DON GIOVANNI
WOLFGANG AMADEUS MOZART (1756–1791)
Son amore
tutto amore
Peter Mattei, Marina Rebeka Spielzeit 2O12/13HANDLUNG
1. Akt
Don Giovanni ist in das Haus des Komturs eingedrungen, und versucht, Donna Anna in ihrem Schlafzimmer zu verführen. Sein Diener Leporello hält Wache. Donna Anna ruft um Hilfe, Don Giovanni tötet ihren Vater.
Donna Anna zwingt ihren Verlobten Don Ottavio, Rache für den Mord zu schwören.
Don Giovanni versucht sein Glück bei einer schönen Unbekannten, die sich als nur zu bekannt herausstellt: Es ist Donna Elvira, die er in Burgos verführte, und die ihm nachgereist ist. Leporello präsentiert ihr den Katalog von Don Giovannis Liebeseroberungen.
Zerlina und Masetto feiern den Vorabend ihrer Hochzeit. Don Giovanni findet Gefallen an dem Bauernmädchen. Um ihren Bräutigam auszuschalten, schickt er Leporello mit den Bauern auf sein Schloss. Er erreicht bei Zerlina aber vorläufig nicht sein Ziel, weil Donna Elvira dazwischenkommt.
Donna Anna will Don Giovanni um Hilfe bei der Aufklärung des Mordes bitten, aber Donna Elvira unterbricht das Gespräch und warnt vor dem Verführer. Don Giovanni entkommt der heiklen Situation, aber er hat sich verraten: Donna Anna hat den Mörder ihres Vaters erkannt. Don Ottavio will erst weitere Beweise suchen, bevor er gegen Don Giovanni aktiv wird.
Don Giovanni ordnet ein grosses Fest an, in dessen Trubel er die Verführung Zerlinas zu Ende bringen will.
Das Fest beginnt und drei maskierte Gäste treffen ein: Donna Anna, Donna Elvira und Don Ottavio, die eine Gelegenheit suchen, Don Giovanni zu über
führen. Der geht ihnen von selbst ins Netz, indem er Zerlina in ein Nebenzimmer lockt, um dort zum Ziel zu kommen. Als sie um Hilfe schreit, versucht Giovanni vergeblich, Leporello die Schuld zuzuschieben. Don Ottavio legt mit der Pistole auf den Mörder an, kann sich aber nicht zum Abdrücken entschliessen.
2. Akt
Don Giovanni interessiert sich nun für Donna Elviras Zofe. Um das Mädchen über seinen Stand zu täuschen, tauscht er mit Leporello die Kleidung.
Donna Elvira wird aus dem Haus gelockt, indem ihr der verkleidete Leporello einen reuigen Don Giovanni vorspielt. Sie verschwinden im Dunkel der Nacht.
Don Giovanni singt der Zofe ein Ständchen, aber nicht sie taucht auf, sondern Masetto, der nach dem Verführer seiner Braut sucht. Die Begegnung mit dem vermeintlichen Leporello hat für ihn üble Folgen. Zerlina findet den verwundeten Bräutigam, macht ihm Vorwürfe wegen seiner Eifersucht und tröstet ihn auf ihre Weise.
Leporello hat sich mit Donna Elvira in eine dunkle Vorhalle geflüchtet. Gerade will er sich davonmachen, als Donna Anna und Ottavio, etwas später auch Zerlina und Masetto hinzukommen. Sie meinen, Don Giovanni in ihrer Gewalt zu haben, und wollen ihn töten. Im letzten Moment gibt sich Leporello zu erkennen und entwischt.
Jetzt ist Don Ottavio überzeugt, dass Don Giovanni der Mörder ist. Er geht, um Anzeige zu erstatten.
Don Giovanni ist auf seiner Flucht auf einen Friedhof geraten. Hier erzählt er Leporello von einem weiteren fehlgeschlagenen Liebesabenteuer mit einem Mädchen, das sich als Geliebte von Leporello entpuppte. Eine Stimme aus dem Grab von Donna Annas Vater droht dem Übeltäter baldige Vergeltung an. Giovanni lädt das Standbild des Toten zum Abendessen ein.
Don Ottavio bittet Donna Anna, die Ehe am kommenden Tag zu schliessen. Sie weist dieses Ansinnen zurück.
Don Giovanni hält allein ein nächtliches Bankett in seinem Schloss. Donna Elvira unternimmt einen letzten Versuch, ihn zur Umkehr zu bewegen. Der Gast aus dem Jenseits erscheint und fordert Don Giovanni auf, seine Untaten zu bereuen. Der lehnt ab und wird von einem Feuersturm verschlungen.
Donna Anna, Donna Elvira, Don Ottavio, Zerlina und Masetto dringen ein und erfahren, dass der Missetäter bereits von einer höheren Macht seiner Bestrafung zugeführt wurde. Sie wenden sich ihren Zukunftsplänen zu: Donna Anna vertröstet Don Ottavio um ein weiteres Jahr, Donna Elvira wird ihr Leben in einem Kloster beschliessen, Leporello sucht sich einen neuen Herrn, Zerlina und Masetto gehen nach Hause zum Abendessen.
UND ALLE FRAGEN OFFEN
Sebastian Baumgarten im Gespräch
Wenn man Leporello glauben kann, hat Don Giovanni rund 2000 Frauen erobert. Was ist an diesem Rekord so interessant, dass es sich lohnt, ihn zum Titelhelden einer Oper zu machen?
Diese grosse Zahl ist natürlich eine bewusst witzige Übertreibung. Es soll unmissverständlich gezeigt werden, dass die Titelfigur der Oper ein Mann ist, der exzessiv und ohne Rücksicht auf irgendwelche Anstandsregeln, die das Masshalten empfehlen, der Erfüllung seines Triebes lebt. Freilich entnehmen wir daraus auch, dass wir es allem Anschein nach mit einem Mann zu tun haben, der Momente von Liebe und Partnerschaft, auch Sex, nur sehr kurzfristig aushalten kann.
Das scheint also eher ein pathologischer Fall zu sein. Was kann Mozart daran interessiert haben?
Ich weiss nicht, was Mozart interessiert hat, und ich glaube auch nicht, dass man das sicher klären kann. Ich muss auch zugeben, dass ich diese Frage nicht für besonders wichtig halte. Wirklich bedeutsam scheint mir nur, was uns heute an Mozarts Stück interessiert, oder um es enger zu fassen, was uns die Titelfigur, wie sie uns aus Mozarts Partitur entgegentritt, heute bedeuten kann. Und ich finde in diesem Mann eine Haltung, die unserer heutigen Zeit in mancherlei Hinsicht erstaunlich nahe ist. Ich denke da an Ideen, die Giorgio Agamben im Zusammenhang mit dem neuen Nomadentum äussert. Es deutet bekanntlich viel darauf hin, dass die Sesshaftigkeit nicht die Lebensform der Zukunft sein wird, sondern, dass die Menschen ähnlich viel unterwegs sein und ähnlich unstet leben werden wie die Nomaden früherer Zeiten, wenn auch unter anderen Voraussetzungen und auf ganz andere Art. Agamben beschreibt als Konstante des Nomadentums, dass man jeweils dorthin reist, wo man Wärme und Liebe findet. Das bedeutet aber in Bezug
auf die Liebe, dass sie nicht mehr etwas einmalig Versprochenes und Dauerhaftes sein muss, sondern dass die Kurzfristigkeit auch auf diesem Gebiet ein Lebensprinzip werden kann. Wenn man Giovannis Verhalten unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, kann man in seinem scheinbar pathologischen Verhalten eine utopische Komponente ausmachen.
Aber worin soll das utopische Element dieser Gestalt liegen? Sicher liegt in seiner geradezu mythischen Potenz nicht viel Utopisches. Aber die Kurzfristigkeit der Beziehungen enthält, wie angedeutet, für uns heute ein zukunftsweisendes Element. Wenn es sich ermöglichen liesse, dass allen diese Entscheidungsfreiheit eingeräumt wird, würde man über kurze temporäre Lebensverhältnisse nachdenken, die eben zu diesem neuen Nomadentum passen. Das bedeutet, dass man dann durch die immer wichtiger werdende Flexiblität keine Familie mehr zu verlieren hat, weil man mehrere Familien an verschiedene Orten hat. Das wäre ein mögliches Modell für die Zukunft:
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Man ist nirgends mehr in unserem heutigen Sinne zu Hause, bindet sich nicht an einen bestimmten Ort und muss dies auch nicht tun, weil man, wo immer man hinkommt, nicht in der Fremde ist, sondern eine Familie finden kann. Das kann man ja auch positiv sehen.
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Die Figuren des Stücks sehen allerdings wenig Positives oder Zukunftsweisendes in Giovannis Verhalten.
Seine Lebensweise wird als starker Angriff auf gewisse, scheinbar unumstösslich gültige Konventionen empfunden. Das ist ein Muster, das man vor allem bei EpochenUmbrüchen immer wieder findet. Manche vertreten schon die Ideen, die in Zukunft als bindend betrachtet werden, andere noch jene, die gerade überwunden werden. Die meisten bewegen sich irgendwo zwischen diesen Extremen.
Um welchen Epochen-Umbruch handelt es sich hier? Und auf welcher
Seite steht Giovanni?
Das Stück entsteht kurz vor der französischen Revolution, also zu einer Zeit, da das alte Feudalsystem endgültig abgewirtschaftet hat und die bürgerliche
Gesellschaft im Begriff ist, sich europaweit zu etablieren und ihre neuen Normen und Werte durchzusetzen. Der Riss zwischen diesen beiden Gesellschaften geht mitten durch das Stück. Don Giovanni repräsentiert die alte Zeit mit der Libertinage des Adels. Sein wichtigster Widerpart ist Don Ottavio, der für die bürgerliche Tugendhaftigkeit, für die neue Zeit steht. Dieser Widerspruch ist im Stück sehr konsequent durchgeführt: Don Giovanni kämpft mit dem Degen, Don Ottavio zieht die Pistole. Don Giovanni sticht im Zweikampf zu, Don Ottavio drückt nicht ab, sondern verständigt lieber die Polizei. Die Beispiele liessen sich fortsetzen.
Aber wenn Don Giovanni die alte Zeit repräsentiert, wie kann er gleichzeitig ein utopisches Element sein?
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Allem Anschein nach verbinden sich zurückgebliebene und utopische Elemente im Geschichtsprozess immer auf dialektische Weise. Das liegt wohl daran, dass mit dem Alten auch immer Unabgegoltenes zugrunde geht, das Impulse gibt, für die nächste Umwälzung der Verhältnisse. Die Tugend der bürgerlichen Epoche ist eine wichtige Grundlage für die kapitalistische Entwicklung und den damit verbundenen Fortschritt. Aber die Unterdrückung menschlicher Bedürfnisse und die Einschränkung der Freiheit, die damit verbunden ist, lässt dem Verhalten eines aus der alten Zeit übriggebliebenen «Dinosauriers» wie Don Giovanni Qualitäten zuwachsen, die die Gesellschaft auf progressive Weise in Frage stellen. Es ist übrigens bemerkenswert und hängt ebenfalls mit der Dialektik des Geschichtsprozesses zusammen, dass die Gestalt des Don Juan ursprünglich nichts mit diesem utopischen Gehalt zu tun hatte. Die Figur ist nicht so alt, wie man oft annimmt. Ihr Erfinder war der spanische Mönch Tirso de Molina, der um 1619 ein etwas moralinsaures Drama herausbrachte, das als Warnung vor solch einem ausschweifenden Leben gedacht war, indem es die Untaten eines wilden Mannes vorführte und den Zuschauer miterleben liess, wie ihn schliesslich die gerechte Strafe des Himmels ereilt. Tirsos Erfindung hatte so grossen Erfolg, dass seinem Stück zahllose Adaptionen des Stoffes folgten, wobei sich seltsamerweise nach und nach die Wahrnehmung der Gestalt gründlich änderte: Aus dem verabscheuungswürdigen Bösewicht wurde der Sympathieträger des Stücks.
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Eine ähnlich unverhoffte Wirkung erzielte auch der Autor des Volksbuchs vom Doktor Faust.
Ja, das ist eine interessante Parallele. Beide Männer wurden ganz im christlichen Geist als Warnung erfunden. Als Warnung zum einen für die, die, wie Faust als Protestant, zu viel wissen wollen, zum anderen für jene, die wie der Katholik Don Juan zu viel geniessen wollen, also mehr wissen oder geniessen wollen, als Gott und die Kirche ihnen zugestehen. Beides sind moderne Gestalten, die am Ende der Renaissance hervortreten und das neue Menschenbild repräsentieren, das von den Verteidigern der alten Ordnung ebenso vehement abgelehnt, wie von den Vertretern des Neuen begeistert aufgenommen wird. Dadurch konnte es zu dieser starken Umdeutung kommen, in deren Folge zwei der wichtigsten literarischen Gestalten der Moderne entstanden.
Aber das ist sehr lange her, und auch die Epochenumbrüche, die der Stoff reflektiert, liegen lange zurück. Leztendlich verkörpert sich in der Gestalt des Don Juan ein grundlegender Konflikt, der die menschliche Existenz prägt: der Konflikt zwischen gesellschaftlicher Ordnung und individueller Entfaltung. Das ausschweifende Sexleben dieses Mannes, der keine Frau unerobert lassen kann, und auch nicht zögert, zu morden und zu vergewaltigen, steht schon bei Tirso de Molina für einen massiven Angriff auf die göttliche Ordnung der Welt. Da ist einer, der sich den Zwängen einfach nicht unterwirft, sich nicht domestizieren lässt, sondern rücksichtslos seinen Trieben nachgibt und lebt, wie es eben kommt, ohne einen Gedanken an das Danach. Menschen können nicht Menschen sein, ohne sich eine gesellschaftliche Ordnung zu geben, also das Zusammenleben durch Gesetze und Verbote zu regeln. Andererseits ist damit aber eine Einschränkung der Entfaltungsmöglichkeiten des Individuums verbunden, die zwangsläufig immer wieder zu Verwerfungen führen muss.
Mozarts Oper verlangt die Darstellung eines Mannes, der erotisch so überaus attraktiv ist, dass er jede Frau bekommen kann, die er will. Das ist, sollte man meinen, eine nahezu unlösbare Aufgabe. Wie kommt
man mit diesem Problem zurecht, wie kann man erreichen, dass das Publikum an diese Behauptung glaubt?
Zunächst einmal muss man sagen, dass wir das Publikum nicht glauben machen müssen, der Darsteller des Don Giovanni habe diese überragenden Eigenschaften, sie kommen vielmehr der Figur zu, die er spielt. Das heisst, die Geschichte, die gezeigt wird, muss glaubhaft werden. Und da gilt die alte Theaterweisheit «Den König spielen die anderen». Eine Theatergestalt entsteht immer aus dem Zusammenspiel aller Darsteller, das heisst, dass die Wirkung dieses Mannes nicht vom Darsteller der Titelfigur allein gestaltet werden muss, wir sehen sie an den anderen. Darüber hinaus ist das eben eine theatralische Behauptung, die man einfach hinnehmen muss und kann. Denn es geht gar nicht darum, zu erfragen und zu erfahren, wie dieser Kerl das macht. Wer Ratschläge braucht, wie man Frauen am besten «rumkriegt», sollte sich anderswo umtun, nicht in der Oper. Was wir schaffen müssen, ist eine Gestalt, die das rebellische Potenzial deutlich sichtbar werden lässt, den Skandal, den der Lebenswandel dieses Mannes in einer streng geordneten Welt bedeutet. Nur auf diese Weise wird die aktuelle Dimension deutlich und kommt etwas heraus, was für heutige Zuschauer bedeutsam sein kann. Wenn man die Aufgabe unter diesem Aspekt betrachtet, erscheint sie schon gar nicht mehr so unlösbar, auch wenn es eine grosse Herausforderung für das Regieteam und alle Darsteller bleibt.
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Welche theatralischen Mittel kommen zum Einsatz, um das rebellische Potenzial dieser Geschichte herauszuarbeiten?
Ich muss sagen, dass es mich bei meinen Arbeiten in der Oper in der letzten Zeit immer weniger interessiert, die Realität direkt auf die Bühne zu bringen. Ich glaube nicht daran, dass wir uns das Stück näher bringen können, indem wir den Leuten auf der Bühne moderne Sachen anziehen. Ich denke, dadurch wird das Zeitgebundene der Stoffe nur noch offensichtlicher. Es ist ja ein Irrtum, dass Gefühle etwas Zeitloses seien, das wir immer unmittelbar verstehen. Es gibt nichts, das zeitlos wäre, alles ist durch die Umgebung geprägt, und das trifft auch auf die Gefühle und Verhaltensweisen der Menschen zu. Es hat also wenig Sinn, den Abstand, der zwischen uns und
den Figuren Mozarts liegt, einfach zuzuschmieren. Vielmehr strebe ich immer danach, eine Welt zu erfinden, die es ermöglicht, das Stück so in Szene zu setzen, dass es seine Kraft heute entfalten kann.
Und was ist das in diesem Falle für eine Welt?
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Um deutlich zu machen, welche zerstörerische Kraft Don Giovanni in Mozarts Oper entfaltet, muss man aufzeigen, wogegen sich seine Kraft richtet und was er zerstört oder zu zerstören droht. Ob er das als bewusster Rebell aus Überzeugung tut, oder unbewusst, weil seine Natur ihn dazu treibt, bleibt im Stück offen, und ich möchte, dass auch die Aufführung diesen Punkt nicht klärt. Das ist auch nicht die wichtige Frage. Wichtiger ist, dass er mit einer Institution kollidiert, die ihn schliesslich bestraft. Um diese Institution kraftvoll ins Bild zu setzen, haben wir nach einem Raum gesucht, der die wohlgeordnete, von Religion bestimmte Welt abbildet, in der sich die Geschichte zuträgt. Dieser Widerspruch ist dem Stoff schon bei Tirso de Molina – möglicherweise gegen den Willen des Autors – eingeschrieben, indem die Faszination der Hauptgestalt dem didaktischen Anspruch des Stücks in die Parade fährt. Davon ausgehend kamen wir schliesslich zu dem Schluss, das Stück in einen religiösen Ritualraum zu verlegen und dort sozusagen als Spiel im Spiel darzubieten, also als ein kirchliches didaktisches Schauspiel, das zeigt, wie ein Übeltäter seiner Bestrafung durch die himmlische Gerechtigkeit zugeführt wird. Das ist die Umgebung, in der auch die anderen Figuren in ihren Verhaltensweisen verständlich werden und auf jeden Fall verständlicher, als wenn wir behaupten wollten, sie seien Menschen, die wir heute in Zürich an jeder Strassenecke treffen können.
Lässt sich das an einem Beispiel verdeutlichen?
Nehmen wir Zerlina. Das unschuldige und ahnungslose Bauernmädchen, das sofort auf den Verführer hereinfällt, wenn der ihr die Ehe verspricht, ist eine Figur die es heute so nicht mehr gibt. Der Zugang zu Informationen ist auch für ein Mädchen vom Land heute nicht mehr eingeschränkt, und es wäre ziemlich unglaubwürdig, dass sie so vollkommen naiv in die Falle tappt. Wir haben uns gefragt, was es überhaupt bedeutet, dass sie sich am Tag
ihrer Hochzeit mit diesem fremden reichen Mann einzulassen bereit ist. Die einfachste Erklärung wäre, dass sie ein Luder ist. Aber dagegen spricht ihre Musik. Die andere Möglichkeit ist, dass sie aus einer strengen Gesellschaft kommt, in der sie sozusagen das Freiheitstier ist, eine junge Frau, die eine Sehnsucht nach freier Entfaltung in sich trägt, die sie in ihrer Welt nicht erfüllen kann. Das führte dann zu der Idee, dass Masetto und sie einer strengen religiösen Sekte angehören. (Dabei geht es nicht etwa darum, zu zeigen, dass sie mit Masetto nicht glücklich ist. Man kann durchaus mit einem Menschen glücklich sein, auch wenn man sich in seiner Welt nicht wohlfühlt.) Aber dann scheint sich plötzlich die Chance aufzutun, ein anderes, freieres Leben zu führen, und sie lässt sich für einen Moment hinreissen. In diesem Sinne hat Giovanni auch für Zerlina eine utopische Bedeutung: Er verspricht ihr die freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit. Ich denke, dass der Impuls ihres Handelns durch den Hintergrund, den wir für ihre Existenz erfunden haben, nachvollziehbar und unmittelbar verständlich wird. Ausserdem passt das gut in die Gesamtkonzeption, die von der Spannung zwischen Giovannis Selbstverwirklichungsstreben und dem restriktiven Charakter der religiös geprägten Umwelt lebt.
Ist der Ansatz der Inszenierung also als ein religionskritischer zu verstehen? Welcher Konfession kann der Kirchenraum auf der Bühne zugeordnet werden?
Religionskritik interessiert mich normalerweise nicht. Allerdings geht es hier ganz offensichtlich um die christliche Moral. Darum streben der Bühnenraum und die Kostüme, die Barbara Ehnes und Tabea Braun entworfen haben, die wiedererkennbare Abbildung eines konkreten Kirchenraums und seiner Benutzer an. Der Raum hat unübersehbar die Züge eines christlichen Kultraums, der an eine neoprotestantische Sekte denken lässt, aber er kombiniert auch Elemente ganz verschiedener Herkunft, um die narrativen Stationen des «dramma giocoso» zu ermöglichen. Wichtig war uns, den restriktiven Charakter der Morallehre, die die Menschen einzwängt, deutlich sichtbar zu machen, und damit die Kraft der unangepassten Hauptfigur zu unterstreichen. Im übrigen ist Mozarts Musik nichts weniger als Sakralmusik,
das heisst, dass sie sich in diesem Ambiente ausgesprochen fremd ausnehmen wird. Gerade diese Fremdheit ermöglicht es aber, sie ganz neu zu hören, nämlich nicht einfach als passend luxuriöse Begleitmusik zu Champagner und Lachshäppchen, sondern als die aufmüpfige Kampfansage, an der Mozart wohl gelegen war.
Aber dennoch bekommen wir ein didaktisches Drama geboten, aus dem wir mitnehmen, dass wir immer schön brav in Zucht und Ordnung und heiliger Furcht vor der göttlichen Strafe leben sollen? Das kann doch nicht ernstlich der Sinn und die Botschaft der Inszenierung sein… Ich halte wenig von eindeutigen Botschaften, die ein Kunstwerk vermittelt. Aber die Theatergruppe einer solchen Sekte, wie wir sie erfunden haben, glaubt daran, und spielt ihr Stück, um diese Lehre zu vermitteln. Was sollten diese Leute auch sonst für übermittelnswert halten? Ich selbst will allerdings eher Fragen aufwerfen als Antworten geben und halte es da lieber mit Brecht: «Der Vorhang zu und alle Fragen offen.» Und diese Fragen werden dem Zuschauer zur Beantwortung übergeben. Der Konflikt, um den es in dieser Oper geht, kann nicht entschieden werden, indem man sich auf eine Seite schlägt, weil es sich um einen dialektischen Widerspruch handelt, der die Entwicklung der Menschheit vorantreibt, und der für den Menschen konstitutiv ist. Man kann ihn also nicht beseitigen, sondern lediglich im dialektischen Sinne «aufheben», also immer wieder von neuem einer praktischen Lösung zuführen, wonach er aber immer wieder auftauchen wird. Und ich finde, das ist ein guter Zustand, weil er alle Möglichkeiten enthält. Dem Zuschauer steht es frei, sich zu entscheiden, ob er eher dem unwiderstehlichen aber auch zerstörerischen Temperament der sogenannten «ChampagnerArie» oder der tugendhaften Sanftheit des Don Ottavio seine Zustimmung geben möchte. Mozart – und das ist es wohl, was dem Stück seine gewaltige Kraft verleiht – gibt beiden Positionen recht und stattet beide mit dem grösstmöglichen musikalischen Reichtum aus. Ich glaube, es wäre falsch, hier klüger sein zu wollen als das Stück.
Das Gespräch führte Werner Hintze
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Man missversteht das Raubtier und den Raubmenschen (zum Beispiele Cesare Borgia) gründlich, man missversteht die «Natur», solange man noch nach einer «Krankhaftigkeit» im Grunde dieser gesündesten aller tropischen Untiere und Gewächse sucht, oder gar nach einer ihnen eingebornen «Hölle» –: wie es bisher fast alle Moralisten getan haben. Es scheint, dass es bei den Moralisten
einen Hass gegen den Urwald und ge gen die Tropen gibt? Und dass der «tropische Mensch» um jeden Preis diskreditiert werden muss, sei es als Krankheit und Entartung des Menschen, sei es als eigne Hölle und Selbst-Marterung? Warum doch?
Zugunsten der «gemässigten Zonen»?
Zugunsten der gemässigten Menschen?
Der «Moralischen»? Der Mittelmässigen?
Dies zum Kapitel «Moral als Furchtsamkeit».
Julia Kleiter, Ruben Drole, Peter Mattei Spielzeit 2O12/13EIN MYTHOS DER MODERNE
Ein Gespräch mit dem Philosophen und Kulturhistoriker Thomas Macho
Die spektakulärste Szene der Geschichte von Don Juan ist der Auftritt der Statue des Komturs. Was hat es damit auf sich? Von Anfang an, seit den ersten Versionen der Geschichte, die in der frühen Neuzeit entstanden, hat die Szene mit der Statue des Komturs den Stoff entscheidend geprägt. Sie hat jedenfalls den meisten Dramen, Opern und Balletten den Titel oder zumindest den Untertitel gegeben: Der steinerne Gast, Das steinerne Gastmahl, Il convitato di pietra, Le festin de pierre und so weiter in unzähligen Varianten. Offensichtlich war der Auftritt der Statue so erregend für die Zeitgenossen, dass sie ihn als eigentlichen Inhalt und Zielpunkt des gesamten Geschehens empfanden.
Ist dieser Auftritt nur ein spektakulärer Bühneneffekt, den sich ein genialer Dramatiker ausgedacht hat? Oder verbirgt sich dahinter noch etwas anderes?
Tirso de Molina ist keineswegs der Erfinder dieses Motivs. Der Topos der lebenden, sprechenden oder nickenden Statue ist sehr alt. Friedrich Dieckmann weist darauf in der Einleitung seiner Geschichte Don Giovannis hin und lässt auch erahnen, was daran so faszinierend sein könnte: «Die Gestalten kommen von weither. Sonderlich der Komtur hat einen langen Weg: Aus der Antike stapft er ins christlichbarocke Spanien. Das Bild, erst recht das Standbild, die lebensgrosse, vollplastische Figur, als das Medium magischer Vergegenwärtigung – es ist der Glaube an die übernatürliche Kraft des Kunstwerks, aus dem die Bildwerke der alten Zeit sich nähren. Noch heute trifft den Betrachter aus den grössten, den bedeutendsten von ihnen der gebieterische Ausdruck einer mythischen Wirklichkeit; mit essentieller Gewalt spricht der dargestellte Gott, Kaiser, Prophet aus der bannenden Gestalt des Werks.»
Wenn man den langen Weg zurückverfolgt, den der steinerne Gast genommen hat, dann führen die Spuren allerdings sehr weit über die griechische Antike hinaus bis in die Urgeschichte der Menschheit: In den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts hat die britische Archäologin Kathleen Kenyon bei ihren Ausgrabungen der neolithischen Stadt Jericho (die übrigens tatsächlich von geradezu titanischen, an manchen Stellen acht Meter dicken und zehn Meter hohen Mauern umgeben war) eine Reihe von kunstvoll bearbeiteten Menschenschädeln entdeckt. Diesen Schädeln war durch nachträgliche Applikation von Kalk und Gipsschichten gleichsam ein neues Antlitz verliehen worden, das die Spuren der Verwesung von Haut und Fleisch tilgte. Dabei war jedes Gesicht sehr individuell gestaltet, und die ganze Arbeit verfolgte anscheinend den Zweck, das Leben des Verstorbenen über den Tod hinaus zu verlängern, indem das vergängliche Fleisch durch unvergängliche Materialien ersetzt wurde. Bei Ausgrabungen in Syrien und Jordanien fand man nicht nur Schädel, die so bearbeitet worden waren, sondern auch ganze Skelette; sie scheinen zu rechtfertigen, was Michel Serres in seiner Interpretation von Balzacs Sarrasine als den Ursprung der Bildhauerei bezeichnete. «Woher kommen die Statuen? Aus dem Tod. Aus dem Grab. Aus dem Bestattungsritual. Aus der Leiche. Aus dem Aas. Aus der Verwesung. Aus dem, was in keiner Sprache einen Namen hat.»
Wenn die Statue des Toten eigentlich eine neue Umhüllung seines Skeletts ist, war sie dann für die Menschen, die sie herstellten, kein Abbild des Toten, sondern eben dieser selbst?
Unbedingt. Diese Technik scheint eine Möglichkeit gewesen zu sein, den Tod zu überwinden, den Verstorbenen am Leben zu erhalten. Die Statue stammt aus dem Totenkult und ist und bleibt immer eng, wenn auch nicht immer gleich offensichtlich, mit dem Totenreich verbunden. Übrigens können wir diese Verwandlung des Menschen in die Statue und damit den untrennbaren Zusammenhang der Erschaffung solcher Bildwerke mit dem Totenkult auch sehr eindrücklich an den Totenritualen des Alten Ägypten beobachten. Damals wurde mit hochkomplizierten Techniken der Leichnam einbalsamiert und mumifiziert und so in seine eigene Statue verwandelt. Nach all diesen
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Zeremonien und Verrichtungen kam dann das wichtige Ritual der Aufrichtung und der Mundöffnung, womit die Statue gleichsam wieder lebendig wurde. Jan Assmann hat darauf hingewiesen, dass die Hieroglyphenschrift der Ägypter für den Toten und die Statue dasselbe Zeichen verwendet. Der Unterschied ist nur, dass das Zeichen liegend geschrieben wird, wenn ein Toter, aufrecht stehend, wenn eine Statue gemeint ist. Solche aufrecht stehenden Skulpturen können sehen, gehen, sprechen, weinen, bluten, mit einem Wort: Sie sind nicht tot und auch nicht das Abbild des Toten, sie sind der Tote, der in das Leben hineinwirken kann. Gleichzeitig repräsentieren sie die Autorität des Toten, der befehlen kann, mit dem man aber nicht mehr einfach in Verhandlungen eintreten kann.
Das sind sehr archaische Vorstellungen, die doch aber sicher zur Zeit Mozarts kaum noch geglaubt wurden. Natürlich veränderten sich die Vorstellungen, aber grundlegende Elemente blieben dennoch erhalten. Sie hängen bis heute mit der Frage zusammen, was Bilder eigentlich sind. Schon in Byzanz entwickelte sich die Vorstellung, dass die Bildwerke nicht einfach – mehr oder weniger verbotene – Abbildungen, sondern authentische Verkörperungen Gottes sein können. Auch im europäischen Mittelalter – und an manchen Orten bis heute – finden wir Reste dieser Auffassungen in den Ritualen um wundertätige Heiligenbilder und Statuen. Sehr bezeichnend und in unserem Kontext interessant ist die Geschichte von Hulderich, die Bernard d’Angers in seinem Buch über die Wunder der heiligen Fides berichtet: Hulderich hatte sich über die hochverehrte Statue der Heiligen lustig gemacht und erhielt in der Nacht einen Besuch der Geschmähten, die ihn zur Strafe für seinen Fehltritt mit einem Stock verprügelte. Hier finden wir bereits das Motiv, das der SchlussSzene der DonJuanAdaptionen ihre besondere Kraft gibt: Der aristokratische Libertin lädt das Standbild des Mannes, den er getötet hat, zum Abendessen, und die Statue erscheint tatsächlich und bringt die Bestrafung – den Stock – gleich mit. Die ungeheure Wirkung dieses coup de théâtre hat sicherlich auch damit zu tun, dass der Zuschauer instinktiv die Herkunft des Motivs aus den tiefsten Schichten der Gattungsgeschichte spürt.
Auch wenn die Szene des Gastmahls einen gewissen Horror-Effekt hat, der zur Popularität des Stoffes beigetragen haben mag, kann das nicht der alleinige Grund für diese Beliebtheit sein, denn Geschichten von redenden Statuen und lebendig gewordenen Toten gibt es auch anderweitig.
Natürlich liegt das Hauptinteresse auf der Gestalt des Don Juan, der auf spektakuläre Weise seiner Bestrafung zugeführt wird. Tatsächlich war dieser Stoff auch ein Mythos des modernen Europa. Wir haben ja nicht viele Beispiele für solche Mythen. Aus der Zeit der Renaissance eigentlich nur zwei: Faust und Don Juan. Beide ziehen sich bis heute durch die Kulturgeschichte, und viele Dichter, die in eine Schaffenskrise geraten waren, haben diese überwunden, indem sie sich an Faust oder Don Juan versuchten. Dabei ist der Stoff durchaus komplex und hat verschiedene, widersprüchliche Schichten. Zunächst haben wir das Motiv des grausamen Lüstlings, das in der Literatur seit der Renaissance weit verbreitet ist. Es ist eine Kritik an den adligen Herren, die sich das Recht herausnehmen, die Frauen der unteren Schichten nach Gutdünken in ihre Betten zu ziehen. Das ist übrigens ein Motiv, das auch die Operngeschichte geprägt hat: Noch im neunzehnten Jahrhundert finden wir es kaum verändert im Rigoletto, oder auch in der Stummen von Portici, wo ein Adliger ein Mädchen vergewaltigt und damit einen Volksaufstand gegen die Willkür der hohen Herren provoziert. Das Interessante daran ist, dass dieses Motiv von Anfang an eine Doppelfunktion hat, zum einen als Medium der Sozialkritik, zum anderen als Erfüllung eines voyeuristischen Bedürfnisses zur Identifikation mit dem Libertin. Damit wird von Anfang an die Möglichkeit eingeräumt, dass die Beurteilung des Helden der Geschichte umschlagen kann.
Aber der Stoff wäre sicherlich nicht so beliebt geworden, wenn seine Möglichkeiten mit diesem sozialkritischen Impuls und dem Angriff auf die Feudalordnung erschöpft gewesen wären.
Sicher nicht. Der entscheidende Punkt dürfte darin bestehen, dass Don Juan ein Rebell gegen scheinbar übermächtige, unangreifbare Autoritäten ist.
Don Juan gehört in eine Zeit, aus der wir Darstellungen von Bogenschützen
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haben, die ihre Pfeile in den Himmel schicken, also ein Attentat auf Gott verüben. Die Renaissance ist eine Zeit, in der die Rebellion gegen jede Art Autorität, gegen die Väter, gegen Gott, gegen die Kirche usw. stark hervortrat. Die – durchaus auch erotische – Lust an der Rebellion ist ein wichtiges Merkmal dieser Zeit, in der man sich erstmals in Europa darauf besann, dass der Mensch ein Individuum ist und als Individuum gewisse Ansprüche stellen kann, deren Erfüllung von der traditionellen Ordnung verhindert werden. Don Juan ist ambivalent: Zur Rezeption des DonJuanStoffes gehört einerseits die Abwertung der aristokratischen Libertinage, andererseits aber ihre Bejahung als Ausdruck neuer Freiheit, auch und gerade in der Sexualität.
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Aber der Mönch Tirso de Molina dürfte kaum den Lobpreis des Rebellen gegen Gott und die Welt beabsichtigt haben, als er sein Schauspiel schrieb.
Er wird das wohl eher als Warnung an zügellose Freigeister gerichtet haben. Aber so etwas kann sich schnell verselbständigen. Und wie schon angedeutet, liegt in der Gestalt selbst die ambivalente Möglichkeit, dass sie von der negativen Figur zum positiven Helden werden kann. Übrigens hat sich dieser Wandel auch in der Hauptgestalt des anderen grossen Mythos des modernen Europa vollzogen: Auch das Volksbuch vom Doktor Faust stellt den Helden als warnendes Beispiel hin, wie man keineswegs leben soll und malt die Schrecken der Bestrafung möglichst eindringlich aus. Auch diese Figur hat sich dann gegen den Willen des Autors verselbständigt und wurde schliesslich geradezu vorbildhaft, was man von Don Juan nur bedingt sagen kann. Und doch ist unbestreitbar, dass Mozart, als er sich dieses Stoffes annahm, grosse Sympathien für diesen Mann hatte.
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Man hat darüber spekuliert, ob er in der Rebellion Giovannis gegen die göttliche Autorität seine eigene Rebellion gegen seinen Vater erkannt und gestaltet hat.
Das ist schwer zu entscheiden, weil wir zu wenige authentische Äusserungen Mozarts über dieses Thema haben und die Quellen uns nicht erlauben, ein endgültiges Urteil zu fällen. Sicher ist, dass Mozart die Gestalt Don Juans so
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aufgefasst hat, wie sie rund 200 Jahre nach Tirso de Molina in Europa verstanden wurde, als die Faszination des Rebellen mit der unwiderstehlichen erotischen Ausstrahlung längst die Kritik an der Aristokratie und ihren Ausschweifungen überwogen hatte. Allerdings ist die wandelnde Statue in gewisser Weise tatsächlich der Vater: zum einen, weil sie die göttliche Autorität vertritt, zum anderen aber auch wegen des angedeuteten Zusammenhangs mit dem Totenkult, also mit den Ahnen, die schon gegangen sind. Nun ist interessant, wie sich der Stoff auf verschiedenen Ebenen immer wieder bricht, umschlägt und erweitert. Die antiautoritäre Rebellion des Aristokraten wird gespiegelt im Zorn des Volkes, das seine «geopferten Jungfrauen» rächen will und sich gegen die Autorität des Adligen erhebt.
Damit gewinnt die Geschichte gleich ein doppeltes rebellisches Potenzial. Ich glaube, dass die tiefste Ursache für die fortdauernde Beliebtheit des Stoffes hier zu suchen ist.
Wichtig ist nun, zu beobachten, wie die Geschichte jeweils zu Ende gebracht wird, welches Schicksal der Rebell am Ende hat. Hier gibt es wieder eine interessante Parallele zum Faust. Beide Männer haben irgend eine Beziehung zum Teufel. Faust durch seinen Vertrag, Don Juan eher vermittelt, weil seine Rebellion etwas Diabolisches hat und ihm Züge Luzifers, des aufmüpfigen, aus dem Himmel vertriebenen Engels, verleiht. In vielen Versionen der beiden Stoffe werden die Bösewichter am Ende vom Teufel geholt, es gibt aber auch Varianten, die gut ausgehen. Vor allem im 19. Jahrhundert wird Don Juan am Ende immer öfter zum stillen Büsser; und auch Faust kann Gnade erwiesen werden, wenn er seine Taten bereut. Und bei Goethe wird er schliesslich gerade wegen seiner Sünden erlöst. Es ist interessant, dass diese beiden Mythen selbst bei solchen einschneidenden Veränderungen ihre Kraft und ihre Gestalt bewahren konnten. Das liegt anscheinend daran, dass sie Fragen stellen, die für die europäische Moderne von höchster Bedeutung sind: Was geschieht, wenn wir uns gegen die Autoritäten erheben? Landen wir in der Hölle, um so die Macht, gegen die wir uns erhoben, zu bestätigen, oder gibt es die Möglichkeit einer Versöhnung, die nur über diesen Weg der Rebellion – Hoffnung und Apotheose des bürgerlichen Zeitalters –erreichbar ist?
Heisst das, dass die Gestalt des Rebellen gegen die Autoritäten etwas für das moderne Europa Spezifisches ist?
Es gibt natürlich auch in anderen Kulturen Rebellionen und Aufstände, aber ich glaube, dass die Gestalt des Revolutionärs für die europäische Moderne grundlegend ist. Die europäische Moderne beginnt sozusagen in dem Moment, in dem die Autoritäten fundamental in Frage gestellt werden, und ist ohne diese Kritik gar nicht vorstellbar. Ein erster äusserlich sichtbarer Höhepunkt des um sich greifenden Zweifels an den Autoritäten wurde am 30. Januar 1649 erreicht, als Karl I. in London enthauptet wurde, ein für das Mittelalter noch völlig undenkbarer Vorgang. Als ein Jahrhundert später Ludwig XVI. – am 21. Januar 1793 – geköpft wurde, war der Zweifel an den Autoritäten schon so weit fortgeschritten, dass die Einordnung des Königs in den schier endlosen Zug seiner zur Guillotine geführten ehemaligen Unter tanen fast als selbstverständlich angesehen werden konnte.
Aber wie kommt es, dass dieser rebellische Impuls in Europa so stark war? Und warum vollzog sich diese Entwicklung gerade hier und nicht auch in anderen Ländern, in denen es, wie Sie sagten, auch Rebellion und Rebellen gegeben hat?
Ich glaube, es gibt ein Ereignis in der europäischen Geschichte, das dazu ganz entscheidend beigetragen hat: der Schwarze Tod. Das ist wohl der mentalitätspolitisch wichtigste Punkt der Vorgeschichte der europäischen Renaissance: die Erfahrung, dass durch die Pestepidemien die Bevölkerungen des ganzen Kontinents so stark dezimiert wurden, dass ganze Dörfer oder Kleinstädte entvölkert wurden, dass in den grossen Städten niemand mehr da war, der die Toten bestatten konnte. Erinnern Sie sich an die Einleitung zu Boccaccios Decamerone, an die schreckliche Erfahrung, dass vier Fünftel der Einwohner von Florenz innerhalb weniger Tage starben. Dieser Horror hat unauslöschliche Spuren im Bewusstsein Europas hinterlassen: Er wirkte als eine Erfahrung, die eine ganz neue Betrachtung der Gesellschaft und ganz neue Formen der Sozialkritik hervorzubringen vermag. Die Epidemie hat evident gemacht, dass der Tod alle gleich macht. Und wenn der Tod alle gleich macht, dann liegt es nahe, zu fragen, warum es denn im Leben die
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hohen sozialen Unterschiede geben soll. Aus diesem Fragen entstehen die TotentanzDarstellungen, die wenige Jahrzehnte nach den Höhepunkten der Pestepidemien auftauchten. Sie zeigen auf sehr eindringliche Art und Weise, dass Autoritäten nicht mehr das Gewicht in Anspruch nehmen können, dass sie sich beimessen, denn im Angesicht des Todes hilft keine weltliche oder geistliche Macht: Der Tod holt den Bauern wie den König, den Soldaten wie den Papst, er macht keine Ausnahme, und beugt sich keiner Autorität. Man kann also sagen, dass der Schwarze Tod in gewisser Weise die Geburtsstunde des modernen Europa war, der Ausgangspunkt für das autoritätskritische Denken, das die geistigen und materiellen Fortschritte ermöglicht hat, auf die wir zurückblicken und auf die wir uns stützen. So ist es kein Zufall, dass die beiden RebellenMythen des Faust und des Don Juan in der Renaissance auftauchen, also zu einem Zeitpunkt, wo die rebellische Tendenz zur Unterhöhlung aller Autoritäten zum ersten Mal deutlich hervortritt. Und es ist natürlich auch kein Zufall, dass die Menschen der europäischen Moderne diese beiden Gestalten, die ihnen eigentlich zur Warnung vorgeführt wurden, schnell als Vorbilder und Verbündete gesehen haben.
Mozarts Oper hat mit dem Drama von Tirso de Molina also gemeinsam, dass sie an der Schwelle einer Epochenwende – bei Mozart kurz vor der Französischen Revolution – entstehen.
Ja, und es ist interessant, wie sich die bevorstehende Ablösung der Feudalordnung durch die bürgerliche Gesellschaft in der Figurenkonstellation niederschlägt. Giovannis wichtigster Gegenspieler ist hier Don Ottavio, der mit seinem tugendhaften Melos sozusagen die neue Zeit vertritt. Nun ist es bemerkenswert – und darin zeigt sich die Genialität der beiden Autoren dieser Oper – dass die Konstellation nicht so einfach aufgeht, dass man die Figuren problemlos jeweils dem Neuen, also Guten, und dem Alten, also Schlechten zuordnen kann. Weil der Rebell Don Giovanni selbst Repräsentant der Autorität ist, gewinnt auch Don Ottavio, der gegen ihn vorgeht und ihn der höheren Autorität des Staates unterwerfen will, die Züge eines Rebellen: des bürgerlichen Revolutionärs. Das scheint aber zu der Konstellation im Widerspruch zu stehen, in der der Komtur die überkommene
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Ordnung vertritt, gegen die sich Don Giovanni auflehnt. Diese Ambivalenz liesse sich an allen Figuren und nahezu jedem Vorgang zeigen. Sie ist ein Strukturprinzip dieser Oper, und sie verweist darauf, dass die Rechnungen in der Geschichte nie glatt aufgehen: Don Giovanni als Repräsentant der alten Ordnung ist gleichzeitig der Rebell gegen jede Ordnung, während seine Gegenspieler gegen die alte und für eine neue Ordnung aufstehen: eine Ordnung übrigens, die vielleicht flachere Hierarchien und grössere Rechtssicherheit bietet als die vorige, aber deutlich restriktiver ist. Don Ottavios Arien mit ihrem schönen, vielleicht aber etwas zu schönen, letztlich unsinnlichen Melos, lassen im Vergleich mit dem hinreissenden Schwung von Don Giovannis sogenannter «Champagnerarie» ahnen, was da verloren geht. Kurzum, die Rebellion gegen die alte Gesellschaftsordnung, deren Repräsentant Giovanni ist, führt zu einer neuen, in der Giovannis Freiheitsdrang wieder Unruhe stiften wird – Lehrbuchbeispiel für die Dialektik der Geschichte. Und das hat ohne Zweifel damit zu tun, dass Giovannis Impuls ein ganz elementarer ist, der in jedem Menschen wirkt: Sexualität gerät in Widerspruch zu den gesellschaftlichen Normen. Die Radikalität, mit der Giovanni diesen Konflikt löst und seine Lösung lebt, trägt viel zu jener Faszination bei, die er auf die anderen Figuren des Stücks, aber auch auf das Publikum ausübt. Wäre er nur ein fetter Fürst, der Frauen oder Männer zur Befriedigung seines Geschlechtstriebs vergewaltigt, würde lediglich der sozialkritische Impuls greifen, wie er sich exemplarisch in Aubers Die Stumme von Portici zeigt. Dann wäre man mit dem Problem tatsächlich fertig, sobald der Bösewicht bestraft, also entweder geköpft oder in die Hölle geworfen wird. Aber Don Giovanni ist eben mehr, er verspricht ein Glück, das jeder ersehnt. Und mit dieser erotischen Sehnsucht wird man nicht so leicht fertig.
Nun macht Don Juan nicht nur sein Glück bei den Mädchen, sondern er macht die Mädchen glücklich und – unglücklich, aber seltsam, gerade so wollen sie es haben, und es wäre ein schlechtes Mädchen, das nicht unglücklich werden möchte, um einmal mit Don Juan glücklich gewesen zu sein. Das, wodurch er betrügt, ist die Genialität der Sinnlichkeit, deren Inkarnation er gleichsam ist.
An kluger Besonnenheit mangelt es ihm; sein Leben schäumt wie der Wein. Er bedarf keiner Vorbereitung, keines
Planes, keiner Zeit; denn er ist immer fertig, weil nämlich die Kraft stets in ihm ist, wie die Begierde, und nur wenn er begehrt, ist er so recht in seinem Element. Was ist das für eine Macht? – Niemand kann es sagen, selbst wenn ich Zerline, bevor sie auf den Ball geht, danach fragte:
Was ist das für eine Macht, mit der er dich fesselt? – so würde sie antworten:
Man weiss es nicht; und ich würde sagen:
Wohlgesprochen, mein Kind! Richtig, das weiss man nicht; und das Unglück ist, dass auch ich dir’s nicht sagen kann.
Julia Kleiter Spielzeit 2O12/13DON GIOVANNI, GENIE DER SINNLICHKEIT?
Albrecht GöschelDer Don Giovanni ist die einzige Oper Mozarts, die nicht mit Vergebung oder Verzeihen endet. Für ihren Titelhelden gibt es weder die Gnade der opera seria, noch die Versöhnung der opera buffa. Zur Voraussetzung für beide –nämlich zur Reue – ist Don Giovanni nicht bereit. Sein dem steinernen Gast, den er zum Abendessen eingeladen hat, entgegengeschleudertes «Nein» verweigert die Selbstverurteilung seines Lebens als sündig und verfehlt. Und es ist diese Weigerung, für die er bestraft wird, für die es kein Erbarmen gibt, weder bei den Mitmenschen noch bei den moralischen Autoritäten. Unweigerlich stellt sich aber die Frage, was er denn eigentlich bereuen soll. Der Mord am Komtur, für den ihn seine Widersacher Donna Anna und Don Ottavio verfolgen, kann es ja schwerlich sein. Ganz davon abgesehen, dass es sich praktisch um Notwehr handelt und dass er den Alten dringend vor dem Angriff gewarnt hat, macht die Musik ohne jeden Zweifel deutlich, dass er diese Tat bereits im Vollzug bereut. Auch der Zorn Donna Elviras basiert nicht auf einer Schuld Don Giovannis, die er zu bereuen hätte oder zu bereuen sich unbedingt weigern müsste. Zwar ist Donna Elvira ohne jeden Zweifel zutiefst in ihrer Weiblichkeit verletzt, aber letztendlich ist das Motiv ihres Handelns schlicht Eifersucht, entspringt ihr Kampf um den treulosen Geliebten einer narzistischen Kränkung, und für die ist der Verletzte, nicht aber der Verletzende zuständig. Selbst wenn ihre Verletzbarkeit die unauflösliche «andere Seite»
ihrer Berührbarkeit darstellt, spricht aus Donna Elvira nicht nur Trauer um den verlorenen Geliebten, sondern auch verletzter Stolz und Eitelkeit, und keine der grossen ElviraDarstellerinnen hat auf diese Seite ihrer Rolle verzichtet.
Am ehesten könnte man noch eine Schuld Don Giovannis gegenüber Donna Anna vermuten, in deren Gemächer er offensichtlich mit Gewalt eindrang.
Aber dass die Annahme, er habe sie vergewaltigt, völlig abwegig ist, hat bereits Walter Felsenstein in seinem berühmten Essay von 1976 überzeugend deutlich gemacht. Unabhängig also davon, wie weit diese Begegnung gegangen sein mag, ein kapitales Verbrechen hat mit Sicherheit nicht stattgefunden, so dass auch in diesem Punkt weder Reue noch existentielle Verweigerung eben dieser Reue angebracht erscheinen.
Es sind keine nachweisbaren oder gar justiziablen Vergehen, die Don Giovanni bereuen soll. Was ihm vorgeworfen wird, und was er um den Preis der Selbstaufgabe nicht bereuen kann, ist seine Sinnlichkeit, sein erotisches Begehren, denn dies ist es, was ihn als Person ausmacht: sein unbedingtes Glücksstreben in der sinnlichen Liebe. Alle anderen Züge seines «Charakters», den er im Grunde gar nicht hat, treten hinter diesem zurück, den er gleichsam idealtypisch verkörpert. Allein dieses Glückstreben in der Erotik, diese «Genialität der Sinnlichkeit», wie es der dänische Philosoph Søren Kierkegaard formulierte, soll ihn der Verdammnis ausliefern, obwohl er genau dafür von allen anderen Personen der Oper geliebt wird, auch wenn diese Liebe aus Enttäuschung in Hass, Zorn und Rache umschlägt.
Der Mord am Komtur ist ohne Zweifel eine Sünde, der Bruch des biblischen Gebotes «Du sollst nicht töten», aber diese Tat bereut Don Giovanni, so dass ihm Gnade zuteil werden könnte. Seine Sinnlichkeit aber, die er nicht bereut, verletzt keines der zehn Gebote, sondern gilt als eine der Todsünden christlicher Tradition, und diese Todsünden unterscheiden sich fundamental von den Vergehen und Verbrechen, die der Dekalog erfasst. Während die zehn Gebote Schädigungen anderer unter Strafe stellen, Schädigungen, die Don Giovanni entweder gar nicht oder nur sehr bedingt begeht, verurteilen die Todsünden behaupteten Schaden an der eigenen Person, der dann eintreten soll, wenn eine von ihnen begangen wird: Völlerei, Unkeuschheit, Habsucht, Trägheit, Zorn, Hoffart und Neid, die Sieben Todsünden, wie sie von Papst Gregor I, der von 590 bis 604 den Stuhl Petri innehatte, systematisiert und vom IV. Laterankonzil im Jahre 1215 zur Grundlage der seitdem verpflichtenden Beichte erklärt wurden. Dieser Verbotskatalog fordert nicht den Respekt vor Gott und schützt auch nicht die Interessensphäre des Nächsten, wie es die mosaischen Gebote tun, sondern zielt auf das Innenleben der Menschen, das
sie nachgerade stigmatisieren. Der Soziologe Gerhard Schulze fasst den Prozess in seinem beeindruckenden Werk Die Sünde so zusammen: «Mit dem neuen Bezugsrahmen des Begriffs der Todsünde verlagert sich der Schwerpunkt ethischen Denkens von der Sozialsphäre zur Individualsphäre. Sein neuer Kern war die Missbilligung des Menschlichen an sich.» Das anthropologisch vorgegebene Glücksstreben des Menschen wird mit der Doktrin von der Todsünde unter Strafe gestellt, die nur bei tiefem Bereuen – in der Beichte – und nur von der Autorität der Kirche vergeben oder erlassen werden kann. Mit dieser «Missbilligung des Menschlichen», wie es in der Lehre von den Todsünden zum Ausdruck kommt, verschafft sich die Kirche ein perfektes und absolutes Machtinstrument, da es den Zugriff auf das Innenleben, auf die Privatsphäre als Sphäre unausweichlicher Schuld erlaubt und erforderlich macht. Das muss einem machtbewussten Politiker wie Gregor I. bewusst gewesen sein, mehr noch: Dieser Machtzuwachs dürfte die eigentliche Intention gewesen sein. Während die Zehn Gebote eine vollzogene und klar erkennbare Tat als Strafanlass voraussetzen, ermöglicht die Lehre von den Todsünden den direkten Zugriff auf das Innenleben der Menschen, und das um so mehr, als niemals klar zu sagen ist, wo denn z.B. die Grenze zwischen dem erlaubten Stillen des Hungers und der Völlerei verläuft, wann die Schwelle zwischen Minimalerhalt des Lebens und einem sündhaften Streben nach diesseitigem und damit zu verurteilendem Glück überschritten ist. Der Gläubige wird so in ein permanentes Schuldgefühl gezwungen, das er niemals aus eigenem Bemühen, sondern nur aus Gnade der kirchlichen – oder anderer – Autoritäten überwinden kann, um nach jedem Straferlass sofort wieder in diese Schuldgefühle zu versinken, erneut Gnade erflehen zu müssen, und so fort, bis in alle Ewigkeit. Es ist bezeichnend, dass die Liste der Todsünden gerade jene Alltagsvollzüge diffamiert, in denen der einzelne Mensch ganz bei sich ist: Das exzessive Ausleben sinnlicher Lüste. Gerade dies Beisichsein in erfüllter Lust entfernt den Gläubigen nach Auffassung der Kirche von Gott und muss daher verhindert werden. Um Gott nahe zu kommen – ein Ziel, das bis zum erwähnten Konzil von 1215 nur für Mönche und Kleriker gestellt war, danach aber für alle Christen zur Norm erhoben wurde –, musste alles, was den Menschen eine diesseitige Befriedigung versprach, was sie zufrieden und also bei sich selbst sein liess,
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unter den Verdacht und die Verdammung der Sünde gestellt werden. Die radikalste Selbstbezüglichkeit, das eindeutigste Ganzbeisichselbersein erfährt der Einzelne aber in der Sexualität. Daher ist «Unzucht» oder «Wollust» auch die am schwersten bestrafte der Todsünden, die von der katholischen Kirche – bis heute – am energischsten verfolgte. Auch die verschiedenen protestantischen Konfessionen und die evangelikalen Sekten der Moderne sind dieser Verurteilung der Sexualität gefolgt: Je strenger die Religionsauffassung, um so strenger auch die Verurteilung und Kontrolle der Erotik. Nur zum Zwecke der Reproduktion sollte sie zulässig sein, und selbst dies wird nur widerstrebend zugelassen, als notwendiges Übel – vorausgesetzt, dass man, was in strenger Scholastik durchaus nicht selbstverständlich war, Reproduktion des sündigen Menschen überhaupt für erstrebenswert hielt. Es ist kein Zufall, dass den religiösen Eliten der katholischen Kirche die Befriedigung des Geschlechtstriebs in genussvoller Erotik, die die Gefahr einer Entfernung von Gott durch Selbstbezüglichkeit birgt, bis heute untersagt ist.
Der Todsündenkatalog, die Todsündenlehre, gegen die Don Giovanni verstösst, legitimiert also absolute Herrschaft und in seiner Verweigerung der Reue lehnt er sich gegen diese Herrschaft auf. Das ist die Bedeutung seines Rufes nach Freiheit, nach «Libertà» auf seinem Fest gegen Ende des ersten Aktes der Oper, der sich nur notdürftig und eher halbherzig hinter dem Lobpreis der Maskenfreiheit versteckt. Was hier propagiert und gefeiert wird, ist die Befreiung von einer absoluten, das Innere der Menschen sich unterwerfenden Herrschaft, die sich anheischig macht, sie durch die Konstruktion eines Sündenregisters zu willfährigen Objekten jeder denkbaren Autorität werden zu lassen. Und wir wissen heute, dass nicht nur die katholische Kirche – und auch die protestantischen Konfessionen – sondern alle autoritären Regimes der Neuzeit sich dieser oder strukturell identischer Methoden zu bedienen wussten –mit erschreckendem Erfolg.
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Aber was ist uns heute, am Beginn des 21. Jahrhunderts, dieses «Nein» der Emanzipation, der Freiheit gegen absolute Herrschaft? Den Gedanken, dass das Streben nach Glück sündhaft sein soll, ist in der westlichen Welt nur noch für eine verschwindende Minderheit religiös oder politisch fundamentalistischer Menschen akzeptabel. Sogar die Religion selbst wird inzwischen ausschliesslich
Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shopPavol Breslik, Marina Rebeka Spielzeit 2O12/13 Marina Rebeka, Pavol Breslik Spielzeit 2O12/13
als eine Einrichtung begriffen, die auf das Gedeihen des Menschen ausgerichtet sei und auch zu sein habe, eine Vorstellung, die in christlicher Tradition ganz und gar nicht selbstverständlich ist. Bis zum Überdruss verkünden die Medien der Alltagskultur, Werbung und Unterhaltung immer wieder den Lobpreis des privaten Glücksstrebens, und dies in allen Bereichen, die die Liste der Todsünden stigmatisiert. Verkommt uns also Don Giovanni zum Propheten von Sextourismus und Dauerparty am mallorquinischen Ballermann, von egomanischem Hedonismus in der ubiquitären Warenwelt einer Dauerverfügbarkeit aller Glückserfüllungen, in der es nur noch heisst, zuzugreifen und sich nach Lust und Laune zu bedienen? Können wir die Geschichte des spanischen Verführers also ad acta legen, weil der rebellische Impuls, der in seinem «sündigen» Handeln liegt, heute erloschen und neutralisiert ist?
Der Widerstand gegen selbsternannte, absolute Autorität ist ein Thema auch heute, auch wenn diese uns in ganz anderer Gestalt entgegentritt als zur Zeit Mozarts. Es ist die Warenwelt selber, die an die Stelle politischer oder religiöser Autorität getreten ist. Sie unterwirft uns einer totalen Beherrschung unserer Privatsphäre, unseres Inneren. Sie löst Schuldgefühle aus, wenn es nicht mehr gelingt, zu geniessen, mitzuhalten in der letzten, jeweils neuesten Genusssteigerung, die als Verzückung angeboten wird, in der ständigen Überbietung alles bisher Dagewesenen in der Reizstimulation.
Asketismus aber ist keine Alternative. Der vollkommene Verzicht, den dieser propagiert, könnte heute nur noch als psychischer Defekt verstanden werden und würde bei einer kleinen Restbewunderung überwiegend Mitleid oder Verständnislosigkeit auslösen. Worum es heute gehen könnte, ist zwar nicht die grenzüberschreitende Expansion, mit der Don Giovanni gegen Missachtung des Menschlichen aufbegehrt, aber auch nicht bevormundende Appelle des Masshaltens, der Bescheidenheit oder stillen Zufriedenheit mit Erreichtem. Vor allem aber geht es nicht darum, wieder zu einer Verdammnis des menschlichen Strebens nach Glück zu kommen, wie sie die Lehre von den Todsünden formulierte. Auch wenn wir es heute aus schierer Gewöhnung manchmal aus den Augen verlieren, ist die Anerkennung eines Glücksstrebens, eines Hedonismus als zutiefst menschlich die zentrale Leistung der westlichen Aufklärung, die man nicht ohne Not aufs Spiel setzen sollte. Dafür tritt Mozart
Das
nicht nur im Don Giovanni ein. Fraglich bleibt nur, wie sich denn dieses Glück, und zwar das Glück der Vielen oder sogar aller ohne einen autoritär gestützten Verweis auf ein Jenseits als einziger Glücksquelle erreichen liesse. Eine Antwort, und vielleicht nicht die schlechteste, gibt Zerlina durch ihre Innigkeit, ihrer vollkommenen, und dennoch von zartem, eher neckendem als verletzendem Spott getragenen Zuneigung. Auch sie ist ganz Sinnlichkeit, aber von einer ganz anderen Art als Don Giovanni. Sie ist Selbsterfüllung und Mitgefühl, ganz Hingabe und dennoch Selbstbehauptung, und damit die Einzige, die ihre Emotionalität über Don Giovannis Untergang hinaus behaupten kann. Sie bezieht ihre Sinnlichkeit, ihre Emotionalität nicht von der zentralen Sonne Don Giovanni, die alle anderen Figuren zum Leuchten bringt, so dass sie mit seinem Untergang auch verlöschen, sondern aus ihrer Menschlichkeit, aus ihrer Natürlichkeit, wie es Theodor W. Adorno sagte. Sie ist nicht Reflex, nicht erregt durch das Genie der Sinnlichkeit, sondern autonom und authentisch in der Klugheit ihrer Gefühlswelt. Sie ist gleichermassen sowohl Hingabe und Sinnenfreude als auch Sorge und Mitgefühl. Don Giovanni gehört unsere Bewunderung für seinen emanzipatorischen Mut, Zerlina aber unsere Liebe. Sie weist uns den Weg in ein wahrhaft menschliches Zeitalter. Don Giovanni befreit uns von selbsternannter, illegitimer Autorität, Zerlina schenkt uns die neue der Empathie.
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oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerbenPeter Mattei Spielzeit 2O12/13
Es gibt eine höchste Freude, und das ist jene göttliche Ekstase, in der uns die Seele zu verlassen scheint, um in das geliebte Objekt überzugehen; in der zwei Liebende zu einem einzigen, ganz von der Liebe beseelten Wesen verschmelzen. Doch so intensiv auch die Freuden sind, die den Menschen ausser sich geraten lassen, so sind sie doch nur Freuden. Erst mit dem herrlichen Zustand, der auf sie folgt, kann die befriedete Seele alle Wohltaten der Wollust in vollen Zügen auskosten.
Dann erst ist sie wirklich bei sich; dann erst kann sie sich selbst voll und ganz geniessen; dann erst kann sie sich mit dem gleichen Wohlgefallen betrachten, mit dem Adonis seinen Körper betrachtete, denn sie sieht sich im Spiegel der Wollust. Dennoch ist es schade, dass die Momente intensiven Glücks – Liebesrausch, Liebestaumel oder wie immer man sie nennen mag –nicht länger andauern und das ihnen ergebene Herz so schnell wieder verlassen.
Peter Mattei, Rafal Siwek, Ruben Drole Spielzeit 2O12/13DON GIOVANNI
WOLFGANG AMADEUS MOZART (1756–1791)
Dramma giocoso in zwei Akten
Libretto von Lorenzo Da Ponte
Uraufführung: 29. Oktober 1787, Prag
Neufassung der Rezitative von Sebastian Baumgarten
Personen
Don Giovanni Bariton
Donna Anna Sopran
Don Ottavio, ihr Verlobter Tenor
Der Komtur, ihr Vater Bass
Donna Elvira, von Don Giovanni verlassen Sopran
Leporello, Don Giovannis Diener Bass
Zerlina, eine Bäuerin Sopran
Masetto, ihr Bräutigam Bass
Bäuerinnen, Bauern, Diener, Musikanten
ATTO PRIMO
SCENA I
Giardino. Notte. Leporello con ferraiulo, che passeggia davanti la casa di Donna Anna; poi Don Giovanni, Donna Anna; indi il Commendatore.
NO. 1 INTRODUZIONE
LEPORELLO
Notte e giorno faticar per chi nulla sa gradir; piova e vento sopportar, mangiar male e mal dormir...
Voglio far il gentiluomo, e non voglio più servir. Oh, che caro galantuomo!
Vuol star dentro colla bella, ed io far la sentinella! Ma mi par... che venga gente; non mi voglio far sentir.
S’asconde. Donna Anna esce tenendo forte pel braccio Don Giovanni, ed egli cercando sempre di celarsi.
DONNA ANNA
Non sperar, se non m’uccidi, Ch’io ti lasci fuggir mai.
DON GIOVANNI
Donna folle! indarno gridi! Chi son io tu non saprai.
LEPORELLO
(Che tumulto! oh ciel, che gridi! Il padron in nuovi guai!)
DONNA ANNA
Gente! servi! al traditore!
DON GIOVANNI
Taci, e trema al mio furore!
DONNA ANNA Scellerato!
DON GIOVANNI Sconsigliata!
ERSTE SZENE
Garten. Nacht.
Leporello, mit einem Umhang, geht vor dem Hause der Donna Anna auf und ab; dann Don Giovanni und Donna Anna; später der Komtur.
NR. 1 INTRODUKTION
LEPORELLO
Tag und Nacht sich abrackern für einen, der es nicht zu schätzen weiss. Wind und Regen aushalten, schlecht essen und schlecht schlafen…
Ich will selbst den Edelmann machen und will nicht mehr dienen!
Oh, so ein feiner Ehrenmann! Sie sind da drin mit Ihrer Schönen, und ich muss Wache schieben. Ich glaube, da kommt jemand. Ich will nicht, dass man mich hört. Er versteckt sich. Donna Anna stürzt aus dem Haus, Don Giovanni am Arm haltend, der sein Gesicht zu verbergen sucht.
DONNA ANNA
Glaube nicht, dass ich dich gehen lasse, wenn du mich nicht umbringst.
DON GIOVANNI
Wahnsinnige! Du schreist vergebens. Du wirst nicht erfahren, wer ich bin!
LEPORELLO
(Welch ein Spektakel! Himmel, was für ein Geschrei! Der Herr steckt wieder in Schwierigkeiten.)
DONNA ANNA
Hilfe! Ihr Leute! Auf den Verräter!
DON GIOVANNI
Sei still! Fürchte meinen Zorn!
DONNA ANNA Schändlicher!
DON GIOVANNI
Närrin!
LEPORELLO (Sta’ a veder che il malandrino mi farà precipitar.)
DONNA ANNA Come furia disperata, ti saprò perseguitar.
DON GIOVANNI (Questa furia disperata mi vuol far precipitar.)
Sentendo il Commendatore Donna Anna lascia Don Giovanni ed entra in casa.
COMMENDATORE Lasciala, indegno! Battiti meco.
DON GIOVANNI Va, non mi degno di pugnar teco.
COMMENDATORE Così pretendi da me fuggir?
LEPORELLO (Potessi almeno di qua partir!)
COMMENDATORE Battiti!
DON GIOVANNI Misero! attendi, se vuoi morir! Combattono.
COMMENDATORE mortalmente ferito Ah… soccorso!… son tradito! L’assassino… m’ha ferito… E dal seno palpitante sento l’anima partir.
DON GIOVANNI (Ah… già cade il sciagurato... Affannosa e agonizzante già dal seno palpitante veggo l’anima partir.)
LEPORELLO (Qual misfatto! qual eccesso! Entro il sen, dallo spavento, palpitar il cor mi sento.
LEPORELLO Man wird sehen, dass mich dieser Leichtfuss ins Unglück stürzen wird.
DONNA ANNA Wie eine verzweifelte Furie werde ich dich verfolgen!
DON GIOVANNI (Diese verzweifelte Furie wird mich ins Unglück stürzen.)
Donna Anna, die den Komtur kommen hört, lässt Don Giovanni los und eilt ins Haus.
KOMTUR Lass sie los, Schurke, schlage dich mit mir.
DON GIOVANNI Geh! Dich zu erstechen ist meiner unwürdig.
KOMTUR So meinst du, mir zu entkommen?
LEPORELLO (Wenn ich nur könnte, liefe ich weg.)
KOMTUR Schlage dich mit mir!
DON GIOVANNI Elender, warte, wenn du sterben willst. Sie fechten.
KOMTUR tödlich verwundet Ach! zu Hilfe! Ich bin verraten. Der Mörder hat mich verwundet, und aus meiner Brust fühle ich die Seele entfliehen.
DON GIOVANNI (Ach, schon fällt der Schuft, leidend und im Todeskampf sehe ich aus seiner Brust die Seele entfliehen.)
LEPORELLO (Welch eine Untat! Welch ein Verbrechen! In meiner Brust fühle ich, wie mein Herz vor Angst schlägt!
Programmheft
DON GIOVANNI
Dramma giocoso in zwei Akten von Wolfgang Amadeus Mozart (1765–1791)
Premiere am 26. Mai 2013, Spielzeit 2012/13
Wiederaufnahme am 23. September 2023, Spielzeit 2023/24
Herausgeber Opernhaus Zürich
Intendant Andreas Homoki
Zusammenstellung, Redaktion Werner Hintze
Layout, Grafische Gestaltung Carole Bolli
Titelseite Visual François Berthoud
Anzeigenverkauf Opernhaus Zürich, Marketing Telefon 044 268 66 33, inserate@opernhaus.ch
Schriftkonzept und Logo Studio Geissbühler Druck Fineprint AG
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Quellen:
Texte: Die Handlungserzählung, die Gespräche mit Sebastian Baumgarten und Thomas Macho und der Essay von Albrecht Göschel entstanden für dieses Programmheft. Julien Offray de La Mettrie: Die Kunst, Wollust zu empfinden. Nürnberg, LSR-Verlag 1987. Friedrich Nietzsche: Jenseits von Gut und Böse. Leipzig, Alfred Kröner Verlag 1930. Søren Kierkegaard: Entweder – Oder. München, Deutscher Taschenbuch Verlag 1988.
Bildnachweise:
Die Klavierhauptprobe am 16. Mai 2013 wurde fotografiert von Monika Rittershaus.
Urheber, die nicht erreicht werden konnten, werden zwecks nachträglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten.
Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie den Beiträgen der Kantone Luzern, Uri, Zug und Aargau im Rahmen der interkantonalen Kulturlastenvereinbarung und den Kantonen Nidwalden, Obwalden und Schwyz.
PARTNER
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Freunde des Balletts Zürich
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Hans und Edith Sulzer-Oravecz-Stiftung
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Swiss Re
Zürcher Kantonalbank
GÖNNERINNEN UND GÖNNER
Art Mentor Foundation Lucerne
Josef und Pirkko Ackermann
Alfons’ Blumenmarkt
Familie Thomas Bär
Bergos Privatbank
Margot Bodmer
Elektro Compagnoni AG
Stiftung Melinda Esterházy de Galantha
Fitnessparks Migros Zürich
Egon-und-Ingrid-Hug-Stiftung
Walter B. Kielholz Stiftung
KPMG AG
Landis & Gyr Stiftung
Die Mobiliar
Fondation Les Mûrons
Pro Helvetia, Schweizer Kulturstiftung
StockArt – Stiftung für Musik
Else von Sick Stiftung
Ernst von Siemens Musikstiftung
Elisabeth Weber-Stiftung
FÖRDERINNEN UND FÖRDERER
CORAL STUDIO SA
Theodor und Constantin Davidoff Stiftung
Dr. Samuel Ehrhardt
Frankfurter Bankgesellschaft (Schweiz) AG
Garmin Switzerland
Stiftung LYRA zur Förderung hochbegabter, junger Musiker und Musikerinnen
Irith Rappaport
Richards Foundation
Luzius R. Sprüngli
Madlen und Thomas von Stockar