Il Corsaro

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Premiere Il Corsaro

Il Corsaro Sonntag, 22. November 2009, 19.00 Uhr Schweizerische Erstaufführung In italienischer Sprache mit deutscher Übertitelung

IL CORSARO Melodramma tragico in drei Akten von Giuseppe Verdi (1813-1901) Libretto von Francesco Maria Piave nach «The Corsair. A Tale» (1814) von Lord Byron in der Übersetzung von Giuseppe Nicolini Uraufführung: 25. Oktober 1848, Teatro Grande,Triest Musikalische Leitung Inszenierung Bühnenbild Kostüme Lichtgestaltung Choreinstudierung

Eivind Gullberg Jensen Damiano Michieletto Paolo Fantin Carla Teti Martin Gebhardt Jürg Hämmerli

Corrado Medora Gulnara Seid Giovanni Selimo Eunuco

Vittorio Grigolo Elena Mos¸uc Carmen Giannattasio Juan Pons Giuseppe Scorsin Shinya Kitajima° Simon Wallfisch°/ Michael Laurenz Müller° Pablo Ricardo Bemsch° Rollendebüt für alle Beteiligten °Mitglied des IOS

Ein Sklave

Chor der Oper Zürich Orchester der Oper Zürich Statistenverein der Oper Zürich

Mit Unterstützung der InCentive Asset Management AG Weitere Vorstellungen Di 24. Nov.. 19.30 Premieren-Abo B Do 26. Nov. 19.00 Migros-Abo A Sa 28. Nov. 20.00 Samstag-Abo Di 01. Dez. 19.00 Dienstag-Abo 1 Do 03. Dez. 19.00 Donnerstag-Abo A So 06. Dez. 20.15 Verdi-Abo Di 29. Dez. 19.00 Dienstag-Abo 5 Zum letzten Mal in dieser Saison Fr 01. Jan. 20.15 Volksvorstellung

6 Sven-Eric Bechtolf

Giuseppe Verdi

Mit «Il Corsaro» gelangt eine der am seltensten gespielten Opern Giuseppe Verdis zum ersten Mal auf die Zürcher Opernbühne und damit zur schweizerischen Erstaufführung. Regisseur Damiano Michieletto verknüpft das «Piratenstück» mit der Biographie des englischen Dichters Lord Byron. «Anni di galera», Galeerenjahre – so hat er sie selbst genannt, die 16 Jahre von «Nabucco» bis «Maskenball», jenen Zeitraum von 1842 bis 1858, der Giuseppe Verdi zum Nationalhelden, zum Operngott Italiens und Europas werden liess. 16 Jahre, in denen ein Kompositionsauftrag den anderen jagte und seine Gesundheit ernstlich Schaden zu nehmen drohte. 1847, nach der Premiere von «Attila» in Venedig, zwang ihn die Erschöpfung zu einem sechsmonatigen Erholungsurlaub im Kurbad Recoaro, und hier kam er auf ein Projekt zurück, das ihn schon seit 1845 beschäftigte. Damals war nach der Uraufführung von «Giovanna d’Arco» an der Mailänder Scala eine ziemlich gehässige Kritik in der von seinem Verleger Ricordi herausgegebenen «Gazetta Musicale di Milano» erschienen. Der gekränkte Komponist rächte sich, indem er mit Francesco Lucca, dem direkten Konkurrenten der Casa Ricordi, einen Vertrag über drei Opern unterzeichnete. Die erste war für das von Benjamin Lumley geleitete «Her Majesty’s Theatre» in London bestimmt. Ein englischer Stoff sollte es sein! Von Verdis Idee eines «King Lear» war der Impresario wenig begeistert. Schliesslich einigte man sich auf Lord Byrons Verserzählung «The Corsair», die sich in England grosser Beliebtheit erfreute. Schon am Tag ihres Erscheinens am 1. Februar 1814 war sie in 10’000 Exemplaren verkauft worden. Der 1788 in London geborene George Gordon Noël Lord Byron war eine literarische Ausnahmeerscheinung von europäischem Rang. Als Dichter von «Childe Harolds Pilgerfahrt» und «Manfred», als Autor exotischer Verserzählungen und abenteuerlicher Dramen hatte er sich eine grosse Leserschaft erworben. Doch sein

grösstes Kunstwerk war er selber und der Skandal sein eigentliches Lebenselixier. Byron suchte das Anstössige, und wo er es fand, kostete er es bis zur Neige aus. In der Liebe: Frauen, die verboten waren, verheiratet oder hochgestellt oder Dirnen aus den Hafenspelunken; schliesslich die erregendste Tabu-Verletzung und noch faszinierender als die Knaben und Pagen seiner Umgebung: die eigene Halbschwester Augusta. Um die widerspruchsvolle Natur des Dichters zu erklären, ist vor allem das körperliche Gebrechen eines Klumpfusses herangezogen worden. Ein Makel, der seinem Körper wie ein Fluch anhaftete und unter dem er zeitlebens gelitten hat. «Sein hochfahrendes Wesen und seine Verletzlichkeit, seine Ruhmsucht und sein Hang zum Posieren und Verkleiden», so schreibt Siegfried Schmitz in seinem Nachwort zur deutschsprachigen Werkausgabe, «sind offensichtlich ebenso Formen der Kompensation wie seine sportlichen Ambitionen und Leistungen als Schwimmer, Boxer, Reiter, Bergsteiger, Pistolenschütze und Segler.» Einem ganzen Jahrhundert galt Byron als Leitfigur der Grenzüberschreitung, als die Verkörperung problematischer Modernität schlechthin. Ein unvollendetes Theaterstück Byrons trägt den Titel «Heaven and Earth», doch seinen Helden, jenen vom Schicksal geschlagenen gefallenen Engeln, bleibt die Verbindung dieser Extreme versagt. Sie schwanken zwischen Himmel und Erde, bis sie der Abgrund verschlingt. Nicht zuletzt durch den romantischen Tod Byrons im griechischen Freiheitskrieg gegen die Türken wuchs die Popularität seiner literarischen Helden beträchtlich. Leben und Werk sind bei Byron kaum voneinander zu trennen. Mehr als bei allen anderen grossen


Vittorio Grigolo

Dichtern der Weltliteratur bilden sie eine komplexe Einheit. «Alle Erschütterungen münden bei mir in Verse», hat er einmal bekannt, und so ist sein Werk im Grunde eine endlose Variation über das eine Thema: Byron. «The Corsair», so gestand Byron seinem Freund Thomas Moore, sei die autobiografischste seiner Verserzählungen. Schauplatz seines neuen «Wahnsinnsepos» sei eine «von meinen eigenen Kreaturen bevölkerte Pirateninsel». Benita Eisler, Autorin der detailliertesten ByronBiografie, hat die Erzählung leicht ironisierend zusammengefasst: «Conrad, der Korsar, ist der ‹Pirat als Intellektueller›. Zwar mag man ihn als Outlaw fürchten, seine wahre Identität liegt in der ‹Macht des Geistes, der Ideen Magie›, und das Feuer der dunklen Augen ist der einzige

heroische Aspekt seiner Erscheinung, ansonsten ‹war schön von Körper Conrad nicht zu nennen›. Zwei Frauen spuken durch dieses Gedicht, Medora, Conrads blonde Verlobte, und Gulnar, die dunkle Lieblingssklavin des Herrschers Said. Medora sitzt passiv wartend in ihrem Turm, und ihre einzige Funktion besteht darin, an gebrochenem Herzen zu sterben, als der von Said gefangene und eingekerkerte Conrad nicht mehr zurückkehrt. Gulnar, nicht nur Sklavin ihres Herrn sondern auch der Leidenschaft, ist die stürmischste unter Byrons liebeshungrigen Heldinnen. Nachdem Conrad sie aus dem Serail in Sicherheit gebracht hat, verliebt sie sich rettungslos in ihren Befreier und ermordet ihren Herrn, um den Piraten zu befreien.»

Verdi und sein Librettist Francesco Maria Piave hatten Byrons Verserzählung in der italienischen Übersetzung von Giuseppe Nicolini kennengelernt. In seiner Bearbeitung hielt sich Piave überaus textgenau an diese Vorlage, fügte lediglich einige kleinere Szenen ein, die türkisches Lokalkolorit liefern sollten, und spitzte den Schluss operngerecht zu, indem er Medora erst sterben lässt, als Corrado mit Gulnara auf die heimatliche Pirateninsel zurückgekehrt ist: die Chance eines wirkungsvollen Finalterzetts konnte man schliesslich nicht einfach verschenken. Doch Unstimmigkeiten zwischen Verdi und seinem Verleger sowie Verdis angegriffener Gesundheitszustand liessen die für Mai 1846 angesetzte Premiere des «Corsaro» platzen.

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Premiere Il Corsaro

Zu gern hätte Piave sein fertiges Libretto einem anderen Komponisten zur Vertonung angeboten, nachdem Verdi das Interesse an dem Stoff verloren zu haben schien. Mit Piaves Ansinnen konfrontiert, schreibt der Komponist jedoch empört zurück: «Was ist los? Bist du verrückt geworden oder auf dem besten Wege dazu? Ich soll dich vom Corsaro entbinden? Jenem Corsaro, den ich mir so sehr gewünscht habe, der mir so viel Kopfzerbrechen bereitet hat und den du mit grösserer Sorgfalt als sonst in Szene gesetzt hast?» Das Interesse an dem Byron-Stoff sei ungebrochen, auch einige Nummern seien bereits entworfen. Doch als Impresario Lumley wenig später die Erfüllung der Verträge anmahnt, scheint Verdi von der Bühnenwirksamkeit des «Korsaren» plötzlich nicht mehr überzeugt. London bekommt schliesslich keine Byron-, sondern mit «I Masnadieri» eine Schiller-Oper. Am 22. Juni 1847 gehen «Die Räuber» in «Her Majesty’s Theatre» über die Bühne. Erst im November des Jahres wendet Verdi sich wieder «Il Corsaro» zu und stellt die Oper schliesslich im Februar 1848 in Paris fertig. Die Partitur schickt er an den Verleger Lucca, der sich um alles Weitere kümmern sollte. Verdi wollte mit ihm nichts mehr zu tun haben: «Ich verzeihe eine Ohrfeige, denn wenn ich kann, gebe ich deren zwanzig zurück... aber ich kann keine Beleidigung verzeihen, auf die man nicht antworten kann. In der Annahme, mich zu beruhigen, glaubt er schliesslich, mir einen Scheck über tausend Franken zu schicken. Mich mit tausend Francs kaufen? ... Hornochse!» Verdi fuhr nicht einmal zur Uraufführung, die am 25.Oktober 1848 am Teatro Grande in Triest stattfand. Das Publikum nahm ihm das Fernbleiben übel, und ein Triester Kritiker warf Verdi vor, dass er sich nun, wo er die Taschen voll französischem und englischem Geld habe, wohl nicht mehr recht für seine Heimat interessiere. Die Uraufführung der Oper geriet zu einem Fiasko, von dem sie sich bis heute nicht wieder erholt hat. Dabei wartet «Il Corsaro» mit einer ganzen Reihe musikalischer Schönheiten auf: Neben der sturmgepeitschten Orchestereinleitung, der Kerkerszene Corrados und Medoras vom Harfenklang geprägter Romanze ist es vor allem das Duett zwischen

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Corrado und Gulnara im zweiten Akt, in dem es Verdi gelingt, die traditionelle dreisätzige Form zu einem flexiblen, sich zu atemloser Spannung steigernden Ganzen zu verbinden. Trotz einiger zum Teil prominent besetzter Wiederbelebungsversuche ist es bisher nicht gelungen, das Werk aus seinem Schattendasein zu befreien. Höchste Zeit also für die schweizerische Erstaufführung! Nach seinem erfolgreichen Einstand mit «Lucia di Lammermoor» in der vorigen Saison arbeitet der junge italienische Regisseur Damiano Michieletto gemeinsam mit Bühnenbildner Paolo Fantin und Kostümbildnerin Carla Teti zum zweiten Mal am Opernhaus Zürich. Damiano Michieletto erschien es zu einfach, «Il Corsaro» als Piratenoper zu inszenieren, womit man sich als Regisseur heute in unfreiwillige Konkurrenz zu Kinoproduktionen wie «The Black Swan» oder «Pirates of the Caribbean» begeben würde. Spannender schien es ihm, eine Verbindung zu Lord Byron, dem Autor der Libretto-Vorlage, zu knüpfen. Byrons Verserzählung beschwört den Mythos des romantischen Helden des 19. Jahrhunderts, und wie bei fast allen Byron-Helden hat auch in diesem Falle der Autor selbst die beste Vorlage für seine Hauptfigur geliefert. So liegt es nahe, Corrado als geheimnisvollen, ruhelosen Dichter zu zeigen. Für Damiano Michieletto ist Corrado ein stolzer Einzelgänger, ein Antikonformist, ein Ausgestossener. Eine literarische Ikone, die zwischen blasser Schönheit und Entstellung schwankt, zwischen Jugend und Vergänglichkeit, an die Byron durch seine Behinderung ständig erinnert wurde. Corrado wird zum Abbild Byrons selbst: Gefangen in Einsamkeit, verzehrt von tiefem Weltschmerz und unempfänglich für die Liebe zweier Frauen, rebelliert er ohne Rücksicht auf sein eigenes Leben gegen die Scheinheiligkeit der bürgerlichen Gesellschaft, gegen soziale und eheliche Normen. Korsar, also Pirat zu sein, bedeutet für ihn, ausserhalb der Gesellschaft zu stehen, ausserhalb der Spielregeln, die von den Gewinnern gemacht werden. Ein verbissener Einzelkämpfer, einer gegen alle, ein heldenhafter und romantischer Verlierer. Zeitlich wird das Werk somit im 19. Jahrhundert an-

gesiedelt, doch handelt es sich dabei weniger um eine Historisierung als um eine Betrachtungsweise, die der Bedeutung von Byrons romantischem Mythos nachspürt. Dabei ist das Meer das zentrale Element in dieser Oper, das im Libretto nicht nur von den Protagonisten, sondern auch in Verdis Regieanweisungen immer wieder erwähnt wird. In der Inszenierung wird das Meer als Symbol für die existenzielle Unruhe, für die Ferne, das Unbekannte, das Geheimnisvolle, das Fehlen von sicherem Boden und die Nichtexistenz eines sicheren Hafens gesehen, aber auch als Metapher für die Einsamkeit und die Unmöglichkeit, ein normales Leben zu führen: häuslich, alltäglich, bürgerlich. Auch im Bühnenbild von Paolo Fantin ist das Meer, in dem die Protagonisten treiben, ohne wirklich zueinander zu kommen, allgegenwärtig. Eine überdimensionale Spiegelkonstruktion, das «Fluten» der Bühne und bewegliche Inseln stellen Werkstätten und Bühnentechnik vor eine grosse Herausforderung. Anders als in der Verserzählung, wo der Korsar gegen die Türken kämpft, will Damiano Michieletto Corrado im Kampf gegen alles zeigen, was nicht «Meer» ist: gegen die Gesellschaft, gegen die Regeln, die familiären und sexuellen Konventionen, gegen die Profitgier. So tritt uns Pascha Seid in Gestalt eines reichen Grossbürgers entgegen, der keine Ideale kennt als das Streben nach Gewinn. Leidenschaft und Liebe sind ihm fremd, er verkörpert einzig Tyrannei, Egoismus, Eifersucht und Unterdrückung. Für Gulnara ist das Leben an seiner Seite ein Gefängnis; sie hasst diesen Mann. In Corrado begegnet sie dem genauen Gegenteil – einem freien, aufrührerischen Geist, der die bestehende Ordnung vernichten will und ihr, Gulnara, letztendlich den Weg aus ihrer scheinbar ausweglosen Situation weisen kann. Augenblicklich verliebt sie sich in den unbesonnenen Helden, der sich da mit grösster Verwegenheit zu jenen Taten aufschwingt, die sie selbst zu vollbringen erträumt. Gegen die Grundpfeiler der bürgerliche Gesellschaft rennt Corrado mit jenem romantischen Ungestüm an, das aus ihm einen liebenswerten Verlierer macht. mk


Damiano Michieletto

Juan Pons

Paolo Fantin, Carla Teti

Giuseppe Scorsin

Elena Mos存uc

Carmen Giannattasio

Vittorio Grigolo

Chor der Oper Z端rich


Premiere Il Corsaro

Eivind Gullberg Jensen

Carmen Giannattasio

Chor der Oper Z端rich


René Braginsky

Die musikalische Leitung der schweizerischen Erstaufführung von «Il Corsaro» hat Eivind Gullberg Jensen übernommen. Seit Beginn dieser Saison ist der gebürtige Norweger Chefdirigent der NDR-Radiophilharmonie Hannover. Auch wenn er dort vor allem das Konzertrepertoire pflegt, macht er aus seiner Liebe zur Oper keinen Hehl. In seinem Antrittskonzert dirigierte er Wotans Abschied aus der «Walküre», und auch für die Zukunft sind in Hannover Opernprojekte wie eine konzertante Aufführung des «Rheingold» geplant. Darüber hinaus liegt Eivind Gullberg Jensen besonders die Verbindung zu den Opernhäusern in Oslo und Zürich in Herzen. In Oslos neu eröffnetem Opernhaus hat er vor wenigen Wochen die norwegische Erstaufführung von Dvorˇáks «Rusalka» geleitet, und auch in Zürich betritt er nach Griegs «Peer Gynt» und Martinu˚s «The Greek Passion» musikalisches Neuland. Erstmals dirigiert er eine komplette VerdiOper. Im Konzertsaal hat er bisher Erfahrungen mit den Verdi-Ouvertüren gesammelt. Die berühmten Arien aus «La Traviata», «Rigoletto» oder «Il Trovatore» gehören jedoch zu den frühen musikalischen Eindrücken seiner Jugend und markieren seine erste Begegnung mit der Oper überhaupt. Dass «Il Corsaro» nur so selten aufgeführt wird, hat seiner Meinung nach zuerst mit den schwierigen Entstehungsbedingungen sowie mit Verdis eigener Zurückhaltung dem Stück gegenüber zu tun. Auch die kurze Spieldauer von gerade eineinhalb Stunden könnte dem Stück bei den Operndirektoren, die einen glanzvollen Verdi-Abend ins Repertoire ihres Hauses aufnehmen möchten, weniger genutzt als geschadet haben. Umso mehr biete die bevorstehende Zürcher Aufführung die Chance, die zahlreichen musikalischen Qualitäten, die sich im Laufe des Einstudierungs- und Probenprozesses immer mehr herauskristallisieren, ins rechte Licht zu rücken. Dass «Il Corsaro» «schwacher Verdi und höchst konventionell gearbeitet» sei, wie es Verdi-Biograph Julian Budden formulierte, erscheint ihm übertrieben

und reichlich pauschal. «Viel mehr», so meint der Dirigent, «stellt dieses Werk aus Verdis mittlerer Schaffensperiode hohe Anforderungen an die Besetzung. Die Arien und Duette der Hauptcharaktere, aber auch der Chorsatz sind durchaus anspruchsvoll. Lyrischen Teilen stehen in den Solopartien, insbesondere bei Corrado und Gulnara, auch überaus dramatische Passagen gegenüber. Auch die Orchestrierung ist durch eine grosse Dichte geprägt, so dass man sich davor hüten muss, das Werk zu leichtgewichtig zu besetzen. Das Ganze erinnert mich ein wenig an Beethovens ‹Fidelio›, wo die Singspielelemente des ersten Akts der Dramatik des zweiten Akts gegenüberstehen. Gerade in der Behandlung des Orchesters gibt es interessante Entdeckungen zu machen, so im Vorspiel zum zweiten Bild des dritten Aktes mit seiner seltenen Kombination von Solobratsche, Solocello und Streichern. An vielen Stellen höre ich neben Anklängen aus dem Belcanto-Repertoire auch Harmonien und Phrasierungen, die bereits auf ‹Rigoletto› vorausweisen. Wenn man sich eingehend mit ‹Il Corsaro› beschäftigt, erkennt man schnell, dass unter einer nur auf den ersten Blick konventionellen Oberfläche ein unablässiger Verfeinerungsprozess im Gange ist.» Eine kaum gespielte Oper zu dirigieren, so Eivind Gullberg Jensen, sei eine spannende Aufgabe: «Hier gibt es keine Möglichkeit, sich von Interpretationsmodellen anderer Dirigenten leiten oder verführen zu lassen. Man ist auf sich selbst gestellt und muss seinen eigenen Weg finden. Bei unserer Inszenierung in Zürich ist das Stück nicht nur für mich als Dirigent, sondern auch für den Regisseur und die beteiligten Sänger eine Neuentdeckung. Es ist eine dankbare Ausgangssituation, wenn alle frisch und nicht mit festen Vorstellungen belastet sind, die sich allzu oft auch als Klischees von einem Stück entpuppen. Und es ist spannend zu erleben, wie man im Probenprozess versucht, die eigenen Vorstellungen mit den Ideen des Regisseurs und mit der Flexibilität der Sänger in Einklang zu bringen.» mk

Grusswort des Sponsors Geschätzte Opernfreunde Mit «Il Corsaro» gelangt eine der am seltensten aufgeführten Opern Giuseppe Verdis erstmals auf die Bühne des Opernhauses Zürich. Ausgangspunkt für Verdi war die Verserzählung «The Corsair», womit er wie viele seiner komponierenden Zeitgenossen im 19. Jahrhundert auf eine literarische Vorlage von Lord Byron zurückgriff, der zu den prägendsten und skandalumwittertsten Autoren jener Zeit gehörte. Das Opernhaus Zürich nimmt sich immer wieder der grossen Opern Verdis an, bemüht sich daneben aber auch um die weniger bekannten Werke des Komponisten und hat in den letzten Jahren mancher Trouvaille zu neuem Leben verholfen. Es wird spannend sein zu erleben, wie sich das junge Team um den Regisseur Damiano Michieletto und den Dirigenten Eivind Gullberg Jensen mit Verdis «Piratenoper» auseinandersetzen wird, die den Komponisten an der Schwelle zu seinem Reifestil zeigt und in der Titelgestalt des Corrado einen romantischen Helden par excellence präsentiert. Wir freuen uns, diese schweizerische Erstaufführung zu unterstützen und wünschen Ihnen einen unvergesslichen Opernabend. René Braginsky Verwaltungsratspräsident der InCentive Gruppe

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