Nabucco

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NABUCCO

GIUSEPPE VER DI


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NABUCCO GIUSEPPE VERDI (1813-1901)

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HANDLUNG Erster Teil Nabucco, der König von Babylon, belagert die Hebräer und droht, ihre Stadt zu zerstören. Der Hohepriester Zaccaria ermutigt sein verängstigtes Volk: Er hat Fenena, eine der beiden Töchter Nabuccos, als Geisel genommen und hofft, dadurch die Niederlage abwenden zu können. Er gibt Fenena in die Obhut des Hebräers Ismaele. Niemand weiss, dass die beiden ein Liebespaar sind und Is­ maele Fenena befreien will. Doch Abigaille, die Schwester Fenenas, verstellt ihnen den Weg. Auch sie liebt Ismaele. Zurückgewiesen und verzweifelt droht sie nun, dessen Volk zu vernichten. Nabucco hat die Stadt eingenommen und steht den Hebräern gegenüber. Als Zaccaria droht, Fenena zu töten, wird sie von Ismaele befreit. Die Hebräer verfluchen Ismaele als Verräter. Nabucco hat nun freie Hand und führt die Hebräer in die Gefangenschaft.

Zweiter Teil Abigaille entdeckt durch ein geheimes Schriftstück, dass sie nicht Nabuccos leibliche Tochter ist. Das bestärkt sie in ihrem Willen, Nabucco zu stürzen. Der babylonische Oberpriester berichtet entrüstet, dass Fenena, die wäh­ rend Nabuccos Abwesenheit an der Macht ist, die gefangenen Hebräer freige­ lassen hat. Es wird beschlossen, das Gerücht zu verbreiten, Nabucco sei im Krieg gefallen. Abigaille soll zur neuen Königin ernannt werden. Zaccaria bekehrt Fenena zum Glauben an den Gott der Hebräer. Als Is­ maele von seinen Glaubensbrüdern wegen seines Verrats bedroht wird, rettet ihn nur die Nachricht von Fenenas Übertritt. Abdallo, ein loyaler Offizier Nabuccos, eilt herbei und rät Fenena zur Flucht: Der König sei tot, und das Volk wolle Abigaille zur Königin. Abigaille erscheint

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und fordert von ihrer Schwester Unterwerfung, doch unvermittelt steht der tot geglaubte Nabucco vor ihnen. Als er sich in masslosem Zorn selbst zum Gott aus­r uft, verfällt er, wie vom Blitz getroffen, dem Wahnsinn.

Dritter Teil Die babylonischen Höflinge huldigen Abigaille als ihrer neuen Königin. Der Oberpriester verlangt von ihr die Vernichtung aller Hebräer. Der noch immer verwirrte Nabucco ist empört darüber, dass jemand an­ deres seinen Platz eingenommen hat. Abigaille erklärt ihm, sie habe aufgrund seiner Umnachtung die Amtsgeschäfte übernehmen müssen und drängt ihn zur Unterschrift unter das Todesurteil über die Hebräer. Zu spät erkennt Nabucco, dass er damit auch seine Tochter Fenena in den Tod schickt und will Abigaille aufgrund ihrer niederen Herkunft als Sklavin entmachten. Doch sie zerstört die Dokumente, die dies belegen. Als Nabucco sie um das Leben Fenenas anfleht, erweist sich Abigaille als unerbittlich und macht ihm klar, dass er ab sofort ihr Gefangener ist. Die gefangenen Hebräer trauern um das verlorene Vaterland. Zaccaria macht ihnen Hoffnung. Er prophezeit den Untergang Babylons und das nahe Ende ihrer Gefangenschaft.

Vierter Teil Nabucco erwacht allmählich aus seiner geistigen Umnachtung. Er wird sich bewusst, dass seine Tochter zum Tod verurteilt ist. In seiner Ohnmacht bittet er den Gott der Hebräer um Vergebung. Seine Kräfte kehren zurück. Der loya­ le Abdallo hat sich den Aufständischen angeschlossen und befreit mit ihrer Hilfe seinen König. Unter der Führung Nabuccos soll Fenena gerettet und Abigaille gestürzt werden. Nabucco verhindert im letzten Moment die Hinrichtung Fenenas und ver­ kündet den Anbruch einer neuen Zeit. Er befreit seine Tochter und entlässt auch die Hebräer aus der Gefangenschaft. Die entmachtete Abigaille nimmt sich das Leben.

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EINE FAMILIE IN ZEITEN DES UMBRUCHS Regisseur Andreas Homoki und Dirigent Fabio Luisi im Gespräch

Andreas Homoki und Fabio Luisi, mit Nabucco bringt ihr gemeinsam die erste grosse Erfolgsoper von Giuseppe Verdi auf die Bühne. Was macht den jungen Opernkomponisten Verdi eurer Meinung nach attraktiv? Fabio Luisi: Unter Verdis frühen Opern ragt Nabucco als ein besonders reifes Werk hervor – reif nicht einmal in musikalischer, sondern vor allem in drama­tur­gi­scher Hinsicht. Verdi lehnt sich zwar an Vorbilder wie Donizetti und Bellini an, ent­fernt sich aber zugleich von ihnen: Er begreift, dass Oper nicht nur eine musi­kali­sche Um­schreibung von Ereignissen oder eine Zurschau­ stellung vokaler Virtuosität ist, sondern Theater. Viele Regisseure tun sich ja schwer mit dem dramatischen Rhythmus von Belcanto-Opern, weil selbst bei sehr gut strukturierten Werken wie beispielsweise Donizettis Lucia di Lammermoor das Augenmerk mehr auf den retardie­renden Momenten als auf dem Vorantreiben der Handlung liegt. Mit Nabuc­co entwickelt Verdi eine ganz neue Einstellung: Hier wird das Essenzielle fokussiert und mit grosser, atemloser Spannung erzählt. Diese Oper ist ein Geniestreich und der Be­ginn eines Modells, an das Verdi später sehr erfolgreich angeknüpft hat. Andreas Homoki: Dem kann ich nur zustimmen! Verdis Fokus aufs We­sentliche kommt mir als Regisseur sehr entgegen. Er kümmert sich in Na­bucco beispielsweise überhaupt nicht darum, Situationen durch ausge­­ klügelte Hintergrund­infor­ma­­tionen plausibel zu machen. Er lässt die Hinter­ gründe und Motivationen des Ge­sche­hens sogar ganz bewusst und kon­ sequent unscharf. Informationen, die nicht die augenblickliche Handlung betref­fen, sondern bereits Geschehenes kolportieren, werden ganz schnell abge­handelt und manchmal fast grotesk verkürzt, mit dem Ziel, sofort wieder im

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drama­tischen Jetzt-Moment zu sein. Diese zugespitzte Erzähl­weise reizt mich als Regisseur sehr, ist aber auch herausfordernd, weil man ge­zwun­gen ist, eine Form zu finden, die nicht naturalistisch ist, sondern ganz auf die Regeln des Theaters vertraut. Die Personen treffen wie Spielfiguren aufeinander und müssen aus dem jeweiligen Moment heraus ihre ganze Wirkung entfalten. Diese Wirkung entfalten sie aber nicht nur in dramatischen Szenen, sondern auch in reflektierenden Arien. Sind das die Momente, die noch eher an die musikalischen Vorgänger Verdis erinnern? Homoki: Verdi geht von der Form seiner Vorgänger aus, konzentriert sich aber stark auf die Figuren und geht – in Nabucco ganz besonders – ziemlich rücksichtslos gegen Konventionen und Erwartungen vor. Dafür wurde er von einigen Kritikern auch angegriffen und als roh und ungehobelt gescholten. Andererseits wusste Verdi natürlich genau, dass er die Virtuositätsansprüche bedienen und effektvolle Arien schreiben muss, um erfolgreich zu sein. Luisi: Verdi wollte nicht unbedingt ein Revolutionär sein! Bis zum Erfolg des Nabuc­co war er ein wenig beachteter junger Komponist. Sein primäres Ziel war es deshalb, eine gute Oper zu schreiben. Allerdings hat er einen we­sent­lichen Punkt schon damals gut begriffen, nämlich, dass die Kunst nicht im Hinzufügen, sondern im Weglassen besteht. Er bündelt all seine Energie in den Figuren, ihren Emo­tionen und einer spannungsgeladenen Handlung. Die Konventionen seiner Vor­gänger sind also formal noch da, aber nicht mehr wegweisend. Der Librettist Temistocle Solera ist in Nabucco mit historischen und bibli­schen Fakten des Stoffes sehr frei umgegangen. Worum geht es im Kern? Homoki: Um es einmal anders aufzuzäumen, als man es erwarten würde: Es ist die Geschichte einer Familie, nämlich die Geschichte Nabuccos, der zwei Töchter hat. Als Anführer des babylonischen Reichs war dieser Vater einst ein einflussreicher Machtmensch. Doch nun wankt sein System, ihm schwinden die Kräfte, und dem polytheistischen System der Babylonier steht als Utopie ein neues, moderneres System gegenüber, nämlich die mono­theis­ tische Weltanschauung der Hebräer. Der per­sönliche Familienkonflikt findet

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also vor dem Hintergrund eines grossen Umbruchs statt. Es bricht eine neue Zeit an, welche Babylon letztlich zum Einsturz bringen wird. Abigaille, die vermeintlich erstgeborene Tochter Nabuccos, versucht verzweifelt, das alte System zu retten, indem sie den Vater vom Thron stürzt und selber die Macht übernimmt. Fenena, die andere Tochter, spürt die Zeitenwende und wechselt «die Seiten». An diesem Ablösungsprozess des Alten durch das Neue zerbricht letztlich auch diese Familie. Abigaille ist die Verliererin, weil sie den Untergang des alten Systems nicht aufhalten kann. Wie so oft bei Verdi wird auch hier gezeigt, wie eine Familie durch die Verstrickungen in einen politischen Kontext zerrissen wird. Das tragische Schicksal der Abigaille scheint Verdi stärker interessiert zu haben als das zukunftsweisende der Fenena. Zwar gibt es in dieser Oper – was bei Verdi selten ist – mit Fenena und Ismaele ein Liebespaar, das am Ende auf eine gemeinsame Zukunft hoffen darf. Im Vergleich zu Abigaille sind diese beiden Partien aber relativ klein ausgefallen... Homoki: Bei der Ausarbeitung der Szenen stelle ich immer wieder fest, dass Abigaille das Zentrum des Stückes bildet. Diese Oper ist die tragische Geschichte der Abigaille, und so werden wir das auch zeigen. Was ich an Verdi so bewundere, und was ihn auszeichnet, ist die Empathie, die er für jede seiner Figuren empfindet. Er bezieht keine Stellung für oder gegen sie, und er verurteilt Abigaille nicht als «machthungrige Furie», wie das fälschlich oft interpretiert wird. Luisi: Abigaille ist eine ganz grosse Persönlichkeit, eine intelligente und instink­tive Kämpferin. Sie hat Züge, die wir später in Verdis Schaffen bei Lady Macbeth oder bei Manrico im Trovatore wiederfinden, sie besitzt eine unglaubliche anima­li­sche Kraft. Für Verdi als Komponisten ist ein solcher Charakter natürlich hoch­attraktiv. Es ist interessant, die Partien von Abigaille und Nabucco musikalisch zu ver­gleichen, denn die Musik unterstreicht auch den Stand ihrer Macht: Nabuccos Herr­schafts­position ist breit abgestützt, weshalb seine Musik auch eher in die Breite geht. Abigaille hingegen kämpft um ihre Position, was sich musikalisch in vertikalen, völlig überspitzten emotionalen Ausbrüchen äussert.

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Homoki: Aber sie hat auch eine ganz weiche Seite, die in ihrer ersten Arie durchbricht, wenn sich herausstellt, dass sie in den gleichen Mann verliebt ist wie ihre Schwester. Luisi: Das zeigt, wie verletzlich sie eigentlich ist und woher ihre Härte kommt: nämlich aus der privaten Situation, dass sie als Liebende und später auch noch als nicht-leibliche Tochter Nabuccos zurückgewiesen wird. Homoki: Wobei diese Unterscheidung in eine echte und eine falsche Tochter für mich nicht ins Gewicht fällt. Das ist nur eine kleine Zusatz­ information, die Verdi zu Beginn des zweiten Akts einstreut, die aber gleich in den dramatischen Ereignissen untergeht, welche für mich die eigentlich spannenden Momente des Stücks aus­machen. Entscheidend ist für mich, dass die eine Tochter nicht akzeptiert, dass die Zeiten sich ändern, während die andere versteht, welche Richtung die Verände­r ungen nehmen. Macht ist ein Thema, das nur wenige Jahre später in Macbeth ins Zentrum von Verdis Interesse rückt. Liegt sein Augenmerk auch in diesem Stück schon auf den Fragen der Macht? Homoki: Nein, jedenfalls kommt es in diesem Stück nicht zu Machtkämpfen, die mit Waffen entschieden werden müssen. Die Macht hat man, oder man hat sie nicht. Das wird auch in der Inszenierung sehr zeichen­haft die Königskrone zeigen. Luisi: In Macbeth zeigt Verdi dann, wie man an die Macht kommt, aber auch wie fragil sie ist, wie kompromisslos man sich ihr verschreiben muss und wie sich Macht durch diese brutale Konsequenz selbst zerstört. In Nabucco sind die Machtverhältnisse hingegen nur eine Nebenschiene dieser Familien­ tragödie, aus deren Spannungsfeld sich das ganze Stück entwickelt. Homoki: Dieses Spannungsfeld ist für die Inszenierung ganz zentral. Ohne den Fokus auf diesen familiären Konflikt wäre es schwierig, die Motiva­ tion der Figuren zu zeigen, besonders dann, wenn sich der Kontrast – was ja immer wieder geschieht – immens vergrössert und durch den Chor, der die beiden Völker der Babylonier und Hebräer repräsentiert, ins Monumentale gesteigert wird.

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Dem Chor kommt in dieser Oper eine tragende Rolle zu. Die Szene der in Baby­lon gefangenen Hebräer, die ihr Schicksal beklagen, der «Ge­ fangenen­chor», gehört zu den bekanntesten Stücken von Verdi überhaupt. Oft wurde der Wunsch nach Freiheit, der darin zum Ausdruck kommt, mit dem Willen des italienischen Volkes in Verbindung gebracht, das 1842, im Jahr der Nabucco-­Uraufführung, selbst unter der Fremdherrschaft der Österreicher gelitten hat. Fabio, wie stehst du als Dirigent und als Italiener zu dieser Thematik? Luisi: Dass man Nabucco und insbesondere den Gefangenenchor für politische Zwecke vereinnahmte, hat bereits zu Verdis Lebzeiten begonnen. Dass der Chor in der Folge gar als «heimliche Nationalhymne» Italiens bezeichnet wurde, finde ich aber absurd, denn ein Chor von Gefangenen kann keine Hymne sein. Die Dis­­kussion, «Va pensiero» zur Nationalhymne von Italien zu machen, ist sehr alt – zum Glück ist es nie dazu gekommen! Trotzdem ist der Gefangenenchor in seiner Rezeptionsgeschichte immer wieder als Zeichen des Widerstands gegen die politische Fremdbestimmung gedeutet worden. Ein prominentes Beispiel findet sich in der SissiTrilogie mit Romy Schneider: Als die österreichische Kaiserin die Scala in Mailand besucht, stimmt das Publikum als Protest den «Va pensiero»Chor an... Luisi: Diese Abneigung gegenüber der österreichischen Fremdherrschaft gab es in Mailand tatsächlich. Und Verdi, der mit seiner Musik starke Emo­ tionen auslöste, wurde im Lauf der Zeit zu einer wichtigen Identifikationsfigur der italienischen Unabhängigkeitsbewegung stilisiert. Diese Bestrebungen, die österreichische Fremd­herrschaft abzustreifen und eine neue Ordnung herbei­zuführen, begannen in Italien unmittelbar nach dem Fall Napoleons, also genau in der Zeit, in der Verdi aufgewachsen ist... ... und in dieser Hinsicht ist die Parallele zwischen der Epoche, in der die Handlung von Nabucco angesiedelt ist, und dem Zeitalter Verdis natürlich interessant. Andreas, inwiefern hat das historische Italien des 19. Jahr­hunderts eine Bedeutung für die Inszenierung?

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Homoki: Den Hintergrund für die privaten Konflikte dieses Stücks bildet, wie wir gesehen haben, die Polarität zwischen einer alten und einer neuen Ordnung. Es war uns wichtig, diesen Kontrast, der sich besonders deutlich über die beiden Chorgruppen erzählen lässt, auch ästhetisch stark hervorzuheben. Und so kam ich zusammen mit meinem Bühnen- und Kostümbildner Wolf­gang Gussmann auf die Idee, den Gegensatz zwischen dem Bürgertum und der als Fremdherrschaft emp­fun­de­nen Aristokratie in der Zeit Giuseppe Verdis zu zeigen. Es geht uns dabei aber nicht um historischen Realismus oder eine konkrete zeitliche Verortung, sondern um einen ganz plakativen, scharfen Gegensatz. Der Konflikt zwischen der sich restaurie­renden Aristokratie und dem Zurückdrängen der bürgerlichen Kräfte ist ein be­herrschendes EuropaThema des frühen 19. Jahrhunderts; in unserer Inszenierung zeigen wir diesen Konflikt als eine Art Parabel über den Fortschritt... Luisi: Bei Verdi geht es immer um den Fortschritt. Das sehen wir später auch deutlich in Werken wie I vespri siciliani, Don Carlo oder Simon Boccanegra. Es geht immer um die Idee einer neuen Freiheit, die der alten und verkrusteten Art, ein Volk zu führen, entgegengesetzt ist. Homoki: Verdi scheint politisch viel bewusster zu denken als seine Vorgänger­kollegen, denen es oft reichte, ihre Handlung in einem konfliktreichen Millieu anzusiedeln, wie beispielsweise Bellini in I puritani... Luisi: In I puritani wird die Ordnung als unveränderbar dargestellt. Bei Verdi hingegen wird sie immer in Frage gestellt. Die Charaktere stehen bei ihm für die verschiedenen Richtungen: Abigaille für das Festhalten an der alten Macht, die Hebräer für den Gedanken der Freiheit. Eine grosse Partie hat Verdi für Zaccaria, den geistigen Führer der Hebräer, komponiert. Durch seine tiefe Gläubigkeit stärkt er den Mut und die Hoffnung seines geknechteten Volks... Homoki: Zaccaria und der Oberpriester des Baal sind für uns nur Repräsentanten der jeweiligen Ordnungen. Die Partie des Baal-Priesters ist viel kleiner, weil er der Sprecher der reaktionären Fraktion ist: er muss seine Ordnung nicht erklären, weil sie die bestehende ist. Zaccaria repräsentiert hingegen die Seite, die für Verdi sympathischer ist, nämlich die neue Idee der

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Zukunft. Zaccaria formuliert diese neue Ordnung und treibt sie voran. Das bewegt Verdi zu einer grösseren, ausführlicheren Partie, die von uns auch mit mehr Empathie begleitet wird. Die Geschichte hat uns gezeigt, dass neue Ordnungen nicht immer mit Erfolg einhergehen und nicht immer die besseren sind. Im Nachhinein wurde etwa auch an der Risorgimento-Bewegung kritisiert, dass sie von einer elitären Minderheit und unter geringer Beteiligung der Bevölkerung durchgesetzt wurde. Ist Verdi sich dessen bewusst, wenn er seine Oper mit dem Tod Abi­gail­les tragisch enden lässt? Luisi: Nein, soweit denkt Verdi als junger Enthusiast nicht. Er vertritt in Nabucco einen idealistischen Standpunkt: Die Tatsache, dass eine neue Ordnung sich gegen eine alte durchsetzen kann, ist für ihn per se positiv. Das Gespräch führte Fabio Dietsche

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Sagt, meine Tรถchter, von welcher soll ich sagen, sie liebt mich am meisten? William Shakespeare, Kรถnig Lear





AUF DER BÜHNE STEHEN NUR MENSCHEN Der italienische Komponist Luigi Dallapiccola spricht in einem Vortrag über das Melodramma und über Verdi als «Sohn» des Risorgimento

Hundertfünfzig Jahre waren vergangen, seit Marco da Gagliano das dramma in musica als ein «Schauspiel wahrlich für Fürsten» definiert hatte. Längst waren die abgesonderten aristokratischen Zuhörer, die den Aufführungen der Opern von Peri, Caccini, Monteverdi beigewohnt hatten, verschwunden: das musika­ lische Theater hatte verschiedene Etappen durchlaufen und war zum Bedürfnis eines anderen und breiteren Publikums geworden. In diesem Augenblick brach das Melodramma aus. So sage ich, weil es sich ohne Zweifel um eine wahre Ex­ plosion handelte. Die ersten Librettisten waren Poeten, Literaten, Intellektuelle gewesen. Sie hatten Götter und Halbgötter auf die Bühne gestellt. Rein und edel war ihre Sprache gewesen. In der Epoche unseres Melodramma hingegen werden Gott­ heiten und Halbgötter gänzlich aufgegeben. Auf der Bühne stehen nur Men­ schen, gewiss oft: zum Rang von Helden erhobene, aber gleichwohl Menschen: immer und einzig bloss menschliche Wesen. Das Melodramma besetzt eine Lücke in unserer Literatur; jene nämlich, die durch das Fehlen einer wirklichen und eigentlichen Romantik verschuldet wurde: das Melodramma springt hier ein – mit seinen Worten, mit seiner Musik. Das Phänomen Verdi ist nicht ohne das Risorgimento vorstellbar. Dabei verschlägt es für unsere Erörterung wenig oder nichts, ob er an der Bewegung aktiv beteiligt war. Ihre Allüre und ihr Ton gingen in ihn ein. Ohne Zweifel war das religiöse Empfinden damals im Rückgang begriffen. Es wurde durch eine flammende Vaterlandsliebe ersetzt – eine wirkliche Liebe, nämlich frei von Rhetorik.

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Es war jene Zeit, in der zahlreiche Geheimgesellschaften aufkamen, die sich gegen die รถsterreichische Unterjochung verschworen. Und wie viele Komplotte sehen wir in Verdis Opern! Verdi ist der wahre Sohn des Risorgimento: die Ideale, die er in seiner Jugend einsog und sich zueigen machte, beeinflussen sein ganzes Leben. Denken wir einen Moment an Otello: 1887. Seit dreissig Jahren war ร sterreich aus der Lombardei verjagt; Italien hatte seine Einheit erlangt. Und immer noch sang Verdi, ein Greis schon, mit jenem Schwung der Erhebung, der seine Jugend bestimmt hatte.

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«NABUCCO» IM KONTEXT DES RISORGIMENTO Das hebräische Volk in «Nabucco» wird oft mit dem italienischen Volk des 19. Jahrhunderts gleichgesetzt. Doch worauf gründet sich dieser Mythos? Alberto Mattioli

Mit der Uraufführung von Nabucco am 9. März 1842 an der Mailänder Scala beginnt Giuseppe Verdis Aufstieg zum berühmtesten Opernkomponisten Ita­ liens – und seine Verklärung zum «Padre della Patria», zum Vater der Nation. «Man kann zu Recht sagen, dass mit dieser Oper meine künstlerische Karriere begonnen hat», schreibt Verdi 1879 an seinen Verleger Giulio Ricordi. Seine dritte Oper war das richtige Stück zur rechten Zeit; nahezu alle bedeutenden Konkurrenten hatten das Feld geräumt. Gioachino Rossini hatte sich bereits 1829 von der Opernwelt zurückgezogen, Vincenzo Bellini war 1835 im Alter von 34 Jahren gestorben, Saverio Mercadante, seit 1840 Direktor des Konserva­ toriums in Neapel, konzentrierte sich fast ausschliesslich auf seine Lehrtätigkeit. Nur Gaetano Donizetti war, wenn auch bereits an Syphilis erkrankt, noch schöp­ ferisch tätig: mit seiner Oper Maria Padilla wurde in Mailand die Karnevals­ saison 1841/42, also die Saison der Nabucco-Uraufführung, eröffnet. Der Spielplan der italienischen Theater richtete sich damals noch streng nach dem liturgischen Kalender. Die wichtigste Saison war die Karnevalszeit: Sie begann am 26. Dezember und endete unweigerlich am Fastnachtsdienstag. Die Uraufführung von Nabucco stand am Ende der Saison. Verdi war damals kein Unbekannter mehr: Seine erste Oper Oberto, 1839 ebenfalls an der Scala ur­aufgeführt, war erfolgreich gewesen, die im Jahr darauf folgende Opera buffa Un giorno di regno hatte dagegen in einem Fiasko geendet – sie wurde an der Scala gnadenlos ausgepfiffen.

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Der Impresario Bartolomeo Merelli hatte Verdi nachdrücklich zur Vertonung des Nabucco-Stoffs geraten und erwies sich auch hinsichtlich der Realisierung als umsichtiger Manager. Er platzierte die Uraufführung der Oper ans Ende der Spielzeit und liess sie in einer bereits existierenden und bewährten Ausstattung produzieren: Es wurden Kulissen und Kostüme des Historienballetts Nabucodonosor von Antonio Cortesi wiederverwendet, das 1838 an der Scala über die Bühne gegangen und vom selben Stoff inspiriert war wie Verdis Oper, dem Drama Nabuchodonosor von Auguste Anicet-Bourgeois und Francis Cornu. Auf­ grund des baldigen Spielzeitendes erlebte Nabucco trotz riesigem Erfolg nur sieben Vorstellungen. In der folgenden Herbstsaison wurde die Oper – mit deutlich besserer Sängerbesetzung – wiederaufgenommen und setzte mit 57 Vorstellungen eine bisher unübertroffene Rekordmarke. Als ob das italienische Publikum auf nichts anderes gewartet hätte. Da Nabucco einen so wichtigen Platz im künstlerischen Werdegang Verdis einnimmt, ist es nicht überraschend, dass dieser Oper auch eine entscheidende Rolle in dem Bild zukommt, das der Komponist für die Nachwelt von sich zeich­nen wollte: Er verklärt die Komposition zu einem schicksalhaften Wende­ punkt seiner Karriere. Seine Biografen legen ausserdem den Schluss nahe, Nabucco wie Verdis ganzes späteres Leben seien eng mit der nationalen Einigungs­ geschich­te des 19. Jahrhunderts verflochten. Verdi war als hochkarätiger Patriot und er­folgreicher Selfmademan tatsächlich eine ideale Projektionsfigur für die nationale Identität. Als Vittorio Emanuele am 17. März 1861 zum König pro­ klamiert wurde, hatte Verdi als Abgesandter von Borgo San Donnino einen Sitz im Parlament inne. Nachdem Italien geschaffen war, so Massimo d’Azeglio in einem vielzitierten Satz, sollte nun noch das italienische Volk geschaffen werden («Fatta l’Italia, bisogna fare gli italiani»). Und Verdi wurde zum Monument seiner selbst, zum Inbegriff aller heldenhaften Tugenden des geeinten Italiens stilisiert. Um die Oper Nabucco bildeten sich im Lauf dieser Ereignisse auf doppel­ ter Ebene Legenden, nämlich sowohl in der privaten Biografie Verdis als auch hinsichtlich seiner öffentlichen Funktion als «Barde» des Risorgimento. Das ursprünglich dem Komponisten Otto Nicolai zugedachte Libretto des Nabucco erreichte Verdi in der dunkelsten Phase seines Lebens. Sowohl seine

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erste Frau Margherita Barezzi als auch die beiden gemeinsamen Kinder Virginia und Icilio waren innerhalb von zwei Jahren gestorben. Parallel zu diesen priva­ ten Schicksalsschlägen war auch die künstlerische Karriere des Komponisten nach dem Misserfolg von Un giorno di regno völlig ungewiss.

Der Künstler empfängt den Funken der Inspiration In dieser ausweglosen Situation wird Verdi von Merelli, dem Impresario der Scala, an den bestehenden Kompositionsvertrag über drei Opern erinnert, von denen Verdi erst zwei geschrieben hat. Merelli drückt dem Komponisten das Libretto von Temistocle Solera in die Hände. Verdi selbst erzählte Ricordi 1879 – überliefert in Arthur Pougins Verdi: Vita aneddotica – folgende Begebenheit: «Zu Hause angekommen, warf ich das Manuskript ziemlich heftig auf den Tisch. Im Fallen hatte es sich geöffnet, unwillkürlich haftet mein Blick auf der aufge­ schlagenen Seite und dem Vers «Va, pensiero, sull’ali dorate» (Flieg, Gedanke, auf goldenen Flügeln). Ich überfliege hastig die folgenden Verse, sie machen mir starken Eindruck, und um so mehr, als sie beinahe eine Paraphrase der Bibel sind, die ich immer zu meiner Erbauung las. Ich lese einen Abschnitt, ich lese zwei. Dann, fest in meinem Vorsatz, nicht zu komponieren, gebe ich mir einen Ruck, klappe das Heft zu und lege mich zu Bett. Aber Nabucco geht mir im Kopf her­um. Der Schlaf will sich nicht einstellen. Ich stehe wieder auf und lese das Libretto. Nicht einmal – zweimal, dreimal. So oft, dass ich am Morgen Soleras ganzes Libretto sozusagen auswendig kann.» Tags darauf bringt Verdi das Li­ bretto – immer noch entschieden, es nicht zu vertonen – zurück zu Merelli, der es ihm beinahe mit Gewalt wieder in die Tasche steckt: «Den Nabucco in der Ta­sche, trollte ich mich nach Hause. Heute ein Vers, morgen ein andrer, hier ein Motiv, dort eine Phrase… so ist nach und nach die Oper zustande ge­kommen». Eine Version mit auffälligen Abweichungen erzählt Michele Lessona in Volere è potere («Wo ein Weg ist, ist auch ein Wille»), einem kuriosen «Selbsthilfe­ buch», in dem Verdis Aufstieg aus einfachen Verhältnissen als leuchtendes Vor­ bild für die Jugend präsentiert wird. Lessona hatte Verdi 1868 in den Thermen von Tabiano kennengelernt und interviewt. Als sein Buch im folgenden Jahr

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erschien, schrieb Verdi an seinen Freund Opprandino Arrivabene: «Hier hast du die wirklich wahre Geschichte meines Lebens». Die Version Lessonas entspricht jener von Pougin bis zur zweiten Begegnung mit Merelli, dann weicht sie ab: «Der junge Maestro ging nach Hause, warf das Libretto in eine Ecke, ohne es eines Blickes zu würdigen und fuhr die nächsten fünf Monate fort, Groschen­ romane zu lesen. Eines schönen Tages gegen Ende Mai [1841] kam ihm das vermaledeite Drama wieder in die Hände. Er überflog die letzte Szene, die Todesszene Abigailles (die später gestrichen wurde), setzte sich fast mechanisch ans Klavier, das so lange stumm geblieben war, und komponierte die Szene.» Ob Verdi seinen Nabucco in einem Wurf oder nach monatelanger Lektüre von «Groschenromanen» – oder der «Bibel, die er immer zu seiner Erbauung las» – komponiert hat, ist letztlich unerheblich. Entscheidend ist das romantisch verklärte Bild, das er von sich selbst zeichnen wollte: das Bild des entmutigten Künstlers, der gerade dabei ist, alles aufzugeben, und auf einmal den göttlichen Funken der Inspiration empfängt. Das Textbuch öffnet sich, und siehe da: aus­ gerechnet bei den Zeilen, die zum berühmtesten Opernchor aller Zeiten und zur «heimlichen Nationalhymne» der Italiener werden sollen, «Va pensiero». Soll das die wahre Geschichte sein? Es ist schwer zu glauben... Schliesslich stellt sich die Frage, warum Verdi nach dem Fiasko von Un giorno di regno enttäuscht und gedemütigt in Mailand geblieben ist, offenbar ohne Arbeit und ohne jede Hoffnung. Warum ist er stattdessen nicht in seinen Heimatort Busseto zurückgekehrt, um sich dort etwa um den Posten eines Kapellmeisters in einer Kirche zu bewerben, was ihm vor Beginn seiner Thea­ terlaufbahn durchaus erstrebenswert erschienen war? Verdi hat sich nie vom Theater abgewendet: Bereits am 17. Oktober 1740, also nur wenig mehr als ein Monat nach der verunglückten Premiere von Un giorno di regno, wurde Oberto an der Scala wiederaufgenommen, wofür Verdi eine neue Kavatine und ein neues Duett komponierte. Im folgenden Januar kam Oberto auch in Genua auf die Bühne; Verdi verfolgte die Proben und hat bei dieser Gelegenheit wahr­ scheinlich zwei weitere neue Nummern komponiert, die leider verschollen sind. Dies ist sicher nicht das Verhalten von jemandem, der seine Karriere aufgegeben hat. Verdis Klavier war also nicht «lange stumm geblieben», es war wohl über­ haupt nie stumm gewesen.

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Viva V.E.R.D.I. – die patriotische Perspektive Der politische Aspekt des «Mythos Nabucco» ist möglicherweise noch bedeut­ samer als die privaten Umstände seiner Entstehung. Nachdem die italienische Halbinsel vereinigt und das Königreich gegründet war, wurde die Epoche des Risorgimento in ein mythisch verklärtes Licht getaucht, als ob es das natürliche Ergebnis eines bereits viel länger andauernden Prozesses gewesen wäre. Als hätte das politisch heterogene und durch unterschiedliche Interessen gespal­tete Italien von jeher kein anderes Ziel vor Augen gehabt, als die Vereinigung der Halbinsel, wurde nun die gesamte Nationalgeschichte durch die patriotische Brille des Risorgimento gedeutet. Verdi wurde in diesen Prozess der Mythen­ bildung verwickelt, denn auch sein Werk wurde im Lauf der italienischen Unab­ hängigkeitsbewegung zunehmend aus patriotischer Perspektive gelesen – nicht zuletzt mit der pädagogischen Absicht, das italienische Volk (das es so gar nicht gab) zu «schaffen». In den Jahren der Unabhängigkeitskriege – zum ersten Mal dokumentiert anlässlich der Premiere von Un ballo in maschera, 1859 in Rom – wird der Schriftzug «Viva V.E.R.D.I.» auf die Wände geschrieben, sicher aus Bewunderung für den Komponisten, aber auch als Akronym für «Viva Vittorio Emanuele Re D’Italia». Verdi war ohne Zweifel ein Befürworter der Vereinigung Italiens. In seiner politischen Ausrichtung widerspiegelt sich diejenige seiner sozialen Klasse, der norditalienischen Bourgeoisie, also der eigentlichen Ur­ heber­schaft des Risorgimento. 1848 schreibt Verdi an den Librettisten Francesco Maria Piave: «Italien wird frei sein, vereint, republikanisch. Wie könnte es anders sein?» Später begreift er, dass dazu ein Staat, ein Heer, eine Diplomatie, also eine Organisation durch das savoyische Piemont vonnöten ist. Durch seine Bewunderung für Camillo Cavour wird der Maestro gemässigt und monarchistisch. Er setzt sich nun per­ sönlich ein, sammelt Gelder, um Gewehre für die Nationalgarde zu beschaffen, aber auch zugunsten der Verwundeten der Strassenschlachten und zur Errich­ tung von Denkmälern für die Gefallenen. Schliesslich begibt sich Verdi selbst unter die Politiker, zunächst als Mit­ glied der Delegation, welche die Resultate der – mit Sicherheit gefälschten –

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Volks­abstimmung über die Annektierung der Provinz Parma nach Turin über­ bringt, 1861 dann als Abgeordneter im ersten italienischen Parlament und 1874 als Senator. Später ist Verdi von den Ergebnissen der italienischen Einigung sehr enttäuscht, viele Briefe zeugen davon. Die politische Ernüchterung lässt Verdi gegen Ende seines Lebens konservative und rechtsgewandte Positionen einneh­ men, die soweit führen, dass er 1898 gar die brutale Niederschlagung von Auf­ ständischen («Moti di Milano») gutheisst.

Dem 29-Jährigen fehlte noch das politische Bewusstsein Was hat Verdi wirklich von seinen Landsleuten gehalten? Die Frage lässt sich anhand seiner Opern veranschaulichen, denn trotz mannigfaltiger theatralischer Verkleidungen, sind die wahren Protagonisten seiner Stücke stets die Italiener. Das Verzeichnis der Verdi-Opern ist zugleich eine schillernde Sammlung von nationaltypischen Charakteren, Themen und Figuren. Es fällt jedoch nieman­ dem auf, dass die Italiener, wenn sie Verdi denn unverhüllt als solche in Szene setzt, stets eine jämmerliche Figur abgeben, seien es die verschwörerischen Mörder Attilas (welcher als Hunne und Feind Roms die einzige ehrliche Figur dieses Stücks ist), sei es das genuesische Volk, das sich in Simon Boccanegra ohne weiteres von skrupellosen Demagogen manipulieren lässt. Da liegt der Schluss nahe, dass Verdi sein Land leidenschaftlich liebte, vor dessen Bevölkerung aber keine allzu grosse Achtung hatte. Hat Verdi 1842 in Nabucco also die Hebräer, die unter babylonischer Gefangenschaft leiden, mit den Italienern gleichgesetzt, die von den Österrei­ chern unterdrückt wurden, wie es seit Jahrzehnten immer wieder kolportiert wird? Ziemlich sicher ist die Antwort nein. Dem 29-Jährigen fehlte dazu noch das politische Bewusstsein. Zwar sind die Dokumente und Verdis Korrespon­ denz aus dieser Zeit dürftig, doch lässt nichts vermuten, dass er diese Parallele damals bewusst im Sinn hatte. Erst nach dem grossen Erfolg des Nabucco wurde Verdi zum Star der progressiven Salonkultur in Mailand. Der prominenteste Salon war derjenige von Clara Maffei. Dort erst begann Verdi, seine politischen Überzeugungen

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und das patriotische Bewusstsein zu entwickeln, welche dann in seine oft zitier­ ten Briefe aus den Jahren um 1848 und seine einzige wirkliche RisorgimentoOper, La battaglia di Legnano (Rom, 1849) einflossen. Die Hebräer des Nabucco waren zunächst also tatsächlich nichts als Hebräer. Das beweist unter anderem auch die Widmung der Oper: Nabucco war der Herzogin Adelaide von Österreich gewidmet, die später zwar die Ehefrau des ersten italienischen Königs Vittorio Emanuele wurde, vorläufig aber noch die Tochter des Erzherzogs Rai­ ner von Österreich war, einem Habsburger, der als Vizekönig über das Reich Lombardo-Venetien herrschte. In der patriotischen Mythenbildung des Nabucco nimmt der Chor «Va pensiero» eine zentrale Rolle ein. Die Italiener schlossen ihn auch losgelöst von seinem ursprünglichen Kontext ins Herz; anlässlich der Umbettung von Verdis sterblichen Überresten in die finale Ruhestätte im Casa di riposo per musicisti wurde er von 300 Sängern unter der Leitung von Arturo Toscanini gesungen. Ist dieser Chor eine patriotische Hymne? In der Partitur ist die betreffende Stelle im dritten Akt der Oper mit «Chor und Prophezeiung» überschrieben. Der Chor steht also nicht für sich allein, sondern in Zusammenhang mit dem nachfolgenden Solo von Zaccaria, dem religiösen und politischen Führer der Hebräer. Dieser tadelt das Volk aber für das Klagen und die nostalgische Sehn­ sucht nach der verloren geglaubten Heimat. Und das zeigt, dass es sich beim «Va pensiero»-Chor nicht um eine Hymne der Erhebung, sondern des Schmer­ zes handelt.

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben Die Konstruktion einer imaginären Vergangenheit Der Musikwissenschaftler Roger Parker hat 1997 bewiesen, dass die in fast allen Verdi-Biografien kolportierte Behauptung, der Gefangenenchor sei bei der Ur­ aufführung wiederholt worden, nicht richtig ist. Das Publikum war von der ganzen Oper begeistert; wiederholt wurde jedoch die Chorhymne «Immenso Jeovha» im vierten Akt. Ausserdem befand man 1848, inmitten der revolutionä­ ren Wirren, am Teatro San Carlo in Neapel paradoxerweise, dass die Chöre aus Nabucco nicht genügend patriotisch seien. In der Zeitschrift Teatri, arte e

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letteratura heisst es am 4. Mai 1848: «In Neapel wurde Nabucco mit mittel­ mäs­­sigem Erfolg gegeben, denn das Publikum verlangt von Verdi die Traditio­ nen Italiens und nicht diejenigen des alten Orients». Die Gleichsetzung von Hebräern und Italienern war also auch im Revolutionsjahr 1848 alles andere als selbstverständlich, im Gegenteil: Nabucco wurde sogar als «nicht italienisch genug» kritisiert. Der patriotische Mythos um Nabucco gründet also auf einer im Nachhi­nein entstandenen Konstruktion einer imaginären Vergangenheit. Das ist ein Verfah­ ren, das insbesondere seit dem 20. Jahrhundert immer wieder zur Anwendung kommt, wenn im Rahmen des Nation building einer Nation mit künstlichen Mitteln eine Identität gestiftet wird. Aus dieser Perspektive ist der Mythos um Nabucco und das italienische Risorgimento heute kein bisschen uninteressant geworden.

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben Alberto Mattioli stammt aus Modena. Er ist Journalist der italienischen Tageszeitung «La Stampa» und Opernexperte. 2018 ist sein Verdi-Buch «Meno grigi più Verdi» erschienen.

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DIE ANFÜHRER WACHSENDER SCHAREN Die Schriftstellerin Ricarda Huch über die Anfänge der italienischen Unabhängigkeitsbewegung

Während der Herrschaft Napoleons hatten die verschiedenen Gebiete Italiens einen gewissen Grad von Selbstgefühl erreicht, sei es auch nur insofern, als eine grosse Bewegung sie durchflutet hatte, und Bewegung Leben und Kraft bedeu­ tet und Ideen erzeugt. Es war nicht so, dass das Volk einmütig nach nationaler Einheit und nach Freiheit verlangt hätte; aber die Gebildeten waren unwilliger als früher, den Druck veralteter und fremdartiger Einrichtungen zu ertragen, und empfindlicher als früher gegen die Schmach der Fremdherrschaft. Beim Sturze Napoleons hatte in der Lombardei dessen Stiefsohn, der Vizekönig Eu­ gen Beauharnais, eine Anzahl von Anhängern, die mit ihm eine Art von Selbstän­ digkeit zu gewinnen hofften; die Konservativen und andere, denen der Despo­ tismus der Franzosenherrschaft unleidlich gewesen war, neigten zu Österreich beziehungsweise zu nationaler Selbständigkeit unter einem österreichischen Prinzen. Inzwischen sprach der Wiener Kongress die Lombardei und Venetien dem Kaiser von Österreich zu, der sie, ohne sich um die neuen Wünsche der Italiener zu bekümmern, schlechthin als seine Untertanenländer betrachtete, wie es früher gewesen war. Das österreichische Regiment erwarb sich wenig Sympathien; das pedantische und rechthaberisch herrschsüchtige Wesen des Kaisers Franz ver­ letzte fortwährend die Eigenart der Italiener. Die Jugend besonders, die in der liberalen Atmosphäre der Franzosenzeit aufgewachsen war, sehnte sich danach zurück; auf den Österreichern lastete bald das Odium der Langeweile, der Be­ schränktheit und Unkultur. Von einer solchen Stimmung zu offener Empörung ist es jedoch noch weit; es war nur ein kleiner Kreis von Menschen in Mailand, die sich geradezu in Gegensatz zur Regierung stellten, zunächst, indem sie die

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Beförderung des industriellen, technischen und geistigen Fortschritts sich an­ gelegen sein liessen und dadurch den österreichischen Grundsatz der Trägheit und Gebundenheit kritisierten und bekämpften. Der Widerstand, den der Kai­ ser diesen Bemühungen entgegenbrachte, verschärfte die Spannung, die sich dadurch zu entschiedenem Kampf zuspitzte, dass im benachbarten Savoyen ein Erbprinz aufwuchs, der als einheimischer Fürst mit modernen Ideen geeignet schien, der Fremdherrschaft berechtigterweise entgegenzutreten. Die Rolle des Befreierkönigs durchzuführen, zu der sein Charakter und die Umstände den jungen Karl Albert von Savoyen bestimmten, war es in jeder Hinsicht zu früh; er enttäuschte die Piemontesen und Lombarden, die auf ihn gerechnet hatten, und überliess sie der Rache der beleidigten Souveräne. Diese im Keim erstickte Revolution war ein tragisches Vorspiel der grossen, am Ende siegreichen Erhebung Italiens; in dem gewaltsam darüber aufgetürm­ ten Grabhügel gärten Stürme und Blitze, die immer wieder hervorbrachen, den ungesühnten Kampf zu vollenden. Vorher hatten Ideen die Geister erregt, jetzt witterte die Rache frisches Blut. Die, welche gelitten hatten und untergegangen waren, schnell Verklärte, Strahlenbekränzte, lockten als Anführer wachsende Scharen.

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Wer das Grosse nicht mehr in Gott findet, findet es überhaupt nicht vor und muss es leugnen oder – schaffen – schaffen helfen. Friedrich Nietzsche






Geh, Gedanke Geh, Gedanke, solang ein zum Flug klares Wort dein Flügel ist, dich aufhebt und dorthin geht, wo die leichten Metalle sich wiegen, wo die Luft schneidend ist in einem neuen Verstand, wo Waffen sprechen von einziger Art. Verficht uns dort!

komplette Die Das Woge trug ein Treibholz Programmbuch hoch und sinkt. Das Fieber riss dich an sich, lässt dich fallen. können Sie auf Der Glaube hat nur einen Berg versetzt.

www.opernhaus.ch/shop Lass stehn, was steht, geh, Gedanke!, oder am Vorstellungsabend im Foyer von nichts andrem als unsrem Schmerz durchdrungen. des Opernhauses erwerben Entsprich uns ganz! Ingeborg Bachmann


NEBUKADNEZAR WILL GOTT TÖTEN In einem Entwurf von Friedrich Dürrenmatt trifft der babylonische König auf Gott.

Ich plante, jeden Akt in einem höheren Stockwerk spielen zu lassen, in einem Turm, der sich dem Himmel entgegenschiebt, die Wolken durchstösst, in die Leere des Alls vordringt, bis die Akteure nur noch in Sauerstoffmasken auftreten. Sie sind nicht mehr voneinander zu unterscheiden. Es sind die letzten Men­ schen, die mit immer verwegeneren Konstruktionen auf immer halsbrecheri­ scheren Gerüsten weiterbauen, vom Turmbau nicht ablassen, bis sie in tagelan­ gem freiem Fall zur Erde zurückstürzen oder in der Pechschwärze des Himmels, ans Gerüst geklammert, in der Glut der Sonne verkochen. Als einziger erreicht Nebukadnezar sein Ziel, der König von Babylon, der die Erde unterjocht und die Völker gezwungen hat, den immensen Turm zu bauen, weil er, aus einem ungeheuerlichen Selbsthass heraus, den Himmel erobern und Gott töten will, den Schöpfer dieser unsinnigen Welt. Aus einer Versenkung kletternd, erschöpft, ein Gespenst seiner selbst, steht er auf einer leeren Bühne, auf dem Weltendach, ein blosses Schwert in der Rechten. Er reisst sich die Sauerstoffmaske vom Ge­ sicht. Er ist allein. Er schreit. Keine Antwort. Er fordert Gott zum Zweikampf auf. Stille. Nicht einmal ein Echo. Der Feind zeigt sich nicht. Endlich taucht aus der Leere ein Schemen auf, zuerst verschwommen, dann deutlicher, nimmt Gestalt an, ein Greis, das Antlitz erloschen, gekleidet wie Nebukadnezar, in einer Art Raumfahreranzug, nur zerschlissener, verstaubter, schäbiger, Jahrhun­ derttausende alt, in sich versunken, mit einem Besen einige Atome zusammen­ kehrend, ohne auf den König von Babylon zu achten. Wo Gott sei, fragt Ne­ bukadnezar. Der Alte bleibt stehen, starrt ins Leere rundherum. Weiss nicht, antwortet er endlich. Wer er sei, fragt der König. Ein Grinsen verzieht das Gesicht des Alten, ein lautloses Lachen, dann erlischt es wieder. Dein Vorgänger,

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antwortet der Greis, kehrt weiter mit seinem Besen, einige tote Atome wirbeln auf. Er sei Nebukadnezar, schreit der König von Babylon in die Stille hinein, er habe den Turm gebaut, den Himmel erreicht, und nun suche er Gott zu töten, den Urverbrecher. Das habe er auch einmal unternommen, entgegnet der Alte, eintönig vor sich hinleiernd, in Urzeiten habe auch er die Erde unterjocht und die Völker gezwungen, das Unmögliche zu unternehmen, einen Turm zu bau­ en, hoch, unermesslich, den Himmel zu erobern. Wie Nebukadnezar habe auch er ins Grenzenlose gebaut, nun habe ihn der König von Babylon erlöst, nun sei es an diesem, den Weltendachboden zu kehren. Diese Arbeit habe doch keinen Sinn, schreit Nebukadnezar. Im Nichts habe nichts einen Sinn, antwortet der Alte, übergibt dem König den Besen, entfernt sich, die Schritte verhallen. Ne­ bukadnezar wirft den Besen von sich, steht unbeweglich. Sekunden verstreichen, sie dauern eine Ewigkeit, der König von Babylon starrt auf sein Schwert, starrt auf den Besen, endlose Minuten, stösst das Schwert in den Boden, geht zum Besen, bückt sich, ergreift den Besen, beginnt zögernd mit seiner stumpfsinni­ gen Arbeit, entfernt sich allmählich, die Bühne mit seinem Besen kehrend, ir­ gendwohin ins Nirgendwo des Nichts, wird zum Schatten, wird vom eintönigen Grau der Ewigkeit verschluckt, bis ihn einmal ein dritter Turmbauer erlösen wird und diesen ein vierter und so fort in der unermesslichen Zukunft. Nur noch das Schwert steckt mitten auf der Bühne, vibriert leicht, ein sinnloser Gegenstand.

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DAS EINZIGE MONUMENT Was bleibt vom Unglück der unwesentlichen Existenzen? Michel Foucault

Aber würde uns von dem, was die unwesentlichen Existenzen in ihrem beson­ deren Ungestüm und Unglück gewesen sind, irgend etwas bleiben, wenn sie nicht in einem bestimmten Augenblick die Macht gekreuzt hätten und deren Kräfte provoziert hätten? Ist es denn nicht einer der grundlegenden Züge un­ serer Gesellschaft, dass das Schicksal darin die Form des Verhältnisses zur Macht, des Kampfes mit ihr oder gegen sie annimmt? Der intensivste Punkt der Leben, wo sich ihre Energie konzentriert, ist dort, wo sie mit der Macht zusammen­ stossen, sich mit ihr auseinandersetzen, ihre Kräfte verwenden oder ihren Fallen zu entrinnen versuchen. Die kurzen und gellenden Worte, die zwischen der Macht und den unwesentlichen Existenzen hin und her fahren, sind für diese das einzige Monument, das man ihnen je zugestanden hat. Nur dieses die Zeit durchquerende Monument verleiht ihnen den kleinen Strahl, den kurzen Blitz, der sie bis zu uns trägt.

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NABUCCO

G I USEPPE V ER D I (1813-1901) Dramma lirico in vier Teilen Libretto von Temistocle Solera Uraufführung: 9. März 1842, Teatro alla Scala, Mailand

Personen

Nabucco, König von Babylon

Bariton

Abigaille, Sklavin, vermeintlich erstgeborene Tochter Nabuccos Fenena, Tochter Nabuccos

Mezzosopran

Ismaele, Neffe von Sedecia, dem König von Jerusalem Zaccaria, Hohepriester der Hebräer Anna, Zaccarias Schwester

Bass

Sopran

Abdallo, babylonischer Wächter

Tenor

Oberpriester des Baal Bass Chor

Soldaten, Volk Ort und Zeit der Handlung

Jerusalem und Babylon, 587 v. Chr.

Tenor

Sopran


PARTE PRIMA Gerusalemme

ERSTER TEIL Jerusalem

Così ha detto il Signore: «Ecco, io do questa città in mano del re di Babilonia; egli l’arderà col fuoco».

So spricht der Herr: Siehe, ich gebe diese Stadt in die Hand des Königs von Babel, und er wird sie in Brand stecken und verbrennen.

Geremia XXXII

Jeremia XXXII

Interno del tempio di Salomone

Im Tempel des Salomo

CORO D’INTRODUZIONE E CAVATINA

ERÖFFNUNGSCHOR UND KAVATINE

EBREI, LEVITI E VERGINI EBREE

HEBRÄER, LEVITEN UND HEBRÄISCHE JUNGFRAUEN

Gli arredi festivi giù cadano infranti, il popol di Giuda di lutto s’ammanti! Ministro dell’ira del Nume sdegnato il rege d’Assiria su noi già piombò! Di barbare schiere l’atroce ululato nel santo delubro del Nume tuonò!

Der Festschmuck fällt zertrümmert nieder, das Volk von Juda hüllt sich in Trauer! Vollstrecker des Zorns des geschmähten Herrn, sucht der König von Babel uns heim! Das wüste Geschrei barbarischer Horden erschallte im heiligen Tempel des Herrn!

LEVITI

LEVITEN

I candidi veli, fanciulle, squarciate, le supplici braccia gridando levate; d’un labbro innocente la viva preghiera è grato profumo che sale al Signor. Pregate, fanciulle!… Per voi della fiera nemica falange sia nullo il furor!

Zerreisst, ihr Mädchen, die Schleier der Reinheit, hebt flehend die bittenden Arme empor; die inständigen Gebete unschuldiger Lippen steigen wie lieblicher Duft auf zum Herrn. Betet, ihr Mädchen!… Durch euch sei das Rasen des wilden Heeres der Feinde umsonst!

Tutti si prostrano a terra.

Alle werfen sich auf die Erde.

VERGINI

JUNGFRAUEN

Gran Nume, che voli sull’ale dei venti, che il folgor sprigioni dai nembi frementi, disperdi, distruggi d’Assiria le schiere, di David la figlia ritorna al gioir! Peccammo!… Ma in cielo le nostre preghiere ottengan pietade, perdono al fallir!…

Grosser Gott, der du auf Flügeln des Windes schwebst, der du aus bebenden Wolken Blitze versprühst, zerstöre, vernichte Assyriens Heer, gib Davids Tochter die Freude zurück! Wir haben gesündigt!… Doch möge unser Flehen im Himmel Erbarmen erreichen, Vergebung für unsere Schuld!…

TUTTI

ALLE

Deh! l’empio non gridi con baldo blasfèma:

Ach! Möge der Frevler nicht gotteslästerlich rufen:

EBREI E LEVITI

HEBRÄER UND LEVITEN

«Il Dio d’Israello si cela per tema?»

«Versteckt sich der Gott Israels etwa aus Furcht?»

TUTTI

ALLE

Non far che i tuoi figli divengano preda d’un folle che sprezza l’eterno poter!

Erlaube nicht, dass deine Kinder Opfer eines Tollkühnen werden, der die ewige Macht verachtet!


non far che sul trono davidico sieda fra gl’idoli stolti l’assiro stranier!

Erlaube nicht, dass auf dem Throne Davids zwischen törichten Götzen der assyrische Fremdling sitzt!

Si alzano.

Sie erheben sich.

ZACCARIA tenendo per mano Fenena

ZACHARIAS Fenena an der Hand haltend

Sperate, o figli! Iddio del suo poter diè segno; ei trasse in poter mio un prezioso pegno;

Schöpft Hoffnung, Kinder! Gott gab ein Zeichen seiner Macht; er brachte ein kostbares Pfand in meine Gewalt;

additando Fenena

auf Fenena weisend

del re nemico prole, pace apportar ci può.

die Tochter des feindlichen Königs kann uns Frieden bringen.

TUTTI

ALLE

Di lieto giorno un sole forse per noi spuntò!

Vielleicht ging für uns die Sonne zu einem Tag voll Freude auf!

ZACCARIA

ZACHARIAS

Freno al timor! v’affidi d’Iddio l’eterna aita.

Bändigt eure Furcht! Vertraut auf die ewige Hilfe des Herrn.

D’Egitto là sui lidi Egli a Mosè diè vita; di Gedeone i cento invitti Ei rese un dì… Chi nell’estremo evento fidando in Lui perì?

Dort an den Ufern Ägyptens brachte Er Moses zur Welt; einst machte Er Gideons Schar unbesiegbar… Wen, der Ihm vertraute, liess er am Ende untergehn?

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ALLE

Di lieto giorno ecc.

Vielleicht ging für uns etc.

ZACCARIA

ZACHARIAS

Freno al timor! ecc. Chi nell’estremo ecc.

Bändigt eure Furcht! etc. Wen, der Ihm vertraute, etc.

TUTTI

ALLE

Qual rumore!

Was ist das für ein Lärm!

ISMAELE

ISMAEL

Furibondo dell’Assiria il re s’avanza; par ch’ei sfidi intero il mondo nella fiera sua baldanza!

Der König von Assyrien naht wutentbrannt; er scheint in wilder Dreistigkeit der ganzen Welt zu trotzen!

EBREI E LEVITI

HEBRÄER UND LEVITEN

Pria la vita …

Eher das Leben …

ZACCARIA

ZACHARIAS

Forse fine porrà il cielo all’empio ardire:

Vielleicht wird der Himmel dem Frevelmut ein Ende setzen:


Programmheft NABUCCO

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben Oper von Giuseppe Verdi

Premiere am 23. Juni 2019, Spielzeit 2018/19

Herausgeber

Intendant

Opernhaus Zürich Andreas Homoki

Zusammenstellung, Redaktion Fabio Dietsche

Layout, Grafische Gestaltung Carole Bolli, Giorgia Tschanz

Anzeigenverkauf Opernhaus Zürich, Marketing

Telefon 044 268 64 14, inserate@opernhaus.ch

Schriftkonzept und Logo

Druck

Textnachweise: Die Handlung, das Interview mit Andreas Homoki und Fabio Luisi sowie der Artikel von Alberto Mattioli sind Originalbeiträge für dieses Programmheft. (Übersetzung aus dem Italienischen und Redaktion des Artikels von Alberto Mattioli: Claudia Blersch und Fabio Dietsche). Weitere Textquellen: Luigi Dallapiccola, Worte und Musik im Melodramma, in: Heinz-Klaus Metzger und Rainer Riehn (Hrsg.), Musik-Konzepte, Heft 10: Giu­sep­pe Verdi, München 1979; Ricarda Huch, Menschen und Schicksale aus dem Risorgimento, Grafrath 2018; Friedrich Dürrenmatt, Turmbau. Stoffe IV-IX, Copyright © 1990, 1998 Diogenes Verlag AG

Studio Geissbühler Fineprint AG

Zürich; Michel Foucault, Das Leben der infamen Menschen, Berlin 2001; William Shakespeare, König Lear, München 2016, Friedrich Nietzsche, KSA 10, Nachgelassene Fragmente 1882-1884, München 1999; Ingeborg Bachmann, Sämtliche Gedichte, München/Berlin 1978. Bildnachweise: Monika Rittershaus fotografierte die Klavierhauptprobe am 13. Juni 2019. Urheber, die nicht erreicht werden konnten, werden zwecks nach­­träglicher Rechtsabgeltung um Nach­richt gebeten.


mein Haus. mein Platz. mein Abo. Auch in ausverkauften Vorstellungen. www.opernhaus.ch/abo


Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie den Beiträgen der Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Zug und Aargau im Rahmen der interkantonalen Kulturlastenvereinbarung und den Kantonen Nidwalden und Obwalden. PARTNER

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LANDIS & GYR STIFTUNG Lindt und Sprüngli (Schweiz) AG Stiftung Lyra zur Förderung hochbegabter, junger Musiker und Musikerinnen Die Mobiliar Fondation Les Mûrons Neue Zürcher Zeitung AG Pro Helvetia, Schweizer Kulturstiftung StockArt – Stiftung für Musik Elisabeth Stüdli Stiftung Else von Sick Stiftung Ernst von Siemens Musikstiftung Elisabeth Weber-Stiftung Zuger Stiftung für Wirtschaft und Wissenschaft Hulda und Gustav Zumsteg-Stiftung

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M U Z T R O H GE . N O T N E T U G

Für Kulturgenuss, den einfach nichts stören kann, präsentiert Ricola eine Sinfonie aus dreizehn Schweizer Kräutern: Extra beruhigend und wohltuend für Hals und Rachen, unvergleichlich mild und wunderbar köstlich im Geschmack – und Husten spielt keine Rolle mehr. Geniessen Sie die Vorstellung. ricola.com


Freude an der Musik. Heute und in Zukunft. Deshalb unterstützen wir das Opernhaus Zürich seit 1989 als Partner. credit-suisse.com/sponsoring

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