MAG 49: Corpus

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MAG 49

Filipe Portugal choreografiert «dis TANZ»


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Editorial

Körper und Seele Verehrtes Publikum, der Titel unseres neuen, zweiteiligen Ballettabends, der am 27. Mai Premiere hat, heisst Corpus. Das mag auf den ersten Blick nicht gerade originell erscheinen, schliess­ lich bezeichnet das lateinische Wort lediglich das Instrument, mit dem Tänzerinnen und Tänzer ihre Kunstform immer und überall auf die Bühne bringen – den Körper. Ballett ist Körperkunst. Aber was macht die Bewegungen des Körpers eigentlich zur Kunst? Die beginnt ja erst da, wo der Tanz über das rein Körperliche, über gymnasti­ sche Muskelkontraktionen und exakte Biegungen und Drehungen der menschlichen Gliedmassen hinausgeht. Besteht der Kern des Tänzer-Corpus also in erster Linie aus etwas Nichtkörperlichem, Geistigem, das vom Denken und Fühlen des Tänzers gespeist wird, von seinen persönlichen Erfahrungen im Leben wie in der Kunst? Wir haben einen Begriff dafür – Seele. Wenn uns eine Ballettdarbietung berührt, nennen wir sie «beseelt». Aber wie genau kommt die Seele in den Tanz? Und in welchem Verhältnis steht sie zum Körper? Das alles sind Fragen, die die beiden Choreografen unseres Corpus-Ballettabends, Douglas Lee und Filipe Portugal, umtreiben – und das nicht nur in dieser Produktion. Sie sind natürlich nicht die ersten, die sich damit beschäftigen: Seit mehr als zweihun­ dert Jahren ist das Verhältnis zwischen Körper und Seele im Tanz ein grosses Thema. Die renommierte Tanzautorin Dorion Weickmann hat dieses weite Feld in einem Essay für unsere aktuelle MAG-Ausgabe einmal abgesteckt. Aber mit dem Verständnis eines um die Dimension der Seele erweiterten Tänzer-­ Corpus ist für Douglas Lee und Filipe Portugal allein noch nichts erreicht. Sie müs­sen ein Stück erfinden mit den Tänzerinnen und Tänzern des Balletts Zürich und für sie. Und wer schöpferisch tätig wird, muss aus einer Quelle schöpfen; braucht ein Thema, an dem er sich abarbeiten kann, einen Kristallisationspunkt, an dem seine Fantasie Halt findet. Im Falle von Douglas Lee ist das ein berühmtes Gemälde des spanischen Malers Diego Velázquez aus dem 17. Jahrhundert, auf dem eine geheimnisvolle Dame mit einem Fächer zu sehen ist. Um die Identität und das Leben dieser Lady with a Fan ranken sich Gerüchte und Vermutungen, die Douglas Lee bei der Suche nach einer abstrakten Choreografie auf Musik von Antonio Vivaldi und Michael Gordon als In­spirationsquelle gedient haben. In Filipe Portugals neuem Stück disTANZ wie­­der­ ­um bildet eine grosse, den leeren Bühnenraum überwölbende Skulptur aus Metall und Licht – entworfen vom Bühnenbildner Marko Japelj – ein kreatives Gegenüber für sei­­ne Choreografie auf Musik von Carl Philipp Emanuel und Wilhelm Friedemann Bach. Die Verbindung zwischen den beiden Uraufführungen schafft unser Orchestra La Scintilla, das auf historischen Instrumenten spielt und auf Musik des 17. und 18. Jahrhunderts spezialisiert ist. Ein Corpus mit Seele sitzt also auch im Orchestergraben. Musikalisch geleitet wird er vom englischen Dirigenten und Alte-Musik-Experten Christopher Moulds. Lassen Sie sich überraschen von unserem Corpus-Ballettabend, der viel mehr als nur den Körper zum Thema hat! MAG 49 / Mai 2017 Unser Titelbild zeigt den Choreografen Filipe Portugal, der sein neues Werk «disTANZ» präsentiert. Ein Porträt über ihn finden Sie auf Seite 24 (Foto Florian Kalotay)

Claus Spahn

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Inhalt

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« Corpus» heisst der neue Abend des Balletts Zürich. In zwei Uraufführungen geht er der Frage nach, wie Körper und Seele im Tanz zusammenfinden. Ein Essay von Dorion Weickmann

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In «Lady with a Fan» begibt sich der britische Choreograf Douglas Lee auf die Spuren eines berühmten Gemäldes von Diego Velázquez. Ein Gespräch Filipe Portugal bringt sein neuestes Stück «disTANZ» auf die Bühne. Ein Porträt des charismatischen Choreografen und Tänzers

Die kanadische Altistin Marie-Nicole Lemieux singt die Ulrica in Verdis Oper «Un ballo in maschera» und gibt Auskunft über ihre Rolle

Opernhaus aktuell – 6 Drei Fragen an Andreas Homoki – 9 Wie machen Sie das, Herr Bogatu? – 11 Volker Hagedorn trifft… – 28 Die geniale Stelle – 32 Kalendarium und Serviceteil – 36 Der Fragebogen – 40

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Knöpfe sind in der Oper nicht wichtig. Die nimmt auf der grossen Bühne sowieso niemand wahr. Denkt man und irrt. Auch Knöpfe erzählen in der Oper ganz viel über die Figuren und die Atmosphäre einer Szene. Zeige mir deinen Knopf, und ich sage dir, wer du bist. Der schwarze (oben) kennt die düstere Tragik von Christian Spucks «Romeo und Julia»-Ballett. Die goldenen (rechts unten) erzählen von der historischen Maskerade in «Un ballo in maschera», und die knallbunten (rechts oben) sind schrille Kichererbsen aus Herbert Fritschs durchgeknalltem «Freischütz».

Foto: Frank Blaser

Achtet auf die Knöpfe!



Opernhaus aktuell

Liederabend

Anja Harteros

Die weltweit gefragte Sopranistin Anja Harteros ist eine hinreissende Eli­ sa­betta in Verdis Don Carlo, eine be­ zaubernde Elsa in Wagners Lohengrin und eine fantastische Sieglinde in Wagners Walküre. Mindestens ebenso gefeiert wird die Sängerin mit grie­ chischen Wurzeln für ihre Liedinter­pre­ ta­tionen; ihre Lieder-CD Von ewiger Liebe mit Wolfram Rieger wurde mit dem Orphée d’Or ausgezeichnet. Am Opernhaus Zürich wird sie in ihrem kommenden Liederabend Werke von Franz Schubert, Robert Schumann, Alban Berg und Richard Strauss singen. Begleitet wird sie dabei wiederum von Wolfram Rieger, ihrem langjährigen Partner am Klavier. Donnerstag, 15 Juni, 19 Uhr Hauptbühne

Kraftfeld Antike

Helmut Lachenmann und Opera nova

Im nächsten Opera nova-Konzert haben Sie die Gelegenheit, Helmut Lachen­ mann, einen der bedeutendsten Kom­po­­ nisten der Gegenwart, live zu erleben. Der Komponist wird mit den Musikern des Ensembles im Rahmen von Work­ shops an der ganz besonderen Klang­ lich­keit seiner Kompositionen arbeiten und im Konzert den Sprechpart in seinem Werk Zwei Gefühle – Musik mit Leonardo übernehmen. Es handelt

sich dabei um einen Ausschnitt aus Lachenmanns berühmtem Bühnenwerk Das Mädchen mit den Schwefelhölzern. Mit dem Werk Dark Side von Georges Aperghis widmet sich das Ensemble ausserdem noch einmal unserem dies­ jährigen Antiken-Schwerpunkt. Den Ge­ sangspart, der auf Texte aus Aischylos’ Orestie zurückgeht, übernimmt die Mezzosopranistin Annette Schönmüller. Samstag, 10 Juni, 19 Uhr Studiobühne

Kraftfeld Antike

Die Irrfahrten des Odysseus

Das nächste Brunch- und Lunchkonzert ist den Abenteuern einer der be­ rühmtesten Figuren der antiken Erzähl­ kunst gewidmet: Die Irrfahrten des Odysseus werden in einer 2010/11 komponierten Fassung des griechischen Komponisten Dimitri Terzakis für Er­ zähler, eine Sängerin und Ensemble aufgeführt. Illustriert werden die Reisen des Odysseus durch handgemalte, kolorierte Bilder aus dem 19. Jahrhun­ dert. Der Erzähler ist hier gleichsam Rhapsode. Der Gesang, die Instrumente und das Tonband kommentieren die poetische, die humoristische, und die übersinnliche Seite des Homerschen Textes. Unter der Leitung von Michael Richter spielt das Ensemble Opera nova, es erzählt Christoph Betulius, die Sopranistin ist Hamida Kristoffersen. Brunchkonzert: Sonntag, 18 Juni, 11.15 Uhr, Spiegelsaal Lunchkonzert: Montag, 19 Juni, 12 Uhr, Spiegelsaal

Einführungsmatinee

Das Land des Lächelns

Als letzte Premiere in dieser Spielzeit zeigen wir Franz Lehárs Welterfolg Das Land des Lächelns aus der Silbernen Zeit der Operette. Das Werk hat viele Besonderheiten, darunter die über­ raschen­de Tatsache, dass diese Operette nicht mit einem Happy End aufwartet. In der Einführungsmatinee äussern sich Regisseur Andreas Homoki und sein Team zur Neuproduktion, darunter auch der Tenor Piotr Beczala, der in der Rolle des Sou-Chong sein Zürcher Comeback feiert. Sonntag, 28 Mai 2017, 11.15 Uhr Bernhard Theater

Preise

Die Opera Awards 2017 Bei der diesjährigen Preisverleihung der International Opera Awards in London sind in den 21 Kategorien auch Künstler ausgezeichnet worden, die am Opernhaus Zürich zu erleben waren. Der Tenor Lawrence Brownlee (er war der Arturo in unserer Puritani-­ Produktion) wurde zum besten männli­ chen Sänger gekürt. Klaus Grünberg ist (u.a. für seinen Zürcher Macbeth) als bester Bühnenbildner ausgezeichnet worden. Juan Diego Flórez (Werther) gewann den Publikumspreis und Pretty Yende (unsere Elvira in I puritani) den Preis für die beste Solo-CD. Der Award für die Company of the Year 2017 ging an die Opéra de Lyon. Das Opernhaus Zürich war im Jahr 2014 mit dem Titel ausgezeichnet worden.

Illustration: Anita Allemann,  Fotos: Frank Blaser (Zürich), Studio Pagi (Lugano)

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Opernhaus aktuell

Oper für alle in Zürich und Lugano

Haben Sie die Picknick-Decke schon aus­gelüftet und den Weisswein parat ge­ stellt? Auch in diesem Jahr laden wir Sie zu unserer grossen Freiluft-­Party «Oper für alle» ein, die nun allerdings eine spektakuläre Erweiterung erfährt: Am 17. Juni übertragen wir die Vor­ stellung von Giuseppe Verdis Oper Un ballo in maschera nicht nur auf den Zürcher Sechseläutenplatz, sondern auch auf den wunderschönen Platz vor dem LAC in Lugano. So haben auch die Opernfans im Tessin und im an­gren­ zenden Italien die Gelegenheit, einen Abend des Opernhauses Zürich kosten­ los unter freiem Himmel zu erleben. Wir sind damit das erste Haus, das eine Open-Air-Übertragung gleich­zeitig in zwei Städten präsentiert – mehrspra­ chig, mit zwei Moderatoren und Live-­ Schaltungen zwischen den Orten. Wer unser «Oper für alle»-Fest sicher bei gutem Wetter erleben will, nutzt den neuen Gott­hard-Tunnel und schaut im südlichen Lugano, der grandiose See- und Bergblick ist inklusive. oper für alle «Un ballo in maschera» Liveübertragung Sechseläutenplatz und Piazza des LAC Lugano Samstag, 17 Juni 2017, 19.30 Vorprogramm ab 17.30 Eintritt frei Präsentiert von

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POMP P POM OMP P IN I MUSIC MU MUS MUSIC SIC 13.. JULI ULII – 2.. SEPTEMBER EPTEMBER TE 2017 20 201 2

Erleben Sie internationale Stars der klassischen Musik in den malerischen Kirchen des Saanenlandes und in sinfonischen Konzerten auf der grossen Bühne des Festival – Zeltes in Gstaad. Vilde Frang (Artist in residence), Cecilia Bartoli, Sol Gabetta, Sir András Schiff, Evgeny Kissin, Anne-Sophie Mutter, Fazil Say, Khatia Buniatishvili, Isabelle Faust, Cameron Carpenter, Gabriela Montero, Roberto Alagna, Sir Antonio Pappano, Jaap van Zweden, Gianandrea Noseda, Tölzer Knabenchor, Orchestra dell‘Academia della Santa Cecilia Roma, Gstaad Festival Orchestra, London Symphony Orchestra, u.v.m Tickets: Telefon 033 748 81 82 – www.gstaadmenuhinfestival.ch


Drei Fragen an Andreas Homoki

Kundenservice ist uns wichtig

Foto: Frank Blaser

Herr Homoki, das Programm der Spielzeit 2017/18 ist veröffentlicht. Jetzt läuft der Kartenverkauf an. Wie funktioniert am Opernhaus ei­ gent­lich der Kartenvertrieb? Bevor überhaupt einzelne Karten in den Verkauf gehen, gibt es zunächst immer einen Zeitraum, in dem wir exklusiv unsere Abonnenten bedienen. Auf diesem Weg verkaufen wir ungefähr ein Drittel der gesamten Plätze. Die Abonnenten machen also nach wie vor einen sehr grossen Teil unseres Publikums aus – und bilden somit das Fundament unserer Kunden. Wir in­vestieren jedes Jahr viel Zeit in die Zusammenstellung der verschiedenen Abonnement-Reihen, um unseren Kunden ein möglichst attraktives Angebot vorzulegen. In der kommenden Spielzeit sind es wiederum 36 ver­­schie­ dene Abos, unter denen hoffentlich für jeden Geschmack etwas dabei ist. Als Neuheit bieten wir beispielsweise auch ein «Gute-Laune-Abo» mit ausschliesslich komischen und leichten Werken des Opernrepertoires an. Weil uns unsere Abonnenten sehr wichtig sind, kommen sie in den Genuss etlicher Vorteile: Der Abonnementverkauf beginnt zwei Monate vor dem Verkauf der Einzelkarten. Ausserdem profitieren die Abonnenten – zu­ sammen mit den Freunden von Oper und Ballett sowie den Aktionären – von einem Vorkaufsrecht für Einzelkarten plus zu­sätzlich einer Ermässigung von 10 Prozent auf Einzelkarten. Und wie läuft der Verkauf der Einzel­ karten ab? In unseren modernen Zeiten habe sich ja die Vertriebswege stark verändert. Früher hat das Publikum am Schalter Schlange ge­ standen. An den ersten Verkaufstagen einer Spiel­ zeit ist das immer noch so, aber natürlich längst nicht mehr im selben Ausmass wie früher, weil man Karten online be­ stellen kann. Heute nutzen viele Kunden

den Weg über den Online-Verkauf und kommen nicht mehr per­sön­lich an den Schalter. Der Einzelkarten­­verkauf macht ca. zwei Drittel unseres Umsatzes aus. Unsere Statistik zeigt, dass die Hälfte davon über die «klas­si­schen» Ver­ triebswege – also am Schalter, via Telefon, per schriftlicher Bestellung oder Email – und derzeit rund die Hälfte in Form von Onlinetickets verkauft wird. Im Online-Bereich ist die Tendenz in den letzten Jahren aber ganz klar zunehmend. Diese Verschiebung vom Schalter- zum Online-Verkauf bedeutet auch eine Verlagerung des Aufgaben­ bereiches für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Billettkasse. Indivi­ dueller Kunden-Support und zusätzliche Serviceleistungen wie zum Beispiel der Abo-Tausch werden immer wichtiger. Für das zwölfköpfige Team unter der Leitung von Sabine Inderbitzin bedeutet dieser Wandel also auch eine Verlagerung der Tätigkeiten hin zu Bereichen, die neue Kenntnisse und Fähigkeiten erfordern. Heisst das, man hat auch als Online-­ Kunde die Möglichkeit, sich umfang­ reich beraten zu lassen? Grundsätzlich ja, auf unserer Webseite profitiert man rund um die Uhr von sehr umfassenden Informationen in­klusive Bildmaterial und Kurzfilme zu den einzelnen Produktionen. Es gibt aber immer noch viele Gäste, die sich gerne persönlich beraten lassen, sei es über die laufenden Stücke oder Auswahl an Plätzen. Vor allem Kunden, die unser Haus nicht kennen, nehmen eine persönliche Beratung besonders gerne in Anspruch. Für spezielle Service-­ Leistungen wie einen Abo-Tausch (bei Ver­hinderung kann man den Abo-­ Termin innerhalb derselben Produktion tauschen) oder wenn Tickets zum Weiterverkauf in Kommission gegeben werden, ist der persönliche oder telefonische Kontakt zur Billettkasse angezeigt.

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Bianca e Fernando

Hotel Reine Victoria, St. Moritz am 22. und 23. Juli 2017 Neu: Unsere beliebten Diners mit den Solisten nach der Oper (sie singen noch einmal!) Diner-Plätze inkl. Ticket und Einführung in die Oper unter 079 431 32 52 bestellen Ticket Vorverkauf: An allen Ticketcorner Vorverkaufsstellen sowie auf www.opera-stmoritz.ch

Ausgewählte Konzerte 13. August Chamber Orchestra of Europe | Bernard Haitink | Solisten Werke von Mozart und Mahler 17. August West-Eastern Divan Orchestra | Daniel Barenboim | Kian Soltani | Yulia Deyneka Werke von Strauss und Tschaikowsky 19. August LUCERNE FESTIVAL ORCHESTRA | Riccardo Chailly | Sophie Koch Werke von Strawinsky 23. August Mahler Chamber Orchestra | François-Xavier Roth | Patricia Kopatchinskaja Werke von Haydn und Bartók 25. August English Baroque Soloists | Monteverdi Choir | Sir John Eliot Gardiner | Solisten Il ritorno d’Ulisse in patria von Monteverdi 28. August Orchester der LUCERNE FESTIVAL ACADEMY | Matthias Pintscher Spiegel von Cerha

Identität

Sommer-Festival 11. August – 10. September 2017

4. September Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam | Daniele Gatti Werke von Rihm und Bruckner

Karten und Informationen +41 (0)41 226 44 80

www.lucernefestival.ch


Wie machen Sie das, Herr Bogatu? 11

Unter Hochdruck Beim Ballettabend Corpus haben wir es mit zwei sehr herausfordernden Bühnenbildern zu tun. Für die Choreografie von Filipe Portugal hat Marko Japelj ein hochinteressan­ tes Objekt erschaffen. Dies zu beschreiben ist gar nicht so einfach: Stellen Sie sich eine neun Meter grosse Untertasse vor, die so in einem Radius gerundet ist, dass sie nur mit einem Punkt den Tisch berührt. Die Aussenkanten erheben sich ca. 1,2 Meter über Ihrer Tischfläche. Das Material dieser Untertasse besteht aus ca. 2000 aneinanderge­ schweissten Metallwaben, die zum Mittelpunkt hin immer kleiner werden. Dadurch, dass die Waben unten und oben offen sind, wäre das Gebilde als Untertasse allerdings nicht brauchbar. Sie wäre undicht. Dieses Objekt hängt auf der Bühne gleichsam über Kopf und wölbt sich über die Tänzerinnen und Tänzer. Die offenen Waben bilden ein unerwartet transparentes und fragil wirkendes Netz, das je nach Licht und Blickwinkel eine unglaubliche Schön­ heit entfaltet. Dieses Gewölbe können wir mit unseren Zügen schweben lassen und in jede beliebige Schräge stellen. Je nachdem bilden sich neue Durchblicke durch die Waben und neue Räume, unter denen sich die Tanzenden bewegen. Im zweiten Stück des Abends, im Ballett von Douglas Lee, bilden sieben Ele­ mente das Bühnenbild. Diese Elemente bestehen aus unterschiedlich hohen Wänden, die an verschieden grossen Podestaufbauten befestigt sind. Diese Podeste können von den Tänzerinnen und Tänzern beklettert und betanzt werden. Vor allem aber können die Elemente auf der Bühne beliebig verschoben und angeordnet werden. Das klingt nun nicht gerade beeindruckend, aber wer jemals auf einem verschiebbaren Element mit Rollen getanzt hat, weiss, dass man das nicht machen sollte! Würden die Elemente tatsächlich in Bewegung geraten, wäre ein kontrollierter Tanz ist nicht mehr möglich. Hier haben unsere Maschinisten und Schlosser ganz tief in die Theatertrickkiste gegriffen: Wir haben Rollen verwendet, die wir mithilfe von Druckluft anheben können. Setzen wir die Hebeeinheit unter Druckluft, hebt sich das Element vom Boden, steht dann auf den Rollen und kann einfach bewegt werden. Wenn wir die Luft wieder ablassen, ist das Element unverrückbar auf seiner Position. Die Druckluft haben wir in Gasflaschen abgefüllt und in die Elemente eingebaut. Die Bedienung haben wir über ein elektrisches Steuerventil gelöst: Drückt man auf einen Knopf, so wird Luft in die Hebevorrichtung geblasen. Drückt man erneut, so wird die Luft wieder abgelassen. Dieser Knopf – in der Grösse eines Hosenknopfes und in der Farbe der Elemente bemalt – kann von den Tanzenden unsichtbar bedient werden. Das funktioniert hervorragend. Und trotzdem gibt es ein Problem: Das Drücken des Knopfes und damit das beeindruckende Anheben und Absenken der recht schwe­ ren Elemente macht allen auf der Bühne (einschliesslich des Technischen Direktors) so viel Spass, dass die Druckluft im entscheidenden Moment bestimmt leer sein wird...

Illustration: Anita Allemann

Sebastian Bogatu ist Technischer Direktor am Opernhaus Zürich



Die Seele muss tanzen Unser neuer Ballettabend «Corpus» mit Arbeiten von Douglas Lee und Filipe Portugal reflektiert die Frage, wie Körper und Seele im Tanz zueinanderfinden. Ein Thema, das Tänzer und Choreografen seit mehr als 250 Jahren beschäftigt. Ein Essay von Dorion Weickmann Fotos Gian Paul Lozza


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«Der Tänzer möge die Bewegungen der eigenen Seele in die Seele der Zuschauer übertragen», schrieb der Choreo­graf Jean-Georges Noverre im 18. Jahrhundert


Corpus 15

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Proben zu «Lady with a Fan»: Francesca Dell’Aria und Tars Vandebeek. Vorige Doppelseite: Anna Khamzina und William Moore

on Gotthold Eph­ raim Lessing aus dem Französischen ins Deutsche übertragen, erschien 1760 ein Bändchen mit fünfzehn «Briefen über die Tanzkunst». Der Verfasser Jean-Geor­ ges Noverre hatte sich vorgenommen, das Ballett aus den Fesseln der höfischen Repräsentation zu befreien. Was ihm als Choreograf weniger gut gelang als hier, auf dem Papier. Der Maître aus Paris ver­ bannte Perücken und Masken und Krino­ linen, ja überhaupt den ganzen Pomp, den der Absolutismus zum Lobpreis des Herrschers auf die Szene gewuchtet hatte, ins Depot. Statt wie bisher Staatsräson und Monarchie zu huldigen, sollte nun «la belle nature» besungen werden: die mit den Mitteln der Kunst veredelte Natur, da­zu der Mensch mit all seinem noblen Streben und den niederen Leidenschaften. Die Neuausrichtung, mit der die Tanzbühne sich wie das Theater insgesamt als moralische Anstalt zu behaupten such­ ­te, zeitigte weitreichende Konse­quen­­zen. Im Barock hatte der tanzende Körper die Prinzipien der Rationalität verkündet, denen er auch selbst gehorch­te. Schliesslich arbeitete sich das Ballett an den Helden der antiken Mytho­logie ab, die – als Spiegelbilder des Souveräns gedacht – mit Schauwerten statt emotionaler Tiefe glänz­­ten. Noverre und seine Zeitgenossen aber setzten nun auf gefühlvolle Porträts von fiktiven, gleichwohl lebendigen Charakteren. So kam etwas ins Spiel, das bis dahin keine oder allenfalls eine äusserst rand­­ständige Rolle innegehabt hatte. Der Tänzer, verordnete Noverre im neunten Brief, möge «die Bewegungen seiner eigenen Seele in die Seelen der Zu­ schauer übertragen». Die Aufgabe brachte es mit sich, dass nunmehr nichts schlimmer war als «ein Tänzer ohne Seele, der nur an seine Beine denkt, der das A.B.C seiner Kunst nicht weiss… und ihr wahres Wesen nie gefühlt hat.» Noverre ergänzte demnach das traditionelle «Werkzeug» des Körpers um die Seele, getreu der Be­ ob­achtung, dass mechanische Virtuosität als Solonummer nur Langeweile und Leer­lauf produziert. Sie degradiert den Tänzer zur «Marionette», die mit schierer Artistik Eindruck schindet, aber nie und nimmer das Publikum berührt, bewegt, gar betört. Soweit Noverre, soweit die

auf­­geklärte Theorie, derzufolge «Corpus» und «Anima» auf der Tanzbühne unbedingt zusammengehören. Gilt das auch heute noch, gut zweihundertfünfzig Jahre und zahllose Stilund Epochen-Brüche später? Denken wir, wenn der neue Ballettabend von Douglas Lee und Filipe Portugal für das Ballett Zürich den Titel Corpus trägt, «Anima» stillschweigend dazu? Oder ist die Seele wieder ins zweite Glied getreten, jedenfalls dort, wo sich eine Aufführung scheinbar in erster Linie auf Form, Technik, Design kapriziert? Wie viel Seele verlangt und ver­­­trägt die Abstraktion auf der Tanzbüh­ ­ne überhaupt? Keine Frage, das 20. Jahrhundert hat dem Ballett einen enormen Zuwachs an kinetischer Raffinesse, an Eleganz und über­ wältigender Optik beschert. Was Tänzer heute können, wirkt auf Nicht-­ Tänzer geradezu surreal. Höher, schneller, weiter – das olympische Motto scheint auch die Kunst erfasst zu haben, und die Ergebnisse, die das methodische Hochleistungstraining von Kindesbeinen an erzeugt, sind staunenswert. Dass es dabei bisweilen auch zu Kollateralschäden kommt, zu vorzeitigem Verschleiss und Teilinvalidität, ändert nichts daran, dass wir auf physische Sensationen kaum verzichten wollen. Aber hat das Theater damit als moralische Anstalt ausgedient, ist es zur athletischen Arena verkommen? Genau besehen, haben die Tanzrevo­ lutionen der vergangenen hundert Jahre selbst dort, wo sie Narration und Charakterzeichnung als altmodisch verwarfen, die Seele niemals ausradiert. Das betrifft sämtliche Spielarten der Moderne, betrifft expressive ebenso wie formale Experimen­te und selbst die ästhetischen Supernovae, die sich im Kosmos von Merce Cunningham oder William Forsythe er­ eig­­neten. Das gilt erst recht für den Doyen der tänzerischen Abstraktion, für George Balanchine, das gilt für den nieder­län­di­ schen Altmeister Hans van Manen und für den jüngsten Pionier auf diesem Gebiet, den Briten Wayne McGregor. Mit Nover­ re gesprochen: Nichts Schlimmeres unter dem Bühnenhimmel, als Werke dieser Schöpfer seelenlos getanzt zu sehen. Zwar weisen sie meist weder einen Plot noch psychologisch kolorierte


16 Corpus

Figuren auf. Aber die Energie, mit der die Tänzer diese Konstruktionen überzeugend verdichten, ist doppelter, ist physischer wie psychischer Natur. Mag die Bewegungssprache noch so elaboriert und anspruchsvoll sein: Das zeit­genössische Tanzschaffen bleibt eine Hülse, so es sich allein auf die körperliche Erscheinung verlässt. Ein Tänzer kann jeden Schritt perfekt beherrschen und wird trotzdem scheitern, solange er nichts als Handwerk in höchster Vollendung zur Schau stellt. Es braucht mehr, um uns mit­­­­zureissen und die biomechanische Exzellenz als solche vergessen zu machen. Es braucht mehr, um uns soghaft in den Strom des Geschehens – sei es abstrakt, sei es konkret – hineinzuziehen. Dabei geht es nicht unbedingt um Identifikation, son­dern häufig um Erkenntnis: Wie Welt und Dinge beschaffen sind, wie eine Cho­ reogra­fie gebaut ist, auf welche Weise, mit wel­cher Wirkung sie in den Raum ge­ schrie­ben wird. Nur ein beseeltes Ganzes setzt uns unter Spannung und entzün­det unsere Fantasie. Alles andere bleibt be­ wunderns­ wert, sagenhaft, meisterlich. Aber im Kern so kalt wie erloschenes Magma. Wo setzt nun die Seele an, wenn nicht an Handlung oder dramatis personae? Douglas Lee und Filipe Portugal geben ihrem Corpus-Abend einen musikalischen Rahmen, der aus dem Barock in die Gegenwart hi­neinragt. Trotzdem werden sie weder den staatstragenden Gestus der absolutistischen Ära revitalisieren noch das bürger­liche Modell der «belle nature» samt tänzerischer Nachahmung verlängern. Womöglich kreuzen sie Corpus mit einem «Anima»-Konzept, das Paul Valéry 1921 anhand eines Gesprächs zwischen drei Herren skizziert hat. Unter dem Titel «Die Seele und der Tanz» verwickel­te der Dichter den Philosophen Sokrates, seinen Freund Phaidros und den Arzt Eryximachos in eine Unterhaltung nach Tisch. Anlass ist der Auftritt eines Tanz­ ensembles, angeführt von einer Solistin namens Athikte, gleichbedeutend mit «die Unantastbare», also Absolute. Das Trio begutachtet die Vorstellung und zeigt sich zusehends hingerissen von dem, was die première danseuse mit ge­ schlos­senen Augen vollbringt. Es ist nicht,

was sie kann, es ist nicht, was sie tut – son­ dern das «Wie», das die Männer in Bann schlägt, ihre Gedanken gleichsam ver­ flüssigt. Dabei gelangen sie zu durchaus un­ter­schiedlichen Ansichten. Wo der Arzt im Tanz die reine «Vernunft» verkörpert sieht, erblickt Phaidros das Gegenstück, die «Liebe» − ja er gewahrt ein ganzes Spek­­trum an Befindlichkeiten und Zu­ stän­­den, bis hin zum Wogen einer «Mee­ res­welle». Wer hat recht? Sokrates soll entscheiden, ob die Tän­­zerin etwas darstellt – und wenn ja, was? «Nichts», sagt der Denker, und «alles»: «das Meer wie die Liebe, und das Le­ben selbst, und die Gedanken». Denn das Wesen des Tanzes ist die «Metamorphose». Die Verwandlung, Veränderung beschränkt sich nicht auf den Körper. Viel­mehr tritt eine «Flamme» hinzu, in der sich Kraft und Zerstörung, Eros und Thanatos begegnen. Das empor stechen­ ­de Feuer steht für den Augenblick, der «zwischen Erde und Himmel» schwebt und uns Träumen macht. Der «grosse Tanz», er ist nichts an­ de­res als die «Hingabe unseres Körpers» an den Rausch, an das Reich jenseits der Wirklichkeit, die Einbildungskraft, die aus reger Seelentätigkeit erwächst. So verliert sich Athikte zuletzt im ekstatischen Ozean des Ichs und seiner Bewegung: «Sie dreht sich… sie taucht tatsächlich ein in eine an­­dere Welt… die Seele löst sich von allem, was sichtbar ist». Das Irdische fällt von ihr ab, für ein paar Augenblicke. Schliess­ lich stürzt die Tänzerin besin­nungs­los zu Boden, und die drei Zuschauer rätseln – lebt sie, ist sie tot? Da öffnet Athikte die Augen und sagt: «Ich fühle nichts. Ich bin nicht tot. Und doch bin ich auch nicht lebendig!» Metamorphose, Flamme, Aussersich­ sein – es ist dies der Dreischritt der Seele im Tanz. Sie geht durch das Feuer innerer Verwandlung, während der Körper die Formen wechselt, die Gestalt. Wie Athikte fühlen sich Tänzer nach der Vorstellung betäubt, weder tot noch lebendig. Sie haben ihr Letztes gegeben, haben sich an die Ränder des Daseins vorgetastet, bis zur völligen Erschöpfung. Der Körper weist die Richtung. Die Seele geht den Weg.

Proben zu «Lady with a Fan». V.l.n.r. Francesca Dell’Aria, Matthew Knight, Wei Chen


Der zeitgenössische Tanz bleibt eine Hülse, solange er sich allein auf die körperliche Er­schei­nung verlässt. Nur ein beseeltes Ganzes setzt uns unter Spannung


Wer ist die geheimnisvolle Lady? Ausgangspunkt für das neue Stück des britischen Choreografen Douglas Lee ist ein berühmtes Bild des spanischen Malers Diego Velázquez mit dem Titel «Die Dame mit dem Fächer». Die vielen Rätsel und Gerüchte um die Identität und das Leben der porträtierten Dame haben Lee zu einer Tanzkreation angeregt. Fotos Gian Paul Lozza


Corpus 19

Douglas, seit mittlerweile sechs Jah­ ren arbeitest Du als freischaffender Choreograf. Wie sieht so ein Choreo­ grafenleben aus? Während meiner Zeit als Solist im Stutt­garter Ballett hat mich die Ballettwelt vollkommen absorbiert. Ausserhalb da­von gab es nur wenig. Deshalb erschien mir das neue Leben in der Selb­ stän­digkeit nach vierzehn Tänzerjahren wie ein grosses Versprechen: Choreografieren, genug Zeit zum Nachdenken und um Musik für neue Stücke zu suchen. Das klang nach Schlaraffenland. In den letzten zwei Jahren habe ich dann aber realisiert, welche eigenartige Existenz ich da führe. Man ist ständig unterwegs und lebt in einer ge­ wissen Haltlosigkeit. In Berlin teile ich die Wohnung mit meinem besten Freund, der so etwas wie mein Familien­ ersatz ist. Die Struktur des Tänzer­all­ tags ist aber völlig verschwunden. Bei jedem neuen Engagement in einer anderen Stadt muss ich mein Leben neu organisieren. Das kann ganz schön anstrengend sein.

Katja Wünsche in Proben zu «Lady with a Fan»

Wie reagierst Du auf diese neue Situation? Ich lerne zum Beispiel die Auszeiten zu schätzen, in denen ich meine Batterien aufladen kann. Es ist ja keine Zeit des Nichtstuns, sondern Zeit, in denen sich der Geist erholen und man seine Ideen weiter verfolgen kann. Schöne Erfahrungen waren die Arbeit mit dem sehr kreativen Ballett in Atlanta (USA) und der Compagnie im russischen Perm. In Russland habe ich zum zweiten Mal gearbeitet. Meine erste Visite glich seinerzeit einem Kulturschock, weil ich erstmals in einer Umgebung arbeite­te, in der niemand Englisch sprach. Der Glaube, dass uns die Sprache des Tanzes verbindet und es aus­ reichen würde, einfach nur die Schritte vorzumachen, erwies sich als Illusion. Beim zweiten Mal habe ich vorgebeugt und hatte einen russischen Assistenten, der vormals in Stuttgart ge­tanzt hat. Das hat die Kommunikation erleichtert, und mit dem Stück hat die Compagnie den wichtigen russischen Theaterpreis «Goldene Maske» gewonnen.

Dein neuestes Stück entsteht für einen Ballettabend mit dem Titel Corpus. Ein passender Titel für einen Choreo­ grafen, der in seinen Arbeiten sehr auf die Körperlichkeit seiner Tänzer setzt und ihre Dehnbarkeit und Bieg­ samkeit auf atemberaubende Weise immer wieder neu erkundet. Genau das habe ich gedacht, als ich heu­te auf dem Weg ins Theater das Plakat zu Corpus gesehen habe. Wenn ich mit den Tänzern im Studio arbeite, ver­suche ich, sie erst einmal nicht als menschliche Wesen wahrzunehmen. Oft sieht man ja im Tanz einen Mann und eine Frau, die eine wie auch immer ge­­ar­tete Beziehung verbindet. Aber für mich ist Tanz in der Entstehung nicht zwingend an ein menschliches Wesen ge­ bunden, sondern kann zunächst eine Form oder ein Klang sein. Im Ballettsaal fächere ich da immer ein ganzes Spek­ trum auf. Der menschliche Körper ist das Instrument, mit dem ich arbeite. Natürlich bringen die Tänzer ihre Persönlichkeit ein – es ist also nie der Körper allein –, aber mir kommt es immer vor, als stünde mir eine Palette mit verschiedenen Farben zur Ver­­ fügung, um etwas zu kreieren. In Corpus spielt das Orchestra La Scintil­la, das auf Alte Musik spe­ zialisiert ist. Hattest Du vor diesem Projekt Interesse an Barock? Üblicherweise arbeite ich in meinen Stücken mit Musik lebender Komponisten. Aber als ich mit Christian Spuck erstmals über den Corpus-Abend sprach, war ich in Frankreich gerade mit einer Choreografie zu Musik von Henry Purcell beschäftigt und hatte mir eine grosse Diskothek mit Barockaufnahmen angelegt. Für Zürich habe ich sie nach geeigneten Werken durchforstet. Barock hat mich aber nicht nur in musikalischer Hinsicht interessiert. Für das Bühnenbild und die Kostüme habe ich mich eingehend mit Aspekten barocker Mode und Architektur beschäftigt, und in meine Materialsammlung habe ich ständig neue Sachen aufgenommen und genauso viele verworfen. Es war ein langer Prozess, bis ich die Referenzen für Bühne und Kostüme zusammen hatte.


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Charakteristisch für Deine Arbeiten erscheint mir, dass es bei aller Ab­ straktion oft auch narrative Elemente gibt. Sie bewirken eine gewisse Doppelbödigkeit, werfen Fragen auf und ermutigen den Zuschauer, sich seine eigene Geschichte zu entwerfen. Wer verbirgt sich hinter der geheim­ nisvollen Dame in Lady with a Fan in Deiner neuen Choreografie? Ja, wer ist die Lady? Um diese Frage dreht sich das ganze Stück. An ihrer Per­ son kann ich meine Assoziationen zur Welt des Barock festmachen und mit ihnen spielen. Aber es ist nie nur der einseitige Blick zurück, sondern immer wieder auch eine Verankerung in der Gegenwart. Velázquez’ berühmtes Gemälde Die Dame mit dem Fächer, das heute als eine der Hauptattraktionen in der Londoner Wallace Collection hängt, verkörpert für mich den Archetyp des barocken Gemäldes und erschien mir perfekt für dieses Stück, weil ich nach einer starken Visualisierung der Barockwelt gesucht habe. Bei Barock denke ich nicht nur an Musik, sondern auch an gepuderte Perücken, die Mode und die Architektur. Das alles ver­ körpert dieses Bild für mich. Als eine zweite Schicht kommen die ver­schie­den Theorien zur rätselhaften Identität der Lady hinzu. Bei den Tänzern spreche ich gern von der Mona Lisa der Barockzeit. Jeder kennt die Mona Lisa, jeder hat irgendeine persönliche Asso­ziation zu dem Bild, das fest in unserer Kultur verankert ist. Jeder der Millionen Be­ sucher, die sie alljährlich im Louvre bestaunen, kann sich vor dem Hintergrund ihrer ungeklärten Identität seine eigene Geschichte entwerfen. Auch bei Velázquez’ Porträt liegt die Identität der abgebildeten Dame im Dunkeln. Man hat sie lange für Velázquez’ Tochter, aber auch für eine Angehörige des spanischen Adels gehalten. Neue Theorien schliessen jedoch aus bestimm­ ten modischen Details und der de­mons­ trativen Art, wie sie ihren geöffneten Fächer präsentiert, dass es sich wohl eher um eine Französin handelt. Die berühmteste Französin am spanischen Hof war zu Velázquez’ Zeiten Marie Aimée de Rohan-Montbazon, die Herzogin

von Chevreuse. Ihr Leben war bestimmt von ihren Affären, ihrer Freundschaft zur Königin Anna von Österreich und ihrer Feindschaft zu Kardinal Riche­lieu, gegen den sie zahlreiche erfolglose In­tri­gen und Komplotte spann. In einem Brief erwähnt Velázquez 1638, dass er die berühmte Exilantin, die am spanischen Hof den Schutz von König Philipp IV. genoss, porträtierte. Ist sie folglich die Lady auf dem Bild? Man weiss es nicht. Das Ganze liest sich wie ein spannender Krimi. Wie näherst Du Dich dieser ge­heim­ nis­umwitterten Person in Deinem Ballett? Nicht im Sinne einer Ballett-Biografie mit genau definierten Lebensstationen. Mich inspirieren diese Vermutungen, die Gerüchte hinter vorgehaltener Hand, ich kann das Getuschel und Flüstern buchstäblich hören. All diese Geschichten würden für zwanzig verschiedene Frauen reichen. Einerseits die charman­te, von vielen Männern umworbene Frau, auf der anderen Seite die mit allen Wassern gewaschene manipulative In­ trigantin, die Gerüchte und Klatsch verbreitet, um sich daraus einen Vorteil zu erschaffen. Die Vieldeutigkeit dieses Porträts ist eine ideale Folie für meine Choreografie. Natürlich gibt es darin ei­ ne Lady, doch ansonsten komme ich ohne historisches Personal aus. Weder Kardinal Richelieu noch Anna von Ös­ ter­reich werden in Erscheinung treten. Wichtiger als der Herzogin auf ihren Lebensstationen zu folgen, ist es mir, einen Reflexionsraum zu entwerfen, in dem wir ihrer Persönlichkeit nachspüren können. Wie gewinnt sie in diesem Reflexions­ raum Bühnenkontur? Ich möchte nicht entscheiden, wer sie ist und dann ihre Geschichte erzählen. Aus den vielen Legenden, die es über sie gibt, habe ich ein paar ausgewählt und versuche, einige ihrer Eigenheiten und Charakterzüge für die Choreografie zu nutzen. Aus der Kindheit Marie de Rohans wissen wir zum Beispiel, dass sie mit ihrem Bruder oft die Kleider getauscht hat. Auch ihre Flucht nach Spa-

Douglas Lee probt mit Anna Khamzina


Corpus 21

nien über die Pyrenäen hat sie in Männer­kleidern unternommen. Dieses androgyne Element ist in einer kurzen Sektion des Stücks widergespiegelt, und natürlich wird auch ihre manipulative Seite thematisiert, aber nicht im Sinne einer Story. Die Lady ist eher eine Art barocker Faden, der sich durch das ansonsten abstrakte Stück zieht.

Ornament, fasziniert mich immer wieder, wenn ich barocke Kunstwerke betrachte. Beim Arbeiten mit den Tänzern erlebe ich Ähnliches. Da verwenden wir gerade viel Energie auf die Details der choreografischen Oberfläche. Das fühlt sich sehr filigran an, als würde man etwas vergolden oder kalligrafisch arbeiten.

Was passiert, wenn dieser barocke Charakter auf die modernen Persön­ lichkeiten des Balletts Zürich trifft? Die ausgefeilte Arbeit am Detail, am

Der Titel von Velázquez’ Gemälde hebt den Fächer als das dominierende Accessoire der Lady hervor. Welche Rolle spielt er in Deinem Ballett?


22 Corpus

Zum einen verwende ich ihn, um der Titelfigur auch in der Choreografie Persönlichkeit und Aura zu verleihen. Aber neben dieser Art der Charakterbildung wird der Fächer auch benutzt, um Architektur zu kreieren. Nicht als dekoratives Objekt, sondern um Räume zu schaffen und die Choreografie zu strukturieren. Gerade, als wir heute eine Szene mit William Moore geprobt haben, hatte ich das Gefühl, dass der Fächer dem Ganzen einen strukturellen Sinn verleiht.

Choreografierst Du zu Barockmusik anders als zu Michael Gordon? Das denke ich nicht. Natürlich gibt es bei Michael Gordon Passagen, die getriebener und schneller sind als bei Vivaldi und in deren Zentrum eher Rhythmus als Melodie steht. Aber das bedeutet nicht, dass ich bei Vivaldi irgendwie barock und bei Michael Gordon in einem zeigenössisch-modernen Stil choreografieren würden. Es fühlt sich gerade sehr organisch und ganzheitlich an.

Musikalisch treffen in Deiner neuen Choreografie Violinkonzerte von Antonio Vivaldi auf Werke des 1956 geborenen amerikanischen Kompo­ nisten Michael Gordon. Worin liegt der Reiz dieser Begegnung? Ich wollte in diesem Stück keine bekann­ ten Barockhits verwenden. Wenn die Leute die Sachen mitsingen können, haben sie schon eine feste Beziehung zu dieser Musik. Deshalb habe ich versucht, Stücke zu finden, die dem Publikum nicht ganz so vertraut sind, aber trotzdem über ein ausgeprägtes Barockidiom verfügen. Genau das habe ich in den Violinkonzerten aus Vivaldis Zyklus La Cetra gefunden. Als ich mich mit den Konzerten beschäftigt habe, sind mir gewisse Parallelen zu minima­lis­tischen Komponisten aufgefallen. Da ist zum Beispiel dieser fixierte, sich ständig wiederholende Ostinato-Rhythmus, der das Ganze durchzieht. So kam der Amerikaner Michael Gordon ins Spiel, der sich in unseren ersten Gesprächen als echter Barockfreak zu erkennen gab und sofort Feuer und Flamme für dieses Projekt war. Ein Stück von ihm, das ich sehr mag, ist Weather 2. Es hat einen sehr barocken Gestus und verfügt gleich­ zeitig über einen etwas anderen Drive, eine andere Dynamik. Ich konnte mir sofort vorstellen, dass das von einem Barockorchester gespielt wird und auf erfrischende Weise mit den barocken Konzertsätzen in Kontrast treten könnte. Wir haben dann ge­mein­sam ein paar weitere Stück ausgewählt, die Michael Gordon mit Blick auf die Musiker von La Scintilla bearbeitet hat. Recomposition ist wohl die treffende Bezeichung.

Wie erlebst Du die Wiederbegegnung mit den Tänzerinnen und Tänzern des Balletts Zürich? Am Anfang hatte ich das Gefühl, als sei ich ewig nicht hier gewesen. Aber wenn man dann anfängt zu arbeiten, ist die alte Vertrautheit schnell wieder da. Das ist wichtig gerade für dieses neue Stück, das länger sein wird als mei­ne bis­herigen Arbeiten. Beim Choreo­gra­fie­­ ren hilft es mir sehr, dass ich die Tänzer kenne und eine wirkliche Be­­zie­hung zu ihnen habe. Choreografisches Material kann man unter diesen Bedingungen sehr schnell und effizient ent­wickeln. Verändert sich Dein choreografischer Stil mit wachsendem Abstand von Deiner eigenen Tänzerkarriere? Auf jeden Fall! Ich bin nicht sicher, ob es daran liegt, dass ich nicht mehr tanze, oder einfach daran, dass ich älter werde und sich mein Geschmack ändert. Doch ich bin froh darüber. Stücke, die vor sechs Jahren entstanden sind, haben nicht mehr so viel zu tun mit dem, was ich heute mache. Und wahrscheinlich werde ich in zehn Jahren auch wieder ganz anders choreografieren. Dieser Gedanke hat etwas sehr Optimistisches. Das Gespräch führte Michael Küster

Anna Khamzina und William Moore in Proben zu «Lady with a Fan»




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Ich bin, was ich getanzt habe Filipe Portugal ist ein Tänzer für die anspruchsvollen Charakterrollen im Ballett Zürich. Aber seit vielen Jahren choreografiert er auch. Im neuen zweiteiligen Ballettabend «Corpus» kommt sein neuestes Stück «disTANZ» zur Uraufführung. Text Sulamith Ehrensberger  Foto Michael Sieber

Filipe Portugal probt eine Szene mit vier Paaren. Mit ruhiger Stimme gibt er die Bilder, die vor seinem inneren Auge stehen, an die Tänzerinnen und Tänzer weiter. Nur seine gespreizten Finger verraten, dass er unter Strom steht. Die Tänzerinnen werden kopfüber, beide Beine in die Höhe gestreckt, von ihren Partnern gehalten. Einige Sekunden später öffnen sie die Beine scherenartig und landen auf einem Bein. Nicht allen gelingt die Hebefigur auf Anhieb. Die Probenden lachen und wagen einen erneuten Anlauf. «Kannst du das nochmals machen, ich mag das», sagt Portugal zu einem der Tänzer. Er geniesst es sichtlich, Dinge auszuprobieren, Bewegungen zu modellieren und athletische Figuren zu formen. Der Titel des zweiteiligen Ballettabends Corpus hat ihn dazu inspiriert, sein aktuelles Stück disTANZ nicht nur dem Körper, sondern auch der Seele zu widmen. Ein Stück, welches um die Frage kreist, wie stark unser Körper mit der Seele verbunden ist und welche Wechselwirkungen es zwischen den beiden Polen gibt. Portugal untersucht auf verschiedene Art und Weise, in welche Zustände uns die Verbindung von Körper und Seele bringt. Ein Zusammenspiel, das sich in vielen Facetten des Menschseins widerspiegelt. «Körper und Seele sind nicht zwingend miteinander ver­ bunden. Manchmal arbeitet der Körper sehr autonom und führt bestimmte Bewegungen wie von selbst aus. Und auch die Seele macht sich gelegentlich unabhängig und geht ihre eigenen Wege», sagt Portugal. Tänzerinnen und Tänzer drücken mit ihren Körpern Gefühle aus. Sie versetzen sich bewusst in Gefühlslagen, in die sie auf der Bühne eintauchen. «Um Freude beim Tanzen zu haben, sollte man sich seiner Bewegungen sicher sein. Erst dann hast du auf der Bühne die Freiheit, mit deinem Innersten, deiner individuellen Persönlichkeit eine Interpretation zu prägen.» Jede Tänzerin und jeder Tänzer gehe mit dieser Herausforderung auf seine persönliche Art und Weise um: «Gerade erfahrenen Tänzern fällt es leichter, sich von der rein technischen Ausführung einer Bewegung zu lösen. Weniger geübte Tänzer müssen dieses Vertrauen in den eigenen Körper erst lernen, um ihre Seele fliegen zu lassen. Erst dieses Loslassen verleiht dem Tanz seinen Reiz.» Er geht auf ein Tänzer-


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paar zu, legt die Hand der Tänzerin ein paar Millimeter weiter oben auf die Schulter ihres Partners. Portugal ist sehr detailaffin. Seine Figuren sind technisch und körperlich anspruchsvoll. Die meisten seiner Bewegungen kommen aus der Körpermitte. Die vier Tänzerinnen liegen auf den Knien ihrer Partner. Sekundenbruchteile später haben sie die Tänzer auf ihren Knien um 360 Grad gedreht. «Das ist es! Das ist es», ruft Portugal begeistert. Seine Bewegungssprache fordert dem Ensemble vieles ab: Hebefiguren, Drehungen und ineinander verschlungene Bewegungen. «Was alle meine bisherigen Stücke gemeinsam haben ist, dass sie aus einem tiefen Inneren entstehen. Alle meine Arbeiten sind so, wie ich fühle. Dieses Gefühl übertrage ich auf die Bewegungen. Nicht scharf, kalt oder trocken, sondern gefühlvoll, weil es vom Herzen kommt.» Seine Bewegungssprache trägt viele klassische Momente in sich. Darin spiegelt sich sein tänzerischer Hintergrund. Portugal studierte in Lissabon und tanzte fürs Portugiesische Nationalballett. 2002 engagierte ihn das Ballett Zürich. Er tanzte Solopartien in vielen Choreografien von Heinz Spoerli. Diese Spuren der Vergangenheit prägen seine Schritte bis heute. Portugal sieht sich selbst noch als Suchender: Seine eigene choreografische Handschrift habe er noch nicht gefunden. «Ich probiere auf viele verschiedene Arten aus, mich selbst auszudrücken. Ich kann nicht sagen, das ist jetzt meine Bewegungssprache.» Portugal ist immer noch aktiver Tänzer und hat mit vielen grossen Choreografen zusammengearbeitet. Er war in den Hauptrollen zahlreicher Ballette von Christian Spuck zu sehen, so als Pater Lorenzo in Romeo und Julia, König Peter in Leonce und Lena, als Doktor in Woyzeck, Karenin in Anna Karenina und Spalanzani in Der Sandmann. Er ist der Mann für anspruchsvolle Charakterrollen im Ballett Zürich, äusserst wandlungsfähig und mit viel Gespür für Nunacen. Er trat auch in Choreografien von Jiří Kylián, Hans van Manen, William Forsythe, Mats Ek, Douglas Lee und Martin Schläpfer auf. Diese reichen tänzerischen Erfahrungen prägen ihn in seinem eigenen choreografischen Schaffen: «Ich glaube, dass ich als Choreograf das bin, was ich selbst alles getanzt habe. Jeder meiner Schritte, Wege oder das Gefühl für eine Bewegung kommt aus dem heraus, was ich selbst erlebt habe. Vielleicht ist es nur eine kleine Bewegung, eine Sekunde, ein kurzer Gefühlsmoment, den mein tänzerisches Gedächtnis behalten hat.» In seiner choreografischen Arbeit, so Portugal, fügten sich nun alle diese Erinnerungen und Erfahrungen wie ein Puzzle zusammen. Für das Ballett Zürich schuf er bisher die Choreografien Road B., Alleged Dances, Sonata, Silk Road und Different Trains. Nach Tauwetter für das Junior Ballett in der Saison 2015/16 entstand zur Musik des Schweizer Komponisten Nik Bärtsch in der vergangenen Spielzeit das Stück Dialogos.

Zwischenmenschliche Beziehungen im Alltag sind für mich die grösste Inspirationsquelle Portugal mag es, tänzerische Balanceakte auszuloten. In seinen Proben experimentiert er spielerisch mit körperlichen Grenzen. «Ich liebe es, Dinge auszuprobieren, die neu sind für mich, denn ich will nicht in einem bestimmten Stil steckenbleiben.» Von allem, was um ihn herum passiere, lasse er sich inspirieren und beeinflussen. «Ich will neue Eindrücke in meine Stücke einfliessen lassen. Das weckt unbekannte Seiten in mir. Dazu können auch Begegnungen mit Menschen jenseits der Ballettsäle gehören, eine kleine Geste oder eine unscheinbare Gefühlsregung, die innere Bilder in ihm wecken. Die zwischenmenschlichen Beziehungen im Alltag sind für mich die grösste Inspirationsquelle.»


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Sein Stück dis TANZ spielt in einem leeren Raum. Nur eine netzartige Licht­skulptur mit filigranen Verästelungen überwölbt die Spielfläche, auf der dreizehn Tänzerpaare dem Gleichgewicht zwischen Körper und Seele nachspüren. Keiner kennt die Stärken und Schwächen des Ensembles besser als Filipe Portugal, der ja als Tänzer selbst Mit­ g ­ lied der Compagnie ist. In seiner Rolle als Choreograf befindet er sich immerzu in einem heiklen Balanceakt zwischen Nähe und Distanz. Aber für sein aktuelles Stück ist persönliche Verbundenheit zu seinen Tänzerinnen und Tänzern von grossem Vor­ teil. «Ich kenne ihre Temperamente, ihre Ängste, ihre Stärken und mit welchen Pro­ blemen sie kämpfen. Es ist kein Stück über die Tänzerinnen und Tänzer selbst, wie sie im richtigen Leben sind. Aber ich lasse mich von ihren Persönlichkeiten inspirieren.»

Sein neues Stück choreografiert Filipe Portugal auf Musik von Wilhelm Friedemann und Carl Philipp Emanuel Bach Im Probesaal geht die Erkundungstour immer auch durch Portugals eigenen Tänzer­ körper. Tanzend lässt er die Bewegungen fliessen. In ständigem Kontakt mit den Tänzer­paaren beobachtet er, wie sie auf seine Figuren reagieren. «Dass wir uns so gut kennen, macht meine Arbeit leichter.» Eine zu grosse Nähe könne das Choreografieren auch erschweren, wenn man es sich zu bequem mache oder der künstlerische Respekt fehle. «Wir haben bisher immer einen Weg gefunden und geniessen den kreativen Prozess. Schreien musste ich bisher noch nie.» Wie ein zufälliger Kommentar ertönt die Musik zu Schwanensee aus dem Nebenraum: Portugal stand vor kurzem in der Rolle des Erziehers von Prinz Siegfried auf der Bühne. Für sein aktuelles Stück lässt er sich nun von Kompositionen aus der Zeit der Empfindsamkeit zwischen Barock und Klassik inspirieren. Es ist Musik der Bach-Söhne Wilhelm Friedemann Bach und Carl Philipp Emanuel Bach, gespielt vom Orchestra La Scintilla auf historischen Instrumenten. Portugal setzte sich bei seinen Recherchen nicht nur mit deren Musik auseinander. Er fragte sich auch, ob und wie gut es den Söhnen gelang, aus dem Radius des Übervaters Bach herauszutreten. «Dieses Familiengefüge, der einflussreiche Vater mit seinen Söhnen, die ihm nacheiferten, gab mir einen Weg vor, um meine künstlerische Entscheidung zu treffen.» Die Musik, entstanden am Übergang vom Barock zur Frühklassik, sei für ihn eine spannende Herausforderung, verrät Portugal. «Als ich anfing, zu dieser Musik zu choreografieren, bemerkte ich, wie die Schritte fast automatisch in eine mehr klassische Richtung gingen. Das hat sicher mit meiner tänzerischen Biografie zu tun. Für mich als Choreograf ist das aber nur der Ausgangspunkt. Ich versuche, einen Weg zu finden, der nicht im Klasssischen stecken bleibt. Ein Schritt, auch wenn er klassisch ist, muss für mich einen Sinn haben.» Eine Aufgabe, die Portugal seinem tänzerischen Instinkt überlässt: «Ich kombiniere zunächst einmal Schritte, ohne zu viel darüber nachzudenken. Danach arbeite ich sie im Detail aus und füge sie neu zusammen. Ich modelliere und transformiere die Schritte, die vielleicht am Anfang sehr klassisch ausgerichtet sind, immer mehr in eine Bewegungssprache, die sich nach mir anfühlt.» Portugal will seinen Weg als Choreograf weitergehen. «Ich hoffe, dass ich meine Karriere genauso geniessen kann wie diejenige als Tänzer». Immer wenn er nach län­ gerer Zeit des Tanzens als Choreograf ins Ballettstudio zurückkehre, merke er, wie er dieses kreative Wirken vermisst hatte.

Corpus Choreografien von Douglas Lee und Filipe Portugal Lady with a Fan Uraufführung Choreografie/ Bühnenbild/Kostüme Douglas Lee Musik Antonio Vivaldi Michael Gordon Lichtgestaltung Martin Gebhardt Künstlerische Mitarbeit Ausstattung Eva Adler disTANZ Uraufführung Choreografie Filipe Portugal Musik Carl Philipp Emanuel Bach Wilhelm Friedemann Bach Johann Sebastian Bach Bühnenbild Marko Japelj Kostüme Claudia Binder Lichtgestaltung Martin Gebhardt Dramaturgie Michael Küster Musikalische Leitung Christopher Moulds Ballett Zürich Junior Ballett Orchestra La Scintilla Premiere 27 Mai 2017 Weitere Vorstellungen 28 Mai 5, 10, 11, 16, 25 Juni 2 Juli 2017 Einführungsmatinee 21 Mai 2017 Exklusiver Partner Ballett Zürich

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28 Volker Hagedorn trifft…

Die Bach-Söhne Wilhelm Friedemann und Carl Philipp Emanuel Bach sind Söhne von Johann Sebastian Bach und seit 230 Jahren tot. Unser Kolumnist Volker Hagedorn hat sie trotzdem getroffen. Er kann das, weil er Fantasie besitzt, sich ausgiebig mit ihnen be­ schäftigt hat und im vergangenen Jahr unter dem Titel «Bachs Welt» ein vielbeachtetes Buch über die Familien­ geschichte der Bachs veröffentlicht hat. Werke von Wilhelm Friedemann und Carl Philipp Emanuel Bach erklingen in unserem neuen Ballett­ abend «Corpus».

Nur einer? Er steht vor der Glastür und blickt unruhig auf und ab, die kräftigen Augen­ brauen sind zusammengezogen. «Herr Musikdirektor?» Ich bringe es nicht fertig, den grossen Namen auszusprechen, aber das stört nicht. Er begrüsst mich erfreut, erzählt gleich, wie angenehm es sei, «einmal nicht auf der Achse reisen zu müssen», spricht von einer «schleunigen Visite» und ist kein bisschen erstaunt, sich vor der Kantine der Zürcher Oper zu befinden, so wenig die Leute hier erstaunt sind über einen eher kleinen Mann, dessen weiss gepuderte Perücke seinen dunklen Teint noch betont wie die Rüschenkrawatte im beknöpften Rock. Schliesslich ist es ein Theater und die Kostümwerkstatt nicht fern. Er habe eine gute Reise gehabt, sagt Carl Philipp Emanuel Bach, Musikdirektor der Hamburger Kirchen, eine gewisse Ermüdung möge ich ihm nachsehen, gestern habe er fast den ganzen Tag einen Engländer herumgeführt. «Ach, war Burney bei Ihnen?», frage ich. Er freut sich, dass ich den kenne, den Musikreisenden Charles Burney, und will wissen, was ich von ihm halte. Ein ver­ständiger Mann, meine ich, der ja schon aus Frankreich und Italien gute Musikerporträts geschrieben habe. «Hoffent­lich gerät ihm meines nicht wie dem Maler, der unter seinen gemalten Vogel schrieb: Dies soll ein Vogel sein», sagt er und lacht schallend. «Ich habe ihm bis elf Uhr nachts die sechs Konzerte vorgespielt, die ich neulich auf Sub­ skription herausgegeben habe…» «Welches übrigens hier gespielt werden soll?», fragt er. «Zu der Tanzkunst?» «Eines in d-Moll, aus Ihrer Berliner Zeit.» Er blickt nachdenklich, während wir uns setzen. «Das war noch vor des Seligen… wo nur immer der Friede bleibt?» Will er jetzt über Politik sprechen? «Ah, da ist mein Bruder!», ruft er und richtet sich auf. «Friede!» Ein Mann von Anfang sechzig ist hinter der Glastür erschienen und weiss sie nicht gleich zu öffnen, ich gehe hin. Wilhelm Friedemann ist grösser als sein jüngerer Bruder, aber ein wenig nach vorn geneigt, schwerer Kopf, keine Perücke, sondern weisse Haare, die unter schwarzem Hut hervorwuchern, dazu ein Reisemantel: «Ich hoffe, die Ver­spätung wird zu pardonieren sein.» Die beiden umarmen sich, dann erklärt Friedemann, er komme eben von London. «Nicht aus Braunschweig?», frage ich erstaunt. Da jedenfalls könnte man ihn vermuten, wenn ihn diese Visite, wie Carl Philipp, aus dem September des Jahres 1772 heraus­ katapultiert hat. «Braunschweig?» Er funkelt mich an zwischen schweren Au­gen­lidern. Oh, ein ganz schlechtes Stichwort. Als wenn ich nicht wissen könnte, dass er in der Stadt am Harz voriges Jahr für das Organistenamt an St. Katharinen vorgespielt hat, natürlich alle Konkurrenten überfliegend, «aber er ist, wie man verlässig vernommen, dabey auch ein ziemlich eigensinniger Mann», und solche Leute mögen die Braunschwei­ ger nur als Durchreisende. Er wohnt noch da, aber gestern ist er in London aufgetreten. Also wirklich! In der Wissenschaft wird das nur gemutmasst für diese schlecht dokumentierte Zeit seiner Vita. Endlich das Aufnahmegerät anschalten. Die beiden blicken beiläufig auf das Silberding. Man merkt, dass sie geübte Reisende sind, Profis. Andere Länder, andere Sitten, Hauptsache, es geht um Musik. Meine übliche Frage, was einen zur Musik gebracht habe, kann ich mir bei ihnen ersparen. Die nächste Frage stellt ohnehin Carl Philipp, mit dem Friede­mann, den Stuhl etwas abgerückt vom Tisch, nun über Eck sitzt. Ob er in London beim Christl logiert habe? Friedemann nickt. Das «Jüngelchen» verdiene einträglich und stehe in hohem Ansehen, gerade sei am Königlichen Theater seine Serenata Endimione gespielt worden. Jetzt sei Johann Christian Bach auf dem Weg nach Mannheim, «noch eine comission…!» Seine Miene verdüstert sich, ich frage schnell, was er selbst gespielt habe. Einiges für Klavier allein in der King’s Street, mit Orchester sein neues e-Moll-Konzert.


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Das, sage ich, werde auch hier gespielt, bei der Tanzkunst. «Erhält das hiesige Orches­ ter durchgängigen Beifall?», will er wissen. Sicher! Und wie gern würde ich ihm er­ zäh­len, dass Mozart das todtraurige Adagio aus Friedemanns Dresdner Sinfonia d-Moll fast bis auf den Ton genau, in Tonart, Taktart, Harmonik ins Recordare seines Requiems übernommen hat. Woran erinnern sich die beiden gern? Friedemann blickt auf den Tisch, Carl Philipp an ihm vorbei. Der Ältere sieht ein bisschen zerzaust aus, ohne den Hut. «Pots­dam, Schloss Sanssouci», sagt er dann, «nicht wahr, Bruder?» «Meine Herren», erwidert der mit verstellter Stimme, «der alte Bach ist gekommen!» So habe es damals der König gesagt, «an uns versammelte Kapellisten gewendet, und die Flöte weggelegt.» «Unser Vater», ergänzt Friedemann, «wurde sogleich auf das Schloss beordert. Er hatte nicht einmal Zeit, sein Reisekleid mit seinem schwarzen Rock zu wechseln!» Sie waren beide dabei, im Frühjahr 1747, als Johann Sebastian über Friedrichs Thema eine Fuge improvisierte, Carl Philipp als Cembalist des jungen Königs und Friedemann, 36-jährig, als Begleiter des Thomaskantors, selbst Organist in Halle. «Im Jahr danach», sage ich zu Carl, «haben Sie Ihr d-Moll-Konzert komponiert, gefällt es Ihnen noch, ein Viertelsäculum später?» Er lacht. Er habe zuviel geschrieben, um sich noch jedes Werkes zu entsinnen. Etwas verwundert ist er doch, dass ich kaum etwas von den «Sei concerti» weiss, die er gerade in Leipzig hat drucken lassen, von denen allein Burney sechs Exemplare vorbestellt habe. «Und eines bekommt Johann Sebastian.» «Ihr Sohn?» Er strahlt. «Er malt, aber er versteht sich auf die Musik.» Friedemann ist still geworden währenddessen. Er selbst weiss noch ganz gut, was er selbst 1748 schrieb, denn diese Klaviersonate war seine zweite und letzte Publikation. Freilich stehen dem fünzig Mal so viele Werke gegenüber, die in Abschriften er­ halten sind oder kursieren wie seine avantgardistischen Polonaisen aus Halle, begonnen, nachdem er dort einfach seine Stelle gekündigt hatte, als 53-jähriger mit Frau und Tochter! Im selben Alter, also vier Jahre später, verlässt Carl Philipp den zuletzt frus­ trie­renden Job in Potsdam – aber er wechselt dafür auf den Hamburger Traumposten. Als läse er meine Gedanken, sagt er unvermittelt: «Burney hält meinen Bruder für den grössesten Fugisten in Deutschland. Er ist dem Vater am nächsten. Kennen Sie die Fuge aus seiner Dresdner Sinfonia?» Er schwärmt, wie sich die «kontra­punktischen Künste» da mit der neuen Zeit verbänden, als flöge man dahin. Friedemanns Finger tanzen auf dem Tisch. «Ich werde mehr Polonaisen schreiben», sagt er, «durch alle Ton­arten.» «Wie das Wohltemperierte Klavier?», frage ich. Warum er dazu nichts sagt, verstehe ich später. Er hat das Autograph des Wohltemperierten Klaviers vor kurzem seinem Vermieter verkauft. Das braucht Carl Philip nicht zu wissen, der seinen Teil des Nachlasses penibel hütet. Zum Glück platzt ins Schweigen eine Lachsalve vom Nebentisch, unverkennbar: «Sänger!», sagt der Musikdirektor und grinst, sein Bruder auch. «Haben Sie nicht in Dresden noch die berühmte Faustina Bordoni gehört?» «Oh ja», sagt Friedemann, es sei ihr Gesang aber oft nur «Ohren­kützel» gewesen, ohne dass das Herz in Bewegung gerate. «Wir können auch auf einem Instrumente bei guter Ausführung vieles sagen», meint sein Bruder. Eine letzte Frage: «Kennen Sie Forkel?» Denn ich weiss nicht, wann dieser Enthu­ siast sich zuerst an sie wandte. Sie sehen einander an, lächelnd und lauernd. «Mettwurst!», platzt dann Carl Philipp heraus, und Friedemann brüllt: «Nein, Mettwürste!», und die Sänger blicken neugierig herüber zu den reifen Herren im Kostüm. Johann Nikolaus Forkel, junger Organist der Göttinger Universitätskirche, der das Werk von Johann Sebastian erforscht, hat von den Brüdern Autographe zur Abschrift erbeten und sich mit Naturalien bedankt. «Ich verspreche mir nächstens mehr von Göttinger Würsten», meint Friedemann kichernd. Carl Philipp steht auf. «Lassen Sie die komischen Dinge weg», bittet er mich zum Abschied. Dann sind sie fort. Mitsamt dem Auf­nahmegerät. Volker Hagedorn



Wiederaufnahme 31

Foto: Monika Rittershaus

Lohengrin Das Brabant, in dem der Gralsritter Lohengrin auf wundersame Weise auftaucht, um Elsa zu retten, ist in der Inszenierung von Andreas Homoki die engstirnige Gesellschaft eines alpenländischen Bergdorfs. Homoki er­ zählt Richard Wagners romantische Oper als ein Drama um Rückständig­ keit, renitenten Traditionsglauben und Identitätskrisen im Augenblick des Einbruchs des Fremden und Neuen. Lohengrin lässt er nicht als überirdisch strahlenden Ritter, sondern als schwa­ ches, liebesbedürftiges Wesen er­schei­ nen, das die Nähe der Menschen sucht und erst durch Elsas Liebe stark wird. Am Pult steht in dieser Wiederaufnahme Generalmusikdirektor Fabio Luisi. In der alle Kräfte fordernden Titelpartie ist Brandon Jovanovich zu erleben, der nach internationalen Erfolgen als Stolzing, Siegmund und Lohengrin nun erstmals auch in Zürich in einer Wagner-­Partie zu hören ist. Wiederaufnahme 4 Juli 2017 Weitere Vorstellungen 8, 12, 16 Juli 2017


32 Geniale Stelle

Ordnung muss sein! Ein Fugato in Giuseppe Verdis «Un ballo in maschera»

Der König ist ein Langschläfer. Das zeigt gleich die erste Szene der Oper: Während er sich noch in die Kissen kuschelt, lässt er seine Höflinge warten, die pflichteifrig im Vorzimmer erschienen sind, um seine Anweisungen entgegenzunehmen. Und die Szene zeigt auch gleich, welche Folgen es hat, wenn der Machthaber die schönen Seiten des Lebens wichtiger nimmt als seine politischen Aufgaben. Wenn man so warten muss, geht einem alles Mögliche durch den Kopf, und da kann auch die Idee entstehen, ein Komplott gegen den Monarchen zu schmieden. Und wirklich mischen sich düstere Misstöne in den sanften Gesang der Getreuen: die Stimmen der Unzufriedenen, der Verschwörer. Der erste Mann im Staate darf die Genüsse des Lebens nicht allzu hoch schätzen, das schadet am Ende nicht nur ihm, sondern dem ganzen Land. Wie Verdi über diesen Herrscher und seine Widersacher denkt und warum er deren Geschichte überhaupt erzählt, hat er schon vorher, nämlich im instrumentalen Vorspiel, das der Oper wie ein Motto vorangestellt ist, deutlich genug mitgeteilt. Das Vorspiel beginnt mit dem sanften Gesang der treuen Anhänger des Königs, aber schon bald verdüstert sich die Atmosphäre, wird aus dem warm leuchtenden H-Dur ein zwielichtiges h-Moll, und das Thema der Verschwörer erklingt. Es ist eine seltsame gezackte Melodie in stupidem Rhythmus, eine rechte Finsterlingsmusik, die endgültig ins Groteske kippt, wenn sie sich überraschend als Thema einer vierstimmi­ gen Fuge entpuppt. Unwillkürlich horcht man auf: Eine Fuge von Verdi? Wo gibt’s denn sowas? Die Frage ist sehr berechtigt, denn Verdi hat nur äusserst selten eine solche strenge polyphone Form verwendet. Und es ist offensichtlich, dass er sie ganz anders bewerte­te, als es in der deutschen oder französischen Musiktradition selbstverständlich er­scheint. Verdi galt die streng kontrapunktische Arbeit – ebenso wie nahezu allen italienischen Komponisten des 19. Jahrhunderts – als übertrieben rational, trocken, spitzfindig, lust- und vor allem lebensfeindlich. So ist es nur folgerichtig, dass er die fugierte Schreibweise für die negativen Figuren einsetzt. Zum Beispiel für die Priester in Aida, die mit brutalem Fanatismus auf der Einhaltung der hergebrachte Ordnung bestehen. Die Fuge der Verschwörer ist zwar nur kurz – sie bricht schon nach dem vierten Themeneinsatz ab –, wird aber sehr streng durchgeführt, nähert sich fast einem Kanon an. Man hört: Diese Verschwörer nehmen die Sache genau. Da schert keiner aus, keiner versucht seinen eigenen Weg zu gehen, jeder trappelt brav seinem Vordermann hinterher. Man kann sie fantasielos schelten, aber man muss ihnen lassen: Sie sind diszipliniert. Und genau darin liegt ihre Gefährlichkeit. Die in Verdis Augen gefühllose Fugenform passt ideal zu diesen Männern, die nie auf den Gedanken kommen würden, die Regeln zu verletzen. Sie verfolgen ihr Ziel mit gnadenloser Konsequenz, und dieses Ziel heisst: Ordnung und Sicherheit im Staat. Ein König, dem das Zusammensein mit der geliebten Frau wichtiger ist als alles auf der Welt, ist eine Gefahr für den Staat und muss beseitigt werden. Diese Königsmörder sind keine anarchistischen Umstürzler, die das Land von einer grausamen Bedrückung befreien wollen. Sie sind Fanatiker der Ordnung, Feinde des Lebendigen, Apologeten eines inhumanen Machtsystems. Verdi steht auf der Seite der Opfer. Für die Täter hat er nichts als unstillbaren Hass und bitteren Sarkasmus – sie sind leblose Marionetten des Kontrapunkts. Werner Hintze



34 Meine Rolle

Die Alleswisserin

Die Altistin MarieNicole Lemieux stammt aus Québec. Zu den Höhepunkten in letzter Zeit zählen Bertarido («Rodelinda») und Carmen am Théâtre des ChampsÉlysées in Paris, Mrs. Quickly an der Wiener Staatsoper und Cassandre in einer konzertanten Aufführung von «Les Troyens» in Strasbourg.

Die Partie der Ulrica habe ich zum ersten Mal 2015 am Brüsseler Opernhaus La Monnaie gesungen. Die Inszenierung der katalanischen Theatergruppe La Fura dels Baus und die Leitung von Carlo Rizzi machten dieses Debüt zu einem Erlebnis. Wenn ich die Partie nun in Zürich singe, werde ich insofern ähnliche Bedingungen haben, da die Zürcher Oper, die ich schon von einem Liederabend her kenne, ähnliche räumliche Dimensionen hat. Ich mag es, wenn die Säle nicht zu gross sind, so muss man die Stimme nie überstrapazieren und hat einen direkten Kontakt zum Publikum. Ulrica ist zudem eine dankbare Partie, weil sie auf eine grosse Szene im ersten Akt der Oper konzentriert ist. Das bedeutet, dass man die stimmliche Intensität, die die Partie erfordert, voll ausspielen kann, ohne ständig Angst haben zu müssen, dass man am Ende der Oper keine Kraft mehr hat! Schwieriger ist das im Fall der Azucena in Il trovatore, einer Verdi-Partie, die ich in letzter Zeit auch mehrfach gesungen habe. Auch das ist eine sehr intensive Rolle, bei der man sich aber die Kräfte sehr gut einteilen muss, um auch im vierten Akt noch die nötige Energie zu haben. Beides sind Partien, für die man eine solide tiefe Lage benötigt. Und deshalb freue ich mich gerade jetzt besonders, die Ulrica wieder zu singen! Ich habe in letzter Zeit viele Mezzosopran-Partien gesungen, die für meine Stimme eher hoch liegen und andere Anforderungen stellen, wie zum Beispiel Bizets Carmen. Mit Ulrica kehre ich nun wieder dahin zurück, wo meine Stimme «daheim» ist. Erweiterungen des Repertoires reizen mich und lassen mich als Sängerin wachsen; aber man darf es nie zu weit treiben. Bei Verdis genialer Musik fällt mir das ehrlich gesagt nicht leicht... Ich liebe seine Musik, aber ich fühle auch, dass es für meine Stimme im Moment nicht richtig wäre, Amneris oder Eboli zu singen. Mrs. Quickly, Ulrica, Azucena oder auch der Solo-Part in Verdis Requiem sind für meine Tessitura hingegen perfekt geeignet. Ulrica mag ich aber nicht nur aus musikalischen Gründen, sondern auch weil sie ein faszinierender Charakter mit grossem theatralischen Potential ist. In Verdis Oper kommt ihr die Rolle einer schwarzen Magierin und Wahrsagerin zu. Gleich zu Beginn der Oper wird der Wunsch an den König Gustav III. von Schweden herangetragen, diese Frau zu verbannen. Der König will sich aber selber ein Bild von dieser geheimnisumwitterten Frau machen und wohnt einer ihrer Beschwörungszeremonien bei. Als er sie nach seinem Schicksal befragt, liest Ulrica aus der Hand des Königs und prophezeit ihm, dass er bald sterben wird – und so kommt es tatsächlich! Die Szene mit Ulrica ist für die Oper deshalb so bedeutend, weil hier schon die Weichen für die ganze Intrige gestellt werden. Natürlich kann man sich fragen, ob Ulrica tatsächlich magische Kräfte hat, oder ob sie einfach eine gewiefte Schauspielerin ist. Verdis Ballo in maschera geht ja auf eine wahre Begebenheit aus dem 18. Jahrhundert zurück. Und über die historische Ulrica Arfvidsson ist bekannt, dass sie in einem Umfeld aufgewachsen ist, in dem sie sehr viele Gerüchte und Klatsch mitgekriegt hat. Zudem muss sie unglaublich intelligent gewesen sein. Das finde ich persönlich sehr spannende Hinweise, denn auch in der Oper zeigt sich, dass Ulrica beim Volk sehr beliebt ist – und dass ihr eben alle alles erzählen! Wenn man das bedenkt, ist es eigentlich gar nicht mehr so erstaunlich, dass sie alles weiss... Marie-Nicole Lemieux

Illustration: FLAG Aubry Broquard

Marie-Nicole Lemieux singt Ulrica in Giuseppe Verdis «Un ballo in maschera»



36 Kalendarium

Mai 2O17 18  Orlando paladino Do

19.00

Oper von Joseph Haydn Donnerstag-Abo B, Preise D

19 Fr Quintett

19.00

Choreografien von Jacopo Godani, Hans van Manen und William Forsythe Wahl-Abo, Preise B

27 Sa Corpus Premiere

19.00

28 So Einführungsmatinee «Das Land des Lächelns» 11.15

14.00

Halbszenisches Kinderkonzert ab 4 Jahren Studiobühne, CHF 25

Liederabend Karita Mattila

19.00

Ville Matvejeff, Klavier Lieder-Abo, Preise A

21 So Rumpelstilzchen 11.00

Halbszenisches Kinderkonzert ab 4 Jahren Studiobühne, CHF 25

Bernhard Theater, CHF 10

Der feurige Engel

2O Sa Rumpelstilzchen 15.00

Choreografien von Douglas Lee und Filipe Portugal Premieren-Abo A, Preise D

Oper von Sergej Prokofjew Abo Modern, Preise E

Geschichten erzählen «Die chinesische Nachtigall»

15.30

Für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Studiobühne, CHF 15/20

Corpus

20.00

Choreografien von Douglas Lee und Filipe Portugal Premieren-Abo B, Preise C

31 Mi Der feurige Engel

19.00

Oper von Sergej Prokofjew Mittwoch-Abo B, Preise E

Einführungsmatinee «Corpus» 11.15

Orlando paladino

14.00

Bernhard Theater, CHF 10

Oper von Joseph Haydn Sonntag-Abo A, Preise D

Rumpelstilzchen

14.00

Halbszenisches Kinderkonzert ab 4 Jahren Studiobühne, CHF 25

Der Schauspieldirektor 19.00

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Mozart-Abo, CHF 50/35

24 Mi Führung Werkstätten 15.30

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Macbeth

19.30

Oper von Giuseppe Verdi Mittwoch-Abo A, Preise E

25 Do Orlando paladino 14.00

Oper von Joseph Haydn Preise H  AMAG-Volksvorstellung

Der feurige Engel

20.00

Oper von Sergej Prokofjew Donnerstag-Abo A, Preise E

26 Fr Macbeth 19.30

Oper von Giuseppe Verdi italienische Oper-Abo, Verismo-Abo, Preise E

Juni 2O17 Fr Führung Kostümabteilung 2

15.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Führung Bühnentechnik

Der feurige Engel

16.00

19.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Oper von Sergej Prokofjew Freitag-Abo B, Preise E

Sa 3  Unterwegs mit Ohrwurm Squillo

15.00

Für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Führung Opernhaus

Orlando paladino

15.30

19.30

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Oper von Joseph Haydn Samstag-Abo, Preise D

Mo Corpus 5

14.00

Choreografien von Douglas Lee und Filipe Portugal Sonntag-Abo B, Preise C

Der feurige Engel

20.00

Oper von Sergej Prokofjew AMAG-Volksvorstellung, Preise H

Mi Un ballo in maschera Wiederaufnahme 27 Sa Geschichten erzählen «Die chinesische Nachtigall» 7  19.00 Oper von Giuseppe Verdi

15.30

Für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Studiobühne, CHF 15/20

Misch-Abo A, Verdi-Abo, Preise E


Kalendarium 37 Fr Quintett 9

20.00

Choreografien von Jacopo Godani, Hans van Manen und William Forsythe Preise H  AMAG-Volksvorstellung

1O Sa Führung Opernhaus 14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Unterwegs mit Ohrwurm Squillo

14.30

Für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Corpus

19.00

Choreografien von Douglas Lee und Filipe Portugal Ballett-Abo klein, Preise C

Dark Side

19.00

Konzertante Musiktheaterwerke von Georges Aperghis und Helmut Lachenmann Studiobühne, CHF 50, Kinder CHF 20

So 11  Un ballo in maschera

14.00

Oper von Giuseppe Verdi Sonntag-Abo A, Preise E

Corpus

20.00

Choreografien von Douglas Lee und Filipe Portugal Sonntag-Abo C, Barock-Abo, Preise C

14 Mi Un ballo in maschera

19.00

Oper von Giuseppe Verdi italienische Oper-Abo, Preise E

15 Do Liederabend Anja Harteros

19.00

Wolfram Rieger, Klavier Lieder-Abo, Misch-Abo C, Preise A

16 Fr Corpus

19.30

Choreografien von Douglas Lee und Filipe Portugal Freitag-Abo A, Preise C

17 Sa Ballett-Führung mit Mini-Workshops

14.30

Für 6- bis 9-Jährige und Ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Führung Maskenbildnerei

15.30

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Oper für alle

17.00

Live-Übertragung von Giuseppe Verdis «Un Ballo in maschera» Sechseläutenplatz, Eintritt frei

Un ballo in maschera

19.30

Oper von Giuseppe Verdi Preise H  AMAG-Volksvorstellung

18 So Brunchkonzert

Mode·Leder·Pelze Kaiserstrasse 42 D-79761 W a l d s h u t Tel. 0049 7751 3486 kueblerpelz.com

11.15

«Odyssee» Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch im Restaurant Belcanto Spiegelsaal, CHF 60

Ballettgespräch

11.15

Zu Themen aus der Welt des Tanzes Studiobühne, CHF 10

Das Land des Lächelns Premiere

19.00

Operette von Franz Lehár Premièren-Abo A, Preise G

19 Mo Lunchkonzert

12.00

«Odyssee» Kammermusik am Mittag Spiegelsaal, CHF 20

2O Di Un ballo in maschera

19.00

Frühling 2017 ABS-Veloursleder koralle

Oper von Giuseppe Verdi Dienstag-Abo D, Freunde-Abo, Preise E

Das Opernhaus Zürich für Kurzentschlossene: Am Opernhaustag erhalten Sie 50% Ermässigung für die gleichentags stattfindende und gekennzeichnete Vorstellung. www.opernhaus.ch/opernhaustag

Die Werkeinführung findet jeweils 45 Min. vor der Hauptbühnen-Vorstellung bzw. den Philharmonischen Konzerten statt.


38 Serviceteil

Billettkasse

Billettpreise und Platzkategorien

Öffnungszeiten: Mo–Sa 11.00 Uhr bis Vorstellungsbeginn, an Tagen ohne Vorstellung bis 18.00 Uhr. Sonntags jeweils ab 1.5 Stunden vor Vorstellungsbeginn resp. 1 Stunde bei kleinen Produktionen. T +41 44 268 66 66, Mo-Sa, 11.00 – 18.00 Uhr / tickets@opernhaus.ch Opernhaus Zürich AG, Falkenstrasse 1, CH-8008 Zürich

1

2

3

Preisstufe A

92

76

65

43

16

AMAG-Volksvorstellungen

Preisstufe B

141

126

113

56

20

Die AMAG-Volksvorstellung ermöglicht es Theaterliebhabern, das Opernhaus Zürich zu einem deutlich reduzierten Preis zu be­suchen. Die regelmässig stattfindenden AMAG-Volksvor­stel­lungen werden in der kalendarischen Übersicht dieses Magazins, online in unserem Monatsspielplan sowie per News­letter an­gekündigt. Die AMAG-­ Volksvorstellungen gelangen jeweils einen Monat vorher in den Verkauf. Fällt der Tag des Verkaufsbeginns auf einen Sonn- oder Feier­tag, beginnt der Vorverkauf am Öffnungstag davor. Schriftliche Kartenbestellungen sind nicht möglich. Der Maximalbezug für diese Vorstellungen liegt bei 4 Karten pro Person.

Preisstufe C

169

152

130

56

20

Preisstufe D

198

173

152

92

32

Preisstufe E

230

192

168

95

35

Preisstufe F

270

216

184

98

38

Preisstufe G

320

250

220

98

38

Preisstufe H

75

59

44

25

15

Kinderoper K

60

50

40

30

20

Preisstufe P1

95

80

65

50

35

Preisstufe P2

Opernhaus-Tag  Das Opernhaus Zürich für Kurzentschlossene: Am Opernhaustag erhalten Sie 50 % Ermässigung für die gekennzeichnete Vorstellung. Fällt der Opernhaustag auf einen Sonntag, können die ermässigten Tickets bereits ab Samstag erworben werden. Die Termine finden Sie im Kalendarium dieses Magazins und werden Ihnen auf Wunsch regelmässig per E-Mail mitgeteilt. Newsletter abonnieren unter: www.opernhaus.ch/newsletter

4 5

125

105

85

65

40

Legi (Preisstufen A – C + K + P)

35

25

20

18

13

Legi (Preisstufen D – F)

45

33

25

20

15

Alle Preise in CHF

Club Jung Stark vergünstigte Tickets, Probenbesuche, interessante Einblicke hinter die Kulissen und mit Gleichgesinnten die neuesten Opern- und Ballettproduktionen besuchen: All das und mehr bietet der Club Jung für junge Leute zwischen 16 und 26 Jahren. Die Mitgliedschaft ist kostenlos und unverbindlich (einmalige Aufnahmegebühr von CHF 20). Club Jung-Mitglieder erhalten Last-Minute-Karten ab 30 Minuten vor der Vorstellung für CHF 15. Auch stehen ihnen bereits im Vor­ verkauf Karten zum Preis von CHF 15 für ausgewählte Vorstellungen zur Verfügung. Spezielle Veranstaltungen wie Probenbesuche oder Workshops geben einen exklusiven Einblick hinter die Kulissen und sind für Clubmitglieder kostenlos. Der Club Jung-Newsletter informiert regelmässig über die aktuellen Angebote und Aktionen. Details zur Mitgliedschaft im Club Jung und zum aktuellen Programm finden Sie auf www.opernhaus.ch/clubjung.

Das schillernde Universum der Pariser Oper « EIN MEISTERWERK » TOUTE LA CULTURE.COM

Ermässigungen  Das Opernhaus Zürich bietet unterschiedliche Ermässigungen für Kinder, Schüler, Studenten, Lernende und KulturLegi-Inhaber, AHV- und IV-Bezüger. Informationen hierzu finden Sie unter www.opernhaus.ch/besuch oder in unserem Sai­son­­buch.

MAG Abonnieren  MAG, das Opernhaus-Magazin, erscheint zehnmal pro Saison und liegt zur kostenlosen Mitnahme im Opernhaus aus. Sie können das Opernhaus-Magazin abonnieren: zum Preis von CHF 38 bei einer inländischen Adresse und CHF 55 bei einer ausländischen Adresse senden wir Ihnen jede Ausgabe druckfrisch zu. Bestellungen unter: T +41 44 268 66 66 oder tickets@opernhaus.ch.

L’OPÉRA DE PARIS EIN FILM VON

JEAN-STÉPHANE BRON

AB 8. JUNI IM KINO


Serviceteil 39

Impressum

Sponsoren

Magazin des Opernhauses Zürich Falkenstrasse 1, 8008 Zürich www.opernhaus.ch T + 41 44 268 64 00

Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie den Beiträgen der Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Zug und Aargau im Rahmen der interkanto­n alen Kulturlastenvereinbarung und den Kantonen Nidwalden und Obwalden.

Intendant Andreas Homoki

Partner

ab

Generalmusikdirektor Fabio Luisi Ballettdirektor Christian Spuck Verantwortlich Claus Spahn Sabine Turner Redaktion Beate Breidenbach Kathrin Brunner Fabio Dietsche Michael Küster Claus Spahn Gestaltung Carole Bolli Florian Streit Fotografie Danielle Liniger Florian Kalotay Bildredaktion Christian Güntlisberger Anzeigen Nathalie Maier Schriftkonzept und Logo Studio Geissbühler Druck Multicolor Print AG Illustrationen Anita Allemann FLAG Aubry Broquard

Produktionssponsoren

Neue Zürcher Zeitung AG

Evelyn und Herbert Axelrod

Notenstein La Roche Privatbank AG

Freunde der Oper Zürich

Pro Helvetia, Schweizer Kulturstiftung

Walter Haefner Stiftung

StockArt – Stiftung für Musik

Swiss Re

Swiss Casinos Zürich AG

Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG

Van Cleef & Arpels, Zürich Else von Sick Stiftung

Projektsponsoren AMAG Automobil- und Motoren AG

Förderer

Baugarten Stiftung

Frankfurter Bankgesellschaft (Schweiz) AG

Familie Christa und Rudi Bindella

Garmin Switzerland

Clariant Foundation

Horego AG

Freunde des Balletts Zürich

Sir Peter Jonas

Ernst Göhner Stiftung

Luzius R. Sprüngli

Max Kohler Stiftung

Elisabeth Stüdli Stiftung

Ringier AG

Confiserie Teuscher

Georg und Bertha Schwyzer-Winiker-Stiftung

Madlen und Thomas von Stockar

Swiss Life

Zürcher Theaterverein

Zürcher Kantonalbank Gönner Abegg Holding AG Josef und Pirkko Ackermann Alfons‘ Blumenmarkt Allreal Ars Rhenia Stiftung Familie Thomas Bär Berenberg Schweiz Beyer Chronometrie AG Elektro Compagnoni AG Stiftung Melinda Esterházy de Galantha Fitnessparks Migros Zürich Fritz Gerber Stiftung Gübelin Jewellery Egon-und-Ingrid-Hug-Stiftung Walter B. Kielholz Stiftung KPMG AG Kühne-Stiftung LANDIS & GYR STIFTUNG Juwelier Lesunja Lindt und Sprüngli (Schweiz) AG Stiftung Lyra zur Förderung hochbegabter, junger Musiker und Musikerinnen Die Mobiliar Fondation Les Mûrons


40 Fragebogen

Anna Khamzina Aus welcher Welt kommen Sie gerade? Gerade habe ich die Odette/Odile in Alexei Ratmanskys Schwanensee-Rekonstruktion getanzt. Über den ge­sam­ ten Zeitraum bis zur letzten Vorstellung verwandelt man sich gerade­zu in eine anderere Person. Die Schwanensee-Welt, in die man eintaucht, ist eine ganz andere, eigenständige Welt, weil das klassische Ballett so viel Selbstorganisation und Konzentration von einem erfordert.

musik, Rockballaden, aber auch einige Kinderlieder aus Zeichentrickfilmen, die ich eigens für meine kleine Tochter gelernt habe.

Worauf freuen Sie sich im neuen Ballett­abend Corpus am meisten? Ich freue mich sehr, dass ich jetzt in Lady with a Fan, der Uraufführung von Douglas Lee, tanzen kann. Ich arbeite zum ersten Mal mit ihm zusammen und geniesse gerade sehr die kreative Stimmung bei der Entstehung dieses neuen Stückes.

Mit welchem Künstler würden Sie gerne einmal essen gehen? Darüber habe ich, ehrlich gesagt, noch nie nachgedacht. Mein Mann, Dmitry Khamzin, ist ein grosser Künstler für mich, und ich freue mich über jedes gemeinsame Abendessen mit ihm.

Welches Bildungserlebnis hat Sie besonders geprägt? Als ich zehn Jahre alt war, schickten mich meine Eltern zur Aufnahme­ prüfung an die Staatliche Moskauer Ballettakademie, eine der namhaftesten Ballettschulen in Russland. Damals wurde ich von der Jury mit der Be­ gründung abgelehnt, ich hätte weder Kunstsinn noch Ausdruckskraft. Das hat mich angespornt, und heute sind das vielleicht meine grössten Stärken. Ich liebe es, mich auf der Bühne in andere Charaktere zu verwandeln und ihnen Leben einzuhauchen. Welches Buch würden Sie niemals weggeben? Das Buch, das ich niemals weggeben würde, ist die Bibel. Sie enthält für mich die Antworten auf alle wichtigen Fragen des Lebens. Welche CD hören Sie immer wieder? Ich höre ständig irgendwelche Songs, die ich auf der Gitarre einstudiere und anschliessend selbst nachsinge: Pop­

Welchen überflüssigen Gegenstand in Ihrer Wohnung lieben Sie am meisten? Zuhause habe ich keine überflüssigen Gegenstände, alles hat dort irgendeinen Zweck. Ich versuche generell, keine nutzlosen Anschaffungen zu machen.

Nennen Sie drei Gründe, warum das Leben schön ist! Das ist eine schwierige Frage, weil es so viele Dinge gibt, die ein Leben schön machen können. Für mich sind das der Glaube an Gott und meine Familie.

Anna Khamzina stammt aus Russland. Sie war Solistin am Stanislawski-Nemiro­ witsch-Dantschenko-­ Theater in Moskau und tanzt seit voriger Saison im Ballett Zürich. Hier war sie u.a. als Odette/Odile in «Schwanensee» und als Olimpia in «Der Sandmann» zu erleben. Ab 27. Mai ist sie in «Lady with a Fan» von Douglas Lee zu sehen.


e int t tri e i fr

erdi z V 7 e 1 p O at ni 2 Giusep utenpl u J 7 n lä Sa 1 hera vo Sechse gano asc uf den L AC Lu m llo in gung a zza des lle.ch a b Un ber tra ie Pia r-für-a pe fd -Ü Live und au w w w.o

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