Begehren und die Gier. Im dritten Aufzug der Götterdämmerung tötet Hagen zuletzt den Helden, danach erschlägt er aber auch Gunther, der ihm den Ring verweigert. Die Trauermusik, die den Zug mit der Leiche Siegfrieds begleitet, wird häufig als Trauermarsch bezeichnet; tatsächlich bezeugt sie den Status des Helden, der notwendig scheitern muss. Was im Feuer be­gann, endet auch im Feuer; Brünnhilde wählt den eigenen Tod in den Flammen: «Starke Scheite schichtet mir dort am Rande des Rheins zu Hauf: hoch und hell lod’re die Glut, die den edlen Leib des hehrsten Helden verzehrt! Sein Ross führet daher, dass mit mir dem Recken es folge: denn des Helden heiligste Ehre zu teilen verlangt mein eigener Leib.» Ein suizidaler Heroismus? 1936 hat der niederländische Kulturhistoriker Johan Huizinga seine erstaunlich hellsichtige Studie Im Schatten von morgen publiziert. Huizinga kritisiert in dieser Studie den damaligen Aufschwung des Heroismus; er argumentiert: «Heroen waren Halbgötter: Herakles, Theseus. Noch in der Blütezeit von Hellas übertrug man den Begriff auch auf gewöhnliche Menschen: die Gefallenen für das Vaterland, die Tyrannenmörder. Aber immer waren es Verstorbene. Das Wesen der heroischen Idee war Totenkult.» Gerade weil der Heroismus ursprünglich Totenkult war, muss die «Anpreisung des Heroischen» und die kollektive Sehnsucht nach neuen Helden und Heldinnen mit Misstrauen und Skepsis, als signifikantes Krisensymptom auch in der Gegenwart, wahrgenommen werden. Denn die Propaganda für das Heroische verkehrt den Totenkult in eine Prophezeiung, deren düstere Pointe, faktisch ein Versprechen des Todes, zugleich verleugnet werden muss. In seiner Untersuchung der Massensuizide in Deutschland nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erwähnt Florian Huber, dass nach einem der letzten Konzerte der Berliner Philharmoniker am Donnerstag, dem 12. April 1945, – auf dem Programm standen Beethovens Violinkonzert, Bruckners Romantische Sinfonie und das Finale der Götterdämmerung – beim Ausgang uniformierte Hitlerjungen mit Körben voller Zyankali-Kapseln zur freien Verteilung an das Publikum gewartet haben sollen. Doch schon 1934 hatte die Journalistin Dorothy Thompson, zwei Jahre nach ihrer Reportage von einer Begegnung mit Hitler, eine erschreckende Beobachtung über ein Lager der Hitlerjugend in Murnau mitgeteilt: «Ein riesiges Banner erstreckte sich über den Hügel und beherrschte das Lager. Es war so gross, dass es auch vom entferntesten Punkt aus zu sehen war. Und es war so aufgestellt, dass jedes Kind es viele Male am Tag sehen konnte. Es war weiss mit einem aufgemalten Hakenkreuz, und daneben standen nur sieben Wörter, sieben riesige schwarze Wörter: WIR WURDEN GEBOREN, FÜR DEUTSCHLAND ZU STERBEN!» Thomas Macho lehrte von 1993 bis 2016 als Professor für Kulturgeschichte am Institut für Kulturwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin. 1984 habilitierte er sich mit einer Habilitationsschrift über «Todesmetaphern». Seit 2016 leitet er das Forschungs­ zentrum Kulturwissenschaften der Kunstuniversität Linz in Wien. Zu seinen Forschungsund Publikationsschwerpunkten gehören u.a. Tod und Totenkulte, Religion in der Moderne, Geschichte der Rituale, Ästhetik des Monströsen sowie Science und Fiction.


18 Götter­dämmerung

Eine Welt ohne Liebe muss untergehen Am 5. November hat Richard Wagners «Götterdämmerung» Premiere. Ein Gespräch mit dem Regisseur Andreas Homoki über seine Inszenierungskonzeption Fotos Danielle Liniger


Camilla Nylund als Brünnhilde


20 Götter­dämmerung

George Bernard Shaw hat in seinem epochemachenden «Wagner-Brevier» behauptet, mit der Götterdämmerung sei Wagner sich selbst untreu geworden und habe eine Grosse Oper komponiert, mit all den zugehörigen Ingredienzen wie Duetten, Terzetten, Chorszenen usw. Da dieses Buch die Wagner-Rezeption seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stark beeinflusst hat, hört und liest man dieses Verdikt immer wieder. Würdest du dem mit deiner Erfahrung bei der Arbeit am Stück zustimmen? Shaw hat mit seinem Buch zweifellos eine überragende Leistung vollbracht, indem er erstmals Tiefenschichten des Werkes aufdeckte, die bis dahin nur sehr wenige bemerkt haben dürften. Und auch heute kann man es noch mit Ge­ winn – und Spass an seinem brillanten Witz – lesen. Ich finde dennoch, dass es sich hier um ein Fehlurteil und eine ab­ sichts­volle Übertreibung handelt. Denn wenn man seine Be­ hauptung überprüft, stellt man fest, dass die angeführten Beispiele in genau einer 20 Takte langen Duettpassage und einem 50 Takte langen Terzett und einer Chorszene bestehen. Das macht aus dem Stück keine Grande Opéra im Stil Meyerbeers. Vielmehr lässt sich nahezu an jedem Takt und jedem Vorgang zeigen, wie konsequent Wagner seinen Weg weitergeht und ganz eigene, originelle Lösungen findet, auch beim Einsatz des Opernchors. Bei allem Respekt für den wachen Blick des jungen Dichters – in diesem Punkt urteilt er reichlich oberflächlich und hat den entscheidenden Punkt weit verfehlt. Welcher Punkt ist das? Zweifellos ist das Auftreten des Opernchors ein deutlicher Bruch in der Dramaturgie der Tetralogie, aber dieser Bruch hat einen guten Grund: Die ersten drei Stücke spielen in einer mythischen Welt der Götter, Zwerge, Riesen, Drachen usw., in der die grossen, kraftvoll gezeichneten Figuren durch ihr trotz aller Zwänge doch selbstbestimmtes Handeln den Gang der Geschehnisse bestimmen. Die Erzählung von ihren individuellen Geschichten kann darum eine ganze Welt ab­ bilden. Mit Siegfrieds Reise zu den Gibichungen verlassen wir diesen Bereich und geraten in die moderne menschliche Gesellschaft. Und hier spielt der Druck, den die Öffentlichkeit auf die Figuren ausübt, eine zentrale Rolle. Gleich im ersten Dialog zwischen Gunther und Hagen wird deutlich, dass die Motivation für Gunthers Handeln nur die Sorge um seine Reputation ist: Er sucht eine Gattin, die seinen Ruhm fördert, also seine gesellschaftliche Stellung verbessert. So ist es nur konsequent, diese Gesellschaft auch szenisch in Erscheinung treten zu lassen. Im zweiten Akt geschieht das, und wir er­ leben unmittelbar, wie die Individuen in ihrem Handeln von dieser Öffentlichkeit bestimmt werden. Das ist ein ganz neues Element der Erzählung, und daraus erklärt sich der auffällige Unterschied zu den vorherigen Stücken. Man könnte jetzt einwenden, dass auch Hunding seine Leute zusammenruft, um Sieglinde und Siegmund zu verfolgen, dass in der Walküre aber keine entsprechende Chorszene vorkommt. Aber der entscheidende Unterschied wird bei näherer Betrachtung

schnell deutlich: Hundings Leute haben in der Oper keine Stimme, weil er ihnen gegenüber vollkommen souverän ist und sie nur die Werkzeuge seiner Entschlüsse sind, so dass von ihnen kein Einfluss auf sein Handeln ausgeht. Hunding könnte Siegmund auch allein töten, wenn sich die Gelegen­ heit ergäbe, Gunthers Handeln aber ist ohne den gesellschaft­ lichen Hintergrund nicht zu erklären. Übrigens wollen wir Shaw ein wenig Gerechtigkeit wider­ fahren lassen: Die Götterdämmerung macht tatsächlich den Eindruck einer grossen Choroper, obwohl der Chor fast nur in einer Szene singend hervortritt und der Frauenchor kaum drei Sätze zu singen hat. Das liegt an Wagners Kunst des ökonomischen Einsatzes der Mittel, der starken Konzentration von Inhalt und Ausdruck, die wir gerade im Ring allent­ halben finden, wenn wir uns nicht von der pompösen Fassade in die Irre führen lassen. Das bedeutet übrigens auch, dass sich das Stück in einem Punkt nicht von den anderen drei unterscheidet: Es handelt sich auch hier um ein Kammerspiel, ein Drama der subtilen Gesten, nur eben um ein Kammer­ spiel vor dem Hintergrund der Massengesellschaft. Eine auffallende Besonderheit dieses Stücks ist, dass die Liebe, die in den ersten drei Stücken das wichtigste handlungsbewegende Element war, hier anscheinend kaum vorkommt… Tatsächlich scheint es Liebe nur in der sehr kurzen Szene zwischen Brünnhilde und Siegfried im Prolog zu geben.


oben: Regisseur Andreas Homoki und Sarah Ferede als Waltraute unten: Camilla Nylund (Brünnhilde) und Klaus Florian Vogt (Siegfried)

Wenn Siegfried sich von Brünnhilde trennt, verschwindet sie aus dem Geschehen. Die Welt der Gibichungen, in die Sieg­fried gerät, ist liebelos. Gunther und Gutrune streben nach gesellschaftlichem Renommee, ausschliesslich diesem soll die Ehe mit einer berühmten Frau oder einem berühm­ ten Mann dienen. Bei Gutrune ist vielleicht ein bisschen spät­ pubertäre Schwärmerei für den berühmten Helden im Spiel. Aber mit Liebe, wie wir sie bisher bei Siegmund und Sieglinde oder Siegfried und Brünnhilde gesehen haben und wie sie Loge im Rheingold als weltbewegende Urkraft besungen hat, hat das nichts zu tun. Die erste Szene in der Gibichungen­ halle zeigt: Die Welt, die Wotan einst eingerichtet hat, ist in einem armseligen Zustand. Von seinem Wunsch, Liebe und Macht auf einen Nenner zu bringen, ist nur das kalte Macht­ streben geblieben. Erst als der sterbende Siegfried versteht, was geschehen ist, und erkennt, was er Brünnhilde angetan hat, kehrt seine Liebe und seine Zärtlichkeit zurück, die nicht mehr sichtbar war, seit er den Brünnhilde-Felsen verlassen hatte. Brünnhilde erfährt von den Rheintöchtern, was vorge­ fallen ist, und gewinnt so die Fähigkeit zur Liebe zurück: Sie kann Siegfried verzeihen, und so aus Liebe – nicht nur zu ihm, auch zu Wotan und allen Leidenden und Verlassenen – Hagens Machtübernahme verhindern und die Welt vom Fluch des Ringes reinigen. Das ist Wagners grosse Hoffnung: Dass die Politik, dass das Streben nach Macht besiegt werden kann, indem die triumphierende Liebe das Politische einfach auflöst. Ist Siegfried ein Held? Das kommt darauf an, wie man den Begriff «Held» definiert. Es gibt in der Götterdämmerung zwei grosse Orchesterzwi­ schenspiele, die von Siegfried erzählen. Siegfrieds Rheinfahrt bildet den Übergang vom Prolog zum ersten Akt, hat also zunächst einmal den rein praktischen Zweck, die Zeit, die für den Umbau gebraucht wird, zu überbrücken. Aber Wagner nutzt die Gelegenheit, ein Porträt Siegfrieds als eines «unbe­


Klaus Florian Vogt mit Camilla Nylund und Daniel Schmutzhard

darften» Helden zu zeichnen, also eines jungen Menschen, der voller Vertrauen frohgemut in die Welt hinausgeht. Es ist eines der hellsten und heitersten Musikstücke in Wagners Werk und sicher deshalb so überaus beliebt. Die Musik beschreibt sehr plastisch und sehr witzig, wie Siegfried voll froher Erwartungen den Felsen hinabsteigt, bis er staunend den majestätisch dahinfliessenden Rhein betrachtet, wie er bei seiner Reise den Rheintöchtern begegnet, die ihm zu­ jubeln, weil er die Rückkehr des Rheingolds ermöglichen wird, und man hört schliesslich, wie sich das Bild verdüstert, wenn die Reise in der Menschenwelt endet, an der Siegfried zugrundegehen wird. Die Frage, ob das eigentlich ein Held ist, liegt insofern nahe, als sich die Figur, die in diesem Zwischenspiel geschildert wird, ganz erheblich vom Idealbild des blonden, blauäugigen Kraftmenschen unterscheidet, das im 19. Jahrhundert im Schwange war und uns z. B. noch in Fritz Langs Nibelungen-Film entgegentritt. Wenn man Siegfried und sein Schicksal genauer betrachtet, kommt man nicht um die Feststellung herum, dass er gar nichts Heldenhaftes tut... Und schon gar nicht kann davon die Rede sein, dass er die Welt erlöst. Er tut gar nichts für die Auflösung des Konflikts, der den Ring bestimmt. Vielmehr ist es Brünnhilde, die das Ende von Wotans System herbeiführt, und wenn man es ganz genau nimmt, befördert Brünnhilde damit nur den natürli­ chen Lauf der Dinge. Aber warum wird sein Tod in der berühmt-berüchtigten Trauermusik des dritten Akts – dem zweiten grossen Orchesterzwischenspiel – dann so ergreifend beklagt? Man kann vielleicht sagen, dass für Wagner das utopische Potenzial dieser Figur gerade darin liegt, dass er kein Held im herkömmlichen Sinne ist. Nicht seine Kraft und Mordbereit­ schaft machen ihn gross, sondern sein Vertrauen in das Leben, die Güte der Welt und der Menschen. Man kann ihn naiv

nennen, denn jeder, der ihn so in die Welt ziehen sieht, weiss sofort, dass er scheitern wird. Denn wir kennen die Welt, er aber nicht. Wie er sich die Welt vorstellt, ist sie nicht, aber – das ist der Punkt – sie sollte so sein. Die ideale Welt, deren Verwirklichung sich Wagner von der Revolution erhoffte, müsste so beschaffen sein, dass ein Siegfried in ihr nicht zum Scheitern verurteilt ist. Und eigentlich scheitert nicht Sieg­ fried an der gegenwärtigen Welt, sondern diese scheitert an ihm. Sein Untergang erweist die Nichtswürdigkeit der Ver­ hältnisse. Die instrumentale Totenklage für Siegfried ist in ihrer monumentalen Wucht dem, was hier geschehen ist, angemessen: Gestorben ist die grosse Hoffnung, dass ein anderes Leben, ein besseres Dasein in dieser Welt verwirklicht werden kann. Was Wagner komponiert hat, ist das Gegenteil von dem, was die Nazis daraus gemacht haben, wenn sie dieses Stück zur Trauermusik für die Beerdigung von Nazi­ grössen pervertiert haben. Es handelt sich auch gar nicht um einen «Trauermarsch», sondern um eine echte Trauermusik, die zu mehr als der Hälfte nicht Siegfried, sondern seinen Eltern und ihrer rebellischen Liebe gewidmet ist. Die Musik beschreibt die unendliche Trauer über eine Welt, in der alles Gute und Liebevolle immer wieder unter den brutalen Schlägen der Wirklichkeit zusammenbricht. Am Ende, wenn auch Siegfried zu Fall gebracht ist, steht die Musik der trauernden Brünnhilde: eine sehr zarte, sehr menschliche, ganz und gar nicht heroische Musik. Warum lässt sich Brünnhilde so vollständig auf die Gibichungen-Welt ein, dass sie sich von der liebenden Frau in die Rachefurie verwandelt, die nur ein Ziel kennt, den geliebten Mann zu vernichten? Eigentlich lässt sie sich nicht darauf ein, sondern wird durch Hagens Intrige hineingerissen, die alle Figuren der Men­ schen­welt zu Werkzeugen im Kampf um den Ring macht. Wir werden versuchen, das sehr genau herauszuarbeiten. Aber auch Hagen ist nichts als Alberichs Werkzeug. Er ist


überhaupt nur auf der Welt, um seinem Vater den Ring zu­ rückzugewinnen. Sein Schicksal ist vielleicht noch schlimmer als das Brünnhildes und Siegfrieds: Sie lernen immerhin das Glück der Liebe kennen, wenn es auch von kurzer Dauer ist, Hagen ist das vollständig versagt. Und er weiss das selbst sehr genau, wie die ergreifende Selbstbeschreibung in seinem gespenstischen Nachtgespräch mit Alberich zeigt. Hagen ist also die Figur, die das Geschehen vorantreibt, aber er ist selbst ein Getriebener. In dieser dramaturgischen Eigenheit des Rings erkennen wir den Revolutionär Wagner: Das Drama wird nicht von den Figuren bewegt, sondern die Figuren von ihm. Sie alle sind getrieben von den Verhältnissen, gegen die sie nicht ankönnen. Es ist keine Lösung, Hagen zu be­ seitigen, das Ganze, das auch ihn zum Opfer macht, muss verändert, abgeschafft werden. Wie wird die Bühne für dieses letzte Drama der Tetralogie aussehen? Die Bühne wird dieselbe Grundstruktur haben wie die ande­ ren Stücke auch. Es gibt also auf der Bühne diese Flucht von identischen Innenräumen einer vielleicht gründerzeitlichen Villa. Die Drehscheibe ermöglicht oft wechselnde Perspek­­tiven und Räume und, wenn man es streng nehmen will, viel mehr Bilder, als Wagner in seinem Libretto vorge­sehen hat, in denen sich die mitunter stark divergierenden Anforderungen der einzelnen Szenen auf eine einfache und einleuchten­de Weise umsetzen lassen. Dieses Prinzip haben wir nun schon dreimal erprobt, und es hat sich als tragfähig erwiesen. Natür­­lich auch deshalb, weil es ermöglicht, dass sich die Aus­ stattung dieser Räume von Stück zu Stück abhängig vom angestrebten Charakter der Erzählung unterscheidet. Das be­ deutet ein Wiedersehen mit einigen bereits bekannten Ele­ menten wie dem Walkürenfelsen, dem Grund des Rheins, Walhall, dem Baum aus Hundings Hütte. Eine neue Aufgabe war die Gestaltung der Gibichungen-Welt, die einerseits eine Metapher für uns heute sein soll, für die mein Bühnen­ bildner Christian Schmidt und ich andererseits einen gewissen archaischen Charakter beibehalten wollten, um in diesem letzten Teil der Tetralogie ästhetisch nicht zu sehr von den ersten drei Teilen abzu­weichen. Was besonders schön ist: Das Prinzip dieses Bühnen­bilds für die Tetralogie gibt uns die Möglichkeit, da zu enden, wo alles begonnen hat: mit leeren, langsam rotierenden Räumen als Metapher für das ewige Dahinfliessen der Zeit mit der Hoffnung auf einen Neuan­ fang – einer Hoffnung, wie sie uns aus den letzten Takten des Orchesters entgegenklingt. Das Gespräch führte Werner Hintze

Götter­dämmerung Dritter Tag des Bühnenfestspiels «Der Ring des Nibelungen» von Richard Wagner Musikalische Leitung Gianandrea Noseda Inszenierung Andreas Homoki Ausstattung Christian Schmidt Künstlerische Mitarbeit Bühnenbild Florian Schaaf Lichtgestaltung Franck Evin Choreinstudierung Ernst Raffelsberger Video Tieni Burkhalter Dramaturgie Werner Hintze Beate Breidenbach Siegfried Klaus Florian Vogt Gunther Daniel Schmutzhard Alberich Christopher Purves Hagen David Leigh Brünnhilde Camilla Nylund Gutrune Lauren Fagan Waltraute Sarah Ferede Erste Norn Freya Apffelstaedt Zweite Norn Lena Sutor-Wernich Dritte Norn Giselle Allen Woglinde Uliana Alexyuk Wellgunde Niamh O’Sullivan Flosshilde Siena Licht Miller Philharmonia Zürich Chor des Opernhauses Zürich Statistenverein am Opernhaus Zürich Mit freundlicher Unterstützung der Freunde der Oper Zürich Premiere 5 Nov 2023 Weitere Vorstellungen 9, 12, 18, 24 Nov; 3 Dez 2023; 9, 26 Mai 2024


24 Götter­dämmerung

Die Musik macht Hoffnung Dirigent Gianandrea Noseda im Gespräch über die besonderen musikalischen Farben und die kompositorische Komplexität von Wagners «Götterdämmerung»

Gianandrea Noseda, im April letzten Jahres war die Premiere von Rheingold, nun sind wir in unserem neuen Zürcher Ring beim letzten Teil angekommen, der Götterdämmerung. Unterscheidet sich die Art und Weise, wie Sie sich der Götterdämmerung annähern, von Ihrer Arbeit an den ersten drei Teilen? Je länger ich mich mit dem Stück beschäftige, desto mehr wird mir klar, wie viel es noch zu entdecken gibt! Es ist wie bei vielen grossen Kunstwerken: Je tiefer man in sie eindringt, desto mehr findet man, und desto klarer sieht man, welche noch un­ erforschten Tiefen sie enthalten. Die Götterdämmerung verlangt mir als Dirigent alles ab. Man muss sich in diese Welt vergraben, sich geradezu selbst in ihr verlie­ ren. Ich bin voller Bewunderung für Wagner und das, was er hier geschaffen hat – das umzusetzen, ist eine grosse, aber auch zutiefst beglückende Herausforderung. Was empfinden Sie als besonders herausfordernd? Die Götterdämmerung ist das Ende einer grossen Reise, und Wagner hat alles in dieses Stück hineingepackt – alles, was in den drei vorangehenden Teilen ge­ schrieben wurde, kulminiert hier. Tristan und Isolde ist zwar meiner Ansicht nach sowohl auf der kompositorischen als auch auf der gedanklichen Ebene noch kom­ plexer. Andererseits haben wir es in der Götterdämmerung mit mehr Figuren zu tun. Gunther, Gutrune und Hagen kommen zu den bereits bekannten Figuren noch hinzu, und alles ist miteinander verknüpft, hat Verbindungen, die weit in die Vergangenheit und teilweise auch in die Zukunft reichen. Diese Komplexität verlangt nach grosser Klarheit in der Darbietung. Denn ohne diese Verbindungen kann das Ganze leicht zerfallen. Das ist schwierig, aber eine wunderbare Aufgabe! Worin genau besteht die Komplexität? Sie steckt in den vielen Schichten. Wenn es im Rheingold drei Schichten sind, dann sind es in der Götterdämmerung fünf. Das hat mit der viel grösseren Zahl an Leitmotiven und mit der ganz anderen Art zu tun, wie Wagner mit ihnen umgeht. Im Rheingold erleben wir, wie die Leitmotive entstehen, und sie werden relativ einfach eingesetzt, so dass es nicht schwer ist, ihren Sinn zu entschlüsseln. Allerdings gibt es die Gefahr, dass der grosse Fluss aus dem Blick gerät. Das ist in der Götter­


däm­me­rung ganz anders, weil Wagner nun die Motive viel flexibler handhabt und in einen komplexen polyphonen Orchestersatz einbindet. Die Harmonik ist viel komplizierter – und übrigens auch dissonanzenreicher – geworden. Hier sieht man die Erfahrung, die Wagner bei der Komposition des Tristan gesammelt hat. Auch in Walküre gibt es schon harmonisch sehr avancierte Stellen, die Götterdämmerung ist aber deutlich weiter entwickelt. Es kommt mir vor, als denke Wagner hier weniger vertikal, also in Harmonien, als eher horizontal, wie Bach und andere Kom­ ponisten aus dessen Zeit. Hier haben die Meistersinger mit ihrem Rückgriff auf traditionelle Formen der kontrapunktischen Polyphonie deutliche Spuren hinter­ lassen. Während die Architektur in Rheingold und Walküre eher vertikal geprägt ist, scheint mir Wagner in der Götterdämmerung viel stärker an Melodie- und Span­ nungsbögen interessiert. Die Harmonien entstehen sekundär aus der Linienführung. Wagner hat ja insgesamt – mit einer langen Unterbrechung nach dem zweiten Akt des Siegfried – 25 Jahre am Ring des Nibelungen gearbeitet. Die Götterdämmerung, sein vorletztes Bühnenwerk, gehört deutlich zu seinem Spätwerk. Empfinden Sie den Ring trotzdem als ein grosses Ganzes? Ja – aber eher in der Art, in der ich auch die neun Sinfonien Beethovens als ein grosses Ganzes empfinde; dahinter steht für mich ein Gedanke, der in neun Kapiteln ausgearbeitet wird. Aber natürlich gibt es in den vier Teilen des Rings Unterschiede, und auch die Erfahrungen, die Wagner in seinem persönlichen Leben gemacht hat, haben Spuren hinterlassen. Ich empfinde Rheingold und Walküre als deutlich heller, hoffnungsvoller – was sicher auch mit der Lebensphase zu tun hat, in der Wagner sich befand. Siegfried hat noch viele Elemente der Opera buffa. In der Götter­dämmerung spüre ich einen Menschen – Wagner –, der sein Leben lang für die Veränderung der Welt gekämpft hat und schliesslich nur noch wenig Hoffnung hat, dass die Welt durch Kunst oder auf welche Weise auch immer verändert werden kann. Vielleicht ist es das, was die Götterdämmerung so düster macht.

Foto: Gaetan Bally

Hat denn die Götterdämmerung im Vergleich zu den anderen Teilen des Rings eine besondere musikalische Farbe? Die Götterdämmerung verbindet all die musikalischen Farben miteinander, die wir in den drei Stücken zuvor gehört haben. Wir begegnen den Rheintöchtern und ihrem Element des fliessenden Wassers wieder, wir hören wieder den Waldvogel und Klänge aus dem Waldweben, das Motiv der Erda erklingt, auch wenn sie selbst als Figur nicht mehr auftritt – und das Götterdämmerungs-Motiv ist ja die Umkehrung des Erda-Motivs! Und auch das Fluchmotiv ist sehr präsent, ebenso wie das Ring-­ Motiv und viele weitere Motive, die uns seit Rheingold in verschiedensten Formen begleitet haben. Und natürlich Siegfrieds Hornruf, der nun stark verbreitert in anderen Instrumenten wiederkehrt und den vielleicht etwas älteren Helden charak­ terisiert. Dabei erzählt das Stück in erster Linie von negativen Ereignissen und Affekten, von Verlust, Verrat, Demütigung, Angst, Machtgier usw. Aber es erzählt auch – vor allem am Schluss – von Verklärung. Die letzten Seiten dieser Partitur gehören für mich zum Schönsten, was überhaupt je komponiert wurde. Nicht nur, weil hier viele zuvor gehörte Leitmotive noch einmal kunstvoll miteinander ver­ woben werden. Sondern vor allem, weil neben dem Ende der Götter auch die Hoffnung auf etwas Neues aufscheint. Die Götter mögen die ganze Welt in ihren Untergang hineinreissen, aber die Hoffnung können sie nicht zerstören. Sie haben die Figuren angesprochen, die in der Götterdämmerung neu hinzukommen – Gunther, Gutrune und Hagen, Alberichs Sohn. Für ihn hat Wagner sich besonders dunkle Farben aufgespart… … und das Intervall, das in der Musikgeschichte für das Böse schlechthin steht, den Tritonus, den Diabolus in Musica. Die beiden Gibichungen sind sicherlich nicht besonders sympathische Zeitgenossen, aber immerhin haben sie eigentlich keine


26 Götter­dämmerung

bösen Absichten und taumeln nahezu unschuldig in die Katastrophe. Hagen dagegen ist nicht einfach nur böse, sondern er versteht es auch, die Menschen in seiner Umgebung zu manipulieren, sie für seine Interessen zu missbrauchen. Das macht ihn so gefährlich. Die grausig-düstere Aura, mit der seine Musik ihn umgibt, macht das sehr deutlich. Aber sie ist auch erfüllt vom Ausdruck tiefer Trauer und trostloser Einsamkeit. In der Götterdämmerung gibt es zwei grosse Orchesterzwischenspiele, Siegfrieds Rheinfahrt und die Trauermusik… Wenn man diese beiden Zwischenspiele hört, fragt man sich wirklich, warum Wagner nie eine Sinfonie komponiert hat! Er hat die Imaginationskraft, nur durch seine Musik grosse Geschichten zu erzählen. Die Tondichtungen von Richard Strauss wären ohne Wagners Orchesterzwischenspiele nicht denkbar. Ist Siegfried Ihrer Meinung nach ein Held? Wie zeichnet ihn die Musik? Siegfried ist eine grösstenteils positive Gestalt, aber ein Held? Ich glaube nicht, dass man ihn so nennen kann. Zum Helden wird einer, wenn er sich für etwas auf­ opfert, was grösser ist als er selbst. Siegfried tut, genau betrachtet, gar nichts, was über seine persönlichen Interessen hinausgeht. Er ist sich nicht einmal der Macht des Rings bewusst; für ihn ist der Ring nur ein Liebespfand, das er Brünnhilde übergibt. Siegfried hat keine Angst, aber auch kein Bewusstsein für das, was er tut. Es passiert ihm. Er ist zu naiv für die Welt, in die er am Hof der Gibichungen hineingerät, und kann deshalb von Hagen benutzt werden. Wenn er gar nicht der grosse Held ist, den es zu betrauern gilt – warum klingt dann die Trauermusik stellenweise so heroisch? Sie klingt heroisch, weil sie eine verlorene Hoffnung betrauert – die Hoffnung, dass Siegfried derjenige sein wird, der die Dinge wieder ins Lot bringt. Das tut er nicht, und er ist für eine solche Aufgabe auch gar nicht geeignet. Aber seine fröhliche Naivität lässt die Hoffnung auf eine Welt aufkommen, in der so ein Vertrauen in das Gute nicht in den Untergang führt. Das ist nicht die Welt, wie sie gegenwärtig ist, und das betrauert diese Musik. Der letzte grosse Monolog gehört Brünnhilde – sie stürzt sich in die Flammen, und die Rheintöchter erhalten so den Ring zurück. Brünnhilde übernimmt – im Gegensatz zu Siegfried – Verantwortung. Schon in der Walküre hat sie ihrem Vater Wotan nicht gehorcht, sondern ist ihren eigenen Weg gegangen, ohne Wotans Strafe zu fürchten; nun opfert sie sich selbst, um den Ring zurückzugeben. Damit ist sie es, die das kaputte System zum Einsturz bringt. Und die Musik macht – wie gesagt – Hoffnung darauf, dass Brünnhildes Opfer nicht vergebens sein wird. Wagner hat sich ein Motiv, das gemeinhin Erlösungs­motiv genannt wird und zum ersten Mal in der Walküre erklingt, bis ganz zum Schluss aufgespart; im Siegfried erklingt es nie, und in der Götterdämmerung erst ganz am Schluss. Es taucht zum ersten Mal auf, wenn Sieglinde erfährt, dass sie schwanger ist; das weit ausschwingende, alles überstrahlende Motiv erklingt zu Sieglindes Worten «O hehrstes Wunder», drückt also das Glück der künftigen Mutterschaft aus. Dass es nun, am Schluss der Götterdämmerung, wieder erklingt, während Walhall brennt und der Rhein über die Ufer tritt, weist darauf hin, dass zwar die Götter untergehen, also das System kollabiert – aber etwas Neues kann beginnen: Die Musik spricht von Mutterschaft, mithin von Liebe und neuem Leben. Wie das Neue aussehen wird, erfahren wird nicht, aber in einem Punkt ist der Schluss eindeutig: Das Leben geht weiter, und so lange Leben ist, ist Hoffnung. Der Zusammenbruch der Götterherrschaft ist nicht das Ende. Das Gespräch führte Beate Breidenbach


Auf dem Pult 27

Götterdämmerung Michael Salm, stellvertretender Stimmführer der 2. Geigen, über das Erlösungsmotiv in Richard Wagners Oper

Wagners Götterdämmerung habe ich be­ reits 33 Mal gespielt, über die Hälfte davon in Bayreuth. Es ist ein Glück, dass ich das so oft erleben durfte und mir all­ mählich ein gesamthaftes Hören aneignen konnte: zu realisieren, was die anderen Stimmen machen, zu beobachten, wie raffiniert Text und Musik ineinanderge­ hen. Das ist ein grosser Genuss. Dass ich mich inzwischen von meiner eigenen Stimme lösen kann, hilft mir auch, dieses riesige Stück ohne Ermüdungserschei­ nungen zu überstehen. Aus diesem Werk eine Lieblingsstelle auszusuchen, ist un­ möglich. Ich liebe die Waltraute-Szene im 1. Akt, die viele als Verzögerung des dramatischen Flusses sehen, die aber sehr bemerkenswert ist, nimmt sie doch das Ende der Oper bereits vorweg: Waltraute klagt, dass Wotan Scheite aus der Welte­ sche schichten liess, um Walhall und die Götter in Flammen aufgehen zu lassen. Es ist eine harmonisch sehr interessante Stelle, sanft und reflektierend. Man könnte auch über den Trauermarsch als grosses instrumentales Highlight reden. Hier sind die 2. Geigen zusammen mit den Brat­ schen besonders wichtig, da sie dem Trauer­marsch etwas Zwingendes, Uner­ bittliches verleihen. Das Nonplusultra ist für mich jedoch Brünnhildes Schlussge­ sang, und dort besonders der Moment, wenn die 2. Geigen zusammen mit der 1. Oboe das Erlösungsmotiv spielen und eine riesige musi­kalische Steigerung einläuten. Dieses Motiv wiederholt sich mehrfach in aufsteigenden Schritten; die 2. Geigen wechseln sich dabei mit den 1. Geigen ab. Das Motiv wird immer kurzatmiger, bis es sich ins Walkürenmotiv entlädt. Es ist die Zündung, wo Brünnhilde ihrem Pferd die Sporen gibt und ins Feuer springt. Brünnhilde hat den Ring mit sich genom­ men – die Welt ist vom Fluch erlöst. Das Erlösungsmotiv erklingt erneut 7 Takte vor Ende orchestral im Piano, läuft lang­ sam aus und endet in Des-Dur. Wer den Ring gut kennt, weiss: Das Erlösungsmo­ tiv ist bereits einmal in der Walküre auf­ geblitzt, wenn Sieglinde erkennt, dass sie mit Siegfried schwanger ist: «O hehrstes Wunder.» Michael Salm


28 Volker Hagedorn trifft …

Klaus Florian Vogt Klaus Florian Vogt gibt in Zürich sein Rollen­ debüt als Siegfried in Wagners «Götterdäm­ merung». Der weltweit gefeierte Tenor stand im letzten Sommer bei den Bay­reuther Fest­ spielen als Siegmund in «Die Wal­küre» und in der Titelpartie des «Tann­ häuser» auf der Bühne. Am Opernhaus Zürich war er in der vergan­ genen Spielzeit bereits in der Titelpartie des «Siegfried» zu erleben.

In Norddeutschland, wo er herkommt, würde man sagen, er hat die Ruhe weg. Das ist vielleicht sogar eine Grundvoraussetzung für diese Art von Berufsleben. Da kommt in Zürich kurz vor der Bühnenprobe für die Götterdämmerung, erster Aufzug, dritte Szene, die Anfrage aus Paris, ob er da als Lohengrin einspringen kann am nächsten Tag. Kurzer Austausch mit dem Intendanten in der Cafeteria, ob das gehen könnte. Klaus Florian Vogt ist völlig gelassen. Während man in der Pariser Oper wahrschein­ lich nervös auf den Nägeln kaut, wirkt das Thema bei ihm, als müsse nur geklärt werden, ob ein Stuhl links oder rechts steht. Sie lassen das erstmal offen und kümmern sich in der Probe um Komplizierteres, nämlich wie Siegfried als Unsichtbarer seiner Brünnhilde – von der er vergessen hat, dass sie seine Braut ist – glaubwürdig den Ring entreissen kann. Immer mit Klavier und Gesang, denn die Bewegungen müssen ja der Musik folgen, und mit endlos viel Geduld. Ehe es um die Emotionen gehen kann, in dieser Szene so vielschichtig wie selten, muss die Choreografie gebastelt werden, und in diesem Modus klingt es noch wie eine freundliche Ansage, wenn Vogt, sanfter Hüne in Jeans und mit dem Tarnnetz auf dem blonden Haar, an Gunthers Stelle singt: «In deinem Gemach musst du dich mir vermählen!» Da hört man aber schon die Klarheit in dieser Stimme, aus der er so unendlich viele Farben holen kann. Dass die Emotionen auch in einer Probe so hochkochen können wie sonst nur in den besten Momenten einer Aufführung, dazu kommen wir später, im Foyer, wo Klaus Florian Vogt mir erstmal von seinem Weg zum Siegfried erzählt, der sich bei unserem letzten Treffen vor neun Jahren durchaus schon abzeichnete. Da sang er gerade den Lohengrin in Bayreuth und sagte auf die Frage, was denn an den Partien des Siegfried und des Tristan so grossen Respekt auslöse: «Das weiss ich auch nicht. Darauf bin ich sehr gespannt.» Er lacht schallend, als ich ihn daran erinnere. «Jetzt ist es soweit mit dem Herausfinden», meint er und ergänzt: «Man sollte vor jeder Rolle Respekt haben.» Vielleicht ist er ein bisschen ernster geworden, ansonsten eher reifer als älter, so durchtrainiert, wie er da sitzt. Aber wenn er lacht, bricht es jählings hell und übermütig aus ihm heraus. Seinen ersten Tristan singt er nächstes Jahr an der Semperoper, in Bayreuth auch beide Siegfrieds, den im Siegfried und den in der Götterdämmerung, für die er dann schon seine Erfahrungen aus Zürich mitbringt. Das schwere Heldenfach? «Das wird so genannt, ja. Ich seh’ das nicht so, ich singe ja den Siegfried technisch nicht anders als den Lohengrin, lauter oder so. Ich gehe von der Figur aus, von der Orchesterfarbe, von der jeweiligen Situation, und von da kommt der Stimmausdruck.» Aber es seien nun mal grosse und lange Partien, «und wenn man noch nicht so erfahren ist und die Stimme technisch noch nicht so gereift, lässt man sich von so einem dicken Orchester­ klang hinreissen, dagegen anzugehen, und das ist eine grosse Gefahr. Dass man überzieht, forciert. Dadurch wird man müde, und das ist nicht so erstrebenswert.» Er lacht wieder. «Mit mehr Erfahrung spürt man besser, wie weit man gehen kann. Beim Siegfried war es so, dass es irgendwann keine Passage mehr gab, wo ich mir hätte Sorgen machen müssen, oh, das ist ja so hoch oder so lang oder so laut… Darauf habe ich gewartet.» Dazu komme so etwas wie beim Krafttraining. «Wenn man mehr Muskeln will, muss man neue Reize setzen, zum Beispiel die Gewichte erhöhen oder die Frequenz. Das ist auch mit der Muskulatur so, die die Stimme hält.» Abgesehen davon sei Wagner ja keineswegs nur laut. «Klar gibt’s laute Stellen! Ein richtig fettes Orchester-Fortissimo, das liebe ich!» Da jubelt noch der Hornist im Sänger mit, der im Graben der Hamburgischen Staatsoper früher selbst solche Fortissimi blies. «Aber es ist viel schöner, wenn es ganz grosse Gegensätze gibt.


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Wagner schreibt sehr oft piano, und gerade bei Parlando-Stellen macht er das Or­ chester wirklich leise, wie bei dem verträumten Waldweben im Siegfried, nur so eine Fläche unter der Stimme, das darf auch was Zartes haben. Ich sehe uns in solchen Momenten ein bisschen wie als Märchenerzähler. Ja, wir erzählen eigentlich ein Märchen, und wenn ich was erzähle, möchte ich, dass mein Gegenüber das versteht. Bei Wagner sind Text und Musik wirklich ineinander verwoben und gleichberechtigt zu singen. Wenn man seine Melodieführung und die Pausen genau befolgt, merkt man, dass der ganze Text sehr organisch ist. Es gibt wenige Stellen, wo man Gefahr läuft, sich die Zunge zu brechen. Für mich ist das alles wunderbar singbar.» Aber einfaches Märchendeutsch ist es ja nicht gerade. «Es ist im Ring schon deswegen schwer zu verstehen, weil die Geschichte so kompliziert ist! Es ist wichtig, diesen Text für sich selbst, aber auch für das Publikum zu entflechten, sonst versteht man ja gar nichts mehr. Das ist ein Grossteil der szenischen Arbeit, dass wir uns untereinander klar machen: Was sagt der eigentlich? Das ist mit Andreas Homoki als Regisseur so, dass man es am Ende versteht. Ich bin unheimlich froh, diese beiden Siegfrieds mit ihm zu machen, weil er sehr nah am Stück bleibt, weil man die Grund­ linien dieses Charakters versteht und sein Verhältnis zu den anderen. Wenn man gleich beim Rollendebüt etwas Verdrehtes machen muss, kriegt man diesen Zugriff nie. So habe ich für die beiden Partien ein tolles Gerüst, in dem ich die mit der Zeit auch erweitern kann.» Wie unterscheiden sich denn die beiden Siegfrieds? Immerhin hat Richard Wag­ ner den Siegfried nach dem zweiten Aufzug 1857 erstmal liegen lassen, Tristan eingeschoben und ab 1869 dann den Ring fertig komponiert. Manche finden, der Held sei in der Götterdämmerung ganz anders geworden, es seien sogar zwei so verschiedene Partien, dass der Sänger sich umstellen müsse. Das findet Vogt nicht, anders als sein Kollege Stephen Gould, der jetzt so früh gestorben ist. «Das hat mir Stephen auch erzählt. Natürlich ist von der Anlage der frühere Siegfried anders, viel mehr spielerische Elemente, und beim späteren geht es in der Harmonik viel weiter. Aber ich glaube nicht, dass man den anders singen muss. Es wird immer gesagt, das ist der erwachsene Siegfried. Quatsch, der hat genau dieselbe Frische und Direktheit. Man könnte sich sogar vorstellen, dass zwischen dem Ende des Siegfried und dem Beginn der Götterdämmerung nur eine Nacht mit Brünnhilde liegt. Wovon soll der denn reifer und erfahrener geworden sein? Dagegen spricht auch, dass er auf die ganzen Betrügereien reinfällt. Der glaubt gar nicht, dass es böse Menschen gibt.» So prägt auch das Konzept einer Rolle den Umgang mit der Stimme, die Farben, die er findet. Wie ist das bei der Partie, die ihm vor 20 Jahren den internationalen Durchbruch bescherte, dem Lohengrin? Gibt es verschiedene Lohengrins in ihm? «Ganz viele! Und die werden oft vermischt», sagt er. «Ich habe da inzwischen eine Schatzkiste von Ausdrucksmöglichkeiten. Da kommen auch immer noch neue dazu.» Und wenn mit Tristan die Heldenwelt komplett ist, wird ihm nicht die Aussicht auf noch zu erobernde Gipfel fehlen? «Das ist nicht, was mich antreibt, sondern da eine Tiefe zu entdecken. Jeder Abend, den man mit den Wagnerpartien durchlebt, ist ja schon selbst das Erklimmen eines Gipfels.» Es gibt aber noch etwas, das Klaus Florian Vogt antreibt. «Adrenalin ist die vielleicht einzige Droge, die ich brauche. Das brau­ chen Sportler ja auch, um eine Höchstleistung zu bringen.» Und das gebe es nicht nur mit Publikum, sondern auch in den Proben. «Man muss in Proben ja erforschen, wo kann ich hingehen, emotional. Da passiert es schon, dass es mit einem durch­ geht…» Ein bisschen zusätzliches Adrenalin hat er sich für den nächsten Tag auch schon gesichert. Nach der Vormittagsprobe, auf der besteht Regisseur Andreas Ho­ moki, wird er nach Paris fliegen und abends den Lohengrin singen. Wer dirigiert denn? «Weiss ich nicht!» Er lacht. «Wird schon jemand da sein!» Volker Hagedorn


30 Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Aus dem Spiel her Kai Anne Schuhmacher inszeniert die Familienoper «Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer» aus der Perspektive eines spielenden Kindes. Ein Gespräch Fotos Michael Sieber

Seth Tietze und Janna Mohr mit den Wüstengeiern


aus erzählt


32 Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Kai Anne Schuhmacher, du inszenierst zum ersten Mal auf der Hauptbühne des Opernhauses und bringst Michael Endes Jim Knopf auf die Bühne. Welche Erinnerungen verbindest du selbst mit dieser Geschichte? Ich bin mit Michael Endes Büchern gross geworden. Unsere Eltern haben sie uns sogar mehrmals vorgelesen. Als Kind überlegt man sich natürlich nicht, warum man von guten Geschichten begeistert ist. Aber im Nachhinein würde ich sagen, dass mir die Fantasiewesen besonders gut gefallen haben, auf die Jim und Lukas auf ihrer Abenteuerreise stossen, etwa der Scheinriese Tur Tur oder der Halb­drache Nepomuk. Sehr gut kann ich mich auch an das Perpetuum Mobile erinnern, das Jim und Lukas im zweiten Band bauen, ein Fluggerät, das mithilfe von Magneten durch die Luft fliegen kann. Ich habe damals selbst mit zwei Magneten gespielt, und für mich war es ganz klar, dass sowas funktioniert und dass damit alle Umwelt­ verschmutzungsprobleme gelöst wären! Lukas der Lokomotivführer hat mich aus­serdem an meinen Opa erinnert, der eine wichtige Bezugsperson für mich war. Mein Opa hat über Menschen nie geurteilt. Ob schräg oder unfreundlich, er hat sie einfach so angenommen, wie sie sind. Und das macht Lukas auch. Selbst beim Anblick des zunächst bedrohlich wirkenden Scheinriesen Tur Tur, vor dem sich Jim erschreckt, bleibt Lukas gelassen und sagt: Bloss weil er gross ist, muss er noch lange kein Ungeheuer sein! Wir zeigen Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer als Familienoper von der Komponistin Elena Kats-Chernin. Wie wird die Geschichte in dieser Version erzählt? Die Oper erzählt die Geschichte ganz ähnlich, wie wir sie aus dem Buch kennen, wenn auch sehr gerafft. Jim und Lukas reisen ja mit der Lokomotive Emma durch die Welt. Alle wichtigen Stationen dieser Reise kommen in der Oper vor und kriegen durch die Musik jeweils eine besondere Atmosphäre. Einige Stationen sind in der Oper sogar etwas stärker ausgebaut als im Buch, etwa wenn die Loko­ motive Emma zum Schiff wird und Jim und Lukas durch den Ozean nach Mandala reisen. Dort angekommen, entschliessen sie sich, die vermisste Prinzessin Li Si zu retten, und setzen ihre Reise fort durch den Tausendwunderwald, das Gestreifte Gebirge, die Wüste, das Tal der Dämmerung und das Land der Vulkane, bis sie schliesslich die Drachen­stadt erreichen, wo Li Si gefangen gehalten wird... Lauter attraktive Situationen für das Theater. Wie löst du diese Reise-Erzählung in deiner Inszenierung? Uns war es wichtig, die Geschichte aus der Perspektive eines Kindes zu erzählen. Michael Ende hat von sich selber einmal gesagt, dass er immer ein Stück weit das Kind geblieben sei, das er einmal war. Ich wollte die Geschichte daher so zeigen, als würde ein Kind sie gerade erfinden. Unsere Inszenierung beginnt deshalb mit dem Ort, wo Kinder oft spielen, nämlich mit einem leeren Fussboden. Auf diesem Boden wird die Handlung im eigentlichen Sinne des Wortes erspielt. Das Prinzip des Spielens erlaubt uns in der Wahl der Mittel grosse Freiheit. So zum Beispiel auch was die Lokomotive Emma betrifft. Wenn man das realistisch dar­stellen will, hat man immer diese riesige Lokomotive auf der Bühne, was ich ein bisschen einschränkend fand... Ich habe deshalb entschieden, alles aus dem Spiel heraus zu erzählen und neben den Darstellern auch mit Puppen, Figuren und Objekten sowie mit ganz verschiedenen Perspektiven zu arbeiten. Die Lokomotive Emma sehen wir zunächst als kleine Modell-Eisenbahn über die Insel Lummerland fahren, bevor sie später etwa die Grösse eines Haustiers hat und von den Dar­stellern bewegt werden kann. Es gibt also unterschiedlich grosse Versionen der Figuren, die es uns erlauben, magische Momente zu erzeugen und die Fantasie­ kraft, die wir aus Michael Endes Büchern kennen, auf die Theaterbühne zu über­ tragen. Bei den kleinen Versionen arbeiten wir natürlich mit einer Live-Kamera, die wie ein Vergrösserungsglas funktioniert, beispielsweise wenn die Lokomotive


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Kai Anne Schuhmacher mit der Lokomotive Emma

im Tausendwunderwald an riesigen Pilzen vorbeifährt, die in Wirklichkeit so klein sind wie ganz normale Pilze. Ausgangspunkt der Reise ist Lummerland. Was ist das für ein Ort? Lummerland ist eine sehr kleine Insel, auf der nur ein König, zwei Untertanen und Lukas der Lokomotivführer wohnen. Im Gegensatz zu Michael Endes Buch ist in der Oper auch Jim Knopf von Anfang an auf dieser Insel. Wie er dorthin ge­ kommen ist, erfährt man hier erst später. Die Komposition von Elena Kats-Chernin beginnt mit dem Lummerland-Lied, in dem eine heile Welt besungen wird, in der «jeder Kummer unbekannt» ist. Ein solcher Ort, an dem immer alles toll und wunderbar ist, macht mich persönlich skeptisch. Vielleicht glauben die Lummer­ länder ja wirklich, dass bei ihnen alles in Ordnung ist. Sie wohnen ja auf einer Insel und haben gar keinen Vergleich. Ich habe aber das Gefühl, dass hinter dieser Fassade vielleicht auch etwas im Argen liegt. Darum ist es um so wichtiger, dass sich der König Sorgen macht. Er befürchtet, dass die Insel zu klein für alle sein wird, wenn Jim Knopf einmal erwachsen ist. Mit diesem Zweifel löst er die Abenteuer­ reise von Jim und Lukas aus und sorgt damit für Veränderung auf der Insel. Eine wichtige Station der Reise ist Mandala, wo Jim und Lukas auf eine fremde Bevölkerung und deren Kaiser treffen. Michael Ende hat sich für diese Welt klar von China inspirieren lassen und dabei einige Klischees bemüht. Wie gehst du in deiner Inszenierung damit um?


Janna Mohr, Daniel Jeroma und Stephan Eberhard mit Ping Pong

Ich bin dankbar für den Namen Mandala, unter dem man sich etwas sehr Fantasie­ volles vorstellen kann. Im gesungenen Text heisst es auch, dass Mandala ein märchenhaftes Zauberland sei. Wenn man sich von Michael Endes China-Assozia­ tio­nen und den Illustrationen, die man aus seinem Buch oder der Augsburger Puppenkiste kennt, freimacht, kommt man auf ganz neue Ideen, was das sein könnte. Die Musik von Elena Kats-Chernin hat in diesen Szenen zwar deutliche Anklänge an eine Tonalität, die man traditionellerweise mit der asiatischen Kultur verbindet, auch durch eine elektronische Geige und ein Akkordeon, die hier eingesetzt werden und zwei chinesischen Instrumenten nachempfunden sind. Auf der Bühne wollten wir diese Welt aber stärker abstrahieren und haben uns für eine Welt aus Papier entschieden. Auch diese Welt entsteht aus der Perspektive eines Kindes. Ausgehend von einem einzelnen Blatt Papier entsteht eine Mobile-artige Welt, die sich über die ganze Bühne ausbreitet. Sind die Personen, die in Mandala auftreten, ebenfalls Teil dieser Welt? Jede Station, die Jim und Lukas bereisen, hat ihre eigene Ästhetik, in die sich auch die Figuren einfügen. In Mandala setzen sich auch die Figuren aus papierartigen Materialien zusammen, zum Beispiel der quirlige Ping Pong, der ein bisschen aussieht, als wäre er gefaltet. In der trockenen Wüste kommen dann zwei Geier vor, die praktisch nur aus Haut und Knochen bestehen. Und für die Figuren der Drachenstadt haben wir wiederum ein anderes Material gewählt, das ebenfalls mit der Perspektive von Kindern zu tun hat: Die meisten Kinder fürchten sich ja vor


Drachen. Und wir haben uns gefragt, wo diese Angst lokalisiert ist und wie sie sich zeigt. Bei Kindern kommt die Angst oft nachts und in den Albträumen. Deshalb sind unsere Drachen an die Ästhetik von Bettdecken angelehnt. Die Figuren und Objekte in deiner Inszenierung müssen von den Dartstellenden geführt werden. Für Sängerinnen und Sänger ist das nicht alltäglich. Wie lernen sie das? Es ist für die Sängerinnen und Sänger tatsächlich eine besondere Herausforderung, sich neben dem Gesang auch noch auf das Führen von Figuren zu konzentrieren. Aber ich habe damit bereits viele gute Erfahrungen gemacht und weiss, dass es mit etwas Übung immer gelingt. Zu Beginn der Proben haben wir in einem Workshop viel experimentiert und probiert. Das hilft dabei, die Angst vor dieser Auf­ gabe zu verlieren. Ich finde sogar, dass dieser spielerische Aspekt einen positiven Einfluss auf die Bühnenpräsenz haben kann. Beim Puppenspiel ist der Fokus nicht so stark auf dem eigenen Körper wie bei einer klassischen Opernprobe. Die Darstellenden müssen sich hier viel stärker auf die Umgebung und die Figuren konzentrieren. Das hilft ihnen oft, stärker aus sich heraus zu kommen. Wir haben bei Jim Knopf aber auch fünf professionelle und virtuose Puppenspieler:innen dabei, die im Stück sehr stark präsent sind. Ausser Lukas, der oft die Lokomotive Emma führt, muss keine Sängerin und kein Sänger seine Puppe alleine führen. Sie werden immer von den Puppenspielern unterstützt. Was gilt es beim Puppenspiel besonders zu beachten? Puppe und Spieler müssen im Lauf des Probenprozesses ideal zusammenwachsen. Das bedeutet zunächst, dass eine Puppe so lange weiterentwickelt, verändert und angepasst werden muss, bis die Spieler:innen sie optimal führen können. Wir kaufen die Figuren ja nicht einfach. Sie werden geplant, gebaut und dann während den Proben immer weiter optimiert. Im klassischen Puppenspiel ist eigentlich das Material der Ausgangspunkt für alles. Puppenspieler versuchen sozusagen Material zum Leben zu erwecken, ihm einen Charakter und eine Geschichte zu geben. Bei der Oper ist es ein bisschen komplizierter: Hier ist bereits ein Stimmtypus und ein Charakter vorgegeben, zu dem wir das passende Material finden müssen. Im Moment des Puppenspiels ist es dann wichtig, dass die Darsteller nicht zu sehr als Schauspieler fungieren, sondern die Energie durch die Puppe fliessen lassen. «Energy flows where focus goes» ist eine ganz einfache Regel des Puppenspiels. Dort wo man hinschaut, geht der Fokus hin, und dorthin lenkt man auch die Blicke des Publikums. Wie sind die Puppen für diese Produktion entstanden? Das war ein sehr langer Prozess. Zuerst habe ich zusammen mit der Ausstatterin Elisa Alessi über Charaktere nachgedacht und erste Entwürfe gemacht. Das ist eine komplexe Denkarbeit, weil man dabei auch schon genau berechnen muss, wie viele Puppenspielerhände wann und wo eingesetzt werden müssen. Der Torwächter in Mandala, der ein riesiges Gesicht hat, erfordert zum Beispiel alleine schon vier Spieler. Im nächsten Schritt ging es darum, diese Charaktere in Einklang mit dem Bühnenbild zu bringen, also die Ästhetik und die Materialien zu definieren. Und schliesslich geht es dann um die Mechanik, mit der die Puppen geführt und bewegt werden. An diesem Punkt sind wir mit unseren Ideen und Entwürfen zu dem Puppenbauer Jan Vágner und zu Andreas Gatzka und der Theaterplastik-­ Abteilung im Opernhaus gegangen, die die Puppen und die komplexen mecha­ nischen Strukturen dann ertüftelt und in die Tat umgesetzt haben. Elisa und ich haben auch in dieser Phase eng mit den Werkstätten zusammengearbeitet, weil Elisa die Stoffe für die Kostüme auswählt und mir selbst der Ausdruck der Figuren sehr wichtig ist. Da bin ich sehr detailversessen und will dann beispielsweise, dass ein Geier ein bisschen schielt und der andere eine Brille hat ...

Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer Familienoper von Elena Kats-Chernin Musikalische Leitung Ann-Katrin Stöcker Inszenierung Kai Anne Schuhmacher Ausstattung Elisa Alessi Lichtgestaltung Franck Evin Choreinstudierung Janko Kastelic Dramaturgie Fabio Dietsche Jim Knopf Georgina Fürstenberg Lukas der Lokomotivführer Ruben Drole / Andrew Moore Alfons der Viertel-vorZwölfte / Nepomuk, ein Halbdrache / Oberbonze Pi Pa Po Gary Martin / Valeriy Murga Frau Waas / Frau Mahlzahn Irène Friedli / Liliana Nikiteanu Herr Ärmel / Herr Tur Tur / Geier 1 Maximilian Lawrie / Raúl Gutiérrez Ping Pong Flavia Stricker / Dominika Stefanska Li Si, Prinzessin von Mandala Rebeca Olvera / Yewon Han Der Kaiser von Mandala, Li Sis Vater / Geier 2 Martin Zysset / Christopher Willoughby Puppenspieler:innen Marius Kob Janna Mohr Stephan Eberhard Daniel Jeroma Seth Tietze Philharmonia Zürich Kinderchor SoprAlti der Oper Zürich


Premiere 19 Nov 2023 Weitere Vorstellungen 26 Nov; 2, 17, 31 Dez 2023; 1, 5, 21, 28 Jan 2024 Unterstützt von

Die beiden Autorinnen Julia Voss und Asal Dardan, mit denen ich für die folgenden Seiten dieses Magazins gesprochen habe, sehen in Michael Endes Erzählung viele Aspekte, die vor allem aus der Sicht von Erwachsenen interessant sind. Julia Voss hat beispielsweise entdeckt, dass Michael Ende darin auf historische Ereignisse reagiert. Warum ist diese Oper aus deiner Sicht auch für Kinder geeignet? Michael Ende hat selber gesagt, dass er gar nicht explizit für Kinder geschrieben hat. Aber die richtig guten Geschichten eignen sich in der Regel für alle Alters­ klassen. Das ist ja beispielsweise auch bei den Märchen so. Und bei Jim Knopf ist das meiner Meinung nach auch der Fall. Ich glaube, dass die Kinder in dieser Oper von den Fantasiewelten begeistert sein werden, die wir kreieren. Und vielleicht kommt der eine oder andere Erwachsene bei dem Schild «Der Eintritt ist rein­rassigen Drachen bei Todesstrafe verboten», das wir ganz subtil in die In­szenierung einfliessen lassen, ins Grübeln, oder wundert sich, warum alle Lummerländer aussehen, als wären sie von Burberry eingekleidet worden. Über diese historischen Bezüge, die Julia Voss in ihrem Buch Darwins Jim Knopf beschreibt, denkt natürlich kein Kind nach, aber wir versuchen in dieser Familien­ oper auch, den Erwachsenen ein paar Denkanregungen mitzugeben. Das Gespräch führte Fabio Dietsche

Elena Kats-Chernin Die Komponistin Elena Kats-Chernin ist eine Kosmopolitin. Geboren wurde sie 1957 in Tasch­ kent, der Hauptstadt von Usbekistan. Aufgewach­ sen ist sie in Russland. Mit 14 Jahren begann sie an der Moskauer Gnessin-Musikakademie zu studieren. Im Alter von 17 Jahren wanderte sie mit ihrer Familie nach Australien aus, wo sie ihr Studium in Sydney fortsetz­te. Dort wurde ihr als erster Absolven­tin ein Doppel-Abschluss als Pia­ nistin und Komponistin gewährt. Anschliessend lebte sie über ein Jahrzehnt in Deutschland, wo sie bei Helmut Lachenmann in Hannover stu­ dierte, viel Musik für Schauspiel und Tanz kom­ ponierte und eng mit dem Ensemble Modern zusammenarbeitete. Seit 1994 lebt sie wieder in der Nähe von Sydney.

Das umfangreiche kompositorische Werk von Elena Kats-Chernin umfasst nahezu alle Gattun­ gen und kann als persönliches Amalgam verschie­ dener Einflüsse beschrieben werden, darunter Elemente der Minimal Music, klassische Vor­ bilder, Tanzhaftes und Folkloristisches. Zur Er­ öffnung von Barrie Koskys Intendanz 2012 an der Komischen Oper Berlin instrumentierte sie die drei Opern von Claudio Monteverdi neu. Beson­ ders erfolgreich ist sie im deutschsprachigen Raum mit ihren Opern für junges Publikum: Jim Knopf und Lukas der Loko­motivführer wurde 2019 an der Komischen Oper Berlin uraufgeführt. Im November 2023 gelangt dort ihre neue Familien­ oper Nils Holgerssons wundersame Abenteuer zur Uraufführung.


Daniel Jeroma und Stephan Eberhard mit dem Halbdrachen Nepomuk


Sollen wir «Jim Knopf» canceln?

In unserer Debatte um die Themen Diskriminierung, Rassismus und Vielfalt haben wir in den vergangenen MAG-Ausgaben die Werke und Umgangsformen des Opernbetriebs kritisch unter die Lupe genommen. In dieser Folge geht es um Michael Endes Buch «Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer», das unserer Familienoper zugrundeliegt und aufgrund seiner Darstellungen kultureller Identität in der Kritik steht. Alle Debattenbeiträge finden sie online unter www.opernhaus.ch/backstage/debatte


Wie toxisch ist das Opernrepertoire? 39

Diskriminierung ist leider nicht historisch, sondern gegenwärtig In Michael Endes «Jim Knopf» kommt ein Schwarzer Junge per Post auf einer Insel an und erforscht das Geheimnis seiner Herkunft. Die Autorinnen Julia Voss und Asal Dardan über die historischen Hintergründe und die Frage, ob sich das Buch für Kinder von heute eignet

Julia Voss, Sie haben unter dem über­ raschenden Titel Darwins Jim Knopf ein Buch über Michael Endes Best­ seller geschrieben. Was hat Darwin mit Jim Knopf zu tun? Julia Voss: Ich hatte mich anlässlich meiner Doktorarbeit mit Charles Darwin und der Evolutionstheorie beschäftigt. Dabei habe ich entdeckt, dass ein Kind, das mit Darwins Biografie verknüpft ist, die Schlüsselfigur für Michael Endes Jim Knopf ist: Darwin hat von 1831 bis 1836 die Welt umsegelt und war auf dem gleichen Schiff wie ein Junge, der aus dem südamerikanischen Feuerland nach England mitgenommen worden war, um dort zum Engländer erzogen zu werden. Heute würden wir von einer Entführung sprechen. Dieser Junge hiess Jemmy Button. Als ich später eine Biografie über diesen Jungen mit dem Titel Der Mann, der für einen Knopf verkauft wurde in einer Buchhandlung entdeckte und Jim Knopf noch einmal las, bin ich auf so viele Parallelen – etwa zwischen dem fiktiven Lummerland und dem England des 19. Jahrhunderts – gestossen, dass es unmöglich ein Zufall sein kann. Asal Dardan, Sie haben einen Text zu Jim Knopf verfasst, der unlängst im Band Canceln – Ein notwendiger Streit erschienen ist. Warum haben Sie sich für diesen Stoff interessiert? Asal Dardan: Ich wurde für diesen Band angefragt und habe zuerst ge­

zögert, weil mich der Begriff «Canceln», so wie er im Moment diskutiert wird, wenig interessiert. Ich habe mich damals aber mit Kinderbuchautorinnen und -autoren beschäftigt, die ihre eigene Kindheit während des Zweiten Weltkriegs erlebt haben, darunter auch mit Michael Ende, der für mich als Kind der prägendste Autor war. Daher fand ich es interessant, im Zuge des aktuellen Diskurses, der oft auch Kulturkampf genannt wird, meine eigenen Vorstellun­ gen von Jim Knopf noch einmal wohlwollend und zugewandt abzuklopfen und zu überprüfen. Dazu kommt mein generelles Interesse für afrodeutsche Diskurse und Publikationen. Das Buch von Julia Voss war dabei ebenfalls eine wichtige Quelle. Allerdings bin ich in manchen Punkten anderer Ansicht.

«Michael Ende hat in diesem Buch seine Kindheitserfahrungen im Nationalsozialismus verarbeitet.» Julia Voss

Wie ist Michael Ende auf den histori­ schen Jemmy Button gestossen? Julia Voss: Ich habe mich gefragt, welche Quelle er für sein Buch gehabt haben könnte. Dass er Darwins Reisebericht gelesen hat, erschien mir unwahrscheinlich. Bei der Recherche bin ich auf das Buch Jemmy Button von Benjamin Subercaseaux gestossen, das Ende gekannt haben muss. Es stammt aus den 1950er-Jahren und beschreibt das Schicksal dieses Jungen umfang­reicher und kritischer als Darwins Reisebericht. Subercaseaux erzählt, dass Jemmy Button entführt wurde und in England Gewalt und Diskriminierung erlebt hat. Ausserdem hat mich inter­essiert, warum aus diesem Feuerländer in der Fiktion ein Schwarzer Junge wird. Dabei bin ich auf antirassistische Debatten ge­stossen, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland in Bezug auf die Kinder von Schwarzen amerikanischen Soldaten geführt wurden. Ich glaube, dass Michael Ende auch darauf reagiert hat. Mit dem historischen Vorbild und den Schwarzen Kindern der Nachkriegszeit über­lagern sich also zwei Themenfelder. Asal Dardan: Mir ist es wichtig zu ergänzen, dass die Geschichte von Afrodeutschen nicht erst mit den ameri­ kanischen Soldaten im 20. Jahrhundert begonnen hat, sondern viel älter ist. Diese oft gewaltvolle Geschichte sollten wir nicht ausblenden, wenn wir über die Darstellung von Schwarzen Menschen aus deutscher Sicht sprechen.


40 Wie toxisch ist das Opernrepertoire?

Die deutsche Geschichte des 20. Jahr­ hunderts ist in Jim Knopf allerdings ganz besonders präsent... Julia Voss: Ich weiss gar nicht, wie man das so lange überlesen konnte! Die Stadt Kummerland, in die sich Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer aufma­ chen, um die Prinzessin Li Si zu befreien, wird von Drachen beherrscht. Am Eingang ist ein Schild angebracht, auf dem zu lesen ist: «Der Eintritt ist nicht reinrassigen Drachen bei Todesstrafe verboten», und aus der Stadt heraus raucht es wie aus einem Ofenloch. Das ist natürlich voller Referenzen zur schrecklichsten deutschen Geschichte. Ich habe mich daraufhin näher mit Michael Endes Kindheit beschäftigt. Er wurde 1929 geboren und hat in der Schule die schlimmste Phase der na­ tionalsozialistischen Erziehung erlebt. Das ist die Indoktrination, die Ende durchlaufen hat, und gegen die er dann versucht hat anzuschreiben. Insofern ist Jim Knopf voller Gegengeschichten: Michael Ende stellt den Mythos von Siegfried, dem Drachentöter, den die Nazis instrumentalisiert haben, auf den Kopf. Bei ihm verkörpern die Drachen die Nazis und werden von Jim und Lukas überwunden. Ausserdem treffen Jim und Lukas auf den Halbdrachen Nepomuk, der ausdrücklich daran leidet, dass er nicht «reinrassig» ist. Im Lauf ihrer Reise – vor allem im zweiten Band – begegnen sie immer weiteren Wesen, die nicht «der Norm entsprechen» und am Ende im Königreich Jimballa zusammenleben. Eine integrative und ins Positive gewendete Erzählung, so scheint es. Den Bezug zwischen dem Feuer­ länder Jemmy und dem Schwarzen Jim sehen Sie aber kritisch, Asal Dardan. Was stört sie daran? Asal Dardan: Mich stört dieser un­dif­ ferenzierte Umgang mit der Herkunft eines Menschen. Dieser Vorgang bekräftigt die koloniale Erzählung, dass solche Menschen «keine Geschichte» hatten, bevor die Weissen angekommen sind, um ihnen Namen und Bildung zu geben. Es macht eben einen grossen Unterschied, ob jemand aus Feuerland

«Mich stört dieser un­differenzierte Umgang mit der Herkunft eines Menschen.» Asal Dardan

kommt oder aus einem afrikanischen Land – alleine wegen der Art und Weise, wie diese Menschen auf dem amerika­ni­ schen Kontinent gelandet sind, nämlich die einen als Ureinwohner und die anderen als versklavte Menschen. Natürlich ist man in der ästhetischen Arbeit frei, und ich will Michael Ende auch nicht vorwerfen, dass er so vorgegangen ist. Aber ich glaube, in der Analyse dieses Textes spielt es eine Rolle. Julia Voss, Sie betonen Michael Endes erzählerische Fantasie besonders, die es erlaubt, «die Welt neu zu denken». Ist das nicht genau die Art von Er­ zählung, die wir und unsere Kinder heute dringend benötigen? Julia Voss: Michael Ende hat sich natürlich die Frage gestellt, wie das Leben nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust weitergehen kann. Seiner Meinung nach war es die Kunst, die eine Gegenwirklichkeit dazu schaffen kann. Er hat sich ja nicht als Autor gesehen, der explizit für Kinder schreibt. Er hat für alle Altersgruppen geschrieben und war der Ansicht, dass das Erzählen noch einmal auf einer anderen Schicht wirksam ist, als es der intellektuelle Diskurs sein kann. Daran hat er so stark geglaubt, dass er sich auch nie darauf eingelassen hat, seine Geschichten zu erklären. Wir sollten hier aber unterscheiden, welche Fragen wir beant­ worten wollen. Die Frage, ob sich Jim Knopf dafür eignet, in Kindergärten vorgelesen zu werden, hat nichts damit zu tun, dass Michael Ende in diesem

Buch seine Kindheitserfahrungen im Nationalsozialismus verarbeitet hat. Wenn Kinder heute negative Erfahrungen mit diesem Buch machen, dann ist das für mich das wichtigere Thema als mein historisches Interesse an diesem Stoff. Asal Dardan: Ich finde diese Differenzierung zwischen der Intention des Autors und der Wirkung des Buches in einer anderen Zeit sehr wichtig. Es stellt sich ja auch die Frage, ob Autoren immer in der Lage sind, dominante Denkmuster aufzuspüren, in denen sie selber aufgewachsen sind. Gestern habe ich zufällig im Radio gehört, dass Michael Ende in seinem Wunschpunsch und in Momo antisemitische Muster aufgreift – und trotzdem hoffe ich nicht, dass ihn jemand einen Antisemiten nennen würde. Natürlich finde ich Jim Knopf eine fantasievolle und lustige Geschichte. Und es berührt mich, dass Michael Ende darin seine Kindheit ver­ arbeitet hat. Aber diese Glorifizierung von etwas, mit dem wir selber aufgewachsen sind, finde ich fehl am Platz. Es werden heute auch neue Kinder­bücher geschrieben, und ich finde, es muss um die Kinder von heute gehen! Bei Jim Knopf ist für mich nicht einmal nur der Rassismus ein Problem, sondern gerade auch der Sexismus. Ich glaube nicht, dass ich meinen Kindern dieses Buch vorlesen möchte, allein schon wegen dieser Rollenbilder einer porzel­ lan­­puppenhaften Prinzessin und eines Schwarzen Jungen, die als Kinder verlobt und verheiratet werden. Und Li Si kriegt dazu noch ein Rubbelbrett zum Wäschewaschen und einen Haushaltskurs geschenkt... Ich möchte einfach hinterfragen, wem diese Nostalgie gilt, an der wir da festhalten, und ob die wirklich im Sinne von Kindern von heute ist. Julia Voss: Diese Nostalgie finde ich einen sehr wichtigen Punkt. Ich weiss nicht, warum sich viele Erwachsene so sehnlichst wünschen, dass ihre Kinder genau die Kinderbücher hören, die sie selbst als Kinder vorgelesen bekommen haben. Ich erinnere mich nicht, dass meine Eltern mir ihre eigenen «Klassiker» vorgelesen hätten, und würde auch


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sagen: Es ist wünschenswert, dass Kinder neue Bücher vorgelesen bekommen. Im 20. Jahrhundert wurde so viel gesammelt, historisch aufgearbeitet und institutionalisiert, dass wir vielleicht langsam an die Grenzen dessen stossen, was historisch bewahrt werden soll. In Jim Knopf werden kulturelle Un­ terschiede oft überzeichnet und vereinfacht dargestellt. Neben den Hautfarben von Jim und Lukas gibt es dafür auch zahlreiche Beispiele im Text: Gleich zu Beginn wird Lum­ merland etwa mit anderen «Ländern» wie Deutschland oder «Afrika» ver­ glichen. Im Fantasieland Mandala – das ursprünglich China hiess – fällt es Jim schwer, die Leute «auseinan­ derzuhalten». Der britische Soziologe Stuart Hall sagt, dass sich die Kom­ plexität des rassistischen Diskurses gerade am Beispiel solcher verein­ fachenden Differenzierung deutlich zeigt. Vor diesem Hintergrund frage ich mich: Müssen wir uns heute ge­ nau an diesen Beispielen abarbeiten, oder sollen wir sie «canceln»? Asal Dardan: Natürlich sollen wir uns an Büchern wie Jim Knopf abarbeiten, aber gleichzeitig finde ich es kein be­­ reicherndes Kinderbuch, weil Kinder­ litera­tur in erster Linie unterhalten, in­ spirieren, beflügeln und Freude machen soll. Wenn ich einem Schwarzen Kind dieses Buch vorlese, dann konfrontiere ich es mit Diskriminierung, der es leider noch immer im Alltag begegnet. Man kann ja nicht sagen: So war das damals, schau dir das an! Diskriminierung ist leider nicht historisch, sondern gegenwärtig. Ich würde es allen Kindern, die mit deutscher Kinderliteratur aufwachsen, wünschen, dass sich ihre Imagination frei entfalten darf, ohne dass wir ihnen unsere Diskurse auf­ zwingen. Wir Erwachsenen hingegen sollten uns natürlich kritisch damit auseinandersetzen und überlegen, was wir im Umgang miteinander noch besser machen können. Julia Voss: Das sehe ich genauso. Beim Wort «canceln» verspüre ich ein ge­ wisses Unbehagen, weil damit eine Realität behauptet wird, die so gar nicht

existiert. Jim Knopf wird ja verkauft, verfilmt, bei Ihnen auf die Bühne gebracht, bestimmt auch vorgelesen – und ich habe auch keine einzige Stimme gehört, die verlangt, dass dieses Buch nicht mehr verbreitet werden soll. Kritisch diskutiert wird die Frage, wie das Buch in Kitas oder Kindergärten ankommt. Asal Dardan: Was im Raum steht, ist ein sehr eng gefasstes Bild von dem, was ein deutsches Kind ist, oder wer sich in solchen Texten überhaupt wiederfinden darf. Ich plädiere deshalb immer dafür, das gemeinschaftliche «Wir» als eine Praxis zu sehen, als einen Umgang miteinander, der immer wieder neu bestimmt werden muss. In einem Raum, in dem das «Wir» ein nicht endender Aushandlungsprozess auf Augenhöhe ist, geht es gar nicht darum, mit autoritärer Geste ein Buch zu «canceln», sondern eher um die Frage: Wie sehr finden wir uns darin wieder? Ich mag es überhaupt nicht, wie der «Cancel»-Begriff im heutigen feuilletonistischen Diskurs benutzt wird, und finde es auch ein bisschen grotesk – und das führt uns wieder zum Inhalt von Jim Knopf zurück –, in Deutschland, wo Bücher verbrannt wurden, und wo man versucht hat, kulturelles Erbe auszu­löschen, gleich von «canceln» zu sprechen, nur weil man etwas gesellschaftlich einordnen möchte.

«Ich finde es grotesk, gleich von ‹canceln› zu sprechen, nur weil man etwas gesellschaftlich einordnen möchte.» Asal Dardan

Julia Voss: Es gibt diese grosse Fallhöhe, die auch mit der angesprochenen Nos­talgie zu tun hat, dass ein liebgewonnenes Buch nun plötzlich im Verdacht steht, problematische Inhalte zu haben. Ich kann verstehen, dass dies Abwehr­reaktionen hervorruft. Aber ich finde, wir sollten darüber ins Gespräch kommen. Was man von so einer Geschichte in Erinnerung hat, ist ja nicht unbedingt das, worüber man heute aus einer Erwachsenensicht stolpert. Asal Dardan: Die Perspektiven können auch nicht immer auf einen Nenner gebracht werden. Für mich ist es selbstverständlich, dass ich nicht in einer Gesellschaft leben möchte, in der gewisse Kinder immer wieder Verletzungen ausgesetzt werden, die vermeidbar wären. Ich fühle mich nicht gegängelt, wenn ich heute auf gewisse Begriffe oder Darstellungen verzichten muss. Julia Voss: Und vielleicht hat das sogar Michael Ende selbst beschäftigt. Momo ist das einzige Buch, das er selber illustriert hat, und er hat dabei die sehr interessante Entscheidung getroffen, Momo nur von hinten zu zeigen. Wir kennen das Gesicht von Momo nicht, und man kann sie deshalb auch nicht so leicht in eine Schublade stecken. Eine herausragende Figur in Jim Knopf ist Herr Tur Tur, der Scheinriese, der selber gegen jedes Naturgesetz verstösst und beim Näherkommen immer kleiner wird. Michael Ende lässt ihn sagen: «Eine Menge Menschen haben doch irgendwelche besonderen Eigen­ schaften. Herr Knopf zum Beispiel hat eine schwarze Haut. So ist er von Natur aus und dabei ist weiter nichts Seltsames, nicht wahr? Warum soll man nicht schwarz sein? Aber so denken leider die meisten Leute nicht». Ist das ein antirassisti­ sches Statement? Julia Voss: In dieser Passage zeigt sich sehr deutlich, dass Michael Ende dieses Buch für eine Gesellschaft geschrieben hat, die noch ganz stark in den Natio­nal­­sozialismus verstrickt war, und dass er selber gegen dessen


42 Wie toxisch ist das Opernrepertoire?

Rasseideologien angeschrieben hat. Gleichzeitig ist es natürlich quälend für Leute, die heute leben und nicht direkt vom Nationalsozialismus geprägt sind, dass dieser eigentlich selbstverständliche Sachverhalt noch einmal so ausgeführt wird. Ich glaube, das ist die Krux bei diesem Buch. Asal Dardan, in Ihrem Essay schlies­ sen Sie mit der Frage, warum man Jim Knopf überhaupt noch lesen soll, wenn man sich eine pluralistische Gesellschaft wünscht, in der Kinder «als Gleiche» ins Leben geschickt werden sollen. Hannah Arendt schreibt: «Als Gleiche sind wir nicht geboren. Gleiche werden wir als Mitglieder einer Gruppe erst kraft unserer Entscheidung, uns gegen­ seitig gleiche Rechte zu garantieren». Ist Michael Endes Erzählung, die im zweiten Band damit endet, dass alle Menschen unter einer Regen­ bogenflagge friedlich zusammen­ leben, nicht gerade ein Versuch, ein solches Narrativ zu stiften? Asal Dardan: Sie haben zuvor Stuart Hall genannt. Besonders erhellend finde ich bei ihm, dass er Identität immer als etwas Fluides beschrieben hat – und darum sträube ich mich gegen eine Darstellung, in der die von Jim und Lukas geretteten Kinder mit rassistischen Begriffen bezeichnet werden und am liebsten Walfischschnitten oder Büffelscheiben essen... Das ist ein Blick auf Pluralität, bei dem es immer die Einen und die Anderen gibt. Wenn ich «gleich» sage, dann meine ich trotzdem nicht fabrikgemachte gleiche Menschen, sondern demokratische Subjekte auf Augenhöhe. Ethnische und völkische Zuschreibungen gefallen mir in diesem Zusammenhang nicht. Persönlich verstehe ich mich je nach Kontext beispiels­ weise mal als Frau, mal als im Iran Geborene, mal als deutsche Autorin… Es gibt unterschiedliche Identitäten, die ein Mensch abdeckt, und es ist wichtig, dass er dies selber definieren kann. Das ist für mich das Demokratische, und nicht, dass Andere im gleichen Raum existieren dürfen.

Und schliesslich müsste man sich auch hier wieder fragen, was eigentlich ein Kind aus so einer Erzählung mit­ nimmt... Asal Dardan: Ich glaube, dass Kinder grundsätzlich einen Drang haben, miteinander auszukommen und frei und gleich miteinander zu spielen und zu leben. Ich habe es bei meinen Kindern gut miterleben können, wie sie nach und nach bestimmte Differenzierungen mitgekriegt haben, die für sie vorher keine Rolle spielten. Anfangs konnten sie sich nicht merken, ob ich aus Italien oder Iran komme. Es war ein Land mit I. Heute, mit acht und zwölf Jahren, wissen sie schon sehr genau, dass ihre Mutter teilweise anders wahrgenommen wird und wo der Unterschied liegt. Einer meiner Söhne sieht aus, wie Schweden so dargestellt werden, blond und blauäugig. Der andere kommt nach mir. Mir wird jedes Mal sehr schwer ums Herz, wenn ich daran denke, dass ich sie wohl anders auf die Gesellschaft vorbereiten muss, weil sie von ihr anders wahrgenommen werden könnten. Sehr wahrscheinlich sogar anders. Ich denke dabei auch an den Anschlag in Hanau, bei dem im Februar 2020 neun Menschen aus rassistischen Gründen getötet worden sind. Ist das gerecht? Ist das einer Demokratie würdig? Das Gespräch führte Fabio Dietsche

Asal Dardan ist Kulturwissenschaft­ lerin und freie Autorin. 2021 erschien ihr Essayband «Betrachtungen einer Barbarin», der im selben Jahr für den Deutschen Sachbuchpreis nominiert wurde. Julia Voss ist Kunst- und Wissen­ schafts­historikerin. Ihr Buch «Darwins Jim Knopf» stammt aus dem Jahr 2009. Zuletzt hat sie 2020 die Biografie «Hilma af Klint – Die Menschheit in Erstaunen versetzen» veröffentlicht.


“Ein atemberaubendes

Meisterwerk.” THE PLAYLIST

“Sandra Hüller ist brillant.” The Hollywood Reporter

, PALME D OR FESTIVAL DE CANNES

ANATOMIE EINES FALLS EIN FILM VON

JUSTINE TRIET

SANDRA HÜLLER SWANN ARLAUD MILO MACHADO GRANER

Ab dem 9.11. in den


Wir haben einen P


Plan

In der Wüste treffen Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer auf eine seltsame Erscheinung: Herr Tur Tur sieht von weitem riesengross aus. Wenn er näher kommt, schrumpft er aber immer mehr, bis er schliesslich sogar etwas kleiner ist als Lukas. Wie stellt man einen solchen Scheinriesen auf der Theaterbühne dar? Verraten sei hier nur, dass in der Inszenierung von Kai Anne Schuhmacher überdimensionierte Hände eine wichtige Rolle spielen, denn Herr Tur Tur macht auf sich aufmerksam, indem er von Ferne winkt. Geführt werden die Hände von

Puppenspieler:in­nen und enthalten eine komplexe Mechanik (wer sich in Anatomie auskennt, weiss, dass eine Hand aus 27 Knochen besteht). Wir zeigen hier zwei Vorstudien dazu aus der Abteilung des Theaterplastikers Andreas Gatzka: Er hat zunächst in grosser Detailarbeit einzelne Finger auf Karton gezeichnet. Anschliessend hat er diese als bewegliche Holzmodelle gebaut. Wenn Sie die fertigen Puppen-­Hände und noch mehr von Herrn Tur Tur sehen wollen, kommen Sie am besten in eine unserer Vorstellungen.


46 Wiederaufnahme

Aufstieg und Höllen­sturz Erneut steht mit «Macbeth» Giuseppe Verdis schwärzeste Oper auf dem Spielplan – in der so zwingenden wie radikalen Regie von Barrie Kosky.

Fotos: Monika Rittershaus

Mit Ewa Plonka / Veronika Dzhioeva, George Petean, Vitalij Kowaljow u. a. Vorstellungen: 17, 21, 25, 28 Nov, 1 Dez 2023


Alle Infos zur Produktion


48 Fragebogen

Sarah Ferede Aus welcher Welt kommst du gerade? Wir Sänger:innen sind immer Wanderer zwischen den Welten. Gerade habe ich die Kundry im Parsifal verkörpert – mal ist sie Dienerin in der Gralswelt, mal verführt sie die Männer in Klingsors Zauberreich. Es war ein Geschenk, die­se Partie mit Axel Kober und Michael Thalheimer erarbeiten zu dürfen. Aber es gibt ja noch die reale Welt, die mir Sorgen macht: Ich habe einen Mi­ gra­tionshintergrund, da mein Vater aus Äthiopien stammt, und erlebe in Deutschland gerade eine Gesellschaft, die sich immer mehr nach rechts entwickelt; viele Menschen schenken Fakten keinen Glauben mehr und meinen, aus Protest rechte Parteien wählen zu müssen… Ich hoffe, dass es uns Bühnenkünstler:innen gelingt, positive Gefühle zu vermitteln – in Parsifal ist es das Mitleid – und so die Welt ein bisschen besser zu machen. Worauf freust du dich in der Götterdämmerung-Produktion? Es ist eine Freude, mit Künstler:innen wie Gianandrea Noseda, Andreas Homoki oder Camilla Nylund auf den Proben so tief in Wagners Gedankenwelt einzudringen. Und es ist herrlich, durch die inspirierende Atmosphäre hier als Künstlerin weiter wachsen zu können! Welches Bildungserlebnis hat dich besonders geprägt? Die legendäre Tristan-Inszenierung von Ruth Berghaus, die ich als 17-Jährige in Hamburg erleben durfte. Im zweiten Akt war die Spannung so gross, dass ich mich kaum getraut habe zu atmen… Es war mein erster Wagner und hat in mir den grossen Wunsch ausgelöst, einmal selbst Teil einer solchen Aufführung zu sein. Der Wunsch hat sich erfüllt: Ich durfte die Brangäne mittlerweile in einer Neuinszenierung erarbeiten. Welches Buch würdest du niemals aus der Hand geben?

Jane Austens Pride and Prejudice! Ich bin eine hoffnungslose Romantikerin. Welche CD hörst du immer wieder? Als ich 16 war, schenkte mir meine Mutter Best of Jessye Norman. Ich habe die CD rauf- und runtergehört und mir daraufhin vorgenommen, alle Arien und Lieder auf dieser CD zu singen. Als ich meinen ersten Gesangsunterricht hatte, musste ich feststellen, dass ich noch nicht den gleichen Stimmumfang wie Jessye Norman hatte; also habe ich mich erst mal auf die Mezzo-Arien und einige Gospels konzentriert. Nach und nach kamen immer mehr Arien dazu: Bis heute habe ich immerhin die Hälfte der Arien geschafft! Welches Projekt, das dir viel bedeutet, bereitest du gerade vor? Im Februar werde ich in Düsseldorf als strenge Novizenmeisterin Mère Marie in Dialogues des Carmélites debütieren. Ich habe das Stück in Hamburg schon als Jugendliche mehrfach, damals mit Anja Silja in dieser Rolle, gesehen und gehört und bin froh, diese Traumpartie jetzt meinem Repertoire hinzu­fügen zu können. Wie wird die Welt in 100 Jahren aussehen? Ich hoffe sehr, dass die Menschheit bis dahin gelernt hat, politische und reli­ giö­se Konflikte ohne Krieg und Terror zu lösen. Und hoffentlich werden Kunst und Live-Performances weiter ihre wichtigste Aufgabe erfüllen: Nämlich Menschen zu rühren und zu berühren! Als unverbesserliche Optimistin glaube ich also an eine zukünftige Welt, die renaturiert und gewaltarm ist und nach wie vor viele grosse Künstler:innen beherbergt! Sarah Ferede singt in der «Götterdämmerung» die Waltraute. Sie ist seit 2012 Ensemble­mit­ glied an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf. Am Opernhaus Zürich ist sie zum ersten Mal zu erleben.


Kalendarium 49

November

Götterdämmerung 15.00

1 Mi open space tanz 19.00

Tanz-Workshop für alle ab 16 Jahren Mittwochs

16 Do Nachtträume 20.00

18.30

Fassade Opernhaus

17 Fr Macbeth 19.30

18 Sa Hexe Hillary geht in die Oper 15.00

Fassade Opernhaus

4 Sa Familienworkshop Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer 14.30

18.30

Fassade Opernhaus

Nachtträume 19.00

Ein Stück von Marcos Morau AMAG Volksvorstellung

5 So Familienworkshop Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer 14.30

ab 9 Jahren, Kinder in Begleitung von Erwachsenen Treffpunkt Billettkasse

Götterdämmerung 16.00

7 Di open space stimme 19.00

17.00

Chor-Workshop Dienstags

19 So Hexe Hillary geht in die Oper 15.00

9

1O

Fr

17.00

Götterdämmerung

Oper von Richard Wagner

19.00

Nachtträume

Ein Stück von Marcos Morau

17.00

14.30

ab 9 Jahren, Kinder in Begleitung von Erwachsenen Ballettsaal A

Rachmaninow 19.00

2. Philharmonisches Konzert Paavo Järvi, Musikalische Leitung

12 So Familienworkshop Nachtträume 14.30

ab 9 Jahren, Kinder in Begleitung von Erwachsenen Ballettsaal A

Kinderoper von Elena Kats-Chernin Premiere

21 Di Macbeth 19.00

Oper von Giuseppe Verdi AMAG Volksvorstellung

22 Mi Hexe Hillary geht in die Oper 15.00

Für Operneinsteiger:innen ab 5 Jahren Studiobühne

Nachtträume 19.00

Ein Stück von Marcos Morau

24 Fr Götterdämmerung 17.00

Oper von Richard Wagner

25 Sa imprO-Opera Die Welt der Rameau-Oper 15.30

11 Sa Familienworkshop Nachtträume

Für Operneinsteiger:innen ab 5 Jahren Studiobühne

Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Do

Oper von Richard Wagner

Oper von Richard Wagner Premiere

Für Operneinsteiger:innen ab 5 Jahren Studiobühne

Götterdämmerung

ab 9 Jahren, Kinder in Begleitung von Erwachsenen Treffpunkt Billettkasse

Lichtspektakel zum Zürcher Ring

Oper von Giuseppe Verdi

3 Fr Lichtspektakel zum Zürcher Ring 18.30

Ein Stück von Marcos Morau

2 Do Lichtspektakel zum Zürcher Ring

Oper von Richard Wagner

Für Kinder ab 7 Jahren, in Begleitung von Erwachsenen Treffpunkt Billettkasse

Hexe Hillary geht in die Oper 17.00

Für Operneinsteiger:innen ab 5 Jahren Studiobühne

Macbeth 19.00

Oper von Giuseppe Verdi

26 So Il giardino del piacere 11.15

Brunchkonzert Spiegelsaal

Einführungsmatinee Platée 11.15

Bernhard Theater


50 Kalendarium

Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer 14.00

Kinderoper von Elena Kats-Chernin

Zurich Talks Dance 19.00

Hexe Hillary geht in die Oper 15.00

15.30

Für Kinder ab 7 Jahren, in Begleitung von Erwachsenen Treffpunkt Billettkasse

Nachtträume 20.00

7 Do Liederabend Simon Keenlyside

Für Operneinsteiger:innen ab 5 Jahren Studiobühne

imprO-Opera Die Welt der Rameau-Oper

Ein Stück von Marcos Morau

19.30

Lunchkonzert Spiegelsaal

8 Fr Walkways 19.00

28

19.00

Macbeth

9 Sa Märchen auf dem Klangteppich Felix, das Tännchen 15.30

19.00

Oper von Giuseppe Verdi

2 Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer Sa

11.00

1O So Opera goes Brass

14.30

ab 9 Jahren, Kinder in Begleitung von Erwachsenen Treffpunkt Billettkasse

Nachtträume 19.00

Ein Stück von Marcos Morau

15.30

3

14.00

Götterdämmerung

Oper von Richard Wagner

19.00 Oper von Jean-Philippe Rameau Premiere

11 Mo Opera goes Brass 12.00

12 Di Platée 19.00

5 Di Walkways 19.00

Choreografien von Wayne McGregor, Cathy Marston und Jerome Robbins

open space stimme 19.00

Chor-Workshop Dienstags

6 Mi open space tanz 19.00

Tanz-Workshop Mittwochs

Oper von Jean-Philippe Rameau

15 Fr Platée 19.30

Oper von Jean-Philippe Rameau

16 Sa Hexe Hillary geht in die Oper 15.00

ab 9 Jahren, Kinder in Begleitung von Erwachsenen Treffpunkt Billettkasse

Lunchkonzert, Spiegelsaal

Familienworkshop Platée 14.30

Für Kinder ab 4 Jahren, in Begleitung von Erwachsenen Treffpunkt Billettkasse

Platée

So

Brunchkonzert, Spiegelsaal

Märchen auf dem Klangteppich Felix, das Tännchen

Kinderoper von Elena Kats-Chernin

Familienworkshop Platée

Choreografien von Wayne McGregor, Cathy Marston und Jerome Robbins

11.15

1 Fr Macbeth

Für Kinder ab 4 Jahren, in Begleitung von Erwachsenen Treffpunkt Billettkasse

Walkways

Oper von Giuseppe Verdi

Dezember

Choreografien von Wayne McGregor, Cathy Marston und Jerome Robbins

19.00

Di

Malcom Martineau, Klavier

27 Mo Il giardino del piacere 12.00

Neue Gesprächsreihe Theater der Künste, Bühne A, Gessnerallee 13

Für Operneinsteiger:innen ab 5 Jahren Studiobühne

Märchen auf dem Klangteppich Felix, das Tännchen 15.30

Für Kinder ab 4 Jahren, in Begleitung von Erwachsenen Treffpunkt Billettkasse

Barkouf 19.00

Operette von Jacques Offenbach

17 So Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer 14.00

Kinderoper von Elena Kats-Chernin


Kalendarium 51

Hexe Hillary geht in die Oper 15.00

Für Operneinsteiger:innen ab 5 Jahren Studiobühne

Märchen auf dem Klangteppich Felix, das Tännchen 15.30

Für Kinder ab 4 Jahren, in Begleitung von Erwachsenen Treffpunkt Billettkasse

Beethoven Strauss 19.00

3. Philharmonisches Konzert Marc Albrecht, Musikalische Leitung

2O Mi Hexe Hillary geht in die Oper 15.00

Für Operneinsteiger:innen ab 5 Jahren Studiobühne

Barkouf 20.00

Operette von Jacques Offenbach

21 Do Platée 19.00

Oper von Jean-Philippe Rameau

22 Fr Sweeney Todd 19.00

Musical von Stephen Sondheim

23 Sa Barkouf 19.00

ERES I PALADINI I ZIMMERLI I MELISSA ODABASH I LISE CHARMEL EMPREINTE I MARYAN MEHLHORN I ROIDAL & MORE

Operette von Jacques Offenbach

26 Di Platée 13.00

Oper von Jean-Philippe Rameau AMAG Volksvorstellung

Barkouf 20.00

Operette von Jacques Offenbach AMAG Volksvorstellung

29 Fr Sweeney Todd 19.30

Musical von Stephen Sondheim

Januar

062_23_Schaerer_Linder_Inserat_Opernhaus_Zuerich.indd 62_23_Schaerer_Linder_Inserat_Opernhaus_Zuerich.indd 1

1 Mo Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer 14.00

Walkways 20.00

3O Sa Platée 19.00

Oper von Jean-Philippe Rameau

2 Di Walkways 14.00

So

13.00

Kinderoper von Elena Kats-Chernin

L’italiana in Algeri 19.30

Choreografien von Wayne McGregor, Cathy Marston und Jerome Robbins AMAG Volksvorstellung

31 Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Kinderoper von Elena Kats-Chernin

Choreografien von Wayne McGregor, Cathy Marston und Jerome Robbins

L’italiana in Algeri 20.00

Oper von Gioachino Rossini

Oper von Gioachino Rossini

4 Do L’italiana in Algeri 19.00

Oper von Gioachino Rossini

5 Fr Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer 18.00

Kinderoper von Elena Kats-Chernin

6 Sa L’italiana in Algeri 19.30

Oper von Gioachino Rossini

16.10.23 09:35


52 Kalendarium

7 So Sweeney Todd 13.00

Musical von Stephen Sondheim AMAG Volksvorstellung

Sweeney Todd 20.00

Musical von Stephen Sondheim

Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer 14.00

imprO-Opera Die Welt der Mozart-Opern 15.30

8 Mo Workshop-Reihe Timekeepers 09.00

für alle ab 16 Jahren Opernhaus

9

20.00

L’italiana in Algeri

22 Mo Young Talents

19.00

Choreografien von Meryl Tankard, Bronislawa Nijinska und Mthuthuzeli November

Oper von Gioachino Rossini

1O Mi Platée

Für Kinder ab 7 Jahren, in Begleitung von Erwachsenen Treffpunkt Billettkasse

Timekeepers 20.00

Di

Kinderoper von Elena Kats-Chernin

12.00

Lunchkonzert, Spiegelsaal

Oper von Jean-Philippe Rameau

12 Fr Platée 19.30

Oper von Jean-Philippe Rameau

13 Sa Sweeney Todd 19.00

Musical von Stephen Sondheim

14

So

11.15

Einführungsmatinee Timekeepers

Bernhard Theater

Platée 14.00

Oper von Jean-Philippe Rameau

Kilar / Lutoslawski / Strawinsky 19.30

4. Philharmonisches Konzert Krzysztof Urbański Musikalische Leitung

Führungen Führung Opernhaus 4, 5, 11, 12, 19, 25 Nov; 2, 3, 9, 10, 16, 17, 23, 30 Dez 2023

Guided Tour Opera House 4, 12, 19, 25 Nov; 3, 9, 10, 17, 30 Dez 2023

Familienführung Mittwochnachmittags 15, 22 Nov; 13, 20 Dez 2023

Führung Bühnentechnik 3 Nov; 1 Dez 2023

16 Di Platée 19.00

Oper von Jean-Philippe Rameau

18 Do Liederabend Javier Camarena 19.00

Rubén Fernández Aguirre, Klavier

Führung Maskenbildnerei 25 Nov 2023; 16 Dez; 6 Jan

Führung Kostümabteilung 1 Dez 2023

19 Fr Werther 19.00

Oper von Jules Massenet

2O Sa imprO-Opera Die Welt der Mozart-Opern 15.30

Für Kinder ab 7 Jahren, in Begleitung von Erwachsenen Treffpunkt Billettkasse

Tickets für die Führungen sind im Vorverkauf erhältlich

Unter opernhaus.ch/fuer-alle gibt es Angebote für jeden Geldbeutel

Timekeepers 19.00

Choreografien von Meryl Tankard, Bronislawa Nijinska und Mthuthuzeli November Premiere

21 So Young Talents 11.15

Brunchkonzert, Spiegelsaal

Das Kalendarium mit Preisangaben finden Sie auf der Website


Impressum

Sponsoren

Magazin des Opernhauses Zürich Falkenstrasse 1, 8008 Zürich www.opernhaus.ch T + 41 44 268 64 00

Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie den Beiträgen der Kantone Luzern, Uri, Zug und Aargau im Rahmen der interkanto­nalen Kulturlastenvereinbarung und den Kantonen Nidwalden, Obwalden und Schwyz.

Intendant Andreas Homoki Generalmusikdirektor Gianandrea Noseda Ballettdirektorin Cathy Marston Verantwortlich Claus Spahn Sabine Turner Redaktion Beate Breidenbach Kathrin Brunner Fabio Dietsche Michael Küster Claus Spahn Gestaltung Carole Bolli Sandi Gazic Fotografie Florian Kalotay Admill Kuyler Danielle Liniger Michael Sieber Anzeigen Linda Fiasconaro Schriftkonzept und Logo Studio Geissbühler Druck Multicolor Print AG Illustrationen Anita Allemann

Partner

Produktionssponsoren

Förderinnen und Förderer

AMAG

CORAL STUDIO SA

Atto primo

Theodor und Constantin Davidoff Stiftung

Clariant Foundation

Dr. Samuel Ehrhardt

Freunde der Oper Zürich

Frankfurter Bankgesellschaft (Schweiz) AG

Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG

Garmin Switzerland Elisabeth K. Gates Foundation

Projektsponsoren

Stiftung LYRA zur Förderung hochbegabter,

René und Susanne Braginsky-Stiftung

junger Musiker und Musikerinnen

Freunde des Balletts Zürich

Irith Rappaport

Ernst Göhner Stiftung

Luzius R. Sprüngli

Hans Imholz-Stiftung

Madlen und Thomas von Stockar

Max Kohler Stiftung Kühne-Stiftung Georg und Bertha Schwyzer-Winiker Stiftung Hans und Edith Sulzer-Oravecz-Stiftung Swiss Life Swiss Re Zürcher Kantonalbank Gönnerinnen und Gönner Art Mentor Foundation Lucerne Josef und Pirkko Ackermann

MAG abonnieren MAG, das OpernhausMagazin, erscheint zehnmal pro Saison und liegt zur kostenlosen Mitnahme im Opernhaus aus. Sie können das Opernhaus-­ Magazin abonnieren: zum Preis von CHF 38 bei einer inländischen Adresse und CHF 55 bei einer ausländischen Adresse senden wir Ihnen jede Ausgabe druckfrisch zu. Bestellungen unter: T +41 44 268 66 66 oder tickets@opernhaus.ch.

Alfons’ Blumenmarkt Familie Thomas Bär Bergos Privatbank Margot Bodmer Elektro Compagnoni AG Stiftung Melinda Esterházy de Galantha Fitnessparks Migros Zürich Egon-und-Ingrid-Hug-Stiftung Walter B. Kielholz Stiftung KPMG AG Landis & Gyr Stiftung Die Mobiliar Fondation Les Mûrons Pro Helvetia, Schweizer Kulturstiftung StockArt – Stiftung für Musik Else von Sick Stiftung Ernst von Siemens Musikstiftung Elisabeth Weber-Stiftung


PHOTO © JOSS BARRATT FOR

«Ein Film, der so leidenschaftlich und menschlich ist wie kein anderer in diesem Jahr.» TIME OUT

KEN LOACH DREHBUCH PAUL LAVERTY FILM

«Ein eindringliches Plädoyer für den Glauben ans Mitgefühl.» THE GUARDIAN

AB 23. NOVEMBER IM KINO


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