Anna Bolena

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ANNA BOLENA

GAETANO DONIZETTI


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ANNA BOLENA GAETANO DONIZETTI (1797-1848)

Partner Opernhaus Zürich


Ich wollte eine Krone und bekam eine Dornenkrone. Anna Bolena



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ERSTER AKT Der Hofstaat erwartet Enrico VIII. Sein Ausbleiben bestätigt die Befürchtungen am Hof: Der König ist Anna überdrüssig geworden und hat sich einer anderen Frau zu­ge­wandt. Unter den Hofdamen der Königin befindet sich auch Giovanna Seymour. Sie ist verunsichert, weil die Königin nach ihr hat rufen lassen, nicht wis­send, dass sie Enricos Geliebte ist. Von bösen Vorahnungen geplagt, tritt Anna Bolena auf. Sie bittet ihren Musiker Smeaton, ihrem Gefolge die Zeit mit einem Lied zu vertreiben. Smea­ tons Gesang über die erste Liebe verstört Anna: Sie erinnert sich an ihre Jugend­ liebe Lord Percy, den sie seinerzeit verliess, um Königin von England zu werden. Anna ent­­lässt den Hofstaat. Auf Giovannas Frage, was sie bedrücke, mahnt die Königin sie, sich nie von Ruhm und Ansehen verlocken zu lassen. Giovanna bleibt beunruhigt zurück. Als der König erscheint, erklärt sie ihm, sie müsse die Beziehung lösen, wenn er ihr nicht einen rechtmässigen Platz an seiner Seite einräume. Heinrich versichert ihr, er habe bereits ein Mittel ge­ funden, um sich von Anna zu trennen. Von ihren Gefühlen hin und her gerissen, ahnt Giovanna Annas drohenden Untergang. Auf Geheiss Enricos ist Annas Jugendfreund Percy nach langen Jahren aus der Verbannung zurückgekehrt. Er trifft auf Annas Bruder Lord Rochefort, der ihm von Annas freud­losem Dasein als Königin berichtet. Percy, der Anna noch im­ mer liebt, macht sich neue Hoffnungen. Enrico tritt mit seiner Jagdgesellschaft auf und beobachtet das Aufeinander­ treffen von Anna und Percy. Seinem Vertrauten Hervey gibt er den Befehl, jeden Schritt der beiden zu überwachen. Smeaton, der Anna heimlich liebt, hat sich in die Zimmer der Königin geschli­ chen, um ein gestohlenes Porträt zurückzubringen. Als er Schritte hört, ver­steckt er sich: Es ist Anna, gefolgt von ihrem Bruder, der Percy Zugang zu ihren Ge­ mä­­chern verschafft hat. Nach anfänglichem Zögern erklärt sich Anna bereit, Percy zu empfangen.

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Percy bedrängt Anna mit Erinnerungen an ihr früheres Glück. Als Anna seine Liebesbe­kundungen entschlossen abwehrt und ihm befiehlt, England zu ver­ lassen, will Percy sich das Leben nehmen. Smeaton meint jedoch, Percy wolle Anna angreifen und stürmt aus seinem Versteck, um ihn daran zu hindern. In diesem Moment tritt der König auf und beschuldigt Anna und Per­cy des Ehe­ bruchs. Als Smeaton Annas Unschuld beteuern will, spielt der Zu­fall Enrico einen weiteren Trumpf in die Hand: Smeaton entgleitet Annas Bildnis. Enricos Befehl, die beiden Männer und die Königin ins Gefängnis führen zu lassen, weckt bei Anna die schlimmsten Befürchtungen.

ZWEITER AKT Annas Damen beklagen das Schicksal ihrer Königin und werden von Hervey als Zeugen vor das Gericht gerufen. Anna erinnert sich an das Los ihrer Vorgängerin Katharina von Aragon und bittet Gott um Beistand. Giovanna versucht die Königin zu überzeugen, mit einem Schuldgeständ­ nis wenigstens ihr Leben zu retten. Empört weist Anna diesen Vorschlag zurück und verflucht die unbekannte Nebenbuhlerin. Von Gewissensbissen und Angst überwältigt, gesteht Giovanna, selbst Annas Rivalin zu sein. Nachdem sich ihr erster Zorn ge­legt hat, verzeiht Anna ihrer Hofdame: Nicht sie treffe die Schuld für ihre Liebe zu Enrico, sondern den König, der sie verführt hat. Hervey berichtet den anwesenden Höflingen von Smeatons Geständnis, mit der Königin Ehebruch begangen zu haben. Heinrich befiehlt, den Sachverhalt vor­ erst geheim zu halten. Auf dem Weg in den Gerichtssaal begegnen ihm Anna und Percy. Die Königin fleht Enrico an, sie nicht durch einen Prozess zu entwürdigen, Percy versichert ihm ihre Un­schuld. Von Enrico gereizt, eröffnet Percy ihm, mit Anna verheira­tet zu sein. Der König schwört bittere Rache, die auch Annas Tochter Elisabeth treffen soll.

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Nachdem Anna und Percy abgeführt worden sind, tritt Giovanna auf und fleht bei Enrico um Gnade für Anna. Da berichtet Hervey, dass die Königin und alle Mitschuldigen vom Gericht einstimmig zum Tode verurteilt wurden. Percy und Rochefort nehmen voneinander Abschied, als Hervey die Nachricht bringt, sie seien vom König begnadigt worden. Beide entschliessen sich, Annas Schicksal zu teilen, und wählen den Tod. Annas Hofdamen berichten, der Geist Annas habe sich verwirrt. Anna wartet auf ihre Hinrichtung und träumt sich in ihre Jugend zurück. Festmusik, die Enricos Hochzeit mit Giovanna begleitet, weckt sie aus ihrem Wahn. Smeaton ge­steht der Königin, vor Gericht einen Meineid geleistet zu ha­ben im Glauben, ihr damit das Leben zu retten. Anna verzeiht ihm und fleht den Him­­mel an, ihrem Kummer ein Ende zu machen. Während Smeaton, Percy und Rochefort zum Richtplatz geführt werden, vergibt Anna dem neuen Kö­nigs­paar in der Hoffnung, der Himmel möge auch ihr vergeben. Ihr Henker erscheint.

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SEX, CRIME UND ROYALTY Der Regisseur David Alden im Gespräch über seine Inszenierung von Gaetano Donizettis Oper «Anna Bolena»

David, in Anna Bolena befinden wir uns in der Welt der Tudors, die bis heute eine grosse Faszination auf das Publikum ausübt. Seien es Filme oder literarische Werke zu diesem Thema – jede neue Publikation kann mit einem ungebrochenen Publi­kums­interesse rechnen. Warum be­ kommen wir nie genug von diesen alten Geschichten? Das liegt sicher an dieser unwidersteh­lichen Mischung aus Sex, Crime und Royalty. Gerade so eine blutige Periode in der Geschichte der Tudors, wie sie in Anna Bolena beschrieben wird, ist natürlich besonders attraktiv und jagt uns immer wieder angenehme Schauer über den Rücken. Anne Boleyn wurde am 19. Mai 1536 enthauptet. Obwohl diese Ereignisse gut 500 Jahre zu­rückliegen, ist die Geschichte um dieses Königspaar immer noch von grosser Brisanz. Ich finde, dass man die Verbindung von Anne Boleyn und Henry VIII. durchaus mit jener von Meghan Markle und Prinz Harry vergleichen kann. Meghan hat ganz offensichtlich viel mit Harry vor und scheint ihn ähnlich zu dominieren wie Anna Bolena König Heinrich. Anne Boleyn war eine sehr kluge und geistreiche Frau, die eigene ehrgeizige Ziele mit Henry verfolgte. Schon allein die Tatsache, dass er sie überhaupt ge­heiratet hat! Sie hat das sehr geschickt eingefädelt und sich Henry erst in dem Moment wirklich hinge­geben, als er sie zur Frau nahm. Das erinnert mich ein wenig an Prinzessin Schehera­ zade aus Tausendundeiner Nacht, die den König mit ihren spannenden Geschichten so lange hinhielt, dass er sie am Leben liess und sie am Ende sogar heiratete. Das Blatt wendete sich dann für Anne Boleyn allerdings sehr bald, nachdem sie Henry keinen Thronfolger schenken konnte. Von dieser Idee

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war er gerade­­zu be­sessen. Da die Sicherung der Erbfolge mit Anne nicht zu erreichen war, musste er sie loswerden. Alles, was sie sich bis dahin so mühsam erarbeitet hatte, fiel in sich zusammen. Politisch war sie sehr aktiv gewesen, nachdem Henry mit dem Papst und der katho­lischen Kirche gebrochen hatte und die anglikanische Kirche gegründet wurde. Zuvor hatte sie bereits viel Energie darauf verwendet, Henrys erste Frau, Katharina von Aragon, loszu­ werden. Aber das alles war schliesslich umsonst. Mit Anna Bolena bringst du in Zürich nach Maria Stuarda die zweite Oper der drei Königinnen­dramen Gaetano Donizettis auf die Bühne. Welche Stellung hat Anna Bolena innerhalb dieser Trilogie? Anna Bolena ist historisch gesehen ja eigentlich der erste Teil der sogenann­ ten Tudor-Opern. Der rote Faden, der alle drei Opern miteinander verbindet, ist die Figur Königin Elizabeths I. In Anna Bolena ist sie noch ein kleines, zweijähriges Kind. In Maria Stuarda erleben wir sie auf dem Höhepunkt ihrer Macht, und in Roberto Devereux tritt uns die gealterte Königin entgegen. In unserer Inszenierung haben wir uns jetzt für ein etwas älteres Mädchen entschieden, auch um deutlich zu machen, wie schreck­lich es ist, was dieses Kind an Traumatischem alles erleben musste, vor allem die Ächtung und Hin­richtung der Mutter. Das erklärt vieles, was später den Charakter Eliza­ beths I. ausmachen sollte, besonders ihre ge­fähr­­li­che, brutale Seite. Zeit ihres Lebens blieb sie trotz des Drucks, der auf ihr lastete, unver­hei­ratet. Es gab wohl junge Männer in ihrem Leben, aber niemand wusste Ge­naueres über ihr Privatleben. Sie behielt die Fäden der Macht immer in ihren Händen und blieb eine rätselhafte Figur. Du sagst, dass die junge Elizabeth in deiner Inszenierung etwas älter ist. Wie sehr muss man sich als Regisseur in so einer Oper an die historischen Fakten halten? Opern müssen ja nicht wirklich Historie korrekt widerspiegeln, sie lassen sich vielmehr von der Geschichte inspirieren. Historisch gesehen, ist in der Geschich­te der Tudors bis heute vieles unklar. Da fehlen Dokumente, und es klaffen zu viele dunkle Löcher, um ein verlässliches Bild gewinnen zu können.

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Auch die besten Historiker auf diesem Gebiet landen immer an dem Punkt, wo vieles nur noch Spekulation bleibt. Eine italienische, romantische Oper aus der Mitte des 19. Jahrhunderts musste aber in erster Linie von Liebe und Intrige handeln. Es gibt z.B. viele wichtige historische Tatsachen, die über­ haupt nicht Eingang in die Oper gefunden haben. Das entscheidende Problem zwischen Anne Boleyn und Henry VIII. – eben, dass sie ihm keinen Sohn schenken konn­te – kommt in Donizettis Oper überhaupt nicht vor. Auch die ganze Ge­schichte mit der Reformation der Kirche – das ist nichts für eine romantische Oper. Aber gewalttätige Aspekte sind für sie interessant. Es gibt dieses be­rühmte Zitat von Donizetti, der zu einem Librettisten gesagt haben soll: «Gib mir Liebe! Gib mir viel Liebe! Gib mir Gewalt! Mach es leiden­ schaftlich, gefährlich, aber gib mir Liebe!» Genau darum geht es in diesem Stück.

Das komplette Programmbuch können Sie auf Was macht die Oper für dich als Regisseur interessant? Auch wenn die Oper Anna Bolena heisst, beschränkt Donizetti sein Interesse www.opernhaus.ch/shop nicht auf die Titelfigur. Alle sind spannende Charaktere in dieser Oper. Ich bin immer wieder fasziniert, was für ein fantastischer Theaterkomponist oder am Vorstellungsabend imKraftFoyer Donizetti ist. Bei ihm kann ich mich als Regisseur immer mit ganzer in die Szenen hineinwerfen. Man spürt jederzeit dieses Bemühen um starke, bühnenwirksame Worte. Es ist pures Drama. Donizetti ist innerhalb des des Opernhauses erwerben Drei­gestirns mit Bellini und Rossini sicher der grösste Dramatiker, wenn nicht der be­deutend­s­te Komponist. Rossini war als Architekt von Musik, Theater und Oper ein absolutes Genie. Aber vom dra­­ma­tischen und theatralischen Standpunkt aus gesehen, bin ich mir da nicht sicher.

An welchem Punkt ihres Lebensweges begegnen wir Anna Bolena in der Oper? Donizettis Librettist Felice Romani konzentriert sich in seinem Libretto zu Anna Bolena ganz auf die letzten Tage der Königin. Anne Boleyns Aufstieg zum Thron und das Schicksal ihrer Vorgängerin Katharina von Aragon liegen zu Beginn der Oper bereits Jahre zurück. Die Handlung setzt zu einem Zeit­punkt ein, zu dem sich Heinrich VIII. schon von Anne abgewandt hat

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und um deren Hofdame Jane Seymour wirbt. Die Vorgeschichte lässt sich aus Dia­logen und einigen Passagen des Chores entnehmen und wird, wie die eigent­liche Handlung auch, jeder politischen Dimension beraubt. Romani gestaltet auf Grundlage der historischen Fakten ein überaus stringentes, im privaten Konflikt zwischen Anne und Heinrich angesiedeltes Drama, das Dichtung und Wahrheit geschickt verbindet. Anna Bolena wird als Frau gezeigt, die ihre Jugendliebe durch die Heirat mit Heinrich gegen den Thron eintauscht und nun ein tristes Leben am Hofe führt. Im Zentrum der Oper steht für mich allerdings Heinrich VIII., die absolute Verkörperung eines rücksichtslosen Despoten. In welchem Verhältnis stehen bei Heinrich Staatsräson und sein persön­ Das komplette Programmbuch liches Glück als Herrscher? Wie er beides unter einen Hut bringt, ist eine spannende Frage. Man kann, können Sie auf denke ich, nicht sagen, dass er das eine kalkulieren muss und etwas anderes fühlt, sondern es ist im Grunde das Gleiche für ihn. Von Anfang an gibt www.opernhaus.ch/shop es diese dunkle, unheimliche Seite in ihm. Er ist zunächst noch hin- und her­ge­rissen zwischen den beiden Frauen. Er fühlt sich Anna noch in gewisser oder Vorstellungsabend im Foyer Weiseam verpflichtet, hat aber in Jane Seymour eine neue Frau gefunden, die ihm möglicherweise einen neuen Thronfolger schenkt. Er verliert sich mehr und mehr in dieser Obsession und wird schliesslich zum Mörder. des Opernhauses erwerben Heinrich macht im Laufe der Oper eine grosse Veränderung durch. Indem er sich entscheidet, Anna Bolena loszuwerden, wird er zum Monster. Das war er aber am Anfang seines Lebens noch nicht. Der Zufall spielt Enrico, wie er in der Oper heisst, zwei Trümpfe in die Hand, die er gegen Anna verwenden kann. Er überrascht die Königin in einer zweideutigen Situa­tion mit ihrer Jugendliebe Lord Percy und dem Musiker Smeton und lässt sie zusammen mit Annas Bruder Rochefort inhaftieren. Wie der historische Musiker Anne Boleyns gesteht Smeton fälsch­licher­weise, Ehebruch mit der Königin begangen zu haben, und liefert Heinrich damit einen ersten An­klagepunkt. Der zweite kommt aus Percys Mund, der dem König im Terzett des zweiten Aktes ins Gesicht schleudert, er sei Anna vor ihrer Heirat mit Enrico an­ge­traut worden. Damit ist Annas Schick­sal besiegelt, und trotz

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Giovanna Seymours Fürsprache wird sie zusammen mit Percy, Smeton und Rochefort zum Tode verurteilt. Mit Diana Damrau habe ich mich heute auch über Maria Stuarda unter­ ­halten, die wir vor drei Jahren hier in Zürich zusammen gemacht haben. Maria Stuart wird am Ende der Oper zwar hingerichtet, bleibt aber bis zuletzt eine starke Figur. Ganz anders Anna Bolena, die am Anfang in der Oper als wunderschöne, junge Königin gezeigt wird, am Schluss dann aber wahnsinnig wird und emotional gebrochen ist. Warum verlieben sich Anne und Jane ausgerechnet in einen Mann wie Henry? Es geht um Macht. Auf die Frage Henrys, was Jane von ihm möchte, sagt sie ganz offen: «Onore e fama!» – Ehre und Ruhm! Sie ist da sehr ehrlich. Es geht nicht um Liebe. In der legendären Aufführung an der Mailänder Scala mit Maria Callas hat man den Text in «Amore e fama» geändert, aber das ist natürlich falsch. Als König Henry Anne Boleyn zum ersten Mal traf, war sie noch mit Henry Percy verlobt. Henry VIII. war zu diesem Zeitpunkt bereits fast zwanzig Jahre mit Katharina von Aragon verheiratet, doch die Ehe bröckel­te. Anne wurde für Henry zu seinem neuen Ziel, seinem neuen Fokus. Percy wurde nach Frankreich ins Exil geschickt, es muss schrecklich für Anne gewesen sein. War es dann doch die Macht, die sie lockte? Gerade für Frauen war so eine Verbindung mit einem Mit­glied der königlichen Familie ja oft die einzige Möglichkeit, politischen Einfluss zu erlangen. Und man muss be­tonen, dass Henry als junger Mann durchaus attraktiv war. Er war leidenschaftlich, sehr athletisch gebaut, offenbar ein Bild von einem Mann! Frauen war es auch nicht erlaubt, sich dem König einfach zu verweigern und sich seinen Avancen zu entziehen! Als Anne jünger war und in Frankreich lebte, hatte Henry VIII. übrigens auch eine Liaison mit ihrer Schwester, und auch mit ihrer Mutter wird ihm eine Affäre nachgesagt. Anne Boleyn spielte das Spiel perfekt mit. Sie bekam, was sie wollte – doch zu welchem Preis! Bei Donizetti singt sie: «Ich wollte eine Krone und bekam eine Dornenkrone.» Jane Seymour schenkte Henry endlich den ersehnten Thronfolger, starb aber kurz nach der Niederkunft, und auch Edward VI. wurde nur 15 Jahre alt.

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Wie sehr gehst du als Regisseur auf das Potenzial deiner Sängerinnen und Sänger ein? Ich würde sagen zu 95 Prozent. Man kann zuhause alles planen, die Musik lernen, verschiedene Aufnahmen mit der Callas oder Leyla Gencer anhören, Geschichtsbücher studieren und eine bestimmte Vision des Stücks haben – doch wenn man dann auf die Probe kommt und die Sängerinnen und Sänger vor sich sieht, ist die Situation eine ganz andere, und es kommt etwas Neues hinzu. Das, was ich mir zuvor ange­eig­net habe, ist vielleicht noch in meinem Unterbewussten vorhanden. Gemeinsam kommen wir dann aber vielleicht zu ganz aufregenden Er­gebnissen, mit denen ich zuvor nie ge­rechnet hätte.

Das komplette Programmbuch Aufstieg und Fall von Anna und Giovanna sind bei Donizetti exakt spiegelbildlich konstruiert. Es gibt viele Gemeinsamkeiten zwischen den können Sie auf beiden, aber noch mehr Unterschiede. Wodurch unterscheiden sich die beiden Frauen? www.opernhaus.ch/shop Für Jane ist alles, was passiert, äusserst schmerzhaft. Im Grunde schämt sie sich, die Königin zu hintergehen, denn als Hofdame hat sie ja eine persönliche oder amzu Anna Vorstellungsabend Foyer Beziehung und fühlt sich schuldig. Im Duett des erstenim Aktes gibt sie Enrico zu verstehen, dass sie sich ihm nur als Ehefrau und Königin hin­zugeben bereit ist, zum anderen bangt sie um das Schicksal ihrer Herrin, der des Opernhauses erwerben gegen­über sie sich trotz der persönlichen Rivalität loyal zeigt. Mit Schrecken erkennt sie zu spät, welche Folgen ihr Handeln in dieser politischen Arena hat. Ich finde es aufregend, welche Facetten Karine Deshayes dieser Figur geben kann. Sie ist etwas reifer als die originale Jane Seymour und dadurch eine echte Konkurrenz für Anna. So wird noch deutlicher, dass auch sie Henry im Grunde dominiert. Gleichwohl ist Anna natürlich die viel aufregendere Figur. Sie ist eine Vollblutpolitikerin, eine Titanin. Anne Bo­leyn war einer der hellsten Köpfe ihrer Zeit. Anhand von Henrys Reaktionen sieht man ja sehr deutlich, wie ver­ schieden die beiden Frauen sind. Es gibt mehrere Situationen, in denen Henry beinahe vor Anna zu fliehen scheint…

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Anna überfordert Enrico wahrscheinlich mit ihrer Intelligenz und ihrer Macht, die sie sich inzwischen am Hof erarbeitet hat. Dass er sich ihr nicht ge­wach­ sen fühlt, zeigt sich besonders deutlich, wenn er sie als Hure beschimpft und sie beschuldigt, mit vielen Männern am Hof Kontakt zu haben. Historisch ist die Faktenlage da völlig ungesichert. In der Oper allerdings ist es sehr klar, dass Anna unschuldig ist und keine Chance im Prozess haben wird. Nicht nur Anna, sondern auch die drei männlichen Nebenrollen Percy, Smeton und Annas Bruder, Lord Rochefort, müssen mit ihrem Leben für ihre Beziehungen zu Anna be­zahlen. Was kann man über diese Cha­rak­tere sagen? Das sind drei sehr interessante Figuren, und es sind auch nicht wirklich Nebenrollen, sondern grosse anspruchsvolle Partien. Was Percy betrifft, so lässt ihn Henry ungefähr zehn Jahre nach seinem Verweis aus England zurückkommen, mit dem Ziel, Anna zu kompromittieren. Henry behauptet, Anna habe eine Affä­­re mit Percy, um sie so anklagen und loswerden zu können. Percy ist kein typischer Tenor der italienischen Roman­tik. Wenn wir ihn kennenlernen, ist er bereits ein gebrochener, verbitterter Mann – und gefährlich. Nach seiner Rückkehr aus Frankreich wirkt er fast wie eine tickende Zeitbombe. Irgendetwas wird passieren, das ist klar. Eine inter­es­sante, dunkle Figur, die viel Spannung in dieses Stück bringt. Am Ende, wenn er – zu Unrecht – hingerichtet wird, ist sein Tod geradezu eine Erlösung für ihn. Von Marc Smeaton, dem Hofmusiker, gibt es historische Dokumente, in denen er bezeugt, eine Affäre mit Anne Boleyn gehabt zu haben. Darin gesteht er, wie oft er mit ihr Sex hatte, wann und wo. Es gibt Stimmen, die behaupteten, dass er dies unter Folter ausgesagt habe. Als Musiker hatte er natürlich Zugang zu Annas privaten Gemächern, um sie und ihre Hofdamen zu unterhalten. Ein wunderbarer junger Mann, der zur falschen Zeit am falschen Ort war. Lord Rochefort schliesslich, der dem Drama einen weiteren wichtigen Stempel aufdrückt, war sehr eng mit seiner Schwester Anna verbunden. Das Gerücht einer inzestuösen Beziehung steht immer wieder im Raum. Wer weiss, ob das stimmt! Annes Familie stand na­türlich geschlossen hinter ihr und hatte durchaus ein eigenes Interesse daran, dass sie Königin

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wird. Ihr Vater und Lord Rochefort haben Anne Boleyn gleichsam wie eine Spielfigur behandelt. Vielleicht noch ein paar Worte zur Rolle des Chores. Während der erste Akt von den Männern dominiert wird, spielt der Damenchor im zweiten Akt eine entscheidende Rolle. Sie gehören zwar dem Gefolge Henrys an, doch scheinen sie ihm oft zu wider­sprechen. Sind sie eine Art innere Stimme Donizettis? Der Chor zeigt tatsächlich sehr oft offen sein Entsetzen über Henrys Ver­ halten. Die Höflinge beobachten, kommen­­tieren ständig, und immer auf eine nega­tive Art. Wenn Anna verurteilt wird, verlangt der Chor von Henry Gnade für sie. Es sei das Grösste, was ein König zeigen könne. Der Chor kon­ frontiert ihn mit seiner eigenen Moral und seiner Seelengrösse, aber Henry entgegnet sofort, dass nicht Gnade, sondern Gerechtigkeit das Grösste sei, was ein König besitze.

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop Für Bühnenbild und Kostüme zeichnet Gideon Davey verantwortlich. In welchem Ambiente wird eure Anna Bolena-Inszenierung spielen? oder am Vorstellungsabend im Foyer Die Basis unseres Bühnenbildes ist der grosse weisse Raum, den wir bereits bei Maria Stuarda hatten. In diesem Raum entwickelt sich die Welt Henrys, die des 40-50 Jahre früher anzusiedeln ist. Es ist eine dunkle, gefängnishafte und Opernhauses erwerben weniger prachtvolle Welt im Vergleich zur Welt Elizabeths I., die für ein fortschrittliches England stand, auch wenn es bei ihr immer noch eine sehr gefährliche Welt voller Intrigen war. Was die Kostüme angeht, so haben wir uns gegen historische Kostüme im engeren Sinne entschieden, denn die Dinge im britischen Königshaus ändern sich nicht wirklich, die Geschichte hätte auch in den 1940er-/1950er Jahre pas­sieren können. Die Kostüme sind eine fantasievolle Collage aus verschie­de­­nen Epochen der britischen Königs­ familie. Natürlich gibt es Referenzen an die His­torie, aber wir gehen damit sehr frei um. Deinen Stil hast du mal als eine eigen­artige Mischung von realistischen Vorgängen, Unterbewusstsein, Ironie, Sarkasmus und schwarzem

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Humor beschrieben. Bewährt sich dieses Rezept auch bei Anna Bolena? Bis zu einem gewissen Punkt, ja. Allerdings funktioniert hier der Aspekt des Humors nicht immer. Ich muss mich da selbst kontrollieren und sehr vor­sichtig sein. Wenn man zu ironisch wird, klingt die Musik plötzlich lächerlich und könnte zu einer Parodie von Offenbach oder Gilbert & Sullivan werden. Das darf nicht passieren. Man muss das tragische und spannungs­ geladene Element dieser Oper unbedingt heraus­arbeiten. In den Proben haben wir aber trotzdem grossen Spass und lachen viel. Das Gespräch führte Michael Küster

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DIE OHREN OFFEN HALTEN Der Dirigent Enrique Mazzola über seine Lesart von «Anna Bolena» im Gespräch mit Michael Küster

Enrique, du hast in den vergangenen Jahren viele Opern von Gaetano Donizetti dirigiert und giltst heute als einer der wenigen wirklichen Spezialisten für seine Musik. Woher kommt deine Begeisterung für den Komponisten aus Bergamo? Das Wort «Spezialist» gefällt mir, ehrlich gesagt, nicht so sehr, weil das schnell mit einer Schubladisierung einhergeht. Die Begeisterung für Donizetti stammt aus meinen Anfangsjahren als Dirigent. Damals kümmerte ich mich um das gesamte italienische Repertoire und war oft verwundert, wie wenig vorbereitet das Belcanto-Repertoire und namentlich die Opern von Donizetti zur Aufführung gelangten. Der Fokus der Orchester lag nicht auf diesem Repertoire, das denn auch ziemlich pauschal heruntergespielt wurde. Auch die Sängerinnen und Sänger legten eine gewisse Nachlässigkeit an den Tag, was Fragen des Tempos und des Legatos anging. Vor diesem Hintergrund wollte ich dem Belcanto-Repertoire mehr Gerechtigkeit und Qualität widerfahren lassen. Für mich hat Anna Bolena einen ebenso grossen Wert wie die Götter­ dämmerung. Mir war es wichtig, einen neuen Weg der Interpretation einzuschlagen, der nach dem Wert und der Berechtigung jeder einzelnen Note, jeder einzelnen Phrase fragt. Wo steht Anna Bolena im Gesamtwerk Donizettis? 1830, zum Zeitpunkt der Uraufführung von Anna Bolena, ist Donizetti noch nicht der erfolgsverwöhnte Belcanto-Komponist, der er wenige Jahre später sein wird. Das Mailänder Publikum hat ihn noch nicht sonderlich schätzen gelernt, zumal die meisten seiner Werke bis dahin in Neapel aufgeführt worden

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waren. Aber natürlich ist Donizetti alles andere als ein Berufsanfänger, immerhin ist Anna Bolena bereits seine 35. Oper. Mit ihr wurde er erstmals auch ausserhalb Italiens wahrgenommen, es war sein erster durchschlagender Erfolg. Im Teatro Carcano in Mailand, wo die Uraufführung stattfand, hatte man in der gleichen Spielzeit auch eine Oper von Donizettis grösstem Kon­ kurrenten, Vincenzo Bellini, programmiert: La sonnambula. In beiden Opern sangen mit Giuditta Pasta und Giovanni Battista Rubini zwei der grössten Gesangsstars der damaligen Zeit. Innerhalb weniger Monate hatte das Publikum den direkten Vergleich zwischen Bellini und Donizetti. Welche Unterschiede müssen den Zuhörenden von damals aufgefallen sein? Das Publikum kam damals in den Genuss zweier Belcanto-Handschriften. In den 1830er-Jahren war der Stil Bellinis etabliert. Er hatte Massstäbe dafür gesetzt, wie eine Belcanto-Oper auszusehen und zu klingen hatte. Bei Donizetti merkt man, dass er trotz des Ringens um einen eigenen, unver­ wechselbaren Ton noch unter dem Einfluss Bellinis und des späten Rossini steht. Wenn ich Anna Bolena dirigiere, dann gibt es vier, fünf Momente, wo ich ganz klar das Parfum Bellinis spüren kann. Die einleitende Sinfonia ist jedoch eine Hommage an den späten Rossini. Kein neuer Komponist in den 1830er Jahren kam ohne diese Referenz an Rossini aus, anders hätte er keinen Erfolg gehabt. Crescendi, Tempo, schnelle Artikulation in den Agitati-Passagen… das alles kommt von Rossini. Dem konnte man gar nicht entfliehen. Nach der Ouvertüre werden wir dann jedoch sofort in eine cineastische Szene hineinkatapultiert, die mitten im Gange ist. Donizettis Beitrag zur frühromantischen Oper ist die besondere Dramaturgie. Während der Fokus bei Bellini oft auf der Qualität einer Phrase, der Melan­ cholie eines Effekts liegt, geht Donizetti die Sache mit der Direktheit und Entschlossenheit des Norditalieners an. Er kommt aus Bergamo, wo das Klima oft von Nebel und Kälte bestimmt wird. Aber bei Sonne und klarem Wetter sieht man die Alpen. Bellini ist Südländer. Lebenslang atmet er in der Gegend von Catania den Duft von Orangenblüten und Melancholie. Das Publikum im Teatro Carcano dürfte von Donizetti überrascht gewesen sein. Er legt den Fokus auf die Dramaturgie, und das geht schon fast in Richtung Musiktheater.

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Was sagst du zu der These, in Anna Bolena habe Donizetti erstmals künstlerisch zu sich selbst gefunden? Ist das nicht zu plakativ? Immerhin hat er in Anna Bolena Entlehnungen aus insgesamt vier seiner Opern vorgenommen. «Al dolce guidami», das Cantabile der Schlussarie, ist zum Beispiel eine Entlehnung aus Donizettis zweiter Oper Enrico di Borgogna aus dem Jahr 1818… Ich betrachte das Schaffen eines Komponisten generell als eine Art «Work in progress». Donizettis frühe Opern waren nicht lediglich Vorstufen, um einen Meilenstein wie Anna Bolena zu schaffen. Auch wenn Anna Bolena ein Erfolg war, sehe ich sie doch noch als eine Oper des Übergangs und nicht als ein Werk, in dem sich ein völlig neuer Stil manifestieren würde. Maria Stuarda ist da doch um einiges kompakter und näher an dem, was Donizetti später komponieren wird. Dem Wettbewerb mit Bellini hat er sich aber offenbar ganz bewusst gestellt. Der ausgefeilten Artikulation der Rezitative schenkt er grösste Aufmerksamkeit. Er wusste, dass Bellini der ungekrönte Meister darin war. Später wird Donizetti das Tempo in den Rezitativen deutlich anziehen, weil er mehr persönliche Freiheit und Selbstbewusstsein gewonnen hat. Beim Hören der Oper bemerkt man, wie geschickt Donizetti gerade in den Rezitativen die Spannung am Kochen hält. Auffällig ist, wie ge­ wissen­­haft er am Text entlang komponiert. Es geht nicht um grosse Ar­ chitektonik, sondern er folgt dem Text in seine kleinsten Verästelungen. Das stimmt! Die Rezitative leben von Tempowechseln und ihrer abwechs­ lungsreichen Dynamik. Da gibt es plötzliche Fortissimi oder Momente, wo er plötzlich «presto» für eine Phrase vorschreibt. Wenn man in den Genuss des echten Donizetti-Geschmacks kommen will, sollte man diese Rezitative nicht streichen. Sie sind ein unverzichtbarer Bestandteil dieses grossen dramaturgischen Rahmens, den Donizetti für Anna Bolena konstruiert hat. Eine besondere Spezialität in Anna Bolena sind die Duette und Ensemble­­ szenen. Vor allem das Duett zwischen Anna Bolena und ihrer Hofdame und Rivalin Giovanna Seymour ist hier herauszuheben.

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Es ist der Vorläufer des grossen Duetts Elisabetta – Maria aus Maria Stuarda. Im Dezember 1830 war ein Duett als Ausdruck der Machtspiele zweier Frauen etwas völlig Neues. Dieses Duett wird zum Austragungsort ihrer Auseinandersetzungen. Donizetti gibt den beiden Frauen übrigens kaum Gelegenheit, gleichzeitig zu singen. Etwa 90 Prozent dieses Duetts alternieren ihre Stimmen, erst am Ende des Duetts singen sie zusammen. Auch hier hält Donizetti so die Spannung aufrecht. Eine Reaktion löst die nächste aus. Wir erleben Hass und Komplizenschaft, Kampf und Vergebung. An ein Duett in perfekter Harmonie, wie etwa die Barcarole von Offenbach, dürfen wir dabei nicht denken. Donizetti hatte ganz anderes im Sinn. Wenn er auch im grösseren Kontext eines Quintetts oder Sextetts mehrere Stimmen zusammen­ spannt, heisst das nicht notwendigerweise, dass diese Stimmen auch zu­ sammen singen.

Das komplette Programmbuch können Sie auf Die Zeitgenossen berauschten sich vor allem an der knapp 25-minütigen Finalszene Anna Bolenas. Bei klarem Bewusstsein spricht Anna Giovanna www.opernhaus.ch/shop und Enrico ihre Vergebung aus. Was ist das Besondere an dieser oft als Wahnsinnsszene bezeichneten Nummer? oder am Vorstellungsabend imSzeneFoyer Mit dem Wahnsinn ist das so eine Sache. Der Begriff beschreibt diese nicht richtig, weil wir es hier im Grunde mit einem Wechsel der Bewusst­ seinslagen zwischen Erkenntnis der Realitäterwerben und der in Phantasien abdesAnnasOpernhauses schweifenden Erinnerung an gelebtes Leben zu tun haben. Es ist eigentlich ein ganz klarer Moment für sie. In der frühromantischen italienischen Oper sind diese sogenannten Wahnsinnsszenen der Punkt, an dem die Frauen Kontrollverlust erleben und an die Grenzen der Realität gelangen. Aber es ist für Komponisten wie Bellini und Donizetti auch der richtige Ort, eine lange, ausdrucksstarke Szene und damit den einen grossen Showmoment für die Diva zu kreieren. Es war die ideale Gelegenheit, Stimmkunst und Aus­ drucksspektrum einer Sängerin ins beste Licht zu rücken. Donizetti wird bald eine besondere Meisterschaft darin entwickeln, denken wir nur an die entsprechenden Szenen in Maria Stuarda und Lucia di Lammermoor. Wer in die Abgründe einer verlorenen Seele schauen möchte, muss die Finalszene aus Anna Bolena hören.

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In unserer Neuinszenierung debütieren Diana Damrau und Karine Des­hayes als Anna Bolena und Giovanna Seymour. Das bedeutet eine grosse Verantwortung für dich als Dirigenten. Welche Ratschläge gibst du den beiden Sängerinnen? Unser Verhältnis wird von grossem gegenseitigen Respekt und sehr viel Vertrauen ineinander bestimmt. Diana und Karine wissen, dass ich nach dem richtigen Weg suche, um ihre Stimmen auf die bestmögliche Weise zum Glänzen zu bringen, so wie Donizetti das auch mit seinen Sängerinnen gemacht hat. Sie geben mir den Respekt für meine Lesart der Oper. Die ist einzig und allein Donizettis Manuskript verpflichtet und löst sich daher von den Hör­ gewohnheiten alter Aufnahmen und tra­dierten Interpretationen. Wenn man diese frühromantischen Werke heute aufführen willen, sollte man den Mut aufbringen, die Partituren unvorein­genommen zu betrachten und jede einzel­ ne Note als eine Botschaft zu sehen, die der Komponist an uns sendet.

Das komplette Programmbuch können Sie auf Inwiefern wird sich deine Donizetti-Lesart von früheren Interpretationen www.opernhaus.ch/shop unterscheiden? Ich verehre meine musikalischen Ziehväter und weiss, was ich ihnen verdanke. oder amwieVorstellungsabend im Foyer Ein Dirigent Gianandrea Gavazzeni hat Anna Bolena nach dem Zweiten Weltkrieg für das Repertoire zurückerobert, als er sie 1957 gemeinsam mit des dem Regisseur Luchino Visconti und Maria Callas in der Titelrolle auf die Opernhauses erwerben Bühne der Mailänder Scala brachte. Aber diese Dirigentengeneration hatte ihre wesentlichen Prägungen vom späten Verismo und vom Expressionismus erhalten. In bester Absicht hat man deshalb ganze Szenen gestrichten und ist recht willkürlich mit dem Tempo einiger Arien umgegangen, um sie für die Sänger passend zu machen. Dem Publikum von heute sollten wir enthüllen, was wirklich in Donizettis Manuskripten steht. Unsere Anna Bolena-Edition ist in Zusammenarbeit mit der Fondazione Donizetti di Bergamo entstanden und räumt mit einigen Irrtümern auf. Sie enthält viele Informa­tio­nen zur Phrasierung, der richtigen Dynamik und zur Tempogestaltung. Wo man früher «Allegro» spielte, ist oft «Moderato» notiert, und auch der umge­­kehrte Fall tritt gelegentlich auf. Das Publikum unserer Anna Bolena wird also einige Überraschungen erleben. Es lohnt sich, die Ohren offen zu halten.

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REFORMER WIDER WILLEN Heinrich VIII. gilt bis heute als der schillerndste aller englischen Monarchen. Der Tudor-König hat sein Land verändert wie kein anderer – getrieben von seiner Leidenschaft Konstantin von Hammerstein

Später, als der König alt war und in seinem Palast auf einer eigens für ihn an­ gefertigten Karre von Zimmer zu Zimmer geschoben werden musste, die Bei­ ne bedeckt von stinkenden Geschwüren, der Körper durch unmässiges Fressen widernatürlich aufgebläht zu einer gewaltigen, arthritischen Masse, die kalten Schweinsäuglein unter dünnen Brauen heimtückisch blinzelnd; später also, als der König, impotent, ein böses, altes Wrack, von Fieber und Schmerz geschüt­ telt, dem Tod in die Augen sah, da erinnerte nichts mehr an jenen schönen, jungen Prinzen, der sich vier Jahrzehnte zuvor, im April 1509, unter dem un­ geheuren Jubel seiner Untertanen als Heinrich VIII. zum König von England hatte krönen lassen. «Seine Majestät ist der hübscheste Herrscher, den ich jemals gesehen habe», schwärmte der venezianische Botschafter über den jungen Monarchen, «sein Teint ist hell und hübsch, sein rotbraunes Haar straff gekämmt und kurz geschnitten nach französischer Art; er hat ein rundes Gesicht, das so schön ist, dass es einer hübschen Frau wohl anstehen würde.» Bei seiner Thronbesteigung war er nicht einmal 18, der Spross der noch jungen Tudor-Dynastie, aber die Menschen hatten das Gefühl, mit ihm werde endlich ein «Goldenes Zeitalter» anbrechen. Unter den Steuereintreibern seines Vaters, dem geldgierigen und geizigen Heinrich VII., hatten sie gestöhnt. Und so ging ein kollektives Aufatmen durchs Land, als der Alte nach längerer Krank­ heit schliesslich in seinem Palast starb.

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Die Hoffnungen richteten sich nun auf den Sohn, der schon als Befreier seines Volkes von der Unterdrückung gefeiert wurde. Alle Erwartungen, Träume und Sehnsüchte verdichteten sich in dem jungen König. «Die Himmel lächeln, die Erde jubelt, alles träuft von Milch, Honig, Nektar!», jubelte Lord Mountjoy, Heinrichs Tutor in Jugendjahren. Und war er nicht auch ein stattliches Mannsbild? Ein breitschultriger Rie­ se, dem das Testosteron aus jeder Falte seines edlen Wamses drang. Der bei ritterlichen Turnieren im Sattel genauso gewandt war wie auf dem Tanzboden oder dem Tennisplatz. Der an seinen Fingern dicke Ringe trug, während von seinem langen Hals, dessen Schönheit allgemein gerühmt wurde, ein gewaltiger Diamant von der Grösse einer Walnuss baumelte. Dieser Heinrich strahlte eine unbändige Energie aus, er nahm die Men­ schen ein mit seinem robusten Charme: ein freundlicher Knuff in die Rippen, ein beherztes Schulterklopfen, ein angedeuteter Schlag in die Magengrube, ein vertrauliches In-den-Arm-Nehmen. Je nachdem, wie die Laune gerade ausfiel, konnte das vieles bedeuten: eine überraschende Beförderung oder die bevor­ stehende Verhaftung. Heinrichs Stimmung änderte sich so schnell wie der Him­ mel über London. Plötzlich, von einer Minute zur nächsten, konnte sie sich verdüstern, quälend lang manchmal, und wehe, man begegnete dem König, wenn sich seine üble Laune in grollendem Donner entlud. Heinrich, der Superstar. Er hatte eigens ein Orchester angeheuert, das ihn auf seinen Reisen begleitete. Dann gab er gern seine eigenen Lieder zum Besten, ein junger Singer-Songwriter der Renaissance. Dass er auch politisch den Ton angeben wollte, machte er schon in den ersten Tagen klar. Die beiden verhass­ testen Minister seines Vaters liess er in den Tower von London werfen, anklagen und später enthaupten. Ein übliches Karriereende für einflussreiche Höflinge. Dann begann Heinrich das Geld, das die beiden im Auftrag des Vaters den Menschen abgepresst hatten, mit vollen Händen auszugeben. Mit grossem Pomp feierte er seine Hochzeit mit der fünf Jahre älteren Katharina von Aragon, einer Tochter des spanischen Königs. Die streng katho­ lische Prinzessin war noch von Heinrichs Vater auserkoren worden, den Stamm­ baum der Tudor-Parvenüs dynastisch zu veredeln, doch auf dem Projekt lag kein Segen.

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Katharina heiratete zunächst Heinrichs älteren Bruder Arthur, der ursprünglich den Thron besteigen sollte. Der starb aber bereits nach wenigen Monaten Ehe, eine familiäre und diplomatische Katastrophe. Der alternde König, auch er in­ zwischen Witwer, trug sich eine Zeit lang mit dem Gedanken, nun selbst als Gatte einzuspringen, am Ende aber überliess er die Spanierin seinem zweiten Sohn Heinrich. Doch da ihr Vater die Mitgift schuldig blieb, wurde die Hoch­ zeit vom König immer wieder verschoben. Geld war dem Alten mindestens so wichtig, wie sich mit der spanischen Monarchie zu verbünden. Erst sein Tod machte den Weg frei für die Ehe. Der Mensch neigt dazu, den letzten Eindruck als den bleibenden zu neh­ men, und so ist Katharina von Aragon der Nachwelt als verbitterte, frömmeln­ de Matrone in Erinnerung geblieben, die sie am Ende wohl auch war. Dabei zeigen zeitgenössische Porträts die spanische Prinzessin zum Zeitpunkt ihrer Hochzeit mit Heinrich VIII. als zarte, hoffnungsvolle Schönheit. Dass der jun­ ge Ehemann seinem Schwiegervater versicherte, wie verliebt er in seine Frau sei, mag noch nicht als hinreichender Beleg für eine glückliche Ehe gelten. Dass die Königin sechsmal von ihm schwanger wurde, zeigt jedenfalls, dass die Ver­ bindung fruchtbar war. Den jugendlichen König dürstete es nach ritterlichem Ruhm. Ein über­ sichtlicher, kleiner Krieg gegen Frankreich schien das probate Mittel dafür zu sein. Zumal er auch seinem Schwiegervater Ferdinand von Spanien in den Kram passte. Der wollte sich bei dieser Gelegenheit das Königreich Navarra unter den Nagel reissen. 1512 sollte der gemeinsame Angriff starten, doch dann wartete die engli­ sche Flotte vergebens auf die spanische Armee. Eine Erfahrung, die Heinrich noch häufiger machen sollte. Ein Jahr später der nächste Versuch: Englische Truppen fielen in die Picardie ein, etliche Städtchen wurden dem Erdboden gleichgemacht, und Heinrich hatte einen Riesenspass, als die stolze französische Kavallerie in der famosen «Sporenschlacht» panisch die Flucht ergriff. Der König liess sich für die militärisch eher bedeutungslosen Scharmützel in Frankreich gebührend feiern, dabei hatte seine Frau Katharina, die als Regen­ tin mit allen Vollmachten in der Heimat geblieben war, den politisch wichtige­ ren Sieg über Schottland errungen.

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Heinrichs Schwager Jakob IV., König von Schottland und Ehemann seiner Schwester Margaret, hatte die englische Expedition über den Kanal genutzt, um in Englands Norden einzufallen. Es war keine gute Idee. Jakobs Soldaten wurden von einer deutlich kleineren englischen Armee in Flodden vernichtend geschlagen. Mehr als 10’000 Schotten blieben tot auf dem Schlachtfeld zurück, darunter die Blüte des schottischen Adels und auch der König selbst. Während sich Heinrich im Schlachtenruhm sonnte, zog im Hintergrund ein Mann die Fäden, der sich mit eisernem Willen und rücksichtsloser Härte von ganz unten nach ganz oben gekämpft hatte. Thomas Wolsey war der Sohn eines Metzgers, und seine Feinde vergassen nie, darauf hinzuweisen. Der promo­ vierte Theologe sammelte Ämter wie andere Menschen Münzen. Er wollte Macht, und er wollte Reichtum. Als königlicher Kaplan wurde er in den Kronrat berufen, der Papst ernannte ihn zum Kardinal, später zum Legaten, der König machte ihn zum Lordkanzler, und das waren nur die wichtigsten seiner Ämter. Wolsey war ein Maschinist der Macht, ähnlich wie der Strippenzieher Frank Underwood in der US-Fernsehserie House of Cards, der das Parlament mani­ puliert, immer einen lukrativen Posten im Angebot hat, korrumpiert, droht, schmeichelt und, wenn es sein muss, den Gegner vernichtet. Er war, wie der britische Historiker Simon Schama schreibt, ein politischer Psychologe mit Kar­ dinalshut, der spürte, was die Menschen antrieb: ihre Ängste und ihre Eitelkeit. Und so wie er in seinem sagenumwobenen Palast in Hampton Court die eigene Macht und seinen unermesslichen Reichtum als «Prinz der Kirche» in Szene setzte, so inszenierte Wolsey auch die Macht und Autorität seines könig­ lichen Herrn in bislang unbekannter Weise. Im Sommer 1520 lieferte er sein Meisterwerk ab. In die Geschichte ein­ gegangen ist dieses obszöne Hochamt monarchischer Eitelkeit als Treffen auf dem «Güldenen Feld» in Frankreich. Der Anlass war ein hochpolitischer: Hein­ rich und der junge französische König Franz I. wollten dem neuen Habsburger Kaiser demonstrieren, dass sie notfalls gegen ihn zusammenstehen würden, denn Karl V. dominierte mit seinem gewaltigen Reich, das vom Balkan bis nach Spa­ nien reichte, ganz Europa. Wolsey schaffte die gesamte englische Elite über den Kanal nach Frankreich, über 5’000 Grafen, Bischöfe, Lords, Höflinge mitsamt Pferden und Hausrat.

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Ein gewaltiger provisorischer Palast aus Holz und Stoff wurde errichtet. Die Räume, mit Goldbrokat ausgekleidet, waren zum Teil grösser als die Zimmer in Heinrichs Residenzen in England. Auf dem Vorplatz sprudelte aus zwei Zierbrunnen roter Wein. Vier Wochen lang verprassten die beiden Könige Millionen; zehn Jahre brauchten allein die Franzosen, um ihren Part an diesem dekadenten Gipfel­ treffen abzuzahlen. Man tafelte, man trank, man sang, man stellte sich dem ritterlichen Zweikampf beim Turnier, und am Ende forderte Heinrich den jun­ gen Kollegen aus Paris bei einem Besuch in dessen prächtigem Pavillon zum Ringkampf auf. Es gelang ihm, einige Punkte zu machen, doch dann warf ihn der Franzose auf den Rücken. Kein Wunder, dass die beiden wenig später wie­ der Krieg gegeneinander führten. Gut möglich, dass Heinrich in diesen Tagen zum ersten Mal jener Frau begegnete, die später nicht nur Wolseys politisches Kartenhaus zum Einsturz bringen sollte, sondern, wenn auch unbeabsichtigt, die Macht des Papstes über die englischen Katholiken brechen würde. Auf jeden Fall war die junge Engländerin aus feinem Hause anwesend auf dem «Güldenen Feld», als Hofdame der französischen Königin. Ob Heinrich schon damals ein Auge auf sie geworfen hat, auf Anne Boleyn, jenes dunkelhaarige Mädchen mit der auffälligen Nase, wissen wir nicht. Über­ liefert ist allerdings, dass seine Liebe zu Katharina in diesen Jahren bereits er­ kaltet war. Ihr erster Sohn Henry starb kurz nach der Geburt, 1516 kam das Mädchen Mary auf die Welt, und der König konnte seine Enttäuschung, dass der ersehnte männliche Thronfolger ausblieb, nur mühsam verbergen. Als seine Geliebte Elizabeth Blount einen Sohn zur Welt brachte, legalisierte ihn der König zum Entsetzen Katharinas und ernannte ihn zum Grafen von Richmond. Heinrich begann eine Affäre mit Mary Boleyn. Dass Annes Schwester ver­ heiratet war, konnte für einen König kein ernsthaftes Hindernis sein. Wenig später wurde ein Sohn geboren, Henry. Im königlichen Palast sorgte das für auf­geregtes Tuscheln. Schnell hatte aber auch Mary ihren Reiz verloren, und Heinrich verliebte sich in ihre Schwester, die damals 19-jährige Anne. Niemand, der sie kannte, hielt das junge Mädchen für eine ausgesprochene Schönheit, doch auf Männer wirkte sie offenbar ungewöhnlich anziehend. Dass sie an einer Hand angeblich

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sechs Finger hatte, scheint sie nicht weniger verführerisch gemacht zu haben. Vielleicht lag es auch daran, dass sie sich dem König zunächst verweigerte. Sie hatte bei ihrer Schwester erlebt, was es bedeutete, königliche Geliebte zu sein. So sollte es ihr nicht ergehen. Für Heinrich, den leidenschaftlichen Jäger, er­ höhte das nur ihren Reiz. Im Sommer 1526 tanzte er mit ihr in Anwesenheit Katharinas. Sie war 20 Jahre jünger als die Königin, lustig statt fromm, geist­ reich, auf französische Weise neckisch, versprach sexuellen Lustgewinn und er­öffnete die Hoffnung auf den ersehnten männlichen Erben. Das vor allem. Heinrichs Leidenschaft steigerte sich zur Raserei. Er hasste es, Briefe zu schreiben. Doch im vatikanischen Archiv fanden sich später 17 Liebesbriefe, die er mit krakeliger Schrift meist in Französisch an die noch Unerreichbare ge­ schrieben hatte. Da flehte er sie an, ihn doch endlich zu erhören, «da ich seit einem Jahr vom Pfeil der Liebe verwundet bin und nicht weiss, ob ich scheitern oder einen Platz in Eurem Herzen und Eurer Liebe finden werde». Der König war inzwischen davon überzeugt, dass er einen Fluch auf sich geladen hatte, als er die Witwe seines Bruders heiratete. Hiess es nicht in der Bibel im 3. Buch Mose: «Wenn jemand die Frau seines Bruders nimmt, so ist das ist eine abscheuliche Tat. Sie sollen ohne Kinder sein, denn er hat damit seinen Bruder geschändet.» Dass seine Ehe mit Katharina alles andere als kin­ derlos geblieben war, überging er mit monarchischer Nonchalance. Heinrich wollte die Scheidung, und er war sich sicher, dass sein getreuer Wolsey die Sache schon regeln würde. Nur der Papst musste zustimmen. Ein paar gepflegte Drohungen, ein ordentlicher Batzen Gold, und der Heilige Va­ ter hätte die unbedingte Notwendigkeit einer Scheidung wohl eingesehen. Trug nicht Heinrich wegen seines Kampfes gegen die ketzerischen Thesen Martin Luthers voller Stolz den päpstlichen Titel «Verteidiger des Glaubens»? Doch der Papst war nicht mehr Herr im eigenen Hause. Kaiser Karl V., der Neffe Katharinas, hatte Rom geplündert und hielt das Oberhaupt der katho­ lischen Kirche in der Engelsburg gefangen. Was auch immer er selbst von der englischen Angelegenheit gehalten haben mag, ein Urteil zugunsten Heinrichs hätte den Kaiser tödlich verärgert. So spielte er auf Zeit, und Wolsey dämmerte, dass er scheitern könnte.

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1529 war dieser mächtigste aller Strippenzieher erledigt. Der Scheidungspro­ zess, den er angestrengt hatte, war ihm entglitten. Katharina hatte ihre Verzweif­ lung im Gerichtssaal öffentlich gemacht. Versteinert musste Heinrich zusehen, wie seine Frau ihm zu Füssen fiel und tränenüberströmt die Geheimnisse ihres Schlafzimmers ausbreitete. Nie war die Königin populärer, während Anne Bo­ leyn bis ans Ende ihres nur noch kurzen Lebens auf den Strassen und in den Tavernen als «glotzäugige Hure» beschimpft wurde. Der König kochte vor Wut. Wolsey wurde angeklagt, begnadigt, enteignet, wieder angeklagt, verhaftet und starb wenig später, als er nach London in den Tower geschafft werden sollte. Im Religionsstreit hatte ohnehin längst ein neuer mächtiger Minister die Strippen gezogen: Thomas Cromwell. Der gelernte Kaufmann und Anwalt sorg­ te nicht nur für die Unterstellung nun aller Lebensbereiche unter die königliche Autorität, er baute, als Architekt der Politik Heinrichs, auch Verwaltung und Finanzwesen um. Heinrichs Problem aber war nicht gelöst. Irgendwann im Jahre 1530 soll ausgerechnet Anne ihm den Weg aufgezeigt haben. Sie gab ihm ein verbotenes Buch des englischen Reformators und Bibelgelehrten William Tyndale, der nach Deutschland geflohen war und der ketzerische These vertrat, ein christlicher Fürst müsse an der Spitze von beidem stehen: Kirche und Staat. Und er dürfe sich der illegitimen Macht, die sich der «Bischof von Rom» anmasse, nicht beugen. Das war die Lösung. Heinrich würde faktisch sein eigener Papst sein und sich als Oberhaupt der englischen Kirche selbst die Scheidung genehmigen, selbstverständlich mit Zustimmung des Klerus und des englischen Parlaments. Damit war das Problem auf einer völlig neuen Ebene angelangt. Nun ging es nicht mehr um die dynastischen und persönlichen Schwierigkeiten eines einzel­ nen Monarchen, jetzt war es eine Sache der grossen Politik und der Nation. Und so geschah es. Nicht geradlinig, denn das passiert selten in der Ge­ schichte, sondern auf Umwegen. Mal ging es zurück, dann zur Seite, aber was als Verirrung eines verliebten Königs begann, endete schliesslich mit einer Re­ volution. 1534 sagte sich England endgültig von der Römischen Kirche los, und ausgerechnet Heinrich, der die Thesen Luthers doch so vehement abgelehnt hatte, wurde nun ungewollt zum Wegbereiter der englischen Reformation.

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Die Revolution hatte einen hohen Preis. Denn der Widerstand gegen die De­ krete des Königs war gross. Heinrich reagierte mit brutaler Entschlossenheit. Wer sich ihm entgegenstellte oder auch nur den Eindruck erweckte, wurde aus dem Weg geräumt, angeklagt, gefoltert, verbrannt, gevierteilt, geköpft. Um die 70’000 der damals nur zwei Millionen Engländer und Waliser sollen der Rache des Königs zum Opfer gefallen sein. Stimmt die Zahl, hätte sich Heinrich VIII. einen Platz in der Galerie der grossen Schlächter der Weltgeschichte erobert. Unter seinen Opfern war auch der Philosoph und Staatsmann Thomas Morus, hingerichtet im Juli 1535. Der Rest ist schnell erzählt. Heinrich heiratete Anne und liess sie – hoch­ schwanger – zur Königin krönen. Doch auch sie brachte ein Mädchen zur Welt, die später als Elizabeth I. den englischen Thron besteigen sollte. Bald entfrem­ deten sich die beiden, und nach einer Fehlgeburt war auch diese Ehe am Ende. Anne wurde des mehrfachen Ehebruchs angeklagt und wenig später zusammen mit ihren angeblichen Liebhabern, zu denen auch ihr Bruder zählen sollte, hingerichtet. Zwei Wochen später heiratete Heinrich Ehefrau Nummer drei, Jane Sey­ mour. Sie immerhin wurde die Mutter eines Sohnes, des späteren Eduard VI., doch dann starb sie noch im Kindbett. Die anschliessende Brautsuche überall in Europa gestaltete sich schwierig. So lehnte die junge Christine von Mailand, die Tochter des dänischen Königs, nach längeren Verhandlungen eine Ehe mit Heinrich ab. Sie verfüge bedauerlicherweise nur über einen Kopf, den sie gern behalten wollte, spottete sie. Hätte sie zwei, stünde einer aber gern dem Tudor zur Verfügung. Heinrich heiratete die deutsche Herzogin Anna von Kleve, die er bei nä­ herem Hinsehen jedoch so hässlich fand, dass die Ehe schnell annulliert wurde. Königin Nummer fünf, die junge und etwas alberne Katherine Howard, wurde mit einem Liebhaber erwischt, angeklagt – und enthauptet. Blieb noch Königin Nummer sechs, Katherine Parr. Auch sie wäre um ein Haar des Hochverrats angeklagt worden. Doch sie hatte Glück. Am 28. Januar 1547 starb der König. Im 56. Lebens­jahr, böse, krank, aufgeschwemmt und übellaunig. Und wieder ging ein kollek­tiv­es Aufatmen durchs Land, so wie damals, als 38 Jahre zuvor der Tod seines Vaters verkündet wurde.

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ANNE BOLEYN Zeittafel

1501 Geburt Anne Boleyns, wahrscheinlich in Hever Castle oder Blickling Hall (Norfolk)

1522 Kriegsausbruch zwischen England und Frankreich; Anne Boleyn kehrt zurück nach England, um Katharina von Aragon zu dienen; es ist ihr Debüt am englischen Hof 1523 Anne wird untersagt, Henry Percy zu heiraten; sie wird vom Hof verbannt.

1509 Thronbesteigung Heinrichs VIII. Heirat und Krönung von Katharina von Aragon und Heinrich VIII. 1513 Anne Boleyn wird nach Burgund geschickt, um Margarethe von Österreich, der Regentin der Niederlande, als Ehrenjungfer zu dienen.

1525 Heinrich VIII. wirbt um Anne Boleyn.

1514 Heirat der Schwester Heinrichs VIII., Maria Tudor, mit Ludwig XII. von Frankreich

1527 Heinrich VIII. stellt die Rechtmässigkeit seiner Ehe mit Katharina von Aragon in Frage und bittet den Papst um Annullierung Heinrich VIII. beschliesst, Anne zu heiraten.

1515 Tod Ludwig XII., Franz I. besteigt den Thron von Frankreich. Anne trifft am französischen Hof ein, um Maria Tudor zu dienen. Anne wechselt in den Haushalt von Königin Claudia, der Gemahlin von Franz I.

1531 Katharina von Aragon wird vom Hof verbannt. 1532 Anne Boleyn wird die Mätresse Heinrichs VIII.

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1533 25. Januar: Heinrich VIII. heiratet heimlich Anne Boleyn. 1. Juni: Krönung von Anne Boleyn 7. September: Geburt von Prinzessin Elisabeth, der Tochter von Heinrich VIII. und Anne Boleyn

1535 Anne erleidet eine zweite Totgeburt. 1536 7. Januar: Tod Katharinas von Aragon 29. Januar: Anne erleidet die Fehlgeburt eines Sohnes. 2. Mai: Anne wird verhaftet und im Tower von London festgehalten. 15. Mai: Anne wird wegen Verrats zum Tode verurteilt. 17. Mai: Annes Heirat mit Heinrich VIII. wird aufgelöst 19. Mai: Anne wird im Tower von London enthauptet. 21. Mai: Heinrich VIII. heiratet Jane Seymour.

1534 Der Papst widersetzt sich der Ehescheidung von Heinrich VIII. und Katharina von Aragon. Das Parlament verabschiedet die Suprematsakte, die Heinrich VIII. die Oberhoheit über die Kirche von England überträgt, und das Thronfolgegesetz, das die Kinder von Königin Anne zu rechtmässigen Erben des Königs erklärt. Anne erleidet eine Totgeburt.

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GESCHRIEBEN VON DER HAND, DIE EUER SEIN MÖCHTE Die Liebesbriefe Heinrichs VIII. an Anne Boleyn

Die Liebesgeschichte von Anne Boleyn und Heinrich VIII. gehört zu den be­ kanntesten und spektakulärsten aus dem reichen Fundus der britischen Royals. Wegen Anne liess sich der König von seiner ersten Frau scheiden und vollzog in einem langwierigen Prozess den Bruch mit Rom. Anne war sieben Jahre lang die Geliebte des Königs, doch schon knapp zwei Jahre nach der Legitimierung ihrer Beziehung wurde sie im Tower zu London hingerichtet, weil sich der König mittlerweile ihrer Hofdame Jane Seymour zugewandt hatte. Diese Rah­ menbedingungen zogen weite politische Kreise, brachten Heinrich den Ruf eines blaublütigen Blaubarts ein und verdeckten oftmals den Blick auf die glü­ hende Zuneigung zwischen Anne und Heinrich – eine Liebe, die bedingungs­ los mit allen Konventionen brach und persönliche Gefühle über die Staatsraison stellte. Aus den Jahren 1527-1528 sind siebzehn Briefe Heinrichs an Anne Boleyn überliefert, die Zeugnis von der Leidenschaft des Königs ablegen, den Monarch als liebenden Privatmenschen zeigen und eine ungewohnt menschliche, mitunter verletzliche Seite des als Tyrannen verrufenen Herrschers zu Tage treten lassen. Schon im 16. Jahrhundert gelangten diese Briefe auf unbekanntem Wege in die Bibliothek des Vatikans – vermutlich sind sie der Empfängerin von persön­ lichen oder politischen Gegnern entwendet worden, um als belastendes Beweis­ material in Heinrichs Scheidungsprozess zu fungieren. Immerhin ist es diesem Umstand zu verdanken, dass die Briefe der Nachwelt überhaupt überliefert wurden. Von Annes Antwortschreiben ist hingegen keines erhalten geblieben. Etwa hundert Jahre lang lagen Heinrichs Liebesbriefe unbeachtet in den Archi­ ven des Vatikans, bis ein englischer Kirchenhistoriker 1655 dann zu berichten

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weiss, dass die Briefe vor allem für englische Besucher des Vatikans als besonde­re Attraktion gehandelt werden: schliesslich boten sie einen unverstellten Einblick in eine der Amouren Heinrichs VIII. Eine Anfang des 18. Jahrhunderts geplante Erstausgabe der Briefe schei­ terte später zunächst daran, dass der Herausgeber Gilbert Burnet nach Einsicht der Transkriptionen befand, der Inhalt der Briefe sei in einigen Punkten nicht «very decent». Mussten Heinrichs Liebesbriefe weiterhin dazu herhalten, die Sensationslust englischer Besucher im Vatikan zu befriedigen, so befand man sie 150 Jahre nach dem Tod ihres Autors dem offiziellen Bild von Heinrich VIII. noch nicht für würdig. Dennoch wurden sie 1714 bei dem Verleger Churchill in London erstmals gedruckt, und der Herausgeber unterliess es nicht, sich bei den Lesern für einige «unanständige Ausdrücke» zu entschuldigen. Weitere achtzig Jahre vergingen, bis die Briefe dann in den Besitz Napoleons gelangten: Nach seinem siegreichen Italienfeldzug forderte er von Papst Pius VI. die Übergabe der Manuskripte – sollte er sich, selbst kein Kostverächter, bei sei­ ­nen Briefen an Joséphine Beauharnais, von der er sich später nach nur fünf Jahren Ehe scheiden lassen sollte, vom Vorbild Heinrich VIII. inspiriert gefühlt haben? Nach Napoleons Sturz kehrten Heinrichs Liebesbriefe 1815 in den Vatikan zurück und warteten bis 1949 auf eine moderne Ausgabe. Da die Massenme­ dien mittlerweile die Sensationslust des Bürgertums mit Geschichten aus dem Privatleben zeitgenössischer Dynastien zu befriedigen wusste, verlagerte sich das Interesse an Heinrichs Briefen grundsätzlich: Linguisten erkannten ihren Wert als sprach-historische Dokumente, deren privater Ton sich grundsätzlich von der Sprache politischer Schreiben und literarischer Schriften unterscheidet und einen Einblick in das «Alltagsenglisch» des 16. Jahrhunderts gewährt. Doch Heinrichs Briefe an Anne Boleyn sind «nicht nur Dokumente frühneuenglischer Sprache, sondern Belege menschlichen Fühlens und Verhaltens», wie Theo Stemmler im Vorwort zu seiner 1988 erschienenen deutschen Ausgabe betont. An ihnen lässt sich das Verhältnis des Königs zu seiner Geliebten in den entschei­ denden zwei Jahren, in denen Heinrich die Annullierung seiner ersten Ehe vorantrieb und schliesslich den Bruch mit Rom vollzog, verfolgen. Sie spiegeln Heinrichs Sehnsucht nach Anne und die zunehmende Intimität der beiden Liebenden wider, geben aber auch Auskunft über das tagespolitische Geschehen.

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Erste Anzeichen für eine Romanze zwischen Heinrich VIII. und Anne Boleyn reichen in das Jahr 1526 zurück, als der König mit einem enigmatischen Motto in ein Turnier bei Hofe zog: «Déclarer je n’ose», und auf seinem Wams ein ge­ sticktes brennendes Herz trug. Anne, die in ihrer Jugend am französischen Hofe eine ausgezeichnete Erziehung genossen hatte und in England durch ihre mu­ sische Begabung, ihre höfische Gewandtheit und ihre Sprachkenntnisse auf sich aufmerksam machte, war zu diesem Zeitpunkt eine der Hofdamen der Königin, Heinrichs erster Frau Katharina von Aragon. Der König hatte bis dato eine Affäre mit Annes Schwester Mary unterhalten, die 1519 Heinrichs frühere Mai­ tresse Bessie Blount, die Mutter seines unehelichen Sohnes Henry Fitzroy («fils du roi»!) abgelöst hatte. Möglicherweise forcierte der ehrgeizige Vater Annes und Marys, der von Heinrich 1525 in den Adelsstand erhobene Thomas Boleyn, das Interesse des Königs an seiner jüngeren Tochter: Mary war bereits verhei­ ratet und konnte Heinrich daher keinen legitimen Thronfolger schenken. Dass Heinrichs Beziehung zu Katharina von Aragon nach der letzten Fehlgeburt der Königin im Jahre 1518 am Zerbrechen war, war hinlänglich bekannt und die Wahrscheinlichkeit, dass Heinrich sich bereits nach einer anderen Frau umsah, gross. Anne, allen Anscheins nach ebenso ehrgeizig wie ihr Vater, schien als Kandidatin ideal: In der Blüte ihrer Jugend, unverheiratet und in der Kunst der höfischen Tändelei wohl bewandert, wusste sie, mit oder ohne Hilfe ihres Vaters, den König auf sich und ihre Vorzüge aufmerksam zu machen. Dass sie einen Teil des Jahres nicht bei Hofe, sondern auf Hever Castle, dem väterlichen Sitz in Kent, verbrachte, passte zudem gut in die Taktik Annes, die mit Heinrich ein erotisches Katz-und-Maus-Spiel spielte. Aus dieser Zeit stammen die ersten Briefe Heinrichs VIII. an Anne, die in höfischer Tradition auf französisch verfasst sind. Heinrich bedient sich einer Reihe zum Teil noch aus dem Minnesang abgeleiteter Konventionen, um der Dame seines Herzens seine Aufwartung zu machen. Der König von England schlüpft der Geliebten gegenüber in die Rolle eines «Dieners» und zeigt sich ab­hängig von der Willkür seiner «Herrin»: Obwohl Anne versprochen hat, ihm aus Kent zu schreiben, wartet Heinrich vergeblich auf einen Liebesbeweis. Er selbst schickt mit einem seiner Schreiben einen eindeutig zweideutigen: Dass sich Anne beim Genuss des Fleisches an Heinrich erinnert fühlen soll, ist zweifel­

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los eine sexuelle Metapher. Und indem sich Heinrich als «Jäger» bezeichnet, gibt er einen weiteren Hinweis auf das Ziel seiner Bemühungen: Obwohl Ihr, meine Geliebte, nicht geruht, Euch an das Versprechen zu erinnern, dass Ihr mir bei unserer letzten Zusammenkunft gabt – nämlich mir gute Nach­ richt von Euch zu übermitteln und auf meinen letzten Brief zu antworten – ge­ ziemt es nach meiner Ansicht dennoch einem wirklichen Diener, sich nach dem Befinden seiner Geliebten zu erkundigen, wenn er auf andere Weise nichts in Erfahrung bringen kann. Um mich der Aufgabe eines wirklichen Dieners zu entledigen, sende ich Euch diesen Brief und bitte Euch, mich über Euer Wohlergehen zu informieren, das – so bete ich zu Gott – ebenso lang andauern möge wie das meine. Und damit Ihr mich noch öfter ins Gedächtnis ruft, schicke ich Euch durch diesen Boten einen Rehbock, den ich gestern Abend sehr spät eigenhändig erlegt habe; ich hoffe, dass er, wenn Ihr von ihm esst, Euch an den Jäger erinnern wird. Und so beende ich aus Mangel an Platz meinen Brief. Geschrieben von der Hand Eures Dieners, der sich oft Euch anstelle Eures Bruders hier wünscht. Henry Rex Anne hat nun ihr Versprechen offensichtlich eingelöst und dem König geschrie­ ben. Allerdings lag es wohl in ihrer Absicht, Öl in Heinrichs entflammtes Herz zu giessen, denn der König wurde durch das Antwortschreiben noch unsicherer. Ein weiterer Brief Heinrichs aus demselben Jahr lässt vermuten, dass Anne dem königlichen Verehrer gegenüber eine Hinhaltetaktik an den Tag legte, möglicher­ weise sogar eine Position als Maitresse des verheirateten Königs zurückwies – wer Anne als egozentrische Karrieristin sieht, mag dies als Druckmittel interpre­ tieren. Jedenfalls bittet der König, Anne möge ihm mitteilen, ob sie einer gemeinsamen Liebe reelle Chancen einräumt. Gleichzeitig macht Heinrich ihr ein deutliches Versprechen, wenn er ihr in Aussicht stellt, allen anderen Frauen seine Aufmerksamkeit zu entziehen. Sollte Anne zu diesem Zeitpunkt schon mit dem Thron geliebäugelt haben, dürfte sie das bereits als Hinweis auf Heinrichs Trennung von Katharina gedeutet haben:

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Mein Nachdenken über den Inhalt Eures Briefes hat mir grosse Pein verursacht, da ich nicht weiss, wie ich ihn deuten soll: zu meinem Nachteil, wie Ihr dies an einigen Stellen beabsichtigt – oder zu meinem Vorteil, wie ich einige andere ver­ stehe. Ich bitte Euch von ganzem Herzen, mir ausdrücklich mitzuteilen, welche Meinung Ihr von unserer beiden Liebe habt. Denn ich muss unbedingt eine solche Antwort erhalten, da ich vor mehr als einem Jahr vom Pfeil der Liebe getroffen wur­de und nicht weiss, ob ich gescheitert bin oder Platz in Eurem Herzen und Eure feste Zuneigung gefunden habe. Der letztere Punkt hindert mich seit einiger Zeit daran, Euch meine Gelieb­ te zu nennen. Denn wenn Ihr mich nicht anders als in üblicher Weise liebt, ist dieses Wort für Euch nicht angebracht, da es etwas Einmaliges bezeichnet, das weit vom Üblichen entfernt ist. Doch wenn Ihr geruht, den Platz einer wahren, treuen Geliebten und Freundin einzunehmen und Euch mit Leib und Seele dem zu schen­ ken, der Euer treuer Diener war und sein will (sofern Ihr es mir nicht streng ver­ bietet), dann verspreche ich Euch, dass Euch nicht nur diese Bezeichnung zusteht, sondern ich Euch als meine einzige Geliebte nehme, alle anderen, die um Euch sind, aus meinen Gedanken und meiner Zuneigung verbanne und nur dienen werde. Ich bitte Euch, mir auf diesen unbeholfenen Brief ausführlich zu antworten und mir zu sagen, was – und wieviel – ich erwarten kann. Und wenn Ihr mir Eure Antwort nicht in einem Brief geben wollt, bezeichnet mir einen Ort, wo ich sie aus Eurem Munde hören kann – ich werde mich frohen Herzens dort einfinden. Nicht mehr – aus Furcht, Euch zu verärgern. Geschrieben von der Hand dessen, der gerne der Eure bleiben möchte – Henry Rex Obwohl auch dieser Brief mit rhetorischen Konventionen gespickt ist (der «Lie­ bes­­­pfeil», der Heinrich getroffen hat, oder der Ausdruck «mit Leib und Seele», der wieder einmal mehr andeutet, dass Heinrich es auch auf Annes Körper ab­ ge­­sehen hatte), entschuldigt sich der König für seine «unbeholfene» Feder. Da Heinrich VIII. eine starke Abneigung gegen Lesen und Schreiben hatte und seine offizielle Korrespondenz ausschliesslich von Sekretären schreiben liess, ge­hören die von eigener Hand verfassten Briefe an Anne dennoch zu seinen

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deutlichsten Liebesbeweisen. Diesmal zeigte sich Anne dem König allen An­ scheins nach geneigter. Schon die intime Anrede seines nächstes Briefes unter­ scheidet ihn von den vorangegangenen, und der Ton des Schreibens lässt vermu­ ten, dass Anne und Heinrich nun bereits ein «Paar» waren. Dass Heinrich seine Briefe nun nicht mehr im höfischen Französisch, sondern in seiner Mutter­ sprache schreibt, ist ein weiteres Indiz für seine zunehmende Vertrautheit mit Anne. Als Liebesgabe sendet Heinrich diesmal ein Medaillon mit seinem Bildnis. Darüber, wie das begleiten­de Motto wohl gelautet haben mag, dürfen Ver­liebte spekulieren. Die «astrono­mi­­sche» Liebeserklärung an Anne zeigt den König schliesslich auf der Höhe seiner rhetorischen Künste: Meine Geliebte und Freundin, ich und mein Herz – wir geben uns in Eure Hände und bitten Euch, uns Eu­rer Gnade zu empfehlen, und für uns nicht weniger Zuneigung wegen Eurer Abwe­ senheit aufzubringen. Denn es wäre sehr schade, wenn unser Schmerz noch ver­ mehrt würde. Eure Abwesenheit bereitet uns davon genug, ja mehr, als ich je ge­ dacht hätte – was uns an den Satz der Astronomie erinnert, nämlich: Je länger die Tage sind, desto entfernter die Sonne – und desto heisser strahlt sie. So ist es auch mit unserer Liebe: Durch Eure Abwesenheit sind wir getrennt, und dennoch behält jene ihre Glut – zumindest auf meiner Seite; von Euch kann ich nur das Gleiche hoffen. Ich versichere Euch, dass mir der Verdruss über unsere Trennung schon zu gross ist. Und der Gedanke, er könne sich durch das, was ich erdulden muss, noch verstärken, ist mir fast unerträglich, hätte ich nicht die Hoffnung auf Eure unverbrüchliche Zuneigung zu mir. Um Euch ab und zu daran zu erinnern, und da ich nicht persönlich bei Euch sein kann, sende ich Euch ein Geschenk, das jenem soweit wie möglich nahekommt: ein Armband mit meinem Bild und dem Motto, dass Ihr bereits kennt. Ich wünschte, ich wäre an dessen Stelle, wenn Ihr es gestatten würdet. Von der Hand Eures treuen Dieners und Freundes – Henry Rex

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Im Sommer Jahres 1528 brach in England eine Grippe-Epidemie aus, die als «sweating sickness» auch am Hofe des Königs kursierte und zahlreiche Menschen­ leben forderte. Als Heinrich VIII. davon erfuhr, dass Anne unwohl war, musste er daher von dem Schlimmsten ausgehen. Der König zögerte nicht, ihr einen Arzt zu schicken, und er trüge sogar gerne einen Teil (aber auch nicht mehr) von Annes Schmerzen, wenn er ihr dadurch zusätzlich Linderung verschaffen könnte. In seinen notorisch nüchtern-offiziellen Namenszug flicht der verliebte König diesmal spielerisch die Initialen Annas ein: In der Nacht haben mich plötzlich die unangenehmsten Nachrichten erreicht, die man mir bringen konnte, und die ich aus drei Gründen beklagen muss. Erstens, da ich von der Erkrankung meiner über alles in der Welt Geschätzten erfahre, deren Gesundheit ich mir wie meine eigene wünsche; gerne würde ich die Hälfte Eurer Krankheit ertragen, wenn Ihr dadurch geheilt würdet. Zweitens, wegen meiner Befürchtung, noch länger von meiner Feindin, der Abwesenheit, bedrängt zu werden, die mir bisher soviel Ärger wie möglich bereitet hat und – wenn ich recht sehe – entschlossen ist, noch Schlimmeres zu tun. Ich bitte Gott, dass er mich von dieser hartnäckigen Rebellin befreien möge. Drittens, weil der Arzt, dem ich am meisten vertraue, zur Zeit abwesend ist – jetzt, da er mir den grössten Gefallen erweisen könnte, nämlich mir mit seiner Hilfe und seinen Mittel eine der grössten Freuden der Welt zu verschaffen, das heisst: meine Geliebte zu heilen. Da er uns fehlt, schicke ich euch nichtsdestoweniger den allein noch übrigen, den zweiten, und bitte Gott, dass er Euch bald wieder gesund macht: Ich werde ihm dann wohlgesonnener sein als je zuvor. Auch bitte ich Euch, seine Ratschläge, die Eure Krankheit betreffen, zu befolgen. Wenn Ihr dies tut, bin ich zuversichtlich, Euch bald wiederzusehen – und das wäre für mich ein besseres Heilmittel als alle Edelsteine der Welt. Geschrieben von dem Sekretär, der Euer treuer und zuverlässiger Diener ist und immer sein wird – Henry AB Rex

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Nach ihrer Genesung verbrachte Anne im Spätsommer einige Zeit mit dem König. Die Verhandlungen mit Rom waren mittlerweile in vollem Gange, Hein­ richs Absicht, seine Ehe mit Katharina annullieren zu lassen, kein Geheimnis mehr. Während Heinrich auf die Ankunft des päpstlichen Legates wartete, der von Papst Clemens VII. zu Gesprächen nach London gesandt worden war, ver­trieb sich der König die Zeit damit, selbst ein Buch über die Ehedispens zu schreiben: «A Glasse of the Truth» («Ein Spiegel der Wahrheit»), das nach der Durchsetzung seiner Interessen 1532 in London anonym herausgegeben wurde. Der Fleiss des Königs war möglicherweise auch ein Mittel, seine Sehnsucht nach Anne, die mitt­lerweile wieder in Hever Castle weilte, zu verdrängen: Mein einziger Liebling, dieser Brief soll Euch von der Einsamkeit künden, in der ich mich seit Eurer Ab­ reise befinde. Denn ich versichere Euch, mir kommt die Zeit seit Eurer kürzlichen Abreise länger vor als früher eine Spanne von zwei Wochen. Ich glaube, Eure Zunei­gung und meine Liebesglut sind der Grund dafür. Denn sonst könnte ich es nicht für möglich halten, dass Eure Abwesenheit mich nach so kurzer Zeit derart betrübt. Doch nun, da ich Euch bald besuchen werde, fühle ich mich bereits halb von meinem Schmerz befreit. Auch bin ich recht zufrieden, dass mein Buch wesentliche Fortschritte macht. An ihm habe ich heute mehr als vier Stunden gearbeitet, so dass ich gezwungen bin, Euch dieses Mal einen kürzeren Brief zu schreiben, zumal ich unter leichten Kopfschmerzen leide. Ich wünsche mich (am liebsten eines Abends) in den Armen meines Schatzes, dessen hübsche Brüste ich bald zu küssen hoffen. Von der Hand dessen geschrieben, der nach seinem Willen der Eure war, ist und sein wird – Henry Rex Der von Heinrich und Anna sehnlich erwartete päpstliche Gesandte Kardi­nal Campeggio war am 14. September 1528 in Paris eingetroffen, wo ihn bereits ein Brief erwartete, in dem er von Papst Clemens VII. aufgefordert wurde, alles in seiner Macht stehende zu tun, um Heinrich mit Katharina zu versöhnen. Ein Gichtanfall verschob die Weiterreise des Kardinals, der erst am 9. Oktober in

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London ankam. Der König wurde durch die Verzögerung der Verhandlungen ungeduldig, und auch Anne scheint die Nerven verloren zu haben: Schliesslich wurden in London zunehmend Stimmen laut, die behaupteten, Kaiser Karl V., ein Neffe der Königin, beeinflusse die Entscheidungen des Papstes. Im seinem letzten Brief an Anne mahnt der König die Geliebte zur Geduld, tröstet sie mit der Aussicht auf ihr neues Heim in Greenwich und versucht, sie von seiner ei­ ge­nen Zuversicht in der Scheidungsangelegenheit zu überzeugen: Um Euch mitzuteilen, welche Freude es mir bereitet zu hören, dass Ihr Eurer Ver­ nunft folgt und mit deren Zügel Eure unnützen und fruchtlosen Gedanken und Fantasien bändigt, versichere ich Euch, alle Güter dieser Welt könnten mich nicht für das Wissen darum aufwiegen. Bleibt daher so, mein Liebling – nicht nur in dieser Angelegenheit, sondern in all Euren weiteren Unternehmungen. Denn da­ raus ergibt sich für Euch und mich die grösste innere Ruhe, die man sich auf dieser Welt vorstellen kann. Der Grund, warum der Bote sich so verspätet hat, ist die Mühe, die ich auf die Ausstattung Eures Hauses verwandt habe, das ich hoffentlich bald von Euch bewohnt sehe – was mich für all meine Mühe und Arbeit entschädigen wird. Die nicht vorgetäuschte Krankheit dieses wohlmeinenden päpstlichen Gesandten verzögert etwas seinen Besuch bei Euch. Ich bin jedoch sicher, dass er – sobald Gott ihm die Gesundheit wiedergeschenkt hat – seine Verspätung durch Eifer aus­ gleichen wird. Denn ich weiss genau, dass er das Gerede und Gerücht, er sei auf der Seite des Kaisers, bedauert und gesagt hat, jeder solle zur Kenntnis nehmen, dass er in dieser Angelegenheit kein Kaiserlicher sei. Und so sage ich Euch, Liebling, aus Zeitmangel Lebewohl. Geschrieben von der Hand, die – ebenso wie mein Herz – Euer sein möchte Henry Rex Ein gutes halbes Jahr sollte vergehen, bis die Verhandlungen über die Ehedis­ pens in London aufgenommen und schon nach wenigen Tagen abgebrochen wurden – und weitere vier, bis der König die inzwischen schwangere Anne heim­ lich heiratete. Bis dahin war es der König leid geworden, seine Beziehung zu

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Anne zu verheimlichen: Sie befand sich nun ständig an seiner Seite, und das Schrei­ben von Briefen erübrigte sich. Zweieinhalb Jahre war Anne Königin von England. Nachdem sie Heinrich 1533 eine Tochter, die spätere Elisabeth I., geschenkt hatte, erlitt sie eine Reihe von Fehlgeburten. Heinrich, der sich nichts mehr wünschte als einen männli­ chen Nachfolger, wurde Anne überdrüssig und wandte sich ihrer Hofdame Jane Seymour zu, mit der er sich einen Tag nach Annes Hinrichtung am 19. Mai 1536 verlobte. Der einzig erhaltene Brief des Königs an seine neue Geliebte zeigt, wie sich die Geschichte wiederholt: Teuerste Freundin und Geliebte, der Überbringer dieser wenigen Zeilen von Eurem Euch völlig ergebenen Diener wird in Eure schönen Hände ein Zeichen meiner echten Zuneigung legen; ich hoffe, dass Ihr es für immer aus aufrichtiger Liebe zu mir bewahrt... In der Hoff­ nung, Euch bald in meine Arme schliessen zu können, beende ich meinen Brief. Euer einziger Euch liebender Diener und Herrscher –

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ICH BIN GEKOMMEN, UM ZU STERBEN Anne Boleyns Rede zum Volk, gehalten am 19. Mai 1536 im Londoner Tower, unmittelbar vor ihrer Hinrichtung

Ihr guten Christen Ich bin nicht hierher gekommen, um eine Predigt zu halten, ich bin gekommen, um zu sterben. Denn gemäss des Rechts und durch das Recht bin ich zum Tode verurteilt worden, und deshalb möchte ich nichts dagegen erwidern. Ich bin nicht gekommen, um jemanden anzuklagen, noch, um darüber zu sprechen, wessen ich selbst angeklagt worden bin oder warum ich zum Tode verurteilt wurde; ich will statt dessen Gott bitten, den König zu schützen und ihn lange über Euch re­gie­ren zu lassen. Denn es gab nie einen gütigeren und gnädigeren Fürsten als ihn, und er war mir stets ein guter, sanfter und königlicher Herr. Und wenn sich irgend je­mand meiner Sache annehmen sollte, so fordere ich ihn auf, aufs Beste zu urteilen. Und so verabschiede ich mich von der Welt und von Euch allen und bitte Euch herzlich, für mich zu beten. Oh Herr, sei mir gnädig; Gott empfehle ich meine Seele.

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ANNA BOLENA GAETANO DONIZETTI (1797-1848) Lyrische Tragödie in zwei Akten Libretto von Felice Romani nach dem Drama «Henri VIII» von Marie-Joseph de Chénier

Personen

Enrico VIII, König von England Bass Anna Bolena, seine Gemahlin Sopran Giovanna Seymour, Hofdame Annas Mezzosopran Lord Rochefort, Annas Bruder Bass Lord Riccardo Percy Tenor Smeton, Page und Musiker der Königin Alt Sir Hervey, Offizier des Königs Tenor Höflinge und Hofdamen, Offiziere, Lords, Jäger, Soldaten Die Handlung spielt 1536 in England: der erste Akt in Windsor, der zweite in London.


SINFONIA

ATTO PRIMO

SCENA PRIMA

OUVERTÜRE

ERSTER AKT

ERSTE SZENE

Sala nel Castello di Windsor negli appartamenti della Regina. Il luogo è illuminato. Vanno e vengono da ogni parte numerose persone; chi passeggiando discorre; chi si trattiene sedendo, ecc., ecc..

Ein Saal in den Gemächern der Königin auf Schloss Windsor. Der Raum ist erleuchtet. Von allen Seiten kommen und gehen zahlreiche Personen. Die einen gehen diskutierend auf und ab, andere unter­ halten sich sitzend.

INTRODUZIONE

EINLEITUNG

CORO DI CAVALIERI sempre sotto voce

CHOR DER HOFLEUTE leise flüsternd

I.

Né venne il Re? II.

Silenzio. Ancor non venne. I.

Ed ella? II.

Ne geme in cor, ma simula. TUTTI

Tramonta omai sua stella. D’Enrico il cor volubile arde d’un altro amor. Fors’è serbata, ahi misera! Ad onta e duol maggior.

SCENA SECONDA

I.

Ist der König nicht gekommen? II.

Still. Er ist noch nicht gekommen. I.

Und sie? II.

Sie leidet im Herzen, doch sie verstellt sich. ALLE

Ihr Stern ist im Untergehen. Enricos unbeständiges Herz ist für eine andere entbrannt. Vielleicht sind der Ärmsten, ach, noch grössere Schmach und Schmerz beschieden.

ZWEITE SZENE

Giovanna, e detti.

Giovanna, die Vorigen.

SORTITA

AUFTRITTSARIE

GIOVANNA

Ella di me, sollecita Più dell’usato, ha chiesto. Ella… perché?… qual palpito! Qual dubbio in me si è desto! Innanzi alla mia vittima Perde ogni ardire il cor. Sorda al rimorso rendimi, O in me ti estingui, amor.

GIOVANNA

Dringlicher als sonst hat sie nach mir gerufen. Sie… warum?… Was für ein Beben! Welcher Zweifel ist in mir erwacht! Vor meinem Opfer ist die ganze Kühnheit des Herzens dahin. Mach mich taub für die Gewissensqual oder erlösche in mir, Liebe.


SCENA TERZA

DRITTE SZENE

Anna comparisce dal fondo seguitata dalle sue Dame, da Paggi, e da Scudieri. Tutti le dan luogo, e rispettosamente le fanno corona. Smeton è nel corteggio. Silenzio.

Anna kommt aus dem Hintergrund, gefolgt von ihren Damen, von Pagen und Knappen. Alle machen ihr Platz und umringen sie ehrfurchtsvoll. Smeton befindet sich im Gefolge. Schweigen.

SCENA E ROMANZA

SZENE UND ROMANZE

ANNA

ANNA

Sì taciturna e mesta Mai non vidi assemblea… a Giovanna Tu stessa un tempo Lieta cotanto, richiamar non sai Sul tuo labbro un sorriso!

Nie sah ich Euch so schweigsam und betrübt versammelt… zu Giovanna Selbst du, einst so fröhlich, vermagst kein Lächeln auf deine Lippen zurückzurufen!

GIOVANNA

GIOVANNA

E chi potria Seren mostrarsi, quando afflitta ei vede La sua Regina?

Wer könnte sich heiter zeigen, wenn er seine Königin betrübt sieht?

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben ANNA

ANNA

Afflitta, è ver, son io… Né so perché… Smania inquïeta, ignota, A me la pace da più giorni invola.

Ich bin betrübt, das ist wahr… und ich weiss nicht warum… Eine unbekannte, ängstliche Sorge raubt mir seit Tagen die Ruhe.

SMETON

SMETON

(Misera!)

(Unglückliche!)

GIOVANNA

GIOVANNA

(Io tremo ad ogni sua parola.)

(Ich zittere bei jedem ihrer Worte.)

ANNA

ANNA

Smeton dov’è?

Wo ist Smeton?

SMETON

SMETON

Regina!

Königin!

ANNA

ANNA

A me t’appressa. Non vuoi tu per poco De’ tuoi concenti rallegrar mia Corte, Finché sia giunto il Re?

Komm zu mir. Willst du nicht ein wenig meinen Hof mit deinen Klängen erfreuen, bis der König kommt?

GIOVANNA

GIOVANNA

(Mio cor, respira.)

(Mein Herz atmet auf.)

ANNA

ANNA

Loco, o Ledi, prendete.

Setzt euch, meine Damen.

SMETON

SMETON

(Oh amor, m’inspira.)

(O Liebe, inspiriere mich.)


Programmheft ANNA BOLENA

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben Lyrische Tragödie in zwei Akten von Geatano Donizetti

Libretto von Felice Romani nach dem Drama «Henri VIII» von Marie-Joseph de Chénier Premiere am 5. Dezember 2021, Spielzeit 2021/22

Herausgeber

Intendant

Opernhaus Zürich

Andreas Homoki

Zusammenstellung, Redaktion Michael Küster

Layout, Grafische Gestaltung Carole Bolli, Giorgia Tschanz

Anzeigenverkauf Opernhaus Zürich, Marketing

Telefon 044 268 66 33, inserate@opernhaus.ch

Schriftkonzept und Logo

Druck

Textnachweise: Die Interviews mit David Alden und Enrique Mazzola führte Michael Küster für dieses Programmheft. Ausserdem schrieb er die Inhaltsangabe. – Konstantin von Hammerstein: Reformer wider Willen. In: Bettina Musall u.a. (Hrsg.): Englands Krone. Die britische Monarchie im Wandel der Zeit. München, 2015. Der Essay ist erstmals in der Reihe «Spiegel Geschichte» im Heft «Britanniens Krone. Von den Angelsachsen bis zu Königin Elisabeth II.» erschienen (Heft 4/2014). Abdruckgenehmigung mit freundlicher Genehmigung des Spiegel-Verlages. – Zeittafel Anne Boleyn. Nach: Alison Weir: Anne Boleyn. Die Mutter der Königin. Berlin, 2020. – Theo Stemmler: Die Liebesbriefe Heinrichs VIII. an Anne

Studio Geissbühler

Fineprint AG

Boleyn. Zürich, 1988. – Anne Boleyn: Rede zu ihrer Hinrichtung. Zitiert nach Edward Hall: The Union of the two Noble and Illustre Famelies of York and Lancaster, 1548. In: Programmheft «Anna Bolena» der Bayerischen Staatsoper. München, 1995. Bildnachweise: T + T Fotografie, Toni Suter fotografierte die Klavierhauptprobe am 25. November 2021. Urheber, die nicht erreicht werden konnten, werden zwecks nach­träglicher Rechtsabgeltung um Nach­richt gebeten.


Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie den Beiträgen der Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Zug und Aargau im Rahmen der interkantonalen Kulturlastenvereinbarung und den Kantonen Nidwalden und Obwalden. PARTNER

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