MAG 86: Il trovatore

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MAG 86

Gianandrea Noseda dirigiert «Il trovatore»


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Wovon man nicht sprechen kann, davon muss man singen: Future is an attitude die Sopranistin K ristine Opolais im Portrait. Audi Q4 Sportback 35 e-tron, 170 PS, 18,6 kWh/100 km, 0 g CO₂/km, Kat. A


Editorial

Hohe Temperatur Verehrtes Publikum, die Monate Oktober und November werden in musikalischer Hinsicht ganz besondere, denn unser neuer Generalmusikdirektor Gianandrea Noseda tritt sein Amt am Opernhaus Zürich an und legt gleich richtig los: Er dirigiert die Neuproduktion von Verdis Il trovatore in einer Star-Besetzung mit Marina Rebeka, Agnieszka Rehlis, Piotr Beczała und Quinn Kelsey. Eine Woche nach der Trovatore-Premiere leitet er dann ein Philharmonisches Konzert, in dem er Antonín Dvořáks Achte Sinfonie zur Auffüh­ rung bringt und das Erste Klavierkonzert von Johannes Brahms, für das er sich den russischen Weltklasse-Pianisten Daniil Trifonov als Partner an seine Seite holt. Generalmusikdirektoren prägen den Ton des Hauses. Deshalb hat es musikalisch gewiss etwas zu bedeuten, dass das Opernhaus Zürich nach Fabio Luisi weiterhin in italienischer Hand bleibt. Seit den Zeiten von Arturo Toscanini verbinden wir die italienische Art zu dirigieren mit hell loderndem Leidenschaftsfeuer und impulsivem Temperament. Solche Klischeevorstellungen greifen natürlich viel zu kurz, aber sie haben meist auch einen wahren Kern. Es ist nicht egal, in welchem Land eine Dirigen­ tin oder ein Dirigent kulturell geprägt wurde. Wenn Gianandrea Noseda in unserer aktuellen MAG-Ausgabe über Verdis Trovatore spricht und glutvolle Intensität und «eine unglaublich hohe Temperatur» in Verdis Partitur wahrnimmt, dann glauben wir, den Italiener in ihm zu vernehmen. Aber es gibt auch andere Seiten im musika­li­­schen Empfinden dieses Künstlers – eine slawisch beseelte, wie er sie uns in seiner Zürcher Interpretation von Prokofjews Feurigem Engel offenbart hat, oder eine deutsch­­ro­ man­­tisch-empfindsame, wie sie im Frühjahr im Deutschen Requiem von Johannes Brahms zu erleben war. Diese denkwürdige Aufführung während des zweiten Corona-Lockdowns war wie ein vorgezogenes Einstandskonzert des zukünftigen Generalmusikdirektors. Der Chor stand auf Abstand im leeren Zuschauerraum, die Philharmonia hatte auf der Bühne Platz genommen, und Gianandrea Noseda schien nicht nur Chor und Or­ chester, sondern das hell erleuchtete Zürcher Opernhaus insgesamt zu dirigieren. Das Konzert fand ohne Zuschauer statt und wurde live auf ARTE im Fernsehen über­tra­ gen. Aber es traf in seinem berührenden Trauer- und Tröstungston die Stimmungslage der Menschen mitten ins Herz und wurde zu einem Publikumshit: Nimmt man die späteren Aufrufe auf der ARTE-Mediathek hinzu, haben 700’000 Menschen dieses Brahms-Requiem gesehen. Einen strahlkräftigeren Start an einer neuen Wirkungsstätte kann sich ein Dirigent kaum wünschen. In den Trovatore-Vorstellungen und dem Philharmonischen Konzert hat Gianandrea Noseda nun auch die Gelegenheit, mit Ihnen, seinem neuen Publikum, live und direkt in Kontakt zu treten. Der Opernhaus-Herbst wird ein besonderer, weil wir auch über Gianandrea No­ sedas Amtsantritt hinaus einen prallvollen, attraktiven Spielplan präsentieren können. So gibt etwa das Ballett Igor Strawinskys Klassiker Le Sacre du printemps in Kombination mit Ravels Boléro. Wir nehmen Kirill Serebrennikovs aufsehenerregende Inszenierung von Mozarts Così fan tutte wieder auf – und zeigen unsere neue Fa­milien­ oper: Mit viel Theaterzauber kommt auf der grossen Bühne Die Odyssee nach Homer in einer kindgerechten Fassung zur Uraufführung, komponiert von Leonard Evers. MAG 86 / Okt 2021 Unser Titelbild zeigt Gianandrea Noseda, der Giuseppe Verdis Oper «Il trovatore» dirigiert. (Foto Florian Kalotay)

Claus Spahn

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Podcast

Peter Maur o ellen u im akt ast Podc Zwischenspiel Die neue Folge ist online.

Was fühlt eigentlich Hauptmann Narraboth in der Oper «Salome», wenn er tot auf der Bühne liegt? Wie verleiht man einem Liederzyklus von Franz Schubert zugleich Tiefe und Leichtigkeit? Was verbindet einen Tenor mit dem brutalen Kampfsport Mixed Martial Arts? Dieses und vieles andere mehr erzählt der Schweizer Tenor Mauro Peter in der aktuellen Ausgabe unseres Podcasts Zwischenspiel im Gespräch mit Claus Spahn.

Unterstützt von

Foto: mauritius images / JT Vintage

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Inhalt

10 Wie diffamierend ist der Begriff der «Zigeunerin»? – ein Gespräch mit der Schriftstellerin Isabella Huser 15 Die britische Regisseurin Adele Thomas über ihre Inszenierung von Verdis «Il trovatore» 22 Der neue Generalmusikdirektor tritt sein Amt an – Gianandrea Noseda im Gespräch 28 Der holländische Komponist Leonard Evers und die Librettistin Pamela Dürr sprechen über unsere neue Familienoper «Die Odyssee», die im November Premiere hat Opernhaus aktuell – 6,  Wie machen Sie das, Herr Bogatu? – 8,  Drei Fragen an Andreas Homoki – 9,  Volker Hagedorn trifft … – 26,  Der Fragebogen – 37,  Die geniale Stelle – 42,  Auf der Couch … – 44

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Der besondere Blick von Monika Rittershaus

28.


. 09.2021.21:29  +  BUEHNENORCHESTERPROBE  +  TOSCA  +


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Opernhaus aktuell

2. Philharmonisches Konzert

Gianandrea Noseda und Daniil Trifonov Gianandrea Noseda ist der neue Generalmusikdirektor am Opernhaus. Eine Woche nach seiner Premiere mit Verdis Il trovatore dirigiert er die Philharmonia Zürich auch im Konzert. Doch nicht nur auf das Dirigat darf man gespannt sein: Als Solist stellt sich der weltweit gefeierte Ausnahmepianist Daniil Trifonov mit dem Ersten Klavierkonzert von Johannes Brahms vor. Mit diesem Werk distanzierte sich der junge Komponist deutlich von den Virtuosenkonzerten des frühen 19. Jahr­hunderts: Mit seiner sinfonischen Weite und eruptiven klanglichen Ausdruckskraft sprengte es damals alle Dimensionen der Gattung. Aus dem slawischen Repertoire, das er gerne und oft dirigiert, bringt Gianandrea Noseda ausserdem die Achte Sinfonie von Antonín Dvořák zu Gehör, die mit einer heiteren, gelösten Stimmung aufwartet und von schönster böhmischer Folklore durchdrungen ist. Samstag 30 Okt, 19 Uhr, Opernhaus Zürich Gastspiele: 31 Okt, 19.30 Uhr, Stadtcasino Basel; 1 Nov, 19.30 Uhr, Casino Bern

Liederabend

Dagmar Manzel

dem Dagmar Manzel den Titel Sehnsucht verleiht – denn um Sehn­sucht geht es letztlich in allen Stücken: Sehnsucht nach dem kleinen privaten Glück, nach besseren Zeiten oder dem Vergessen. Mittwoch, 10 Nov, 19.30 Uhr

2. Brunch- / Lunchkonzert

Einem breiten Publikum ist die Schau­ spielerin Dagmar Manzel als Kom­­ missarin im Franken-Tatort bekannt, doch ebenso legendär sind ihre Auftritte an der Komischen Oper, wo sie in vielen Operettenproduktionen von Barrie Kosky zu erleben war: als hin­reissende Cleopatra in Oscar Straus’ Die Perlen der Cleopatra oder in Paul Abrahams Revue Ball im Savoy. Nun kommt sie mit ihrer fünfköpfigen Band nach Zürich und hat in ihrem Gepäck so einige Trouvaillen aus dem Chansonund Operettenbereich: Bekannte und un­bekannte Songs u.a. von Friedrich Hollaender, Paul Abraham und Hanns Eisler mit Texten von Bertolt Brecht, Ernst Jandl, Alfred Grünwald oder Kurt Tucholsky. Leiser Humor, Komik und Melancholie schweben über dem Abend,

Streichoktette Erst 16 -jährig schrieb Felix Mendels­ sohn sein Oktett für vier Violinen, zwei Violen und zwei Violoncelli, von dem er später befand, es sei «sein Liebstes aus der Jugendzeit». Knapp ein Jahr vor der Sommernachtstraum-­ Ouvertüre entstanden, nimmt das Oktett deren Leichtigkeit und Charme bereits vorweg, deren Witz und den Spuk aus der Sphäre der Elfen: «Man fühlt sich so nahe der Geisterwelt, so leicht in die Lüfte gehoben, ja man könnte selbst einen Besenstiel zur Hand nehmen, der luftigen Schar besser zu folgen», äus­serte sich Felix Mendels­ sohn gegenüber seiner Schwester Fanny über sein Scherzo. Neben diesem be­ liebten Oktett bringen Mitglieder der Philhar­monia Zürich in ihrem Kammer­

konzert ein weiteres Werk in dieser grossen Besetzung zu Gehör: Max Bruch vollendete sein Oktett nur wenige Monate vor seinem Tod; das Werk – lange ver­­schollen und erst 1986 wieder aufge­taucht –, kann denn auch tat­ sächlich als eine Art Schwanengesang des Komponisten angesehen werden. Obwohl in den 1920er-­Jahren ent­stan­ den, ist es gar nicht so weit entfernt vom Mendelssohn-Oktett: Bruch be­ sinnt sich unüberhörbar auf den Geist der Romantik zurück. Brunchkonzert: 24 Okt, 11.15 Uhr, Spiegelsaal Lunchkonzert: 25 Okt, 12 Uhr, Spiegelsaal

3. Brunch- / Lunchkonzert

Minasi and Friends Unter dem Titel Im galanten Stil spie­ len Mitglieder des Orchestra La Scintilla gemeinsam mit Riccardo Minasi und dem Cembalisten Mahan Esfahani Werke von Johann Sebastian Bach, seinem Sohn Carl Philipp Emanuel Bach sowie von Johann Gottlieb Janitsch, Kammer­ musiker bei Kronprinz Friedrich in Schloss Rheinsberg und später Musiker bei der Berliner Hofkapelle. Wie Carl Philipp Emanuel Bach stand auch Janitsch an der Schwelle zur Frühklassik und verfolgte eine Richtung, die na­­tür­ li­cher und ungezwungener war als die strenge kontrapunktische Schreibweise des 17. Jahrhunderts: den sogenannten «galanten Stil». Brunchkonzert: 21 Nov, 11.15 Uhr, Spiegelsaal Lunchkonzert: 22 Nov, 12 Uhr, Spiegelsaal

Einführungsmatinee

Anna Bolena Mit der Premiere von Anna Bolena setzen wir den Zyklus von Gaetano Do­ nizettis Königinnen-Opern fort. In der Matinee spricht Dramaturg Michael Küster mit dem Regisseur David Alden und weiteren Mitgliedern des Insze­ nierungsteams. Sonntag, 21 Nov, 11.15 Uhr, Bernhard Theater


Opernhaus aktuell

Ballett Zürich

Leonce und Lena

Der deutsche Dichter Georg Büchner hat in seinen Werken die Abgründe des Menschen erkundet, er gilt heute als einer der wichtigsten Autoren des 19. Jahrhunderts und als Bahnbrecher der Moderne. Sein Lustspiel Leonce und Lena ist eine hinreissende Farce über die Langeweile. Im Mittelpunkt steht Prinz Leonce aus dem Reiche Popo, der sich mit grosser Leidenschaft dem Nichtstun hingibt. Als er die Thronfolge antreten und heiraten soll, ergreift er die Flucht nach Italien. Auch die für ihn vorgesehene Prinzessin Lena will keines­wegs einen ihr unbekannten Mann ehelichen und flieht mit ihrer

Gouvernante vor den königlichen Hoch­ zeitsplänen. Unterwegs begegnen sich die beiden – und verlieben sich… Christian Spuck hat Büchners hinter­ sinnig-sarkastische Komödie in einen vergnüglichen Ballettabend für die ganze Familie verwandelt. Ende November kehren Leonce und Lena in neuer Besetzung in den Zürcher Spielplan zurück. Polkas und Walzer von Johann Strauss wie auch moderne Klänge von Alfred Schnittke und Bernd Alois Zimmermann illustrieren die traurig-komische Geschichte und unterstreichen ihre parodistische Seite. Wiederaufnahme 21 Nov 2021 Weitere Vorstellungen 23 Nov; 8, 10, 12, 16 Dez 2021

Liederabend

Georg Zeppenfeld Als Basssolist in Christian Spucks szenischer Interpretation von Verdis Requiem ist Georg Zeppenfeld den Zürcherinnen und Zürchern noch in bester Erinnerung, darüber hinaus

Opera Nova Studiokonzert

Illustrationen: Anita Allemann

Ursina Lardi ist Kassandra Für einen aussergewöhnlichen Musiktheaterabend ist Ursina Lardi, eine der vielseitigsten und prominentesten Schauspielerinnen der Schweiz, am Opernhaus Zürich zu Gast. Die Bündnerin ist Ensemble­mitglied an der Berliner Schaubühne und charismatische Charakter­darstellerin in vielen Film- und Fernsehproduktionen. Am Opernhaus gibt sie die Kassandra im gleichnamigen Monodram für Sprechstimme und Ensemble des Schweizer Komponisten Michael Jarrell, das 1994 uraufgeführt wurde. Kassandra, die Seherin, sieht alle Katastrophen der Welt voraus, aber niemand schenkt ihr Glauben. Das ist ihr Schicksal. Die ostdeutsche Schriftstellerin Christa Wolf hat die tragische antike Figur für die Gegenwart adaptiert und auch als Gleichnis auf Männerwahn und das Zerstörungspotenzial der Welt unserer Tage lesbar gemacht. Christa Wolfs Version bildet die Textvorlage für Jarrells eindringliches Werk, in dem die todgeweihte Kassandra ihr Leben in einem einzigen mächtigen Gedächtnisstrom noch einmal vorüberziehen lässt. Es spielt das Ensemble Opera Nova unter der Leitung von Hans-Peter Achberger. Donnerstag, 25 Nov, 19 Uhr, Studiobühne

trat er am Opernhaus Zürich aber auch in seiner Paraderolle als Sarastro in Mozarts Zauberflöte auf oder als Zaccaria in Verdis Nabucco. Inter­ national machte sich Georg Zeppenfeld vor allem als Wagner-Interpret einen Namen – bei den Bayreuther Festspielen etwa gehört er seit vielen Jahren zu den beliebtesten Sängern. Auch an der Sächsischen Staats­oper Dresden, wo er zum Kam­mer­sänger ernannt wurde, ist er seit langem Stammgast. Daneben ist Georg Zep­pen­­feld, dessen klang­ voller, farben­­reicher Bass und Text­ verständlichkeit ihn auch für den Lied­ gesang prädestinieren, als Liedsänger zu erleben. In Zürich setzt er sich nun mit einem Klassiker des Liedgesangs auseinander: mit Franz Schuberts Lied­ zyklus Winterreise. Sein Klavierpartner ist Gerold Huber. Mittwoch, 1 Dez, 19 Uhr

Opernhaus Jung

Maurice Ravel und sein Boléro In unserer Reihe Märchen auf dem Klangteppich erzählt ein Schauspieler – musikalisch unterstützt durch ein Bläser­quintett –, wie Maurice Ravel aus einem einfachen iberischen Motiv seinen unverkennbaren Boléro erschuf. Inspiriert durch das Bilderbuch Was macht man mit einer Idee von Kobi Yamada und Mae Besom, begleiten wir Maurice Ravel auf seinem Weg der In­spiration. Ist seine Idee vielleicht allzu gewagt? Könnte man ihn dafür verspotten? Doch je mehr Maurice ver­ sucht, den musikalischen Einfall zu verdrängen, desto stärker drängt er sich ihm wieder auf und in­spiriert ihn schliesslich zu fantastischen, zuvor noch nie gehörten Klangfarbenexperimenten. Samstag, 6 Nov und Sonntag, 7 Nov 2021 15.30 Uhr, Probebühne Kreuzstrasse Besammlung: Billettkasse

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Wie machen Sie das, Herr Bogatu?

Von unten nach oben Wenn Sie einmal eine Technische Direktorin oder einen Technischen Direktor ärgern möchten, dann denken Sie sich ein Bühnenbild aus, bei dem einfach alles von unten nach oben fährt. Ich bin mir sicher, dass sich unsere Regisseurin Adele Thomas und ihre Bühnenbildnerin Annemarie Woods das Bühnenbild zu Trovatore nicht ausgedacht haben, um mich zu ärgern – aber hier kommt sehr viel von unten: Personen, die aus dem Boden herausklettern, Zähne, Vorhänge und eine Treppe. Ja, Sie haben richtig gelesen, riesige Zähne. Aber wo liegt das Problem? Wenn Personen aus Klappen aus dem Boden kommen sollen, dann muss der Boden von unten zugänglich sein. Das geht nur, wenn wir unseren Bühnenboden absenken und unter das Bühnenbild ein veritables «Kellergeschoss» einbauen. Das sieht das Publikum zwar nie – dafür sieht es aber die Klappen, die in der Decke des Kellergeschosses eingebaut sind. Natürlich sind in diesem Geschoss dann auch Leitern fest eingebaut, damit man von unten durch die Klappen auftreten kann. Klingt aufwändig, ist es auch. Und dann sollen im Bühnenbild über eine Breite von 16 Metern von unten die Fangzähne eines riesigen Gebisses auftauchen. Das lösen wir, indem wir in den Boden des «Kellergeschosses» über die ganze Breite einen Schlitz machen. In diesen Schlitz steckt die Bühnentechnik beim Aufbau die Zähne und befestigt diese unten an einem stabilen Träger. Nun sind die Zähne unsichtbar unter der Bühne. Aber wie bringt man die Zähne nun aus dem Boden nach oben? Idee: Wir hängen den Träger an Seile und ziehen den einfach hoch. Moment: Dann sieht man ja die ganze Zeit die Seile. Das ist schlecht. Deswegen lassen wir alle Seile, die das Publikum sieht, weg und befestigen nur ganz aussen je ein Seil links und ein Seil rechts, mit dem man den Träger hochziehen kann. Und schon kommen die Zähne von unten aus dem Boden. An einem fast 16 m langen Träger ist das schon eine Herausforderung. Da wir schon bei Herausforderungen sind: Hinter den Zähnen steht über die ganze Breite des Bühnenbildes eine Treppe, die nach hinten immer höher ansteigt. Der Mittelteil dieser Treppe muss hochfahren können, während Personen darauf stehen. Einfache Übung: Da wir ja ein Kellergeschoss haben, können wir in dieses Kellergeschoss nun auch noch eine grosse Maschine einbauen, die dieses Treppenstück um einen Meter anheben kann. Dabei müssen allerdings Führungen eingebaut werden, damit das Teil nicht wackelt. Schon ist aus der einfachen Übung eine schwere Aufgabe geworden. Getoppt wird das alles vom Feuervorhang. Ein wunderschön bemalter Vorhang, der – Sie ahnen es – von unten aus dem Boden hochfahren muss. Mein Versuch, doch wenigstens diesen ganz einfach von oben mit unseren Zügen nach unten fahren zu lassen, scheiterte, denn schliesslich lodern Flammen von unten nach oben. Wir haben also einen weiteren Schlitz in den Boden gemacht, in dem der Vorhang bereit liegt. Um den Vorhang aus dem Schlitz zu bekommen, haben wir diesen an einen weiteren stabilen Träger gehängt und diesen genau so in den Schlitz gesteckt, dass die Oberkante mit dem Boden abschliesst. Dann haben wir ihn in Bodenfarbe angemalt. So sieht das Publikum noch nicht mal den Schlitz. Auch hier sind wieder zwei Seile links und rechts ausser Sicht, an denen der Träger mit dem Vorhang von unten aus dem Boden gezogen werden kann – und das, bis das Feuer die ganze Bühnenöffnung bedeckt. So wie es sein muss: Lodernd von unten nach oben. Sebastian Bogatu ist Technischer Direktor am Opernhaus Zürich

Illustration: Anita Allemann, Foto: Frank Blaser

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Drei Fragen an Andreas Homoki

Der Chor ist wieder da Herr Homoki, Verdis Il trovatore ist die nächste Neuproduktion am Opern­haus Zürich. Darin erwacht der Opernchor endgültig aus seinem langen, deprimierenden Corona-­ Schlaf. In den vergangenen Wochen ist er bereits in zwei Wiederauf­­­nah­ men auf die Bühne zurückgekehrt, jetzt steuert er auf die erste Premiere zu. Wie geht es diesem von der Pandemie so stark betroffenen Kollektiv? Die Stimmung ist sehr gelöst und positiv. Es ist ja auch kein Wunder, dass sich alle Kolleginnen und Kollegen freuen, wieder auf der Bühne zu stehen. Für den Chor waren die Lockdowns be­son­ders schwer. Er hatte Spielverbot und konnte nur vom Kreuzplatz aus per Laut­sprecher zugespielt werden. Ich weiss, wovon ich spreche, denn ich habe als Regisseur während der Pandemiezeit gleich zwei Opern inszeniert, in denen ich den Chor schmerzlich vermisst habe. Wenn ich als Sängerin oder als Sänger die Entscheidung treffe, in einen Opern­chor zu gehen, dann tue ich das, weil ich gerne auf der Bühne stehe und Spass an der szenischen Darstellung habe, sonst gehe ich in einen Konzertchor. Gerade in unserem Opernchor spürt man in jeder Vorstellung, dass alle ausgesprochene Bühnenmenschen sind, und die konnten jetzt anderthalb Jahre lang nicht das tun, was sie am meisten lieben. Schrecklich. Jetzt sind sie endlich wieder da – mit grosser Ent­ spannt­heit übrigens, was die Covid-­ Situation angeht. Die allermeisten sind geimpft. Manche tragen auf der Probe noch eine Maske, um sich noch ein bisschen sicherer zu fühlen. Aber das Wichtigste ist: Die künstlerische Arbeit kann wieder ohne Einschränkungen stattfinden. Was fehlt einem Opernhaus, wenn der Chor nicht auf der Bühne stehen kann? Die Hälfte dessen, was grosse Oper ausmacht. Die Oper ist ja entstanden aus

dem Bestreben, die antike griechische Tragödie wiederzubeleben, und schon dort ist die Polarität von Individuum und Chor angelegt. Mit dem Chor bekommen Opern erst ihre gesellschaftliche Dimension. Die Kraft, die von einer grossen Gruppe singender Menschen ausgeht, ist in den darstellenden Künsten mit nichts zu vergleichen, und wenn die Regie es schafft, diese Energie in Be­ wegungen, Situationen und Bilder um­ zusetzen, ist die Wirkung kolossal. Wie laufen die Chorproben zu Il trovatore? Sehr vielversprechend. Regisseurin ist ja die junge Britin Adele Thomas, die zum ersten Mal bei uns in Zürich inszeniert. Sie formt extreme Bilder mit dem Chor und schöpft dessen Spiellust voll aus. Die Gruppen stehen immer wieder ganz dicht zusammengedrängt und bilden expressive Massen. Es ist ein grosses Ver­gnügen, zu sehen, dass das, Gottseidank, jetzt alles wieder möglich ist und tadellos funktioniert. Ein Problem beim Trovatore besteht ja darin, dass sich bei dieser Oper viele naturalistische Klischeevorstellungen und entsprechen­de Erwartungshaltungen in den Köpfen verfestigt haben, gegen die man aninszenieren muss. Adele Thomas hat deshalb eine bewusst antinaturalistische Bühne gewählt, nämlich eine riesige, steil ansteigende Treppe, auf der sie den Chor und die Solistinnen und Solisten in sehr unterschiedlichen Formationen geradezu choreografisch führt. Das wird eine bildmächtige Inszenierung, und dem Chor kommt darin als wuselnde und immer wieder zusammengedrängte Masse eine grosse Bedeutung zu – im­ mer­hin neben so profilierten, er­lesenen Sängerdarstellern wie Agnieszka Rehlis, Marina Rebeka, Piotr Beczała, Quinn Kelsey und unserem neuen General­ musik­direktor Gianandrea Noseda am Dirigentenpult.

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Ein Begriff voller Widersprüche In Giuseppe Verdis Oper «Il trovatore» spielt die «Zigeunerin» Azucena eine zentrale Rolle. Meint der Begriff der «Zigeunerin» nur eine romantische Opernkonvention, oder ist er diffamierend? Ein Gespräch mit der Schweizer Schriftstellerin Isabella Huser, die ein Buch mit dem Titel «Zigeuner» geschrieben hat

Die Fotografie des Magnum-Fotografen Ferdinando Scianna wurde 1981 in einem «Zigeuner»-Camp im französischen Ennordres gemacht



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Isabella Huser, Sie haben ein Buch geschrieben mit dem Titel «Zigeuner». In den letzten Monaten habe ich gelernt, dass man die Bezeichnung «Zigeuner» eigentlich gar nicht mehr verwenden sollte, weil sie diskriminierend ist. Warum haben Sie trotzdem diesen Titel gewählt? Das Buch ist ein Roman und handelt von mir und meinen Leuten, von ihrer Geschichte in diesem Land seit napoleonischen Zeiten. Ich gehe der Geschichte meiner jenischen Vaterfamilie nach. Das Buch ist eine Auseinandersetzung mit dem Begriff und der Erfindung «Zigeuner». Für mich war es keine Frage, dass ich diese Fremdbezeichnung – in meinem Fall nunmehr auch Selbstbezeichnung – verwende. Manche meinen, wenn man ein Wort verbiete, sei damit auch die Problematik aus der Welt. Das ist sie nicht, es braucht die Auseinandersetzung. «Zigeuner» ist ein vielschichtiger Begriff, der historisch oft diffamierend verwendet wurde, nicht nur für Roma und nicht nur für Jenische. Er reicht viel weiter. Wo kommt der Begriff her? Die Forschung lässt die Frage offen. Eine viel zitierte These lautet, dass die ersten fremden reisenden Familienverbände, die in Europa angetroffen wurden, als Ägypter galten: «les Egyptiens», daher «gypsies», «Gitanos». Das ist aber nicht ganz schlüssig. Die Herkunft der Bezeichnung ist nicht geklärt. Das Interessante an dieser Geschichte: Die ersten fremden Reisenden wurden als Pilger betrachtet, Vertriebene aus Ägypten auf siebenjähriger Büsserreise. Diese Herkunftsgeschichte erzählt von einem Volk, das zur Wanderschaft verdammt ist. Als Herkunftsort der Roma wird heute oft Indien genannt. Stimmt, wobei es viele verschiedene Roma-Volksgruppen gibt. Die Jenischen wieder­um haben von ihrer Abstammung her nichts mit den Roma zu tun. Wo kommen die Jenischen her? (Lacht.) Wenn man auf Jenische zu sprechen kommt, folgt stets die Frage nach dem Ort der Herkunft. Jenische leben in Süddeutschland, in der Schweiz, in Österreich, aber auch in Belgien und weiteren Regionen vor allem Westeuropas. Die hiesigen Jenischen sind schweizerischen Ursprungs wie andere Schweizerinnen und Schweizer auch. Meine Vorfahren stammen aus der Zentralschweiz, wie ich seit den Recherchen für meinen Roman weiss. Ist denn der Begriff «Zigeuner» aus Ihrer Sicht gar nicht diskriminierend? Doch, klar, immer dann, wenn das Wort als Fremdbezeichnung für eine Person oder eine Gruppe verwendet wird. Ich selbst nenne mich «Zigeunerin», weil ich, wie ich heute weiss, in einem sehr konkreten Sinn die Geschichte der Vorstellungs­welten verkörpere, die diese Bezeichnung birgt. Ausserdem, weil ich mit einem gewissen Familiendünkel aufgewachsen bin. Mein Vater sagte stolz: «Wir sind Zigeuner!» Für mich ist das Wort weiterhin auch mit anderen Wertungen verbunden. Wie sollen wir hier am Opernhaus also mit diesem Begriff umgehen – zum Beispiel in der Besetzungsliste, in der ja ein «Alter Zigeuner» vorkommt? Ich würde die Bezeichnung in Anführungszeichen setzen. Damit ist die komplexe Frage, die Sie ansprechen, zwar nicht vom Tisch. Aber die Anführungszeichen sind ein Symbol für eine Bewusstmachung. Der Gebrauch des Wortes «Zigeuner» muss in der Kunst unbedingt weiterhin möglich sein. Sonst verlöre man diese Werke. Die darin gespiegelten romantisierenden und herabwürdigenden Bilder können ja nicht einfach durch andere ersetzt werden. Wodurch denn? Diese Werke machen uns vielmehr bewusst, durch welche Bilder wir geprägt sind. Die «verführerische Zigeunerin» zum Beispiel, wie wir sie aus Bizets Carmen kennen. Welche Bilder hat man noch mit «Zigeunern» verbunden?


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In der Kunst wird die «Zigeunerfigur» oft mit sinnlichen bis übersinnlichen Welten in Verbindung gebracht. «Zigeunerinnen» können wie Hexen zum Schaden an­de­rer Magie einsetzen. «Zigeuner» sind aus der Gesellschaft Ausgestossene, üben aber auch eine grosse Faszination auf sie aus. Klaus-Michael Bogdal, der in seiner Studie Europa erfindet die Zigeuner die «Zigeunerbilder» anhand von Werken der Kunst er­forscht, schreibt, dass «Zigeuner» etwas darstellen, zu dem man jederzeit selbst werden kann. Dann nämlich, wenn man von der sozialen Leiter fällt und den ge­sell­schaftlichen Halt verliert. Man fürchtet sie und projiziert schlimmste Verbrechen auf «die Zigeuner»: Brunnen vergiften, Kinder entführen. Dies sind auch in der Kunst wiederkehrende Schreckensbilder. In Il trovatore wurde die Mutter der Azucena, ebenfalls eine «Zigeunerin», als Hexe auf dem Scheiterhaufen verbrannt, weil sie angeblich das Kind des Grafen verhext hatte. Beiden, «Zigeunerin» und Hexe, werden magische Kräfte zugeschrieben, oft in Verbindung mit dem Teufel. Das Unfassbare, nicht Beherrschbare löst archaische Ängste aus. In der Kunst ist das Unfassbare in dieser Ausprägung oft weiblich. Hier dürften erotische Projektionen eine Rolle spielen. Sie schildern in Ihrem Buch auch, dass «Zigeuner» in der Schweiz nicht immer gleich stark ausgegrenzt waren. Die Geschichte der Jenischen in der Schweiz ist bislang erst bruchstückhaft erforscht. «Zigeuner» werden in der Geschichtsschreibung erst dann sichtbar, wenn sie mit der Macht zusammenstossen. Dies ist im 19. Jahrhundert, während die moderne Schweiz entsteht, wiederholt der Fall. Nach dem Ende der helvetischen Republik um 1800 und bis weit in die neue Eidgenossenschaft hinein werden viele jenische Familien aus ihren angestammten Orten vertrieben. Andere, die wie meine Ahnen als Händler reisende Berufe ausüben, haben Probleme, an Papiere zu kommen, Heimatscheine, Ehebewilligungen, Reisepässe. Für Jenische und andere sogenannte Heimatlose wurde alles restriktiver. Viele denken, «Zigeuner» reisen herum, ohne Ziel und Plan sozusagen. So ist es nicht und war es wohl nie. Reisende Jenische wie meine Händlerahnen hatten eine Handelsroute, man kannte seine Abnehmer, wusste, wo man unterkommen konnte. Im Frühling brach man auf, kam im Herbst mit neuer Ware in die Heimat zurück, wo man in der Regel auch überwinterte. Also stimmt die Vorstellung, «Zigeuner» seien Heimatlose, die nirgendwo hin­ gehören, gar nicht… Selbst die reisende Lebensweise sehe ich als Zuschreibung. Im Fall meiner jenischen Vorfahren ist bereits in den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts dokumentiert, dass einige sich als reisende Händler verstanden, andere hingegen sich niederlassen wollten. Das wurde ihnen jedoch verwehrt. Es gibt allerdings auch Jenische, die keineswegs mit mir einverstanden sind, wenn ich sage, dass selbst die reisende Lebens­weise eine Zuschreibung ist, die von einigen mithin – und dies trifft auch auf meine direkten Vorfahren zu – zu ihrem ureigenen Alltag und einem wichtigen Teil ihrer Kultur gemacht worden ist, keine Frage! Die Geschichte ist genauso komplex wie widersprüchlich. Auch Ihre Familie war von der berüchtigten Aktion der Pro Juventute be­ troffen, die jenischen Familien in der Schweiz ihre Kinder zum Teil mit Gewalt weggenommen hat, um sie in Pflegefamilien oder Heimen unterzubringen. Die Stiftung Pro Juventute hat zwischen 1926 und 1973 jenische Familien systema­tisch verfolgt, um ihnen die Kinder wegzunehmen. Dies mit behördlicher Unterstützung und mit der Begründung, dass sie – weil die Eltern «Vaganten» seien – vernachlässigt würden und nicht zur Schule gingen. Wenn wir an die Vor-


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stellungen denken, «Zigeuner» würden Kinder stehlen, dann erscheinen uns diese als eine groteske Umkehrung der Realität! 1972 ist dann im Beobachter ein erster Artikel über diese programmatischen Kindswegnahmen erschienen. Es dauerte ein weiteres Jahr, bis das sogenannte Hilfswerk für die Kinder der Landstrasse aufgelöst wurde. Ich selbst war damals 14 Jahre alt. Für mich war es ein Schock zu erkennen, dass die Verfolgung und die Flucht, von der mein Vater uns Kindern erzählt hatte, wahr sein musste. Ich hatte seine Erzählung nur für eine Geschichte gehalten – nicht möglich, nicht bei uns! Bei meinen Recherchen wurde bald klar, dass vor allem jenen Familien Kinder weggenommen wurden, die gar nicht fähig waren zu reisen. Meine Grosseltern – sie wohnten damals am rechten Zürichseeufer, mein Vater war gerade eingeschult worden – sind davongekommen, weil sie Musikanten waren. Sie konnten mit ihren sechs Kindern fliehen und reisend überleben. Sie flohen ins Tessin, fanden in Lugano eine Anstellung in einem Hotel, wo sie den Hotelgästen zum Nachmittags­­tee aufspielten. Nach zwei Jahren sind sie in die Deutschschweiz zurückgekehrt und bald mit ihrer Familienkapelle bekannt geworden, was ihnen einen gewissen Schutz bot. Dabei haben sie allerdings keineswegs, wie es dem Klischee entsprechen würde, schnulzige «Zigeunerweisen» gespielt, sondern Schweizer Volksmusik. Es gibt viele Umkehrungen in dieser Geschichte! Es begann in den 1920er Jahren im Zürcher Niederdorf, dass Städter sich Sennenkutten überstreiften und Volks­ musik wie von der Alp spielten. Das Bild der traditionellen Schweizer Volksmusik war geschaffen. An der Entstehung der hiesigen Volksmusik, wie wir sie heute kennen, sind viele jenische Familien wie die meine beteiligt. Für meine Grosseltern wäre es gefährlich gewesen, sich nach ihrer Flucht wieder irgendwo anzumelden und die Kinder zur Schule zu schicken. Sie mussten also Vorurteile erfüllen, um wegzukommen – auf der anderen Seite haben sie sich als Bergler verkleidet und Schweizer Volksmusik komponiert. Die Kinder sollten nicht mehr Jenisch sprechen, und mein Vater hat in bestimmten jenischen Kreisen sogar verschwiegen, dass er Kinder hat, um uns nicht zu gefährden. Trotzdem waren wir zuhause stolz darauf, «Zigeuner» zu sein. Übrigens hatte auch ich als Kind die Vorstellung, dass «Zi­geuner» reisen, ohne dass ich mich darüber gewundert hätte, dass das bei uns nicht so war. Wenn Sie nun in die Oper gehen und Il trovatore anschauen, haben Sie dann Angst, dass da lauter Klischees auf der Bühne zu sehen sind? Nein, die Bilder sind nun mal geprägt. Ich bin jedes Mal gespannt zu sehen, was heute eine Regisseurin daraus macht. Kann man denn aus Ihrer Sicht einen «Zigeunerchor», in dem davon gesungen wird, wie schwer die Arbeit der fahrenden «Zigeuner» ist und dass nur das hübsche «Zigeunermädchen» einen zu dieser Arbeit motivieren kann, heute noch auf die Bühne bringen? Wie würden Sie damit umgehen? Unbedingt sollen diese Darstellungen auf die Bühne gebracht werden! Wie? Ich bin keine Regisseurin. Die Stücke sollen leben. Wenn nicht, wäre das Geschichtsverleugnung. Es bringt nichts, so zu tun, als hätte es diese Klischees und Stereotype nie gegeben. Es hat sie gegeben, es sind Vorstellungen daraus erwachsen, und mit denen müssen wir uns heute auseinandersetzen. Das Gespräch führte Beate Breidenbach Isabella Huser ist eine Schweizer Schriftstellerin, Übersetzerin und Filmproduzentin. 2008 erschien ihr erstes Buch «Das Benefizium des Ettore Camelli», 2021 folgte der Roman «Zigeuner». Beide Bücher sind im Bilgerverlag erschienen.


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Kreaturen, die aus der Hölle kommen Die britische Regisseurin Adele Thomas inszeniert «Il trovatore», der am 24. Oktober Premiere hat. Im Interview spricht sie über die Tiefgründigkeit der Figuren, warum zu Tragödien immer auch Komik gehört und was Verdis Oper mit den Schreckensbildern des Hieronymus Bosch zu tun hat Probenfotos Michael Sieber

Adele, dies ist deine erste Opern­inszenierung hier am Opernhaus Zürich. Wie war dein Weg bisher, welche Erfahrungen haben dich geprägt? Die ersten zehn Jahre meiner Karriere habe ich im Schauspiel gearbeitet, aber das war nicht unbedingt das, wovon ich geträumt hatte. Als ich mit Anfang 20 zum ersten Mal Alban Bergs Wozzeck auf der Bühne sah, hat das alle meine Sinne ge­ öffnet. Ich verstand, dass Oper das war, was ich immer machen wollte. Im Grunde habe ich aus allen meinen Schauspielinszenierungen Opern gemacht. Ich hatte immer Live-Musik dabei, manchmal DJs, oft auch einen Chor oder ein Alte-Musik-­ Ensemble.


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Trotzdem hat es lange gedauert, bis man dir eine Oper angeboten hat. Warum? In Grossbritannien gelte ich nicht als klassische Opernregisseurin. Vor allem, weil ich eine junge Frau bin. Dazu kommt, dass sich der Weg über Regieassistenzen für mich nicht richtig angefühlt hat. Ich bin eine schreckliche Assistentin! Und so dachte ich lange, dass ich niemals in der Oper arbeiten würde. Ich habe die Orestie von Aischylos am Globe Theatre inszeniert, als wäre es eine Oper, wenn ich schon nicht an einem Opernhaus arbeiten durfte… Daraufhin bekam ich dann die Chance, am Opernhaus in Belfast Così fan tutte zu inszenieren. Es folgte Georg Friedrich Händels Berenice am Royal Opera House; diese Inszenierung wurde für einen Laurence Olivier Award nominiert, und seitdem bekomme ich nur noch Angebote für Operninszenierungen. Wie würdest du deine Theatersprache beschreiben? Die Komödie ist für mich sehr wichtig. Ich bin überzeugt davon, dass die Natur des Menschen im Grunde komisch ist. Auch wenn Geschichten extrem tragisch sind… … wie das im Trovatore zweifellos der Fall ist. Es gibt in jeder tragischen Geschichte immer auch komische Elemente. Meine Theater­sprache ist ausserdem sehr physisch, oft auch stilisiert. Ich arbeite eng mit der Choreografin Emma Woods zusammen. Aber es muss immer alles in den Emo­ tionen verankert sein. Das Schönste ist für mich, wenn die Zuschauer hinterher sagen: Das ging aber schnell vorbei! Dann habe ich meinen Job gut gemacht. Ich denke immer an die Zuschauer, wenn ich inszeniere. Das hat wahrscheinlich damit zu tun, dass ich nicht mit der Oper aufgewachsen bin, dass ich sie nicht einfach als selbstverständlich ansehe. Ich arbeite dafür, dass ich die Menschen erreiche und dass das, was sie sehen, in ihren Herzen ankommt. Diese Inszenierung ist deine erste Begegnung mit Verdi. Was fasziniert dich an diesem Opernkomponisten? Verdi ist ein fantastischer Dramatiker. Alles, was er möchte, und wovon er auch in seinen Briefen immer wieder schreibt, ist wirkungsvolles Musiktheater. Die Art und Weise, wie er durch die Musik die Geschichte erzählt, ist absolut faszinierend. Wenn man sich mit dem Trovatore beschäftigt, erfährt man natürlich erstmal, dass die Geschichte absolut unverständlich und lächerlich ist… Denkst du das auch? Nein, das denke ich nicht! Wir haben die Geschichte im 15. Jahrhundert ange­ siedelt, in einer fantastisch-grotesken Welt, wie sie uns in den Bildern von Hierony­ mus Bosch begegnet. Der Plot des Trovatore passt gut in diese Welt, in der die Imagination der Menschen zuweilen eine wichtigere Rolle spielt als die Realität. Die Beziehungen zwischen den Figuren, die Situationen, denen sie ausgesetzt sind, ihre Emotionen – all das ist grossartig. Indem wir es nicht realistisch erzählen, wird es glaubwürdiger und – hoffentlich – auch verständlicher. Hier sind ganz ein­ deutig magische, übernatürliche Kräfte am Werk. Es gibt viel Aberglauben in diesem Stück und sehr tief sitzende Erinnerungen. Für mich könnten diese Figuren keine heutigen Menschen sein, sie gehören eindeutig in die Zeit des 15. Jahr­ hunderts. Klar, Verdis Musik ist die Musik des 19. Jahrhunderts. Aber wenn man das Drama liest, das der Oper zugrunde liegt, dann spürt man darin die Welt eines Robin Hood oder eines Henry V. Es sind vor allem die wirkungsvollen Situationen und die extremen emotio­ nalen Zustände der Figuren, die für Verdi im Zentrum stehen und an der sich seine Musik entzündet. Absolut. Und meine Inszenierungsarbeit geht ganz stark von der Musik aus. Im


Agnieszka Rehlis (Mitte), Damen und Herren des Chores, Tanzensemble

Grunde ist Verdi sehr leicht zu inszenieren: Man weiss genau, in welchem Takt, in welcher Note jemandem das Herz bricht… Man kann sich vollkommen auf die Musik verlassen. In der britischen Theatertradition kommt die Interpretation immer aus dem Text – oder eben aus der Musik; es ist alles schon da, man muss nur tief genug graben. Diese archäologische Arbeit macht mir grossen Spass. Wenn du es auf einen Punkt bringen müsstest: Worum geht es für dich im Trovatore? Das Thema, das den grossen Bogen über das Stück spannt, ist Azucenas «mi vendi­ ­ca», ihr Schrei nach Rache. Es ist, als ob ein Fluch entfesselt wurde von jemandem, der diese Worte murmelt. Im weiteren Verlauf geht es um eine geradezu ekstatische Verbindung der Figuren zur Welt und zum Universum. Ekstase und Obsession treiben den Plot voran. Auch das Geschichten-Erzählen spielt in der Handlung eine wichtige Rolle, vieles hängt davon ab, auf welche Weise eine Geschichte erzählt wird.


Kampfszene mit Damen und Herren des Chores


Il trovatore 19

Es ist grossartig, dass das Stück Der Troubadour heisst, denn damit ist ja ein Ge­ schichtenerzähler gemeint. Im Grunde hat jede Figur ihren Troubadour-Moment – einen Moment also, in dem sie oder er eine Geschichte aus ihrer Perspektive er­ zählt. Zu Beginn erzählt Ferrando einer Gruppe von Männern seine Version der Geschichte aus der Vergangenheit, auf der die Oper beruht; später erzählt Azucena dieselbe Geschichte aus ihrer Perspektive – und ganz anders. Leonora wiederum erzählt, wie sie den Troubadour kennengelernt hat. Die Art und Weise, in der Ge­ schichten weitergegeben werden, bestimmt das Handeln der Figuren. Das Geschichten-Erzählen kann auch als Manipulation eingesetzt werden. Ja, und dabei werden bewusst Dinge angesprochen, die leider nach wie vor exis­ tieren, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus zum Beispiel. So setzt man – wie Ferrando in der ersten Szene des Stückes – obsessive, gefährliche Kräfte in Gemein­ schaften frei, die nicht mehr aufzuhalten sind.

Piotr Beczała als Manrico und Marina Rebeka als Leonora

Diese Fremdenfeindlichkeit richtet sich gegen Azucena, die im Stück als «Zigeunerin» bezeichnet wird. Dass sie «Zigeunerin» genannt wird, weist darauf hin, dass es um eine Aussenseiterin, eine Randständige geht, deren Fremdheit Ängste auslöst. In der Zeit, in der das Stück spielt, gab es nachweislich in Spanien noch gar keine «Zigeuner». Ich erinnere mich an das Theaterstück Die Hexe von Edmonton aus dem frühen 17. Jahrhundert. Die Hauptfigur ist eine alte Frau, die von der Gemeinschaft als Hexe be­zeichnet wird; und da nun einmal alle sie so sehen, beschliesst sie, auch eine Hexe zu werden, und geht einen Bund mit dem Teufel ein. Sie sagt den unglaublichen Satz: «Ich bin nur eine Grube, in die die Menschen ihren Dreck hineinwerfen.» Azucena ist ein bisschen wie diese Frau. Sie hat diesen Hintergrund der «Zigeuner», der Nicht-­ Sesshaften, und wird als gefährliche Hexe wahrgenommen. Sie ist sogar innerhalb der Gemeinschaft, der sie angehört, eine Aussenseiterin. Ihr gilt Verdis volle Sympathie – es geht ihm ja gerade darum, das Leiden dieser Aussenseiterin sichtbar zu machen. Azucena ist die eigentliche Hauptfigur der Oper. Eine Zeit lang wollte Verdi sogar die Oper nach ihr benennen. Für mich ist sie eine der faszinierendsten Figuren der gesamten Opernliteratur. Sie trägt ständig eine Maske und wechselt diese Masken fast mit jedem Satz, den sie sagt. Sie verbirgt immer etwas vor uns. Sie ist nicht fassbar und gleichzeitig extrem verletzlich. Viel ist darüber geschrieben worden, wie wild sie sei und wie stark, ihre Musik ist extrem spannungsvoll und explosiv. Und doch ist sie eben auch ver­ letzlich. Wir wissen nie, woran wir sind mit ihr. Und vielleicht weiss sie das selbst auch nicht so genau; man hat jedenfalls den Eindruck, dass sie schon zu Beginn des Stückes langsam den Bezug zur Realität verliert. Sie versucht verzweifelt, die Kontrolle über ihr Leben zu behalten. Und die Kontrolle über Manrico, der in dem Glauben aufgewachsen ist, ihr Sohn zu sein, der er aber in Wirklichkeit gar nicht ist. Die Beziehung der beiden ist sehr komplex; sie sind voneinander abhängig und zerstören sich gleichzeitig gegenseitig. Manrico ist zwar der Troubadour, der Geschichten erzählt und singt, aber er ist auch ein Krieger, der mit den «Zigeunern» aufgewachsen ist. Mit der Liebe zu Leonora erlebt er zum ersten Mal ein Gefühl, das sich nicht auf seine Mutter bezieht. Seine Musik verändert sich ständig. Je nachdem, mit wem er gerade auf der Bühne ist, kann sie einen vollkommen anderen Charakter haben. Manrico ist nicht der aktive, selbstbewusste Held, den man vielleicht erwarten würde, sondern er ist so etwas wie ein Spiegel für die anderen Figuren, die sich in ihm erkennen. Er hat etwas sehr Unschuldiges.


20 Il trovatore

Als er erfährt, dass er nicht der leibliche Sohn Azucenas ist, verliert er kom­ plett den Boden unter den Füssen. Im Grunde ist er von Beginn an in einem Krisenzustand, in dem er nicht wirklich weiss, wer er ist und wohin er gehört. Das verstärkt sich in dem Moment, in dem ihm Azucena erzählt, wie sie damals ihr eigenes Kind ins Feuer geworfen hat. Diese tiefe Unsicherheit, die Verletzlichkeit, die übrigens auch Graf Luna – Manricos Gegenspieler – empfindet, entspricht nicht dem traditionellen Bild von Männlichkeit. Und wie würdest du Leonora charakterisieren? Sie erinnert mich an Frauen, die Heilige sehen können oder religiöse Erscheinungen haben. Und sie hat selbst die rebellische Seite einer weiblichen Heiligen. Sie verhält sich nicht, wie eine Hofdame sich verhalten sollte. Sie hat etwas Wildes und da­ mit auch eine Verbindung zum Ekstatischen, das ich sehr wichtig finde. Im 20. Jahr­ hundert wäre sie vielleicht ein Hippie gewesen. Am Schluss ist sie bereit, ihr Leben für Manrico zu opfern. Sie macht eine Entwicklung durch, wie man sie eigentlich vom Helden des Stückes erwarten würde. Wenn sie zum ersten Mal davon singt, dass sie bereit ist, für Manrico zu sterben, scheint sie wie ein Kind, das sich vorstellt, eine Heldin zu sein. Später dann wird das sehr real: Sie bringt dieses Opfer. Ein Stück voll von Dunkelheit und Tod – wo findest du hier die komischen Elemente, von denen du vorhin sprachst? Verdi war ein grosser Bewunderer von Shakespeare. Und diese komischen Elemente kommen ganz klar von Shakespeare, der gerade in den düstersten Momenten, den tragischen Höhepunkten den Clown auftreten lässt. Genauso wie das übrigens in vielen mittelalterlichen Stücken der Fall ist. So ist doch auch das Leben! Das Komische gehört ebenso dazu wie das Tragische. Und es sind dann genau diese Kontraste, die scharfen Gegensätze, die die dramatische Wirkung ausmachen. Als ich das erste Mal mit unserem Dirigenten Gianandrea Noseda gesprochen habe, sagte er zu mir: Was auch immer du vorhast mit deiner Inszenierung, akzentuiere die Kontraste in diesem Stück! Die Musik ändert sich von einem Moment zum anderen, sie kann vom schönsten Stillstand ins grösste Chaos umschlagen. Das ist in dieser Oper wirklich extrem. Diese Premiere wird die erste Produktion sein, in der unser Chor endlich wieder in einer Neuinszenierung auf der Bühne steht. Wie ist die Arbeit mit dem Chor für dich? Ich liebe es, mit dem Chor zu arbeiten! Die Kraft, die entsteht, wenn so viele Menschen auf der Bühne singen und spielen, ist einfach unglaublich. An diesem Chor gefällt mir sehr, dass die Sängerinnen und Sänger bereit sind, wirkliche Charaktere auf die Bühne zu bringen, mit vielen wunderbaren Details. Man wird mindestens vier Augenpaare brauchen, um alles zu sehen! Zum Chor kommen auch noch sechs Tänzer dazu… Unser Tanzensemble wird nicht nur tanzen, sondern unterschiedlichste Charaktere darstellen und eine Dynamik in die Inszenierung bringen, die der Musik entspricht. Sie sind dämonische, nicht menschliche Kreaturen und repräsentieren die dunkle, zerstörerische Kraft, die aus der Hölle kommt – inspiriert von Gemälden von Hieronymus Bosch. Ich freue mich sehr über die Arbeit mit diesem fantastischen Ensemble! Das Gespräch führte Beate Breidenbach

Quinn Kelsey als Conte di Luna und Robert Pomakov als Ferrando


Il trovatore Oper von Giuseppe Verdi Musikalische Leitung Gianandrea Noseda Inszenierung Adele Thomas Ausstattung Annemarie Woods Lichtgestaltung Franck Evin Choreinstudierung Janko Kastelic Choreografie Emma Woods Kampfchoreografie Jonathan Holby Dramaturgie Beate Breidenbach

Agnieszka Rehlis als Azucena, Damen und Herren des Chores

Il Conte di Luna Quinn Kelsey Leonora Marina Rebeka Azucena Agnieszka Rehlis Manrico Piotr Beczała Ferrando Robert Pomakov Ines Bożena Bujnicka Ruiz Omer Kobiljak Un vecchio zingaro Jeremy Bowes Un messo Andrei Skliarenko Tanzensemble Francesco Guglielmino Manuel von Arx Martin Durrmann Tomasz Robak Steven Forster Philharmonia Zürich Chor der Oper Zürich Premiere 24 Okt 2021 Weitere Vorstellungen 28 Okt; 2, 6, 9, 12, 17, 20, 26 Nov 2021 Partner Opernhaus Zürich

ab


Jetzt trage ich Verantwortung Gianandrea Noseda tritt sein Amt als neuer Generalmusikdirektor des Opernhauses Zürich an. Er dirigiert die Neuproduktion von «Il trovatore» und das 2. Philharmonische Konzert mit Werken von Dvořák und Brahms. Ein Gespräch über seine ersten Projekte


Il trovatore 23

Foto: Monika Rittershaus

«Im ‹Trovatore› kann man die Intensität der Musik und der Situationen manchmal fast nicht aushalten»

Gianandrea Noseda, dies ist Ihre erste Spielzeit als neuer General­musik­­ direktor am Opernhaus Zürich. Wie geht es Ihnen, wenn Sie dieses Haus betreten – wie empfinden Sie die Atmosphäre? Seit ich vor vier Jahren zum allerersten Mal hier war, um Verdis Macbeth zu dirigieren, habe ich mich immer wohl­ gefühlt. Das Opernhaus Zürich ist sehr produktiv, das professionelle Niveau ist sehr hoch. Und die Menschen, die hier arbeiten, sind sehr nett. Mehr kann man sich nicht wünschen! Jetzt bin ich allerdings nicht mehr nur Gast, sondern Generalmusikdirektor, also trage ich auch Verantwortung, vor allem für die musikalische Qualität, nicht nur in meinen eigenen Produktionen. Aber ich bin umgeben von grossartigen Kolle­ ginnen und Kollegen, deshalb bin ich sehr zuversichtlich.

Ja, das Stück habe ich in Salzburg, an der Metropolitan Opera in New York und am Royal Opera House in London dirigiert, ich kenne es also ziemlich gut.

Einer der Gründe, warum Sie sich entschieden haben, nach Zürich zu kommen, war die Möglichkeit, hier den Ring des Nibelungen zu dirigieren. Diese vier Opern gehören wahrscheinlich zu den am meisten interpretierten Stücken des gesamten Repertoires. Warum ist es für einen Dirigenten interessant, noch eine weitere Interpretation zu liefern? Für mich persönlich ist es interessant, weil ich nicht aus einem deutsch­sprachi­ gen Land komme und der Ring für mich lange Zeit unerreichbar schien – wie etwas, das ich wahrscheinlich nie machen würde. Aber es ist ein Unter­ schied, ob ich als Italiener in Deutsch­ land dirigiere – oder in der Schweiz! Hier in der Deutschschweiz fühle ich mich wohler damit. In einem deut­ schen Opernhaus hätte ich mich das vielleicht nicht getraut. Ich dachte: Wer sonst wird mir einen Ring an­bie­ ten? Es ist einfach eine schöne Heraus­ forderung.

Wann immer man sich mit diesem Stück beschäftigt, liest man, wie schrecklich und vollkommen unver­ ständlich die Geschichte sei – und wie fantastisch die Musik. Aber Verdi hat diesen Stoff ja sehr bewusst ge­ wählt; was denken Sie, was hat ihn an dieser düsteren und tatsächlich ja etwas verwirrenden Geschichte fasziniert? Dass sie so voll von Konflikten ist, aber auch voller Mysterien, voller Rätsel! Im Trovatore ist es nicht so einfach zu entscheiden, wer hier eigentlich gut ist und wer böse; in anderen Opern von Verdi ist das viel klarer. Der Conte di Luna mag uns auf den ersten Blick als der «Böse» und Manrico, sein Wider­ sacher, als der «Gute» erscheinen. Aber dann erfahren wir – ganz am Schluss des Stückes –, dass die beiden Brüder sind. Diese Erkenntnis stellt alles auf den Kopf. Die Oper hat durchgängig eine unglaublich hohe Temperatur. Es geht um Feuer, Dunkelheit, Blut. Alles beginnt mit einem Scheiterhaufen, auf dem eine Frau verbrennt, und mit dem Mord an einem kleinen Jungen. Das Libretto ist – wenn man die sprachliche Ebene anschaut – durchaus raffiniert gemacht. Aber es geht bis an die Gren­ zen dessen, was uns akzeptabel und glaubwürdig erscheint – und manchmal auch darüber hinaus. Gleichzeitig gibt es eben auch Passagen, die zum Besten gehören, was Verdi je komponiert hat. Man hat den Eindruck, Verdi hatte end­ los Kohle zur Verfügung, um das Feuer nicht nur weiter zu schüren, sondern immer noch heftiger lodern zu lassen. Manchmal kann man die Intensität der Musik und der Situationen fast nicht aushalten.

Mit dem Trovatore – der ersten Pre­ miere, die Sie als Generalmusik­ direktor bei uns dirigieren – sind Sie dagegen in Ihrem ureigensten Ter­ rain unterwegs, in der italienischen Oper…

Die Tatsache, dass Azucena den Sohn des Grafen ins Feuer werfen wollte, dann aber aus Versehen ihr eigenes Kind verbrannte, ist allerdings schon nicht so ganz leicht nachzuvoll­ ziehen…


Brahms / Dvořák 2. Philharmonisches Konzert Musikalische Leitung Gianandrea Noseda Klavier Daniil Trifonov Philharmonia Zürich Johannes Brahms Klavierkonzert Nr. 1 op. 15 d-Moll Antonín Dvořák Sinfonie Nr. 8 G-Dur op. 88 Samstag, 30 Okt 2021 19 Uhr, Opernhaus Zürich Gastspiele 31 Okt, 19.30 Uhr, Stadtcasino Basel 1 Nov, 19.30 Uhr, Casino Bern

Es sei denn, man bedenkt, dass sie fast von Sinnen war vor Schmerz darüber, dass ihre Mutter als Hexe verbrannt wurde! Der Schmerz über dieses grausame Unrecht begleitet sie bis zu ihrem Tod im letzten Bild, wenn sie schliesslich selbst auf dem Scheiter­ haufen sterben muss. Was man ebenfalls oft liest über die­ ses Stück: Im Trovatore habe Verdi einen Schritt zurück gemacht in seiner kompositorischen Entwicklung und sich wieder mehr der Belcanto-­ Oper zugewandt. Können Sie das nachvollziehen? Für mich ist es kein Schritt zurück. Es mag verwirren, dass es Momente gibt, die an Belcanto erinnern, wie die zweite Arie der Leonora oder die Arie des Grafen, die auch zu einer späten Doni­ zetti-Oper gehören könnten. Die musikalische Charakterisierung von Azucena hat mit Belcanto aller­ dings gar nichts zu tun… Nein, schöne Melodien, die es im Tro­ va­tore natürlich auch gibt und zwar in grosser Zahl, sucht man bei Azucena ver­gebens. Das beginnt übrigens schon mit dem Text, denken wir an ihre erste Arie, «Stride la vampa». Wie könnte man einen solchen Text in eine Bel­cantoMelodie fassen? Überhaupt ist Azucena in Verdis Figurenarsenal etwas ganz Neues: Sie ist die erste Hauptfigur, die von einem Mezzosopran verkörpert wird; Ulrica im Maskenball, Eboli in Don Carlo und Amneris in Aida werden später folgen.

Mehr zu unserem neuen General­ musikdirektor Gianandrea Noseda:

Azucena war so wichtig für Verdi, dass er sogar die Oper ursprünglich nach ihr benennen wollte. Schon in der ersten Szene, in der Er­ zäh­lung Ferrandos, geht es um sie. Ihre Musik zieht sich durch die Oper, und noch ganz am Schluss spielt die Flöte ein Zitat aus ihrer ersten Arie. Ihre Besessenheit von Rache ist es, die das Stück vorantreibt. Wie ist Manrico musikalisch charak­ te­risiert? Manrico ist eine fragmentierte Persön­

lichkeit. Er ist ein Künstler, er spielt Laute und singt, und zugleich ist er ein Krieger. Er kämpft auf der Seite des Revolutionärs Urgel. Ausserdem ist er «Zigeuner», aber eigentlich – wie wir als Zuschauer, aber auch er selbst erst ganz am Schluss erfahren – ist er der Bruder eines Grafen. Zu Beginn hört man ihn aus dem Off, zusammen mit der Harfe, wie er das Liebeslied eines Troubadours für Leonora singt. Das revolutionäre Element hören wir dann in seiner Cabaletta, aber auch in der Art und Weise, wie er mit seinem Vertrauten Ruiz spricht. Manrico ist getrieben von seinen Leidenschaften; das wiederum drückt sich zum Beispiel in seiner berühmten Arie «Di quella pira» aus. Im Gegensatz zum Grafen, der sehr viel kontrollierter agiert, lässt Manrico sich immer wieder von seinen Gefühlen mitreissen. Deshalb kann er auch am Schluss, als Leonora ihm sagt, er solle fliehen, nur an eins denken: Dass sie ihn und seine Liebe verraten hat. Anstatt sein Leben zu retten, ist er mit seiner Eifersucht beschäftigt. Er kennt nur schwarz oder weiss, entweder – oder. Als Azucena ihm erzählt, dass sie damals das falsche Kind ins Feuer geworfen hat und er gar nicht ihr Sohn ist, weigert er sich einfach, das zu glauben. Sie ist seine Mutter – basta! Die Szene, die mich musikalisch am meisten beeindruckt, ist der Beginn des vierten Teils, wenn Leonora in den Turm geht, in dem Manrico gefangen gehalten wird, um ihn zu retten. Wie schafft es Verdi, diese unglaublich spannungsvolle Atmo­ sphäre zu erzeugen? Das ist eine Filmszene! Wir sehen eine Figur im Zoom – Leonora. Eine andere, Manrico, sehen wir aus der Ferne, wie aus einer anderen Welt; er singt hinter der Bühne. Dazwischen haben wir die Flashbacks im Kopf von Azucena. Dann gibt es Ruiz, der das Grauen beschreibt, das er sieht: den Scheiterhaufen, das Beil des Henkers. Dazu kommt ein religiöses Element: der Chor, der im Hinter­­grund ein Miserere singt, im Rhythmus eines Trauermarschs. All diese Elemente sind


Il trovatore 25

wie verschiedene Schichten, die in­ einander geschnitten werden, und er­ geben ein sehr komplexes Bild. Was ist Ihnen bei Ihrer musikalischen Interpretation besonders wichtig? Ich versuche, all das, was in der Partitur steht, ernst zu nehmen, keinen Akzent zu vermeiden, weil er «zu viel» sein könnte, sondern im Gegenteil jeden Akzent explodieren zu lassen. Das Pianissimo so zu gestalten, dass es wirk­ lich unheimlich wird und einem Schauer über den Rücken jagt. Im Miserere, von dem wir gerade sprachen, gibt es eine Glocke, die man in vielen Auf­führungen gar nicht hört. Ich denke, sie muss furchterregend sein, so ähnlich wie die Glocken in Boris Godunow – das ist die Glocke des Todes! Der einzi­ge Weg für mich, dieses Stück zu dirigieren, ist, spirituell und emotional vollkommen nackt zu sein, alles zu geben und keiner­ lei Angst zu haben vor moralischer Verurteilung. In Trovatore geht es um Extreme. Das müssen wir rüberbringen. Eine Woche nach der Premiere diri­ gieren Sie ein Philharmonisches Konzert. Der Solist ist der fan­tas­ti­ sche russische Pianist Daniil Trifonov. Haben Sie schon öfter mit ihm ge­ arbeitet? Wir haben mehrere Konzerte gegeben, das letzte war erst kürzlich in Washing­ ton. Da hat er das erste Klavierkonzert von Schostakowitsch gespielt, davor sind wir mit dem zweiten Klavierkonzert von Prokofjew am Verbier Festival auf­ getreten und in Wien mit dem zweiten Konzert von Rachmaninow. Ich bin sehr neugierig zu sehen, wie er das Brahms-­ Konzert angeht – und wie die Kombi­ na­tion eines deutschen Werks mit einem italienischen Dirigenten, einem russi­ schen Pianisten und einem Schweizer Orchester aus Musikerinnen und Mu­ sikern aus vielen verschiedenen Nationen funktioniert! Bei Brahms denkt man immer an einen seriösen deutschen Komponisten, aber es gibt einige sehr kindliche und zärtliche Elemente in seinen Werken, die man selten wahr­ nimmt. Er war ein Mensch, der sich sehr um seine Freunde sorgte und ständig

mit ihnen in Kontakt stand. Er hatte übrigens auch eine sehr kindliche Stimme, die man auf der einzigen Auf­ nahme hören kann, die es von ihm gibt; diese Stimme entspricht so gar nicht dem Bild des älteren bärtigen Mannes, das wir kennen! Wir finden in Brahms’ Werken das grandiose, majestätische Element, aber auch die Liebe zum Detail, verbunden mit einer gros­sen Zärtlichkeit. Um all das hörbar zu machen, braucht man einen Solisten wie Daniil Trifonov, der sehr abenteuerlustig ist, sehr tief emp­ findet, aber auch in der Lage ist, die gegensätzlichsten Elemente miteinander zu verbinden. Sie lieben das deutsche Repertoire, aber auch das slawische Repertoire liegt Ihnen am Herzen. Ja, deshalb habe ich für die zweite Hälfte des Philharmonischen Konzerts die achte Sinfonie von Antonín Dvořák pro­ grammiert. Brahms liebte Dvořák sehr und hat ihn oft beraten. Die Struktur der achten Sinfonie von Dvořák ist Brahms und überhaupt der deutschen Sinfonik sehr nah – mit slawischen Elementen natürlich, vor allem in der Melodik. Also eine gute Kombination, wie ich finde. Das Gespräch führte Beate Breidenbach


26 Volker Hagedorn trifft …

Marina Rebeka Marina Rebeka stammt aus Riga. Seit ihrem internationalen Durchbruch 2009 bei den Salzburger Festspielen unter Riccardo Muti ist die Sopranistin regel­mässig an den führenden Opernhäusern zu Gast. In jüngster Zeit sang sie Amelia («Simon Bocca­negra») bei den Salz­bur­ger Festspie­len und in Wien, Violetta in Mailand und Desdemona in Florenz. Mit Leonora in Verdis «Il trovatore» am Opernhaus Zürich er­ar­beitet sie sich eine weitere wichtige Verdi-Partie.

Allmählich wird es lauter um uns herum, die Opernkantine füllt sich zur Mittagszeit, soweit es eben geht, wenn aus Hygienegründen nur zwei distanzierte Plätze pro Tisch frei sind. Marina Rebeka sitzt mir in knapp zwei Metern Entfernung gegenüber; ich verstehe sie gut. Aber ihr sind ein paar Herren zu laut. Sie sieht zu ihnen hin und sagt, ohne die Stimme zu erheben, «I’m sorry, we’re making an interview here». Sofort wird es still. Das ist es wohl, was man fokussieren nennt. Kein Forte, einfach nur gut zielen. Wenn das so einfach wäre… Wenn sie singt, zielt die Sopranistin so gut, dass sie einen auch via Mikro und CD über mehrere Jahre hinweg ins Herz treffen kann. So ging es mir mit dem Crucifixus aus der Petite Messe solennelle von Gioachino Ros­ sini, die im November 2012 in Rom mitgeschnitten wurde, Antonio Pappano dirigierte die Orchesterfassung. Fast ein Liebeslied für den Erlöser war das, gesungen mit einer Sensibilität für Ton und Text, die Oper und Kirche so verschmolz, wie es sich der Komponist erträumt haben mag. «Das Tempo darf nicht zu schnell sein», meint die Sängerin, «für eine helle Traurigkeit, a bright sadness. Das war meine erste Aufnahme überhaupt!» Ziemlich berühmt war sie da bereits, drei Jahre nach ihrem Debüt bei den Salzburger Festspielen, noch vor ihrem ersten Auftritt in Zürich. Aber Karrieredaten sind für Marina Rebeka gar kein Thema. Eher interessiert sie sich für Manuskripte. Sie schwärmt von Rossinis Handschrift der kleinen Messe, die sie sich damals im Faksimile ansah, um festzustellen, dass es Textabweichungen gegen­ über der kritischen Edition gibt, und auf ihrem Tablet zeigt sie mir das Original von Bellinis Arie «Casta diva»: Sie steht in G-Dur statt in F-Dur, einen Ganzton höher, als sie fast immer gesungen wird. «Der Kammerton war bei Bellini und Verdi nicht 443 Hertz wie heute», sagt sie, «sondern 432 Hertz. Die Streicher spielten auf Darm­ saiten, alles ist weicher, nicht so aggressiv. Vielleicht kommt man mit der Hertz-Fre­ quenz auch schneller zum Herzen!» Sie lacht. Sie kommt auch mit 443 gut klar, ohne den Differenzierungen untreu zu werden, die ihr so wichtig sind. Leonora, ihre Rolle im Zürcher Trovatore, die Frau zwischen Manrico und Graf Luna, die sich am Ende das Leben nimmt, ist für sie mehr als eine der Opferfrauen zwischen Wahnsinn und Tuberkulose, von denen es im Sopranrepertoire von Bellini bis Puccini nur so wimmelt. «Wir sehen sie immer mit dem Mond, schon beim ersten Treffen mit dem Trovatore. Auch Turandot erscheint mit dem Mond. Und Norma. Eine Gegenwelt. Die Männer sind mit der Sonne verbunden, mit Grausamkeit und Kampf.» Zugleich sei Leonora entschlossen und abenteuerlustig, «sie liebt die Nacht, die Gefahr, läuft allein herum, sie ist verliebt und leidenschaftlich, sehr lebendig!» Arktisch helle Augen hat Marina Rebeka und ist offenkundig kein bisschen er­ schöpft. Nach dreistündiger Vormittagsprobe braucht sie nur einen Cappuccino zur Stärkung und sprudelt über von allem, was ihr einfällt zu dieser und anderen Rollen, zu dem, was in anderen Zeiten geschrieben wurde, in anderen gesellschaftlichen Zu­ sammenhängen. Sie findet nicht, dass das passend gemacht werden muss. «Anstatt den Text zu ändern, musst du dein Denken ändern und dich fragen, warum das so gemacht wurde. Das Publikum ist doch nicht dumm. Wenn man weiss, dass die Um­ stände anders sind, in denen etwas entstand, kann man es mit unserer Zeit vergleichen und Lehren daraus ziehen.» Nur auf das Gesellschaftliche lasse sich Oper ohnehin nicht herunterbrechen, «da kommen mehr Aspekte ins Spiel. Tatjana zum Beispiel, in Eugen Onegin. Ich würde heute natürlich mit Onegin gehen und den alten Gremin sitzen lassen. Aber Tatjana war schlauer als Onegin. Sie wusste, er würde sie bald ver­ lassen, wenn sie mitginge…» So, wie sie über diese Gestalten spricht, nimmt sie sie ganz ernst, als Menschen, nicht nur als Rollen, und wenn ihr etwas nicht einleuchtet,


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grübelt sie weiter, wie bei Mozarts Donna Anna, die Rolle, mit der sie in Zürich de­ bütierte und die sie inzwischen nicht mehr singt. «Meine Stimme war passend für die zwei Extreme in ihr, das Süsse und Weiche von ‹Non mi dir› und das Messerscharfe, das schreckliche Pathos, das man für ‹Or sai› braucht. Aber immer gibt es bei ihr drei Punkte… Manipuliert sie Don Ottavio oder trauert sie wirklich um ihren Vater? Sie kann nie geradeaus sein wie Elvira. Zu sagen, dass es mir Spass macht, so eine Rolle wie Donna Anna zu singen, wäre eine Lüge. Aber es war eine Herausforderung. Ich frage mich, warum die Person so wurde. Wie wuchs sie auf ? Was fehlt ihr eigentlich? Das ist überhaupt eine wichtige Frage: Was hat im Leben gefehlt?» Im Leben von Marina Rebeka schien bis zu ihrem dreizehnten Lebensjahr nichts zu fehlen, ausser vielleicht Ballettunterricht. Im lettischen Riga wuchs sie auf, das in ihrem Geburtsjahr 1980 noch Teil der Sowjetunion war, ging zur Schule, lernte Kla­ vier und wollte Ballerina werden. «Wir hatten ein erstaunlich gutes Ballett in Riga, ich sah alles, Giselle, Nussknacker, immer war da diese grosse Bühne mit schöner Musik.» Aber nichts war zu vergleichen mit dem Tag, als die Dreizehnjährige mit ihrem Gross­ vater zum ersten Mal in eine Oper ging, Norma. Was ist da mit ihr passiert? «Was», fragt sie zurück, «passiert einer Person, die sich auf den ersten Blick verliebt? Das kann man nicht erklären. Ich wusste bis dahin nicht, was Oper ist. Ich sass da und war vollkommen getroffen. Diese Leute ohne Mikrofon, die singen und sich selbst ausdrücken durch die Stärke und die Farben ihrer Stimmen! Ich sagte, das will ich machen. Verrückt, dass die nächste Norma, die in Riga gemacht wurde, meine war. Es dauerte 24 Jahre, es brauchte Geduld, einen langen Weg und viele Abenteuer…» Der Weg führte sie über ihre Wahlheimaten Italien, Deutschland (in Erfurt hatte Marina ihr erstes Engagement), die Schweiz und Österreich schliesslich nach Riga zurück: «Der beste Ort, um mein Kind grosszu­ ziehen». Ihre Tochter ist jetzt zehn Jahre alt. «Es ist meine Heimat. Und es ist schön, Repräsentant eines kleinen Landes zu sein!» Sie zeigt auf den Cappuccinobecher vor sich. «Wenn man da drin ist, sieht man nicht, wie gross er ist. Erst von draussen und wenn man in andere Becher geschaut hat, wird das klar, und der Reichtum darin.» Sie knüpft mit ihrer Rückkehr auch an die Familiengeschichte an. Grossvater Juris, der als 70 -Jähriger das Mädchen in die Norma führte, war der Sohn von Alek­ sandrs Jankovičs, hochrangiger Jurist im ersten unabhängigen Lettland bis 1940. Da­r um wurde Juris Jancovičs, ein Ingenieur, 1941 von Stalin mit seiner ganzen Fa­ milie nach Sibirien deportiert. «Er hat dort einen 120 -köpfigen Chor geleitet», sagt Marina, «und spielte sehr gut Klavier». Mit der zweiten Unabhängigkeit 1991 wurde die Oper be­sonders wichtig. «Es war eine harte Zeit, es fehlten Jobs und Geld. Die Oper war darin ein goldener Traum, den man sich leisten konnte. Die Galerie war voll mit Studenten und Leuten mit wenig Geld. Die Zugänglichkeit ist für Oper der entscheidende Impuls!» Vielleicht auch aus dieser Erfahrung heraus hat sie «keine Sekunde gezögert», als sie im Sommer 2020 gefragt wurde, ob sie als Violetta beim Wagnis von Madrid mitmachen wolle: Grosse Oper vor Publikum, Traviata, mitten in der Pandemie. «Wir waren so auf Distanz bedacht, Alfredo konnte Violetta nicht umarmen. Wir mussten so auf diese zwei Meter achten. In diesen zwei Metern liegt der Tod, dieser Gedanke liess mich das durchhalten, dazu die Botschaft für die ganze Welt: Die Kunst muss weitergehen!» Das Kostüm, das man Marina in Madrid anmass, war nach einer Woche schon zu gross, «weil ich wieder mit der Arbeit angefangen hatte! Wir sind Athleten. Alles muss trainiert werden.» Ihr nächstes grosses Wagnis, diesmal in Valencia, ist die Rolle der Cio-Cio San in Puccinis Madama Butterfly, «ein fünfzehnjähriges Mädchen!» Und wovon träumt sie auf längere Sicht? Von weniger Flugreisen: «Wir warten auf die Rail Baltica!» Diese Hochgeschwindigkeitsstrecke wird von Tallinn bis Warschau führen. Sie strahlt. «Dann kommt man über Nacht von Riga nach Berlin!» Volker Hagedorn



Odysseus will nach Hause Auf seinem Heimweg aus dem Trojanischen Krieg erlebt Odysseus eine stürmische und abenteuerreiche Fahrt übers Meer. In unserer neuen Familienoper nehmen wir Sie auf diese Reise mit. Ein Gespräch mit dem Komponisten Leonard Evers und der Librettistin Pamela Dürr Illustrationen  Eva Rust


30 Die Odyssee

Leonard, du hattest bereits mit deinem Musiktheaterstück Gold! grossen Erfolg beim jungen Opernpublikum, mit der Odyssee hast du nun eine Familien­­oper für unsere Hauptbühne geschrieben. Was bedeutet dir das Komponieren für Kinder? Leonard Evers: Gold! war das erste grössere Stück, das ich direkt nach meinem Studium geschrieben habe. Eigentlich wollte ich damals noch ein bisschen in Lon­ don weiterstudieren. Aber diese erste Arbeit für das Musiktheater war eine so packende Erfahrung, dass ich mich entschieden habe, einfach so weiterzuarbeiten. Der Erfolg von Gold! hat natürlich zu weiteren Aufträgen in diesem Bereich ge­ führt: Im Rahmen der holländischen Organisation «Oorkaan», die Musiktheater für junges Publikum fördert, habe ich ein Puppentheaterstück nach Preusslers Krabat entwickelt und später das Stück Kriebel für ganz kleine Kinder ab 2 Jahren ge­ schrieben, das gerade wieder in Amsterdam zu sehen ist. Dabei war es mir wichtig, ein ganz abstraktes, poetisches Stück zu konzipieren, das alle Sinne der Kinder anspricht und ihnen einen ganz haptischen Zugang zur Welt der Musik ermöglicht. Auch diese weiteren Stücke waren erfolgreich und wurden mit Preisen be­ dacht. Hast du keine Angst, dass man dich aufgrund dieser Erfolge aus­ schliess­lich als Komponist für Kinder wahrnimmt? Leonard Evers: Ein bisschen hatte ich diese Befürchtung tatsächlich. Aber im Moment schreibe ich im Auftrag der Oper Amsterdam an einem grossen Stück für Er­wach­ sene. Zwischen dem Komponieren für Erwachsene und für Kinder gibt es für mich aber ohnehin keinen Unterschied. Ich schreibe keine «Kindermusik» und glaube auch nicht, dass so etwas überhaupt existiert. Der entscheidende Unterschied ist für mich, dass Musik je nach Alter des Publikums eine unterschiedliche Wirkung hat. Ganz kleine Kinder haben logischerweise noch keine stilistische Referenz und daher auch nicht die Erwartungshaltung eines Erwachsenen. Letztere sind hin­gegen viel zu zivilisiert, um auf die Stühle zu springen oder lautstark mitzu­fiebern wie ein Kind. Wenn man diese Wirkung im Blick hat, kann man als Komponist eigent­ lich alles schreiben, auch für Kinder. Mit Humanoid hast du zusammen mit der Librettistin Pamela Dürr auch schon eine Science fiction-Oper für Jugendliche geschrieben. Was gefällt dir, Pamela, besonders am Theater für junge Menschen? Pamela Dürr: Ich habe überhaupt keine Vorbehalte, für Kinder oder Jugendliche zu schreiben. Man ist dabei besonders stark aufgefordert, über das jeweilige Ziel­ publikum nachzudenken: Wer sind diese Menschen? Was kann ein Stück bei ihnen auslösen? Wie kann man auf sie zugehen? Besonders wichtig finde ich, dass man junge Menschen herausfordert. Oft stellen sie ja ganz direkte und essenzielle Sinn­ fragen. Und diese sollten in den Stücken unbedingt reflektiert werden. Ich bin daher immer dagegen, Stoffe für Kinder zu verniedlichen. Wie habt ihr auf den Vorschlag des Opernhauses Zürich reagiert, eine Familien­­ oper nach Homers Odyssee zu schreiben? Leonard Evers: Ich habe gleich Pamela angerufen, und wir haben keine Sekunde mit unserer Entscheidung gezögert. Die abenteuerlichen Erzählungen, für die Homers Epos so bekannt ist, passen sehr gut zu den Fantasie­welten, in die sich Kinder gerne hineindenken. Pamela Dürr: Ich habe mich sofort daran erinnert, wie mich die griechische Mytho­ logie als Kind fasziniert hat. Aber mir wurde auch schnell wieder klar, dass es sich bei der Odyssee um einen sehr krassen, blutrünstigen und tiefgründigen Stoff handelt, aus dem man genauso gut ein Stück über Heimatverlust oder Kriegs­ traumata machen könnte. Unsere erste Aufgabe bestand also darin, uns von vielen Episoden und Figuren des Epos zu verabschieden und einen Zugang zu finden, der sich für die ganze Familie eignet.


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Und für welche Dramaturgie habt ihr euch entschieden? Pamela Dürr: Im Zentrum von Homers Epos stehen die Irrfahrten des Odysseus: Bei seiner Rückkehr aus dem Trojanischen Krieg verirrt er sich auf dem Meer und gerät in die verrücktesten Fantasiewelten. Dieser Abenteuer-Reise, die Odysseus gemeinsam mit seinen Schicksalsgefährten durchlebt, folgt auch unsere Oper. Ausserdem haben wir uns entschieden, die Geschichte aus der Perspektive von Odysseus’ Sohn Telemachos zu erzählen. Dieser wartet mit seiner Mutter Penelope im Palast von Ithaka seit vielen Jahren auf den Vater, den er noch nie gesehen hat. Bei der Wiederbegegnung von Odysseus, Penelope und Telemachos hört bei uns die Geschichte dann auch auf, weil wir den Kindern die brutale Szene ersparen wollen, in der bei Homer kurz darauf alle Männer ermordet werden, die während Odysseus’ Abwesenheit seine Frau bedrängt haben. Leonard Evers: In unserer Version gibt es aber auch zwei Götter, nämlich den Meeres­ gott Poseidon, dem in dieser Geschichte, die fast durchweg auf dem Meer spielt, eine wichtige Rolle zukommt, und Athene, die als Göttin der klugen Strategie gilt. Pamela Dürr: Athene ist Poseidons Nichte. Die beiden stehen also für zwei Gene­­ ratio­nen und bilden auch sonst ein stark kontrastierendes Götterpaar: Poseidon ver­ sinnbildlicht die ungeheuren Kräfte der Natur, während sich Athene mit ihrer empa­thischen Kraft immer wieder für Odysseus einsetzt. Können sich Kinder von heute mit solchen Götter- und Heldenfiguren der Antike identifizieren? Leonard Evers: Die griechischen Götter sind ja keine unnahbaren Wesen. Sie sind den Menschen täuschend ähnlich. Es liegt deshalb nahe, sie miteinander zu ver­gleichen, und manchmal habe ich sogar das Gefühl, dass die Menschen den Göttern einen Schritt voraus sind. Pamela Dürr: Trotzdem haben die Götter natürlich faszinierende Kräfte: Sie tauchen plötzlich auf um zu helfen oder zu strafen. Und für solche mit Superkräften aus­ gestattete Figuren sind Kinder ohnehin immer sehr empfänglich. Selbstverständlich haben wir uns überlegt, ob es nötig ist, diese alte Erzählung irgendwie ins Heute zu übersetzen. Wir haben uns aber ganz klar dagegen entschieden. Die Gelegenheit, einmal in diesen grossen, fantastischen Bildern zu sprechen, wollten wir gerade in der Welt von heute, in der sonst alles schnell, effizient und möglichst unaufwän­ dig gehen soll, unbedingt nutzen. Leonard Evers: In den meisten Fällen sind junge Leute mit dieser Geschichte ja noch gar nicht vertraut. Ich war deshalb unbedingt dafür, sie sehr direkt zu erzählen; sie enthält so viele Informationen, dass es nicht noch eine zusätzliche Ebene braucht. Ein Kind fragt sich nicht, wie es diese alte Erzählung in der Gegenwart zu ver­ stehen hat, sondern eher wie es sich selbst in der Rolle des Odysseus fühlen oder verhalten würde. An welchen Stationen führen Odysseus’ Irrfahrten in eurer Oper vorbei? Leonard Evers: Odysseus bricht mit einem grossen Heer von Gefährten und Schiffen

auf und ist am Ende allein, während das Meer immer wilder und gefährlicher wird. Pamela Dürr: Die Inseln und Figuren, die auf unserer Reise vorkommen, haben sich nach und nach herauskristallisiert: Einige Charaktere wie beispielsweise der ein­ äugige Riese Polyphem waren von Anfang an klare Favoriten. Dass dieses be­ drohliche Monster bei Kindern hoch im Kurs steht, hat mir auch mein zehnjähriger Sohn klar bestätigt. Andere Szenen sind wegen ihrer theatralischen Anlage gut geeignet, so etwa die Episode um Kirke, die Odysseus’ Gefährten in Schweine ver­ wandelt. Auch die Szene in der Unterwelt eignet sich aufgrund ihrer grossen Suggestivkraft gut für die Oper. Leonard Evers: Es gibt aber auch wichtige Szenen, über die wir viel diskutiert haben, weil darin eigentlich nichts passiert. Zum Beispiel wenn Odysseus am Ende sieben Jahre bei der schönen Kalypso festsitzt.


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Ihr habt euch trotzdem für die Kalypso-Szene entschieden. Liegt das daran, dass die handlungsarmen Szenen für die Musik interessanter sind als die textlastigen? Leonard Evers: Musikalisch war es grundsätzlich mein Ziel, für jede Insel ein eigenes klangliches Idiom zu finden. Demgegenüber stand aber tatsächlich auch die Herausforderung, einiges an Text unterzubringen, weil es natürlich Handlung gibt, die erzählt werden soll. Die Szene bei Kalypso steht ganz am Ende der Reise und ist deshalb besonders wichtig: Odysseus hat in dieser Szene nicht nur sein Schiff und seine Gefährten verloren, sondern in gewisser Weise auch sich selbst. Gleich­ zeitig befindet er sich in den Armen einer wunderschönen Frau, was offensichtlich dazu führt, dass er sieben Jahre lang die Zeit vergisst. Was Odysseus hier erlebt, ist das Paradies, und doch ist es das absolute Gegenteil von der Heimat, die er eigentlich sucht: Bei Kalypso findet er eine objektiv perfekte, aber völlig unwirkliche Welt. Ich habe deshalb eine Art «Liftmusik» geschrieben, die eine schöne, aber völlig sterile und unpersönliche Atmosphäre verbreitet. Pamela Dürr: Rund um die Kalypso-Figur könnte ich mir ein ganzes Stück für Er­ wachsene vorstellen… Für die Kinder ist aber entscheidend, dass hier Odysseus’ Kern zum Vorschein kommt. Er ist an diesem Punkt seiner Reise geschält wie eine Zwiebel. Das einzige Gefühl, das ihm bleibt, ist sein Heimweh. Und das können die Kinder gefühlsmässig sicher nachvollziehen. Welches musikalische Spektrum umspannt deine Oper? Leonard Evers: Es gibt darin ganz unterschiedliche Idiome. Einerseits gibt es sehr tonale Musik, die für mich – auch wenn das jetzt ein bisschen klischiert klingt – immer mit dem Heimkommen verbunden ist. So ist das eben mit der Tonalität. Man denkt sich immer: Das kenne ich! Dann gibt es aber auch Momente, in denen die Tonalität zugunsten anderer Ideen oder Charaktere in den Hintergrund tritt: So habe ich beispielsweise für Penelope eine Musik geschrieben, die nicht fort­ schreitet, sondern immer um sich selbst kreist. Telemachos hingegen hat eine sehr aktive, aufgeregte Sprache. Und dann gibt es natürlich viele Assoziationen oder Zitate aus Klangwelten, die mir für einzelne Episoden geeignet schienen. Pamela Dürr: Leonard und ich haben viel über Klang- und Tonwelten gesprochen, bevor ich angefangen habe, den Text zu schreiben. Das hat mir sehr geholfen. Er hat einen sehr spielerischen, unvoreingenommenen Zugang zur Musik und bringt auch mal einen Klangfetzen von einer holländischen Schlagerband ins Gespräch. Da schreibe ich natürlich gleich ganz andere Texte als für eine Stimme, die von einem dicken Sinfonieorchester-Klang begleitet wird. Eine Besonderheit in deiner Partitur ist das sehr differenzierte Verhältnis von gesprochenem und gesungenem Text. Wie gehst du da vor? Leonard Evers: Das Verhältnis von Text und Musik ist in der Oper ja ein grosses Thema, und meistens verhält es sich so, dass man sich denkt: Wow, tolle Stimme! Aber was singt sie eigentlich? Ich finde aber, dass es genau umgekehrt sein muss: Zunächst sollte man wissen, worum es geht, um dann festzustellen: Das wird ja gesungen! Aus diesem Grund gibt es bei mir nahtlose Übergänge vom Sprechen ins Singen. Das Singen ist für mich immer eine intensivierte Form des Sprechens. Ich stelle mir deshalb auch stets die Frage: Warum singt man das? Und wenn ich keine Antwort darauf habe, dann wird eben gesprochen. Besondere Klangfarben werden in deiner neuen Oper auch im Orchester zu hören sein. Für welche Besetzung hast du dich entschieden? Leonard Evers: Ein Stoff wie die Odyssee braucht manchmal richtig volle, mächti­ge Klänge, etwa wenn die Götter auftreten. Da ich für ein eher kleines Ensemble komponieren sollte, entschied ich mich deshalb ausnahmsweise gegen eine Strei­cher­­besetzung: das Herz des Ensembles besteht aus Blasinstrumenten.

Die Illustrationen zeigen Odysseus, den be­trunkenen Riesen Polyphem und die Zauberin Kirke, die Odysseus’ Ge­fährten in Schweine verwandelt.



34 Blindtext


Ein Bläseren­semble kann sehr flexibel eingesetzt werden und klingt je nach Stil ganz unter­schied­­lich, mal wie eine Big Band, mal nach Jazz oder Pop, mal wie Monteverdi oder wie ein Ensemble für zeitgenössische Musik. Ergänzt werden die Blas­instrumente durch besondere Farben wie Harfe, Gitarre, Perkussion und ein Akkordeon, das ich ein fantastisches Instrument finde, weil es sowohl als Solo­instrument als auch als «Leim» für die ganze Besetzung interessant ist. Ich bin sehr gespannt, wie sich die Gesangsstimmen mit diesem Bläserensemble mischen werden. Durch die Arbeit mit dem Atem sind sich Gesang und Blas­ instrumente ja sehr nahe. Pamela Dürr: Mir gefällt deine Entscheidung auch in Bezug auf unsere Geschichte sehr gut, in der die Reise immer nur vorangeht, wenn der Wind bläst! Das Gespräch führte Fabio Dietsche

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Die Handlung In Ithaka wartet Penelope seit vielen Jahren auf die Heimkehr ihres Mannes Odysseus, der in den Trojanischen Krieg gezogen ist. Sie wird von fremden Männern bedrängt, die sie heiraten wollen. Ihr Sohn Telemachos ist zu einem jungen Mann herangewachsen. Die Göttin Athene wünscht Odysseus eine baldige Heimkehr. Doch der Meeresgott Poseidon lässt den Helden und seine Gefähr­ ten nicht so bald ankommen: Im Land der friedlichen Lotosesser etwa fühlen sich die Gefährten so wohl, dass Odysseus sie zur Weiterreise zwingen muss. Auf der Insel des einäugigen Riesen Polyphem werden sie in eine Falle gelockt. Es gelingt ihnen aber, das schlafende Monster zu blenden und zu fliehen. Zur Strafe löst Poseidon einen schweren Sturm aus. Die Zauberin Kirke verwandelt Odysseus’ Gefährten in Schweine. Dem Helden selbst weist sie aber den Weg in die Unterwelt, wo er auf seine verstorbene Mutter trifft. Diese ermahnt ihn, zu

seiner Familie zurückzukehren. Auf der Weiterreise müssen Odysseus und seine Gefährten an den Sirenen vorbeisegeln, die durch ihren Gesang ganze Schiffe in die Tiefe ziehen können. Odysseus lässt sich an den Mast des Schiffes binden. Auf Thrinakia angekommen, schläft Odysseus erschöpft ein. Seine hungrigen Gefährten schlachten die Rinder des Sonnengotts Helios. In einem schweren Sturm verliert Odysseus sein Schiff und alle Gefährten. Er kommt bei der schönen Kalypso wieder zu sich, wo er sieben Jahre lang bleibt. Doch Odysseus’ Heimweh wird immer stärker. Er macht sich auf den Weg nach Ithaka. Penelope entscheidet, denjenigen zum Mann zu nehmen, der den Bogen des Odysseus zu spannen vermag, doch keiner schafft es. Da tritt Odysseus in Gestalt eines Bettlers zwischen die Männer. Als er Tele­machos hilft, den Bogen zu spannen, erkennt ihn Penelope.

Die Odyssee Familienoper für Kinder ab 7 Jahren von Leonard Evers Uraufführung Musikalische Leitung Eduardo Strausser Ann-Katrin Stöcker Inszenierung Rainer Holzapfel Bühnenbild David Hohmann Kostüme Lisa Brzonkalla Lichtgestaltung Franck Evin Video Tieni Burkhalter Dramaturgie Fabio Dietsche Odysseus Ruben Drole / Andrew Moore Penelope Siena Licht Miller / Freya Apffelstaedt Telemachos Andrew Owens / Nathan Haller Eurykleia Irène Friedli / Liliana Nikiteanu Athene Ziyi Dai / Tatjana Schneider Poseidon Barnaby Rea / Alexander Fritze Elpenor Thomas Erlank / Alejandro Del Angel Eurylochos Valeriy Murga / Cheyne Davidson Polyphem / Achilles Unnsteinn Árnason / Oleg Davydov Kirke/Kalypso Chelsea Zurflüh Philharmonia Zürich Statistenverein am Opernhaus Zürich Unterstützt durch

Premiere 13 Nov 2021 Weitere Vorstellungen 21, 28 Nov; 4, 11, 26 Dez 2021, 8, 16 Jan 2022


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Fragebogen 37

Ruzan Mantashyan Aus welcher Welt kommen Sie gerade? Meine Saison begann mit zwei russischen Opern: Prokofjews Krieg und Frieden in Genf und Tschaikowskis Jewgeni Onegin in Liège. Natascha Rostova in Krieg und Frieden zu singen, war für meine Karriere ein wichtiger Moment: Mit der Hilfe von Calixto Bieito hatte ich die Gelegenheit, all mein Können als Schauspielerin zu zeigen. Auf was freuen Sie sich in der Wieder­aufnahme von Mozarts Così fan tutte? Die Così ist mir seit der Premiere 2018 sehr ans Herz gewachsen. Kirill Sere­ bren­nikov hat eine sehr lebendige In­ sze­­nierung geschaffen, so realistisch und lebensnah wie nur möglich. Es macht grossen Spass, meine Figur weiter­­­­zuent­ wickeln – so wie auch ich mich als Künst­lerin weiterentwickle. Einen gros­ sen Wunsch hätte ich: dass eines Tages Kirill hier sein kann und seine Inszenierung endlich live erlebt! Wer ist Fiordiligi? Sie ist eine junge Frau mit einem starken Charakter, die versucht, in jeder Situation das Richtige zu tun. Sie denkt viel und fühlt auch manchmal eher mit dem Kopf. Wenn jemand bis zu ihrem Herzen durchdringt, eröffnet sich ihr eine neue Welt. Sie weiss, sie wird nie mehr dieselbe sein. Welchen überflüssigen Gegenstand in Ihrer Wohnung lieben Sie am meisten? Meine Ukulele – ein «do it yourself»-­ Bausatz, den ich mal in London gekauft habe. Jetzt spiele ich manchmal darauf. Allerdings muss ich sie alle fünf Minuten nachstimmen. Was bringt Sie zum Lachen? Menschliche Imagination – sowohl in Bezug auf den Unsinn als auch auf die geistreichen Dinge, die diese Imagination erfinden kann.

Was hassen Sie am meisten? Hass ist selbstzerstörerisch. Ich schätze meinen inneren Frieden zu sehr, als dass ich hassen könnte. Aber natürlich gibt es Dinge, die ich nicht leiden kann: Dummheit, Unehrlichkeit und Respektlosigkeit. Sie sind die Wurzeln vieler Fehler. Warum sind Ihre Freunde Ihre Freunde? Sie sind alle so unterschiedlich! Verschiedene Nationalitäten, Berufe, Biografien… Es gibt ein Sprichwort im Armenischen, das sagt: Menschen, die sich ähnlich sind, finden einander. Wir sind sowohl in guten als auch in schlechten Tagen füreinander da. Woran merkt man, dass Sie Armenie­ rin sind? Ich habe noch nie erlebt, dass jemand meine Nationalität erraten hätte. Oft denken die Leute, ich käme aus Spanien oder Süditalien. Wenn sie meinen Nach­namen hören, dann können sie aus der Endung -yan schliessen, dass ich Armenierin bin. Was müsste passieren, damit die Welt auch in 100 Jahren noch existiert? Wird die Menschheit in 100 Jahren noch genauso leben wie heute? Ich glaube nicht, aber das muss nichts Schlechtes sein. Wir entwickeln uns. Ich bin überzeugt davon, dass wir alle unser Bewusstsein weiterentwickeln müssen, wenn wir auf nachhaltige Art und Weise von dem profitieren wollen, was die Welt uns bietet. Ruzan Mantashyan singt wie schon in der Premiere die Fiordiligi in der Wiederauf­nahme von Mozarts «Così fan tutte». Die armenische Sopranistin, die u.a. bei Mirella Freni in Modena studierte, war in jüngster Zeit u.a. als Tatiana («Jewgeni Onegin») und Micaëla an der Staatsoper Hamburg, als Mimì an der Bayerischen Staatsoper München und an der Genfer Oper in Prokofjews «Krieg und Frieden» zu erleben.


Operation am offenen Herzen Wolfgang Amadeus Mozarts abgründige Oper «Così fan tutte» ist erneut in der von Presse und Publikum gefeierten, radikal zeitgenössischen Regie von Kirill Serebrennikov zu sehen. Mit Ruzan Mantashyan, Anna Goryachova, Konstantin Shushakov, Mauro Peter u.a. Vorstellungen: 14, 19, 27 Nov, 2, 7, 11 Dez 2021


Fotos: Monika Rittershaus


Made in Paris Mit Igor Strawinskys «Le Sacre du printemps» und Maurice Ravels «Boléro» vereint dieser Ballettabend zwei spektakuläre französische Ballettpartituren aus der ersten Hälfte des 20. Jahr­hunderts. Die aufregenden Neudeutungen stammen von Edward Clug und Johan Inger.

Fotos: Gregory Batardon

Vorstellungen: 29 Okt; 7, 11, 14, 28, 30 Nov; 3, 4 Dez 2021




Die geniale Stelle 43

Frischer Wind Sechs Takte in Igor Strawinskys «Le Sacre du printemps»

Hören und im Klavierauszug mitlesen können Sie die «Geniale Stelle» hier:

Wie gern wäre man doch dabei gewesen an jenem 29. Mai 1913 im Pariser Théâtre des Champs-Élysées! Ohrenbetäubendes Geschrei, wutverzerrte Gesichter, zerbeulte Zylinder, zerdroschene Spazierstöcke, abgerissene Frackschösse, herumkullernde Perlenketten, Damen, die sich in Krämpfen winden oder sich in die Frisuren ihrer Sitznach­barinnen verkrallt haben… Die Uraufführung von Igor Strawinskys Ballett Le Sacre du printemps war eine der denkwürdigsten Schlachten um die moderne Kunst, die im vergangenen Jahrhundert geschlagen wurden. Ewig schade, dass man da nicht hat mitkämpfen können! – Oder vielleicht doch nicht? Wer kann schon wissen, ob er sich für das Neue und die Freiheit der Kunst ins Getümmel gestürzt hätte? Ob er nicht vielmehr auch den Haustürschlüssel gezückt hätte, um mit ohrenbetäubenden Pfiffen den Abbruch der Aufführung zu erzwingen? Denn es war wirklich viel, was Choreograf und Komponist dem Publikum zumuteten. Was sich auf der Bühne zutrug, schien ein einziger Hohn auf die gerade in Frankreich liebevoll gepflegten Traditionen des Balletts zu sein. Dazu dröhnte aus dem Orchester eine wilde Mischung aus wüsten Dissonanzen, kurzatmigen Melodien und hämmernden Rhythmen, die das Orchester immer wieder in ein einziges monströses Schlaginstrument zu verwandeln schienen. Wer will den damaligen Besuchern ver­ übeln, dass sie ausser Stande waren, die Schönheit dieser Musik, ihre Kraft und klang­ liche Raffinesse zu würdigen und zu geniessen? Wer weiss, wie viele, vom Titel des Werkes in die Irre geführt, ein süsslich klingendes «Frühlingsrauschen» à la Sinding erwartet haben mögen, gefällig garniert mit zarten Elfen und Sylphiden, und sich schändlich betrogen fühlten? Wer sicher ist, dass er es besser gewusst hätte, der werfe den ersten Stein. Heute, mehr als hundert Jahre später, erfahren in den Klangeruptionen der Mu­ sik des 20. Jahrhunderts, haben wir es leichter. Wir hören Strawinskys Huldigung an Tschaikowski, am Beginn des Mystischen Reigens der jungen Mädchen im zweiten Teil des Werkes. Wir hören sie trotz des Schleiers zarter Dissonanzen, der die Melodie der sechs Solobratschen umgibt. Und wir können das kleine musikalische Wunder bemerken, das sich wenig später zuträgt: Vor dem Hintergrund eines leisen Streichertremolos erklingt eine metrisch instabile Flötenmelodie, die ein russisches Frühlingslied sein könnte. Gleich darauf wird sie von zwei Klarinetten übernommen und in Septparallelen wiederholt. Den damaligen Zuhörern, wenn sie die Stelle in dem Tumult überhaupt wahrgenommen haben, wird die Kette von Dissonanzen als freche Provokation erschienen sein. Doch der Komponist hat sehr viel mehr angestrebt und verwirklicht. Das herbe Klanggewand, in das er diese folkloristische Melodie kleidet, befreit sie von allem Pikant-Exotischem, das Volksmusikzitaten in der Kunstmusik der Romantik oft anhaftet. Und zwar paradoxerweise gerade dadurch, dass dieser damals ganz neue Effekt das Fremdartige betont, den Kontrast zu einer aufs Höchste verfeinerten Musikkultur hervorhebt, in deren Kontext sie nun erscheint. Die Melodie wird nicht dem spätromantischen Klangideal unterworfen. Es ist, als würde ein russischer Bauer in das Orchester tappen und mit seiner etwas schrill klingenden Schalmei seine religiöse Verehrung der allmächtigen Natur hörbar machen. Als hätte er eine Tür ge­ öffnet und die herbe Brise des Frühlingsmorgens hereingelassen, den frischen Wind einer Moderne, die sich auf die Tradition stützt und sie aneignet, statt sie zu zerstören, wie die Schreihälse im Zuschauerraum geglaubt haben. Werner Hintze


Manrico aus Giuseppe Verdis «Il trovatore» von Wolfgang Schmidbauer

Die Handlung von Il trovatore spielt zwar im ausgehenden Mittelalter mit Klöstern, Burgen und Rittern. Aber die sozialen Spannungen des 19. Jahrhunderts kann in diesem Textbuch jeder sehen, der sie sehen will. Es geht um den Kampf zwischen dem Bürgertum und der nach Napoleons Niederlage erstarkten, in ein primitives, ja grau­sames Licht getauchten Feudalherr­ schaft. Damit eine romantische Geschichte daraus wird, ist der Trovatore Manrico ein entführter Prinz, Ziehsohn einer Zi­ geunerhexe und Bruder des Fürsten von Aragon. Wie viele adoptierte Kinder, die nicht von Anfang an über ihre Vergangen­ heit aufgeklärt werden, fühlt sich Manrico zwischen Baum und Borke, ein Kämpfer, der in Turnier und Duell den Adeligen nicht nur Paroli bietet, sondern edler im Gemüt ist als diese. Dieser Held hat sich selbst in seiner Kunst gefunden. Seine mächtigsten Verbündeten sind die Frauen, sein ärgster Feind ist er selbst, denn die frühe Belastung des Selbstgefühls führt dazu, dass Eifersucht nicht verarbeitet werden kann. Wer heimatlos wurde, sucht in der Liebe das Absolute und handelt im Liebeszweifel impulsiv. Ein sprechendes Beispiel ist Othello. Das romantische Skript ignoriert energisch die feudale Realität, in der die

Dame des Herzens zwar in einen Liebes­ himmel gehoben, aber keineswegs ange­ fasst werden durfte. Die fahrenden Sänger des Mittelalters haben die romantische Liebe als spirituelle Minne erfunden, aber erst im 19. Jahrhundert dürfen sich bei­ spiels­weise Käthchen von Heilbronn und ihr Ritter in die Arme nehmen (und auch das nur, weil Käthchen des Kaisers unehe­ liche Tochter ist). Im 19. Jahrhundert wird der triviale Liebes- und Schicksalsroman populär. «Zigeunerinnen» entwickeln eine gerade­ zu teuflische Neigung, hochgeborene ­ Kinder zu entführen. Diese wachsen zu rätselhafter Blüte, Tugend und Schönheit heran und fühlen sich dem fahrenden Volk gleichzeitig zugehörig und nicht zugehö­ rig. Dann kommt, was kommen muss: eine Person «von Stand» mit Schloss und Titel verliebt sich in ein Geschöpf, dessen Wur­ zeln so gar nicht zur Blüte passen. Und ehe alles kaputt geht, wird dann doch die Grafenkrone in der Windel entdeckt, die eine reuige Ziehmutter aus der Truhe kramt. Freud hat dieses Motiv als narziss­ti­ sche Fantasie denunziert («Familienroman der Neurotiker»). Das Kind wünscht sich fürstliche Eltern, allzu gering erscheinen ihm Mutter und Vater. Aber die Deutung lässt sich ausweiten zu dem zentralen Mo­ tiv der Romantik: einer Antwort auf die Belastung des Selbstgefühls. Die Fantasie, in der Liebe festen Halt und Sicherheit zu finden, winkt als happy end, schenkt Hoffnung in unsicheren Zeiten, in denen das Ich höher gehoben, aber auch tiefer gestürzt werden kann als in traditioneller Enge. Was die gesellschaftliche Entwick­ lung unwiederbringlich zerstört hat, wird nachträglich als Paradies idealisiert. So blickt das bürgerliche Ich, dem alle Möglichkeiten offenstehen, auch die, an den eigenen Ansprüchen zu scheitern, sehnsüchtig nach der Welt des Adels, in der man allein durch Geburt schon Prinz ist oder Prinzessin. Im 19. Jahrhundert wird nicht nur das fahrende Volk, etwa in Gestalt Carmens, zum Symbol riskanter Freiheit. Auch der Troubadour erscheint als ein Vorläufer des modernen Ich, selbst­ bewusst und stolz in seiner Kunst und doch angewiesen auf die Gnade einer Gesell­ schaft, die ihn in guten Zeiten rühmt und nährt, in schlechten aber im Stich lässt.

Illustration: Anita Allemann

44 Auf der Couch


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Intendant Andreas Homoki Generalmusikdirektor Gianandrea Noseda Ballettdirektor Christian Spuck Verantwortlich Claus Spahn Sabine Turner Redaktion Beate Breidenbach Kathrin Brunner Fabio Dietsche Michael Küster Claus Spahn Gestaltung Carole Bolli Corina Farkas Fotografie Danielle Liniger Florian Kalotay Bildredaktion Yvonne Gebauer Anzeigen Linda Fiasconaro Schriftkonzept und Logo Studio Geissbühler Druck Multicolor Print AG Illustrationen Anita Allemann

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