LEONCE UND LENA CHR ISTIAN SPUCK
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LEONCE UND LENA BALLETT VON CHRISTIAN SPUCK Nach dem Lustspiel von Georg Büchner (1813–1837) Musik von Johann Strauss, Josef Strauss, Amilchare Ponchielli, Léo Delibes, Bernd Alois Zimmermann, Alfred Schnittke, Martin Donner u.a. Uraufführung: 27. April 2008, Aalto Ballett Theater Essen
Partner Ballett Zürich
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Man nennt mich einen Spötter. Es ist wahr, ich lache oft, aber ich lache nicht darüber, wie Jemand ein Mensch, sondern nur darüber, dass er ein Mensch ist, wofür er ohnehin nichts kann, und lache dabey über mich selbst, der ich sein Schicksal theile. Georg Büchner an die Familie im Februar 1834
DIE HANDLUNG 1. Teil Leonce, der Prinz des Königreichs Popo, liegt im Garten und vertreibt sich die Langeweile, während der Hofmeister erfolglos versucht, ihn mit den Regierungsaufgaben vertraut zu machen. Valerio, ein lebensfroher Müssiggänger, freundet sich mit Leonce an. König Peter vom Reich Popo lässt sich von seinen beiden Ankleidern die Staatsgewänder anlegen. Ein Knoten im Taschentuch stört allerdings die Zeremonie des Königs, weil sowohl ihm als auch den Ministern nicht einfallen will, woran ihn die Gedächtnisstütze erinnern soll. Auf einer Tanzgesellschaft im Ballsaal des Reiches Popo lässt Leonce seine Mätresse Rosetta zu sich rufen, schickt sie aber gelangweilt wieder davon. Während des Festes erklärt der Staatspräsident, dass die längst arrangierte Hochzeit mit Prinzessin Lena aus dem Reich Pipi am kommenden Tag stattfinden soll. Der Hofstaat drängt Leonce, endlich seine Pflichten als Thronfolger wahrzunehmen. Daraufhin beschliessen Leonce und Valerio zu fliehen. Im höfischen Garten des Reiches Pipi sitzt Prinzessin Lena und denkt über den Sinn des Lebens in einer ungewollten Ehe mit einem ihr unbekannten Prinzen nach. Das elterliche Arrangement ist für sie unerträglich. Sie sehnt sich nach Freiheit und plant in jugendlichem Trotz mit ihrer Gouvernante die Flucht. In der Nähe eines Wirtshauses kreuzen sich die Wege der beiden Frauen mit denen von Leonce und Valerio.
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2. Teil Die Wirtshausgäste befinden sich im Garten, wo auch Valerio und die Gouvernante aneinander Gefallen finden. Abseits des Trubels verlieben sich Leonce und Lena ineinander. Zwischen den bisher vom Leben Enttäuschten entwickelt sich eine Zweisamkeit voller Sehnsucht nach Liebe, aber auch voller Skepsis. Das nicht gekannte Glücksgefühl mündet bei Leonce in einen Todeswunsch, von dem Valerio ihn aber in letzter Minute abbringen kann. Im Reich Popo trifft der Hofstaat alle Vorbereitungen für die Vermählung des Prinzen und der Prinzessin. Allerdings vermisst man Braut und Bräutigam. Leonce, Lena, die Gouvernante und Valerio gesellen sich als Automaten maskiert zu den Gästen. Geführt von Valerio, treten Leonce und Lena in den Vordergrund. König Peter lässt die «Fremden» trauen. Mit der darauffolgenden Demaskierung des Brautpaars stellen sowohl das Königshaus als auch Leonce und Lena die doppelt schicksalhafte Fügung fest: Die für einander Bestimmten haben sich in Freiheit verliebt und der Hof das eigentlich als vermisst erklärte Paar getraut. Die Regierungsgeschäfte werden in Leonces Hände gelegt, Valerio bezieht den Posten des Staatsministers und will generellen Müssiggang verordnen. So bleibt alles beim Alten und jeder bezieht die Position, die für ihn vorgesehen war.
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MUSIK 1. Teil Prolog Ouvertüre: Johann Strauss (Vater): Chineser-Galopp Martin Donner: Prologue Leonce und Valerio aus Popo Bernd Alois Zimmermann: Prolog aus «Das Gelb und das Grün» Johann Strauss (Sohn): Perpetuum Mobile Eartha Kitt: Let’s Do It König Peter und seine Minister Alfred Schnittke: Ball aus der «Gogol-Suite» Martin Donner: Gadget Society Rosetta / Der Entschluss zu fliehen Amilcare Ponchielli: Tanz der Stunden aus «La Gioconda» Bernd Alois Zimmermann: Kleiner Walzer aus «Das Gelb und das Grün» Lena und ihre Gouvernante aus Pipi Bernd Alois Zimmermann: Petite valse lunaire aus «Un petit rien» Léo Delibes: Pizzicato aus «Sylvia» Flucht Alfred Schnittke: Der Mantel aus der «Gogol-Suite» Hank Cochran: Little Bitty Tear Bernd Alois Zimmermann: Phantasmagorie aus «Das Gelb und das Grün» Alfred Schnittke: Ouvertüre aus der «Gogol-Suite» Pause: Martin Donner: Statics
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2. Teil Ouvertüre: Johann Strauss (Sohn): Klipp-Klapp-Galopp aus der Operette «Waldmeister» Wirtshaus Johann Strauss (Sohn): Ouvertüre aus «Die Fledermaus» Bernd Alois Zimmermann: Phantasmagorie aus «Das Gelb und das Grün» Johann Strauss (Sohn) und Josef Strauss: Pizzicato-Polka Leonce und Lena The Mamas and the Papas: Dream a Little Dream Martin Donner: Love Pattern Hochzeitsvorbereitungen Bernd Alois Zimmermann: Der Ritt durch den Wald aus der «Märchensuite» Bernd Alois Zimmermann: Burleske aus «Das Gelb und das Grün» Johann Strauss (Sohn): Künstler-Quadrille Automaten Martin Donner: Eternal Marriage Alfred Schnittke: Das Spiel aus «Die Kommissarin» Bernd Alois Zimmermann: Epilog aus «Das Gelb und das Grün» Josef Strauss: Plappermäulchen Epilog Hank Cochran: Little Bitty Tear
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Leonce Mein ganzes Leben gähnt mich an, wie ein grosser weisser Bogen Papier, den ich vollschreiben soll, aber ich bringe keinen Buchstaben heraus. Mein Kopf ist ein leerer Tanzsaal, einige verwelkte Rosen und zerknitterte Bänder auf dem Boden, geborstene Violinen in der Ecke, die letzten Tänzer haben die Masken abgenommen und sehen mit todmüden Augen einander an. Georg Büchner, Leonce und Lena, 1. Akt, Dritte Szene
Lena O Gott, ich könnte lieben, warum nicht? Man geht ja so einsam und tastet nach einer Hand, die einen hielte, bis die Leichenfrau die Hände auseinandernähme und sie jedem über die Brust faltete. Aber warum schlägt man einen Nagel durch zwei Hände, die sich nicht suchten? Georg Büchner, Leonce und Lena, 1. Akt, Vierte Szene
AUF BÜCHNERS SPUREN Das Ballett Zürich entdeckt einen Dichter. Ein Gespräch mit Christian Spuck
Christian, mit Leonce und Lena und Woyzeck hat sich das Ballett Zürich bereits 2013 auf die Spuren des deutschen Dichters Georg Büchner begeben. Was war der Hintergrund für dieses ungewöhnliche Projekt? Normalerweise beschäftigen sich Ballettcompagnien mit Choreografen und ihren Werken. Dass sich das Ballett Zürich mit gleich zwei Produktionen einem Dichter zugewandt hat, war für die Tänzerinnen und Tänzer, aber auch für das Publikum eine neue, reizvolle Erfahrung. Georg Büchners bilderreiche und witzige Sprache, sein scharfer Blick auf die soziale Realität seiner Zeit hatten mich seit langem fasziniert. Es ist kaum zu glauben, dass er nur 23 Jahre alt geworden ist. Was für eine unbändige Energie tritt einem aus dieser Biografie entgegen! Büchner war Revolutionär, Dichter und Wissenschaftler aus Überzeugung und Leidenschaft. Mit Leonce und Lena und Woyzeck haben wir 2013 den 200. Geburtstag von Georg Büchner begangen. An zwei sich ergänzenden Abenden hatte das Publikum Gelegenheit, einem Dichter zu begegnen, der mit Zürich auf besondere Weise verbunden ist und hier die letzten Monate seines Lebens verbrachte. Dass wir Leonce und Lena jetzt in grossteils neuer Besetzung herausbringen, ist für die Compagnie und mich eine grosse Freude. Was macht Büchners Stücke für dich als Choreografen interessant? Neben der Zeitlosigkeit der Texte und ihrer unverminderten Aktualität ist es vor allem die kurze und kompakte Struktur, die einer choreografischen Umsetzung entgegen kommt. Die Handlung in Leonce und Lena wie auch in dem nur als Fragment überlieferten Woyzeck entwickelt sich in schnell aufeinanderfolgenden, stationsartigen Szenen, auf die man dramaturgisch mit relativ grosser Freiheit reagieren kann. In beiden Geschichten gibt es genau
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die temporeichen Handlungsvorgänge, die man für ein «Literaturballett» braucht. Büchner hat seine Figuren mit übergrosser Genauigkeit charakterisiert, was mir unglaublich viele Anregungen liefert, um für sie eine indivi duelle Körpersprache zu erfinden. Vor allem aber geht es bei so einer choreo grafischen Adaption auch darum, eine Dimension zu eröffnen, die der blosse Text nicht bietet. Anstatt den Text nachzubuchstabieren, benutze ich ihn als Ausgangspunkt, um selbst kreativ zu werden. Worin liegt die Zeitlosigkeit von Leonce und Lena? In seinem Lustspiel kritisiert Büchner die sozialen Verhältnisse seiner Zeit. Natürlich kann man die Zustände in den deutschen Zwergstaaten des ausklingenden Absolutismus nicht mit der heutigen Situation vergleichen, aber so wie König Peter sich nur mit einem Knoten im Taschentuch an seine Untertanen erinnert, darf man sich in unseren Tagen oft genug darüber wundern, wie die Mächtigen von heute an den Interessen ihrer Wähler vorbeiregieren. Obwohl sich Leonce und Lena den von ihren Vätern für sie geschmiedeten Hochzeitsplänen durch Flucht entziehen, finden sie sich am Ende gemeinsam vor dem Traualtar wieder. Mit diesem Fatalismus der Geschichte und der Erfahrung, dass sich an manchen Dingen trotz edelster Absichten nichts ändern lässt, hat sich wohl jeder schon konfrontiert gesehen. Und jeder kennt sicher einen Leonce, der vor Langeweile umkommt und nicht weiss, was er mit dem Leben anfangen soll – das gehört zu den Phänomenen der späten Pubertät. Neben der Bestandsaufnahme einer gesellschaftlichen Situation wird in Leonce und Lena sehr klar danach gefragt, was ein Leben lebenswert macht. Deine Ballettadaption von Leonce und Lena ist 2008 für das Aalto Ballett Theater in Essen entstanden und wurde mit grossem Erfolg von den Grands Ballets Canadiens und dem Stuttgarter Ballett gezeigt. Warum hast du sie auch ins Repertoire des Balletts Zürich übernommen? Wann immer man so ein Ballett mit einer neuen Compagnie einstudiert, begibt man sich auf Entdeckungsreise zu dem, was man einst selbst kreiert hat. Noch einmal hat man die Möglichkeit, Dinge zu hinterfragen und eventuell
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auch zu verändern. Natürlich gibt es in der Zürcher Fassung Unterschiede zu der Version aus Essen. Dramaturgisch haben wir einige Aspekte geschärft, und als Choreograf reagiere ich jeweils auf die individuellen Möglich keiten unserer Zürcher Besetzung. Es lag nahe, dieses Ballett im Kontext des Büchner-Geburtstages in der Büchner-Stadt Zürich zu zeigen. Ausserdem ist es eine Produktion, die alle Altersstufen gleichermassen anspricht. Ab weichend vom herkömmlichen Handlungsballett ist Leonce und Lena mehr im Schauspiel verwurzelt und nutzt eine andere Art der Körpersprache. Die wirkt auf der Bühne sehr leicht und unterhaltend, bedeutet für die Tänze rinnen und Tänzer jedoch eine enorme Herausforderung, da der Zugang zu ihren Rollen kein choreografischer, sondern ein schauspielerischer ist.
Das komplette Programmbuch Wie gelingt es, die Compagnie auf diesen schauspielerischen Ansatz einzuschwören? können Sie auf Wie in jeder Choreografie machen sich die Tänzer auch hier mit ihrem «Text», dem Schrittmaterial, und der Musik vertraut. Aber mehr als bei anderen Ballettwww.opernhaus.ch/shop en wird die Bewegung hinterfragt: Worum geht es in dieser Szene? Warum bewege ich mich so und nicht anders? Was sagt das über die Figur? oder am Vorstellungsabend Foyer Wir versuchen, viel exakter mit Körperhaltungen zu arbeiten. Imim tänzerischen Ausdrucksspektrum reagiere ich auf den Büchner-Text, der sehr von der Dop pelbödigkeit der Figurenrede und einem satirisch-ironischen Ton geprägt des Opernhauses erwerben ist. In Leonce und Lena habe ich versucht, die Karikatur der Sprache für den Körper neu zu erfinden. Es gehört zum Wesen der Karikatur, dass sie nicht nur vom Element des Humors, sondern auch von einer gewissen Boshaftigkeit lebt, mit der eine Sache auf den Punkt gebracht wird. Diese Balance müssen die Tänzerinnen und Tänzer finden, denn nur so entsteht die Schärfe, von der Büchners Lustspiel lebt. Wie entgehst du in dieser vertanzten Version von Leonce und Lena der Gefahr, die Geschichte zu verharmlosen? Tatsächlich besteht das Risiko, dass alles zu hübsch und unverbindlich daherkommt. Den Stachel des Textes möchte ich auch in dieser Ballettadaption erhalten. «Ich habe freilich noch eine Art von Spott, die des Hasses.» So
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schreibt Büchner kurz vor der Entstehung seines Lustspiels an seine Eltern. Auch das muss man zeigen. In der Choreografie gelingt das, indem viele Bewegungen und viele Charaktere überzogen werden und auch Hässlichkeit zum Thema gemacht wird. Immer wieder gibt es diese Glatteis-Momente, an denen die Aufführung angehalten wird. Das unterhaltende Moment wird da von einer Art der Verunsicherung durchbrochen. Wenn etwa der wichtigste Mann auf der Bühne seinen «Text» vergisst, geht es nicht weiter. Die Auf führung scheint nicht mehr zu funktionieren und sich selbst zu hinterfragen. In Leonce und Lena hat Georg Büchner mit vielen Zitaten und Verweisen auf Werke von Shakespeare, Goethe, Brentano, Tieck und die Commedia dell’Arte gearbeitet. Das literarische Zitat ist gleichsam ästhetisches Bauprinzip. Findet man dafür eine Entsprechung in deiner Adaption? So, wie sich Büchner literarischer Anspielungen und Zitate bedient, habe ich gemeinsam mit Ausstatterin Emma Ryott diese Technik übernommen, indem wir nicht nur mit musikalischen, sondern auch mit choreografischen, bühnen-, kostüm- und maskenbildnerischen Zitaten gearbeitet haben. John Crankos Der Widerspenstigen Zähmung, wo Hochzeitsgäste eine Trauung mit Lilien umrahmen, findet ebenso ihren Niederschlag wie der Liebes-Pas de deux aus Kenneth MacMillans Manon oder Der grüne Tisch von Kurt Joos in der Szene König Peters mit seinen Ministern. Natürlich darf man solche Zitate nicht wahllos über die Choreografie verteilen, sondern muss sich im Klaren darüber sein, wann und warum man sie einsetzt. Obwohl Leonce und Lena immer wieder als «Komödie der Langeweile» apostrophiert wird, vollzieht sich das Geschehen in einem enormen Tempo. Die Personen scheinen sich in Siebenmeilenstiefeln von Ort zu Ort zu bewegen: Raum und Zeit sind komisch verkürzt. Wie spiegelt sich das in deinem Ballett wider? Vor allem mit der Musikauswahl haben wir versucht, die rasende Geschwindig keit, aber auch das Gefühl der Langeweile einzufangen – mit Stücken, die sich durch ein irrsinniges Tempo auszeichnen und jede Form von Schwermut oder Melancholie vermeiden. Walzern und Polkas der Familie Strauss aus dem
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19. Jahrhundert werden Walzer und Polkas von Bernd Alois Zimmermann und Alfred Schnittke aus dem 20. Jahrhundert gegenübergestellt und somit ein bewusster Bruch geschaffen. Gleichwohl gibt es Oasen der Zeitlosig keit, wo die Welt träumend still zu stehen scheint. So hört Leonce aus seinem Kassettenrecorder Songs von Eartha Kitt, Hank Cochran und The Mamas and the Papas. Durch die Verwendung einer Drehbühne ermöglicht das Bühnenbild von Emma Ryott schnelle Stationswechsel, schafft mit den dort installierten Aufbauten aber gleichzeitig eine Atmosphäre der Enge. Davon ausgehend, dass Leonce und Lena am Ende als «Automaten» am Hofe König Peters erscheinen und miteinander verheiratet werden, zieht sich ein maschinisierter Bewegungsduktus durch das ganze Stück. Die Begeisterung für Automaten und mechanische Puppen hat das 19. Jahrhundert geprägt. Der romantische Wunsch, diese Puppen und Automaten zum Leben zu er wecken, wird bei Büchner allerdings in sein Gegenteil verkehrt: die Menschen scheinen zu fremd steuerbaren Automaten zu werden, die alle Funktionen menschlichen Lebens perfekt erfüllen können.
Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben Das Gespräch führte Michael Küster
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Büchners Lachen in «Leonce und Lena» ist nicht herzlich. Es ist nicht das behaglich-humoristische Lachen, das sich in der Welt und ihrer Schlechtigkeit eingerichtet hat. Es ist nicht voll und schon gar nicht dröhnend. Es ist ein artistisches Lachen. Es ist wesentlich Sprachwitz, der anspricht gegen das Nichts. Die Schwermut der Jugend ist in ihm. Es ist ein melancholisches Lachen, ein Mittel gegen den Weltschmerz. Leonce und Lena finden sich über die Brücke des Weltschmerzes. «Weltschmerz» ist ebenso wie «Schwermut» und «Melancholie» etwas Feineres als die heute massenhaft gewordene «Depression». Die Depression macht keine Witze, der Weltschmerz schon. Büchner lachte, um nicht zu weinen. Er ist ein Schwermütiger, kein «Ausplauderer lustiger Selbstbehaglichkeit». Sein Lustspiel ist nicht lustig. Wenn doch alles sinnlos ist, muss man sich irgendwie die Zeit vertreiben. Leonce entwirft mit komischer Präzision einen Plan dafür und weiss zugleich, dass der Weltschmerz unbesiegbar ist wie die Erbsünde.
Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben Hermann Kurzke
DIE GETANZTE KARIKATUR DEUTSCHER KLEINSTAATEREI Christian Spuck schuf Leonce und Lena nach dem gleichnamigen Lustspiel Georg Büchners aus dem Jahr 1836 für das Aalto Ballett Theater Essen. Ab weichend vom gewöhnlichen Handlungsballett, wählt Spuck hierin einen schauspielerischen Ansatz, über den er dann zum Tanz gelangt. Die Konflikte der literarischen Vorlage nehmen in seiner Inszenierung vielfältige Gestaltungsformen an: Mit den Mitteln der Choreografie, der Musik, der Ausstattung und des Lichts vollzieht er die Büchnersche Karikatur der an Langeweile und Müssiggang kran kenden Adelsgesellschaft des ausklingenden Absolutismus nach. Als besondere Herausforderungen des augenscheinlich simplen Handlungsschemas erweisen sich dabei die Erhaltung der Sprachvirtuosität Büchners und die kurzweilige Darstellung der Langeweile. Bewusst sind die sozialkritischen Züge des ursprünglichen Plots im Handlungsballett auf ein Minimum reduziert, um die Karikatur der Adelsgesellschaft pointiert darstellen zu können. Die eigentlich dreiaktige Struktur des Lustspiels wurde dazu in eine zweiteilige Form umgearbeitet: Anhand eines bunten Bilder reigens von Orten und Figuren wird, der literarischen Vorlage folgend, ein Bogen vom Automatenkult des 19. Jahrhunderts über das Märchenhafte der Romantik bis hin zum fatalistischen Weltbild Büchners geschlagen. Entgegen dem scheinbaren Happy End geht im Epilog des Balletts doch alles wieder den zu Beginn vorgestellten Gang der Langeweile und des Müssiggangs: Nichts hat sich verändert. Die «Karikatur der Sprache für den Körper neu zu erfinden» und trotz all der Komik auch die ernsten Anklänge für den Zuschauer spürbar zu machen, reizten Christian Spuck dazu, sich Büchners Lustspiel inszenatorisch und cho reografisch zu nähern. Dabei stand für ihn die Zitattechnik, wie Büchner sie
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unter anderem in Leonce und Lena gebraucht, im Mittelpunkt: Ebenso wie sich der Autor in seinen Werken literarischer Anspielungen und Zitate unter anderem aus Werken Shakespeares und der Commedia dell’Arte bedient, mittels derer er eine Polyphonie des Textes erzeugt, gebraucht Spuck choreografische, bühnen-, kostüm- und maskenbildnerische sowie musikalische Zitate. So zitiert Spuck aus den drei grosse Handlungsballetten John Crankos, Romeo und Julia (1959/ 1962), Onegin (1965/1967) und Der Widerspenstigen Zähmung (1969), sowie aus dessen Jeu de cartes (1965). Ebenso setzt er choreografische Elemente aus Balletten Petipas und Balanchines ein. Daneben finden Zitate aus der Ausstattung mancher Cranko-Ballette Eingang in die Inszenierung: Die Hochzeitsgäste rahmen beispielsweise die Trauung mit Lilien ein, die sie in den Händen halten, und erinnern damit an Szenen aus Romeo und Julia und Der Widerspenstigen Zähmung. Die Kleidungskonventio nen des Empire werden auf ironische Weise zitiert und gebrochen. Als weitere Kommentarebene dient Spuck die Musik. Die Auswahl reicht hier von den fröh lichen Walzern der Familie Strauss über Musik Amilchare Ponchiellis, lyrische Ballettkompositionen Léo Delibes’ und teils dissonante Klänge Bernd Alois Zimmermanns und Alfred Schnittkes bis hin zu Songs von Eartha Kitt, Hank Cochran und The Mamas and the Papas. Diese Stücke werden durch eingespiel te elektronische Musik Martin Donners verbunden. Dazu übernimmt Donner zum einen Motive aus der übrigen Musik, zum anderen schafft er neue Motive, darunter auch ein Glockenmotiv, das für die Liebe von Leonce und Lena steht. Den Walzern und Polkas der Familie Strauss aus dem 19. Jahrhundert werden die Walzer und Polkas Zimmermanns und Schnittkes aus dem 20. Jahrhundert gegenübergestellt und somit ein bewusster Bruch geschaffen. Gleiches gilt für die Songs, die Leonce mit dem Kassettenrekorder abspielt. Die Texte dieser Unterhaltungsmusik kommentieren die jeweilige Situation. Parallel zur Tanzmusik bilden die Songs zudem einen Kontrast zu Langeweile und Müssiggang, zu deren Darstellung sie herangezogen werden. Die einzelnen Figuren werden sowohl über die Musik als auch über ihre Tanzsprache charakterisiert. So bewegen sich die Hauptfiguren bis zur Automatenszene in dem spezifisch für sie angelegten Bewegungsvokabular: Lena ist stets in Bodennähe; Leonce findet einfach keinen Fokus und leidet entsprechend
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seines Müssiggangs an einer gewissen »Unterspannung». Valerios Bewegungsvokabular ist durch ein ständiges Rückwärtsgehen geprägt. Ausserdem trägt er choreografische Züge des Jokers aus Crankos Jeu de cartes. Die Gouvernante wird durch exaltiert-schlaksige Gesten karikiert, während Rosetta mit ihrer Haltung an die aristokratisch-überhebliche Mädchenriege in Onegin erinnert. Der Hofstaat wir mitsamt den hyperaktiven, unter Handlungsdruck stehenden Ministern als puppenhaftes Marionettentheater dargestellt. Mit dem maschinisierten Bewegungsduktus der Automaten greift Spuck ein Motiv auf, das bereits in früheren Jahrhunderten von der Literatur ausgehend Eingang in Oper und Ballett fand: Der Automat als Sinnbild der aufklärerischen Idee vom perfekten Menschen liegt bereits E.T.A. Hoffmanns Erzählung Der Sandmann (1817) zugrunde. Jacques Offenbach adaptierte aus dieser Erzählung die Figur der automatisierten Holzpuppe Olympia für den zweiten Akt seiner Oper Hoffmanns Erzählungen (1851). Léo Delibes schuf 1870 das berühmte Ballett Coppélia oder Das Mädchen mit den Glasaugen und Christian Spuck 2006 das Handlungsballett Der Sandmann nach der gleichnamigen Erzählung E.T.A. Hoffmanns. Die Darstellung des Automatisch-Puppenhaften eignet sich, wie dieser Blick in die Balletthistorie zeigt, hervorragend für den Tanz. Ein Grund dafür liegt in der choreografischen Zergliederbarkeit des Körpers, wie sie auch Christian Spuck in Leonce und Lena für den sich im marionet tenhaften Duktus bewegenden Hofstaat gebraucht. Sein Handlungsballett re flektiert ebenso wie Coppélia die im 19. Jahrhundert herrschende Begeisterung für Automaten und mechanische Puppen. Der romantische Wunsch, diese Puppen und Automaten zum Leben zu erwecken, wird hier allerdings in sein Gegenteil verkehrt: Bei Büchner und folglich auch bei Spuck werden die Menschen zu Automaten und somit fremd steuerbar. Christian Spuck setzt mit Leonce und Lena die Balletttradition der puppenhaften Figuren fort und lässt diese – befreit von allem Schauerhaften – zugleich in einem neuen Licht erscheinen.
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A LITTLE BITTY TEAR (Musik: Hank Cochran; Text: Burl Ives)
You said you were leaving tomorrow That today was our last day, I said there’d be no sorrow That I’d laugh when you walked away. A little bitty tear let me down, Spoiled my act as a clown I had it made up not to make a frown, But a little bitty tear let me down. I said I’d laugh when you left me Pull a funny as you went out the door, That I’d have another one waiting And I’d wave goodbye as you go. A little bitty tear let me down, Spoiled my act as a clown I had it made up not to make a frown, But a little bitty tear let me down. Everything went like I planned it And really put on quite a show, In my heart I felt I could stand it Till you walked with your grip through the door. A little bitty tear let me down, Spoiled my act as a clown I had it made up not to make a frown, But a little bitty tear let me down.
Büchners Lustspiel ist leicht und schwer zugleich, lustig und tränenverhangen, eng und unendlich. Es kennt nichts Mittleres. Es ist spitz und sanft, langsam und schnell, intellektuell und schlaftrunken, geistvoll und geistlos, seicht und tief, satirisch und versöhnlich, tagesfrech und mondbeglänzt. In einer romantisch-komödiantischen Atmosphäre von Sommernachtstraum, Wertherelegie und verkehrter Welt dirigiert Büchner einen Reigen, in dem er unschuldig blinzelnd seine vorzüglichsten Lesefrüchte auftreten lässt – Shakespeare, Brentano, Musset, Chamisso und andere. Der Mensch ist ein Esel, sagt Shakespeares Zettel nach jenem Traum einer Sommernacht, in dem ihn Elfen bedienten und eine Königin in ihn verliebt war.
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KOMÖDIE MIT TIEFGANG Anmerkungen zu Georg Büchner und «Leonce und Lena»
Der renommierteste deutsche Literaturpreis unserer Zeit ist nach dem Wissenschaftler, Dichter und Revolutionär Georg Büchner benannt. 1813 in der Nähe von Darmstadt als Untertan im damaligen Grossherzogtum Hessen geboren, war er während seines nur kurzen Lebens auf den verschiedensten Gebieten tätig. Der Sohn eines Arztes studierte Medizin in Strasbourg und Giessen. Nicht zuletzt seine Erlebnisse um den gescheiterten Sturm auf die Frankfurter Hauptwache 1833, infolgedessen einige seiner Freunde inhaftiert wurden, veranlassten ihn, sich politisch zu engagieren. So gründete er im März 1834 eine Sektion der geheimen «Gesellschaft der Menschenrechte» in Darmstadt. Noch im selben Jahr verfasste er die Flugschrift Der Hessische Landbote, worin er die sozialen und gesellschaftlichen Missstände im Grossherzogtum Hessen anprangerte. Anfang 1835 schrieb er, versteckt im elterlichen Haus, in nur wenigen Wochen das Revolutionsdrama Dantons Tod. Aufgrund der steckbrieflichen Fahndung nach ihm sah er sich dann doch zur Flucht nach Strasbourg gezwungen. Später gelangte er nach Zürich, wo er sich seinen Lebensunterhalt als Privatdozent für Anatomie verdiente. In der Zeit der politischen Verfolgung verfasste Büchner das Lustspiel Leonce und Lena (1836), sein berühmtes Dramenfragment Woyzeck (1836) und das Novellenfragment Lenz (1836), das einen Lebensausschnitt des an Schizophrenie erkrankten Dichters Jakob Michael Reinhold Lenz darstellt. Büchner starb im Alter von nur 23 Jahren an Typhus, und so umfasst der Corpus seines Schaffens nur wenige Werke. Diese wenigen Werke können jedoch als zukunftsweisend betrachtet werden. In seinen Dramen, die auf der Szenen technik des Sturm und Drang basieren, nahm er bereits naturalistische und ex pressionistische Techniken und Inhalte vorweg. So gilt Woyzeck als das erste
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soziale Drama in der deutschen Literatur. Büchner brach hierin mit der sogenannten Ständeklausel und machte erstmals den vierten Stand tragikfähig. Die soziale Determiniertheit des Menschen und das fatalistische Geschichtsbild Büchners stehen hier, ebenso wie in seinen anderen Dramen, im Mittelpunkt der Handlung. Leonce und Lena entstand 1836 anlässlich eines Lustspiel-Wettbewerbs des Verlegers Cotta, wo es allerdings keine Beachtung erfuhr, da Büchner das Manuskript nicht fristgerecht einreichte. In der Rezeption wurde das dreiaktige «Lustspiel der Langeweile» lange Zeit als Gelegenheitswerk und ausschliesslich romantische Komödie bewertet. Leonce und Lena ist allerdings ein äusserst ambi valentes Stück. Es einer bestimmten literarischen Strömung zuzuordnen fällt schwer. Auch die Doppelbödigkeit der Figurenrede und die Vielschichtigkeit der Sprache Büchners stellen es in diverse literarische Kontexte. Die vordergründig romantische Verwechslungskomödie enttarnt sich rasch als Satire auf die Zustände in den deutschen Zwergstaaten des ausklingenden Absolutismus: «Romantizismen und Stimmungsbilder, Melancholie-Ausbrüche und Totenklagen, Liebesergüsse und pathetische Italien-Feiern, Tanzfeste, Sprachspielereien und Kalauer, all das sind nur Zitate aus der Welt einer anachronistisch gewordenen Feudalklasse.» Den Luxus der höfischen Inszenierung und des Mätressentums, ebenso wie den Luxus, an Weltschmerz und Langeweile zu kranken, können sich lediglich die Überprivilegierten leisten. Der Abgesang auf die deutsche Kleinstaaterei artikuliert sich zudem in den kindersprachlichen Eigennamen der Fürstentümer Pipi und Popo sowie in der Karikatur des sich selbst genügenden, lächerlichen und vor allem handlungsunfähigen Königs Peter. Daneben parodiert Büchner den höfischen Machtapparat, dem Leonce und Lena zwar zu entfliehen versuchen, jedoch in der Automaten-Szene erliegen: Mit der maskierten Heirat «in effigie» gehen sie unwissentlich die arrangierte Ehe ein und unterwerfen sich somit doch den Mechanismen des Hofstaats. Das Automaten-Motiv ist Spiegel des fatalistischen Weltbildes Büchners, wie er es selbst in Dantons Tod formuliert: «Puppen sind wir, von unbekannten Gewalten am Draht gezogen; nichts, nichts wir selbst! die Schwerter, mit denen Geister kämpfen – man sieht nur die Hände nicht, wie im Märchen.»
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Zahlreiche literarische Anspielungen, unter anderem auf Shakespeares Wie es euch gefällt und seinen Hamlet sowie Texte Clemens Brentanos, Alfred de Mussets, Joseph von Eichendorffs und Jean Pauls bilden einen Subtext aus, der sowohl die herrschende Ideologie als auch die literarische Tradition reflektiert. Beispielsweise erinnert die Rollenhaftigkeit der Figuren an die maskenhaften Typen der Commedia dell’Arte. In Leonce und Lena lauert hinter der Fassade der Heiterkeit die Ernsthaftigkeit der Missstände, die in diesem Lustspiel zwar unausgesprochen bleiben, jedoch allgegenwärtig sind. So können sich die Bauern in Büchners literarischer Vorlage vor Hunger kaum aufrecht halten, wenn sie den Jubelzug für das Brautpaar üben. Der Herrscher über diese Untertanen, König Peter, ergeht sich währenddessen in Tautologien und braucht Gedächtnisstützen, wie einen Knoten im Taschentuch, um sich überhaupt an sein Volk und die bevorstehende Heirat seines Sohnes erinnern zu können. Das scheinbare Happy End gibt keine Antwort darauf, ob hier tatsächlich Liebe und Staatsräson miteinander vereinbart werden. Büchner kritisiert in Leonce und Lena hintergründig die sozialen Verhältnisse seiner Zeit und positioniert das Werk damit in der literarischen Strömung des Vormärz. Hinter dem Schleier der Parodie erweist sich Leonce und Lena als eine Komödie mit Tiefgang.
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Leonce und Lena, 2. Akt, Vierte Szene Lena spricht vor sich hin
Die Grasmücke hat im Traum gezwitschert. – Die Nacht schläft tiefer, ihre Wange wird bleicher und ihr Atem stiller. Der Mond ist wie ein schlafendes Kind, die goldnen Locken sind ihm im Schlaf über das liebe Gesicht heruntergefallen. – Oh, sein Schlaf ist Tod. Wie der tote Engel auf seinem dunkeln Kissen ruht und die Sterne gleich Kerzen um ihn brennen! Armes Kind! Es ist traurig, tot und so allein. Leonce
Steh’ auf in deinem weissen Kleid und wandle hinter der Leiche durch die Nacht und singe ihr das Sterbelied. Lena
Wer spricht da?
Leonce
Ein Traum. Lena
Träume sind selig. Leonce
So träume dich selig und lass mich dein seliger Traum sein. Lena
Der Tod ist der seligste Traum. Leonce
So lass mich dein Todesengel sein. Lass meine Lippen sich gleich seinen Schwingen auf deine Augen senken. Er küsst sie.
Schöne Leiche, du ruhst so lieblich auf dem schwarzen Bahrtuche der Nacht, dass die Natur das Leben hasst und sich in den Tod verliebt. Lena
Nein, lass mich. Sie springt auf und entfernt sich.
Das Lustspiel gibt Antwort auf die Frage, wie eine Welt aussieht, die ihren Sinn verloren hat, richtungslos agiert und doch nicht zu sterben vermag, da sie nicht an Erschöpfung, am Versagen des «élan vital» verenden kann wie ein menschlicher Organismus, sondern getötet werden muss, ohne dass sich jemand fände, der ihr den Gnadenstoss gibt. Hans Mayer
Ich glaube, man muss die abgelebte moderne Gesellschaft zum Teufel gehen lassen. Zu was soll ein Ding, wie diese, zwischen Himmel und Erde herumlaufen. Das ganze Leben derselben besteht nur in Versuchen, sich die entsetzlichste Langeweile zu vertreiben. Sie mag aussterben, das ist das einzig Neue, was sie noch erleben kann. Georg Büchner an Karl Gutzkow, Anfang Juni 1836
BALLETT ZÜRICH
Christian Spuck Ballettdirektor
Christian Spuck stammt aus Marburg und wurde an der John Cranko Schule in Stuttgart ausgebildet. Seine tänzerische Laufbahn begann er in Jan Lauwers’ Need company und Anne Teresa de Keersmaekers Ensemble «Rosas». 1995 wurde er Mitglied des Stuttgarter Balletts und war von 2001 bis 2012 Hauschoreograf der Compagnie. In Stuttgart kreierte er fünfzehn Urauf führungen, darunter die Handlungsballette Lulu. Eine Monstretragödie nach Frank Wedekind, Der Sandmann und Das Fräulein von S. nach E.T.A. Hoffmann. Da rüber hinaus hat Christian Spuck mit namhaften Ballett compagnien in Europa und den USA gearbeitet. Für das Königliche Ballett Flandern entstand The Return of Ulysses, beim Norwegischen Nationalballett Oslo wurde Woyzeck nach Georg Büchner uraufgeführt. Das Ballett Die Kinder beim Aalto Ballett Theater Essen wurde für den «Prix Benois de la Danse» nominiert, das ebenfalls in Essen uraufgeführte Ballett Leonce und Lena nach Georg Büchner wurde von den Grands Ballets Canadiens de Montreal und vom Stuttgarter Ballett übernommen. Die Uraufführung von Poppea//Poppea für Gauthier Dance am Theaterhaus Stuttgart wurde 2010 von der Zeitschrift Dance Europe zu den zehn erfolgreichsten Tanzproduktionen weltweit gewählt sowie mit dem deutschen Theaterpreis Der Faust 2011 und dem italienischen Danza/Danza-Award ausgezeichnet. Christian Spuck ist auch im Bereich Oper tätig. Auf Glucks Orphée et Euridice an der Staatsoper Stuttgart folgten Verdis Falstaff am Staatstheater Wiesbaden sowie Berlioz’ La Damnation de Faust und Wagners Fliegender Holländer an der Deutschen Oper Berlin. Seit der Saison 2012/13 ist Christian Spuck Direktor des Balletts Zürich. Hier waren seine Choreografien Romeo und Julia, Leonce und Lena, Woyzeck, Der Sandmann, Messa da Requiem, Nussknacker und Mausekönig und Dornröschen zu sehen. Das 2014 in Zürich uraufgeführ te Ballett Anna Karenina wurde in Oslo, am Moskauer Stanislawski-Theater sowie vom Koreanischen Nationalballett und vom Bayerischen Staatsballett ins Repertoire übernommen. Für das 2018 in Zürich uraufgeführte Ballett Winterreise wurde er mit dem «Prix Benois de la Danse» ausgezeichnet. 2019 folgte beim Ballett Zürich Helmut Lachenmanns Das Mädchen mit den Schwefelhölzern (Auszeichnung als «Produktion des Jahres» durch die Zeitschrift tanz). Für das Ballett des Moskauer Bolschoitheaters entstand 2021 das Ballett Orlando. Mit Beginn der Saison 2023/24 wird Christian Spuck Intendant des Staatsballetts Berlin.
Giulia Tonelli Erste Solistin
Giulia Tonelli stammt aus Italien. Ihre Ausbildung absolvierte sie beim Balletto di Toscana und an der Ballett schule der Wiener Staatsoper. Nach einem ersten Enga gement an der Wiener Staatsoper tanzte sie von 2002 bis 2010 beim Royal Ballet of Flanders in Antwerpen, ab 2004 als Halbsolistin. Dort tanzte sie u. a. Giselle (Petipa) sowie Solopartien in Choreografien von Forsythe, Balanchine, Kylián, Haydée und Spuck. Seit 2010/11 ist sie Mitglied des Balletts Zürich, wo sie in Balletten von Spoerli, Goecke, McGregor, Lee, For sythe, Kylián und Balanchine auftrat. Sie tanzte Julia in Christian Spucks Romeo und Julia, Lena in Spucks Leonce und Lena und Betsy in Anna Karenina. In Alexei Ratmanskys Schwanensee-Rekonstruktion tanzte sie im Pas de trois, ausserdem war sie in Forsythes Quintett und Spucks Messa da Requiem zu erleben. Weitere Höhepunkte waren Emergence von Crystal Pite und Gretchen in Edward Clugs Faust – Das Ballett. Bei den «Jungen Choreografen» präsentierte sie gemeinsam mit Mélissa Ligurgo die Arbeiten Mind Games und Klastos. 2013 wurde sie mit dem Giuliana-Penzi-Preis ausgezeichnet. 2017 erhielt sie den «Tanzpreis der Freunde des Balletts Zürich».
Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben Elena Vostrotina Erste Solistin
Elena Vostrotina stammt aus St. Petersburg. Ihre Bal lettausbildung erhielt sie an der Vaganova Ballet Acade my. 2003 wurde sie Mitglied des Mariinsky-Balletts. Dort tanzte sie u. a. Odette/Odile in Schwanensee (Petipa/Iwanow), Myrtha in Giselle (Coralli/Perrot), Königin der Dryaden in Don Quixote (Gorsky) und Approximate Sonata (Forsythe). 2006 wurde sie von Aaron S. Watkin ans Semperoper Ballett Dresden engagiert. Hier wurde sie zur Solistin ernannt und tanzte in Choreografien von Forsythe, Ek, Neumeier, Dawson, Naharin, Ekman und Celis. Sie gastierte am Stanislaw ski-Nemirowitsch-Dantschenko-Theater in Moskau, am Staatstheater Nowosibirsk, bei der Gala «Roberto Bolle and Friends» sowie bei den Ballets Bubeníček. Sie wurde mit dem Preis «Hope of Russia» des Vaganova-Wett bewerbs sowie mit dem Mary-Wigman-Preis 2014 ausgezeichnet. Seit der Saison 2017/18 ist Elena Vostrotina Erste Solistin des Balletts Zürich. Hier tanzte sie u.a. Odette/Odile in Ratmanskys Schwanensee-Rekonstruktion, die Amme in Christian Spucks Romeo und Julia, Myrtha in Patrice Barts Giselle sowie in Christian Spucks Nussknacker und Mausekönig, Winterreise und Nocturne.
Programmheft LEONCE UND LENA Ballett von Christian Spuck nach dem Lustspiel von Georg Büchner
Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben Premiere: 27. April 2013, Spielzeit 2012/13
Wiederaufnahme: 21. November 2021, Spielzeit 2021/22
Herausgeber
Intendant
Opernhaus Zürich
Andreas Homoki
Zusammenstellung, Redaktion Michael Küster Layout, Grafische Gestaltung Carole Bolli
Titelseite Visual François Berthoud
Anzeigenverkauf Opernhaus Zürich, Marketing
Schriftkonzept und Logo
Druck
Textnachweise: Sämtliche Zitate aus «Leonce und Lena» sowie alle weiteren Zitate von Georg Bücher. In: Georg Büchner: Sämtliche Werke, Briefe und Dokumente in zwei Bänden, hrsg. v. Henri Poschmann unter Mitarbeit von Rosemarie Poschmann. Frankfurt /Main 1992 bis 1999. – Das Gespräch «Auf Büchners Spuren» mit Christian Spuck führte Michael Küster für dieses Heft. – Die Beiträge «Die getanzte Karikatur deutscher Kleinstaaterei» und «Komödie mit Tiefgang» von Dominika Hens erschienen erstmals im Programmheft «Leonce und Lena» des Aalto Ballett Theaters Essen, 2008.
Telefon 044 268 66 33, inserate@opernhaus.ch
Studio Geissbühler
Fineprint AG
Hermann Kurzke: Georg Büchner. Geschichte eines Genies. München 2013. – Hans Mayer: Georg Büchner und seine Zeit. Frankfurt 1972. Bildnachweise: Probenfotos: Admill Kuyler – Die Compagnie wurde porträtiert von Jos Schmid. Urheber, die nicht erreicht werden konnten, werden zwecks nachträglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten.
Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie den Beiträgen der Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Zug und Aargau im Rahmen der interkantonalen Kulturlastenvereinbarung und den Kantonen Nidwalden und Obwalden. PARTNER
PRODUKTIONSSPONSOREN AMAG Clariant Foundation
Freunde der Oper Zürich Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG
PROJEKTSPONSOREN Baugarten Stiftung René und Susanne Braginsky-Stiftung Freunde des Balletts Zürich
Ringier AG Georg und Bertha Schwyzer-Winiker-Stiftung Hans und Edith Sulzer-Oravecz-Stiftung
Ernst Göhner Stiftung
Swiss Life
Hans Imholz-Stiftung
Swiss Re
Kühne-Stiftung
Zürcher Kantonalbank
GÖNNERINNEN UND GÖNNER Josef und Pirkko Ackermann Alfons’ Blumenmarkt Familie Thomas Bär Bergos Privatbank Margot Bodmer Elektro Compagnoni AG Stiftung Melinda Esterházy de Galantha Fitnessparks Migros Zürich Fritz Gerber Stiftung Egon-und-Ingrid-Hug-Stiftung Walter B. Kielholz Stiftung KPMG AG
Stiftung LYRA zur Förderung hochbegabter, junger Musiker und Musikerinnen Die Mobiliar Fondation Les Mûrons Mutschler Ventures AG Neue Zürcher Zeitung AG Pro Helvetia, Schweizer Kulturstiftung StockArt – Stiftung für Musik Else von Sick Stiftung Ernst von Siemens Musikstiftung Elisabeth Weber-Stiftung Hulda und Gustav Zumsteg-Stiftung
Landis & Gyr Stiftung FÖRDERINNEN UND FÖRDERER CORAL STUDIO SA Theodor und Constantin Davidoff Stiftung Frankfurter Bankgesellschaft (Schweiz) AG Garmin Switzerland
Horego AG Richards Foundation Luzius R. Sprüngli Madlen und Thomas von Stockar