MAG 35: Die Hamletmaschine

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MAG 35

Wolfgang Rihm ist Komponist der «Hamletmaschine»


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Editorial

Ein Kunstabenteuer Verehrtes Publikum,

MAG 35 / Januar 2016 Unser Titelbild zeigt Wolfgang Rihm, ein Interview mit dem Komponisten finden Sie auf Seite 12 (Foto Florian Kalotay)

mit dieser MAG-Ausgabe möchten wir Ihnen Lust auf ein Kunstabenteuer machen, dem eine absolute Ausnahmestellung in dem Repertoire zukommt, das Opernhäuser gemeinhin auf die Bühne bringen. Wolfgang Rihms Musiktheater Die Hamletmaschine, das am 24. Januar an unserem Opernhaus Premiere feiert, ist ein Grosswerk der musi­ kalischen Moderne, das sich allen gängigen Vorstellungen von Oper entzieht. Es ist ein sinnlich-spektakuläres Theater aus Klang, Bild, Szene, Gesang, Text und medialen Projektionen, das die konventionelle Opernform radikal in Frage stellt und sie gleichzeitig neu zu definieren versucht – jenseits von Handlung, Arie und konsistenten Fi­guren­identitäten. Wolfgang Rihm, der zu den bedeutendsten Komponisten unserer Zeit gehört, hat das Werk Mitte der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts geschrieben. Die Uraufführung fand 1987 in Mannheim statt. Es wurde noch in der gleichen Spielzeit in Freiburg im Breisgau auf die Bühne gebracht und 1990 an der Hamburger Staatsoper. Seitdem ist Die Hamletmaschine nicht mehr gespielt worden. Unsere Zürcher Wiederentdeckung dieses Werks kommt deshalb einer Art zweiten Uraufführung gleich – mit all den immensen Herausforderungen, die so ein Aufbruch in musiktheatralische terra incognita mit sich bringt. Der Text zu Rihms Werk stammt von Heiner Müller, dem ebenso hochverehrten wie umstrittenen DDR-Schriftsteller, dessen 20. Todestag sich Ende Dezember jährte. Seine neunseitige Hamletmaschine ist ein Text von literaturgeschichtlicher Bedeutung. An ihm wurde das Ende des modernen Dramas und der Übergang zur Postmoderne diskutiert. Themen und Figuren aus Shakespeares Hamlet werden in der Hamletmaschine aufgegriffen, verarbeitet und dekonstruiert, und wie Shakespeares Held in einer fauligen Welt mit dem Geist seines Vaters in Kontakt tritt, nimmt Heiner Müller in sei­nem Stück Kontakt mit den Toten oder besser: den Untoten der Geschichte auf. Diese Untoten sind die an der sozialistischen DDR-Realität zerschellten linken Hoff­ nun­gen eines hellwachen Intellektuellen und der grundsätzliche Verlust von Utopie in der Spätzeit der Moderne. In der Zeit des Mauerfalls von Berlin fand Heiner Müller einen damaligen Slogan der Deutschen Bank symptomatisch für die Situation des sieg­ reichen Kapitalismus: «Aus Ideen werden Märkte». Der Sozialismus war für Müller zwar diskreditiert, aber der Kapitalismus nicht die Antwort auf die drängenden sozia­ len und gesellschaftlichen Probleme der Welt. Ausweglos und entscheidungsunfähig zwischen zwei Systemen stehend, wie Hamlet in Shakespeares Drama, propagiert Müller in seiner Hamletmaschine den totalen Ausstieg aus dem fatalen Lauf der Welt, der Form des Dramas und seiner Rolle als Dichter. «Ich spiele nicht mehr mit», lässt er seinen Hamletdarsteller sagen, «mein Drama findet nicht mehr statt.» Aber im letz­ ten Abendrot lässt Heiner Müller die Sprache für seine apokalyptischen Bilder noch einmal feuerrot glühen. Nicht zuletzt diese Sprachglut hat Wolfgang Rihm zu seinem Musiktheater inspiriert. Die Hamletmaschine ist ein faszinierend massloses Werk, was den künstlerischen und technischen Aufwand angeht, den es einfordert. Masslos ist es auch in der sinnli­ chen und intellektuellen Weite, die es aufspannt. Leicht zu verstehen ist es für uns Zuschauer nicht. Aber Heiner Müller hat einmal gesagt: «Es geht im Theater nicht darum, dass man etwas versteht, sondern dass man etwas erfährt.» Die Erfahrung, die Sie in Wolfgang Rihms Hamletmaschine machen können, sollten Sie sich, verehrtes Publikum, nicht entgehen lassen. Claus Spahn

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Inhalt

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Wolfgang Rihms Hamletmaschine gehört zu den wichtigsten Werken der musikalischen Moderne. Der Komponist blickt im Gespräch erneut auf sein Stück, das er in den 80er-Jahren geschrieben hat

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­  Die Hamletmaschine zu inszenieren ist ein Abenteuer mit offenem Ausgang. Regisseur Sebastian Baumgarten erläutert im Gespräch Heiner Müllers zeitloses Shakespeare-Destillat und die verdichtete Vertonung Wolfgang Rihms

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Gabriel Feltz dirigiert die Hamletmaschine und stellt sich damit zum ersten Mal am Opernhaus Zürich vor. Volker Hagedorn hat ihn in Dortmund getroffen

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Ab 31. Januar zeigen wir erneut Verdis Rigoletto in der Inszenierung von Tatjana Gürbaca und mit Quinn Kelsey in der Titelpartie

Opernhaus aktuell — 6 Wie machen Sie das, Herr Bogatu? — 7 Drei Fragen an Andreas Homoki — 9 Die geniale Stelle — 32  Meine Rolle — 36 Der Fragebogen — 38  Kalendarium und Serviceteil — 39 Sibylle Berg — 44

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LAUFSTEG BALLETTSAAL Nicht nur auf der Bühne verkörpern die Tänzerinnen und Tänzer des Balletts Zürich starke Charaktere. Auch im Probenalltag präsentieren sie sich als ausgesprochene Individualisten. Tänzer Eric Christison hat die Outfits seiner Kollegen unter die Lupe genommen. Mit seinem speziellen Blick hat er einige von ihnen am Rande der Proben fotografiert. Jeder von ihnen hat seinen eigenen, unverwechselbaren Stil.

von links nach rechts Irmina Kopaczynska, Polen «Mix & Match» Manuel Renard, Frankreich «Colour Blocking» Giulia Tonelli, Italien «Sleek» Christopher Parker, Grossbritannien «Coordinated Tones» Francesca Dell’Aria, Italien «Glam-Chic» Juliette Brunner, Schweiz «The Minimalist»



Opernhaus aktuell

Liederabend Edita Gruberova

Liederabend Mauro Peter

«Primadonna assoluta, Phänomen der Koloratur, Diva des Belcanto-Gesangs»: Diese Superlative werden von Kritikern und Publikum verwendet, wenn es darum geht, die Kunst der Sopranistin Edita Gruberova zu beschreiben. Ihre inzwischen bereits mehrere Jahrzehnte umspannende Karriere ist beispiellos, und es scheint müssig, die Opernhäuser und Konzertsäle auf­zuzählen, in denen Edita Gruberova aufgetreten ist, denn keines der wichtigen Opernhäuser, kein grosser Konzert­saal der Welt fehlt. Am Opernhaus Zürich, dem sie über viele Jahre hinweg eng verbunden ge­ we­sen war, feierte die Sopranistin in der Spielzeit 2013 mit ihrem Rollen­debüt in Bellinis La straniera einen Triumph. Nun wird sie für einen Lieder­abend er­ neut nach Zürich zurückkehren: Be­ gleitet von Peter Valentovic am Klavier, singt Edita Gruberova am 15. Januar Mädchenblumen von Richard Strauss, Zigeunermelodien von Antonín Dvořák sowie ausgewählte Lieder von Piotr Tschaikowski, Gustav Mahler und Niko­ laj Rimski-Korsakow.

Mauro Peter gilt als einer der vielver­ spre­chendsten jungen Tenöre seiner Zeit. Am Opernhaus Zürich, zu dessen Ensemble er gehört, konnte man den Luzerner zuletzt als Tamino in der Zauberflöte und als hervorragenden Interpreten von Schuberts Winterreise erleben; in der Neuproduktion von Purcells King Arthur wird er ab 27. Februar in verschiedenen Partien zu hören sein. Zuvor gibt Mauro Peter bereits am 4. Februar einen Liederabend im Opernhaus, und zwar mit Lied­ kompositionen von Wolfgang Rihm, Franz Schubert und Francis Poulenc.

Freitag, 15 Jan 2016, 19 Uhr, Opernhaus

Donnerstag, 4 Feb 2016, 19 Uhr, Opernhaus

Brunchkonzert Über zwei Spielzeiten hinweg – 2013/14 und 2014/15 – war die französische Pianistin Lise de la Salle «artist in residence» bei der Philharmonia Zürich; in mehreren Konzerten spielte sie alle Klavierkonzerte sowie die PaganiniVaria­tionen von Sergej Rachmaninow.

Mittlerweile liegen die Klavierkonzerte auch auf CD vor. Aus dieser konti­ nuierlichen Arbeit mit der Philharmonia Zürich sind bleibende künstlerische Verbindungen hervorgegangen: Im Brunch­konzert spielt Lise de la Salle zu­ sammen mit dem Konzertmeister der Philharmonia Zürich, Bartlomiej Niziol, sowie unserem Solocellisten Claudius Hermann Klaviertrios – wiederum von Sergej Rachmaninow. Brunchkonzert Sonntag, 24 Jan 2016, 11.15 Uhr, Spiegelsaal

Rahmenprogramm zur «Hamletmaschine» Unsere nächste Opernpremiere wird von zwei grossen Künstlerpersönlichkeiten der Moderne geprägt – dem Kompo­ nisten Wolfgang Rihm und dem Schrift­­ steller und Dichter Heiner Müller. Beiden haben wir im Rahmenprogramm zur Hamletmaschine je eine Veranstaltung ge­widmet. Wolfgang Rihm wird am 21. Januar im Spiegelsaal bei einem Ge­­sprächskonzert persönlich anwesend sein und über sein Schaffen Auskunft ge­ben, der Tenor Mauro Peter singt Lie­­der von Rihm; Anna Hauer und Michael Richter spielen Klavierwerke. Über Heiner Müller, dessen 20. Todestag sich vor wenigen Wochen jährte, disku­tieren am 23. Januar, ebenfalls im Spiegelsaal, der Germanist Peter von Matt, der Müller-­Kenner Ludwig Haugk und Claus Spahn. Die Schauspielerin Anne Ratte-Polle liest Texte von Heiner Müller.

Fotos: Lukas Beck / Franziska Schrödinger

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Wie machen Sie das, Herr Bogatu?

Ein Schweinekopf mit Mikro

Illustration: Laura Jurt

Immer wieder werde ich gefragt, ob unsere Solisten auf der Bühne eigentlich verstärkt werden. Nein, das werden sie in der klassischen Oper im Gegensatz zum Musical grund­ ­sätzlich nicht. Manchmal verstärkt man den Chor oder einzelne Instrumente – aber nur dann, wenn diese z.B. hinter der Bühne platziert sind und der Klang ohne Verstär­ kung zu leise wäre. Oder man verstärkt einzelne Stimmen, wenn diese einen speziellen klanglichen Effekt haben sollen oder aus einer bestimmten Richtung kommen müssen, in der aber niemand stehen kann. Bei der Familienoper Das verzauberte Schwein entschieden wir uns allerdings für eine komplette Verstärkung sowohl der Singenden als auch des Orchesters, da dieses Stück musikalisch dem Musical näher liegt als der klassischen Oper. Das bedeutet, dass wir in jeder Vorstellung mit 22 Funkmikros sämtliche Sängerinnen und Sänger (inklusive dem kleinen Chor) und mit 9 Mikrofonen das kleine Orchester verstärken. Die Mikros für die Singenden sind so klein, dass man diese an der Wange, am Haaransatz in der Perücke oder in der Maske so integrieren kann, dass sie nahezu unsichtbar sind. Das Mikro ist über eine dünne Leitung mit einem Sender verbunden, dieser steckt in einer extra genähten Tasche im Kostüm und kann vier Stunden ohne Batteriewechsel senden. Der Gesang wird von unserem betreuenden Tontechniker Jörg Albertin von der letzten Reihe des Zuschauerraums aus geregelt. Dort wird für jede Vorstellung ein Tonpult aufgebaut, und dort kann Jörg sofort hören, wenn ein Sänger oder eine Sän­gerin leiser oder lauter singt als sonst und regelnd eingreifen. Er wird dadurch fast zu einem Dirigenten des verstärkten Gesangs, da unsere Dirigentin im Orchestergraben den verstärkten Klang im Saal nicht hören kann: Sie hört die ihr sehr nahe stehen­ den Sänger und Sängerinnen direkt von der Bühne. Jörg muss aber auch Personen, die von der Bühne abgehen, sofort leise regeln, und wenn diese wieder auftreten, muss der Ton ab der ersten Note wieder da und genauso eingestellt sein wie zuvor. Umbesetzungen erfordern äusserstes Fingerspitzen­ gefühl, da die Einstellungen des einen Sängers nicht für den anderen passen. Jörg ist natürlich nicht alleine, die Tonabteilung ist bei einer Schwein-Vorstellung zu viert im Einsatz: Zwei Tontechniker sind auf der Bühne und helfen bei der Verkabelung der Singenden, stellen die Mikrofone im Orchestergraben auf, greifen schnell ein, wenn ein Sender ausfällt, und kümmern sich um Monitore, Lautsprecher und Lichtzeichen. Die vierte Tontechnikerin bzw. der vierte Tontechniker sitzt in der Tonregie am Pult, mischt den Orchesterklang und hält die Verbindung zum Inspizienten. Eine besondere Herausforderung stellte übrigens die Maske des Hauptdarstellers Ruben Drole dar, der den in ein Schwein verzauberten Prinzen spielt: Rubens Kopf steckt die meiste Zeit in einer Schweinekopfmaske – und das Mikro auch, was sich ohne Regulierung am Mischpult erheblich auf den Klang auswirkt, der durch die Maske lauter und dumpfer wird. Nun verwandelt sich das Schwein im Verlauf des Stückes aber auch mal zurück in den Prinzen, d.h. der Darsteller tritt mal mit Maske, mal ohne Maske auf. Um dieses Problem zu lösen, wurden zwei Mikros verwendet: eines im Schweinekopf integriert, und das andere an Ruben Droles Kopf befestigt. Dadurch gelang es, den Klang jeweils so zu regeln, dass die Stimme sich nicht mitver­ wandelte. Sebastian Bogatu ist Technischer Direktor am Opernhaus Zürich

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donnerstag 11.2.2016, 19.30 uhr LIVE im Arthouse Le Paris dauer: 2 h 55 Min., Italienisch mit deutschen untertiteln Preise: cHF 42.– / 40.– (AHV, Legi), cHF 36.– mit der kinokarte.ch

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Drei Fragen an Andreas Homoki

Kürzungen mit Augenmass

Foto: Stefan Deuber

Herr Homoki, die Subventionen des Kantons Zürich für das Opernhaus werden ab 1.1.2016 um zwei Prozent gekürzt. Was bedeutet das für Ihre Arbeit? Zunächst einmal sind wir uns bewusst, dass die Subventionskürzung des Kantons kein Misstrauensvotum gegenüber unserer Arbeit darstellt, das hat man uns gegenüber auch immer deutlich kommuniziert. Der Kanton muss sparen und erwartet auch vom Opernhaus einen Beitrag zur Sanierung der Finanzen. Zwei Prozent klingt erst mal nach nicht sehr viel; in absoluten Zahlen betrachtet, sind 1,6 Millionen Franken aber natür­lich durchaus ein finanzieller Einschnitt, den wir spüren werden. Dazu kommt, dass die Kürzung für uns genau genommen noch höher ausfällt, denn wir müssen gleichzeitig die Sparbei­träge in unsere Pensionskasse erhöhen, womit weitere 1,5 Millionen Franken hinzukommen. Somit fehlen uns ab 1. Januar 2016 über 3 Millionen Franken. Das ist nicht ganz einfach. Wie können diese Kürzungen aufge­ fangen werden? Dafür gibt es grundsätzlich zwei Mög­ lich­keiten: Entweder man erhöht die Einnahmen, oder man muss die Kosten senken. Höhere Einnahmen zu erzielen, ist für uns nicht wirklich realistisch. Wir haben dank hoher Vorstellungseinnahmen (bei einer Auslastung von knapp 85 Prozent) und hoher Sponsoringbeiträge bereits einen Eigenwirtschaftlichkeitsgrad von fast 40 Prozent, das hat, so viel ich weiss, kein anderes Opernhaus in Europa. Also bleibt uns nur, die Kosten zu senken. Unser Ziel ist es, das so auf den Betrieb zu verteilen, dass man es an unserer Leistung, also an der Qualität unserer künstlerischen Arbeit, nicht merken wird. Daran arbeiten wir. Die Kürzungen treffen das Opernhaus mitten in der laufenden Spielzeit.

Wie kann man überhaupt so kurz­ fristig sparen, ohne dass man an der Qualität Abstriche machen muss? So kurzfristig kann man genaugenommen gar nicht sparen, denn ca. 80 Prozent unserer Kosten sind Fix­kosten, vor allem für das Personal. Aber die Po­ li­tik hatte uns ja bereits vor einem Jahr vorgewarnt, dass es möglicherweise eine Subventionskürzung geben könnte. Also hatten wir die Möglichkeit, gewis­se Weichen zu stellen und mit bestimmten Projekten vorsichtiger zu sein. Wir sehen die Notwendigkeit, zu sparen, und möchten auch unseren Beitrag leisten. Natürlich sind die 3 Millionen Franken, die uns fehlen werden, viel Geld, aber gemessen am strukturellen Defizit des Kantons insgesamt sehen wir, dass dieser Beitrag nicht überproportional ist, sondern vom Kanton auch mit Augenmass festgelegt wurde. Wir verstehen natürlich auch, dass im Opernhaus nicht der «blaue Himmel leuchten» darf, «wenn es in den Schulen und Spitälern regnet», wie Moritz Spillmann gesagt hat. Deshalb versuchen wir auch die Zusatzkosten für die Sanierung unserer Pensionskasse aus eigener Kraft auf­ zubringen und fordern keine Zuschüsse vom Kanton. Dass das möglich ist, hängt auch mit den sehr guten Zahlen meiner dritten Spielzeit zusammen: Wir hatten gegenüber der Spielzeit 2013/14 nicht nur eine leicht höhere Auslastung und höhere Vorstellungseinnahmen, sondern konnten auch die Sponsoring­bei­träge um 6 Prozent auf fast 9 Millionen Franken steigern. Dadurch bestätigt sich, dass das neue Finanzierungsmodell, das ich mit Beginn meiner Intendanz eingeführt habe, nachhaltig funktioniert. Diese Konti­ nuität und Stabilität ermöglichen es uns, die jetzt beschlossene Subventions­ kürzung besser abzufedern. Angesichts unserer hohen Fixkosten und der langen Planungsvorläufe, die wir haben, bleibt sie aber dennoch eine grosse Herausforderung.

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12 Die Hamletmaschine

Schichten statt Geschichten Wolfgang Rihm gehört zu den bedeutendsten Komponisten der Gegenwart. Ein Gespräch über seinen Blick auf das Musiktheater der 80er Jahre, das Fleisch der Ahnen, skulpturale Klänge und die grellfarbige Schwärze seiner «Hamletmaschine»

Lieber Wolfgang Rihm, die Kompo­ sition Deiner Hamletmaschine liegt mehr als dreissig Jahre zurück. Vor einem Vierteljahrhundert wurde das Stück zuletzt auf einer Bühne auf­ geführt, nämlich an der Hamburger Staatsoper. Wie schaust Du heute als 63-Jähriger auf eine Partitur, die Du mit Anfang dreissig komponiert hast? Wolfgang Rihm: Mit Wohlgefallen. Ich sehe das Verkantete und fest Ver­ schraub­te in diesem Stück. Das muss so sein, denn der Text von Heiner Müller, der mich damals sehr fasziniert hat, ist es auch. Müllers Text setzt Bild an Bild und schiebt diese ineinander. Die Bilder behindern und verletzen sich gegenseitig, in jedem Bild steckt schon

ein anderes. Dem Text wohnt etwas Gewalttätiges inne. Er entfaltet Atemlo­ sigkeit, strahlt eine Kontamination ab. Ich bin gespannt, wie das in Zürich realisiert wird. Ich sehe allerdings auch, dass ich heute mit meinem Komponie­ ren in gelasseneren kompositorischen Gestaltungsbereichen angelangt bin, ohne dass ich sage: Was ich damals ge­ schrieben habe, ist nicht gut. Über­ haupt nicht. Die Partitur ist, so wie sie ist, genau richtig. Begegnet man einem eigenen Stück, das so lange zurückliegt, mit einem fremden Blick? Man guckt schon erst einmal fremd, denn es sind ja viele Jahre vergangen.

Foto: © Serge Cohen / Agentur Focus

Wolfgang Rihm im Jahr 2002


Die Hamletmaschine 13

Die Auseinandersetzung mit Heiner Müller begann nach meiner Oper Jakob Lenz. Ich war auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, musiktheatralisch weiter­ ­zuarbeiten. Die Welt von Antonin Artaud kam in mein Blickfeld. Heiner Müller wuchs doppelgängerisch aus Artaud hervor. «Bild und Anrufung, Zeichen, Traum­­logik und rituelle Energie statt Handlung», so hast Du Dir damals – man kann es in Deinen Schriften nach­lesen – eine neue Musiktheater­ form vorgestellt. Das hat mich damals sehr interessiert. Obwohl ich mir heute wieder ganz andere Formen vorstellen kann… (holt ein vergilbtes Taschenbuch hervor) Ich habe etwas mitgebracht, es ist die Aus­ gabe von Heiner Müllers Dramentexten, die ich damals benutzt habe. Ich habe mit Bleistift schon bei der Erstlektüre Notizen an den Rand geschrieben. Unter dem Titel Hamletmaschine steht «Text und Musik». Genau. Aber gleich daneben steht «Musik und Theater». Text und Musik und Theater sind als Einheit zu denken. Es ist nicht gemeint: Hier gibt es einen Text, und zu dem schreibe ich Musik, und zu der machen wir dann ein Theater. Das ist von Anfang an von mir als eine Gestalt gedacht gewesen, schon in diesem ersten Leseprozess. Hier lese ich: «Schauspieler und Sänger». Auch das war als Anfangsidee für das Musiktheater, das mir vorschwebte, sofort klar: Ich wollte Sänger und Schau­ spieler mischen. Zunächst war noch nicht klar, dass es eine Figur, nämlich Hamlet, in mehreren Brechungen geben würde. Aber auch das ist in den folgenden Notizen bereits angedeutet. Du hast auch musikalische Assozia­ tio­nen an den Rand geschrieben. «Monodram» zum Beispiel: eine Asso­ zia­­tion zu Arnold Schönbergs Erwar­ tung. Und bei «I’M GOOD HAMLET GI’ME A CAUSE FOR GRIEF» habe ich an eine Händelarie gedacht. Deshalb

steht da «Arios, Lucrezia, hän­del­haft». Das bezieht sich auf die Kantate Lucre­ zia von Händel. Davon gibt es eine wunderschöne Aufnahme mit Janet Baker, die habe ich damals oft gehört. «Elektra-Stil» steht neben dem nächs­ ten Satz. Ein weiterer Verweis. Eine Idee war, musikalische Stilbilder, die mich geprägt haben, mit den Szenenbildern in Mül­ lers Text zu überblenden, also mehr­fach zu belichten. Man kann ja die erste Szene des Müllertextes als ein Blättern in Hamlets Familienalbum verstehen: Schau mal, das ist der Leichenzug hinter dem Sarg meines ermordeten Vaters. Hier ist meine Mutter und hier, an ihrer Seite, Onkel Claudius, der Mörder. Meine musikalischen Stilnotate dazu sind Assoziationen der ersten Lektüre. Wir kennen Shakespeares Hamlet als den intelligenten hellhörigen Helden, der durchschaut, dass die Welt einen verbrecherischen Verlauf nimmt, sich aber nicht zu einer rettenden Tat durchringen kann, weil er sein Han­­ deln reflektiert, weil er Ängste kennt, weil er zweifelt. Hamlet als der durch­­­blickende, aber blockierte Intel­ lek­tuelle – dieses Bild korrespondiert mit der ausweglosen Situation, in der sich der Dichter und DDR-Drama­ tiker Heiner Müller befand, als er den Hamletmaschinentext schrieb. Was war für dich hamlethaft an Dei­ ner Situation damals als Komponist? Wenn ich das jetzt auf eine einfache For­mel bringen soll, dann vielleicht so: Der Künstler ist umstellt von Tradition, von einer enormen Vielfalt geschicht­­ licher Abkunft, und muss trotzdem stän­dig künstlerische Entscheidungen für die Zukunft treffen, und das kann zu Entscheidungs­unfähigkeit führen. Das Überdenken und Hinterfragen künst­le­rischer Mittel als geschichtlich ge­worde­ne war damals ein grosses Thema. Ich konnte nie sagen: Was ich hier mache, entstammt der historischen Tendenz des Materials. Ich konnte immer nur mit mir selbst für mein Schaffen einstehen. Das Ich ist aber ein unsicherer Kantonist. Ein Büh­nen­werk

«Ich war auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, musiktheatralisch zu arbeiten»


14 Die Hamletmaschine

zu erschaffen, das die Reflexion in sich trägt, was ein Bühnenwerk ist, und trotzdem pralles Theater sein soll, ist wie Stochern im Nebel. Genau das hat mich gereizt: Dieses Gleichzeitig­sein an vielen Orten. Gleich­zeitig Hamlet zu sein und seine Über­windung. Und selbst­ver­ständ­lich öffnet man als künst­ lerisch Schaffender immer wieder die Särge der Toten und verteilt das Fleisch der Ahnen. Wie es Müller in einem Bild der Hamletmaschine beschreibt. Er findet szenische und sprachliche Fü­ gungen dafür. Dem musikalisch zu antworten, zu entsprechen, ist nicht so einfach. Ist die Hamletmaschine ein schwarzes Stück? Ja, buntschwarz. Grellfarbig schwarz. Immer wieder schwarz glänzend, schwarz matt, völlig farblos, dann weiss, plötzlich wieder bunt. Aber hauptsäch­ lich dunkel, dunkelschwarz, farbschwer. Ein Stück, das keine Hoffnung erkennen lässt? Es wird aus der Position eines Aussen­ stehenden entwickelt, von einem, der auf die Ausweglosigkeit draufschaut. Das lässt hoffen. Er betrachtet das Pessimistische, sieht in dem Moment aber nicht wirklich seinem Ende entge­ gen. Komödiantisches ist in der Hamlet­ maschine höchst präsent. Sie hat irre komische Momente. Wenn das ein Re­ gisseur herausbrächte, fände ich das gut. Heiner Müller hat selbst einmal ge­ sagt: Wenn man die Hamletmaschine nicht als Komödie begreift, muss man mit dem Stück scheitern. Das wusste ich gar nicht. Das Faszinie­ rende an dem Text ist seine Vielgestalt, allein die vielen Bühnen, die da ein­ge­ zogen sind, auch in den Personen selbst. Es ist eine ungeheure Assoziations­ dich­te. Weisst Du, an was mich die Ham­let­maschine erinnert? An ein spätes Bild von Max Beckmann, es hängt in Frankfurt im Städel Museum und heisst Back­stage. Es ist vielleicht das letzte Bild, das Beckmann vollendet hat.

Es zeigt einen Raum hinter der Bühne, wie der Name schon sagt, in dem alles mögliche herumsteht, das auf der Bühne seine Funktion hat und hinter der Büh­ne den Weg verstellt. Man sieht Kro­nen, Schwer­ter, den Wald aus Mac­beth, Leuchter, Waffen, das ganze Arsenal der klassischen und wohl vor allem Shake­ speareschen Bühne. Dieses Arsenal lehnt ineinander verkeilt und in falscher Funk­­ tion aneinander. Man blickt in Räu­me, die vollgestellt sind, und aus denen es kein Entkommen mehr gibt. So kommt mir auch der Text von Heiner Müller vor. Eine irrsinnige Dichte. Das macht auch den Gesang zu einem anderen. Ich möchte natürlich, dass die Ophelia eine Hochdramatische ist und sich auch aussingen kann. Sie singt in dicker oder dünner Luft, je nachdem. Das Singen selbst ist ja auch eine Gestalt, die auftritt. Es ist auch eine Bühne, die aus der Figur herauswächst. Wann singt jemand? Diese Frage hat mich damals sehr beschäftigt. Und sie ist heute noch nicht be­antwortet. Natürlich habe ich Ahnungen… Wie könnte die Antwort lauten? Das Singen ist ein herausgehobener Zu­ stand, der einen Menschen auszeichnet, ihn aber gleichzeitig – überspitzt gesagt – entmenscht und zu einer Kunstfigur macht. Dieser Grat ist schmal. Singen bedeutet, das Menschliche in einer Weise auszudrücken, wie es nirgends sonst möglich ist und wie nirgends sonst mit der Möglichkeit einhergeht, uns zu berühren. Singen bedeutet aber gleich­ zeitig auch, sich in die menschenfernste, künstlichste und fremdbestimmteste Situation zu begeben, in der ein Mensch sich artikulieren kann. Diese Gefähr­ dung auf schmalem Grat macht den Ge­ sang so attraktiv für das Komponieren – etwas zu gestalten, das sich der Realität völlig entzieht und uns trotzdem auf einfache Art ungemein nahe gehen kann. Ein wichtiger Aspekt im Musiktheater der 80er war der Raum. Ob in Luigi Nonos Prometeo, bei Pierre Bou­lez, Karlheinz Stockhausen oder in Deiner Hamletmaschine – der Raum spielte als Parameter der Komposition eine

«Der Text von Heiner Müller hat eine irrsinnige Dichte»


Die Hamletmaschine 15

wichtige Rolle. War das aus heutiger Sicht eine Mode? Eine Mode ist das sicherlich nicht. Denn dieser Entwicklung lag die Idee des skulpturalen Komponierens zugrunde. Wenn ich in einigen Stücken die Räum­ lichkeit mit einkomponiert habe, dann immer in dem Bestreben, es so öko­ nomisch wie möglich zu tun und bei­ spielsweise nur wenige Instrumente im Raum zu positionieren. Manchmal genügen ein paar Violintöne von fern, und schon dehnt sich der Raum. In meiner Oper Die Eroberung von Mexiko gibt es eine plastisch geformte Or­ches­ ter­einheit im Graben und drei insel­ artigen Klangpunkte im Raum, und be­ reits dadurch kann ich beim Hörer den Eindruck fördern, er befinde sich inner­ halb eines skulpturalen Geschehens. Warum ist die Hamletmaschine so lange nicht mehr aufgeführt worden? Weil in der Zwischenzeit so viele andere Werke von mir entstanden sind und andere Werke von anderen Komponis­ ten. Es wird enorm viel produziert. Wir wissen doch alle, wie es am Theater ist: Von einem produktiven Komponis­ ten will man am liebsten etwas Neues. Ausserdem gehört die Hamletmaschine nicht gerade zu den Bühnenwerken, die mit bescheidenem Aufwand auskom­ men. Das Stück ist ein Grosskaliber. Es braucht grosses Orchester, Chor, her­vor­ ­ragende Solisten, enorme Bühnen­­ak­ti­ vitäten, eine starke Präsenz der Büh­­ne, der Bühne als Person und vieles mehr. Das ist schon eine Herausforderung. Kann es auch inhaltliche Gründe ha­ ben, wenn ein Stück nicht mehr ge­ spielt wird? Das weiss ich nicht. Das anzunehmen, wäre ja eine unterstellte Motivation. Ich glaube nicht, dass etwa Angst vor der Textgewalt mögliche Realisatoren zu­ rück­gehalten hat. Oder könnte das doch sein? Was denkst Du? Nach der deutschen Wiederverei­ni­ gung wurde Müller wenig gespielt. Das Interesse an seinen dramatischen Texten ist erst in letzter Zeit wieder gestiegen. Was lässt denn ein Kunst­

werk zeitgebunden oder überzeitlich werden? Ist das in ihm selbst ange­ legt, oder entscheidet sich das immer in der Wahrnehmung von aussen? Eine interessante Frage, die kann aber nur die Rezeptionsforschung beant­ worten. Was soll ein Autor dazu sagen? Der kann ja nur sein Werk schreiben, und dann ist es da. Ich erinnere mich, dass es damals, als die Hamletmaschine entstand, diese Diskussionen gab: War­um schreibt man nicht mal eine Oper über ein aktuelles Thema? Ja, warum? Weil ein Musiktheaterwerk zu komponieren eine langwierige Angelegenheit ist. Das braucht Zeit. Das muss durch mich hin­ durch. Trotzdem: Was macht ein Stück überzeitlich? Ich würde sagen: Meistens ist es die Darstellungsform. Die meisten Puccini-Opern sind vom Sujet her für mich ziemlich uninteressant, aber in der Darstellungsform menschlicher Leiden­ schaft unwiderstehlich komponiert. Mit welcher Einstellung begegnest Du Aufführungen Deiner Werke? Versuchst Du, Einfluss zu nehmen? Nein. Ich versuche, die Gestalt und die Details des Werkes in einer genauen, aber nicht überbezeichneten Partitur niederzulegen, sodass die Ausführenden wissen, was sie zu tun haben und es möglichst wenig offene technische Fragen gibt – und dann entlasse ich die Kinder in die Welt. Alles weitere muss die Interpretation liefern. Die kann man als Komponist nicht kontrollieren. Inter­pretation ist etwas sehr Wichtiges. Die Musik lebt davon. Versucht ein Komponist, alles bis ins kleinste Detail festzulegen, wird dem Interpreten der Mut genommen, das Werk von einer ganz anderen Seite zu betrachten und tötet womöglich den Reiz, sich über­ haupt mit dem Stück zu beschäftigen. Deshalb gebe ich meine Werke frei. Sie sind Individuen, die ihr eigenes Leben leben sollen. Was erwartest Du von einem Regis­ seur Deiner Musiktheaterwerke? Dass er seine Aufgabe erfüllt und erfin­ de­risch mit dem Werk umgeht. Er soll sich nicht mit dem Meinen begnügen, sondern das Seine dazu beitragen.

«Ich gebe meine Werke frei, sie sollen ihr eigenes Leben leben»


16 Die Hamletmaschine

Das ist ein anderer Begriff von Werk­ treue als ihn die Gralshüter eines vermeintlichen Komponistenwillens etwa bei Mozart oder Wagner ins Feld führen. Bloss das nicht. «Kinder schafft Neues», lautet ein vielzitierter Satz von Richard Wagner. Er meinte damit nicht, dass wir Neues komponieren sollen, denn er war ja davon überzeugt, dass er schon alles Bedeutende komponiert habe und dem nichts hinzuzufügen sei, nein, er hat seine Interpreten gemeint. Die sollen nicht immer das Gleiche machen und Neues schaffen aufgrund der Partituren. Es ist doch eine grauenhafte Vorstel­ lung, dass die Interpretation, an der ein Künstler zu Lebzeiten mitgewirkt hat, bis in alle Ewigkeit gespielt wird. Da lang­weile ich mich ja schon bei dem Gedanken. Die Hamletmaschine ist voll von Regie­­anweisungen. Die sind als Anregungen gedacht. An­ ders als der Notentext, der – mit Verlaub – nicht als Anregung gedacht ist, sondern als unverrückbare Text-­ gestalt. Aber die szenische Realisierung ist selbst­verständlich offen. Deshalb gehe ich ja in die Oper, um neue Reali­ sie­r ungen zu erleben. Bei der Hamletmaschine stösst man mit dem Anspruch, alles in einem Kunstwerk verstehen zu wollen, schnell an seine Grenzen. Was sagst Du den Menschen, die nach einer Aufführung eines Deiner Werke zu Dir kommen und erklären: Ich habe nichts verstanden? Diese Haltung begegnet einem ja nicht nur bei zeitgenössischem Musiktheater, sondern überhaupt gegenüber Kunst. Man kann sagen: Kunst hat insofern mit dem Leben zu tun, dass sie einen Prozess zeigt, der in allen auslösenden Momenten und scheinbaren Zielpunkten niemals ganz verstanden werden kann. Darin gleicht die Kunst dem Leben. Und das Nichtverstehen des Lebens ist ja nicht nur etwas Schlechtes. Es gibt da äusserst viele Differenzierungen. Nicht­ verstehen heisst ja nicht einfach nur dumpf davorzustehen, sondern aktiviert

zu werden, Teilbereiche zu ergründen und eine Art Grundvertrauen in die Daseinsform des Lebens aufzubauen. Alles verstehen zu wollen, ist – um mal einen semireligiösen Zusammenhang herzustellen – letztlich die teuflische Haltung. Gott ist nicht verstehbar, der Teufel schon. Das generierende pro­ duktive Lebensprinzip ist nicht versteh­ bar, das Gegenprinzip schon. Es wird heutzutage noch immer als Problem wahrgenommen, wenn Musik­theater keine Handlung hat. Die Hamletmaschine erzählt keine Geschichte. Aber sie hat Geschichte. Sie besteht aus Ge-Schichten und zwar in diesem schö­ nen althergebrachten Sinn von Schichten und Geschichtetsein. Dass da­mit auch eine geschichtliche Ladung gemeint ist, finde ich gravierend. Und mit Opern­ handlungen ist das ja sowieso so eine Sache. Was ist eigentlich die Handlung von Verdis La forza del desti­no oder von Un ballo in maschera? Hast Du heute noch oft mit Wider­ spruch von Seiten des Publikums zu kämpfen? Ich gehöre trotz geradezu erdrückender Anerkennung wohl immer noch zu denen, die von zwei Seiten angefeindet werden. Für das «gemeine» Publikum ist man der kakophone Avantgardist, und für die zukunftstrunkene Fach­ kritik, der man nie fortschrittlich genug sein kann, ist man der indiskutable Altmodische. (lacht) So kämpft man im­ mer nach beiden Seiten und tröstet sich mit dem Bewusstsein, dass man den einzig richtigen Ort zum Überleben gefunden hat, nämlich den dazwischen. Obwohl man den ja nicht sucht. Man läuft als Komponist nicht herum und fragt: Wo bitte kann ich mich hier zwi­schen die Stühle setzen? Sie müs­ sen wissen, ich bin nämlich Künstler und muss deshalb zwischen den Stühlen sitzen… Aber keine Sorge: Ich liege schon richtig. Das Gespräch führte Claus Spahn

Die Hamletmaschine Oper von Wolfgang Rihm Musikalische Leitung Gabriel Feltz Inszenierung Sebastian Baumgarten Bühnenbild Barbara Ehnes Kostüme Marysol Del Castillo Lichtgestaltung Elfried Roller Video-Design Chris Kondek, Tabea Rothfuchs Choreografische Mitarbeit Kinsun Chan Choreinstudierung Jürg Hämmerli, Michael Zlabinger Dramaturgie Claus Spahn Hamlet I und II Anne Ratte-Polle, Matthias Reichwald Hamlet III Scott Hendricks Ophelia Nicola Beller Carbone Ophelia Doubles Claire de Sévigné Ivana Rusko Carmen Seibel Tänzer, Lachende, Schreiende Laura Burgener, Andrea Frei, Evelyn Angela Gugolz, Malou Meyenhofer, Juliette Rahon, Jaqueline Santana de Oliveira, Natalie Wagner, Michal Czyz, Benjamin Mathis, Sebastian Zuber Philharmonia Zürich Chor der Oper Zürich Premiere 24 Jan 2016 Weitere Vorstellungen 29, 31 Jan, 2, 7, 11, 14 Feb 2016 Mit freundlicher Unterstützung der Ringier AG


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Die Hamletmaschine 19

Extrem verdichtete Geschichte Wolfgang Rihms Musiktheater Die Hamletmaschine ist ein Kunstabenteuer aus Text, Klang, Bild und Bewegung. Der Regisseur Sebastian Baumgarten gibt Auskunft darüber, wie man ein Theater auf die Bühne bringt, das keine Geschichten mehr erzählt. Probenfotos Danielle Liniger

Herr Baumgarten, was ist das für ein ungewöhnlicher Theater-Text, mit dem wir es bei der Hamletmaschine zu tun haben? Heiner Müller hat die Hamletmaschine als eine Art «Schrumpfkopf» in Bezug auf Shakespeares Hamlet bezeichnet. Er arbeitete an einer Übersetzung des Shake­ speare­­-Dramas – was bei ihm immer auch einer Interpretation gleichkommt – und hat dann in einer einzigen Nacht diesen neunseitigen Text zusammengeschrieben. Es ist ein Destillat des Shakespeare-Hamlet geworden, das aber auch die Situation von Heiner Müller selbst thematisiert: Der Intellektuelle, der ausweglos zwischen zwei Systemen steht. Man kann die Hamletmaschine auch als ein Künstlerdrama lesen. Wie viel Shakespeare steckt in dem Text? Die bekannte Figurenkonstellation taucht auf: Hamlet, der Schulfreund Horatio, Claudius als böser Stiefvater und Gertrud als Mutter und jetzige Ehefrau des

Probenszene mit Nicola Beller Carbone (Ophelia) und Anne Ratte-Polle (Hamlet I)


Der Bariton Scott Hendricks (Hamlet III) und Anne Ratte-Polle


Die Hamletmaschine 21

Usurpators Claudius, auch der Geist des Vaters kommt vor und natürlich Ophelia. Alle wichtigen Figuren sind in den Text eingeschrieben, übersetzt und angewandt auf Biografisches, das Heiner Müller selbst erlebt hat, aber natürlich auch auf all­ gemeine politische Situationen. Es ist keine Shakespeare-Bearbeitung, sondern ein Postdrama, das nicht mehr versucht, eine Geschichte mit dramatischen Höhe­ punkten zu erzählen. Es geht darin um die Komprimierung von Gedanken des Hamlet-­ Materials und die dialektischen Widersprüche, die sich bei Shakespeare auftun. Shakespeare dagegen entwickelt das Ganze als Drama, das Hamlet schliesslich zum Serienmörder werden lässt, was im Widerspruch zu seiner intellektuellen Aus­ bildung steht. Das Stück mündet in der Ablösung des verbrecherischen Clau­dius-­ Systems und führt zu einer Figur, deren Bedeutung bei Shakespeare immer zu klären ist – nämlich Fortinbras. Wer ist Fortinbras? Oder allgemein gefragt: Was folgt als Zukunft? Und welche Antwort gibt die Hamletmaschine? Der Schlussteil gehört Ophelia. Die Geschichte der Männer und des Patriarchats ist mit dem vorletzten Teil beendet. Was danach kommt, kann eine Formulierung von positiver oder negativer Utopie sein. In dem letzten Teil, der mit «WILDHARREND / IN DER FURCHTBAREN RÜSTUNG / JAHRTAUSENDE» überschrie­ben ist und als Ort «Tiefsee» in der Regieanweisung nennt, stellt sich eine Frage, die Müller stark beschäftigt hat: Was kommt nach der Dialektik? Shakespeares Hamlet ist gefangen im dialektischen Widerspruch zwischen seiner Bildung in Wittenberg und der archaischen Lebenserfahrung im verbrecherischen Dänemark, die sich komplett gegen das aufklärerische Wittenberg verhält. Und die Frage lautet: Was kommt, wenn man sich, wie Hamlet, zwischen Gewalt und Humanität entscheiden muss und es nicht kann? Müller öffnet in der Hamletmaschine dem Weiblichen den Raum. Ophelia tritt aus ihrer Opferrolle heraus und wird zur Täterin. Da tendiert Müller in gewisser Weise auch zum Kitsch, wenn er eine Aufgabe ausschliesslich an das Weibliche delegiert, die uns alle betrifft und von allen angegangen werden müsste, nicht nur vom weiblichen Geschlecht. Eine Strategie, die wir von Richard Wagner kennen – die Frau als Erlöserin. Die Frau soll es richten. In der Hamletmaschine erscheint sie als Elektra, also als Rächerfigur. Sie zeigt auf, dass Veränderung nur in Verbindung mit äusserster Brutalität möglich wäre. Solche Brachialität hat Müller gefordert, aber gleichzeitig auch gefürchtet. Heiner Müller war selbst eine Art Hamletfigur als desillusionierter DDR-­ Dichter, der die Fäulnis der Verhältnisse in seinem Staat wahrgenommen hat. In welcher Situation hat er die Hamletmaschine geschrieben? 1974 hat die Beschäftigung mit dem Text begonnen, 1977 hat ihn Müller geschrie­ben. In dieser Zeit wurde er als Schriftsteller in der DDR totgeschwiegen. Er wollte seinen Stücken nicht mehr die positive Vision des sozialistischen Systems einschreiben, was von den Kulturfunktionären gefordert war. Deshalb hat er das Drama als Form insgesamt aufgegeben. Er hat sich in eine Art innere Emigration bewegt, die ihn zu einem Autor werden liess, der zwar ein grosses Interesse unter den Intel­ lektuellen hervorrief, aber keine wirklich präsente Autorenpersönlichkeit der DDR war. Bekannt wurde er allerdings in Amerika, etwa durch die Arbeit mit Bob Wilson. An den dortigen Universitäten und Theater-Akademien war er ein gefragter Autor seiner Zeit, ebenso in Frankreich. Der Glaube an den Sozialismus war ihm abhanden gekommen? Die Hamletmaschine handelt von der Aufgabe jeglichen Glaubens an dieses Gesell­ schaftssystem. Sie markiert in gewisser Weise einen Endpunkt linker Utopie. Aber, wie wir wissen, sind Endpunkte künstlerisch oft neue Anfangspunkte. Und mit

«Müllers Text ist geräumig. Er kann zu verschiedenen Zeiten immer wieder neu gelesen werden»


22 Die Hamletmaschine

Links: Sebastian Baumgarten probt die «Hamlet­ maschine» Rechts: Scott Hendricks mit Damen und Herren des Chores

der Hamletmaschine hat Heiner Müller einen der bedeutendsten Texte der Litera­tur­ geschichte geschrieben, der weit über seine Entstehungszeit hinauswirkt. Er war wegweisend für den Wechsel von der Klassischen Moderne hin zur Postmoderne zu­ mindest in der deutschsprachigen Literatur. Postdramatische Strömungen gab es natürlich auch schon vor der Hamletmaschine, aber Müllers Text offenbart in seiner Formensprache eine besondere Qualität. Der Text ist, um mit Müller zu sprechen, geräumig. Er kann zu verschiedenen Zeiten immer wieder neu gelesen werden. Von der Schweiz aus könnte man kritisch fragen: Was interessiert uns heute ein frustrierter DDR-Intellektueller? Was macht denn Müller über den Kontext seiner Zeit hinaus interessant? Das Geschichtsbewusstsein, das aus seiner Arbeit spricht. Seine Texte öffnen die grosse geschichtliche Perspektive. Sie haben eine Bezüglichkeit in die Vergangenheit und in die Zukunft. Das macht sie auch für heute interessant, für eine Epoche, die die Gegenwart verabsolutiert. Der weite Blick, die Einordnung in die grossen Zusammenhänge, das ist etwas, das heutzutage immer mehr in den Hintergrund gedrängt wird. Worin zeigt sich die Geräumigkeit von Müllers Texten? Seine Hamletmaschine-Bilder erzählen von extrem verdichteter Geschichte, sind aber andererseits so offen, dass sie sich, wie gesagt, zu anderen Zeiten und an anderen Orten als aktuell erweisen. Das kann die Flüchtlingssituation in Europa sein oder die Frage, wie es mit dem Kapitalismus weitergeht. Wichtig ist auch, dass Müller als DDR-Schriftsteller Kosmopolit war. Sein Denken ging weit über die Engstirnigkeit der DDR-Kulturlogik hinaus. Er war offen für alle möglichen Formen von Kunst


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und hat sich mit dem japanischen Theater ebenso beschäftigt wie mit der Pop-Art von Andy Warhol in New York. Nun inszenieren Sie ja nicht den Text von Heiner Müller, sondern ein Musik­ theater von Wolfgang Rihm. In welchen Zustand wird das Postdrama von Müller durch Rihms Vertonung versetzt? Was mir einen Einstieg in Rihms Musik ermöglicht hat, war ein Text des Komponisten aus der Entstehungszeit der Hamletmaschine. Darin sprach er von einem Musik­ theater, das durch rituelle Beschwörung, durch Bild und Anrufung in Gang gebracht wird. Diese Vorstellung fand ich hochinteressant: Durch die Musik von Rihm wird der Müller-Text reaktiviert und wiederbelebt, indem man die Bilder anruft. Die Musik beschwört Spielsituationen, Tableaux vivants, Videosequenzen, Fotografien und bringt sie gleichsam hervor. Ein Problem dabei ist, dass der Text formal gesehen post­ dramatisch ist und die Partitur ihn in eine dramatische Klammer fasst, nicht in dem Sinn, dass sie die Handlung wieder einführt, die Müller abgeschafft hat, sondern schlicht in dem Umstand, dass die Partitur dem Postdramatischen eine feste Zeit­ struktur gibt. Man kann aus Rihms Werk nicht, anders als im Schauspiel, Text-Teile herausbrechen, verschieben, wiederholen. Die Partitur liefert so einen Widerstand gegen den Text, den ich sehr produktiv finde. Der setzt Fantasie frei. Die Disparatheit der Partitur verlangt, dass man szenische Vorgänge ganz anders begründet als in der herkömmlichen Oper. Normalerweise baue ich als Regisseur Szenen und führe sie zu ihrem dramatischen Höhepunkt. In Rihm/Müllers Hamletmaschine ist man aber, bildlich gesprochen, ständig herausgefordert Häuser zu bauen, bei denen kurz vor dem Richtfest abgebrochen und ein neues Haus zu bauen angefangen wird. Das macht die Sache komplex. Wir machen in den Proben gerade die Erfahrung,


24 Die Hamletmaschine

«Das Stück ist wie eine Datei, die erst beim Öffnen ihren riesigen Umfang entfaltet.»

dass einem die hundert Minuten Musik in der Erarbeitung aufgrund der Vielschich­ tigkeit von Text und Komposition wie fünf Stunden vorkommen. Das Stück ist wie eine komprimierte Computerdatei, die erst beim Öffnen ihren riesigen Umfang entfaltet. Was heisst das für Sie als Regisseur, wenn Sie so ein vielschichtiges und anspruchsvolles Musiktheater für ein Publikum nachvollziehbar auf die Bühne bringen wollen? Wo liegen die Gefahren und Chancen? Die Gefahr ist natürlich, dass das Publikum bei diesem hochkomplexen Text und dieser hochkomplexen Musik den Abend zehn Minuten lang als interessante Erfahrung wahrnimmt und dann aussteigt. Wenn das passiert, haben wir verloren. Und was ist Ihre Strategie, dieser Hermetik-Gefahr aus dem Weg zu gehen? Wir versuchen den Abend über reale, zeitlich verortete Situationen erfahrbar zu machen. Europa als Festung, wie wir es aktuell erleben, findet eine Entsprechung im Bühnenbild. Wir greifen historische Situationen auf, etwa den Fall der Berliner Mauer als Leichenzug für ein zu Grabe getragenes politisches System, dann über ein historisches Bild westlicher Kunstbefreiung, nämlich Andy Warhols New Yorker Pop-Art Factory. Wir haben nach konkreten Orten und Zeiten gesucht, an die der Zuschauer assoziativ anknüpfen kann wie an Eisenbahnen, die ihn durch ein dis­parates Klang- und Texterlebnis ziehen. Hinzu kommt, dass wir Heiner Müller als Figur und allgemeines Rollenmodell für das Künstlerdrama durch das System Hamletmaschine führen. Welche Künstler braucht man, um so ein Projekt zu realisieren? Mit der Grösse der Herausforderung, die dieser Abend an alle Beteiligten stellt, wächst auch die Notwendigkeit, mit Leuten auf der Bühne arbeiten zu können, die tat­ sächlich begreifen, was mit diesem Stück gemeint ist – begreifen in dem Sinne, dass sie es mit Sinnlichkeit verkörpern und umsetzen können. Da haben wir, was die Besetzung angeht, grosses Glück: Nicola Beller Carbone als Ophelia und Scott Hendricks als Hamlet III sind auf grossartige Weise in der Lage, solche ungewöhn­ lichen Prozesse mitzugehen. Das gilt auch für den Chor, dem in diesem Musik­ theater eine zentrale Rolle zukommt: Auch hier ist die Bereitschaft enorm, das Aben­ teuer mitzumachen und zu gestalten. Die beiden Schauspieler Anne Ratte-­Polle und Matthias Reichwald wiederum, mit denen ich schon zusammengearbeitet habe, sind als produktive Fremdkörper des Opernbetriebs in dieser Produktion ein unglaublicher Gewinn. Das gilt natürlich auch für Gabriel Feltz, unseren Dirigenten, der die Arbeit mit grosser Metiersicherheit, Gelassenheit und Loyalität musikalisch leitet. Keiner der künstlerisch Beteiligten in diesem Projekt, der Regisseur eingeschlos­ sen, kann sich auf das verlassen, was er normalerweise auf der Bühne so tut. Wir machen gerade alle neue Erfahrungen. Ich glaube, ich kenne kein anderes Opern­ haus der Welt, das aktuell den Mut aufbrächte und in der Lage wäre, so eine Partitur auf die Bühne zu bringen. Ein Kunstabenteuer mit einem offenen Ende, auch für das Publikum? Genau. Wir wissen zu diesem Zeitpunkt noch nicht, was passiert, wenn alle Ebenen dieses Theaterabends zusammenkommen: die spektakuläre Klangerfahrung, Szene, Sprache, Gesang, Kostüme, Video, Licht. Im besten Fall könnte da ein Kunst­werk entstehen, das über den gängigen Rahmen einer Interpretation von existierenden Opern weit hinausreicht. Das ist natürlich unsere grosse Hoffnung. Das Gespräch führte Claus Spahn



26 Volker Hagedorn trifft…

Gabriel Feltz Gabriel Feltz ist Generalmusikdirektor des Theaters in Dortmund und war unter anderem bis 2013 fünf Jahre lang Erster Gastdirigent am Theater Basel. Er ist ein her­vorragender Dirigent zeitgenössischer Musik und hat unter anderem die Zürcher Produktion von Bernd Alois Zimmermanns Oper «Die Soldaten» an der Komischen Oper in Berlin musikalisch geleitet.

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r hat das ja alles mitgekriegt, hautnah. Und alles war wieder da, als er diese Szene las: «Ich bin der Soldat im Panzerturm», dazu jäh aufschwellendes Massen­gebrüll im Radio und knappes Trommeln wie Schüsse, Schläge. «Es war der 7. Oktober 89, ich kam vom Geburtstag meiner Schwester, die hat damals im Ostberliner Stadtteil Prenzlauer Berg gewohnt. Die Strassenbahn fuhr an dem Tag nicht, da merkte man schon, irgendwas stimmt nicht», sagt Gabriel Feltz. «Ich kam auf eine grosse Kreuzung, und da lagen lauter einzelne Schuhe herum. Da war gerade eine Demonstration aus­einandergeknüppelt worden.» Am Rand standen noch die Sicherheitskräfte, bewaffnet, vor ihren gepanzerten LKWs. Der Untergang der DDR, in der Feltz gross wurde, liegt 26 Jahre zurück, aber dieser Tag, an dem noch alles auf Messers Schneide stand, war mit der Hamletmaschine sofort wieder da, mit der Partitur, der Gewalttätigkeit darin, den vier Radios, aus denen die Masse faucht. Eine Woche, ehe er mit den Orchesterproben für dieses Stück in Zürich beginnt, treffen wir uns in Dortmund. Vom Theater inmitten der Stadt, in dem er Generalmusikdirektor ist, will er gleich in ein Lokal. Er hat Hunger und erledigt gern zweierlei zugleich, jetzt also Buletten und Interview, der Lärm im Laden stört ihn nicht, und seine Stimme ist dem mühelos gewachsen. Markant, tiefer Bariton. Ein Machertyp ist der 44-Jährige, aber keiner, der sich die Welt zurechtsortiert hat. Auch der 18-Jährige ist immer noch da, der fassungslos auf die Schuhe blickt, sich irgendwann wohl auch fragt, in was für einer Welt er Kapellmeister sein wird. Denn das wusste er sicher schon früh, dass er das sein würde. Der da jetzt in Dortmund im Lärm sitzt, ist gut gelaunt und geerdet, macht sich aber viele Gedanken. Er sieht das Musiktheater Hamletmaschine, 1986 von Wolfgang Rihm vollendet, als «gesellschaft­ liches Spiegelbild» mit aktuellem Potential. «Es hat ein extrem destruktives Element in dieser Aggressivität, klanglich, sprachlich, in dieser fragmentarischen Art und Weise.» Das macht ihm aber auch zu schaffen. Gabriel Feltz ist Praktiker und keiner, der den Leuten aus Prinzip etwas um die Ohren haut. «Zürich ist kein Haus mit unbe­ grenzter Platzkapazität. Wir werden das Schlagzeug mit 30 verschiedenen Instrumen­ ten in die Logen packen müssen, und wenn die Leute da das Maximum spielten, würde der Schalldruck sie künstlerisch töten. Also hoffe ich, dass ich dem Stück eine leichtere Komponente abgewinnen kann. Andererseits kann ich den Musikern mit schweren Eisenplatten und Vorschlaghämmern nicht sagen, benutzt die mal leiser.» Den Umgang mit Orchester und Sängern hat Feltz von der Pike auf gelernt. Sein Vater, der Musikpädagoge Eberhard Feltz, hat den Fünfjährigen «zum Geigen­ spiel getriezt» und dem Heranwachsenden von Wagner abgeraten. Logische Folge, dass Gabriel kein Geiger wurde und Wagner als «Genius» verehrt. Zuerst kam aber Beethoven: «Mit acht Jahren hatte ich die Fünfte drin im Kopf und wie Furtwängler sie dirigierte, mit vierzehn hab ich in eine Taschenpartitur von Mahlers Dritter für fünf Ostmark schon reingeschrieben, was ich wie schlagen wollte, auch die Ritardandi. Als ich die Sinfonie zwanzig Jahre später aufnahm, habe ich manche dieser Sachen ganz genauso gemacht.» Das klingt geradliniger, als es für den Studenten an der Hoch­­schule für Musik Hanns Eisler nach dem Mauerfall zunächst lief. Er studierte da im selben Semester wie Sebastian Baumgarten, der Regisseur der Zürcher Hamlet­ ma­schi­­ne. Ein Stipendium als Assistent an der Hamburgischen Staatsoper galt seinen Kommilitonen zwar als «glamourös», bedeutete aber: «Mit wenig Geld in Hamburg klarkommen und alles machen. Korrepetition, szenische Proben, Vorsingen. Mit 23 können Sie gar nicht alle Stücke. Sie spielen vom Blatt, stochern rum, werden ange­


Volker Hagedorn trifft… 27

brüllt, wenn es nicht stimmt und haben keine Zeit, sich einen Supermarkt zu suchen, wo Sie billig einkaufen können. Harte Schule.» Es folgte die sogenannte Ochsentour. Gastdirigenten nach Vorstellungen an­ quatschen, auf Stellensuche, mit schwangerer Frau. Erste Posten in Lübeck, Bremen, Gera/Altenburg. In Bremen dann dirigierte er ein Grosswerk der Moderne: Luigi Nonos Intolleranza, von Johan Kresnik inszeniert. Auf die 147 Proben für seine preis­ gekrönte Einspielung des Werkes ist Feltz immer noch stolz, auch auf die zehn Jahre bei den Stuttgarter Philharmonikern, wo er mit gewagten Programmen das Publikum vergrösserte. In Dortmund muss er es mit neuen Klängen vorsichtiger an­gehen lassen, aber: «Wir sind als Dirigenten schrecklich museale Dinosaurier, wenn wir nicht mo­ derne Musik dirigieren!» Die misst er indessen auch an den alten Meistern. Gerade darum beeindruckt ihn die Partitur des seinerzeit 35-jährigen Wolfgang Rihm, auch wenn ihm ihre Eruptionen Kopfzerbrechen machen. «Die Behandlung der Streicher ist singulär. Man hat als Dirigent nach 25 Jahren eine gewisse Überheb­lichkeit und denkt, ich habe alles gesehen, was Streicher können. Wie Wagner sie am Ende der Walküre teilt, wie Mahler es hier und Strauss dort tat. Und wenn dann jemand kommt und den Mut hat, substantiell Neues zu machen, und das kann – das hat schon eine besondere Qualität.» Doch der erste Blick auf eine unbekannte Partitur ist bei ihm gar nicht so ein handwerklicher. «Ich gehe erstmal nur nach der Optik, so etwas kann ich nicht gleich innerlich hören.» Er blättert also in der Partitur. Stellt zuerst fest: Handschrift. Das ist schlecht, weil Gedrucktes leichter zu entziffern ist und er sich die Spitzennoten mit Bleistift noch mal oben reinschreiben muss, damit es in den Proben zügig geht. Aber die Handschrift hilft auch, weil er hier «die Person Rihm» erkennt: «Sehr klar, dominant, beherrschend im positiven Sinn, geerdet, das ist schon beeindruckend.» An Mahler erinnern ihn Rihms penible Anweisungen, die bis zur Lichtregie gehen. Dann sucht er in den Noten, «was mein Herz und meinen Bauch bedient und gar nicht meinen Kopf!» In die Aufnahme der Uraufführung hat er nur kurz reingehört. «Ich erschliesse mir das lieber selbst.» Dann strukturiert er. «Die Phrasen hängen eventuell so zusam­ men und so, da sind es vier plus vier Takte, da drei plus drei… das ist hilfreich, um der DNA des Stückes nahezukommen.» Bei Mozart macht er das genauso. «Wie in der Reprise von KV 551 acht Takte eingefügt sind, die sowas von elementar toll sind – da sage ich dem Orchester, vergleichen Sie die Stellen, den Unterschied möchte ich hören!» Für das Strukturieren hat er bei der Hamletmaschine vier Wochen gebraucht, «dann verdichtete sich so langsam, wie man was schlagen könnte.» Das sei hier aber einfacher als in Zimmermanns Soldaten, die er an der Komischen Oper in Berlin diri­ gierte, in der umjubelten Produktion aus Zürich. Mittlerweile ist Gabriel Feltz in Rihms Partitur auf der Suche nach Momenten, «in denen ich Stille installieren kann, Schattierungen, Nachdenklichkeit.» Ihn faszi­ niert, was Rihm «terrassenartige Stilwechsel» nennt. Vom schlagenden Anfang zum ersten Händelfragment, dann zum Scherzo, später eine danse macabre, «in der es um den täglichen Mord geht. Die Schnelligkeit und die Form der Dissonanzen be­wirken einen gewissen groove, also eigentlich muss das doch ein bisschen witzig sein, ja?» Die vier Radios allerdings sind nicht witzig. Feltz imitiert im Gaststättenlärm, wie da das Volksgebrüll herausfaucht. Unberechenbar. Noch etwas fällt ihm ein bei dieser Szene. «Das berühmte Bild aus Peking, wo dieser eine chinesische Student vor einer Kolonne von T 54 Panzern steht und sie zum Stoppen bringt. Das hat mich unendlich beeindruckt, bis heute.» Feltz sagt nicht, für wie politisch und wirksam er Kunst neben solchen Ereignissen hält. Vielleicht genügt es, dass die in seinem Kopf sind, wenn er die Hamletmaschine in die Gegenwart steuert, in der Hoffnung, «dass wir die Leute erreichen». Aber jetzt muss er erstmal die Sache mit den Trillerpfeifen klären. Die sind dem Chor nämlich zu schrill…




30 Wiederaufnahme

Anstatt seinen Regierungsgeschäften nachzugehen, amüsiert sich der Herzog von Mantua lieber. Die Gesellschaft an seinem Hof ist verroht und moralisch zerrüttet. Die einzige, die noch an wahre Werte glaubt, ist Gilda, die Tochter des Hofnarrs Rigoletto. Um sie vor der verdorbenen Welt zu schützen, sperrt er sie weg. Doch die junge Frau geht, ge­ tragen von Sehnsucht nach Freiheit und Liebe, unbeirrt ihren Weg. Ab Ende Januar ist die erfolgreiche, 2013 entstan­ dene Rigoletto-Inszenierung von Tatjana Gürbaca wieder zu erleben, die unter­ dessen unter dem Label «Philharmonia Records» auch auf DVD erhältlich ist. In der Titelrolle ist, wie in der Premiere, Quinn Kelsey zu hören, Rosa Feola singt Gilda und Michael Fabiano den Herzog. Am Pult steht Antonello Allemandi. Wiederaufnahme 31 Jan 2016 Weitere Vorstellungen 5, 9, 12, 14, 18 Feb 2016

Foto: Hans Jörg Michel

Rigoletto




Die geniale Stelle 33

Tanz in den Tod Einige Takte aus Giuseppe Verdis «Rigoletto»

Viele Anhänger einer Ästhetik des Edlen und Tiefsinnigen beäugen die italienische Oper des 19. Jahrhunderts mit Missfallen. Vor allem zwei Vorwürfe hört man immer wieder: Die Musik sei mit ihrem dauernden walzerartigen «hump-ta-ta» allzu simpel, eigentlich Leierkastenmusik, und die Handlung der Stücke strotze nur so von Unwahr­ scheinlichkeiten. Ein besonders beliebtes Beispiel für solche «Widersinnigkeit» ist die berüchtigte «Leiche im Sack». Die erstochene Gilda erwacht noch einmal zum Leben, um singend in den Armen ihres Vaters zu sterben. Ist es etwa wahrscheinlich, dass ein professioneller Mörder so schlecht arbeitet, dass sein Opfer eine Stunde später noch singen kann? – Gegenfrage: Ist das wirklich unwahrscheinlicher, als dass Gilda und ihr Vater überhaupt singen, tödlich verwundet oder kerngesund? Eine nähere Betrachtung der betreffenden Passage liefert uns die Antwort. Verdi erfindet für Gildas letzte Worte eine Melodie, deren heiterer Gestus in verblüffendem Gegensatz zur Situation steht. Seltsamerweise konnte sich ihre Stimme im gesamten Verlauf des Stücks nie so frei auf- und ausschwingen wie im Augenblick des Sterbens. Die so singt, ist eine, die sich befreit hat von der Angst vor der bedrohlichen Welt, aber auch vor dem Vater, der sie einsperrte, um sie zu schützen. Befreit und stark, ist sie nun in der Lage, dem Zurückbleibenden Trost zu spenden. In den schwebenden wie hingetupften Sextolen-Figuren der Flöten, die den Bogen der Sing­ stimme begleiten und ergänzen und wie von jenseits des Todes zu kommen scheinen, lässt Verdi uns hören, wie Rigoletto seine Tochter nun neu entdeckt: so hat er sie nie gesehen, aber die Zuwendung, die sie ihm nun zu schenken vermag, war das, was er immer ersehnte. «No, non morir!» fleht er diese neue Tochter an. «Nein, stirb nicht!» Denn wie soll er weiterleben, wenn sie ihm nicht beisteht, wenn sie ihm nicht hilft, das Leben zu ertragen? Mit seinem Gesangseinsatz wird deutlich, dass auch er sich verwandelt hat: Auch seine Linie schwingt nun so frei aus, wie nie zuvor. Und auch das Orchester hat Teil an diesem Verwandlungsvorgang: Die Sextolen, die Gildas Phrase begleitet haben, werden nun zu einer erregten Begleitfigur in der mittleren Lage, die an Rigolettos Verzweiflungsausbruch im zweiten Akt erinnert. Etwas gemil­ dert wird die Erregung durch halb so schnelle, triolische Nachschläge in den Hör­nern, so dass im 4/4-Takt dieser Passage tatsächlich so etwas wie ein Walzer auf­zu­­tauchen scheint. Und im Nachhinein hört man, dass schon Gildas Phrase einen tänzerischen Charakter hatte, aber zurückhaltend, als Angebot, als Frage. Rigoletto geht darauf ein: Die Entwicklung der Gesangslinien, die den letzten Abschied schildern, schildern auch das Glück, das zwischen den beiden Menschen möglich gewesen wäre, wäre die Welt nicht, wie sie (noch) ist. Verdis Meisterwerk wäre ärmer ohne diesen ergreifend heiteren Tanz in den Tod, ohne diesen durch die Magie der menschli­chen Stimme ermöglichten utopischen Ausblick auf das, was anders hätte sein können. Wie kleinlich ist dagegen der Einwand, im «richtigen Leben» könne so etwas nicht vorkommen! Übrigens: Wem solche Analysen den Vorbehalt nicht nehmen können, der unter­ nehme ein Experiment: Er versuche beim Hören und Sehen über diese Stelle zu lachen. Im Scheitern des Experiments wird er viel über die Kraft der «simpel gestrickten» italienischen Oper und über die Genialität ihres grössten Komponisten am eigenen Leibe erfahren. Werner Hintze


34 Ballett Zürich

Restless ... heisst der neue Abend des Balletts Zürich. Aus vier Perspektiven wirft er einen faszinierenden Blick auf einen sehr speziellen «Aggregatzustand» menschlichen Seins, indem er sich mit Energie, Tempo und Rastlosigkeit in der Bewegung des menschlichen Körpers beschäftigt. Unser Foto zeigt v.l.n.r. Daniel Mulligan, Katja Wünsche, Matthew Knight und Surimu Fukushi in der witzig-turbulenten Choreografie Skew-Whiff von Sol León/Paul Light­ foot. Ausserdem sind Choreografien von William Forsythe, Douglas Lee und Filipe Portugal zu sehen. In dessen Choreografie Dialogos, die eigens für diesen Abend enstanden ist, treten die Tänzerinnen und Tänzer in einen fliessenden Dialog mit dem rituellen Groove der Musiker von «Nik Bärtsch’s Mobile». Weitere Vorstellungen 19 Feb, 20, 29 März 2016 Gastspiel im Graf-Zeppelin-Haus Friedrichshafen (D) 23 Feb 2016


Foto: Gregory Batardon


36 Meine Rolle

Ein ganzes Leben Die Sopranistin Rosa Feola über die Figur der Gilda in Giuseppe Verdis «Rigoletto»

Die Sopranistin Rosa Feola ist Italienerin und war am Opernhaus in dieser Spielzeit bereits als Corinna in Rossinis «Il viaggio a Reims» und als Léïla in Bizets «Les Pêcheurs de perles» zu erleben. In der Wie­der­auf­nahme von «Rigoletto» singt sie neben Quinn Kelsey (Rigoletto) und Michael Fabiano (Herzog) die Gilda.

Gilda macht eine enorme Entwicklung vom Anfang bis zum Ende der Oper durch. Anfangs ist sie ein junges Mädchen, das gerade frisch aus der Klosterschule kommt, und erst seit drei Tagen wieder bei ihrem Vater lebt. Wie alle Mädchen in diesem Alter hat sie das Bedürfnis, sich zu verlieben. Das Leben erscheint ihr leicht, die ganze Welt ist voller Liebe, ein typischer Teenager eben. Alles, was der Vater zu ihr sagt, ist viel zu schwer und zu deprimierend für sie. Der Vater möchte sie vor einer Welt be­ schützen, die er besser kennt als sie. Aber wenn man verliebt ist, versteht man nichts anderes und nimmt keinen Rat an. Die Liebe ist stärker als jedes andere Gefühl. Gilda geht also ihren Weg, darf einen wunderbaren Moment mit dem Herzog erleben und entdeckt dann urplötzlich die grausame Realität des Lebens. Selbstverständlich ist sie auch wütend auf den Herzog, denn sie versteht, dass sie nur eine kleine Episode in seinem Leben war. Sie sagt sich: Wenn meine Liebe nichts mehr wert ist, ist es richtig, mich zu opfern. Ihr Leben hat ohne Liebe keinen Sinn. Für diese Rolle braucht man eine riesige Bandbreite an Ausdrucksmitteln. Am Anfang klingt Gilda wie ein kleines Vögelchen. In der Arie «Caro nome» wird sie von der Flöte begleitet, sie singt beinahe atemlos, wenn sie die Linie «Caro nome che il mio cor» mit abgetrennten Silben haucht, so aufgeregt klopft ihr Herz. Es ist wie ein Traum. Es ist faszinierend, wie Verdi diese Gefühle in Musik überträgt. Für das Ende der Oper ist dann eine ganz andere, dramatischere Stimme gefragt. Gilda hat un­ glaublich viel erlebt, hat alle Facetten des Lebens innerhalb kurzer Zeit kennengelernt. Der dritte Akt der Oper ist wirklich eine Herausforderung. Den Tod darzustellen, ist ja nie einfach. Das Ende bewegt mich ganz besonders in dieser Inszenierung: Tatjana Gürbaca hat sich das so ausgedacht, dass ich mich am Ende, wenn ich eigentlich sterbend im Sack liegen sollte, langsam erhebe und ein Double an meine Stelle tritt. Ich werde in diesem Moment körperlos, zu einer Art Seele. Dann springe ich vom Tisch ins Leere. Ich muss mich jedes Mal zusammenreissen, nicht zu weinen. Die Musik ist im Pianissimo geschrieben, die vokale Linie so zart, dass man eigentlich extrem kontrolliert singen müsste und die Gefühle im Griff haben müsste, ansonsten fängt die Stimme an zu flattern... Die Gilda war für mich auch der Startschuss für Zürich, denn ich bin hier mit dieser Rolle für eine erkrankte Kollegin eingesprungen. Es war ein äusserst emotiona­ les Ereignis für mich – auch weil Zürich eine der wichtigsten Adressen ist. Damals sang ich die Gilda gerade in Savona und war stimmlich durchaus bereit. Aber es ist ein Unterschied, ob man die Partie in Savona oder in Zürich mit Fabio Luisi als Dirigen­ ten und Quinn Kelsey als Rigoletto singt. So hatte ich doch auch einige Bedenken, ob ich es schaffen würde. Aber es ist dann alles gut gegangen. Innerhalb eines Nach­ mittags hat mir die Regieassistentin Nina Russi die Regie beigebracht, und wenn man so viel Adrenalin hat, wie ich damals, kann man sich plötzlich alles merken. Das ist sonst nie so. Natürlich stand Nina während der Vorstellung in der Gasse und half mir – alleine kann man im Leben sowieso nie etwas machen. Und auch Fabio Luisi trug mich durch den Abend. Es war eine wunderschöne Vorstellung. Danach bekam ich weitere Engagements in Zürich: die nächste Wiederaufnahme von Rigoletto, Bizets Perlenfischer, Rossinis Il viaggio a Reims und einige andere Projekte, die in den nächs­ ten Jahren kommen werden... Rosa Feola


Illustration: Lina M端ller


38 Fragebogen

Juliette Brunner Was fällt Ihnen auf, wenn Sie in Zürich ankommen? Mich überrascht immer wieder, wie sauber es hier ist.

Ihr liebstes Laster? Ich bin ein grosser Fan von KinderSchokolade und allem, was sich in dieser Liga befindet.

Was würden Sie sofort verändern, wenn Sie Königin der Schweiz wären? Ich wünsche mir, dass wir offener und toleranter sind. Aber das lässt sich nicht per Dekret verordnen.

Welchen überflüssigen Gegenstand in Ihrer Wohnung lieben Sie am meisten? Einen alten Servierwagen, den ich bei Ebay ersteigert habe.

Was ist für Sie das vollkommene irdische Glück? Gutes Essen in guter Gesellschaft. Was wäre das grösste Unglück? Einen geliebten Menschen zu verlieren. Welche musikalische Erfahrung hat Sie entscheidend geprägt? Als ich 2004 beim Leipziger Ballett getanzt habe, konnte ich das Gewandhausorchester mit Mozarts c-Moll-Messe erleben. Die Musik hat mich sehr bewegt. Ich habe es genossen, mich «nur» auf den Chor und das Orchester zu konzentrieren und für einmal nicht in Schritten zu denken. Wer sind Ihre Lieblingsschriftsteller? Paulo Coelho zieht mich jedes Mal aufs Neue in seine Geschichten hinein wie unlängst bei Der Sieger bleibt allein. Von Eric Emmanuel Schmitt habe ich Oskar und die Dame in Rosa gelesen. Mich fasziniert, wie viel Wahrheit, aber auch Fantasie in der Geschichte liegen.

Juliette Brunner ist Schweizerin und tanzt seit 2007 im Ballett Zürich. Zurzeit ist sie im neuen Ballett­ abend «Restless» zu erleben.

Ihr Lieblingsfilm? Intouchables von Olivier Nakache und Eric Toledano. Die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft zwischen einem Tetraplegiker und seinem Pfleger behandelt ein ernstes Thema auf sehr humorvolle Weise. In den Hauptrollen sind François Cluzet und Omar Sy einfach grossartig.

Welche Eigenschaften schätzen Sie bei Ihren künstlerischen Partnern? Kreativität und Gemeinschaftsgefühl Welche menschlichen Schwächen ent­ schuldigen Sie am ehesten? Vergesslichkeit In was verlieben Sie sich bei einem Menschen? Ausstrahlung (Charisma) Worum geht es für Sie in dem Ballett­ abend Restless? Trotz des verbindenden Themas gefällt mir die Unterschiedlichkeit der vier Choreografien von Douglas Lee, Sol León/Paul Lightfoot, William For­sythe und meinem Tänzerkollegen Filipe Portugal. Ihn als Choreografen zu erleben, war eine eindrückliche und spannende Erfahrung, und ich bewundere ihn sehr für seine Leistung. Toll, dass wir dieses Projekt mit der Live-Musik von Nik Bärtsch und seiner Band realisieren konnten. Nennen Sie drei Gründe, warum das Leben schön ist! Überraschungen, Freundschaft, Liebe


Kalendarium 39

Januar 2O16 15 Fr Liederabend Edita Gruberova 19.00

Peter Valentovic, Klavier Lieder-Abo, Preise C

16 Sa Ballett-Führung mit Mini-Workshops 14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Führung durch das Opernhaus

Giselle

14.30

19.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Ballett von Patrice Bart nach Jean Coralli und Jules Perrot, Musik von Adolphe Adam Preise D

17 So Brunchkonzert 11.15

«Wolfgang Rihm», Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch Spiegelsaal, CHF 60

Das verzauberte Schwein 14.00

Kindermusical von Jonathan Dove Kindervorstellung, CHF 20–60

24 So Brunchkonzert

11.15

Lise de la Salle, Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch, Spiegelsaal, CHF 60

Die Hamletmaschine Premiere

19.00

Oper von Wolfgang Rihm Premieren-Abo A, Preise F

25 Mo Lunchkonzert

12.00

Lise de la Salle, Kammermusik am Mittag Spiegelsaal, CH 20

27 Mi Führung Werkstätten 15.30

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

28 Do Don Pasquale

19.00

Oper von Gaetano Donizetti Donnerstag-Abo B, Preise E

29 Fr Die Hamletmaschine

19.00

Oper von Wolfgang Rihm Premieren-Abo B, Preise E

3O Sa Die Gänsemagd

14.00

Kinderoper von Iris ter Schiphorst Studiobühne, CHF 25

Don Pasquale Wiederaufnahme

20.00

Oper von Gaetano Donizetti Misch-Abo C, Preise E

18 Mo Lunchkonzert

12.00

«Wolfgang Rihm», Kammermusik am Mittag Spiegelsaal, CHF 20

2O  Mi Don Pasquale

19.00

Oper von Gaetano Donizetti Mittwoch-Abo A, Preise E

21 Do Gesprächskonzert

19.00

Wolfgang Rihm im Gespräch mit Claus Spahn Mauro Peter, Tenor; Michael Richter, Klavier Spiegelsaal, CHF 10

22 Fr Giselle

19.30

Ballett von Patrice Bart nach Jean Coralli und Jules Perrot, Musik von Adolphe Adam Freitag-Abo A, Preise D

23 Sa Führung durch das Opernhaus 14.00

Mode·Leder·Pelze

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Kaiserstrasse 42 D-79761 W a l d s h u t Tel. 0049 7751 3486

Lass mich dein Herz essen, Ophelia

Eine Gesprächsperformance mit und um Heiner Müllers «Die Hamletmaschine» Spiegelsaal, CHF 10

Don Pasquale

19.00

Oper von Gaetano Donizetti Kombi-Abo, Preise E

www.kueblerpelz.com Samtnerz-Mantel

15.00


40 Kalendarium

3O Sa Führung durch das Opernhaus 14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Die Gänsemagd

16.00

Kinderoper von Iris ter Schiphorst Studiobühne, CHF 25

Don Pasquale

20.00

Oper von Gaetano Donizetti Belcanto-Abo, Preise E

31 So Einführungsmatinee

10.00

Die Gänsemagd

14.00

Kinderoper von Iris ter Schiphorst Studiobühne, CHF 25

Rigoletto Wiederaufnahme

14.00

Ein Gespräch mit dem Produktionsteam von «Schwanensee» Bernhard Theater, CHF 10

Oper von Giuseppe Verdi Sonntag-Abo B, Preise E

Die Gänsemagd

16.00

Kinderoper von Iris ter Schiphorst Studiobühne, CHF 25

Die Hamletmaschine

20.00

Oper von Wolfgang Rihm Preise H AMAG-Volksvorstellung

Fr Rigoletto 5

19.00

Oper von Giuseppe Verdi Preise H AMAG-Volksvorstellung

Sa 6  Die Gänsemagd

14.00

Die Gänsemagd

16.00

Kinderoper von Iris ter Schiphorst Studiobühne, CHF 25

Kinderoper von Iris ter Schiphorst Studiobühne, CHF 25

Schwanensee Premiere

19.00

Ballett von Alexei Ratmansky Musik von Pjotr Tschaikowski Premieren-Abo A, Preise E

So 7  Die Hamletmaschine

14.00

Die Gänsemagd

14.00

Oper von Wolfgang Rihm Sonntag-Abo A, Preise E

Kinderoper von Iris ter Schiphorst Studiobühne, CHF 25

Die Gänsemagd

16.00

Kinderoper von Iris ter Schiphorst Studiobühne, CHF 25

CAREY

MULLIGAN

HELENA

BONHAM CARTER

UND

MERYL

STREEP

Februar 2O16 Di Die Hamletmaschine 2

19.00

Oper von Wolfgang Rihm Dienstag-Abo D, Preise E

Mi 3  Die Gänsemagd

14.00

Kinderoper von Iris ter Schiphorst Studiobühne, CHF 25

Die Gänsemagd

16.00

Kinderoper von Iris ter Schiphorst Studiobühne, CHF 25

THE

TIME IS N OW

4 Do Liederabend Mauro Peter

19.00

Helmut Deutsch, Klavier Lieder von Wolfgang Rihm, Franz Schubert und Francis Poulenc Lieder-Abo, CHF 6O

Fr 5  Führung Kostümabteilung

15.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

SUFFRAGETTE EIN FILM VON SARAH

GAVRON

Führung Bühnentechnik 16.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

AB 4.2. IM KINO


Kalendarium 41 So Schwanensee 7

20.00

Ballett von Alexei Ratmansky Musik von Pjotr Tschaikowski Premieren-Abo B, Preise D

Di Rigoletto 9

19.00

Oper von Giuseppe Verdi Dienstag-Abo A, Preise E

11 Do Die Hamletmaschine 20.00

Oper von Wolfgang Rihm Donnerstag-Abo A, Preise E

12 Fr Rigoletto

19.00

Oper von Giuseppe Verdi italienische Oper-Abo, Preise E

13 Sa Ballett-Führung mit Mini-Workshops 14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Führung durch das Opernhaus

14.30

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Führung Maskenbildnerei

15.30

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Der fliegende Holländer

19.00 Wiederaufnahme Oper von Richard Wagner Samstag-Abo, Preise E

14 So Einführungsmatinee

10.00

Ein Gespräch mit dem Produktionsteam von «King Arthur» Bernhard Theater, CHF 10

Die Hamletmaschine

14.00

Oper von Wolfgang Rihm Misch-Abo B, Preise E

Rigoletto 19.30

Oper von Giuseppe Verdi Sonntag-Abo D, Preise E

17 Mi Lohengrin Premiere

19.00

Salvatore Sciarrino Studiobühne, CHF 50/35

18 Do Rigoletto

19.00

Oper von Giuseppe Verdi Wahl-Abo, Preise E

19 Fr Restless

19.00

Choreografien von William Forsythe, Sol León /Paul Lightfoot, Douglas Lee und Filipe Portugal Ballett-Abo klein, Preise B

2O Sa Führung durch das Opernhaus 14.30

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

2O Sa Der fliegende Holländer

19.00

Oper von Richard Wagner Misch-Abo A, Preise E

21 So Schwanensee

14.00

Ballett von Alexei Ratmansky Musik von Pjotr Tschaikowski Ballett-Abo Gross, Preise D

21 So Prokofjew / Rachmaninow

20.00

5. Philharmonisches Konzert Gianandrea Noseda, Dirigent, Jean-Efflam Bavouzet, Klavier, Philharmonia Zürich Konzert-Abo, Preise P1

24 Mi Liederabend Michael Volle

19.00

Helmut Deutsch, Klavier Franz Schubert: Winterreise D 911 Lieder-Abo, CHF 60

25 Do Der fliegende Holländer

20.00

Oper von Richard Wagner Preise H AMAG-Volksvorstellung

26 Fr Schwanensee

19.00

Ballett von Alexei Ratmansky Musik von Pjotr Tschaikowski Freitag-Abo A, Preise D

27 Sa Familien-Workshop

14.30 «Schwanensee» Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

King Arthur Premiere

19.00

Oper von Henry Purcell Premieren-Abo A, Preise F

28 So Ballettgespräch 11.15

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Der fliegende Holländer

14.00

Oper von Richard Wagner Sonntag-Abo B, Preise E

Familien-Workshop

14.30 «Schwanensee»

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Schwanensee

20.00

Ballett von Alexei Ratmansky Musik von Pjotr Tschaikowski Sonntag-Abo C, Preise D

Das Opernhaus Zürich für Kurzentschlossene: Am Opernhaustag erhalten Sie 50% Ermässigung für die gleichentags stattfindende und gekennzeichnete Vorstellung. www.opernhaus.ch/opernhaustag

Die Werkeinführung findet jeweils 45 min. vor der Vorstellung statt.


42 Serviceteil

Billettkasse

Billettpreise und Platzkategorien

Öffnungszeiten: Mo–Sa 11.00 Uhr bis Vorstellungsbeginn, an Tagen ohne Vorstellung bis 18.00 Uhr. Sonntags jeweils ab 1,5 Stunden vor Vorstellungsbeginn resp. 1 Stunde bei kleinen Produktionen. T +41 44 268 66 66, Mo-Sa, 11.30 – 18.00 Uhr / tickets@opernhaus.ch Opernhaus Zürich AG, Falkenstrasse 1, CH-8008 Zürich

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Preisstufe A

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AMAG-Volksvorstellungen

Preisstufe B

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Die AMAG-Volksvorstellung ermöglicht es Theaterliebhabern, das Opernhaus Zürich zu einem deutlich reduzierten Preis zu be­suchen. Die regelmässig stattfindenden AMAG-Volksvor­stel­lungen werden in der kalendarischen Übersicht dieses Magazins, online in unserem Monatsspielplan sowie per News­letter an­gekündigt. Die AMAG-­ Volksvorstellungen gelangen jeweils einen Monat vorher in den Ver­ kauf. Fällt der Tag des Verkaufsbeginns auf einen Sonn- oder Feier­tag, beginnt der Vorverkauf am Öffnungstag davor. Schriftliche Kartenbestellungen sind nicht möglich. Der Maximalbezug für diese Vorstellungen liegt bei 4 Karten pro Person.

Preisstufe C

169

152

130

56

20

Preisstufe D

198

173

152

92

32

Preisstufe E

230

192

168

95

35

Preisstufe F

270

216

184

98

38

Preisstufe G

320

250

220

98

38

Preisstufe H

75

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25

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Kinderoper K

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40

30

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Preisstufe P1

95

80

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50

35

Legi (Preisstufen A-K + P1)

35

25

20

18

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Legi (Preisstufen D-F)

45

33

25

20

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Opernhaus-Tag  Das Opernhaus Zürich für Kurzentschlossene: Am Opernhaustag erhalten Sie 50 % Ermässigung für die gekennzeichnete Vorstellung. Fällt der Opernhaustag auf einen Sonntag, können die ermässigten Tickets bereits ab Samstag erworben werden. Die Termine finden Sie im Kalendarium dieses Magazins und werden Ihnen auf Wunsch regelmässig per E-Mail mitgeteilt. Newsletter abonnieren unter: www.opernhaus.ch/newsletter

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Alle Preise in CHF

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MAG Abonnieren  MAG, das Opernhaus-Magazin, erscheint zehnmal pro Saison und liegt zur kostenlosen Mitnahme im Opernhaus aus. Sie können das Opernhaus-Magazin abonnieren: zum Preis von CHF 38 bei einer inländischen Adresse und CHF 55 bei einer ausländischen Adresse senden wir Ihnen jede Ausgabe druckfrisch zu. Bestellungen unter: T +41 44 268 66 66 oder tickets@opernhaus.ch.

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Das Opernhaus Zürich bietet unterschiedliche Ermässigungen für Kinder, Schüler, Studenten, Lernende und KulturLegi-Inhaber, AHV- und IV-Bezüger. Informationen hierzu finden Sie unter www.opernhaus.ch/besuch oder in unserem Sai­son­­buch.

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Ermässigungen

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Stark vergünstigte Tickets, Probenbesuche, interessante Einblicke hin­ ter die Kulissen und mit Gleichgesinnten die neuesten Opern- und Ballettproduktionen besuchen: All das und mehr bietet der Club Jung für junge Leute zwischen 16 und 26 Jahren. Die Mitgliedschaft ist kostenlos und unverbindlich (einmalige Aufnahmegebühr von CHF 20). Club Jung-Mitglieder erhalten Last-Minute-Karten ab 30 Minuten vor der Vorstellung für CHF 15. Auch stehen ihnen bereits im Vor­ verkauf Karten zum Preis von CHF 15 für ausgewählte Vorstellungen zur Verfügung. Spezielle Veranstaltungen wie Probenbesuche oder Workshops geben einen exklusiven Einblick hinter die Kulissen und sind für Clubmitglieder kostenlos. Der Club Jung-Newsletter informiert regelmässig über die aktuellen Angebote und Aktionen. Details zur Mitgliedschaft im Club Jung und zum aktuellen Programm finden Sie auf www.opernhaus.ch/clubjung.


Serviceteil 43

Impressum

Sponsoren

Magazin des Opernhauses Zürich Falkenstrasse 1, 8008 Zürich www.opernhaus.ch T + 41 44 268 64 00

Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie den Beiträgen der Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Zug und Aargau im Rahmen der interkanto­n alen Kulturlastenvereinbarung und den Kantonen Nidwalden und Obwalden.

Intendant Andreas Homoki

Partner

ab

Generalmusikdirektor Fabio Luisi Ballettdirektor Christian Spuck Verantwortlich Claus Spahn Sabine Turner Redaktion Beate Breidenbach Kathrin Brunner Fabio Dietsche Michael Küster Claus Spahn Gestaltung Carole Bolli Florian Streit Fotografie Stefan Deuber Danielle Liniger Florian Kalotay Bildredaktion Christian Güntlisberger Anzeigen Nathalie Maier Schriftkonzept und Logo Studio Geissbühler Druck Multicolor Print AG Illustrationen Laura Jurt Lina Müller

Produktionssponsoren

Notenstein La Roche Privatbank AG

Evelyn und Herbert Axelrod

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Baugarten Stiftung

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Familie Christa und Rudi Bindella

Istituto Italiano di Cultura Zurigo

René und Susanne Braginsky-Stiftung

Sir Peter Jonas

Clariant Foundation

Luzius R. Sprüngli

Freunde des Balletts Zürich

Elisabeth Stüdli Stiftung

Max Kohler Stiftung

Zürcher Theaterverein

Ringier AG Georg und Bertha Schwyzer-Winiker-Stiftung Swiss Life Zürcher Festspielstiftung Zürcher Kantonalbank Gönner Abegg Holding AG Accenture AG Josef Ackermann Alfons’ Blumenmarkt Allreal Ars Rhenia Stiftung ART MENTOR FOUNDATION LUCERNE Familie Thomas Bär Berenberg Schweiz Beyer Chronometrie AG Elektro Compagnoni AG Stiftung Melinda Esterházy de Galantha Fitnessparks Migros Zürich Fritz Gerber Stiftung Ernst Göhner Stiftung Egon-und-Ingrid-Hug-Stiftung Walter B. Kielholz Stiftung KPMG AG Landis & Gyr Stiftung Lindt und Sprüngli (Schweiz) AG Stiftung Mercator Schweiz Fondation Les Mûrons Neue Zürcher Zeitung AG


Sibylle Berg denkt über Operngefühle nach

Petersilie zwischen den Zähnen In Giuseppe Verdis Oper Rigoletto ist die Titelfigur für die üblen Scherze am Hof des Herzogs von Mantua zuständig. Rigoletto macht Spässe auf Kosten anderer, es bekommt ihm schlecht. Gehört die Schadenfreude zum Wesen des Menschen? Leichtfertigere Denkerinnen als ich würden die gemeine Schadenfreude klar ver­ urteilen. Sich erhaben fühlend könnte man in den schwarzen Schlund des menschlichen Charakters blicken und die Schadenfreude neben der Gier und dem Hass, der Eitelkeit und der Rachsucht ausmachen. «Ach, der Mensch», seufzt der Dumme, und meint damit nie sich selbst. Als würde man vollkommen losgelöst von seiner eigenen Spezies in einem unantastbaren Raum aus Reinheit schweben. Die traurige Nachricht aber ist: All das, was uns an anderen stört, was wir verachten und belächeln, was uns abstösst und ekelt, tragen wir in uns wie Viren, die nur auf den Moment warten, in dem sie aktiv werden dürfen. Liegt kein pathologischer Befund vor, ist es einzig un­ se­rer Sozialisation, unserer Bildung und unserem Willen geschuldet, zu welcher Art Mensch wir uns entwickeln, trotz all der widerwärtigen Anlagen, die in uns ruhen. Die Schadenfreude beherrscht uns in dem Mass, das jeder einzelne zulässt. Unre­ flektierte Zeitgenossen sehen Sendungen, in denen Menschen vor Kameras reingelegt werden. Sie erschrecken sich zu Tode, weil Leichen plötzlich wieder laufen oder Hände aus Mülleimern schnellen. Unreflektierte sind süchtig nach Internetfilmen, die zeigen, wie Babywagen Hänge herunterrollen, Betrunkenen die Gesichter angemalt werden, Leute im Eis einbrechen, hinfallen, aufschlagen. Ich möchte die Verachtung, die ich für Menschen empfinde, die ihre Familienmitglieder oder gar Kinder dabei filmen, wie sie sich blamieren und das Zeug dann ins Netz stellen, nicht unerwähnt lassen. Ich bin ein kultivierter Mensch, vielleicht wie sie. Aber irgendwann kriegt die Schaden­ freude jeden, mit Ausnahme von – eventuell – Mutter Theresa, aber die ist nicht mehr. Den unangenehmen Kollegen dabei zu beobachten, wie er mit offener Hose eine Rede hält, die Politikerin, wie sie mit Petersilie zwischen den Zähnen spricht – irgendwann erwischt dieses miese kleine Gefühl doch jeden. Oft erfreut sich der kultivierte Mensch am Scheitern jener, zu denen er sich in eine Konkurrenz setzt. Als Anthropologin vermute ich, dass das Gefühl, Menschen, die nicht zu unserer Sippe gehören, beim Versagen zu betrachten, mit dem Überlebenskampf der Rasse zu tun hat. Stein­zeit und so weiter. Nichts ist erfreulicher, als wenn die Konkurrenz sich selbst beim Versuch des Überlebens ausschaltet. Der Mensch, wenn er sich nicht unter Kontrolle hat, neigt ja auch zum exzessiven Betrachten von Verkehrsunfällen. Gleicher Ursprung, ähnliche Wirkung – der wohlige Schauer, der sich in dem entspannten Gefühl der Freude entlädt, davon gekommen zu sein: Mich hat es nicht erwischt; ich gehöre zwar derselben Spezies an wie das zerdrückte Ding auf der Autobahn, wie das dicke Ding, dass da gerade im Eis einbrach, aber ich wurde verschont. Weil ich klüger bin oder Glück habe oder beides. Und nach diesem kleinen, miesen und vollkommen verständlichen Gefühl, das wir Schadenfreude nennen, obliegt es wieder Charakter und Bildung, ob der Mensch Mitgefühl entwickelt. Dem Gestürzten auf die Beine helfen oder ihn liegenlassen – das ist die Entscheidung, die jeder treffen kann. Anders gesagt: Der Kluge weiss um die qualitative Einschränkung seines Charakters per Geburt. Er versucht sich deshalb über seine Veranlagung zu erheben. Amen. Sibylle Berg

Illustration: Laura Jurt

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10 2014

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