MAG 57: Maria Stuarda

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MAG 57

Diana Damrau singt Maria Stuarda


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Editorial

Königliche Rivalinnen Verehrtes Publikum, am Sonntag nach Ostern hat Gaetano Donizettis Oper Maria Stuarda Premiere. Es ist die erste Neuproduktion einer Donizetti-Oper, seit Andreas Homoki Intendant am Opernhaus Zürich ist. Donizettis Werke waren in den vergangenen Jahren zwar mit Wiederaufnahmen immer wieder im Spielplan vertreten, aber was Neuproduktio­ nen angeht, hat sich das Opernhaus eine kleine Donizetti-Pause gegönnt. Der Grund dafür ist einfach: Wir haben im Belcanto-Repertoire auf Donizettis grossen Gegenspieler Vincenzo Bellini gesetzt und – immer mit Fabio Luisi am Dirigentenpult – einen kleinen Zyklus mit Werken des Sizilianers über die Bühne geschickt. Schon zu Lebzeiten hat Donizetti die Erfahrung machen müssen, dass Bellini ihm vorgezogen wurde. Die beiden Komponisten-Heroen des Belcanto waren Kontra­ henten, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Bellini stammte aus einer sizilianischen Musikerfamilie und war eine Art Wunderkind, früh gefeiert und, wohin er auch kam, von Erfolg verwöhnt. Donizetti hingegen wuchs in ärmlichen Verhältnissen im norditalienischen Bergamo auf und musste sich seine künstlerische Reputation hart erarbeiten. Bellini leistete sich den für die damalige Zeit unglaublichen Luxus, nur eine einzige Oper pro Jahr zu komponieren. Donizetti hingegen war ein verbissener Vielschreiber, der im Laufe seines Lebens über 70 Opern zu Papier brachte. Donizetti hatte das Pech, dass – wie etwa in den dreissiger Jahren in Paris – Bellini immer schon vor ihm da war und ihn mit seinem Ruhm überstrahlte. Der Sizilianer galt als der geniale Erfinder, während der fleissige Norditaliener mitunter als cleverer Abschreiber und Produzent von Dutzendware geschmäht wurde. Was natürlich nicht stimmt. Donizetti braucht sich nicht hinter Bellini zu verstecken. Enrique Mazzola etwa, der Dirigent unserer neuen Maria Stuarda, lässt den Vergleich zwischen den beiden durchaus auch zugunsten Donizettis ausfallen. Während beim von Sonne und Orangenblüten umgebenen Sizilianer sich alles in purer Schönheit ergehe, falle der Opernstil des Norditalieners viel schroffer aus, Donizetti schrecke vor blutigen Kämpfen und rollenden Köpfen nicht zurück und wolle sein Publikum schockieren. Es ist also Zeit, nach Vincenzo Bellini nun auch wieder Gaetano Donizetti am Opernhaus Zürich zur Diskussion zu stellen. Und wir glauben mit der Besetzung gefunden zu haben, was man für einen spannenden Belcanto-Abend braucht: Diana Damrau gibt ihr Rollendebüt in der hochvirtuosen Partie der Maria Stuarda, Serena Farnocchia ist ihre Gegenspielerin Elisabetta, und Pavol Breslik singt den Grafen von Leicester. Wir haben mit David Alden einen Regisseur verpflichtet, der viel Erfahrung im Belcanto-Repertoire mitbringt und mit Enrique Mazzola einen Dirigenten, der in Zürich schon in vielen Wiederaufnahmen bewiesen hat, wieviel Temperament und Umsicht er für das italienische Repertoire mitbringt. Alles ist bereit für das Diven­ spektakel zweier königlichen Rivalinnen, das Donizettis Maria Stuarda birgt. Unsere aktuelle MAG-Ausgabe liefert Ihnen Hintergrund und viele Informationen zu dieser Produktion. Viel Vergnügen bei der Lektüre. MAG 57/ März 2018 Unser Titelbild zeigt Diana Damrau, die als Maria Stuarda debütiert. Lesen Sie ein Interview auf Seite 18. (Foto Florian Kalotay)

Claus Spahn

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Inhalt

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In Donizettis «Maria Stuarda» wird die schottische Königin von ihrer Kontrahentin Elisabeth I. zum Tode verurteilt. Ein Gespräch mit Elisabeth Bronfen über Frauen und Macht

Die weltweit gefeierte Belcanto-­ Sängerin Diana Damrau gibt am 8. April ihr Rollendebüt als Maria Stuarda. Ein Gespräch

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Der Regisseur David Alden inszeniert mit «Maria Stuarda» zum ersten Mal am Opernhaus Zürich. Im MAG gibt er Auskunft über seine Sicht auf das Stück.

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Ab dem 12. April sind Nino Machaidze, Leo Nucci und Matthew Polenzani in der Wiederaufnahme von Giuseppe Verdis «Luisa Miller» zu erleben.

Opernhaus aktuell – 8 Drei Fragen an Andreas Homoki – 9 Wie machen Sie das, Herr Bogatu? – 11 Volker Hagedorn trifft … – 28 Die geniale Stelle – 32 Meine Rolle – 36 Der Fragebogen – 38 Kalendarium und Serviceteil – 39 Auf dem Nachhauseweg – 44

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Kommt ein Pferd um die Ecke Baut die Theaterplastik mal wieder ein riesiges Bühnentier, müssen die Transporteure des Opernhauses alle Hebel und Spanngurte in Bewegung setzen, um es von der Montagehalle in der Dufourstrasse auf die Bühne zu hieven. In diesem Fall ist es ein Pferd, das in unserer neuen «Maria Stuarda» einen grossformatigen Auftritt hat. Und die Autofahrer staunen über den ungewohnten Verkehrsteilnehmer.


Fotos: Florian Streit


Opernhaus aktuell 6. Philharmonisches Konzert / 3. La Scintilla-Konzert

Raphaël Pichon dirigiert Mozart

Raphaël Pichon gehört zu den talentiertesten Dirigenten seiner Generation – das beweist er mit seinem Ensemble Pygmalion in gefeierten Konzerten und auf einzigartigen CD-Alben immer wieder aufs Neue. Am Pult des Orchestra La Scintilla und zusammen mit der Sopranistin Julie Fuchs begeisterte er in der vergangenen Spielzeit mit einem Rameau gewidmeten Programm auch das Zürcher Publikum. Nun kehrt der junge, temperamentvolle Dirigent für ein weiteres Konzert mit unserem Originalklangensemble nach Zürich zurück. Neben ausgewählten Konzertarien, gesungen von Hamida Kristoffersen, Adriana Gonzalez und Ildo Song, erklingen dabei zwei Meisterwerke aus den letzten Lebensjahren Mozarts: Mit der 1788 komponierten Jupiter-­ Sinfonie vollendete dieser sein Schaffen im sinfonischen Bereich, und gerade die scheinbar simple Tonart C-Dur gab ihm dabei die Gelegenheit, seinen ganzen musikalischen Kosmos noch einmal voll zu entfalten. Ebenso unerreicht und vollendet ist das Klarinettenkonzert A-Dur, das nur zwei Monate vor Mozarts Tod entstanden ist. Interpret dieses Konzerts ist unser Soloklarinettist Robert Pickup. Sonntag, 22 Apr 2018, 19.30 Uhr Hauptbühne

Ballettgespräch

Opernhaus Jung

Edward Clug choreografiert «Faust»

Familien-Workshop «Emergence»

Wenige Wochen vor der mit Spannung erwarteten Uraufführung von Edward Clugs Faust-Ballett laufen die Proben mit dem Ballett Zürich auf Hoch­touren. Im Rahmen des Ballett­ge­ sprächs stellt sich der slowenische Choreograf den Fragen von Dramaturg Michael Küster und arbeitet mit den Haupt­darstellern an zwei Szenen aus seinem Ballett. Sonntag, 8 Apr 2018, 11.15 Uhr Ballettsaal A

Brunch-/Lunchkonzerte

Belcanto ohne Worte/ Dresdner Hofmusik Anlässlich der Premiere von Donizettis Maria Stuarda widmen sich Mitglieder der Philharmonia Zürich am 8. und 9. April dem Belcanto: zwar ganz ohne menschliche Stimme, dafür aber als verführerischer instrumentaler Gesang. Im Kammermusikkonzert Belcanto ohne Worte erklingen Werke von Giovanni Bottesini, Antonio Pasculli, Gaetano Do­ni­zetti und Michail Glinka. Das zweite Brunch-/Lunchkonzert im April stellt dann barocke Werke von Komponisten vor, die am sächsischen Hof zu Dresden im Gefolge Augusts des Starken gewirkt haben: Francesco Bartolomeo Conti, Pietro Antonio Locatelli, Silvius Leopold Weiss, Johann Georg Pisendel, Johann David Hei­­ni­ chen, Johann Sebastian Bach und Johann Adolf Hasse. Die MusikerInnen des Opernhauses Zürich spielen auf historischen Instrumenten, es moderiert Claus Spahn. «Belcanto ohne Worte»: Sonntag, 8 Apr, 11.15 Uhr Montag, 9 Apr, 12 Uhr «Dresdner Hofmusik»: Sonntag, 22 Apr, 11.15 Uhr Montag, 23 Apr, 12 Uhr jeweils im Spiegelsaal

Die Choreografin Crystal Pite hat am Beispiel der Bienen studiert, wie in der Natur Entscheidungen im Kollektiv getroffen werden, und hat diese Er­kennt­nisse auf ihr Stück Emergence an­ge­wendet. Die Tänzer werden zu in­­sektenartigen Geschöpfen in einem unter­irdischen Bienenstock. In Speak for Yourself  erforschen Sol León und Paul Lightfoot tänzerisch die Elemente Feuer und Wasser. Im Fa­­­milien-Work­ shop zu den beiden Balletten Ende April bereiten sich Kinder und ihre Eltern auf den ge­mein­samen Vorstel­lungs­ besuch vor. Sie erleben live einen kurzen Ausschnitt aus den Choreografien und erarbeiten, an­ge­leitet von Mit­ gliedern des Balletts Zürich, jeweils eine kurze Sequenz daraus. Sa, 21 und So, 22 Apr, 14.30 – 17 Uhr Treffpunkt Billettkasse Für 7- bis 12-Jährige und ihre Eltern

Opernhaus Jung

Tube Opera «Werther» Während einer Woche in den Frühlingsferien verfilmen Jugendliche Szenen aus Goethes Briefroman Die Leiden des jungen Werther zu Jules Massenets hoch­emotionaler Werther-Musik. Die Jugendlichen werden dabei von einem Videofilmer und einem Theater­ päda­gogen fachmännisch unterstützt. Workshop vom 23 bis 27 Apr, 10 – 17 Uhr Vorstellungsbesuch «Werther» am 18 Mai, 19 Uhr

Illustration: Anita Allemann,  Foto: Frank Blaser

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Drei Fragen an Andreas Homoki

Italien ist uns nah Die Uraufführung von Heinz Holligers neuer Oper Lunea liegt kaum hinter uns, da folgt eine Produktion, wie sie nicht weiter davon entfernt liegen könnte – Maria Stuarda, eine Belcanto-Oper von Donizetti. Wie wichtig sind solche Kontraste in einem Opern-Spielplan? Sehr wichtig. Wir wollen in Zürich ein extrem breit gefächertes Repertoire anbieten, vom frühen Monteverdi bis zur Oper des 21. Jahrhunderts. Diese stilistische Vielfalt zeichnet unser Opern­haus aus und schafft enorme Qualität in den Klangkörpern. Ich finde es gross­artig, mit welcher Hingabe und Sou­­verä­nität unser Orchester gerade eine schwere zeitgenössische Partitur bewältigt hat und nun mit der gleichen Kompetenz italienischen Belcantogesang begleitet. Aufgrund der geografischen Lage und seiner Tradition hat unser Haus eine grosse Nähe zum italienischen Repertoire. Ich erlebe hier eine Italianità, die vielen anderen Opern­häusern abgeht. Bei uns folgt der Orchesterklang viel weniger einem deutschen, von Wagner und Brahms geprägten Klangideal. Er ist leichter, trockener, spritziger und stellt kontras­ tierende Farben über den abgerundeten Klang. Das hat natürlich mit den Dirigenten zu tun, die diese Italianità über Jahrzehnte hinweg erarbeitet und gepflegt haben. Und mit Fabio Luisi haben wir einen Generalmusikdirektor, dem es wie nur ganz wenigen Dirigenten gelingt, auf der einen Seite das Italie­ nische zum Blühen zu bringen, aber auf der anderen Seite das deutsche Re­ pertoire von Strauss bis Wagner und weit in die Moderne hinein stilistisch zu bedienen. Enrique Mazzola, der Dirigent unserer Maria Stuarda, steht eben­ falls in idealer Weise für diese italienische Tradition. Ich freue mich sehr, dass wir ihn nach mehreren Wiederauf­­ nahmen endlich auch für eine Neuproduktion engagieren konnten. Er dirigiert mit einem unglaublichen Bewusstsein

für die Tradition, aber auch mit einer Modernität und Frische. Solche Diri­ gen­ten sind rar. Dann stimmt es also doch, dass Zürich das nördlichste Opernhaus Italiens sein will? Gott sei Dank ist es das nicht, weil ita­ lie­­­nische Opernhäuser leider allzu häufig Gruben der Schlamperei sind. Da wird hier doch mit einer anderen Seriosi­tät gearbeitet. Aber auf der stilistischen Ebene lasse ich den Vergleich gerne gelten, denn wir haben etwa eine starke Bel­canto-­­Tra­­dition. Vor einigen Wochen haben wir Edita Gruberovas 50-jähriges Bühnenjubiläum gefeiert und gespürt, wie viel alleine diese Sängerin in diesem Re­per­toire gesungen hat. In unserer neuen Maria Stuarda singt nun Diana Damrau die Titelpartie, die zur Zeit in diesem Fach brilliert, deshalb haben wir sie eingeladen. Was sind die Voraussetzungen, um Bel­canto gut auf die Bühne zu bringen? Man kann diese Werke nur mit absoluten Spitzenkräften realisieren. Die Prima­­ donna muss die grossen Arien makellos präsentieren, möglichst mit einer per­sönlichen Note bis hin zu eigenen Kadenzen und speziellen Varianten. Aber die Inszenierung darf nicht beim kostümierten Konzert enden, sondern muss das Werk befragen. Es ist für einen Regisseur viel schwieriger, den Bravour­aspekt in einen sinnvollen szenischen Kontext einzubinden als bei­ spiels­weise in deutschen Opern. Unser Regisseur David Alden hat viel Er­ fahrung mit diesem Genre und geht mit den speziellen Anforderungen lustvoll und gerne um, weil er es liebt und wahnsinnig gut kennt. Ausserdem denkt er sehr visuell. Belcanto-Opern sind nicht unbedingt die kleinen, feinen Kammerspiele. Da braucht man grosse Bilder, in denen die Zeit stehen bleibt und der Gesang Raum greifen kann.

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Wie machen Sie das, Herr Bogatu? 11

Parkett wie im Wohnzimmer Das Bühnenbild unserer Maria Stuarda stellt eine grosse Halle dar, deren Wände und Decke aus Marmor und deren Boden aus Parkett besteht. Dass wir Wände nicht wirklich aus Marmor herstellen, ist für unsere Leserinnen und Leser leicht nachvoll­ ziehbar. Aber dass auch der Parkettboden «gemalt» wird, dürfte für die wenigsten klar sein. Zunächst sollte ich den Unterschied zwischen «gemalt» und «echt» erklären: Ge­malt bedeutet bei uns, dass die Oberfläche komplett bemalt wird und man gar nichts mehr von dem Malgrund sieht. Ein «echter» Boden hingegen besteht z.B. aus einem bestimmten Holz, dessen Oberfläche (z.B. durch Öl, Beize, Lasuren) so behandelt wird, dass man das Holz noch gut erkennen kann. Die Nachteile sind: Hölzer mit einer schönen Oberfläche wie Kirsche, Wurzelholz oder Palisander sind oft recht teuer und dann eben auch genau so, wie sie sind. Aber auf der Bühne muss die Maserung oft deutlicher und grösser skaliert sein, damit man sie aufgrund der grossen Distanz zum Zuschauer auch erkennt. Das spielt bei einem Parkettboden natürlich eine ganz grosse Rolle: Ein Parkett besteht in Ihrem Wohnzimmer aus kleinen Leisten, die teilweise nebeneinander, teil­weise in bestimmten Winkeln aneinander auf eine Trägerplatte geleimt und an­ schlies­send durch eine Oberflächenbehandlung versiegelt werden. Da keine Leiste der anderen gleicht, entsteht durch verschiedenartige Maserungen, Farben und Winkel eine grosse Lebendigkeit. Und entscheidend dafür ist der scharfe Kontrast durch ver­schiedene, nebeneinanderliegende Leisten. Wenn wir den Boden nur «malen», sind solche scharfen Brüche sehr schwierig herzustellen. Man kann den Pinselstrich ja nicht schlag­artig enden lassen. Deswegen behelfen wir uns mit einem genialen Trick: Wir malen die Holzmaserung auf ein riesiges Stück Stoff und variieren beim Malen innerhalb der vom Bühnenbildner festgelegten Grenzen die Maserung und Farbe des Holz­­imitates. Es entsteht das Gemälde eines riesigen aufgeschnittenen Baumes. Dann zer­ schneiden wir dieses Gemälde in einzelne kleine «Stoffleisten» und mischen sie durch­ einander. Dann kleben wir diese durchmischt ganz akkurat wie Leisten eines Parketts auf unsere Trägerplatte – wobei: Auch hier haben wir festgestellt, dass der Boden am schönsten wirkt, wenn wir die Stoffe nicht ganz akkurat, sondern mit kleinen Unregel­ mässigkeiten aufkleben: Das wirkt noch echter. Zu guter Letzt kommt ein matter Klarlack darüber, und es sieht aus wie ein wunderbarer Parkettboden. Ein weiterer Vorteil ist, dass wir einen leichteren Boden bauen können, da auf die Trägerplatte nur Stoff geklebt werden muss, während es bei einem echten Parkett eine weitere Holzschicht ist. Das ist auch deswegen sinnvoll, weil bei uns auf der Bühne Trägerplatten immer gross sein sollten, da bei zu vielen Teilen der Aufbau zu lange dauert. Immerhin sind es bei Maria Stuarda über hundert Bodenplatten, be­ stehend aus zigtausend Holzleisten… Die Marmorwand wurde ähnlich hergestellt – nur dass wir hier statt Leisten grosse Blöcke aus dem Stoff mit dem riesigen Marmorgemälde geschnitten haben.

Illustration: Anita Allemann

Sebastian Bogatu ist Technischer Direktor am Opernhaus Zürich




14 Maria Stuarda

Das Weibliche und das Politische Die Ranküne um Macht und Liebe der Königinnen Maria Stuart und Elisabeth I. steht im Zentrum von Gaetano Donizettis Oper «Maria Stuarda». Wer waren die beiden Frauen und wie hat sich der Blick auf sie im Laufe der Jahrhunderte verändert? Ein Gespräch mit der Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen

Frau Bronfen, Maria Stuart ist eine berühmte schottische Königin des 16. Jahrhunderts. Als Politikerin war sie aber nicht von grosser Bedeutung. Warum ist ihr Schicksal heute trotzdem so bekannt? Entscheidend zum Ruhm von Maria Stuart beigetragen hat sicher das Drama von Friedrich Schiller, das um 1800 entstanden ist. Dass sich einer der angesehens­ten Dichter der deutschen Klassik für Maria Stuart interessierte und sie als eine Figur der Freiheit, also als selbstbestimmtes Subjekt verstand, das sich gegen Tyrannei und politische Machenschaften auflehnt, ist in dieser Hinsicht ganz wesentlich. Ausgehend von diesem Drama setzte im 19. Jahrhundert ein Interesse an Maria Stuart ein, das sich in zahlreichen Romanen, Theaterstücken, Opern und im 20. Jahrhundert schliesslich in Kino- und Fernsehfilmen niederschlug. Auch die Oper von Gaetano Donizetti basiert auf dem Drama von Schiller und gehört in diese Reihe. Einen weiteren Grund für Maria Stuarts Bekanntheit sehe ich aber auch darin, dass sie seit Schiller immer als Kontrahentin der englischen Königin Elisabeth I. dargestellt wird, die politisch eine sehr bedeutende Figur war. Schiller hat die direkte Konfrontation der beiden Regentinnen, die in Wirklichkeit nie stattgefunden hat, erfunden und sie zum Höhepunkt seines Trauerspiels gemacht. Maria Stuart und Elisabeth I. waren miteinander verwandt und hatten aufgrund komplexer Abstammungsverhältnisse beide Ansprüche auf den englischen Thron. In der genannten dramatischen Konfrontation beleidigt Maria ihre Kontrahentin schwer und fordert dadurch ihr eigenes Todes­urteil heraus … Der Konflikt dieser beiden Königinnen hat in politisch und religiös sehr unsicheren Zeiten stattgefunden. Es herrschte damals auf der britischen Halbinsel ein ständi­ger Kampf über die Vorherrschaft des katholischen oder des protestantischen Glaubens, in dem Maria als Katholikin und Elisabeth als Protestantin jeweils eine starke Position einnahmen. Aufgrund der politischen Wirren und Machenschaften


Maria Stuarda 15

wurde die Regentschaft Elisabeths nie richtig legitimiert. Ihre Furcht vor Maria Stuarts Ansprüchen war also berechtigt. Indem Elisabeth das Todesurteil über Maria Stuart verhängte, festigte sie ihre eigene Macht. Sie war sich aber auch bewusst, dass sie durch diese Entscheidung ihren eigenen Kopf riskierte. Eine Königin öffentlich hinrichten zu lassen, war ein ungeheurer Akt. Aus diesem Grund zögerte sie das Urteil jahrelang hinaus und bevorzugte es, Maria Stuart gefangen zu halten. Hängt das negative Bild, das Elisabeth in den späteren Erzählungen, also auch in der Oper von Donizetti, anhaftet, wesentlich mit diesem Konflikt zusammen? Zu ihrer Zeit war Elisabeth zwar eine umstrittene, aber auch eine schillernde Figur. Schon im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts wurde das Bild, das man von ihr hatte, aber zunehmend schlechter. In England wurde sie als «virgin queen» immer mehr zu einer lächerlichen Figur gemacht. Aber auch aus künstlerischer Sicht verlor man das Interesse an dieser kühl kalkulierenden, angeblich unfruchtbaren Staatsmännin, die nichts für die romantischen und melodramatischen Fantasien hergab. Diese Entwicklung erreichte ihren Höhepunkt im 19. Jahrhundert, in dem man sich besonders für die Figur Maria Stuarts interessierte: Maria Stuart wurde zur «Königin der Herzen» stilisiert, deren Schicksal den Stoff für leidenschaftliche Erzählungen lieferte, während daneben das Bild von Elisabeth als das einer machthungrigen, intriganten und schrägen Regentin verblasste. Elisabeths Ansehen wurde dann erst im 20. Jahrhundert rehabilitiert. Inwiefern? Trotz ihren korrupten politischen Machenschaften war Elisabeth ja eine höchst kluge, mit allen Wassern gewaschene Politikerin, die es in Zusammenarbeit mit ihren Beratern verstanden hat, ein System aufzubauen, das sich inmitten von unüberschaubaren Bürgerkriegen und religiösen Konflikten sehr lange gehalten hat. In den vergangenen Jahrzehnten wurde diese Tatsache plötzlich wieder aktuell. So betonte zum Beispiel der Filmregisseur Shekhar Kapur in seinen beiden Elizabeth-Filmen mit Cate Blanchett in der Titelrolle die Bedeutung Elisabeths als weiblicher Politikerin. Er stellt sich in diesen Filmen die Fragen, was es für eine Frau bedeutet, Politikerin zu sein, oder ob eine Frau dazu fähig ist, ein Heer anzuführen. Im Zusammenhang mit Thatcher-England oder Merkel-Deutschland ist das wieder brisant geworden. Gleichzeitig rückte damit das Interesse an Maria Stuart in den Hintergrund. Ich glaube, wir interessieren uns in Europa unterdessen weniger für die Liebesaffären und Romanzen eines Einzelsubjekts als vielmehr für die Möglichkeiten und Schwierigkeiten, die eine Frau hat, wenn sie in eine politische Machtfunktion kommt. Dass sich die Sicht auf beide Königinnen im Lauf der Zeit verändert, zeigt, dass wir eigentlich nicht von historischen Personen, sondern von zwei grossen Mythen sprechen, an denen unsere Kultur kontinuierlich bastelt … Es sind zwei sehr unterschiedliche Mythen. Elisabeth ist für den Satz berühmt geworden, sie habe zwar den schwachen Körper einer Frau, aber das Herz eines Königs – also eines Mannes. Zu den ersten, die Elisabeth zu Beginn des 20. Jahrhunderts wieder «entdeckten», gehört Virginia Woolf, die sich besonders für diesen androgynen Aspekt interessierte. Der Mythos von Elisabeth lässt nicht zu, dass man sie auf ihr Frausein reduziert. Das hängt auch damit zusammen, dass sie sich als eine der ersten politischen Diven in Szene setzte und dadurch ihre öffentliche Stellung als Herrscherin halten konnte. Sie wusste, wie man aus Politik Theater macht! Damit verglichen, ist der Mythos von Maria Stuart völlig unpolitisch. Sie hat nicht als Politikerin für den Katholizismus gekämpft wie beispiels­weise die als «Bloody Mary» bekannte Maria Tudor. Maria Stuart ist die «Königin der

Thomas Ott, der re­­nom­mierte, in Zürich lebende ComicZeichner, hat für uns die Kö­ni­ginnen Maria Stuart und Elisabeth I. porträtiert – Elisabeth, grämlich, mit Schoss­hund im Vordergrund, und Maria, gefasst und mond­ beschienen, am Fenster


16 Maria Stuarda

Herzen»: Weiblichkeit, Emotionen, Liebesabenteuer, versuchte und vereitelte Flucht, Hin- und Hergerissen-Sein, Aufopferung … Das sind die Bereiche, von denen ihr Mythos erzählt. Im Fokus steht also immer ihr persönliches Schicksal. Könnte der Mythos von Maria Stuart denn ein anderer sein, wenn er von anderen Autoren bearbeitet worden wäre? Wer weiss, wer Maria Stuart wirklich war … Die Historiker haben sich mit ihrer Geschichte natürlich kritischer befasst. Man muss grundsätzlich davon ausgehen, dass sie Teil dieses unglaublich komplizierten Machtgefüges im 16. Jahrhundert ge­ wesen ist. Alle mussten ihre Legitimität in dieser Zeit durch Gewalt durchsetzen, und ich kann mir vorstellen, dass Maria Stuart dabei genau so intrigant gewesen ist wie Elisabeth. Natürlich wäre es viel interessanter, sie im Sinne von Shakespeares Lady Macbeth oder anderen machtsüchtigen Königinnen zu sehen. Es drängt sich also die Frage auf, warum das nicht so geschehen ist? Dass sich Schiller oder Donizetti für Maria Stuart interessierten, beweist ja auch, dass diese sehr gut in ein bestimmtes Frauenbild hineinpasst: Es ist das Bild einer Kultur, die gerne leidende, sich aufopfernde und tote Frauen mag. Der Tod verleiht Maria Stuart ihre Erhabenheit. Als Leiche kann sie in das Pantheon der leidenden, grossartigen, verkannten, missbrauchten und geopferten politischen Figuren eingehen. Stefan Zweig, der mit seinem Essay über Maria Stuart zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der gleichen Tradition weiterdachte, schreibt: Maria Stuart sei «in erster und letzter Linie Frau» gewesen … Die Begeisterung für Maria Stuart ist eigentlich Ausdruck einer kulturellen Angst gegenüber weiblichen Herrscherinnen. Wenn man, wie Stefan Zweig es tut, behauptet, eine Herrscherin sei ja eigentlich nur Frau gewesen, dann muss man sich nicht mit ihrem Herrscherinnentum auseinandersetzen. Das ist bei Maria Stuart möglich, aber bei Elisabeth nie möglich gewesen. Ist es denn sinnvoll, den Mythos von Maria Stuart stets weiterzuerzählen und dieses Frauenbild dadurch geradezu zu zementieren? In diesem Fall wäre ich mit einer Dekonstruktion des Mythos glücklicher als damit, ihn weiter zu verfestigen! Ich stehe noch immer unter Schock, dass Hillary Clinton nicht als amerikanische Präsidentin gewählt wurde, bin aber fest davon überzeugt, dass wir kulturell nicht darauf vorbereitet waren. Das ist auch nicht erstaunlich, wenn man verfolgt, wie Frauen in Machtpositionen im amerikanischen Mainstreamfilm und Fernsehen dargestellt werden. Im Gegensatz zu einem schwarzen Präsidenten, für den es vor der Wahl von Barack Obama zahlreiche Beispiele im Kino gegeben hatte, können sich viele Amerikaner eine gute weibliche Regentin noch immer nicht vorstellen. In Europa ist die Situation etwas anders, weil es hier die Tradition der Aristokratie gab. Man tendiert dazu, zu vergessen, dass Königinnen im Mittelalter etwas Normales waren. Für die Aristokratie des Mittelalters und der Frühen Neuzeit waren persönliche Emotionen völlig unwichtig; entscheidend war die symbolische Position, die man eingenommen hat. Wenn Schiller oder Zweig Maria Stuart in erster Linie als Frau sehen, dann ist das also eine sehr bürgerliche Sicht auf die Aristokratie. Das heisst, wir müssten bürgerliche Sichtweisen über Bord werfen, wenn wir heute über Frauen in Machtpositionen nachdenken wollen? Aufschlussreich finde ich die Denkfigur des deutschen Historikers Ernst Kantorowicz: In seiner Studie Die zwei Körper des Königs geht er von einem natürlichen und einem symbolischen Körper des Königs aus: Entscheidend ist für den König (oder die Königin) der symbolische Körper, der von verschiedenen natürlichen Körpern besetzt werden kann, aber immer weiterlebt. Im Mittelalter oder der Frühen Neuzeit wurde man also in erster Linie König oder Königin, das Geschlecht war


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ein untergeordneter – natürlicher – Aspekt. Mit ihren bürgerlichen Vorstellungen rüttelten Stücke wie Schillers Maria Stuart an dieser Idee, und der natürliche Körper rückte in den Vordergrund. Das funktioniert im Fall von Frauen natürlich wesentlich leichter … … weil die grossen Erzählungen dieser Zeit von Männern geschrieben wurden … … und weil man bei Männern von öffentlichen Figuren ausgeht, während man bei Frauen bis vor nicht allzu langer Zeit von häuslichen Figuren ausgegangen ist. Virginia Woolf musste sich in ihrem Essay Ein Zimmer für sich allein noch 1929 unglaublich dafür stark machen, dass Frauen überhaupt in der Öffentlichkeit arbeiten, Bibliotheken besuchen, oder Professorinnen werden dürfen. Daran zeigt sich, wie hartnäckig sich die Vorstellung der Frau als einer romantischen und häuslichen Figur gehalten hat. Im Gegensatz dazu hat man sich bis in die Mitte des 20. Jahr­ hunderts nie sonderlich für die Emotionen der Männer interessiert. Die Männer waren immer die Denker, Verkäufer, Entdecker oder eben Könige – also immer als Ausübende ihrer Arbeit entscheidend. Auch deshalb ist es so viel leichter, eine Königin auf ihre Weiblichkeit zu reduzieren. Emotionen spielen in der Oper eine grosse Rolle. Im Vergleich zu Schillers analytischem Drama ist Donizettis Maria Stuarda als wirkungsvolle Drei­ ecksgeschichte für zwei Soprandiven und einen lyrischen Tenor eingerichtet. Ist die kritische Auseinandersetzung mit einem überkommenen Frauenbild in diesem Fall überhaupt möglich? Zwei Soprane auf einer Bühne … Wie soll denn das gehen? Die Rivalität, die in dem Stoff angelegt ist, wird natürlich geradezu potenziert, indem auf der Opernbühne zwei Diven gegeneinander ausgespielt werden. Da geht es ja zusätzlich um die Frage, wer höher, virtuoser und schöner singen kann! Und dank dem Tenor, auf den sich die Begierde der beiden Frauen richtet, wird bei Donizetti eher die Eifersucht als die Politik zur treibenden Kraft der Handlung. Das bedeutet aber, dass hier beide Frauen, Maria Stuart und Elisabeth, auf ihre persönliche Fehde reduziert werden – und zwei Frauen, die sich in ihrem Geltungsdrang gegenseitig zerfleischen, sind für die Männer ja wieder eine beruhigende Vorstellung … … und bieten ein lustvolles Theatererlebnis. Sollen wir uns also auch in Zukunft daran erfreuen, Frauenbild hin- oder her? Eine kritische Einstellung des Rezipienten wäre schon wünschenswert. Wir müssen den Mythos um Maria Stuart nicht verwerfen, aber wir sollten daran arbeiten und hinterfragen, warum man diese Geschichte so schreibt und nicht anders. Es geht also darum, zu verstehen, warum dieser Mythos so gut funktioniert! Und dieses Verständnis hilft uns vielleicht bei unserem heutigen Auftrag weiter, uns eine schillernde Palette von Frauen vorstellen zu können, die in der Öffentlichkeit als Politikerinnen existieren können. Das Gespräch führte Fabio Dietsche Elisabeth Bronfen ist Professorin für Anglistik an der Universität Zürich.

Maria Stuarda Oper von Gaetano Donizetti Musikalische Leitung Enrique Mazzola Inszenierung David Alden Bühnenbild und Kostüme Gideon Davey Lichtgestaltung Martin Gebhardt Choreinstudierung Ernst Raffelsberger Dramaturgie Fabio Dietsche Elisabetta I. Serena Farnocchia Maria Stuarda Diana Damrau Roberto, Graf von Leicester Pavol Breslik Giorgio Talbot Nicolas Testé Lord Guglielmo Cecil Andrzej Filonczyk Anna Kennedy Hamida Kristoffersen Philharmonia Zürich Chor der Oper Zürich Statistenverein am Opernhaus Zürich Premiere 8 April 2018 Weitere Vorstellungen 11, 14, 17, 20, 26, 29 April, 2, 5, 9, 12 Mai 2018 Mit freundlicher Unterstützung der Kühne-Stiftung


18 Maria Stuarda

Da stehen sich zwei Tigerinnen gegenüber Diana Damrau über ihr Rollendebüt als Maria Stuarda und den explosiven Bühnenstreit zweier divenhafter Königinnen Fotos Danielle Liniger

Frau Damrau, eine Partie, für die Sie weltweit gefeiert wurden, ist Mozarts Königin der Nacht. Als Donizettis Maria Stuarda debütie­ren Sie nun wieder in einer königlichen Rolle. Mögen Sie es, mächtige Frauen auf der Bühne zu verkörpern? In der Zwischenzeit habe ich mit Marguerite de Valois in Meyerbeers Les Huguenots sogar noch eine weitere Königin gesungen. Bisher zwar nur konzertant. Das szenische Debüt ist aber in Paris geplant. Ich mag es schon sehr, vornehme und kraftvolle Frauenrollen zu spielen! Mozarts Königin der Nacht sehe ich da allerdings eher als ein Zwitterwesen: sie hat ja auch magische und dämonische Kräfte. Bei Maria Stuart fasziniert mich dagegen der Gedanke, dass diese Figur historisch ist, dass es sie wirklich gegeben hat. Und trotzdem liegt eigentlich nichts auf der Hand. Es ranken sich so viele Mythen und Legenden um diese Frau, dass man als Interpretin zunächst viele Fragen hat. Wenn man diese Oper von Donizetti aufführt, die ja auch nur einen Teil der historischen Wahrheit abbildet, muss man als erstes sehen, was uns da eigentlich vom Komponisten überliefert wurde. Seine Musik ist für mich die wichtigste Grundlage für die Interpretation, die wir in den Proben gerade zu finden versuchen. Aber auch für Donizetti war die Figur aus dem 16. Jahrhundert bereits ein Mythos. Im Gegensatz zu ihrer kühl abwägenden Kontrahentin Elisabeth I. wird Maria Stuart gerne als leidenschaftliche, impulsive,

unüberlegte Frau gesehen, die ihre weiblichen Reize als Waffe einsetzte. Können Sie diesem gängigen Bild etwas abgewinnen? Ich möchte sie keinesfalls auf diese Deutung reduzieren! Maria Stuart ist für mich eine Figur mit vielen Facet­ten, was natürlich mit ihrem extremen Schicksal zu tun hat. Es ist auffällig, dass die Partie musikalisch neben intensi­ven, kraftvollen Ausbrüchen immer auch sehr verinnerlichte, ruhige Momente umfasst. Diese Unterschiede möchte ich gerne zeigen. Maria Stuart wurde als junges Mädchen nach Frankreich gebracht und mit Franz II. verheiratet, der für kurze Zeit König von Frankreich war. Die vornehmen Sitten am französischen Hof haben sie sehr geprägt. Ich glaube, von dort rührt ihre Leidenschaftlichkeit her, ihre Liebe zum Schönen, aber auch die edle, vornehme Haltung, die sie als Frau begehrens­wert machte. Ich empfinde es als einen speziellen Moment, wenn sie sich in Donizettis Oper, also während der Jahre ihrer Gefangenschaft in England, nach Frankreich zurücksehnt. Es fühlt sich für mich immer so an, als wäre es nicht nur eine Sehnsucht nach vergangenen Zeiten, sondern gleichzeitig bereits eine Todessehnsucht. In Schottland, wohin Maria Stuart nach dem frühen Tod ihres ersten Mannes, des Königs von Frankreich, zurückkehrte, wehte ein anderer Wind … Schottland war im Vergleich zu den französischen Gepflogenheiten natürlich harsches Gebiet. Und es erstaunt eigent-

Diana Damrau und Pavol Breslik


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lich nicht, dass eine schöne junge Frau mit erlesenen Sitten in dieser rohen Umgebung von machthungrigen Männern mit politischen und religiösen Interessen einen schweren Stand hatte. Wenn eine Monarchin in dieser Zeit von Männern umworben wurde, dann ging es ja nicht nur um körperliche, sondern immer auch um politische Interessen. Ein Unschuldslamm war Maria Stuart aber sicher nicht! Sie war wohl an der Ermordung ihres zweiten Mannes beteiligt und hat auch während der Gefangenschaft noch versucht, ihre Macht spielen zu lassen. Die treibenden Kräfte waren dabei aber stets ihr tiefer katho­ lischer Glaube und der – berechtigte! – Anspruch auf die englische Krone. Es ist ein komplexer Charakter. Wie viel man von diesen psychologischen Details in die Interpretation einbringen kann, ist aber eine andere Frage. Im Zentrum der Oper steht ja die explosive Begegnung zwischen Maria Stuart und der eng­lischen Königin Elisabeth, die es in Wahrheit nie gegeben hat. Man muss da sowieso abstrahieren … Könnte man sogar sagen, dass die historischen Fakten für diese Oper eher zweitrangig sind? Diente der Stoff Donizetti vielleicht eher als Vorwand, ein wirkungsvolles Stück für zwei sich zankende Diven auf die Bühne zu bringen? Natürlich ist das Stück auf Wirkung ausgelegt! Diese Szene der Konfrontation ist der Wahnsinn: Da stehen zwei Tiger­ innen, zwei Schlachtschiffe … Und dann kommt es zur Eskalation! So eine Begegnung zwischen zwei Sopranis­ tinnen gibt es ja in der Operngeschichte sonst kaum. Serena Farnocchia, die Sängerin der Elisabeth, und ich haben zusammen bereits Donna Anna und Donna Elvira in Don Giovanni gesungen, und jetzt stehen wir uns als rasende Königinnen gegenüber … Das ist eine Situation, die unglaublich Spass macht, und man stachelt sich gegenseitig an. Ich habe gehört, dass Edita Gruberova und Agnes Baltsa in einer Vorstellung sogar die Rollen getauscht haben … Diese Szene ist eine Plattform für ganz grosses Theater!


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Sie sind eine Sängerin, die sich auf der Bühne sichtlich wohl fühlt. Haben Sie beim Einstudieren einer Partie bereits Ideen für die szeni­sche Umsetzung im Kopf? Oder entwickeln Sie die erst in der Arbeit mit dem Regisseur? Das ist eine spannende Frage, gerade weil ich so eine historische Königinnenfigur noch nie gespielt habe. Es gibt ja im Theater den schönen Spruch: «Den König spielen immer die Anderen», und da ist schon etwas dran. Natürlich schaue ich als Vorbereitung Filme oder Theaterstücke. Aber im Detail weiss keiner von uns, wie sich Königinnen im 16. Jahrhundert aufgeführt haben. Natürlich kann man steif durch die Gegend laufen, stolz gucken und eine elegante Handbewegung machen … Aber wenn man einfach nur hinblickt und alle liegen flach wie Pizza auf dem Boden, dann hat das eine andere Wirkung! Wenn man eine Königin spielt, ist man schon sehr darauf angewiesen, was um einen herum geschieht. Auf die erste Zusammenarbeit mit David Alden habe ich mich gefereut. Es gefällt mir, dass er sich von den historischen Tatsachen inspirieren lässt und sich trotzdem ein eigenes Elisabethanisches Zeitalter schafft. Eine historische Kostüm- und Requisitenschlacht brauche ich nicht. Ein Schlüsselerlebnis war für mich in dieser Hinsicht die Traviata-­ Inszenierung von Willy Decker in Salzburg. Nachdem ich mir diese Partie früher immer nur ganz klassisch vorstellen konnte, habe ich dort gemerkt, dass in einer schlüssig modernisierten Inszenierung vieles noch deutlicher herauskommen kann.

endlich einmal eine Rolle in meinem Alter! Nach den ganzen jungen Mädchen und flotten Fegern finde ich es jetzt schon toll, eine Frau in einer Machtposition zu spielen. Ich hasse es allerdings, wenn mich jemand fragt: Wie ist es denn, Opferrollen zu spielen? Frauen wie Maria Stuart sind keine Opfer. Sie sind nicht schwach. Sie sind Opfer ihrer Zeit! Und Lucia di Lammermoor wird auch noch Opfer einer Krankheit und dazu zwangsverheiratet. Aber sie kämpft bis aufs Blut um ihre Liebe und um ihre Freiheit. Das sind zwar alles historische Stoffe, aber auch Dinge, die in unserer Zeit noch passieren. Wenn ich darüber nachdenke, finde ich schon, dass viele Opernkomponisten der Emanzipation ein bisschen geholfen haben. Was beispielsweise Marie in Donizettis Fille du régiment für eine Plattform kriegt, und wie sie sich durchsetzen kann … Das finde ich grossartig!

Neben der Violetta haben Sie im Lauf Ihrer Karriere auch sehr unterschied­liche Partien von Donizetti gesungen: In Zürich zuletzt Adina in L’elisir d’amore und natürlich überall immer wieder Lucia di Lammermoor. Ist Maria Stuarda im Vergleich dazu eine Partie, die ein bisschen mehr ins dramatische Fach führt? Auf jeden Fall! Wie alt ist Maria Stuarda geworden? Vierundvierzig? Das ist

Das ist aber keine generelle Richtung? Überhaupt nicht. Aufhören werde ich sowieso irgendwann mit der Hexe aus Hänsel und Gretel. Die ist zwar nicht lustig, aber ich glaube, ich würde unglaublich viel Spass mit dieser Partie haben. Ich liebe es einfach, mich in jede neue Rolle hineinzuversetzen und herauszuholen, was geht. Deshalb nennt man mich wohl immer wieder ein «Bühnentier» …

Mit Marie sprechen Sie eine weitere Donizetti-Partie an, die, anders als Maria Stuarda, ins komische Fach gehört. Persönlich machen Sie stets einen fröhlichen und humor­ vollen Eindruck. Fällt es Ihnen auch auf der Bühne leichter, komische Charaktere zu verkörpern? Ich liebe und brauche beides. Ohne Komödie kann ich nicht leben. Letztes Jahr habe ich als Contessa im Figaro debütiert. Und auch Rosina im Barbiere oder Adèle im Comte Ory sind Rollen, die ich sehr geliebt habe. Gerade Ensemblestücke, in denen es rasant zu und her geht, machen mir unglaublich viel Freude! Und jetzt kommt halt eine Zeit, in der es etwas ernster wird …


Diana Damrau als Maria Stuarda

Die Partie der Maria Stuarda singen Sie hier zum ersten Mal. Wie bereiten Sie sich auf ein Rollendebüt vor? Das Besondere am Belcanto ist, dass alles von der Stimme ausgeht. Natürlich muss man rechtzeitig Noten und Text lernen. Aber die endgültige Wahrheit oder die richtige Interpretation steht da nicht drin. Wir arbeiten hier in Zürich mit der neuen kritischen Ausgabe der Partitur. Und alle diese verschiedenen Fassungen sind entstanden, weil das Werk an verschiedenen Orten und mit unterschiedlichen Sängern aufgeführt wurde. Maria Stuarda kann auch von einem Mezzosopran gesungen werden, wie bei der Mailänder Uraufführung von Maria Malibran. Im Belcanto stellt jeder Sänger die Vorzüge der eigenen Stimme heraus, es geht um Können, aber auch um persönlichen Geschmack. Dazu kommt, dass die Ausgestaltung der Gesangslinien stark mit dem verknüpft ist, was man szenisch zum Ausdruck bringen möchte. Kolo­ raturen dürfen im Belcanto nicht zum Selbstzweck werden. Gerade durch die Wahl der Gestaltung legt man fest, wie

aggressiv, wütend oder verinnerlicht man eine bestimmte Passage rüberbringen möchte. Der wichtigste Teil der Erarbeitung einer Partie geschieht also auf den Proben, in Zusammenarbeit mit dem Dirigenten und dem Regisseur. Ihr Mann, Nicolas Testé, singt in dieser Produktion den Giorgio Talbot, der Maria Stuarda vor ihrer Hinrichtung heimlich die Beichte abnimmt; Ihre beiden 5- und 7-jährigen Söhne sind auch in Zürich. Ist es nicht eine riesige Herausforderung, eine so grosse Karriere und ein glückliches Familienleben unter einen Hut zu bringen? Es ist in unserem Beruf schon schwierig, sich gut zu organisieren, gerade weil wir sehr viel unterwegs sind. Aber glücklicherweise ist mein Mann diese Situation durch seine eigene Karriere auch gewöhnt. Ohne Kompromisse geht es natürlich nicht. Es ist jetzt gerade die Zeit, in der die Kinder viel Aufmerksamkeit brauchen, aber auch die Zeit zum Singen! Grosses Glück haben wir mit der Schule der Kinder: Das zentralistisch


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organisierte Lycée français, das sie besuchen, hält sich strikt an den Lehrplan. Deshalb ist es möglich, die Kinder an verschiedenen Orten zur Schule gehen zu lassen und ihnen trotzdem eine kontinuierliche Bildung zu ermöglichen. Gerade freuen sie sich, in Zürich Schulkollegen von früher wiederzu­ finden. Und Zürich soll ja in Zukunft unsere Basis werden. Warum Zürich? Es ist einfach strategisch wunderbar gelegen. Meine Eltern sind von Bayern aus schnell hier und wir haben hier ein wunderbares Opernhaus mit Reper­ toirebetrieb … ... und wir die Hoffnung, dass Sie dann öfter bei uns auftreten! Wir arbeiten dran! Welche Partien haben Sie im Kopf, wenn Sie etwas längerfristig in die Zukunft denken? Werden weitere Rollen von Verdi oder sogar solche von Wagner für Sie ein Thema?

Probenszene mit Regisseur David Alden, im Hintergrund Nicolas Testé und Serena Farnocchia

Das könnte vielleicht einmal ein Thema werden. Aber vorher würde ich die Strauss-Partien etwas ausweiten und im französisch-lyrischen Fach etwas wei­ tergehen. Elettra in Idomeneo würde ich gerne einmal singen. Aber grundsätzlich werde ich meinen Kernmöglichkeiten im lyrischen und Koloraturfach treu bleiben. Wenn man mit einer Partie wie Maria Stuarda – im wahrsten Sinne des Wortes – etwas Blut geleckt hat, dann will man natürlich schon gerne wissen, wie sich eine Anna Bolena anfühlt! Oder die Elisabetta in Roberto Devereux … Das sind Partien, die ich sehr liebe und die ich mir für die Zukunft wünsche. Aber gerade jetzt, wo die Kinder klein sind und die Familie einen wichtigen Stellenwert für mich hat, will ich keine zu grossen und kraftraubenden Schrit­te in ungewisses Neuland wagen. Das Gespräch führte Fabio Dietsche


Maria Stuarda 23

In ihrer Einfachheit wirkungsvoll Der amerikanische Regisseur David Alden inszeniert die Neuproduktion von Donizettis Oper «Maria Stuarda» und erklärt die Chancen und Fallstricke des Belcanto-Repertoires

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onizettis Opern sind klar strukturiert, eingängig und auf grosse dramatische Wirkung ausgelegt. Für mich zählt er zu den begabtesten Komponisten theatralischer Situationen. Rossini, der die Form der italienischen Oper zu Beginn des 19. Jahrhunderts prägte, hat fantastische Kunstwerke geschaffen; aber sie stellen Regisseure vor riesige Herausforderungen! Damit verglichen, sind Donizettis formale und musikalische Muster manchmal etwas vorhersehbar, aber gerade in dieser Einfachheit sehr wirkungsvoll! Auch Maria Stuarda ist auf den ersten Blick eine Oper mit einer simplen – aber besonderen – Figurenkonstellation: Es geht um zwei rivalisierende Soprane, die Königinnen Elisabeth von England und Maria von Schottland, zwischen denen ein junger umworbener Tenor, der Earl of Leicester, steht. Aber ich finde, dass sich viel komplexere Charaktere hinter den vordergründig einfachen Strukturen verbergen, als man zunächst denkt. In Schillers Drama, auf dem die Handlung der Oper basiert, haben die beiden Königinnen ungefähr gleich viel Gewicht. Bei Donizetti verschiebt sich dieses Gleichgewicht zugunsten von Maria Stuarda. Das hat damit zu tun, dass die Oper im 19. Jahrhundert in einem streng katholischen Land entstanden ist. Bei Donizetti liegen die Sympathien deutlich auf der Seite der schottischen Königin, die für den katholischen Glauben kämpft und als Märtyrerin stirbt. Während Maria als leidende, empfindsame und leidenschaftliche Frau gezeichnet ist, werden Elisabeth in Donizettis Oper kaltherzige, mächtige und intrigante Züge verliehen. So wollte man die Protestantin damals in Italien sehen. In meiner Inszenierung möchte ich die beiden Frauen aber nicht so eindimensional zeigen. Interessant finde ich, dass beide Frauen geradezu gegen ihre eigenen Charakterzüge ankämpfen. Das zeigt sich deutlich in ihren jeweiligen Szenen mit dem Earl of Leicester, für den sie beide etwas empfinden: Maria versucht ihm gegenüber genau die «weibliche» Leidenschaftlichkeit zu bekämpfen, die ihr immer zugeschrieben wird. Bei Elisabeth spielt dagegen eine leidenschaftlich empfundene Eifersucht eine grosse Rolle: Elisabeths Entscheidung, Maria Stuarts Todesurteil zu unterzeichnen, hängt ja bei Donizetti stark mit dieser Eifersucht zusammen: Sie glaubt, dass Leicester für Maria mehr empfindet als für sie selbst. Leicester treibt im Kreuzfeuer der beiden Frauen ein sehr gefährliches Spiel, und es ist eher erstaunlich, dass er am Ende seinen Kopf noch hat. Elisabeth spielt mit ihm und versucht ihn zu verführen, im Fall von Maria will uns die Oper dagegen von einer aufrichtigen Liebe überzeugen … Ich bin mir aber nicht sicher, ob Maria ihn letztlich nicht auch nur benutzen will, um aus ihrer ausweglosen Lage herauszufinden. Immerhin weiss man aus der Geschichte, dass Maria Stuarts zweiter Mann unter mysteriösen Umständen ermordet wurde. Ich glaube schon, dass auch sie eine kompromiss- und skrupellose Seite hatte. Auffällig finde ich, dass die beiden Frauen trotz oder gerade wegen ihrer Machtspiele am Ende die starken Figuren sind, während sich Leicester von ihnen manipulieren lässt. Das erinnert mich manchmal ein wenig an die Opernstoffe von Leoš Janáček, in denen immer die Frauen die stärkeren sind. In diesem Punkt finde ich Donizettis


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Oper auch aus heutiger Sicht interessant. Zwar glaube ich nicht, dass sie uns etwas über die politischen Umstände unserer Zeit erzählen kann, aber immerhin ist es ein Stück über mächtige Frauen und die Tatsache, wie wir als Männer mit ihnen umgehen müssen. Es zeigt, was die Geschichte aus mächtigen Frauen macht: nämlich Märtyrerinnen, falsche Intrigantinnen oder geschlechtslose, beziehungsweise «männliche» Wesen! Es gibt ja sogar die Gerüchte, dass Elisabeth I. in Wahrheit ein Mann war und deshalb Zeit ihres Lebens eine «virgin queen» geblieben ist. Aber ich denke, das ist nur das übliche böse Geschwätz über mächtige Frauen, wie die Männer sie gerne sehen wollen. In den letzten Spielzeiten habe ich mich besonders viel mit Opern beschäftigt, in denen es um Frauen in Machtpositionen geht, darunter Meyerbeers Les Huguenots oder Rossinis Semiramide. Während ich daran gearbeitet habe, glaubte ich, dass Hillary Clinton die nächste Präsidentin von Amerika werden könnte. Dass sie die Wahl verloren hat, zeigt für mich, dass wir anhand dieser Stoffe gerade heute über solche Fragen nachdenken sollten – auch wenn Donizetti selbst nicht so darüber gedacht hat. Durch die Gegenüberstellung zweier Frauen von hohem Rang wird in dieser Oper die Selbstdarstellung zu einem grossen Thema. Das ist für die Inszenierung natürlich hochinteressant; und ich sehe darin auch einen Akt, der einen engen Zusammenhang mit dem Politischen hat: Das Leben von Elisabeth I. war eine grosse Inszenierung. Vom Kostüm über die Haltung bis zu ihren Aussagen hat sie jahrelang ein brillantes Schauspiel durchgezogen. Aber auch Maria Stuart hat natürlich selbst zu dem Mythos beigetragen, der sie heute umgibt. Politik ist immer eine Performance, in der es um die Kontrolle des eigenen Images geht. Realistische politische Vorgänge interessieren mich in meinen Inszenierungen aber immer nur in gewissem Mass, weil ich Oper nicht als realistische Kunstform verstehe: Die Musik fügt der Textebene stets einen Subtext hinzu, der für mich als Regisseur sehr wichtig ist. Die Empfindungen, die die Musik auslöst, können weniger konkret gefast werden, was sie für die Inszenierung umso interessanter macht. Die visuelle Struktur auf der Bühne soll mit der Architektur der Musik korrespondieren. In dieser Hinsicht arbeite ich ähnlich wie ein Choreograf. Das heisst aber nicht, dass die Musik szenisch abgebildet werden muss; oft finde ich auch eine Gegenbewegung dazu oder eine daraus abgeleitete Interpretation. Ich denke, mein Stil speist sich aus einer eigenartigen Mischung von realistischen Vorgängen mit solchen, die aus dem Bereich des Unterbewussten kommen, von symbolischen Bildern, einer Portion Ironie und Sarkasmus und einem zuweilen hysterischen schwarzen Humor. Es ist ein stetiges Auf und Ab zwischen diesen verschiedenen Bereichen, und ich kann diese Überschneidungen nicht konstant kontrollieren. Ich schwanke zwischen verschiedenen Realitäten, wenn ich inszeniere. David Alden

David Alden David Alden wurde in New York geboren. Er sorgte für aufsehenerregende Inszenierungen an der English National Opera und der Bayerischen Staatsoper München, zudem arbeitete er u.a. an der Metropolitan Opera New York, der Nederlandse Opera, beim Edinburgh Festival, am Teatro Real in Madrid, der Komischen Oper Berlin, der Deutschen Oper Berlin, am Moskauer Bolschoi-­ Theater, an der Staatsoper Hamburg, der Oper Frankfurt und an der New Israeli Opera Tel Aviv. In der Spielzeit 2016/17 inszenier­te er «Les Huguenots» in Berlin, «Billy Budd» in Moskau, «Semiramide» in München und Catalanis «Loreley» bei den St. Galler Festspielen. Er verfilmte Schuberts «Winterreise» und Kurt Weills «Sieben Todsünden», erstellte eine Verdi-­Doku­men­ta­ tion im Auftrag der BBC und gestaltete die Welttournee der Pet Shop Boys.


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Pavol Breslik und Serena Farnocchia

Donizetti wollte schockieren Der italienische Dirigent Enrique Mazzola beleuchtet den musikalischen und stilistischen Hintergrund von «Maria Stuarda»

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ährend meiner Studienzeit in Mailand habe ich die Anfänge der historischen Aufführungspraxis auf dem Gebiet der «Alten Musik» verfolgt und mich dabei gefragt, wie authentisch die Partituren und Aufnahmen von Donizettioder Bellini-Opern eigentlich das abbilden, was diese Komponisten ursprünglich beabsichtigt hatten. Viele Opern dieser Zeit – darunter auch Maria Stuarda – wurden zwischen 1850 und 1950 nie gespielt. In der Zwischenzeit vollzog sich aber eine enorme Entwicklung auf dem Gebiet der italienischen Oper: Werke von Verdi, Puccini oder Mascagni erforderten ganz andere Gesangsstimmen und zunehmend einen grösseren Orchesterapparat. Auf der Basis dieser gewandelten Ästhetik wurden Mitte des 20. Jahrhunderts einige Belcanto-Opern wiederentdeckt und aufgeführt. Meine Lehrer am Konservatorium standen ganz in dieser Tradition, die sie nicht gross hinterfragt haben. Meine Generation ist nun in der glücklichen Lage, mit etwas mehr Abstand einerseits die grossartigen Aufnahmen und Stimmen aus den 1950er-Jahren zu studieren und andererseits auf kritische Editionen zurückzugreifen, die in den letzten Jahren entstanden sind und wichtige Details zur Aufführungspraxis liefern.


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Gerade bei Donizettis Maria Stuarda finde ich die kritische Auseinandersetzung wichtig, da diese Oper eine verzwickte Entstehungsgeschichte hat. Donizetti komponierte die Oper 1834 im Auftrag des Teatro San Carlo in Neapel. Das Drama um die schottische Königin Maria Stuart hat er wohl selber vorgeschlagen, und es ist eigentlich erstaunlich, dass er dieses Sujet im katholischen und erzkonservativen Unteritalien, das damals noch ein eigenes Königreich war, überhaupt vertonen durfte! Als die Oper fertig war und bereits die Proben liefen, wurde das Stück von der Zensur verboten: Eine Oper, in der eine katholische Königin zum Tod durch Enthauptung verurteilt wird, wurde vom Königshaus in dieser politisch ohnehin unruhigen Zeit nicht auf der Bühne geduldet. Um die bereits komponierte Musik trotzdem verwenden zu können, musste Donizetti deshalb in kürzester Zeit ein neues Thema finden und einen anderen Text schreiben lassen, den man der Komposition unterlegen konnte. Aus diesem akrobatischen Unternehmen resultierte die Oper Buondelmonte, durch die Donizetti die geplante Aufführung in Neapel retten konnte. Ich finde es aber falsch, wenn man deshalb denkt, Donizetti habe Musik geschrieben, die keinen engen Bezug zum Text hat! Aus Briefen des Komponisten weiss man, dass er mit dieser Situation sehr unglücklich war. Es war eine Notlösung und zudem kein besonderer Erfolg. Die eigentliche Uraufführung der Maria Stuarda konnte erst 1835 an der Mailänder Scala stattfinden, wo die Zensur weniger streng war. Trotz der berühmten Sängerin Maria Malibran in der Titelpartie wurde die Oper aber auch dort kein durchschlagender Erfolg. Da ich gerade erst I puritani von Bellini dirigiert habe, fallen mir jetzt die Unterschiede zwischen diesen beiden Zeitgenossen besonders auf: Donizetti stammt aus dem norditalienischen Bergamo, einer Gegend, die unter der Herrschaft der Habsburger zu leiden hatte, Bellini hingegen aus Sizilien, das unter dem Einfluss der Bourbonen stand. Der eine war rauer Kälte und Nebel ausgesetzt, der andere von Sonne und Orangenblüten umgeben. Das prägte ihren musikalischen Stil deutlich: Bei Bellini ist jede Aussage von purer Schönheit umgeben. Selbst die blutige Fehde zwischen den Capulets und den Montagues «erstickt» bei ihm in Schönheit. Die Lösungen, die Donizetti findet, sind dagegen viel schroffer. Er wollte das Publikum schockieren und schreckte dabei nicht vor blutigen Kämpfen, rollenden Köpfen oder spektakulären Selbstmorden zurück. Gemeinsam ist beiden die meisterhafte Beherrschung des Belcanto-Kompositionsstils. Unter diesem sehr unterschiedlich verwendeten Begriff verstehe ich eine besondere Kompositionsweise, die den Gesang ins Zentrum stellt, während dem Orchester eher eine «neutrale» Funktion zukommt. Das bedeutet aber nicht, dass Bellini oder Donizetti keine Ahnung von Orchestrierung hatten. Natürlich kannten sie beispielsweise die Sinfonien von Beethoven und wussten, wie differenziert und ausdrucksstark man den Orchesterapparat einsetzen kann. Aber der Belcanto-Stil erfordert eine ganz bewusste Zurücknahme des Orchesters: Der Ausdruck geht in diesen Werken immer vom Gesang aus.

Enrique Mazzola Enrique Mazzola ist künstlerischer Leiter und Musikdirektor des Orchestre National d’Île-de-France. Neben seinen Tätigkeiten im sinfonischen Bereich nimmt das Belcanto-Repertoire einen zentralen Platz in seinem Schaffen ein. Operndirigate führten ihn u.a. zum Glyndebourne-Festival («L’elisir d’amore», «Don Pasquale», «Poliuto»), ans Théâtre des Champs-Élysées («Tancredi», «Don Pasquale»), zum Maggio Musicale Fiorentino («L’italiana in Algeri»), an die Deutsche Oper Berlin («Il barbiere di Siviglia», «Falstaff»), ans Bolschoi Theater Moskau («La sonnambula»), an die Mailänder Scala («Don Pasquale»), ans Opernhaus Zürich («Il barbiere di Siviglia», «Don Pasquale», «I puritani») sowie an die New Yorker Met («L’elisir d’amore») und das Rossini Opera Festival («La Gazzetta»).


Maria Stuarda 27

Zudem zeugen gerade Donizettis Opern von einem stark ausgeprägten Bewusstsein für das musikalische und dramaturgische Timing. Die kritische Neuausgabe zeigt, dass Maria Stuarda ursprünglich in zwei, und nicht, wie lange angenommen, in drei Akten konzipiert war. In Bezug auf die Handlung ist das nur logisch: Während der erste Akt kontinuierlich auf den grossen Höhepunkt der Oper, die Konfrontation zwischen den Königinnen Maria und Elisabeth, ausgerichtet ist, steht am Ende des zweiten Akts die Hinrichtung Marias, also wiederum ein ganz entscheidendes Ereignis. Innerhalb dieser grossen Spannungsbögen funktioniert die Belcanto-Oper immer durch den Wechsel zwischen retardierenden und dramatischen Momenten. In den Arien werden die gleichen Texte und gleichen Melodien so oft wiederholt, bis sich beim Hörer eine Vertrautheit einstellt. Ich vergleiche das gerne mit der Popmusik unserer Zeit: Auch Popsongs entfalten ihre Wirkung ja dadurch, dass man sie wiederholt hört und sich mit dem darin vermittelten Gefühl vertraut macht. Wenn bei Donizetti im Rezitativ darauf ein dramatischer Moment folgt, beispielsweise wenn Maria ihre Kontrahentin Elisabeth als Bastard beschimpft, dann wird der Zuhörer aus dem zuvor etablierten Gefühl herausgerissen und die Dramatik erreicht ihre grösste Wirkung. Hierin sehe ich übrigens einen entscheidenden Grund, warum die Belcanto-Opern lange Zeit nicht mehr gespielt wurden: Komponisten wie Puccini oder die Veristen interessierten sich nicht mehr für diese ständigen Wiederholungen. Für sie stand die kontinuierliche Entwicklung der Handlung im Vordergrund, bei ihnen passiert alles im Jetzt. Dass Donizetti nach Momenten grosser dramatischer Spannung gesucht hat, zeigt aber auch die ungewöhnliche Besetzung dieser Oper: Zwei rivalisierende Sopranstimmen, die über sämtliche Männerrollen dominieren, sind schon eine ausserordentliche Besonderheit! Enrique Mazzola

Hamida Kristoffersen als Anna Kennedy


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Serena Farnocchia Serena Farnocchia stammt aus der Toskana, gewann ver­ schiedene Gesangs­ wettbewerbe (darunter die «Luciano Pavarotti Competition» in Philadelphia) und war Mitglied des Opern­ studios am Teatro alla Scala in Mailand. Seither ist sie auf vielen italienischen und internationalen Opern­ bühnen zu Gast. In Zürich war sie zuletzt als Alice Ford («Falstaff»), Madama Cortese in Rossinis «Il viaggio a Reims» sowie in «Messa da Requiem» zu hören.

Manchen Sängerinnen, besonders den dramatischen Sopranen, sieht man ihren Beruf aus hundert Metern Entfernung an. Je näher sie dem Bühneneingang kommen, desto mehr strafft sich ihr Gang, ihr Blick funkelt von allen Annas und Elviras, Bolenas und Brünnhilden, den grossen Verzweifelten und den Königinnen, die sie schon gesungen haben und noch singen werden. Aber es gibt auch Antidiven, gut getarnt oder grundbescheiden, denen der Ahnungslose alle möglichen Jobs zutrauen würde, nur nicht den einer singenden Bühnenheldin. So eine ist die Frau, die, nicht gross, in einen warmen Mantel gehüllt, an mir vorbei über die Treppe an der Zürcher Falkenstrasse geeilt ist. «Könnte sie es sein?», habe ich mich beim Aufblicken gefragt. Eher nicht… Aber sie ist es, Serena Farnocchia. Eine Sopranistin, die einen sogar in Youtube-­ Häppchen und an einem PC mit dürftigen Lautsprechern voll erwischen kann mit ihrer schlackenlosen Dringlichkeit. Eine der zwei Königinnen, über die wir uns gleich unterhalten werden, nachdem ein freundlicher Dramaturg die Dame im Mantel für mich enttarnt hat. «Do you speak Italian?», fragt sie hoffnungsvoll und trägt es mit Fassung, dass sie auf ihr Englisch zurückgreifen muss. Dafür darf sie als Königin von England ja italienisch singen, als Elisabetta, jene legendäre Gestalt der Geschichte, vieler Dramen und Filme und eben auch der Oper Maria Stuarda, in der Elisabeth I. das Todesurteil der Rivalin Maria unterschreibt und sie, anders als in der historischen Realität, zuvor aufsucht. Dieses Treffen bahnt dann den Weg zum Richtplatz … «Die beiden sind sehr verschieden», meint Serena Farnocchia. «Maria hatte nicht so ein schwieriges Leben wie Elisabeth. Die muss demonstrieren, dass sie fähig ist, Königin zu sein. Maria ist eine schöne Frau und Elisabeth nicht, sie ist dafür härter, auch in der Oper kann man das hören. Marias Linien sind geschmeidiger, süsser, die von Elisabeth eher wild, mit viel Auf und Ab.» Sie selbst hat die Maria schon gesungen. Dagegen ist die Zürcher Elisabetta ihr Rollendebüt, bei dem ihr Diana Damrau gegenübersteht – zum zweiten Mal. Beide standen auch im Genfer Don Giovanni zusammen auf der Bühne, als die deutsche Sopranistin Donna Anna sang und ihre italienische Kollegin Elvira. «Mit diesen Rollen bei Mozart ist es so ähnlich wie mit den Königinnen bei Donizetti. Ich kann da meine wilde Seite zeigen.» Sie lacht, leise, nicht so ein durchdringendes Sängerlachen wie das vom Nebentisch in der Kantine. Die beiden Sopranistinnen verstehen sich offensichtlich besser als jene der Urauf­ führung in Neapel 1834. Bei einer Probe der später so berühmt gewordenen «Konfrontationsszene» fühlte sich die Darstellerin der Elisabetta von Marias flammend gesungen Vorwürfen persönlich beleidigt und ging auf sie los. Damals war Italien schon lange jenes «paese del bel canto», wo Oper im Mittelpunkt des Kulturlebens stand. In seinen letzten Blütejahren, den 1970ern, kam Serena Farnocchia zur Welt. Und dann auch zum Singen und auf die Bühne, nicht als Musikerkind und doch ganz selbstverständlich. «Oper war populär, dauernd liefen Opern im Radio, jeder kannte sie, nicht nur die Gebildeten. Mein Vater war Ambulanzfahrer und meine Mutter Schnei­derin, meine Grosseltern kamen vom Land; für sie alle war Oper etwas Vertrautes.» Serena sang in Pietrasanta, ihrem toskanischen Geburtsstädtchen, im Kinder­ kirchenchor. «Mit dem Chor waren wir beim Puccinifestival in Torre del Lago. Ich mochte es von Anfang an sehr, auf der Bühne zu sein, ein Kostüm zu tragen und etwas anderes als im normalen Leben zu tun.» Sie nahm Gesangsunterricht beim Bariton Gianpiero Mastromei – und arbeitete, als sie die Schule abgeschlossen hatte, in einer Schuhfabrik. Was für ein Sprung von da zum ersten grossen Wettbewerb! Ihre Mutter begleitete sie 1995 zur Luciano Pavarotti Competition nach Philadelphia. Als eine der jüngsten Preisträgerinnen kehrte Serena zurück – wie alt genau sie da


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war, das fragt man eine Sängerin natürlich nicht! –, und das ebnete ihr den Weg ins Opernstudio der Mailänder Scala. «Das war wohl der Punkt, an dem sich mein Leben änderte», sagt sie. Denn ein Jahr, nachdem sie an dieser Accademia für den Nachwuchs begonnen hatte, wurde sie von Maestro Riccardo Muti nach vorne an die Rampe geschubst: Als 1999 die schon legendäre Produktion des Don Giovanni in der Regie von Giorgo Strehler wieder aufgenommen wurde, war neben Stars wie Michele Pertusi und Anna Caterina Antonacci die junge Serena Farnocchia als Donna Anna zu erleben. Diesen 6. November vergisst sie nicht. «Das war ein erstaunlicher Abend, auch voller Angst. Ich hier, in der Scala! Aber die Kollegen waren sehr nett zu mir …» Zu ihren Idolen zählte neben Mirella Freni auch Renata Scotto, bei der sie Unterricht nahm. «Sie war sehr perfektionistisch mit der Intonation, dem Klang, dem Legato – aber mit Herz.» Das fehlt ihr mitunter bei den Sängern der Gegenwart. «Man singt jetzt more pure, sauberer, vielleicht, weil wir wollen, dass es perfekt klingt wie auf einer CD, aber die Stimmen sind einander ähnlicher. Und man gibt Sängern nicht mehr so viel Zeit, die Stimme wachsen zu lassen. Sie ändert sich wie der Körper. Wenn du anfängst, kannst du nicht Wagner singen. Mit 25 Jahren hätte ich nicht Butterfly und Manon Lescaut singen können. Jetzt tue ich das. Aber für viele geht es zu schnell. Und es ist schwer, nein zu sagen!» Was sie sich jetzt noch nicht zutraut, aber in naher Zukunft, sind die Titelrollen von Norma und Tosca, «und ich würde gerne etwas auf deutsch singen, zum Beispiel Elsa im Lohengrin. Aber die italienischen Sänger werden für Wagner nie gefragt. Ich weiss nicht, warum. Natürlich ist deutsch schwierig für uns, so wie Italienisch für Deutsche. Sie singen es nicht immer gut, aber sie tun’s, und jeder kann lernen. Bryn Terfel hat eine Aussprache wie ein Italiener, Diana Damrau auch!» So aber, wie Serena Farnocchia einen Namen wie Donna Anna ausspricht – nicht in zwei Worten und vier Silben, sondern legato, ein kleiner Bogen, in dem die «as» verschmelzen –, so kann das wohl nur eine, die im Land der Opern aufgewachsen ist. Einem Land, das es so nicht mehr gibt. «Italien geht nicht gut mit der Oper um, ich schäme mich, das sagen zu müssen.» Am Sinn des Musiktheaters, das dort erfunden wurde, hat sie nicht den geringsten Zweifel. «Alles daran ist echt. Es gibt kein Glas zwischen uns und dem Publikum. Und du kannst die Emotion im Klang der Stimme hören, du fühlst die Vibration der Schallwellen! Wenn man mit Kindern in die Oper geht, sind sie sehr berührt, es ist fast ein Schock für sie, was eine Person nur mit der Stimme machen kann. Ohne Mikro, ohne Technologie.» Wie hält sie es mit Kritik am Frauenbild in der Oper, am «Anachronismus» all der Opfer und Märtyrerinnen, denen sie ihre Stimme gibt? «In Florenz wurde jetzt das Ende von Carmen geändert», sagt sie. «Carmen tötet Don José, nicht umgekehrt. Ich würde gern erfahren, ob der Regisseur das wegen der political correctness machte … Dass Frauen von ihren Männern umgebracht werden, ist unglücklicherweise immer noch aktuell. Aber man ändert nicht die Gesellschaft, wenn man Carmen ändert.» Übrigens sei die Elisabetta in Donizettis Maria Stuarda eine Powerfrau, die durchaus auch feministischen Massstäben standhält: «Sie will keinen Ehemann, und sie will selbst über ihr Leben entscheiden.» Dass das eine das andere nicht ausschliesst, beweist Serena Farnocchias Ehe mit einem Korrepetitor. «Es ist gut, einen Pianisten im Haus zu haben», sagt sie lachend. Ihr Mann begleitet sie auf vielen Reisen, seit zwölf Jahren mit der gemeinsamen Tochter, soweit es die Schule erlaubt. Die hat schon als Fünfjährige die Partie der Maria Stuarda mitgelernt – in zensierter Fassung. Eigentlich beleidigt Maria ihre Gegnerin so: «Entweiht ist der englische Thron durch dich, abscheulicher Bastard! Vil bastarda!» Um das üble bastarda zu vermeiden, liess Serena ihre Kleine mostarda singen, Senf. «Ich muss das Video mal Diana zeigen», sagt sie, lacht, zieht den Mantel an und verwandelt sich wieder in eine unauffällige Zürcher Passantin. Volker Hagedorn

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Ronja Räuber­ tochter «Ronja Räubertochter» nach Astrid Lindgren erzählt die Geschichte eines starken Mädchens, das gegen alle Wider­ stände seinen eigenen Weg geht. Die Regisseurin Marie-Eve Signeyrole hat Jörn Arneckes Familienoper auf die Bühne ge­ bracht. Sie erzählt die bekann­te Geschichte ganz heutig, indem sie als Schauplatz die Ruinen einer vom Krieg oder einer Naturkatastrophe zer­ störten Stadt wählt. In dieser bedrohten Welt findet Ronja Halt bei ihren Freunden – vor allem bei Birk, mit dem sie gemeinsam die geheimnisvolle Unterwelt erkundet … . Weitere Vorstellungen 22, 25 April 2018


Fotos: Danielle Liniger


32 Die geniale Stelle

Schillernde Dissonanzen Einige Takte aus Igor Strawinskys »Le Sacre du printemps«

«Das Werk eines Wahnsinnigen!» – «Kakophonie!» – «Ein Machwerk von Idioten!» – Es ging hoch her am Abend des 29. Mai 1913 im nagelneuen Théâtre des Champs-Élysées. Herren im Frack zerbeulten ihren Nachbarn mit Faustschlägen den Zylinder, gingen wutentbrannt mit Spazierstöcken aufeinander los oder bliesen mit dicken Backen angestrengt in Trillerpfeifen, Damen in kostbarer Abendrobe wanden sich schreiend in Krämpfen oder lagen ohnmächtig zwischen den Sitzreihen, der Dirigent konnte wegen des Getöses das Orchester kaum noch hören. Die Uraufführung von Igor Strawinskys Le Sacre du printemps hatte sich zu einer gewaltigen Schlacht, einer heroischen Sternstunde im Kampf um die moderne Musik ausgewachsen. Heute zählt das Stück unumstritten zu den klassischen Meisterwerken des 20. Jahrhunderts, die Herrschaften, die damals so tapfer gegen diese Katzenmusik ankämpften, haben das wohl kaum so gesehen. Was sie an diesem denkwürdigen Abend hörten, schien ihnen gar keine Musik zu sein, erst recht keine meisterhafte, sondern sinnloser Lärm, dem sie mit kräftigem Radau den Garaus machen wollten. Was nahm sich dieser freche Russe auch heraus! Man betrachte nur den Anfang der Einleitung zum zweiten Teil, der dem Vernehmen nach auf ganz besondere, geradezu hysterische Ablehnung stiess! Was man hier zu hören bekommt, muss doch jeden ehrbaren Musikliebhaber zornig machen, dachten die Kenner damals: Ein d-Moll-Akkord wird als Orgelpunkt in extrem tiefer Lage von den Hörnern intoniert. Wie hört sich denn das an? Und damit nicht genug! Gleichzeitig spielen die Holzbläser in extrem hoher Lage abwechselnd dis- und cis-Moll-Akkorde! Keiner der grossen Komponisten der ruhmreichen französischen Ballett-Tradition wäre im Traum darauf verfallen, solche Harmonien niederzuschreiben und sie auf diese groteske Weise zu instrumentieren. Und nun kommt dieser Russe daher … Er muss verrückt sein. Mit Sicherheit hatte Strawinsky das Publikum provozieren, aus seiner satten Selbstzufriedenheit in der bequemen Reproduktion überholter Traditionen aufstören wollen, und die Saalschlacht zeigte, dass er sein Ziel erreicht hatte. Aber er wusste auch: Wenn die Wahrnehmung seines Stücks auf diesen Skandaleffekt beschränkt bliebe, würde es schon bald das Schicksal so vieler anderer Werke teilen, die einst grosses Aufsehen erregt hatten und dann schnell in der Versenkung verschwunden waren. Bei aller diebischen Freude am Spiesser-Ärgern – Strawinsky hatte doch mehr und Wichtigeres im Sinn, als er das Pariser Publikum mit seiner Vision eines Frühlingsrituals aus dem heidnischen Russland konfrontierte. Er wollte ein idealisiertes Porträt seines Volkes zeichnen, seiner urtümlichen Kraft, aber auch seiner Zartheit und tiefen Religiosität. Für diese Züge, die so gar nicht zum nach wie vor beliebten Klischee vom «wilden Russen» passen, erfindet Strawinsky die ungewöhnlichsten Klänge. Heute ist der Schockeffekt jener Anfangstakte des zweiten Teils verblasst. Wo die Zeitgenossen nur Kakophonie hörten, bewundern wir heute ein geniales Klanggemälde von betörender Schönheit. Der fremdartige Klang, die kühnen Akkordverbindungen versetzen uns in das mysteriöse Halbdunkel eines Waldes, in dem sich in flirrender Zartheit und betörender Schönheit das Wunder des erwachenden Frühlings vollzieht. Strawinsky schuf dafür eine Musik, die auf ebenso kühne wie suggestive Weise eine innige Naturverbundenheit schildert, die das alte Europa vielleicht tatsäch­ lich von den Völkern am Rand seiner Aufmerksamkeitssphäre lernen könnte. Werner Hintze



Luisa Miller Die Wiederaufnahme von Verdis Oper «Luisa Miller» nach Schillers berühmtem Drama «Kabale und Liebe» vereint ein exquisites Solistenensemble: In der Titelrolle präsentiert sich zum ersten Mal an unserem Hause die georgische Sopranistin Nino Machaidze. Als ihr Vater Miller ist einmal mehr Leo Nucci in einer seiner Paraderollen zu erleben. Der amerikanische Tenor Matthew Polenzani verkörpert Rodolfo, Luisas Geliebten. Wiederaufnahme 12 April 2018 Weitere Vorstellungen 15, 21, 24, 27, 29 April 2018


Fotos: Suzanne Schwiertz


36 Meine Rolle

Diabolisch und komisch

Der Bassist Wenwei Zhang gehört seit der Spielzeit 2014/15 zum Ensemble des Opernhauses Zürich. Erst kürzlich sang er mit grossem Erfolg den Klingsor in der Wiederaufnahme von Wagners «Parsifal». Ausserdem war er bereits als Banco in «Macbeth», als Sarastro in der «Zauberflöte» und vielen weiteren Produktionen am Opernhaus zu erleben.

Als ich mit 13 Jahren meinen ersten Gesangsunterricht bekam, dachte ich nicht einmal im Traum daran, Opernsänger zu werden. Man könnte ja meinen, dass die Oper europäischer Prägung in China weit weg ist. Aber das ist nicht so. Ich stamme aus Dalian, einer Hafenstadt auf der Halbinsel Liaodong ganz im Nordosten Chinas. Dort ist – wie auch im restlichen China – das Interesse an europäischer Oper sehr gross, immer mehr Opernhäuser werden gebaut. Wenn man an einer Musikhochschule Gesang studieren möchte, stehen die Chancen nicht schlecht; zwar muss man eine schwierige Aufnahmeprüfung absolvieren, aber da es sehr viele Ausbildungsplätze gibt, ist es einfacher als in Europa, einen Platz zu bekommen. Allerdings ist die Ausbildung selbst nicht so gut, so dass viele Studenten nach ihrem Abschluss nach Europa gehen, um sich weiterzubilden. Und viele kommen danach wieder zurück nach China, um ihr Wissen weiterzugeben. 2005 stand ich zum ersten Mal auf der Bühne, ich sang Zuniga in Carmen in Shanghai. Da hat mich das Bühnenfieber gepackt: Seit dieser Erfahrung wollte ich alles dafür tun, um Opernsänger zu werden! Nach meinem Studium in Guangzhou war ich Stipendiat am Centre National d’Insertion Professionnelle d’Artistes Lyriques in Marseille. Meine erste Begegnung mit der Musik von Giuseppe Verdi hatte ich dann 2011 an der Oper in Bordeaux, wo ich Ferrando in Il trovatore sang. Seitdem singe ich sehr viel Verdi. Partien wie der Grossinquisitor und König Philipp in Don Carlos, Ramfis in Aida und natürlich Banco in Macbeth, den ich auch hier am Opernhaus Zürich in der Inszenierung von Barrie Kosky gesungen habe, sind perfekt für meine Stimme. Deshalb freue ich mich auch sehr auf den Wurm in Luisa Miller. Er hat zwar keine eigene Arie, ist aber an fast allen Ensembleszenen beteiligt und zieht sich als Figur durch das ganze Stück. Technisch gesehen ist die Rolle nicht schwierig für mich zu singen. Diese Figur glaubwürdig auf die Bühne zu bringen, ist schon schwieriger, aber auch eine tolle Herausforderung, die mir wirklich grossen Spass macht, denn ich liebe es, solche Rollen auf der Bühne darzustellen! Wurm ist ein richtiger Bösewicht, ein furchtbarer Intrigant, der Luisa nicht liebt (und vielleicht auch gar nicht fähig ist zur Liebe), aber sie trotzdem um jeden Preis besitzen will. Er geht dafür buchstäblich über Leichen und ruft sogar die Hölle an, ihm beizustehen. Auch verfolgt ihn eine düstere Vergangenheit: Gemeinsam mit dem Grafen Walter hat er schon einmal einen Mord begangen, um Walter die Macht zu sichern. In dieser Rolle sind Elemente des Bösen mit Elementen des Komischen verbunden. Das Diabolische und das Komische halten sich die Waage. Die Oper Luisa Miller geht zwar auf das Schauspiel von Schiller zurück, doch in Bezug auf Wurm fühlt man sich fast noch mehr an Figuren aus den Dramen Shakespeares erinnert. Und in gewisser Weise ist Wurm sogar ein Vorläufer des Hofnarren Rigoletto! Doch im Gegensatz zu Rigoletto wird Wurm am Schluss des Stückes nicht mit dem Tod seiner geliebten Tochter bestraft, sondern muss mit seinem eigenen Tod für seine Untaten bezahlen. Wenwei Zhang

Illustration: FLAG Aubry Broquard

Wenwei Zhang singt den Wurm in Verdis «Luisa Miller»



38 Fragebogen

Robert Pickup Aus welcher Welt kommen Sie gerade? Aus der Welt des Übens! Ich übe Mozarts Klarinettenkonzert momentan sehr viel. Auf was freuen Sie sich am meisten, wenn Sie Mozarts Klarinettenkonzert spielen? Ich spiele das Klarinettenkonzert jetzt zum ersten Mal auf einem historischen Instrument. Mozart hat das Stück für Anton Stadler komponiert, und Andreas Schöni aus Bern hat für mich einen Nachbau von Stadlers Bassett­ klarinette angefertigt. Ich kenne das Konzert natürlich sehr gut, aber auf dem neuen (alten!) Instrument ist es für mich wie ein neues Stück. Welches Bildungserlebnis hat Sie besonders geprägt? Ich habe während meiner gesamten Kindheit in einem Kirchenchor ge­ sungen. Wir haben zwei Gottesdienste pro Woche begleitet, mit verschiedenen Programmen. Ich habe dort Musik von der Renaissance bis zur Moderne erlebt und dabei sehr viel gelernt.

über Oscar Petersons «swinging Trio» kreiert. Welchen überflüssigen Gegenstand in Ihrer Wohnung lieben Sie am meisten? Ich habe 17 Klarinetten zuhause… Mit welchem Künstler würden Sie gerne essen gehen, und worüber würden Sie reden? Mit dem Komiker Trevor Noah. Er ist halb Schweizer, halb Xhosa (das ist ein südafrikanisches Volk) und in Süd­ afrika zur Zeit der Apartheid aufge­ wachsen. Ich selbst komme aus Pretoria. Trevor Noah scheint die verschiedenen Kulturen des Landes von innen her zu verstehen, weshalb er sich über uns alle lustig machen darf! Ich würde gerne mehr darüber hören, was ihn zu seinem tiefen Verständnis für die Menschen und seiner faszinierenden Weltanschauung geführt hat. Nennen Sie drei Gründe, warum das Leben schön ist! Charlene, Nicola und Claire (meine Frau und meine 2 Töchter)!

Welches Buch würden Sie niemals aus der Hand geben? Thich Nhat Hanh: Das Wunder der Achtsamkeit. Thich Nhat Hanh ist ein vietnamesischer buddhistischer Mönch, Schriftsteller und Lyriker und einer der weisesten Menschen der Welt. Seine Anweisungen im Buch sind sehr ein­fach, haben aber eine grosse Wirkung. Welche CD hören Sie immer wieder? Stan Getz mit dem Oscar Peterson Trio. Ich bin immer wieder erstaunt, wie Jazzmusiker improvisieren können. Die Musiker bis zu und während Mozarts Zeit haben auch improvisiert, und ich denke, es ist eine Fähigkeit, die den heutigen klassischen Musikern fehlt. Was ich an dieser CD besonders mag, ist die Art und Weise, wie Stan Getz die lyrischsten Melodien

Robert Pickup ist seit 1999 Soloklarinettist in der Philharmonia Zürich und im Orchestra La Scintilla. Er spielt zudem in verschiedenen Orchestern als Gast und tritt in Kammermusikformationen wie dem Ensemble Labyrinth und La Scintilla dei Fiati auf. Ursprünglich stammt er aus Süd­afrika. Im 6. Philharmonischen Konzert am Sonntag, 22. April ist er der Solist in Mozarts Klarinettenkonzert.


Kalendarium 39

März 2O18 28 Mi Der fliegende Holländer

20.00

Oper von Richard Wagner Preise E

31 Sa Führung Opernhaus 14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Der fliegende Holländer 18.00

Oper von Richard Wagner Preise H, AMAG Volksvorstellung

April 2O18 Mo Petruschka / Sacre 2

14.00

Choreografien von Marco Goecke und Edward Clug Musik von Igor Strawinsky Sonntag-Abo A, Preise C

Petruschka / Sacre 19.30

Choreografien von Marco Goecke und Edward Clug Musik von Igor Strawinsky Preise H, AMAG Volksvorstellung

Mi 4  Liederabend Michael Volle

19.00

Helmut Deutsch, Klavier Franz Schubert «Winterreise» Lieder-Abo Do 5  Petruschka / Sacre

19.00

Choreografien von Marco Goecke und Edward Clug Musik von Igor Strawinsky Ballett-Abo Gross, Preise C

6  Führung Bühnentechnik Fr

16.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Emergence

19.00

Choreografien von Sol León / Paul Lightfoot und Crystal Pite Ballett-Abo klein, Preise B

Sa 7  Führung Opernhaus

14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Märchen auf dem Klangteppich «Eulenglück»

15.30

Für 4- bis 6-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 15

Emergence

19.00

Choreografien von Sol León / Paul Lightfoot und Crystal Pite Misch-Abo C, Preise B

So 8  Ballettgespräch

11.15

Zu Themen aus der Welt des Tanzes Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

So Brunchkonzert 8

11.15

«Belcanto ohne Worte» Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch im Restaurant Belcanto Spiegelsaal, CHF 60

Märchen auf dem Klangteppich «Eulenglück»

15.30

Für 4- bis 6-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 15

Maria Stuarda Premiere

19.00

Oper von Gaetano Donizetti Premieren-Abo A, Preise G

Mo Lunchkonzert 9

12.00

«Belcanto ohne Worte» Kammermusik am Mittag Spiegelsaal, CHF 20

11 Mi Maria Stuarda

19.00

Oper von Gaetano Donizetti Premieren-Abo B, Preise F

12 Do Luisa Miller Wiederaufnahme

19.00

Oper von Giuseppe Verdi Donnerstag-Abo B, Preise E

13 Fr Nussknacker und Mausekönig

19.00

Ballett von Christian Spuck nach dem gleichnamigen Märchen von E.T.A. Hoffmann Musik von Pjotr Tschaikowski, Misch-Abo B, Preise D

14 Sa Führung Opernhaus 14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Ballette entdecken «Emergence»

14.30

Für 7- bis 12-Jährige (ohne Begleitung von Erwachsenen), Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Unterwegs mit Ohrwurm Squillo

14.30

Für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Führung Maskenbildnerei 15.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Maria Stuarda

19.00

Oper von Gaetano Donizetti Samstag-Abo, Preise F

15 So Luisa Miller

14.00

Oper von Giuseppe Verdi Preise H, AMAG Volksvorstellung

Nussknacker und Mausekönig

20.00

Ballett von Christian Spuck nach dem gleichnamigen Märchen von E.T.A. Hoffmann Musik von Pjotr Tschaikowski Sonntag-Abo D, Preise D


40 Kalendarium

17 Di Maria Stuarda 19.00

22 So Einführungsmatinee «Faust – Das Ballett»

Oper von Gaetano Donizetti Dienstag-Abo C, Preise F

11.15

Ronja Räubertochter

2O Fr Maria Stuarda 19.00

14.00

Oper von Gaetano Donizetti Freitag-Abo B, Preise F

21 Sa Ballett-Führung mit Mini-Workshop

14.30

Für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Familienworkshop «Emergence» 14.30

Für 7- bis 12-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Führung Opernhaus 15.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Familienworkshop «Emergence»

14.30

Für 7- bis 12-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Mozart

19.30

10.00

Oper von Giuseppe Verdi Verdi-Abo, Italienische Oper-Abo, Preise E

22 So Brunchkonzert

11.15

Familienoper von Jörn Arnecke für Kinder ab 8 Jahren Preise K

6. Philharmonisches Konzert / 3. La Scintilla-Konzert Raphaël Pichon, Dirigent, Orchestra La Scintilla Konzert-Abo, La Scintilla-Abo, Barock-Abo, Mozart-Abo, Preise P1

23 Mo Tube-Opera «Werther»

Luisa Miller 19.30

Bernhard Theater, CHF 10

«Dresdner Hofmusik» Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch im Restaurant Belcanto Spiegelsaal, CHF 60

Ferienworkshop, für 12- bis 18-Jährige

Lunchkonzert

12.00

«Dresdner Hofmusik» Kammermusik am Mittag, Spiegelsaal, CHF 20

24 Di Luisa Miller

19.00

Oper von Giuseppe Verdi Dienstag-Abo B, Misch-Abo A, Preise E

DIE OPER KOMMT INS KINO

DON PASQUALE

DO 19.04.2018, 20.00 UhR

ARThOUSE LE PARIS LIVE

AUS DER MAILäNDER SCALA OPER IN 3 AKTEN VON GAETANO DONIzETTI

Mit: AMBROGIO MAESTRI, ROSA FEOLA, RENé BARBERA, MATTIA OLIVIERI Dirigent: RICCARDO ChAILLy regie: DAVIDE LIVERMORE Dauer: 2 h 25 Min, mit Pause – Deutsche Untertitel Preise: Preise: ChF 42.– / 40.– (AhV, Legi), ChF 36.– (Arthouse Kinokarte)

Mi 16. 05. 2018, 20.00 Uhr: LE CORSAIRE, L I V E aus der Mailänder Scala Do 07. 06. 2018, 19.45 Uhr: BORIS GODUNOV, L I V E aus der Opéra de Paris STADELHOFEN

Weitere KinOpera Termine unter www.arthouse.ch / kinopera Mit der Kinokarte.ch günstiger auch an die Live-Events: www.arthouse.ch / kinokarte

TEL. 044 250 55 60

Auch unsere Partner sind Filmlovers:


Kalendarium 41

25 Mi Ronja Räubertochter

19.00

Familienoper von Jörn Arnecke für Kinder ab 8 Jahren, Preise K

26 Do Maria Stuarda 20.00

Oper von Gaetano Donizetti Donnerstag-Abo A, Preise F

27 Fr Führung Bühnentechnik 16.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Luisa Miller

19.00

Oper von Giuseppe Verdi Freitag-Abo A, Preise E

28 Sa Faust – Das Ballett Premiere

19.00

Ballett-Uraufführung von Edward Clug Musik von Milko Lazar Premieren-Abo A, Preise D

29 So Maria Stuarda

14.00

Oper von Gaetano Donizetti Sonntag-Abo B, Preise F

Luisa Miller

20.00

Oper von Giuseppe Verdi Sonntag-Abo C, Preise E

30 Mo Führung Kostümabteilung 15.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Mai 2O18 Di Liederabend Sonya Yoncheva 1

19.00

Antoine Palloc, Klavier Lieder von Giacomo Puccini, Giuseppe Verdi, Giuseppe Martucci u.a., Lieder-Abo, CHF 60

Mi 2  Maria Stuarda

19.00

Oper von Gaetano Donizetti Mittwoch-Abo B, Italienische Oper-Abo, Preise F

Fr Emergence 4

19.00

Choreografien von Sol León / Paul Lightfoot und Crystal Pite Preise B

5  Führung Maskenbildnerei Sa

15.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Unterwegs mit Ohrwurm Squillo 15.30

Für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

La finta giardiniera Premiere

19.30

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Verkauf über das Theater Winterthur, Theater Winterthur

Maria Stuarda

20.00

Oper von Gaetano Donizetti Belcanto-Abo, Preise F

So 6  Faust – Das Ballett

14.00

Ballett von Edward Clug Musik von Milko Lazar Premieren-Abo B, Preise C

Faust – Das Ballett

19.30

Ballett von Edward Clug Musik von Milko Lazar Preise H, AMAG Volksvorstellung

Di 8  La finta giardiniera

19.30

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Verkauf über das Theater Winterthur, Theater Winterthur

Mi 9  Maria Stuarda

19.30

Oper von Gaetano Donizetti Mittwoch-Abo A, Preise F

1O Do Werther Wiederaufnahme

14.00

Oper von Jules Massenet Preise H, AMAG Volksvorstellung

Faust – Das Ballett

20.00

Ballett von Edward Clug Musik von Milko Lazar Donnerstag-Abo B, Preise C

Fr Emergence 11

19.00

Choreografien von Sol León / Paul Lightfoot und Crystal Pite Preise B

12 Sa Führung Opernhaus 14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Maria Stuarda

19.00

Oper von Gaetano Donizetti Misch-Abo A, Preise F

13 So Einführungsmatinee «La forza del destino» 11.15

Werther

14.00

Oper von Jules Massenet Sonntag-Abo A, Preise E

La finta giardiniera

14.30

Bernhard Theater, CHF 10

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Verkauf über das Theater Winterthur, Theater Winterthur

Faust – Das Ballett

20.00

Ballett von Edward Clug Musik von Milko Lazar Sonntag-Abo C, Ballett-Abo klein, Preise C


42 Kalendarium

16 Mi La finta giardiniera 19.30

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Verkauf über das Theater Winterthur, Theater Winterthur

18 Fr Werther 19.00

Oper von Jules Massenet Französische Oper-Abo, Misch-Abo C, Preise E

La finta giardiniera

19.30

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Verkauf über das Theater Winterthur, Theater Winterthur

19 Sa Führung Opernhaus 14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Ballett-Führung mit Mini-Workshop

14.30

Für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

26 Sa Emergence

19.00

Choreografien von Sol León / Paul Lightfoot und Crystal Pite Preise B

27 So Brunchkonzert

11.15 «Volksmelodien» Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch im Restaurant Belcanto Spiegelsaal, CHF 60

Familienworkshop «Turandot»

14.30

Für 7- bis 12-Jährige und ihre Eltern, Studiobühne Opernhaus, CHF 20

La forza del destino Premiere

19.00

Oper von Giuseppe Verdi Premieren-Abo A, Preise F

28 Mo Lunchkonzert

Führung Maskenbildnerei

12.00 «Volksmelodien» Kammermusik am Mittag Spiegelsaal, CHF 20

Turandot Wiederaufnahme

15.00

19.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Oper von Giacomo Puccini Verismo-Abo, Italienische Oper-Abo, Preise F

21 Mo Faust – Das Ballett 14.00

Ballett von Edward Clug Musik von Milko Lazar Preise C

Opera Nova Konzert

19.00

Sonderkonzert mit dem Ensemble Opera Nova Musikalische Leitung Fabio Luisi Studiobühne Opernhaus, CHF 50

Werther

19.30

Oper von Jules Massenet Preise E

Liederabend Mauro Peter

19.00

Helmut Deutsch, Klavier Lieder von Franz Schubert und Franz Liszt Lieder-Abo, CHF 60

29 Di Werther

19.00

Oper von Jules Massenet Kombi-Abo, Preise E

3O  Mi La forza del destino

19.00

Oper von Giuseppe Verdi Premieren-Abo B, Preise E

31 Do Turandot

19.00

Oper von Giacomo Puccini Donnerstag-Abo A, Preise F

23 Mi Faust – Das Ballett

20.00

Ballett von Edward Clug Musik von Milko Lazar Mittwoch-Abo B, Preise C

24 Do Werther

19.30

Billettkasse +41 44 268 66 66 www.opernhaus.ch

Oper von Jules Massenet Freitag-Abo A, Preise E

25 Fr Turandot

19.00

Oper von Giacomo Puccini Freitag-Abo B, Preise F

26 Sa Führung Opernhaus 14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Familienworkshop «Turandot»

14.30

Für 7- bis 12-Jährige und ihre Eltern Studiobühne Opernhaus, CHF 20

Das Opernhaus Zürich für Kurzentschlossene: Am Opernhaustag erhalten Sie 50% Ermässigung für die gleichentags stattfindende und gekennzeichnete Vorstellung. www.opernhaus.ch/opernhaustag Unterstützt von Swiss Re

Die Werkeinführung findet jeweils 45 Min. vor der Hauptbühnen-Vorstellung bzw. den Philharmonischen Konzerten statt.


Serviceteil 43

Impressum

Sponsoren

Magazin des Opernhauses Zürich Falkenstrasse 1, 8008 Zürich www.opernhaus.ch T + 41 44 268 64 00

Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie den Beiträgen der Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Zug und Aargau im Rahmen der interkanto­n alen Kulturlastenvereinbarung und den Kantonen Nidwalden und Obwalden.

Intendant Andreas Homoki Generalmusikdirektor Fabio Luisi Ballettdirektor Christian Spuck Verantwortlich Claus Spahn Sabine Turner Redaktion Beate Breidenbach Kathrin Brunner Fabio Dietsche Michael Küster Claus Spahn Gestaltung Carole Bolli Florian Streit Fotografie Danielle Liniger Florian Kalotay Bildredaktion Christian Güntlisberger Anzeigen Andrea Zahler Schriftkonzept und Logo Studio Geissbühler Druck Multicolor Print AG Illustrationen Anita Allemann FLAG Aubry Broquard

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Evelyn und Herbert Axelrod

junger Musiker und Musikerinnen

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Sir Peter Jonas

Zürcher Kantonalbank

Richards Foundation Luzius R. Sprüngli

MAG, das OpernhausMagazin, erscheint zehnmal pro Saison und liegt zur kostenlosen Mitnahme im Opernhaus aus. Sie können das Opernhaus-­ Magazin abonnieren: zum Preis von CHF 38 bei einer inländischen Adresse und CHF 55 bei einer ausländischen Adresse senden wir Ihnen jede Ausgabe druckfrisch zu. Bestellungen unter: T +41 44 268 66 66 oder tickets@opernhaus.ch.

Allreal Ars Rhenia Stiftung Familie Thomas Bär Berenberg Schweiz Beyer Chronometrie AG Elektro Compagnoni AG Stiftung Melinda Esterházy de Galantha Fitnessparks Migros Zürich Fritz Gerber Stiftung Gübelin Jewellery Egon-und-Ingrid-Hug-Stiftung Walter B. Kielholz Stiftung KPMG AG LANDIS & GYR STIFTUNG Juwelier Lesunja Lindt und Sprüngli (Schweiz) AG


44 Auf dem Nachhauseweg

Anders als sonst hat sich Frau Mani von niemandem verabschiedet, sie läuft nach der Vorstellung gedankenversunken über den Sechseläutenplatz, hält in der Mitte unvermittelt an und holt tief Luft, ein paar Mal, wie zur Vergegenwärtigung ihrer selbst nach diesem Erlebnis. Was war das eben? Hastig holt sie das gefaltete Kalendarium aus der Tasche. Sie muss sich diesen Idomeneo nochmals ansehen gehen. Sie setzt sich auf einen der Stühle, die in grosser Zahl auf dem Platz verstreut stehen, schaut lange vor sich hin, auf den steinernen Boden, der, dem tiefen Himmel folgend, stellenweise dunkel wird. Ob es angefangen hat zu regnen? In ihrer länglichen Schrift hatte sie am Nachmittag Notizen zu Mozart gemacht, es behagt ihr, sich bei Gelegenheit handschriftliche Notizen zu machen, schöne Gedankenstützen anzufertigen. Mozart habe bei seinen Konzerten praktisch immer auch improvisiert, so lautet Frau Manis Notiz. Schon als Kind habe er improvisiert. Das Publikum hat seine Kompositionen und seine Interpretationen bewundert. Sobald er aber anfing zu improvisieren, konnten sich die Leute vor Begeisterung kaum mehr halten. Dieser Gedanke hat Frau Mani sehr gefallen. Ein Kind, das mit seinem Publikum in bester Absicht spielt, Possen reisst und so die Dämme einbrechen lässt, ist auch als Wunderkind besser greifbar. Eigentlich wohnt alles Geniale dem Kindlichen inne, denkt Frau Mani. Und nun Idomeneo, eine tragédie lyrique in italienischer Sprache, 1781 in München uraufgeführt; Mozart war damals 25 Jahre alt und sein Vater hatte ihn gebeten, beim Komponieren das Zugängliche nicht zu vergessen, herabzusteigen aus seinen manchmal zu hohen Sphären und auch die langen Ohren zu kitzeln. Frau Mani hat versucht, Idomeneo auf ihre instinktive Weise zu fassen zu bekommen. Sie kannte dieses Werk, zumindest stellenweise, vor allem die sanfte Chorarie «Placido è il mar, andiamo» und Elektras Wahnsinnsarie «D’Oreste, d’Ajace» hat sie dutzende Male gehört, mit unterschiedlicher Besetzung. Nun aber hat sie die Oper in ihrer ganzen Länge erlebt, in einem Aufzug fast schon … war da überhaupt eine Pause? Frau Mani denkt nach. Sie konnte sich keiner Unterbrechung erinnern, Stück um Stück hat sich alles, was Frau Mani bereits davon kannte, zusammengesetzt zu einem fortwährenden Ganzen. Ein wunderschönes Aufleuchten, in seiner Vollkommenheit so sehr wahrhaftig, dass man an der eigenen Erinnerung zu zweifeln beginnt. «Aber wen haben wir denn da?», ertönt es fröhlich in Frau Manis Rücken. «Das ist Frau Mani, die musst du unbedingt kennenlernen.» Als sie sich umdreht, erblickt Frau Mani ihre Freundin, die gute Frau Andermatt, an der Hand ein kleiner Junge, dick eingepackt. «Wir waren eben bei Mozart», sagt Frau Andermatt, «mein Enkelsohn Beat ist hin und weg.» Frau Mani schaut neugierig in das ernste Kindergesicht. «Wie alt bist du, Beat?» «Er ist acht. Und er spielt ausgezeichnet Klavier: Bach, Mozart. Wenn ich ihm zuhöre, kommen mir die Tränen.» «Bravo», sagt Frau Mani und erblickt aus den Augenwinkeln das einfahrende Tram. Frau Andermatt und ihr Enkel­ sohn begleiten sie zur Haltestelle. «Es ist nicht so, dass wir Beat unter Druck setzen», sagt Frau Andermatt, «er hat wirklich Spass daran!» «Spass ist wichtig», sagt Frau Mani und lächelt. «Hast Du denn die Oper auch verstanden?», fragt sie den Jungen. «Nicht ganz, obwohl mir Grossmutter alles erklärt hat», sagt er ernst. «Aber ich habe die Musik gehört, und die war super.» Frau Andermatt zwinkert Frau Mani zu und geht mit dem kleinen Jungen ab. Noch bevor das Tram hält, will Frau Mani etwas notieren. Die Hand mit dem Kugelschreiber auf das Programmheft abgestützt, möchte sie ihren Gedanken von vorhin auf dem Stuhl weiterdenken. Sie schliesst die Augen. Dass sie später die Haltestelle verpasst, macht ihr nichts, gar nichts, aus. Dana Grigorcea

Illustration: Anita Allemann

Wie Mozart improvisieren


DU|ETT, DAS KOMPOSITION FÃœR ZWEI SINGSTIMMEN MIT INSTRUMENTALBEGLEITUNG; AUCH BEKANNT ALS KOMBINATION VON LACHS UND RIND TATAR, BEGLEITET VON TOAST UND BUTTER.


Save the seat Mitte April beginnt der Aboverkauf fßr die Saison 18/19. Schnell sein und Plätze sichern! www.opernhaus.ch/abo


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