MAG 73: Belshazzar

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MAG 73

Jakub Jรณzef Orliล ski singt Cyrus


Der vollelektrische ID.3 Jetzt informieren

Seriennahe Studie


Editorial

Leuchtender Opernherbst Verehrtes Publikum,

MAG 73 / Nov 2019 Das Titelbild zeigt Jakub Józef Orliński, der den Cyrus in «Belshazzar» singt. Lesen Sie ein Porträt über ihn auf Seite 26. (Foto Florian Kalotay)

mit Georg Friedrich Händel kam der Erfolg. Vor allem seine Werke waren es, die dazu führten, dass in den vergangenen vierzig Jahren die Barockoper einen festen Platz im Repertoire vieler Opernhäuser eroberte. Eine ganze Stilepoche wurde nicht zuletzt durch Händels Opern wiederbelebt. Zu Recht, denn Händel war ein ausgefuchster Thea­traliker, der genau wusste, wie man das Publikum mit szenischem Spektakel und Bravourarien in Hysterie versetzte. Und er war ein genialer Komponist, der mit seiner Musik den Figuren immer ein bisschen tiefer in die Seele blickte als die meisten seiner Zeitgenossen. Der Händel-Boom machte Lust auf weitere Komponisten-Entdeckun­ gen aus dem Barockzeitalter. Deshalb haben wir in den vergangenen Jahren nach span­nenden Opernprojekten jenseits von Händel gesucht und Werke von Antonio Vivaldi, Henry Purcell, Marc-Antoine Charpentier oder Jean-Philippe Rameau auf den Spielplan gesetzt. Aus dem Blick verloren haben wir George Frederic, den Gros­sen, allerdings nicht: Nun hat wieder ein Werk von ihm bei uns Premiere, allerdings keine Oper, sondern die szenische Version seines Oratoriums Belshazzar. Als sich Mitte des 18. Jahrhunderts die Begeisterung der Londoner für die italie­ nische Oper empfindlich abkühlte, wandte sich Händel der Oratoriumsform zu. Sein Theaterblut musste er dabei nicht verleugnen, im Gegenteil: Er konnte nun grosse Chöre in das musikdramatische Geschehen einbeziehen, und die alttestamenta­rischen Stoffe, die er in seinen Oratorien komponierte, waren farbig und kontrast­reich, voll von Tragik und letzten Fragen nach dem Menschsein. Die Ora­torien wurden zu Händels Lebzeiten zwar konzertant aufgeführt, theatralisch waren sie dennoch. Die Dramen spielten nun im Kopf der Zuhörer. Ein packendes Bühnenwerk ist deshalb auch Belshazzar, das der Berliner Regisseur Sebastian Baumgarten mit der ganzen Lust am prallen Theater, für die er bekannt ist, inszenieren wird. Die passenden Stimmen für ein Händel-Spektakel haben wir ebenfalls gefunden mit unserem Ensemblemitglied Mauro Peter in der Titelrolle des Belshazzar, der kanadischen Sopranistin Layla Claire als Belshazzars Mutter Nitocris und der norwegischen Mezzo­sopranistin Tuva Semmingsen in der Partie des jüdischen Sehers Daniel. Sein Zürcher Haus-Debüt gibt der neue Shootingstar unter den Countertenören Jakub Józef Orliński als Cyrus, der derzeit mit Preisen geradezu überschüttet wird. Innerhalb einer Woche wurde er mit einem Opus-Klassik-Preis aus­gezeichnet und in London zum «Gramophone Young Artist of the Year» gekürt. Am Dirigentenpult steht mit Laurence Cummings ein Experte im englischen Repertoire. Mehr Händel geht nicht. Belshazzar ist allerdings nicht die einzige Premiere, die in den nächsten Wochen auf Sie wartet. Wir bereiten gleichzeitig, wie jedes Jahr im Herbst, eine neue Fa­mi­ lienoper für Sie vor. Coraline des bekannten englischen Komponisten Mark-Anthony Turnage basiert auf einem Stoff, der noch nicht so bekannt ist wie viele andere Familienopern, die wir in der Vergangenheit gespielt haben, aber dafür eine umso spannendere Geschichte um das heranwachsende Mädchen Coraline erzählt, das zu Hause durch eine geheimnisvolle Tür in eine Parallelwelt gerät, in der alle viel netter und zuvorkommender sind als in ihrer anstrengenden wirklichen Familie. Aber es gibt eine Kleinigkeit, die einen grossen, unheimlichen Unterschied ausmacht: Alle, denen Coraline begegnet, sind Knöpfe auf ihre Augen genäht... Inszeniert wird die Familien­ oper von der jungen Schweizer Regisseurin Nina Russi. Freuen Sie sich also auf einen leuchtenden Opernherbst, zu dem auch eine Reprise von Verdis Messa da Requiem in der Ballettversion von Christian Spuck gehört. Claus Spahn

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Was uns mit Musikern verbindet, ist die Liebe ZUR PERFEKTEN KOMPOSITION.

DAS IST CLARIANT: LEIDENSCHAFTLICHER FÖRDERER DER KÜNSTE

Das perfekte Zusammenspiel von Harmonie, Tempo und Rhythmus erschafft Musik, die uns alle bewegt. Fast wie bei uns: Denn wenn wir etwas bewegen wollen, entstehen aus Engagement, Know-how und Forschung innovative Lösungen für die Spezialchemie, die Emissionen senken, Rohstoffe sparen – und nachhaltig Wert schaffen. Das ist uns wichtig.


Inhalt

16 Der Mythos Babylon hat auch heute noch grosse Kraft. Regisseur Sebastian Baumgarten bringt das Oratorium «Bel­shazzar» auf die Bühne. 22 Dirigent Laurence Cummings im Gespräch über Händels Kopfkino. 26 Er ist ein Shootingstar unter den Countertenören: Jakub Józef Orliński singt zum ersten Mal am Opernhaus. 30 Ein ziemlich mutiges Mädchen! Nina Russi über die Familienoper «Coraline».

Opernhaus aktuell – 6,  Drei Fragen an Andreas Homoki – 7, Wie machen Sie das, Herr Bogatu? – 9,  Volker Hagedorn trifft … – 26,  Meine Rolle – 36,  Die geniale Stelle – 39,  Der Fragebogen – 40,  Kalendarium – 41,  Beni Bischof erklärt … – 44

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Nie gehörte Cello-Töne Wie klingt ein Cello, wenn man die Saiten mit dem Holz statt mit dem Bogenhaar streicht, den Steg re­sonieren lässt oder den Bogen längs statt quer über die Saiten führt? Man kann das in Helmut Lachenmanns «Mädchen mit den Schwefelhölzern» hören, das bei uns gerade mit grossem Erfolg als Ballett zu er­leben ist. Der Komponist experi­mentiert mit solchen Spiel­techniken auch in seinem Stück «Pression für einen Cellisten», das unser Solo-­Cellist Lev Sivkov im Gesprächskonzert mit Helmut Lachen­mann am 8. November aufführen wird. Der Fotograf Michael Sieber hat Lev beim Üben genau auf die Finger geschaut.



Opernhaus aktuell

1. Philharmonisches Konzert «Beethoven / Wagner»

Leonidas Kavakos Das Fachmagazin «The Strad» adelte ihn zum «Geiger der Geiger», er war unlängst «artist-in-residence» beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks sowie «artiste étoile» beim Lucerne Festival – der Grieche Leonidas Kavakos gehört unbestritten zu den bedeutendsten Musikerpersönlichkeiten unserer Zeit. Am Opernhaus Zürich interpretiert er unter Leitung des Generalmusikdirektors Fabio Luisi das Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 61 von Ludwig van Beethoven. Anschliessend bringen die MusikerInnen der Philharmonia Zürich die faszinierende Welt von Richard Wagners Ring des Nibelungen zum Klingen. Henk de Vliegers Arrangement The Ring – An Orchestral Adventure führt in einer knappen Stunde durch Schlüsselszenen und musikalische Höhepunkte von Wagners monumentaler Tetralogie: Von den Gold schmiedenden Nibelungen über den Ritt der Walküren bis hin zu Siegfrieds Rheinfahrt und dem grossen Brand der Götterburg Walhall. Sonntag, 10 Nov 2019, 19 Uhr, Hauptbühne

Liederabend

2. Brunch-/Lunchkonzert

Pretty Yende

Zwischen Nostalgie und Abgrund

Nach ihrem Liederabend am Opernhaus im September 2017 lobte die NZZ Pretty Yendes «Verwandlungskünste» – denn die seien, «neben den schier un­­­erschöpflichen technischen Möglich­ kei­ten, die ganz grossen Qualitäten der Sän­gerin». Nun ist die Sängerin, die das Zürcher Pu­blikum als Elvira in I ­puritani und in der Hauptrolle von La sonnambula zu Begeisterungs­stürmen hinriss, erneut in einem Recital zu erleben; Lieder von Robert Schumann und Ri­chard Strauss sowie von Gaetano Donizetti und Paolo Tosti stehen auf dem Programm. Dabei wird die Sopra­ nis­tin erneut ihre Wandlungsfähigkeit unter Beweis stellen: Sie singt nämlich auch den Csárdás aus der Fledermaus von Johann Strauss sowie die Arie «Que n’avons nous des ailes» aus der fran­zö­ sischen Version von Donizettis Lucia di Lammermoor. «Pretty Yende ist eine Primadonna, eine selbstbewusste, aber keine eingebildete – und vor allem eine sympathische», schrieb die NZZ. Diese sympathische Primadonna lässt sich am besten in der Intimi­tät eines Lieder­ abends entdecken. Sonntag, 17. Nov 2019, 19 Uhr, Hauptbühne

Das mit Zwischen Nostalgie und Ab­ grund betitelte zweite Kammermusik­ konzert in dieser Spielzeit stellt mit Franz Schmidt und Hans Pfitzner zwei höchst umstrittene Komponisten des 20. Jahrhunderts zur Diskussion. Beide waren Anhänger antisemitischen Gedankenguts, beide stemmten sich gegen den Fortschrittsgedanken in der Musik und hielten stattdessen am Geniekult des bürgerlichen Zeitalters fest. Und den­noch gehören ihre der Spät­ro­mantik verhafteten Kammer­ musik­werke zu den schönsten ihrer Zeit: Franz Schmidts Quintett für Klarinette, Vio­line, Viola, Violoncello und Klavier in B-Dur von 1938 sowie Hans Pfitzners Sextett für Klarinette, Streich­ trio, Kontrabass und Klavier in g-Moll op. 55, das mitten in den Wirren der ersten Nachkriegs­monate im Sommer und Früh­herbst 1945 entstanden ist. Den Klavierpart schrieb Pfitzner für den Pianisten Paul Wittgenstein, der im

Ersten Weltkrieg den rechten Arm ver­ loren hatte und sich zum virtuosen Anwalt der Literatur für die linke Hand entwickelt hatte. Im Brunch-/Lunch­ konzert übernimmt diesen Part KarlAndreas Kolly, die weiteren Interpreten sind Bartlomiej Niziol (Violine), Rum­ jana Naydenova (Viola), Lev Sivkov (Violoncello), Ruslan Lutsyk (Kontra­ bass) und Rita Karin Meier (Klarinette). Brunchkonzert: 1. Dez, 11.15 Uhr, Spiegelsaal Lunchkonzert: 2. Dez, 12 Uhr, Spiegelsaal

3. Brunch-/Lunchkonzert

A Spanish Flair Wärme im Dezember verspricht das dritte Brunch-/Lunchkonzert dieser Spielzeit: Der junge mexikanische Tenor Leonardo Sánchez, seit vergangenem Jahr Mitglied des Internationalen Opern­ studios und bereits als Graf Almaviva in der IOS-Produktion von Il barbiere di Siviglia auf der Bühne zu erleben, bringt gemeinsam mit Musikern und Musi­ke­ rin­nen der Philharmonia Zürich Manuel de Fallas Siete canciones populares es­pa­ ño­las (1914) in einer Fassung für Tenor und Klaviertrio zu Gehör. Auf dem Programm stehen ausserdem Joaquín Turi­nas Klaviertrio Nr. 1 op. 35 (1926) sowie sein Klavierquartett a-Moll op. 67 (1932). Brunchkonzert: 8. Dez, 11.15 Uhr, Spiegelsaal Lunchkonzert: 9. Dez, 12 Uhr, Spiegelsaal

Ballettgespräch Im ersten Ballettgespräch der neuen Saison präsentieren Michael Küster und Christian Spuck die neuen Mitglieder des Balletts Zürich und des Junior Balletts. Die Tänzerinnen und Tänzer werden auf der Studiobühne nicht nur im Gespräch, sondern auch mit Aus­ schnitten aus ihrem tänzerischen Re­ pertoire zu erleben sein. Sonntag, 3. Nov 2019, 11.15 Uhr Studiobühne

Illustration: Anita Allemann,  Foto: Frank Blaser

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Drei Fragen an Andreas Homoki

Die Energie des Chores Herr Homoki, Händels Oratorium Belshazzar ist eine grosse Aufgabe für unseren Chor. Was zeichnet aus Ihrer Sicht den Chor der Oper Zürich aus? Unser Chor hat Spass am Theaterspielen und verfügt über eine grosse Offenheit und Neugier. Er besteht aus unter­ schiedlichen, starken Persönlichkeiten, die sich mit viel Energie einbringen, nicht nur vokal, sondern auch szenisch. Bevor ich als Intendant hierher kam, hatte ich als Regisseur hier noch nie in­ szeniert und war natürlich gespannt, wie es sein wird, mit diesem Chor zu ar­ beiten. Schliesslich handelt es sich für einen Regisseur um das wichtigste künstlerische Kollektiv. Zu meiner gros­sen Freude hat mich die Arbeit mit diesem Chor von der ersten Sekunde an be­­geis­ tert, denn unsere Chormitglieder schät­ zen es, szenisch gefordert zu werden. So ein Chor besteht aus einer gros­sen Zahl individueller Künstler, in unserem Fall 60 Sängerinnen und Sänger, die tagtäglich miteinander umgehen müs­ sen. Das kann schon zu Spannungen führen, was die Arbeit dann zusätzlich erschwert. Ich muss aber sagen, dass, wenn es solche Spannungen tatsächlich geben sollte, hier in Zürich weder der Intendant noch das Publikum etwas davon spürt. Ich nehme das als Aus­ druck einer hohen Professionalität. Was Belshazzar angeht, so ist der Chor hier tatsächlich ein wichtiger Protago­ nist. Mit Barockmusik hat unser Chor ja schon Erfahrung; Jean-Philippe Rameaus Hippolyte et Aricie hat er in der letzten Spielzeit hervorragend gemeistert. Nun freue ich mich auf den Händel. Was ist für den Regisseur die grösste Herausforderung an der Arbeit mit dem Chor? Das Einzigartige an der Oper ist ja, dass man durch die Musik und den Gesang als Zuschauer einen Einblick in die Innen­welt der Figuren bekommt. Dieses Phänomen wird im Chor vervielfältigt und vergrössert. Der Chor hat seinen

Ursprung bekanntlich in der griechi­ schen Tragödie; man erlebt eine Gruppe von Menschen, die sich kollektiv aus­ drücken. Damit haben zum Beispiel Schauspielregisseure, die noch nie Oper gemacht haben, oft ihre Probleme, denn so etwas findet sich in der Realität nicht. Aber die Kraft, die darin liegt, dass 60 Menschen sich gemeinsam ge­ sanglich äussern, ist theatralisch aus­ser­ ordentlich wirksam. Dies gilt auch und besonders für ein Oratorium wie Belshazzar. Und Sebastian Baumgarten ist ein Regisseur, der in der Lage ist, die Menschen im Chor so zu motivieren und zu führen, dass sich diese Kraft voll entfalten kann. Sie sind bekannt als Regisseur, der gern mit dem Chor arbeitet. Was macht Ihnen dabei besonders Spass? Diese enorme Energie, die zurück­ kommt, diese Wucht! Eine Chorprobe ist zwar viel anstrengender als eine Probe mit Solisten, hat aber gleichzeitig etwas ungeheuer Lustvolles. Ich erin­ nere mich noch gut an die ersten Chor­ proben, die ich in meiner Zeit als Regie­ assistent gemacht habe – das war eine geradezu existentielle Erfahrung. Für eine Chorprobe begibt man sich als Re­ gisseur gewissermassen in die Arena – das bedeutet drei Stunden Showtime! 60 Leute zu inszenieren heisst, sie auch bei Laune zu halten – sie wollen schliess­ lich auch Spass an ihrer Arbeit haben. Das Wichtigste ist, ihnen eine schlüssige und nachvollziehbare Situation zu vermitteln, in die sie sich gut einfühlen können und bei der sie spüren, wo der Grundkonflikt sitzt. Auch sollte man nie die Geduld verlieren, wenn es mal nicht ganz so schnell vorangeht wie ge­ hofft. Selbst wenn am Ende einer Probe weniger erreicht wurde als geplant, muss ich immer einen guten Schlusspunkt setzen, so dass alle mit dem positiven Gefühl nach Hause gehen können, etwas Schönes geschaffen zu haben.

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IM UMGEBAUTEN RIFFRAFF

NEUGASSE 57 / 63, 8005 ZÜRICH

MEHR PLATZ FÜR DEINE BEINE


Wie machen Sie das, Herr Bogatu?

Illustration: Anita Allemann

Leise rieselt der Schnee In der Vorstellung Das Mädchen mit den Schwefelhölzern lassen wir es schneien. Mal dicht, mal sehr dünn, mal schneit es im Takt der Musik, mal über die ganze Bühnen­ breite, dann wieder nur punktuell, selten gar nicht. Der Schnee fällt wunderbar sanft auf Tänzerinnen und Tänzer, bleibt in den Kostümen hängen und schneit dann aus den Kostümen bei jeder Bewegung der Tanzenden auf die Bühne. Bald bedeckt er den ganzen Boden. Wer wissen möchte, woher der Schnee kommt und sich nicht mit der Antwort «von oben» zufriedenstellen lässt, der muss mir jetzt, kurz vor der Vorstellung des Mädchens mit den Schwefelhölzern, auf die Bühne folgen. Das Bühnenbild ist bereits aufgebaut, und soeben füllen zwei Requisiteurinnen ein Schneetuch mit Schnee aus grossen Säcken. Ein Schneetuch ist etwas, was man nicht kaufen kann. Auch nicht im Internet. Sie finden dort noch nicht einmal einen Eintrag in Wikipedia. Anleitung zum Nachbau: Wenn Sie es in einer Breite von 12 Metern schneien lassen möchten, nehmen Sie ein 16 m langes und 3 m breites Bettlaken und schneiden mittig ein 12 m langes und 50 cm breites Loch hinein. In dieses Loch nähen Sie ein Netz ein, Maschen­weite: 2,5 cm. Fertig ist das Schneetuch. Nun noch an den beiden langen Seiten alle 50 cm einen Schnürsenkel annähen, mit dessen Hilfe Sie das Tuch an Ihren Zugstangen be­ ­festigen können. Zugstangen sind an Seilen aufgehängte Metallrohre, an denen wir alles mögliche befestigen können, um es hochzuziehen. Heute, kurz vor der Vorstellung, hat die Büh­nentechnik das 16 m lange Tuch der Länge nach zwischen zwei benachbarten Zug­stangen eingebunden, und es bildet einen 16 m langen, 2 m tiefen Sack, der soeben mit Schnee befüllt worden ist. Wenn Sie nun in den Schnee greifen, stellen Sie fest, dass dieser wunderbar weich ist und dass es sich bei jeder Flocke um eine hauchdünne, zerrupfte und geknüllte Kunststofffolie handelt. Die Flocken kann man säckeweise unter dem Namen «Hollywoodschnee» im Internet kaufen. Sie bestehen aus umwelt­ verträglichem Polyethylen, das in der Müllverbrennungsanlage in CO2 und Wasser zer­fällt. Aber noch wartet dieser Schnee auf seinen Einsatz. Jetzt gibt der Bühnenmeister dem Schnürmeister das Zeichen, die beiden Zug­ stangen langsam bis weit über das Bühnenbild hochzuziehen. Erstaunlicherweise fallen dabei nur wenige Flocken durch das Netz: Der Schnee blockiert sich selbst – ähnlich wie Mehl in einem Sieb. Um Ihnen zu zeigen, wie es schneit, lässt jetzt der Schnürmeister die beiden Zug­stangen sich langsam gegenläufig bewegen – die eine auf und die andere ab –, immer nur 50 cm hoch und runter. Dadurch kommt Bewegung in den Schnee, und viele Flocken werden bei dieser Bewegung durch das Netz gedrückt und fallen lang­ sam zu Boden. Die Menge an Flocken, die durch das Netz fallen, hängt von der Ge­ schwindigkeit ab, mit der wir die Zugstangen bewegen. Die Maschengrösse spielt auch eine ganz entscheidende Rolle: Ist sie zu klein, kommen nur ganz wenige oder keine Flocken hinaus, ist sie zu gross, so fallen Flockenklumpen auf die Bühne. Da die Flocken sehr leicht sind und beim Fallen verwirbeln, deckt ein Schneetuch eine Breite von ungefähr 19 m und eine Tiefe von ca. 3 m ab. Damit es auf der ganzen Bühne schneit, haben wir drei Schneetücher an verschiedenen Orten eingesetzt, aus denen etwas mehr als ein Kubikmeter Schnee während der Vorstellung schneit. Vielen Dank, dass Sie mir auf die Bühne gefolgt sind, und vergessen Sie nicht, die Schneeflocken aus Ihrer Kleidung und von Ihren Schuhen zu entfernen – sonst finden Sie diese noch Tage später überall in Ihrer Wohnung... Sebastian Bogatu ist Technischer Direktor am Opernhaus Zürich

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Ein Aufbruch und die Folgen In Georg Friedrich Händels Oratorium «Belshazzar» stehen sich Juden und Babylonier gegenüber und tragen einen uralten Konflikt aus – zwischen dem polytheistischen und dem monotheistischen Glauben. Er prägt den Blick auf die Welt bis heute. Ein Essay von Thomas Assheuer



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Seite 12/13: Unser Foto ist eine Szene aus dem Film «Die zehn Gebote» von Cecil B. DeMille und zeigt den Auszug der Juden aus Ägypten (Foto © Alamy)

s gibt Auseinandersetzungen, die gehen so tief und sind so unversöhnlich, dass niemand bemerkt, wie alt die Ideen sind, die in ihnen aufeinanderprallen. Fast immer geht es in diesen Konflikten um Moral, zum Beispiel dann, wenn Menschen aus anderen Weltteilen nach Europa kommen. Entweder, weil sie Opfer eines Bürgerkriegs sind. Oder einfach deshalb, weil sie sich im Norden ein besseres Leben versprechen. Die eine Position, vermutlich die einer Minderheit, ist kristallklar und lautet: Wir sind alle Menschenkinder. Wir müssen uns den Planeten teilen, denn schliesslich war es reiner Zufall, in welchem Herrgottswinkel wir geboren wurden. Alle Menschen teilen dasselbe Schicksal, alle verdienen denselben Schutz. Jeder ist ein Jemand, niemand ein Niemand. Und auch wenn wir unsere Heimat lieben und Verpflichtungen gegenüber uns selbst haben, so müssen die Ansprüche der Moral hinter den Ansprüchen unserer eigenen Kultur zurückstehen. Kriegsflüchtlinge müssen wir im Rahmen unserer Möglichkeiten aufnehmen, und bei Menschen, die aus wirtschaftlicher Not zu uns kommen, müssen wir praktikable Regelungen finden. Auf jeden Fall wäre es besser gewesen, wir hätten uns schon vorher moralisch und nicht bloss ökonomisch verhalten. Waren wir es nicht, die afrikanische Märkte mit Waren überschwemmten, gegen die niemand konkurrieren konnte? Und die Gegenposition? Sie sagt ganz einfach: Träumt weiter! Es gibt keine Moral, die für alle Menschen gleichermassen gültig ist. So eine Vorstellung überfordert uns, und jeder ist seines Glückes Schmied. Klar, es gibt Hilfspflichten gegenüber Fremden, das ist unbestritten. Doch die Fremden sind uns nun einmal fremd, und ihre Kulturen weitgehend unverständlich. Wir dürfen uns nicht täuschen lassen: In Wahrheit sind die Völker radikal verschieden. Die Menschheit gibt es nicht, das ist eine Fiktion. Gleichheit? Man sieht doch, wie unterschiedlich alle sind! Schon immer waren Mythen mächtiger als die Moral, Mythen sind voller Leben, sie sind bunt und satt, reich, prall, aufregend. Mythen sind so real wie die Macht, sie kommen aus der Tiefe des Menschlichen. Der moralische Universalismus dagegen kommt nur aus dem Kopf, deshalb ist er so blutleer und farblos. Wir dürfen unser konkretes Leben nicht einer abstrakten Moral opfern. Das Leben sei ein Fest! Gewiss, das ist ziemlich zugespitzt, doch so ungefähr verläuft die Linie, an der die Geister sich scheiden. Die universalistische Moral steht gegen eine partikulare Moral – eine, die ihre Gültigkeit nur für die eigene Gemeinschaft behauptet und die das natürliche Macht- und Eigeninteresse des Menschen betont. Dieser Konflikt, und hier ist das pathetische Wort einmal angebracht, besitzt eine abendländische Dimension, denn er verweist auf eine Gründungsszene der Zivilisation: auf die Auseinander­ setzung zwischen Mythos und Monotheismus – zwischen Juden und Christen auf der einen und polytheistischen Griechen, Ägyptern und Römern auf der anderen Seite. Dieser Weltbildstreit findet seinen Widerhall auch in Händels Oratorium Belshazzar, nein: er ist deren zentrales Thema. Mit der Gründungsszene ist natürlich der Auszug der Juden aus Ägypten gemeint, ihre Befreiung von Knechtschaft und Ausbeutung. Der Ägyptologe Jan Assmann nennt das Buch Exodus «die grandioseste und folgenreichste Geschichte, die sich Menschen jemals erzählt haben»; die «narrative Inszenie­ rung» einer «gottgeschützten Widerstandsbewegung» sei eine «Wende der Menschheit», ein «evolutionärer Einschnitt ersten Ranges». Assmann hat recht. Tatsächlich war der Gründungsakt des jüdischen Monotheis­ mus eine Revolution. Nicht länger akzeptierten die Juden die angebliche Natürlichkeit von Sklaverei und Unterdrückung – Gott habe vielmehr alle Menschen gleich ge­schaffen und sei mit allen solidarisch. Die Juden vertraten also keine partikulare Moral, sondern eine allgemeine. Entsprechend verlange das göttliche Gesetz, dass nicht nur die Juden befreit werden, sondern alle Menschen, die in Knechtschaft leben. Wer einen Bund mit Gott schliesst, dem stehe der Weg ins gelobte Land offen, ins Land des Friedens und der Freiheit. In den Ohren der damaligen Herrscher waren solche Sätze skandalös. Denn während die mythischen Götter mit den Königen im Bunde waren, so schlug sich der Gott der Juden auf die Seite der Sklaven. Völlig zu


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recht sah man darin einen Angriff auf die Stammesreligionen mit ihrem kosmologischen Weltbild. In den alten Kosmos-Lehren ging der Weltenschöpfer vollständig in seinem Werk auf und stellte keine weiteren Ansprüche an die Menschen – ausser, dass sie ihr Leben gehorsam am Lauf der Sterne ausrichten sollten. Ganz anders die Exodus-­ Erzählung. Sie trennt den Kosmos in das Weltliche und das Transzendente. Das Gött­ liche ist nicht mehr unmittelbarer Teil der Welt und kann durch magische Praktiken nicht mehr direkt beeinflusst werden – fortan ist ein Baum nur noch ein Baum, und kein Waldgott versteckt sich darin, der ein Opfer verlangt. Mit einem Wort: Das mono­ theistische Gesetz steht noch über der Natur, selbst die Sterne müssen vor ihm zittern. Und bei den Christen leuchtete der Stern von Bethlehem heller als alle anderen Sterne. Heute haben wir vergessen, wie provozierend die Exodus-Erzählung für die antiken Sklavenhaltergesellschaften war. Mit aller Macht bricht die unbedingte Forderung nach Gleichheit und Gerechtigkeit in die alten Reiche ein; sie erschüttert die bestehenden Ordnungen und droht den Belshazzars mit Umsturz und Machtverlust. «Der Herrscher», schreibt der Religionssoziologe Hans Joas, «kann nicht mehr gottgleich sein (…). Von nun an kann er gezwungen werden, sich vor den göttlichen Pos­tulaten zu rechtfertigen.» Kurzum, jede Ordnung ist gemacht, man kann sie ver­ ändern, sogar Revolutionen sind denkbar. Mit dieser Überzeugung attackierte der Monotheismus überdies den mythischen Glauben, wonach Krieg und Leid so natürlich sind wie Sommer und Winter. Nein, antwortete er: Eine überzeitliche Tragik existiert nicht. Alle Tragik ist menschengemacht. Die jüdischen Schriftgelehrten ahnten natürlich, mit welcher Skepsis die Menschen diese Botschaft aufnehmen würden. Befreiung war schön und gut. Aber Befreiung als Unterwerfung unter ein unbedingtes Gesetz? Befreiung als Bundesschluss mit Gott? Jedenfalls stand Moses klar vor Augen, wie hart der Bruch mit der Gewohnheit sein würde, um frei zu sein für eine Wahrheit, die man nicht sehen konnte. Sein Bruder Aaron zum Beispiel verlor die Geduld, er verstiess gegen das Gesetz und wollte das Leben in seiner ganzen Fülle geniessen: beim Tanz ums Goldene Kalb, als Glück im Hier und Jetzt, so intensiv wie ein Fest am Hof in Babylon. Auch für Belshazzar stehen die Götter auf der Seite des Lebens, während das karge Gesetz, auf das sich seine Mutter Nitocris beruft, auf Seiten von Verzicht und Versagung zu stehen scheint. Damit greift Händel einen Verdacht auf, der seit jeher gegen die Moral ins Feld geführt wird: Der Glaube an den Einen Gott entfernt uns von der Fülle des Daseins, vom rauschenden Fest des gelebten Lebens. Der andere Vorwurf, den Händel zumindest andeutet, lautet, dass Moral und Gottesglauben den Selbstbehauptungswillen des Volkes schwächen. Wo war denn ihr Gott, höhnt Belshazzar, als die Juden in Gefangenschaft gerieten? Dass die religiöse Moral den Kampfeswillen untergräbt und die Unterscheidung von Freund und Feind aufweicht, mussten sich auch die Christen nach der Zerstörung Roms anhören. Ihre Friedensbotschaft, das ganze Gerede von «Feindesliebe», habe den römischen Truppen gleichsam das Genick gebrochen, woraufhin Augustinus die Römer zurück fragte: Wo waren denn Eure Götter, als ihr sie brauchtet? Vielleicht gibt es sie ja gar nicht! Und auch diese Kritik war immer wieder zu hören: So grossartig der Monotheismus auch sein mag, seine Unterscheidung zwischen wahrer und falscher Religion machte die Menschen nicht friedlicher, sondern brachte eine ganz neue, bis dato unbekannte Form der Gewalt in die Welt, die viel grausamer gewesen sei als die übliche Gewalt in den grossen Reichen. Die religiöse Moral kämpfte eben nicht bloss für weltliche Interessen, nein, sie kämpfte in Gottes Namen. Und darum zieht sie eine Blutspur durch die Ge­schichte. Man sieht, immer wieder sitzt der Monotheismus auf der Anklagebank, auch bei den konservativen Autoren des zwanzigsten Jahrhunderts. Der Monotheismus, behaupteten sie, sei politisiert worden und habe die Weichen in die Moderne falsch ge­stellt, noch die Französische Revolution gehe auf sein Konto. Mit Moses und Jesus, so hiesse das, beginnt die sündhafte Entfernung von den mythischen Ursprungsmächten, der Exodus aus der «Tagesordnung des Ewigen» (Botho Strauss). Und wohin er

«Der Gründungsakt des jüdischen Monotheismus war eine Revolution»


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«Entfernt uns der Glaube an den Einen Gott vom rauschenden Fest des gelebten Lebens?»

führte? Er führte in die Sackgasse einer freudlosen Aufklärung und eines sinnlosen Fortschritts. Wie heiter, wie herrlich bunt und tiefgründig war dagegen die polytheistische Götterwelt! Die antiken Mythen, so heisst es oft, kannten auch noch die Tragik des Lebens, die Moderne kennt sie nicht mehr. In Wahrheit aber lasse sich das Tragi­ sche nicht besiegen, und je heftiger man es mit Moral bekämpfe, desto gewaltsamer kehre es zurück. Ist die moderne Gesellschaft nicht eine einzige «Wiederkehr der Tragik» – die Wiederkehr verdrängter Gewalt? Solche mythischen Wahrheiten («Gewalt ist ewig!») hätte auch Belshazzar seiner sanftmütigen Mutter Nitocris entgegenhalten können. In seinem mythischen Weltbild ist es nicht vorgesehen, dass die Welt und die Menschen sich ändern können; alles bleibt so, wie es ist, es gibt nur den ewigen Kreislauf der Macht. Ganz anders bei Händel. Hier ist von Umkehr und Wandlung die Rede, zum Beispiel wenn der Chor singt, dass die «Erd’ ein Himmelreich» werde. Nur Belshazzar bleibt eine mythische Figur, auch wenn die Königsmutter bis zuletzt auf die innere Wandlung ihres Sohnes hofft, auf den Augenblick der Reue: «Kehre in dich, schau zu Gott empor.» Nitocris hofft vergeblich, denn ihrem (betrunkenen) Sohn gelingt nicht, was die Religion ver­langt – die Verwandlung des Menschentiers in ein humanes Wesen. Daniel spricht es aus, hart ist sein Urteil: «Kann der schwarze Äthiopier seine Hautfarbe ändern, der Leopard sein Fleckmuster ablegen?» Händel und sein Librettist Charles Jennens atmeten den Geist der Frühaufklärung; sie hofften, dass der Glaube an den Einen Gott der Welt Frieden bringen und die Mächtigen in die Schranken weisen werde. Zudem hatten sie eine andere Vorstellung vom Königtum. Der Herrscher sollte kein Gewaltmensch sein, sondern einer, der das monotheistische Gesetz in seinem Herzen trägt – also jemand, für den das


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Wesen des Politischen nicht in Feindschaft und Krieg besteht, sondern in der Beförde­ rung von Frieden und Ausgleich. Händel besingt etwas ganz Unwahrscheinliches – er bricht mit der Natur der Macht, mit ihrem Gewaltcharakter. «Wär’ jeder Thron dem deinen gleich,  dann wär’ die Erd ein Himmelreich. Der Streit der Völker hätt’ ein End’.» Der Umstand, dass diese alten theologischen Gedanken immer noch aktuell sind, ist grossartig. Doch das Erscheinungsbild der Religion hat sich verändert. Sie ist zwar nicht, wie ihr prophezeit wurde, einfach verschwunden, und nicht zu Unrecht sprechen viele von einem postsäkularen Zeitalter. Doch der tausendfache Kindesmissbrauch lässt die katholische Kirche in einem teuflisch düsteren Licht erscheinen, und der ter­ roristische Islam scheint jenen Recht zu geben, die der Religion vorwerfen, sie habe das Blutopfer in Wirklichkeit gar nicht überwunden. Und hinzu kommt: Bei Händel wurde die universalistische Moral von der Autorität Gottes beglaubigt und ermutigt. Wir hingegen beglaubigen sie nur noch durch unsere Überzeugungen, durch gute Gründe. Wenn nicht alles täuscht, dann ist die von Händel gefeierte Menschheitsmoral der­­zeit so verloren wie seit langem nicht mehr. Stattdessen regieren die modernen Bel­shazzars mit unfassbarer Rücksichtslosigkeit, all die Trumps, Putins und Bolsonaros. Sie betrachten die Welt wie einst der Mythos: als eine Kampfarena, in der es allein um radikale Interessen geht. Ihre babylonische Macht verlieren diese Belshazzars derzeit nur an einem Ort: in der Oper. Thomas Assheuer ist studierter Philosoph und Germanist und seit 1997 Feuilletonredaktor der deutschen Wochenzeitung DIE ZEIT

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Ein neues Tier steht vor der Tür Am 3. November hat am Opernhaus Zürich Händels Oratorium «Belshazzar» in der Inszenierung von Sebastian Baumgarten Premiere. Ein Gespräch mit dem deutschen Regisseur über den Dramatiker Händel, die szenischen Möglichkeiten, die ein Oratorium birgt, und die Kraft des Mythos Babylon Fotos  Florian Kalotay

Sebastian, mit Belshazzar bringen wir am Opernhaus Zürich keine Oper von Georg Friedrich Händel auf die Bühne, sondern ein Oratorium, das eigentlich für konzertante Auf­ führun­gen gedacht ist. Was macht die Oratorienform für dich als Regisseur interessant? Es geht hier nicht um das Ausspinnen ei­ nes verästelten Handlungsfadens wie sonst in der Barockoper. In einem Ora­ torium gibt es immer wieder Unter­ brechungen in der Handlung, Schnitte, übergeordnete Reflexionen und etwa einen kommentierenden Chor, wie man ihn aus der griechischen Antike kennt. Das kommt mir in meinem Interesse, mit epischen Theatermitteln zu arbeiten, sehr entgegen. Die sind einem Oratorium gewissermassen schon einkomponiert. Ist Belshazzar überhaupt ein dramati­ scher Stoff? Er ist erstaunlich dramatisch. Händel baut starke Situationen und formt konturenscharfe Charaktere, was für Oratorien nicht unbedingt selbst­ verständlich ist. Man muss sich nur an­ schauen, was Händel in Belshazzar

mit dem Chor macht: Er unterteilt ihn in drei verschiedene Völker – die Baby­ lo­nier mit ihrem tyrannischen Herrscher Belshazzar; die Juden, die sich in babylonischer Gefangenschaft befinden und von dem charismatischen Seher Daniel geführt werden; und die Perser, die unter ihrem Feldherren Cyrus Babylon belagern und die Stadt schliess­ lich erobern. Händel lässt in Belshazzar unterschiedliche Kulturen und Religio­ nen aufeinanderprallen und thematisiert Konflikte, wie wir sie auch in unserer heutigen Zeit erleben. Die Kultur Baby­ lons befindet sich in einem Stadium der Dekadenz. Die Babylonier müssen sich gegen Feinde von aussen verteidi­ gen, besitzen aber offensichtlich noch ge­nügend Macht und Reichtum, um ihr verschwenderisches Leben fort­ zusetzen. Ihnen gegenüber stehen die Perser, die eine neue Zeit repräsen­ tieren, das Zukunftsträchtige, das sich gegenüber den babylonischen Herr­ schaftsstrukturen als überlegen erweist. Das Neue ist ein anderer Glaube, nämlich die monotheistische Religion. Genau. Die Babylonier sind Polytheisten,


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Regisseur Sebastian Baumgarten bei der Probe

sie glauben an viele Götter und stehen in konkretem Kontakt mit ihnen, indem sie etwa rauschhafte Feste feiern. Ihnen treten die Perser entgegen, die eine mo­ dernere Form der Religion repräsen­ tieren. Sie glauben an den einen unsicht­ baren Gott, der einen universalen mo­ ralischen Anspruch auf die Welt erhebt. Ist es nicht seltsam, dass Händel und sein Librettist Charles Jennens die Perser als gottgläubiges Volk ein­ führen?

Es ist in der Tat eine Konstruktion. Historisch betrachtet waren die Perser nicht unbedingt Monotheisten, sondern eher liberal in ihrem kulturellen Selbst­ verständnis. Aber als militärische Er­ oberer stellen Händel und Jennens sie aus ihrer kirchlichen Sicht natürlich an die Seite der rechtmässig Gläubigen, zumal ihr Anführer Cyrus im Alten Testament bei Jesaia als der verheissene Retter genannt wird, der das auser­ wählte Volk aus der Knechtschaft Baby­ lons befreien wird. In Belshazzar bilden


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Mauro Peter probt Belshazzar, im Hintergrund Layla Claire als Nitocris und Tuva Semmingsen als Daniel

die Perser sozusagen gemeinsam mit den Juden eine moralische Gemeinschaft gegen Babylon. Aber man muss da sehr aufpassen, denn der Stoff kennt viele Perspektiven: Es gibt die historischen Fakten aus der Hochkultur zwischen Euphrat und Tigris, soweit sie uns be­ kannt sind; die alttestamentarische Überlieferung der Vorgänge in Babylon; dann der weit ausgreifende Mythos um «die Hure» Babylon, der sich aus dieser Überlieferung entwickelt hat; schliesslich das, was Händel im 18. Jahr­

hundert aus dem Stoff gemacht hat – und natürlich unser heutiger Blick dar­ auf. Ich finde es theatralisch auch sehr interessant, dass die zentrale Quelle für die Belshazzar-Handlung das Buch Daniel aus der Bibel ist und dieser Daniel im Oratorium als zentrale Figur anwesend ist. Der Autor der Geschichte ist selbst ein Teil von ihr. Was bedeuten diese unterschiedlichen Perspektiven für die Inszenierung? Man bekommt als Regisseur ein Material


Belshazzar 19

Muammar al-Gaddafi oder Saddam Hussein vor Augen. Bei Babylon geht es immer auch um apokalyptische Visio­ nen. Das alles kann man für die In­sze­nie­r ung nutzen, deshalb werden wir uns nicht in einer genau definierten Zeit bewegen. Wir zitieren, mon­tieren und arbeiten mit Fragmenten und Brüchen, die sich allerdings innerhalb eines klar gefassten Ganzen bewegen müssen. In welcher Hinsicht ist der Religions­ konflikt für uns heute von Relevanz? In vielerlei Hinsicht. Er markiert zum Beispiel eine Zeitenwende, die auch wir spüren. Aus Sicht der Babylonier kün­ digt sich mit Daniel und dem jüdischen Glauben etwas Neues an, das keiner kennt und deshalb zurückgewiesen und bekämpft werden muss. Ein neues Tier steht vor der Tür, hätte Bertolt Brecht ge­sagt. Und dieses neue Tier flösst uns Angst ein, dass wir mit seinem Erschei­ nen untergehen. Dass aber dieses Neue womöglich eine Wende zum Besseren bringt und vielleicht sogar mehr noch als das Alte in der Lage ist, zu erhalten, was uns wichtig ist, sehen wir nicht. Wir wissen heute nicht, ob das Aufkom­ men von künstlicher Intelligenz und Cyborgs wirklich so eine Katastrophe ist, wie wir uns das im Moment vorstellen.

in die Hand, das bewegbar ist für die Bühne und mehrschichtig interpretier­ bar. Mit einem Spielort wie Babylon betritt man einen ganz starken Fantasie­ raum, da öffnen sich sofort sehr viele Fenster – etwa in cinematografische Über­schreibungen des Mythos Babylon oder in die modernen Megacities, die so stark wuchern, dass sie bald für keinen Staat und keine Polizei der Welt mehr zu kontrollieren sind. Beim Sturz des babylonischen Herrschers steht uns das Ende moderner Macht­haber wie

Belshazzar beharrt in dieser Situation auf der angestammten Tradition. Er besteht darauf, ein ausschweifendes Sesach-Fest zu feiern, und lässt die heiligen Gefässe der Juden durch hedo­nistischen Missbrauch schänden. Das ist aus seiner Sicht ja durchaus legitim. Für ihn sind die Gegenstän­de des neuen Glaubens nur Plunder, und das will er den Juden provozierend vor Augen führen. Mich erinnert das an den Streit um die Mohammed-­ Karikaturen. Aus westlich aufge­klär­ ter Sicht erscheint es uns völlig okay, religiöse Symbole dem Spott aus­­zu­ setzen. Wir halten es sogar für einen notwendigen Akt von Kunstfreiheit, dass das passieren darf. Für die fun­ da­mentalistischen Muslime war es ein Sakrileg. Es ist immer ein Problem, wenn sich ge­ schlossene Weltbilder gegenüberstehen


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Belshazzar Oratorium von Georg Friedrich Händel Musikalische Leitung Laurence Cummings Inszenierung Sebastian Baumgarten Bühnenbild Barbara Steiner Kostüme Christina Schmitt Lichtgestaltung Elfried Roller Video-Design Hannah Dörr Choreinstudierung Janko Kastelic Choreografie Thomas Wilhelm Dramaturgie Claus Spahn Belshazzar Mauro Peter Gobrias Evan Hughes Nitocris Layla Claire Cyrus Jakub Józef Orliński Daniel Tuva Semmingsen Three Wise Men Thomas Erlank Oleg Davydov Katia Ledoux Solisten Lina Dambrauskaité Justyna Bluj Katia Ledoux Thomas Erlank Oleg Davydov TänzerInnen Yvonne Barthel Anna Virkkunen Sebastian Zuber Evelyn Angela Gugolz Benjamin Mathis Lynn Clea Ismail Orchestra La Scintilla Chor der Oper Zürich Premiere 3 Nov 2019 Weitere Vorstellungen 6, 9, 15, 17, 21, 23, 30 Nov; 6 Dez 2019 Mit freundlicher Unterstützung der Freunde der Oper Zürich

und sich die Orthodoxie durchsetzt. Die säkularisierten Religiösen sind da die konstruktivere Gruppe, weil sie sich am tatsächlichen Leben ausrichten. Auf Belshazzars Schändung der Ge­ fässe folgt die berühmteste Szene des Oratoriums: Es erscheint eine über­ irdische Hand und schreibt «Mene, mene tekel, upharsin» an die Wand, ei­ne Prophezeiung des Untergangs von Babylon. Und nicht einmal die weisen Männer Belshazzars können die geheimnisvolle Schrift entziffern, sondern nur Daniel, der Vertreter der neuen Religion. Auf den ersten Blick scheinen die Rol­ len, die Händel den Parteien in sei­ nem Oratorium zuweist, klar verteilt: Die Babylonier sind die bösen Heiden und die Juden und die Perser die guten Gottgläubigen, die am Ende siegen. Ist das so? Ich weiss nicht, ob das so eindeutig ist. Die Chöre, die Händel für die Baby­ lonier geschrieben hat, haben durchaus festlich positiven Charakter. Sie besitzen eine Heiterkeit, die nicht unsympa­ thisch ist. Die Babylonier sind ja auch historisch betrachtet nicht die sündige Negativgesellschaft, die der Mythos aus ihnen gemacht hat. Babylon besass eine extrem hoch entwickelte Kultur mit enormem Wissen und Fähigkeiten, was etwa Astronomie, Schrift oder Buch­­haltung angeht. Die Zivilisation ver­dankt Babylon sehr viel. Ich finde, Händels Musik offenbart ein diffe­ren­ zier­teres Bild der aufeinanderprallenden Kulturen. Es gibt da beispielsweise auch noch Nitocris, die Mutter von Bel­ shazzar, eine hochspannende, rätselhaft ambivalente Figur. Sie sympathisiert mit dem neuen Glauben. Sie hat offenbar dem Druck der Veränderung nach­ge­ geben und stellt sich gegen ihren eigenen Sohn, gibt ihn dem Untergang preis. Einerseits hat sie visionäre Fähigkeiten: Gleich in ihrem ersten Accom­pagnato-­ Rezitativ beschreibt sie von einer überge­ ordneten Warte aus den Zyklus von ehrgeizigem Aufstieg und dekadentem Zerfall der menschlichen Kulturen. Andererseits könnte man durchaus auch

eine Art Opportunismus vermuten hinter der Art und Weise, mit der sie sich dem machtvollen Neuen anvermittelt. Händel schrieb, nachdem er sich vom Opernbetrieb abgewendet hatte, nur noch Oratorien. Als Opernunter­ nehmer hatte er sich aufgerieben. Die Spektakelsucht, Sängereitelkeiten, der Konkurrenzdruck, die finan­ziel­ len Risiken hatten ihn zermürbt. Im Oratorium fand er zu einer neuen Form, die ihn von den Zwängen des Betriebs befreite. Wir holen Händel nun mit unserer szenischen Pro­ duktion eines seiner Oratorien gleich­ sam wieder in den Betrieb zurück. Ist das ein Problem? Nein. Es war ja unsere bewusste künstle­ rische Entscheidung. Und, wie gesagt, das Material bietet sich in seiner grossen dramatischen Kraft für eine szenische Umsetzung an. Wir hatten zwischenzeit­ lich auch kurz erwogen, die Matthäus-­ Passion von Johann Sebastian Bach zu inszenieren. Das wäre mir in meiner grossen Liebe zu Bach sehr entgegen­ gekommen, aber die Matthäus-­Passion ist so stark in ihrer Auf­führungstradition und den daran gebundenen Bildern, dass das die theatralischen Möglich­ keiten eher zu­stellt als öffnet. Ich finde Händels Abkehr vom Operngeschäft einen hochspannenden Vorgang. Er wagt etwas Neues, Experimentelles. Mich erinnert das an den französischen Filme­ macher Jean-Luc Godard, der trotz seiner gros­sen Erfolge irgendwann die Nase voll hatte vom kommerziellen Filmgeschäft. Ähnlich wie Händel ist er am industriellen System und der Dominanz des Geldes verzweifelt. Er hat dann die neuen elektronischen Medien für sich entdeckt und entwickelt nur noch hoch­ästhetisierte, collagierte Kunstformate, die in die Zukunft weisen und fast ausschliesslich über das Internet zugänglich sind. Vielleicht können da­ mit im Moment nur wenige Leute etwas an­fan­gen, aber ich bin mir sicher, in zwanzig Jahren wird man Godard mit gros­sem Interesse verfolgen. Das sind die jeweils modernen Geister ihrer Zeit: Sie lassen das, was sie künstlerisch zu sehr eindämmt, konsequent hinter sich.


Tuva Semmingsen und der Chor der Juden auf der Probebühne

Sympathisiert man als Opernregisseur nicht automatisch mit der bilder­ prallen babylonischen Welt? Steht dir Belshazzar näher als die anderen Protagonisten? Das kann man so allgemein nicht sagen. Im Stück ist es ja so: In dem Augen­ blick, in dem Belshazzar spürt, dass etwas Neues kommt, dem er nicht mehr standhalten kann, radikalisiert er sich und agiert anarchisch. Das ist als Reak­ tion der Figur nachvollziehbar. Die Taten, die daraus hervorgehen, sind aller­ ­dings nicht zu verteidigen. Da ich in der ehemaligen DDR aufgewachsen bin, habe ich schon einmal erlebt, wie die Verhältnisse von einem auf den anderen Tag umschlugen und ein radikaler Systemwechsel stattfand, bei dem ich weder wollte, dass die alten Verhältnisse weiter bestehen, noch dass das, was kam, für mich in irgendeiner Form bindend gewesen wäre. Man lernt in so einer Situation, das vermeintlich Verbindliche in beide Richtungen zu hinterfragen, zu unterlaufen und sich anarchisch zu positionieren. Deshalb würde ich eher so

sagen: Ich arbeite in der Kunst immer mit babylonischer, anarchischer Energie dagegen an, wenn sich Posi­tionen zu sehr manifestieren. Jede Position, die Konsens wird, ist für die Kunst völlig uninteressant. Ich finde zum Beispiel die politischen Korrektheit, auf die die Arbeit zur Zeit an vielen Theatern ver­ pflichtet ist, ein grosses Problem. Sie mündet immer weniger in fruchtbare künstlerische Prozesse, es werden nur noch moralische Positionen festgeklopft. Man ist sich zu einig. Die Querulanz, die die Kunstproduktion braucht, geht dabei verloren. Und bei solcher Ein­ deutigkeit mit den Ausschliessungen und Verboten, die mit ihr einhergehen, fange ich als Dialektiker sofort an, da­ gegen zu sein. Das Gespräch führte Claus Spahn


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Händels Kino im Kopf Mit seinen Oratorien betrat Georg Friedrich Händel musikdramatisches Neuland. Er musste keine Rücksicht mehr auf theaterpraktische Zwänge nehmen und konnte etwa für grosse Chöre schreiben. Der «Belshazzar»-Dirigent Laurence Cummings über eine wichtige Zeitenwende in Händels Schaffen


Belshazzar 23

Laurence, Belshazzar wurde 1745 in London uraufgeführt. Zu diesem Zeitpunkt hatte Georg Friedrich Händel sich von der Oper ab- und dem Oratorium zugewandt. Warum vollzog er diesen radikalen Umschwung? Er hat sich schon mit der Oratorienform befasst, während er noch Opern komponier­te. Die ganze Geschichte beginnt 1732 mit Esther, das war sein erstes englischsprachiges Oratorium. Die Hinwendung zu Oratorien steht eigentlich in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem Niedergang des Opernbetriebs. Die Sprache spielte eine wichtige Rolle! Opern wurden auf Italienisch gesungen, und die Menschen hatten damals zunehmend das Bedürfnis, die Texte zu verstehen. Händel aber wollte keine englischsprachigen Opern schreiben, warum genau, wissen wir nicht. Er liebte die Opera seria, ihre spezifische Form, die italienische Sprache. Da wurde das Oratorium für ihn zu einer echten künstlerischen Alternative. Das Ende des Londoner Opernbooms, an dem Händel ja ganz wesentlich beteiligt war, hat also auch damit zu tun, dass das Publikum nicht länger gewillt war, Werke in italienischer Sprache zu hören? In den späteren Opern Händels wurden die Rezitative tatsächlich immer kürzer, weil das Publikum keiner Sprache mehr zuhören wollte, die es nicht verstand. Es gab damals grundsätzlich ein grosses Bedürfnis nach Dramen in Englisch. Das mussten nicht unbedingt biblische Dramen sein. Aber Händel war fähig, die spe­zi­ fischen Eigenheiten der Oper im Oratorium zu etwas völlig Neuem zu führen. Er spielte auf neue Weise mit den Formen, mit dem Orchester, den verschiedenen Klangfarben und den rhetorisch-musikalischen Mitteln. Er schuf sich dadurch eine grosse Palette an neuen dramatischen Ausdrucksmitteln. Wie aufregend muss das für ihn gewesen sein, in Belshazzar ganze Völker zu imaginieren – die Babylonier, die Perser, die Juden. Auf der Opernbühne wäre das undenkbar gewesen. Das Oratorium also als eine Art Bühne der Fantasie, bei der sich keiner mehr Gedanken darüber machen muss, wie Verwandlungen und Auftritte zu bewerkstelligen sind. Er hat sich befreit vom Theaterapparat, denn die Oratorien wurden ja konzertant aufgeführt. Richtig. Das verlieh ihm eine unglaubliche kreative Freiheit, er konnte all seinen Ehrgeiz in die Musik setzen. Die Chöre in den Oratorien sind sehr komplex und lebendig geschrieben. Wir verlangen in unserer Belshazzar-Produktion von unserem Chor, alles auswendig auf der Bühne zu singen. Aber zur damaligen Zeit konnte der Chor aus den Noten lesen, was es Händel ermöglichte, beispielsweise auch Fugen in einem dramatischen Werk zu verwenden.

Foto: Stefan Deuber

Was verändert sich stilistisch im Schreiben Händels beim Wechsel zum Oratorium? Ging er weg von der Virtuosität des italienischen Arien-Gesangs? Ja und nein. Natürlich war es keine Notwendigkeit mehr, jeder Figur eine Bravour-­ Arie zu schreiben. Trotzdem findet man noch unglaublich viele virtuose Arien in den Oratorien. Aber es stimmt: Solche Arien wurden weniger. Das hängt auch damit zusammen, dass nun nicht mehr jede Arie in der Da-capo-Form geschrieben ist. Man kann eine allmähliche Hinwendung zu simpleren Formen beobachten. Händel ging es immer weniger um die Zurschaustellung vokaler Fähigkeiten, sondern mehr um den emotionalen Zustand der Figuren und eine Verinnerlichung der Gefühle. Er konnte auch mehr in diese Richtung gehen, weil das Publikum nun ja die Sprache verstand. Es konnte im Textbuch während der Aufführung mitlesen. Sogar Regieanweisungen waren darin notiert. Regieanweisungen für eine Bühne, die in den Köpfen der Zuhörer existierte? Genau. Und Händel setzt dieses Kopfkino mit einer sehr bildhaften Musik in Gang. Denken wir etwa an die berühmte Menetekel-Szene in Belshazzar. Das Libretto beschreibt sehr deutlich, wie da plötzlich Gottes Hand erscheint und rätselhafte


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«Händel urteilt nicht. Man kann in seiner Musik nicht erkennen, auf welche Seite er sich schlägt»

Zeichen an die Wand schreibt. Zeichen, die die Babylonier nicht entziffern können. Händel illustriert das Schreiben durch Musik, durch kurze, hingetupfte, sehr leise Noten in den Violinen. Dann erscheint der Prophet Daniel und liest die Worte auf eine sehr eindringliche Weise vor: Das Orchester setzt aus, er singt ganz allein. Seine Gesangsmelodie ist mit langen und kurzen Notenwerten so angelegt, dass man glaubt, die Schnörkel der Handschrift erkennen zu können. Eine einzige, reine Stimme ohne Begleitung bringt die ganze Geschichte, die zuvor wie eine Maschine ablief, zum Stillstand. Es ist eine sehr lebendige und bildhafte musikalische Szene, fast wie ein Barock-Gemälde. Händel mietete Theater für seine Oratorien und legte Aufführungsserien auf. Schrieb er sie womöglich nur, weil das die neue Attraktion am Markt war? Ich glaube, es wäre zynisch zu behaupten, Händel hätte sich nur deshalb dem Orato­rium gewidmet, weil es sich gut verkaufen liess. Es war die künstlerische Freiheit, die er hier für sich in dieser Form entdeckte. Händel hatte einen ungeheuren Drang, diese Oratorien zu Papier zu bringen. Er schrieb sie in einer rasenden Ge­ schwindig­keit nieder, und er wurde zu einem regelrechten Workaholic. Bei Bel­ shazzar war das extrem. Man kann in Händels Briefen an seinen Textdichter Charles Jennens nachlesen, wie sehr er auf die Lieferung der Texte drängte und Jennens angesichts des Vertonungshungers Händels mit der Arbeit kaum nachkam. Die Oratorien wurden so gut wie nie in Kirchen aufgeführt. Wie muss man sich die Situation konkret in den Theatern vorstellen? Die Konzerte wurden oft in den Theaterkulissen, die noch vom vorherigen Abend herumstanden, gegeben. Die Sängersolisten trugen ihre privaten Kleider und sangen aus Noten. Sie waren im Chor positioniert und sangen auch im Chor mit. Die Uraufführung von Belshazzar war kein Erfolg. Woran lag das? Am Abend der Uraufführung von Belshazzar hatten Händels alte Rivalen von der Adelsoper offenbar eine konkurrierende Veranstaltung angesetzt, und das Publikum blieb aus. Aber es ist nicht immer leicht zu verstehen, welche Faktoren über Erfolg oder Nichterfolg bei Händels Oratorien entschieden haben. Vielleicht war Händel in seinen Werken manchmal zu experimentierfreudig, vielleicht gab es politische Gründe – oder die Leute hatten einfach keine Lust auszugehen. Wie religiös war Händel? Wie idealistisch waren seine Oratorienprojekte? Händel war sehr gläubig und wollte mit seinen Oratorien die Menschen besser machen. Da bin ich mir ziemlich sicher. Das Geld war für ihn ein Mittel zum Zweck, um zu Opernzeiten etwa seine nächsten Projekte zu finanzieren und die besten Sängerinnen und Sänger aus Italien engagieren zu können. Natürlich wollte er sich auch guten Wein und gutes Essen leisten können. Aber es ging ihm nie um die eigene Bereicherung. Als Händel 1723 in sein Haus am Rand von London einzog, möblierte er es zwar mit erlesenen Möbeln, danach aber kaufte er ausser ein paar Gemälden bis an sein Lebensende nichts Neues mehr. Händel war definitiv kein Mensch, der an materiellen Dingen interessiert war. Händels Librettist Jennens schreibt, die Oratorien seien «for great entertainment» geschrieben. Unterhaltung waren diese Stücke insofern, als sie direkt die Herzen erreichten. Wir müssen uns zudem die Situation von damals vergegenwärtigen. Dreieinhalb Stunden konzentriert einem konzertant aufgeführten Werk zu lauschen, mag uns heutigen Menschen sehr lange vorkommen. Aber in einer Zeit ohne Kino und Fernsehen waren die Menschen empfänglich für jede Art von Zerstreuung. War man adelig, stand man am Morgen auf und hatte – nichts zu tun.


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Stand Händel den Ideen der Aufklärung nahe? Ja. Aber für einen gläubigen Künstler muss das ein zweischneidiges Schwert gewesen sein. Händel war wohl vor allem von dem Gedanken überzeugt, dass die Menschen unterschiedlich sind. Es ist einfach meisterhaft, wie er individuelle Gefühlsregungen in Musik zu übersetzen vermochte. Händel urteilt nie, auch nicht in Bel­ shazzar. Man kann in seiner Musik nicht erkennen, auf wessen Seite er sich schlägt. Er macht uns nicht glauben, die Babylonier seien schreckliche Menschen. Wenn ein Fest gefeiert wird, schreibt Händel eben Festmusik und keine furchtbare Musik. Es ist nur Belshazzar, der zu weit geht. Belshazzar verhält sich doch nur so, wie es seine religiöse Traditionen von ihm verlangen. Aber er geht eindeutig zu weit, wenn er die heiligen Gefässe der Juden für sein Gelage benutzt. Das muss eine Inszenierung, meiner Meinung nach, sehr deutlich zeigen. Aber insgesamt ist Händel durchaus den Babyloniern zugetan, und das zeugt letztlich von seiner tief empfundenen Humanität. Händel vereint oft Gegensätze in sich, und gleichzeitig plädiert er für das Massvolle. Als er L’Allegro ed il Penseroso nach einem Gedicht von John Milton vertonte, fügte er einen dritten Teil hinzu, nämlich Il Moderato, die Mässigung. Frohsinn und Schwermut können zwar gut neben­einander existieren, aber es braucht für Händel immer auch die Balance. Warum wählte Händel in seinen Oratorien bevorzugt Stoffe aus dem Alten Testament? Das hängt mit der Herkunft der Gattung zusammen, die im 17. Jahrhundert durch Komponisten wie Giacomo Carissimi oder Luigi Rossi in Rom begründet wurde. Händel erfand das englische Oratorium, aber die Urform gab es schon vor ihm, er hat sie als Zwanzigjähriger in Italien kennengelernt. Als in Rom während der Fasten­ zeit die Theater geschlossen wurden, förderten die Kardinäle und der Adel die Aufführung dramatischer Werke in einem sakralen Rahmen, und es wurden hauptsächlich alttestamentarische Texte vertont. Welches sind deine persönlichen musikalischen Highlights in Belshazzar? Es ist schwer, einzelne Höhepunkte in einem solchen Meisterwerk herauszupicken. Die Menetekel-Szene haben wir ja bereits erwähnt, aber natürlich ist schon der Beginn des Werks bemerkenswert, das Accompagnato ed Arioso von Nitocris, in dem Händel gleichsam aufklärerisches Gedankengut verarbeitet. Dann die letzte Arie von Gobrias, «To pow’r immortal», die ein unglaublich schönes Lamento ist, in dem Gobrias seinen Sohn beklagt und sein Verständnis dafür äussert, weshalb alles so weit kommen musste. Auch das letzte Duett «Great Victor, at your feet I bow» zwischen Mutter und Sohn ist sehr berührend. Der geschlagene Held will nicht mehr länger Held sein, sondern Sohn. Umgekehrt hören wir, was in einer Mutter vorgeht, deren Sohn ein Mörder ist – eine tiefmenschliche Schilderung dieser Beziehung, die natürlich auch eine Metapher für die Muttergottes und Gottes Sohn ist. Vergessen wir Daniel nicht: In seinem «O sacred oracles of truth» hören wir bereits zu Beginn, dass er derjenige ist, der alles versteht und auserwählt sein wird. Seine Klangwelt in es-Moll ist hochsymbolisch und war auch für Bach eine Schlüssel­tonart. Wunderschön ist auch die Hymne, die das Werk beschliesst. Händel hat sie oft und in den verschiedensten Tonarten verwendet, zum ersten Mal in Italien als Violin-Konzert. Es ist ein überaus beseeltes Stück, mehr ein Gebet als ein Festgesang, und hat grosse meditative Qualität. Das Werk endet eben nicht mit einem jubilierenden Halleluja. Das Gespräch führte Claus Spahn


26 Volker Hagedorn trifft …

Jakub Józef Orliński Jakub Józef Orliński studierte an der New Yorker Juilliard School. Seine internationale Karriere begann schon bald nach seinem Stu­dium, als er 2017 beim Festival in Aix-­enProvence Orimeno in Cavallis «Erismena» sang. Sein Debut an der Oper Frankfurt in der Titelrolle von Händels «Rinaldo» erregte weiteres Aufsehen. Im November wird sein zweites Solo-Album mit barocken Opernarien, «Facce d’amore», erscheinen.

Sind Liederabende out? Zumindest auf der Bühne der Frankfurter Oper sieht es an diesem brühwarmen Septemberabend zuerst aus, als blicke man in eine feierliche Ver­ ­gangenheit. Links der schimmernde Steinway, rechts ein staatsbegräbnisgrosses Blumen­ gebinde. Aber hier wird kein Genre beerdigt, im Gegenteil. Das Haus ist voll bis zur Decke und summt wie ein Bienenstock. 1300 Besucher, der Altersdurchschnitt liegt bei 45 Jahren. Viele sind jünger als der Solist des Abends, der auch nur 28 Lenze zählt und mit einem breiten Lächeln angefedert kommt. Offenes weisses Hemd zum schwarzen Anzug nebst Weste, rotes Einstecktuch, violette Socken, ein Sunnyboy mit lockigem Haar. Dann schlägt sein Pianist, Michał Biel, bärtig und ganz in Schwarz, schmerzvoll sanfte Töne an, und was Józef Jakub Orliński dazu singt, ist von cooler Show wie von klassischem Liederabend gleich weit entfernt. Die eindringliche Klage des Ottone aus Händels Oper Agrippina, mit fokussiert strömender, an hellen und dunklen Farben reicher Stimme gesungen, genauestens artikuliert, von dezenter Gestik begleitet. Gefolgt von fünf weiteren Barockarien, eine glühender als die andere. Wie kann das gehen? Ausgerechnet ein Counter, gleichsam lebende Brücke zur histo­ rischen Musikpraxis, lässt sich an einem Steinway begleiten, dessen Kammerton bei schätzungsweise 443 Hertz liegt? Die Frage bringt Jakub nicht in Verlegenheit, als wir uns am nächsten Tag im selben Haus treffen. «Ich transponiere um einen Halbton tiefer, wenn es für Michał nicht zu schwierig ist», sagt er. «Ausserdem ist er ein fantastischer Pianist. Er kann auch Cembalo spielen, aber dazu bräuchte man weitere Instrumente, eine Continuo­ gruppe. Und wir haben ja auch die polnischen Lieder im Programm. Ich möchte nicht auf Barockgesang festgelegt werden.» Und begeistert erzählt er von Jonathan Doves Oper Flight rund um den Flüchtling, der jahrelang im Pariser Flughafen Charles de Gaulle festsass. Jakub sang – an der Juilliard School in New York – diese Rolle. «Zu­ erst dachte ich, das ist viel zu schwierig, dann hatte ich es drauf, und dann liebte ich das Stück.» Das ist drei Jahre her. Kaum jemand kannte da den jungen polnischen Sänger. Dass er seither den fulminantesten aller Senkrechtstarts hingelegt hat und dem­nächst den Cyrus im Zürcher Belshazzar singen wird, hat viel mit Frankfurt zu tun. Hier wurde er 2017 als Rinaldo besetzt und schlug voll ein, «mit quasi tänzeri­ scher Agilität und ebenso stimmlich mit grösster Beweglichkeit», wie die F.A.Z. staunte. Es war in jenem Jahr der zweite, entscheidende Durchbruch des gebürtigen War­ schauers, der im Sommer schon in Aix-en-Provence aufgefallen war – auf der Bühne und mit einem Youtube-Auftritt, der seither rund vier Millionen Mal angeklickt wurde. Orliński war in Shorts zu einer Probe geschlendert, bei der Radio France überraschend eine Kamera laufen liess. Nun ist es auch für Laien nicht gerade eine Überraschung, dass Sänger auch in Freizeitklamotten ihr Metier beherrschen. Aber wenn ein Typ mit der Physis eines Models eine Arie wie Vivaldis «Vedro con mio diletto» so innig singt, machen eben nicht nur Barockaficionados grosse Augen. Ihn selbst entschädigt alles, was seither geschah, auch für «eine Geschichte des Abgelehntwerdens», wie er das mit glucksen­ dem Lachen nennt. Zunächst mal enttäuschte er in einer Familie von Künstlern und Architekten alle Hoffnungen auf künstlerische Begabung. «Ich habe noch am Gym­ nasium gezeichnet wie ein Kind. Meine Mitschüler sahen sich das an und lachten. Ich kann’s einfach nicht!» Ihm machte es Spass, im Chor zu singen, als Knabensopran fing er mit neun Jahren an, lange Zeit nur nachsingend, denn Notenlesen lernte er nur mühsam. Nach dem Stimmbruch war er Bassbariton in einem kleinen Ensemble und wechselte zum Counter, «ohne zu wissen, dass man das so nennt». Als er es wusste,


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wollte er Profi werden. «Ich hörte dauernd die King’s Singers auf meinem Smartphone und dachte, vielleicht könnte ich ihnen eines Tages vorsingen.» Also begann er ein Gesangsstudium im Warschau, «aber die fanden mich nicht gut genug, um mir die Gebühren zu erlassen, und meine Eltern konnten das nicht bezahlen». Die Rettung war ein anonymer Spender, «den kenne ich bis heute nicht». Jakub jobbte nebenher für eine Klamottenfirma, als Model und im Webshop, und er war der begeisterte Breakdancer, der er noch immer ist. «Da geht es wirklich um Freiheit. Keiner kann dir sagen, das ist richtig oder falsch! Und die Entwicklung der Muskeln hilft bei der vollen Kontrolle dessen, was du auf der Bühne als Sänger machst. Ich fühle mich dadurch geerdet und kann mit Stress umgehen. Ich habe meine Übungen auch gestern vor dem Konzert gemacht – und da waren wir beide wirklich gestresst. Vor so vielen Leuten hatten wir noch nie ein Recital.» Und vor so vielen Leuten hat er dann, auch in magisch melancholischen Liedern von Karol Szymanow­ ski und Tadeusz Baird, Nuancen und Farben gefunden, für die ein Sänger schon ei­ niges erlebt haben muss. Beim Studium hat sich der Counter noch als Exot erlebt, während die vierte Generation männlicher Hochtöner längst international gefeiert wurde – Andreas Scholl etwa, dessen Aufnahmen er verehrte. «Mit ihm in Rodelinda auf der Bühne zu stehen, das war wie eine Segnung», sagt Jakub. Aber mit 22 Jahren konnte er davon nicht mal träumen. Er hatte Auftritte an kleineren Theatern von Aachen bis Cottbus, er reiste von einem Wettbewerb zum andern – wenn er überhaupt kommen durfte. «Vor zwei Jahren hatte ich ein Konzert mit William Christie. Er sagte, warum hast du dich früher nicht mal für Jardins des Voix beworben?» Das ist Christies Wettbewerb für junge Barocksänger. «Ich sagte, habe ich! Aber du hast mich nie eingeladen.» In Innsbruck schmiss man ihn in der ersten Runde raus, «ein Jahr später luden sie mich ein für die Hauptproduktion. Aber da hatte ich schon zu viel zu tun.» Er bereut die Reiserei nebst Flops kein bisschen. «Ich wollte ja auch Sänger sein, um zu reisen und Menschen zu treffen», sagt er. Die weiteste Reise währte zwei Jahre, bis 2017. An der Juilliard School in New York arbeitete Jakub besonders intensiv an seiner Aussprache, Italienisch, Deutsch, Englisch. Da gab es viel nachzuholen. «Wenn ich meine Aufnahmen aus der Uni in Warschau höre – wow!» Er lacht. «Wenn das andere hören dürften, man würde mich heute noch feuern.» Dass er nach langem Anlauf so schnell in die oberste Liga schoss, liegt wohl auch daran, dass er ein «healthy workaholic» ist, wie er das nennt, und schon als Kind platzte vor jener sportlichen Energie, mit der dieser Sänger nun selbst Tänzern Konkurrenz macht, gespannt bis in die Fussspitzen. Mit denen fängt er wortwörtlich an, wenn er in eine Produktion einsteigt. «Ich frage immer zuerst nach den Schuhen. Denn ich entwickle zuerst die Art, wie sich eine Figur bewegt. Die Schuhe haben darauf Einfluss. Dann kenne ich den Charakter und kann die Ornamentierung entwerfen. Das mache ich immer selbst. Als wir hier Rinaldo machten, habe ich völlig andere Verzierungen als in Glyndebourne gesungen.» Auch wenn er nicht auf Barockopern festgelegt werden möchte – was liebt er so daran? «Dass es so viele verschiedene Dinge gibt, in denen man sich finden kann. Momente von Schönheit und Leidenschaft, Wahnsinn, sanftes Legato, jähe Koloraturen, jazzy notes… und es hat etwas Intimes. Es gibt etwas darin, das tiefer geht. Schwer zu erklären.» Dieses Tiefere geht über die Rollen hinaus. «Das Magischste ist, wenn ich merke, dass die Leute… fühlen. Sie müssen nicht fühlen, was ich fühle, wenn ich etwa Gift getrunken habe und sterbe. Wenn ich zuhöre, bringt mich das oft woanders hin. Ich denke vielleicht an meine Grossmutter, die nicht mehr lebt. Oder ich habe neue Gedanken über mein Leben. Oder ich bin glücklich, gerade jetzt hier zu sein mit all den Leuten um mich.» Von diesem Glück teilt er viel mit – auch auf Instagram, wo er 43.000 Follower hat. «Gestern kamen viele zum ersten Mal in ihrem Leben in ein klassisches Konzert», sagt er stolz. Er weiss ja noch ganz gut, wie es ist, wenn Noten nur rätselhafte schwarze Punkte sind. Volker Hagedorn


Fotos: Gregory Batardon


Messa da Requiem Giuseppe Verdis «Messa da Requiem» gehört zu den be­ wegendsten Stücken des Konzert­repertoires. In einer aufsehenerregenden Kopro­ duktion von Oper und Ballett Zürich hat Ballett­direktor Christian Spuck das oratorische Werk für vier Sängersolisten, grossen Chor und Orchester als Kombination aus Tanz, abstrakter Szene, Raum und Licht auf die Bühne gebracht. Mit einer behutsamen Bewe­ gungsregie setzt Christian Spuck den grossen Chor und das Sänger­solisten-Quartett in Be­ ziehung zu den Tänzerinnen und Tänzern des Balletts Zürich. Wiederaufnahme 22 Nov 2019 Weitere Vorstellungen 24, 29 Nov; 1, 7, 11, 14, 22, 29 Dez 2019




32 Coraline

Wie zuhause und doch ganz anders In der Familienoper «Coraline» von Mark-Anthony Turnage gerät ein mutiges Mädchen in eine höchst seltsame Anderwelt, die auf den ersten Blick besser und verlockender erscheint als die Realität. Ein Gespräch mit der Regisseurin Nina Russi Illustration  Alice Kolb

Nina Russi, du inszenierst unsere diesjährige Familienoper. Sie stammt vom britischen Komponisten Mark-Anthony Turnage und heisst Coraline. Wer verbirgt sich hinter diesem ungewöhnlichen Namen? Coraline ist der Name eines elfjährigen Mädchens, dessen Geschichte in dieser Oper erzählt wird. Als Regisseurin freue ich mich sehr über diese starke weibliche Haupt­ figur, denn Coraline ist eigenständig, intelligent, neugierig und mutig. Sie ist Einzelkind und oft auf sich allein gestellt. Verglichen mit anderen Kindern, muss sie sich deshalb oft eigene Spielwelten ausdenken und hat dementsprechend eine sehr blühende Fantasie. Wir lernen Coraline in dieser Oper an einem Punkt ihrer Entwicklung kennen, an dem sie sich nicht mehr mit den vier Wänden des Kinder­ zimmers und ein paar Puppen abgeben will. Es geht in dieser Geschichte auch darum, das Kindsein ein Stück weit abzustreifen und in die Welt der Erwachsenen vorzudringen. In diesem Zusammenhang kann man den ungewöhnlichen Namen, auf den das Mädchen selbst grössten Wert legt – Coraline, nicht Caroline! –, als eine lautmalerische Anspielung lesen: Neil Gaiman, der Autor der zugrunde­ liegenden Erzählung, beruft sich damit höchstwahrscheinlich auf Lewis Carrol und dessen Protagonistin Alice, denn in dieser Tradition steht diese Geschichte: nicht nur Alice, sondern auch Coraline gerät im Lauf der Ereignisse in eine Art «Wunder­ land», in eine seltsame Gegenwelt. Zu Beginn des Stücks lernen wir Coraline aber in einem Umfeld kennen, das uns vertraut erscheint... Die Oper beginnt mit einer alltäglichen, aber doch etwas angespannten Situation: Coraline ist mit ihren Eltern vor kurzem in ein neues Haus gezogen. Draussen regnet es in Strömen, was Coralines Drang nach neuen Entdeckungen stark ein­ schränkt: Sie konnte nämlich noch nicht einmal den Garten erforschen. Die Eltern sind mit sich selbst und ihrer Arbeit beschäftigt. Hinzu kommt, dass die Ferien sich dem Ende zuneigen und Coraline auf eine neue Schule gehen soll. Einerseits empfindet sie also Langeweile, andererseits sind da auch Ängste und eine ge­wisse Nervosität gegenüber dem bevorstehenden Neuanfang.


Coraline 33

Wie muss man sich Coralines Eltern vorstellen, und womit sind sie beschäftigt? Dieses Stück dreht sich sehr stark um die Hauptfigur. Beim Inszenieren muss man deshalb aufpassen, dass die anderen Charaktere – und besonders die Eltern – nicht zu blossen Nebenfiguren verkommen, die das Frühstück auftischen und wieder abräumen. Ich habe viel Sympathie für diese kleine Familie. Der Text der Oper lässt vermuten, dass Coralines Mutter diejenige ist, die in der Familie das Geld verdient. Sie ist eine emanzipierte, erfolgreiche Frau und stolz darauf. Am liebsten würde sie alles perfekt machen und sich auch noch liebevoll um ihre Tochter kümmern, stösst dabei aber an ihre Grenzen. Ihr Mann ist ein lustiger, etwas skur­ riler Typ, ein gewitzter Erfinder und Klimaforscher, der damit beschäftigt ist, eine Maschine zu entwickeln, mit deren Hilfe er «die Welt retten» will. Gerade dieser Anspruch macht aber klar, dass sein Elan und seine unermüdliche Forschungswut manchmal etwas strapaziös sein können... Der Vater ist ausserdem der Koch der Familie und achtet sehr auf gesunde Kost – was Coraline nicht immer freut… Da die Eltern kaum Zeit haben, überlassen sie Coraline also ihrem Schicksal… Sie sind froh darüber, dass Coraline bereits so selbständig ist, und raten ihr, mal die neue Nachbarschaft zu erkunden, denn die Familie wohnt nicht allein in dem neuen Haus. In der Wohnung unterm Dach trifft Coraline auf den alten Mr. Bobo. Er lebt in ärmlichen Verhältnissen, behauptet aber, einmal ein berühmter Dirigent gewesen zu sein und ein Mäuseorchester zu dressieren. – Für mich als Regis­­seu­rin ist dies ein spannender und nicht ganz einfacher Moment, denn nach dem realistischen Stückbeginn stellt sich hier plötzlich die Frage, was denn ein Mäuse­orchester eigentlich sein soll... Gibt es das wirklich? Oder ist es nur die Fan­ tasie eines hal­­lu­zi­nierenden Verrückten? Coraline hat jedenfalls Mitleid mit dem alten Mann, weil sein Mäuseorchester nicht richtig zu funktionieren scheint... Weiter unten im Haus wohnen die beiden durchgeknallten pensionierten Schau­ spielerinnen Miss Forcible und Miss Spink. Wie Coraline feststellt, leben die beiden Ladies offen­sichtlich völlig in der Vergangenheit: Sie erinnern sich an grosse Bühnen­erfolge, jubelnde Presseberichte, Ruhm und Glanz. Und auch hier werden obskure Methoden gepflegt: Die beiden wollen nämlich aus den Teeblättern ihrer leergetrunkenen Tassen die Zukunft Coralines voraussagen... Während zuhause alles seinen gewohnten Gang geht, trifft Coraline also auf Nachbarn, die sich höchst ungewöhnliche Dinge imaginieren... Ja, spätestens in den Szenen bei den Nachbarn wird klar, dass in diesem neuen Haus nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Das Schicksal, das Miss Forcible und Miss Spink für Coraline aus den Teeblättern lesen, verheisst nichts Gutes: Coraline sei in grosser Gefahr! Vor solch einer Warnung schreckt Coraline aber nicht zurück. Der leise Schauer, den sie dabei verspürt, lässt sie sogar neuen Mut schöpfen! Diesen Mut benötigt Coraline, denn eine geheimnisvolle Tür in der neuen Wohnung, die bisher versperrt war, gibt eines Abends plötzlich den Weg ins Un­bekannte frei. In was für eine Welt gerät Coraline? Zunächst einmal glaube ich, dass das Durchschreiten der Tür selbst und die damit verbundene Verwandlung – die bei uns auch mit einer grossen Bühnenverwand­lung einhergehen wird – ein ganz wichtiger Moment ist, denn Mark-Anthony Turnage hat für die Verwandlungen in die Anderwelt und zurück jeweils grosse orchestrale Zwischenspiele komponiert. Sich aus eigener Entscheidung ins Ungewisse zu begeben, erfordert von einem Kind unglaublich viel Mut... Und aus psycho­logischer Sicht könnte man diesen Vorgang als eine Art zweites Abnabeln von den Eltern oder als einen Initiationsritus verstehen... Ist es also ein Moment, der mit der Szene vergleichbar ist, in der Lewis Carolls Alice durch das Kaninchenloch fällt?

Seite 30/31: Alice Kolb hat Szenen und Figuren aus «Corali­ne» illustriert, die bei den Vor­stel­­lun­gen als Kinder­­pro­gramm­heft er­hältlich sein werden. Mit dort beigelegten Farb­folien können die zwei Welten, in denen Coraline lebt, sepa­rat be­trachtet werden.


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Coraline Familienoper von Mark-Anthony Turnage ab 8 Jahren Musikalische Leitung Ann-Katrin Stöcker Inszenierung Nina Russi Bühnenbild und Kostüme Stefan Rieckhoff Lichtgestaltung Franck Evin Video-Design Tieni Burkhalter Dramaturgie Fabio Dietsche Coraline Deanna Breiwick / Sandra Hamaoui Mutter / Andermutter Irène Friedli / Judith Schmid Vater / Andervater Robin Adams / Grant Doyle Mister Bobo / Ander-­Bobo Iain Milne / Spencer Lang Miss Spink / Andere Miss Spink Sen Guo / Yuliia Zasimova Miss Forcible / Andere Miss Forcible Liliana Nikiteanu / Katia Ledoux Geisterkind 1 Céline Akçağ Geisterkind 2 Emanuel Heitz Geisterkind 3 Yuriy Hadzetskyy Philharmonia Zürich Statistenverein am Opernhaus Zürich Premiere 16 Nov 2019 Weitere Vorstellungen 24, 29 Nov; 1, 10, 13, 14 Dez 2019; 2 Jan; 1, 8, 16, 29 Feb; 17, 26 April 2020 Unterstützt durch

Ja, aber mit dem Unterschied, dass Coraline eben nicht hindurchfällt, sondern aktiv ins Unbekannte krabbelt. Sie entscheidet sich bewusst dafür. Und das würde sicher nicht jedes Kind tun! «Belohnt» wird sie mit einer sehr seltsamen Welt: Es ist alles wie zuhause und doch nicht wie zuhause, so Coralines erster Eindruck. Sie trifft in dieser Welt auf ihre Andermutter, ihren Andervater und die Anderen Nach­ barn, die alle den Figuren ähneln, die wir schon kennen – mit dem Unterschied, dass sie viel netter, bunter und interessanter sind. Sogar den Namen Coraline spre­ chen hier alle richtig aus! Aber es gibt noch einen anderen, gravierenden Unter­ schied: Anstelle ihrer Augen haben in dieser Welt nämlich alle Figuren Knöpfe auf­ genäht. Dieses unheimliche Zeichen zeigt für mich, dass bei den Menschen in der Anderwelt sozusagen der Eingang zur Seele versperrt ist. Und auch Coraline realisiert bald, dass diese vermeintlich paradiesische Welt, in der alle Träume erfüllt werden, eine falsche Welt ist. Spätestens wenn sie selber dazu aufgefordert wird, ihre Augen gegen Knöpfe einzutauschen, weiss Coraline, dass sie hier nicht bleiben will... Das klingt nach einer ziemlich schauerlichen Wendung. Werden sich die Kinder im Publikum da nicht fürchten? Neil Gaiman ist ein Autor, der im Fantasy-Genre zuhause ist und gerne mal in etwas unheimliche Welten eintaucht. Aber er ist auch ein erfahrener und viel gelesener Kinder- und Jugendbuchautor, der schon abschätzen kann, wie viel Unheimlichkeit für Kinder erträglich ist. Aber die Botschaft, die er mit diesem Stoff vermitteln will, setzt geradezu voraus, dass auch das Publikum ein bisschen mit Coraline mitfühlt, denn: «Mutig sein» heisst für Gaiman nicht einfach «keine Angst zu haben», sondern: «Mutig sein bedeutet grosse Angst zu haben, und trotzdem das Richtige zu tun.» Ängste zu haben, einschätzen und überwinden zu können, ist ein grosses Thema dieser Oper – und Coraline erzählt dazu sogar eine kleine Geschichte von früher, als sie mit ihrem Vater vor einem Wespenschwarm flüchten musste und grosse Angst hatte. Trotz dieser Angst ist ihr Vater damals noch einmal an den Ort zurückgekehrt, um seine vergessene Brille zu holen. Und genau dasselbe macht Coraline in dieser Oper durch, wenn sie später feststellt, dass sie nochmal in die Anderwelt zurückkehren muss... – Aber natürlich ergeben sich gegen Ende des Stückes positive Wendungen: So gelingt es Coraline beispielsweise, eine ganze Schar Geisterkinder zu befreien, die von der Andermutter festgehalten wurden... Sehr erfolgreich war Henry Selicks Animationsverfilmung des Coraline-Stoffs. Die effektvollen Mittel des Films lassen die Andermutter zu einer ziemlich garstigen Hexe werden. War dieser Film auch eine Inspiration für deine Inszenierung? Im Film hat man grundsätzlich ganz andere Mittel zur Verfügung als auf der Theater­bühne. So unheimlich und effektreich können wir gar nicht sein – obwohl sich unsere technische Abteilung auch viele tolle Kniffe ausgedacht hat, auf die wir sehr gespannt sind! Mir ist aber vor allem wichtig, dass die Anderwelt fesselnd, fantastisch, sinnlich und überzeichnet ist. Es gibt ja nicht nur gruslige, sondern auf der Ebene der Sprache und der Musik auch viele humorvolle Situationen… Uraufgeführt wurde Mark-Anthony Turnages Oper 2018 in London. Nun ist sie zum ersten Mal in der Schweiz zu hören. Was gefällt dir an der Musik besonders? Ich mag es, dass Turnage rhythmisch vertrackte Phrasen schreibt, die oft eine Nähe zum Jazz haben: Dem Vater hat er zum Beispiel eine sehr humorvolle Musik ge­ schrieben. Aber auch die Musik für unsere beiden Schauspiel-Ladies lassen die Hüf­ ten instinktiv mitwippen. Noch eindrücklicher sind aber vielleicht die musikalischen Stimmungen, die der Anderwelt ihre besondere Atmosphäre verleihen, und vor allem die Stimmen der drei Geisterkinder, die mit ihrer Musik gewisser­mas­sen die


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Grenze der beiden Welten überbrücken: Coraline kann die Geisterkinder nämlich schon hören, bevor sie die Anderwelt überhaupt betritt. Ist die Geschichte dieses Mädchens eigentlich auch für Jungs attraktiv? Aber sicher! Jeder Junge wird sich auf der Stelle in Coraline verlieben und sie nach­ ahmen wollen! Alles wollen wir hier noch nicht vorwegnehmen. Aber was wird Coraline am Ende ihrer Erlebnisse für ihr weiteres Leben mitnehmen? Sie wird ein bisschen erwachsener aus dieser Erfahrung herausgehen. Die Angst vor der neuen Schule wird ganz sicher verschwunden sein, und der Umgang mit den Eltern und Nachbarn in der «normalen» Welt wird ab jetzt anders sein, denn Coraline hat das Verhältnis zwischen Wunsch und Wirklichkeit besser kennenge­ lernt. Sie weiss jetzt, dass eine nicht perfekte Welt, in der man manchmal um etwas kämpfen muss, trotzdem besser ist als eine seelenlose Welt der absoluten Perfektion. Und sie ist bereit für einen neuen Lebensabschnitt und weitere Erlebnisse. Das Gespräch führte Fabio Dietsche

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36 Meine Rolle

Ein reifes Köpfchen!

Deanna Breiwick stammt aus Seattle und studierte in New York. Am Opernhaus Zürich ge­hörte sie ab 2013 zum Internationalen Opernstudio und von 2014 bis 2016 zum Ensemble. Sie war hier u.a. als Marzelline («Fidelio»), Papagena («Die Zauberflöte»), Drusilla («Poppea») und in zahlreichen Familien­opern zu hören. Sie ist regelmässig in den USA zu erleben, zuletzt u.a. in Nico Muhlys «Marnie» an der New Yorker Met und als Gretel («Hänsel und Gretel») am Michigan Opera Theatre.

Am Opernhaus Zürich habe ich schon sehr oft in Opern für Kinder auf der Bühne gestanden. Ein besonderes Highlight war es für mich vor zwei Jahren, Dorothy in Der Zauberer von Oz zu singen. Kinder sind ein fantastisches Publikum! Sie sind ehrlich und scheuen sich nicht, ihre Meinung lautstark kundzutun: Sie pfeifen die Bösewichte aus und fiebern mit den Helden mit. Ich denke, das liegt daran, dass sich Kinder viel einfacher als Erwachsene in eine Fantasiewelt hineinversetzen und im Moment der Vorstellung voll in der Theaterwelt aufgehen können. Diese hohe Aufmerksamkeit würde man sich als Sänger manchmal auch von den Erwachsenen wünschen… In den USA, wo ich herkomme, haben wir keine vergleichbar grossen Formate für Kinder. Die alljährliche Familienoper ist hier in Zürich etwas sehr Spezielles und eine richtige Investition in die Zukunft dieser Kunstform. Deshalb bin ich auch diesmal wieder mit ganzem Herzen dabei! Die Geschichte von Coraline ist in den USA besonders durch die aufwändig ge­ filmte Version mit animierten Puppen von Henry Selick bekannt. So habe ich den Stoff zuerst auch kennengelernt. Dass von derselben Erzählung eine Oper existiert, fand ich sehr aufregend, vor allem deshalb, weil sich darin – ähnlich wie im Zauberer von Oz – ein mutiges Mädchen in der Hauptrolle auf eine verrückte Entdeckungsreise in eine unbekannte Welt aufmacht! Für ihre elf Jahre hat Coraline ein erstaunlich reifes Köpfchen. Sie begreift viele Dinge bereits wie eine junge Frau und hat trotzdem ihre natürliche Kindlichkeit noch nicht ganz abgestreift: Sie wundert sich über Dinge und lässt sie nicht einfach so ste­ hen, wie sie erscheinen. Im Umfeld ihrer dauerbeschäftigten Eltern findet sie es deshalb nervig, ihre Kreativität und Neugierde nicht so recht ausleben zu dürfen – und überhaupt findet sie die Erwachsenen recht unaufmerksam und festgefahren in ihren Kon­ ventionen: Auch die Nachbarn der Familie können sich nicht daran gewöhnen, dass Coraline einen ungewöhnlichen Namen hat und eben nicht Caroline heisst. Die Welt, in der Coraline aufwächst, ist also etwas grau und quadratisch. Doch dann entdeckt sie eine geheimnisvolle Tür und dahinter eine Welt, die auf den ersten Blick verlockend, farbig und voller Leben erscheint! Ein wenig erinnert sie mich an die Märchenwelt aus Grimms Hänsel und Gretel, die ich als Gretel gerade in Humper­ dincks Opernversion kennengelernt habe. Auch Coraline fühlt sich zunächst in einem Land der unbegrenzten Möglichkeiten, bevor sie entdeckt, dass dieses Glück einen hohen Preis hat: Sie soll sich nämlich wie alle anderen in dieser Welt Knöpfe auf die Augen nähen lassen! Doch an diesem Punkt realisiert sie, dass sie mit den Augen auch ihr eigenes Wesen verlieren würde – und dies für eine perfekte Welt, in der es nichts mehr zu bekämpfen und zu hinterfragen gäbe… Will man das überhaupt? Hinsichtlich meiner eigenen Kindheit kann ich mich gut mit Coraline identifizie­ ren: Wenn man sich als Kind etwas vornimmt und sein Ziel dann auch wirklich erreicht, ist das immer mit einem Glücksgefühl verbunden. Aber auch die Neugier Coralines ist mir nicht fremd… Meine eigene Neugier hat mich in die Welt der Oper geführt, in der ich jetzt lebe: Coraline ist in diesem Jahr schon meine sechste Hauptrolle! Glücklicherweise habe ich aber viele Erfahrungen mit neuer Musik gemacht – um es etwas unpoetisch zu sagen: Ich habe viel Zeit damit verbracht, komplexe Interval­le zu üben. Aber diese Arbeit zahlt sich jetzt aus, denn hinter dem technischen «Gerüst» verbergen sich in Turnages Musik richtig unheimliche Stimmungen, aber auch viele humorvolle Momente, die wir jetzt in den Proben zum Leben erwecken! Deanna Breiwick

Illustration: FLAG Aubry Broquard

Deanna Breiwick über die Titelpartie in Mark-Anthony Turnages «Coraline»



Inspiration

Kultur

Engagement

Musik, Theater und Kunst – faszinieren, inspirieren, bewegen. Und fördern Dialog. Alles Gründe für Swiss Re, sich im Bereich Kultur zu engagieren, Kreativität und Leidenschaft zu unterstützen und neue, spannende Perspektiven zu eröffnen. In Zusammenarbeit mit Kultur-Institutionen und im Dialog mit Künstlern schaffen wir Neues. Und inspirieren Zukunft – gemeinsam: Together, we’re smarter. www.swissre.com


Die geniale Stelle 39

Die Schrift an der Wand

Illustration: Anita Allemann

Drei Takte in Georg Friedrich Händels «Belshazzar»

«Es zahlt sich teuer, zur Macht zu kommen: die Macht verdummt.» Dieser Satz aus Nietzsches Götzendämmerung verkündete schon damals keine Neuigkeit. Nietzsche hat lediglich genial prägnant formuliert, was jeder weiss, seit es Machthaber unter den Menschen gibt. Händel hat dieses Wissen auf seine eigene Weise in seinem Oratorium Belshazzar gestaltet: Der König von Babylon ist durch die Macht so verblendet, dass er sich für unbesiegbar hält. Ist nicht der jüdische Tempel geplündert und zerstört? Schmachtet nicht das Volk der Juden in babylonischer Sklaverei? Zeigt das nicht, dass Belshazzar stärker ist als selbst Jahwe, den die Juden anbeten? Er hat vergessen, was Machthaber immer vergessen: Alles ist endlich, jede Macht ist schwach, es gibt immer eine höhere Macht, die ihr Grenzen setzt, egal ob man sie Gott, Geschichte oder Zu­fall nennt. Und so feiert der König sich selbst in einem orgiastischen Fest, während die Armee der Perser schon seine Hauptstadt einnimmt. Und während er sich mit seinen Günstlingen aus den Ritualgefässen betrinkt, die aus dem jüdischen Tempel geraubt wurden, geschieht Unfassbares: Zum Schrecken aller erscheint eine geheim­ nisvolle Hand und schreibt die Voraussage des baldigen Untergangs an die Wand. Händel hat für diesen dramatischen Höhepunkt eine verblüffende musikalische Gestalt gefunden: Wer bei diesem spektakulären Vorgang ein orchestrales Erdbeben, dröhnende Tremoli der Bässe, wild auf und ab rasende Läufe und donnernde Pauken­ schläge erwartet, wird enttäuscht sein, wenn er hört, wie die Violinen unbegleitet und fast unhörbar leise eine in Halbtonschritten zaghaft aufsteigende Linie spielen, die ganz aus der Tonart fällt, ja – wenn der Anachronismus einmal gestattet ist – atonal genannt werden kann. Unüberhörbar: Was sich hier auf eine unbegreifliche Weise in das Geschehen mischt, ist eine Macht aus einer unbekannten, fremden Welt. Händels Komposition beschreibt aber nicht das Aussergewöhnliche des Vorgangs, sondern nimmt ihn als theatralische Geste beim Wort: So wird hörbar, was wir im Oratorium (das ursprünglich nicht für eine szenische Darbietung, sehr wohl aber theatralisch gedacht ist) nicht sehen können: Die wohl abgewogenen Bewegungen der schreibenden Hand. Und vor dem geistigen Auge des Hörers erscheint das Bild des Schreibenden, der mit leicht schräggelegtem Kopf, die Zunge ein wenig zwischen die Lippen geklemmt, höchst konzentriert und vorsichtig in makelloser Schönschrift die Botschaft an die Wand bringt. Die Ironie ist offenkundig: Die höhere Macht, die sich hier kundtut, muss nicht mit Donner und Blitz auftrumpfen. Langsam und sorg­ fältig (es soll doch schön aussehen) wird die Nachricht vom unaufhaltsamen Untergang des Herrschers gemalt und etwas später mit einem kleinen Ornament abgeschlossen, als hiesse es: «Bitte sehr, viel Spass damit.» Doch der die Macht hat, kann nicht ver­ stehen, was das bedeutet. Er kann die Zeichen nicht lesen, aber selbst nachdem er ihre Deutung erfährt, tut er nur, was die Machthaber in solcher Lage immer zu tun pflegen: Er ignoriert die Warnung und feiert sich in seinen Untergang hinein. Händels sarkastischer Kommentar zeigt mit aller wünschenswerten Deutlichkeit, dass er nicht auf der Seite der Macht steht. Sein Platz ist bei dem leidenden Volk, das durch den Tod des Königs befreit wird. Händel, der Aufklärer, glaubt fest daran, dass die Dummheit der Macht überwunden und die Weltordnung wiederhergestellt wer­ den kann. Wir Heutigen, die wir zum Beispiel das Menetekel des Klimawandels nur zu gut verstehen und zusehen, wie die Regierenden sich ihre Scheuklappen fest vor die Augen drücken, können da nicht mehr so sicher sein… Werner Hintze


40 Fragebogen

Layla Claire Aus welcher Welt kommen Sie gerade? Soeben haben wir einen wunderbaren Sommer in British Columbia verbracht, wo auch meine Familie lebt, sowie in San Francisco in Kalifornien, wo mein Ehe­ mann, der ebenfalls Sänger ist, enga­giert war. Während er gesungen hat, habe ich in aller Ruhe Yoga gemacht, war am Strand spazieren und habe Kaffee ge­ trunken... Auf was freuen Sie sich in der Bel­shaz­zar-­Produktion? Eine riesige Anzahl von wunderbaren Händel-Arien singen zu dürfen, die eine enorme Ausdrucksbreite haben! Welches Bildungserlebnis hat Sie besonders geprägt? Als junge Studentin Anfang zwanzig durfte ich an der New Yorker Metropo­ litan Opera mehrere kleine Rollen singen und habe damals so vieles von den grossen Stars gelernt, die ich auf der Bühne aus nächster Nähe be­ob­ach­ ten konnte. Ich erinnere mich, wie ich zum Beispiel Dmitri Hvorostov­skys Brustkorb beim Einatmen studierte oder Juan Diego Flórez zusah, wie er das Publikum mit seinem grossen Charme um den Finger wickelte, oder Renée Fleming, wie sie gleichsam wie eine Spinnerin eine scheinbar un­ end­­liche Melodie flocht. Kann man sich einen besseren Unterricht vorstellen? Welches Buch würden Sie niemals aus der Hand geben? Quaker Faith and Practice. Dieses Buch schlage ich auf, um mich immer wieder daran zu erinnern, mich von der Liebe, von Frieden und Mitgefühl leiten zu lassen. Welche CD hören Sie immer wieder? Im Moment kann ich nicht damit auf­hören, Honey von Robyn zu hören, aber auch The Art of the Prima Donna mit der grossartigen und un­ über­troffenen Joan Sutherland.

Welchen überflüssigen Gegenstand in Ihrer Wohnung lieben Sie am meisten? Die frisch geschnittenen Blumen aus mei­nem Garten. Ich habe tatsächlich ei­ nen wunderbaren Garten, unter ande­ rem mit einem sehr ausladenden Rosen­ strauch. Mit welchem Künstler würden Sie gerne essen gehen, und worüber würden Sie reden? Falls mit einem verstorbenen Künstler: selbstverständlich mit Mozart, einfach, um mit ihm Zeit zu verbringen und um mit ihm herumzukichern. Falls noch lebend: mit Beyoncé, um in ihren Kopf hineinschauen zu können, wie sie es schafft, kreativ zu bleiben, eine Familie und gleichzeitig ihre phänome­ nale Karriere zu managen. Nennen Sie drei Gründe, warum das Leben schön ist! Mein Ehemann John und meine zwei entzückenden Töchter, die zweiein­ halbjährige Matilda sowie die ein­ein­halb­ ­jährige Vivian. Sie sind mein Ein und Alles!

Layla Claire stammt aus Penticton (Kanada). Sie studierte Gesang in Montréal sowie am Curtis Institute of Music und ist Preis­trägerin mehrerer internationaler Wett­bewerbe. Zu ihrem Kernrepertoire zählen die grossen Sopran­partien Mozarts. Jüngst war sie als Donna Elvira an der Bayerischen Staats­ oper, bei den Salzburger Festspielen und an der Opéra Montréal, in der Titelpartie der «Alcina» bei den Händel-Festspielen in Karls­ruhe sowie als Pamina an der Met zu erleben. Layla Claire ist dem Zürcher Opern­ publikum noch in bester Erinnerung als Governess in Brittens «The Turn of the Screw» sowie als Donna Elvira in «Don Giovanni».


Kalendarium 41

November 2O19

Fr Das Mädchen mit den 1  Schwefelhölzern

19.30

von Helmut Lachenmann, Ballett von Christian Spuck Preise D

Sa 2  Führung Opernhaus

14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Così fan tutte

19.00

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Preise E

So 3  Ballettgespräch

11.15

Zu Themen aus der Welt des Tanzes Studiobühne, CHF 10

Brunchkonzert

11.15

«Das englische Consort» Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch im Restaurant Belcanto, Spiegelsaal, CHF 60

Belshazzar Premiere 19.00

Oratorium von Georg Friedrich Händel Premieren-Abo A, Preise F

Mo Lunchkonzert 4

12.00

«Das englische Consort» Kammermusik am Mittag, Spiegelsaal, CHF 20

6 Mi Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse

15.00

Musiktheater von Gisbert Näther für Kinder ab 7 Jahren, Studiobühne, CHF 30

open space tanz

19.00

Wöchentlicher Tanz-Workshop Treffpunkt Billettkasse, Eintritt frei

Belshazzar

19.00

Oratorium von Georg Friedrich Händel Premieren-Abo B, Preise E

Fr 8  Führung Bühnentechnik

16.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Gesprächskonzert Helmut Lachenmann 19.00

Studiobühne, CHF 50

Così fan tutte

19.30

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Freitag-Abo B, Preise E

9  Führung Opernhaus Sa

14.30

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Unterwegs mit Ohrwurm Squillo

15.00

Führung für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse

15.00

Musiktheater von Gisbert Näther für Kinder ab 7 Jahren, Studiobühne, CHF 30

Belshazzar

19.30

Oratorium von Georg Friedrich Händel Samstag-Abo, Misch-Abo C, Preise E

1O So Das Mädchen mit den Schwefelhölzern 14.00

von Helmut Lachenmann, Ballett von Christian Spuck Preise H, AMAG Volksvorstellung

Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse 15.00

Musiktheater von Gisbert Näther für Kinder ab 7 Jahren Studiobühne, CHF 30

Beethoven / Wagner

19.00

1. Philharmonisches Konzert Dirigent: Fabio Luisi, Violine: Leonidas Kavakos Konzert-Abo, Beethoven-Abo, Preise Q

14 Do Das Mädchen mit den Schwefelhölzern 19.00

von Helmut Lachenmann, Ballett von Christian Spuck Donnerstag-Abo B, Modern-Abo, Preise D

15 Fr Belshazzar

19.00

Oratorium von Georg Friedrich Händel Freitag-Abo A, Preise E

16 Sa Familienworkshop «Messa da Requiem»

14.30

Für 7- bis 12-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Coraline Premiere

17.00

Familienoper von Mark-Anthony Turnage ab 8 Jahren, Preise K

17 So Belshazzar

14.00

Oratorium von Georg Friedrich Händel Preise H, AMAG Volksvorstellung

Familienworkshop «Messa da Requiem»

14.30

Für 7- bis 12-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Liederabend Pretty Yende

19.00

Michele D’Elia, Klavier Lieder-Abo, Belcanto-Abo, CHF 60

2O  Mi open space tanz

19.00

Wöchentlicher Tanz-Workshop Treffpunkt Billettkasse, Eintritt frei


42 Kalendarium

21 Do Belshazzar 19.00

Oratorium von Georg Friedrich Händel Mittwoch-Abo A, Preise E

22 Fr Messa da Requiem Wiederaufnahme 19.00

Requiem von Giuseppe Verdi Ballett von Christian Spuck Kombi-Abo, Italienische Oper-Abo, Preise F

23 Sa Führung Opernhaus 14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Ballettführung mit Miniworkshop

14.30

Familienworkshop «Hänsel und Gretel»

14.30

Für 7- bis 12-Jährige und ihre Eltern Studiobühne, CHF 20

imprO-Opera

15.30

Für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Für 7- bis 12-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Belshazzar

19.00

Oratorium von Georg Friedrich Händel Barock-Abo, Preise E

Märchen auf dem Klangteppich «Armstrong»

15.30

Für 4- bis 6-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 15

Führung Maskenbildnerei

15.45

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Belshazzar

19.00

Oratorium von Georg Friedrich Händel Misch-Abo A, Preise E

Dezember 2O19 So Brunchkonzert 1

11.15

«Zwischen Nostalgie und Abgrund» Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch im Restaurant Belcanto, Spiegelsaal, CHF 60

Coraline

14.00

Familienoper von Mark-Anthony Turnage ab 8 Jahren, Preise K

Märchen auf dem Klangteppich «Armstrong»

15.30

Für 4- bis 6-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 15

24 So Einführungsmatinee «Don Pasquale»

Musikalischer Adventskalender

Messa da Requiem

11.15

Bernhard Theater, CHF 10

Coraline

14.00

Familienoper von Mark-Anthony Turnage ab 8 Jahren, Preise K

Familienworkshop «Hänsel und Gretel» 14.30

Für 7- bis 12-Jährige und ihre Eltern Studiobühne, CHF 20

imprO-Opera

15.30

Für 7- bis 12-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Messa da Requiem

20.00

Requiem von Giuseppe Verdi Ballett von Christian Spuck Sonntag-Abo C, Preise F

27 Mi open space tanz

19.00

Wöchentlicher Tanz-Workshop Treffpunkt Billettkasse, Eintritt frei

29 Fr Messa da Requiem

19.00

Requiem von Giuseppe Verdi Ballett von Christian Spuck Ballett-Abo Gross, Preise F

3O Sa Führung Opernhaus 14.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

17.30

19.30

Eingangsfoyer, Eintritt frei

Requiem von Giuseppe Verdi Ballett von Christian Spuck Sonntag-Abo D, Preise F

Mo Lunchkonzert 2

12.00

«Zwischen Nostalgie und Abgrund» Kammermusik am Mittag, Spiegelsaal, CHF 20

Musikalischer Adventskalender

17.30

Eingangsfoyer, Eintritt frei

Di 3  Musikalischer Adventskalender

17.30

Eingangsfoyer, Eintritt frei

Mi 4  Musikalischer Adventskalender

17.30

Eingangsfoyer, Eintritt frei

open space tanz

19.00

Wöchentlicher Tanz-Workshop für alle ab 16 Jahren Eintritt frei, Treffpunkt Billettkasse

Do 5  Musikalischer Adventskalender

17.30

Eingangsfoyer, Eintritt frei

Liederabend Krassimira Stoyanova

19.00

Jendrik Springer, Klavier Lieder-Abo, Misch-Abo C, CHF 60


Kalendarium 43 Fr 6  Führung Bühnentechnik

16.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 20

Musikalischer Adventskalender 17.30

Eingangsfoyer, Eintritt frei

Belshazzar

19.00

Oratorium von Georg Friedrich Händel Freitag-Abo B, Preise E

Sa 7  Führung Opernhaus

15.00

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Musikgeschichten «Cenerentola!»

15.30

Für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 15

Musikalischer Adventskalender

17.30

Eingangsfoyer, Eintritt frei

Messa da Requiem

19.30

Requiem von Giuseppe Verdi Ballett von Christian Spuck Samstag-Abo, Preise F

So Brunchkonzert 8

11.15

«A Spanish Flair» Kammerkonzert mit anschliessendem Brunch im Restaurant Belcanto, Spiegelsaal, CHF 60

Musikgeschichten «Cenerentola!» 15.30

Für 6- bis 9-Jährige und ihre Eltern Treffpunkt Billettkasse, CHF 15

Musikalischer Adventskalender 17.30

Eingangsfoyer, Eintritt frei

Don Pasquale Premiere

19.00

Dramma buffo von Gaetano Donizetti Premieren-Abo A, Preise G

Mo Lunchkonzert 9

12.00

«A Spanish Flair» Kammermusik am Mittag, Spiegelsaal, CHF 20

Musikalischer Adventskalender 17.30

Eingangsfoyer, Eintritt frei

1O Di Musikalischer Adventskalender 17.30

open space tanz

19.00

Wöchentlicher Tanz-Workshop für alle ab 16 Jahren Eintritt frei, Treffpunkt Billettkasse

Messa da Requiem

19.30

Requiem von Giuseppe Verdi Ballett von Christian Spuck Mittwoch-Abo B, Preise F

12 Do Musikalischer Adventskalender 17.30

Eingangsfoyer, Eintritt frei

Don Pasquale

19.30

Dramma buffo von Gaetano Donizetti Premieren-Abo B, Preise F

13 Fr Musikalischer Adventskalender 17.30

Eingangsfoyer, Eintritt frei

Il turco in Italia

19.00

Oper von Gioachino Rossini Italienische Oper-Abo, Preise E

14 Sa Coraline

11.00

Familienoper von Mark-Anthony Turnage ab 8 Jahren, Preise K

Unterwegs mit Ohrwurm Squillo

14.30

Treffpunkt Billettkasse, CHF 10

Musikalischer Adventskalender 17.30

Eingangsfoyer, Eintritt frei

Messa da Requiem

19.00

Requiem von Giuseppe Verdi Ballett von Christian Spuck Misch-Abo B, Preise F

15 So Hänsel und Gretel Wiederaufnahme

14.00

Märchenoper von Engelbert Humperdinck ab 8 Jahren, Preise B

Musikalischer Adventskalender 17.30

Eingangsfoyer, Eintritt frei

Don Pasquale

20.00

Dramma buffo von Gaetano Donizetti Sonntag-Abo C, Gute Laune-Abo, Preise F

Eingangsfoyer, Eintritt frei

Il turco in Italia Wiederaufnahme

19.00

Oper von Gioachino Rossini Dienstag-Abo C, Belcanto-Abo, Preise E

11 Mi Musikalischer Adventskalender 17.30

Eingangsfoyer, Eintritt frei

Das Opernhaus Zürich für Kurzentschlossene: Am Opernhaustag erhalten Sie 50% Ermässigung für die gleichentags stattfindende und gekennzeichnete Vorstellung. www.opernhaus.ch/opernhaustag Unterstützt von Swiss Re

Die Werkeinführung findet jeweils 45 Min. vor der Hauptbühnen-Vorstellung bzw. den Philharmonischen Konzerten statt.


44 Beni Bischof erklärt …

In den Opern gibt es nicht nur Hauptrollen. Auch die ganz kleinen Rollen wollen gut besetzt und gut gesungen sein, und die sind oft so winzig, dass man sie im Stück kaum erkennt. Das sind die Boten, Herolde, Diener und Pagen, auf die die Komponisten nicht verzichten wollten. Sie singen auf der Bühne einen einzigen Satz, um anschliessend auf Nimmer­ wiedersehen aus der Aufführung zu verschwinden. Diese Minipartien werden im Theaterjargon traditionell «Wurzen» (österreichisch für Wurzel) genannt. Wer am Theater eine Wurze ist, gehört dazu, hat ein Kostüm und einen Auftritt. Immer­hin. Aber eine Wurze will natürlich nicht Wurze bleiben, sondern sich zu einer Hauptrolle auswachsen.

Illustration: Beni Bischof

Wurze


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Intendant Andreas Homoki Generalmusikdirektor Fabio Luisi Ballettdirektor Christian Spuck Verantwortlich Claus Spahn Sabine Turner Redaktion Beate Breidenbach Kathrin Brunner Fabio Dietsche Michael Küster Claus Spahn Gestaltung Carole Bolli Fotografie Danielle Liniger Florian Kalotay Bildredaktion Christian Güntlisberger Anzeigen Michael Mix Schriftkonzept und Logo Studio Geissbühler Druck Multicolor Print AG Illustrationen Anita Allemann FLAG Aubry Broquard Beni Bischof

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