Premiere La grotta di Trofonio
La grotta di Trofonio Antonio Salieri
Mittwoch, 2. September 2009, 19.30 Uhr In italienischer Sprache mit deutscher Übertitelung Koproduktion mit der Oper Las Palmas, Gran Canaria
LA GROTTA DI TROFONIO Opera comica in zwei Akten von Antonio Salieri (1750-1825) Libretto von Giambattista Casti Uraufführung: 12. Oktober 1785, Burgtheater Wien Musikalische Leitung Inszenierung und Bühnenbild Kostüme Lichtgestaltung Chor
Douglas Boyd Mario Pontiggia Giovanna Buzzi Elfried Roller Ernst Buscagne
Trofonio Dori Ofelia Artemidoro Plistene Aristone
László Polgár Isabel Rey Serena Malfi Krešimir Spicer Gabriel Bermúdez Davide Fersini Rollendebüt für alle Beteiligten
Orchester Musikkollegium Winterthur Voci di Trofonio Statistenverein der Oper Zürich Die weiteren Vorstellungen Do 03. September 19.30 Uhr Sa 05. September 19.30 Uhr So 06. September 20.00 Uhr Vorverkauf: Theater Winterthur Theaterstrasse 4, 8402 Winterthur Telefon+ 41 52 267 66 80, Fax + 41 52 267 50 30 Mo - Fr: 10.00 - 13.00 Uhr / 17.00 - 18.30 Uhr Sa: 10.00 - 13.00 Uhr Mit der S12 reisen Sie ab Zürich Stadelhofen in nur 17 Minuten nach Winterthur; ab Bahnhof Winterthur ist das Theater Winterthur zu Fuss in fünf Minuten zu erreichen.
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Bis auf den heutigen Tag haftet Antonio Salieri der Ruf eines «compositeur maudit» an: Schon zu seinen Lebzeiten machten die Gerüchte die Runde, er habe Mozart aus Neid auf dessen künstlerische Überlegenheit vergiftet. Obwohl es nie die geringsten Hinweise auf eine Täterschaft Salieris gegeben hat und sich der Komponist zeit seines Lebens mit der grössten Hochachtung über Mozart äusserte, blieb die Legende des Giftmords hartnäckig im Raum stehen. Zusätzlichen Auftrieb erhielt sie im 19. Jahrhundert durch Puschkins Drama «Mozart und Salieri». Nicht zuletzt sorgte Miloš Formans cineastisches Meisterwerk «Amadeus» von 1984 mit suggestiven Bildern dafür, dass uns Salieri als minderwertiger Komponist und rachsüchtiger Konkurrent Mozarts in Erinnerung bleibt. Salieris Persönlichkeit scheint in Wirklichkeit ganz anders geartet gewesen zu sein. Zeitgenossen schildern den italienischen Komponisten als bescheidenen, stets grosszügigen und einnehmenden Menschen. Auch stand er keineswegs im Schatten Mozarts: Salieri war eine der erfolgreichsten und einflussreichsten Musikerpersönlichkeiten des ausgehenden 18. Jahrhunderts, verfasste rund 40 Opern, die in ganz Europa aufgeführt wurden und wurde in Paris als Nachfolger Glucks gefeiert. In Wien, seinem Lebens- und Schaffensmittelpunkt, hatte er als Leiter der italienischen Oper und als Hofkapellmeister während der Regentschaft von Joseph II. die bedeutendsten musikalischen Stellen inne. Zudem drückte er als Gesangs-
pädagoge und Kompositionslehrer ganzen Musikergenerationen seinen Stempel auf, darunter waren so berühmte Komponisten wie Beethoven, Hummel, Schubert, Meyerbeer und Liszt, aber auch Mozarts Sohn Franz Xaver. Nach dem Ende der Herrschaft von Kaiser Joseph II. sank Salieris Stern allerdings allmählich, und die Aufführungszahlen seiner Opern stagnierten. Als Antonio Salieri 75-jährig nach längerer Krankheit 1825 in Wien starb, hatten Mozarts Werke Salieris Schaffen bereits in den Hintergrund gedrängt. Erst in den vergangenen zwei Jahrzehnten haben sich Forscher wieder mit zunehmendem Interesse der Musik und dem Leben Salieris gewidmet, und seine Opern finden immer häufiger den Weg auf die Bühne. Vermutlich verdanken wir die Entstehung von «La grotta di Trofonio» einem Zerwürfnis Antonio Salieris mit Lorenzo Da Ponte. Nachdem die beiden mit ihrer gemeinsamen Oper «Il ricco d’un giorno» 1784 in Wien Schiffbruch erlitten hatten – die Oper wurde nach sechs Vorstellungen abgesetzt – soll sich Salieri dermassen über den Misserfolg geärgert haben, dass er laut Da Ponte den Schwur aussprach, «sich lieber die Hand abhacken zu lassen, als je wieder einen meiner Verse in Musik zu setzen». Salieri wandte sich hierauf an Da Pontes Rivalen Giambattista Casti, der in Wien gerade das ehrgeizige Ziel verfolgte, Nachfolger Pietro Metastasios als kaiserlicher Hofdichter zu werden. Dieser Casti, ein ehemaliger Geistlicher, hatte sich bisher als Literat mit höchst
«Heut Abend in der Oper: L’antro di Trofonio. Eine wunderbare Aufführung. Das Terzett mit den Schwestern und dem Zauberer musste wiederholt werden, genauso «Trofonio,Trofonio» sowie das Quartett im 1. Akt und das «qua, qua, qua!». (Aus dem Tagebuch von Graf Zinzendorf, 17. Oktober 1785) freizügigen erotischen Versen sowie einem satirischen Epos über die skandalösen Zustände am Hof Katharinas II. einen Namen gemacht. Im Bereich der Oper war er mit zwei Libretti für Giovanni Paisiello hervorgetreten, darunter das Drama «Re Teodoro in Venezia», das gerade in ganz Europa Furore machte. Für die erste gemeinsame Oper mit Salieri – nach «La grotta» sollten noch drei weitere Libretti für Salieri folgen – griff Casti ein Sujet aus der Antike auf: Trophonios war ursprünglich ein griechischer Baumeister, der in Lebadeia (Böotien) von der Erde verschlungen wurde, nachdem er eine von ihm selbst erbaute Schatzkammer ausgeraubt hatte. Fortan musste er in seiner Gruft als Erdgott Orakel erteilen. Die Mythe erzählt, dass sich derjenige, der den Gott aufsuchen wollte, zuerst komplizierten
Reinigungsritualen unterziehen musste, bevor er den Abstieg in die Höhle wagen durfte. Die Orakelsprüche sollen dabei unter solch grossen Schrecknissen erfolgt sein, dass den Besuchern für lange Zeit das Lachen verging. Casti formte aus dem Orakelgott einen machtbesessenen «Philosophen und Zauberer» und konzentrierte sich in seinem Libretto auf die Idee der Metamorphose, die die Besucher der Höhle durchleben. Zwei Liebespaare, ein ernstes (Ofelia/Artemidoro) und ein heiteres (Dori/ Plistenes), geraten in Trofonios Grotte und werden jeweils in ihr gegenteiliges Temperament verwandelt. Diese Charakteränderung verursacht die grösste Verstörung der Liebe und kommt erst dann zur Beruhigung, als ein erneuter Höhlenbesuch den Ursprungsstatus wieder herstellt.
Dass dieser Verwandlungsspuk nicht ganz ernst gemeint war, bezeugt eine Bemerkung Castis. Wie er in seinem «Memoriale dato per Celia» erklärt, habe er «La grotta» mit der Absicht geschrieben, «den Dämon und die magischen Teufelsaustreibungen von Hexern und Scharlatanen lächerlich zu machen, wie auch die gespielten Trancen von Hochstaplern und anderen Schwindlern.» Casti spielt hier auf berühmte Hochstapler seiner Zeit an, wie beispielsweise Giuseppe Balsamo, der unter dem Namen Cagliostro seit den 1770er-Jahren quer durch Europa reiste und von der Gesellschaft hofiert wurde, obwohl diese sich in Organisationen wie den Freimaurern Aufklärung und Vernunft aufs Banner geschrieben hatte; der Hochstapler erzielte Rekordpreise für seine wirkungslosen Zaubertränke. Neben der Zauberei nimmt Casti aber auch in der Gestalt von Ofelia und Artemidoro pedantische Anhänger der Philosophie aufs Korn. Das war ein Thema, das wenige Jahre zuvor bereits in Paisiellos «Socrate immaginario» vorgeformt war. Casti knüpft damit an die philosophische Märchenoper an, für die Wien, wo sich barocke Operntradition und Josephinismus trafen, ein ideales Pflaster war.
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Premiere La grotta di Trofonio
Douglas Boyd
«Die Orchesterpartie ist reichhaltig, kunstvoll und bietet süperbe Effekte.» (Chronique de Paris über «La grotta di Trofonio» anlässlich einer Aufführung in Paris, 15. März 1790) Salieri dürfte die Partitur im Sommer 1785 fertiggestellt haben. Die Uraufführung, der möglicherweise eine private Voraufführung in der kaiserlichen Sommerresidenz Laxenburg vorausgegangen war, fand am 12. Oktober 1785 im Burgtheater statt. Während das Libretto wegen seiner Schablonenhaftigkeit von vielen Zeitgenossen bemängelt wurde, fand Salieris Musik hingegen die grösste Anerkennung; ja man kann sogar soweit gehen, die Oper als grössten Erfolg in Salieris künstlerischer Laufbahn zu bezeichnen. Noch im Jahre der Erstaufführung wurde die Oper zwölfmal gegeben, und bis 1787 brachte sie es sogar auf insgesamt 26 Aufführungen. Welch immense Popularität die Oper erlangte, zeigt auch die Tatsache, dass «La grotta di Trofonio» die erste komische Oper war, die bei Artaria ein Jahr nach der Uraufführung bereits in Partitur gestochen wurde – für Wien und die Opera buffa lange ein Einzelfall. Oftmals übersetzt und einmal wohl auch als Parodie gezeigt, ist «La grotta di Trofonio» Oper Ende des 18. Jahrhunderts in ganz Europa in fast dreissig Inszenierungen über die Bühne gegangen. Zum aussergewöhnlichen Erfolg der Wiener Premiere dürften auch die exzellenten Sängern beigetragen haben, die Salieri zur Verfügung standen. Es waren Sänger, die später auch bei den Uraufführungen von Mozarts Da Ponte-
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Opern mitwirkten. Die Ofelia etwa wurde von der beliebtesten «prima buffa» des Hoftheaters, Nancy Storace, Mozarts erster Susanna, gesungen. Ofelias Schwester Dori verkörperte Celeste Coltellini, die sich hinsichtlich ihres Charakters und ihrer Stimmfarbe sehr von Nancy Storace unterschied. Möglicherweise realisierte sich hier ein langgehegter Wunsch des Kaisers, beide Sängerinnen miteinander in Konkurrenz zu bringen. (Wenig später standen sie sich übrigens erneut gegenüber: als Diven in Salieris und Castis Opernsatire «Prima la musica, e poi le parole», die zusammen mit Mozarts «Der Schauspieldirektor» in einer vom Kaiser initiierten Gegenüberstellung von italienischer Oper und deutschem Singspiel gezeigt wurde. ) Salieris Partitur im «stile magico-comico» sprüht von musikalischen Einfällen, herrlichen Ensembleszenen und formaler Vielfalt. Sehr zupass kamen ihm auch die Kontraste der Charaktere, die er durch eine reizvolle «chiaroscuro»-Malerei im Orchester unterstützt. Bekannt für seine Experimente mit der Orchestrierung, zauberte Salieri auch in der «Grotta»: Plistenes Kavatine etwa wird nur von zwei Englischhörnern sowie einem Fagott begleitet, und Ofelias herrliches Rondo «D’un dolce amor la face», das mit seinen Tempowechseln und grossen Intervallsprüngen Nancy Storace auf den Leib geschrieben war, untermalen Klarinetten und ein Solo-Fagott. Kesselpauken, die so gestimmt werden sollen, dass sie eine übermässige Quarte auseinanderliegen, kommen bei den Geistern der Unterwelt zum Einsatz. Damit nahm Salieri gleichsam Beethoven vorweg, der sich in «Fidelio» desselben Mittels bediente, wenn er die Finsternis beschreibt, die den eingekerkerten Florestan umgibt.
Mario Pontiggia
Giovanna Buzzi
Besondere Berühmtheit erlangte schliesslich ein Lied, in welchem die verwandelte Dori jegliche Selbstbeherrschung verloren hat. Das von Salieri mit «minuetto» betitelte Lied beginnt mit den Silben «La ra la ra» und dürfte damit eine Anspielung an ganze Generationen von Tanzlehrern gewesen sein, die ihren Schülern mit diesen Unsinnssilben Melodien vorzusingen pflegten. Dieses buffoneske Glanzstück, zu welchem Nancy Storace tanzte und das sie auf ihren Konzertreisen gleichsam im Handgepäck oft mitnahm, war so populär, dass Salieris Zeitgenosse Giuseppe Sardi sogar Variationen dazu verfasste. Auch Mozart scheint davon beeindruckt gewesen sein: Das Menuett weist hinsichtlich seiner sprunghaften Melodik frappante Ähnlichkeiten zu Donna Elviras «Ah fuggi il traditor» aus «Don Giovanni» auf. Überhaupt kann die fruchtbare künstlerische Verkettung zwischen Mozart und Salieri vielleicht an keinem anderen Werk besser abgelesen werden, als bei «La grotta di Trofonio». Es sieht sogar so aus, als ob Salieris Oper gleichsam eine Keimzelle für die – notabene alle nach Salieris «Grotta» entstandenen – drei Da Ponte-Opern gewesen sei. Da wäre etwa die langsame, dämonische Einleitung der Ouvertüre in d-Moll zu nennen (eine langsame Ouvertüre war äusserst ungewöhnlich für eine komische Oper im 18. Jahrhundert!) und ihre Verwandtschaft zur «Don Giovanni»-Ouvertüre, die ebenfalls in d-Moll beginnt. Artemidoros ätherische Arie «Di questo bosco ombroso» scheint ein Vorbild für Ferrandos «Un’aura amoroso» aus «Così fan tutte» gewesen zu sein, und Ofelias lyrisches Rondo nimmt die Cavatina der Gräfin («Porgi, amor, qualche ristoro») im 2. Akt von «Figaro» vorkb weg.