Das Mädchen mit den Schwefelhölzern

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DAS MÄDCHEN MIT DEN

SCHWEFELHÖLZERN

HELMUT LACHENMANN CHRISTIAN SPUCK


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DAS MÄDCHEN MIT DEN SCHWEFELHÖLZERN Musik mit Bildern von Helmut Lachenmann (*1935) Ballett von Christian Spuck Schweizerische Erstaufführung

Partner Ballett Zürich

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Die Geschichte von dem kleinen Mädchen mit den Schwefelhölzern selbst steckt voller «Botschaften», klaren und verhüllten: Gesellschaftskritik, existenzielle Einsamkeit, «regressiver» Protest – das «Kapital» des kleinen Mädchens, die Schwefelhölzchen, die es an­zündet, um sich zu wärmen, um Vorstellungen von Glück hervorzurufen – wobei es erfriert. Helmut Lachenmann



TEXTE UND WERKSTRUKTUR 1 ) Choralvorspiel «O du fröhliche»

Es war fürchterlich kalt; es schneite und begann dunkler Abend zu werden, es war der letzte Abend im Jahre, Neujahrsabend!

2 ) Überleitung In dieser Kälte und in dieser Finsternis ging ein «In dieser Kälte» kleines, armes Mädchen mit blossem Kopfe und nackten Füssen auf der Strasse. 3 ) Frier-Arie 4 ) Trio und Reprise 5 ) Scherzo (Teil 1: «Königin der Nacht») 6 a ) Scherzo (Teil 2: «Schnalz-Arie») 6 b ) «Stille Nacht» 6 c ) «Schalz-Arie» (Schluss)

Sie hatte freilich Pantoffeln gehabt, als sie vom Hause wegging, aber was half das! Es waren sehr grosse Pantoffeln, ihre Mutter hatte sie zuletzt getragen, so gross waren sie, dass die Kleine sie verlor, als sie sich beeilte, über die Strasse zu gelangen, weil...

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7 ) Überleitung zur «Jagd»: «Zwei Wagen»

...zwei Wagen gewaltig schwer daher jagten.

8 ) «Jagd»

Der eine Pantoffel war nicht wiederzufinden, und mit dem andern lief ein Knabe davon, der sagte, er könne ihn gut benutzen, wenn er selbst einmal Kinder bekomme.

9 ) Streichhölzchen und Schneeflocken

Da ging nun das arme Mädchen auf den blossen, kleinen Füssen, die ganz rot und blau vor Kälte waren. In einer alten Schürze hielt sie eine Menge Streichhölzer, und ein Bund trug sie in der Hand. Niemand hatte ihr während des ganzen Tages etwas abgekauft, niemand hatte ihr nur einen Dreier geschenkt; hungrig und halberfroren schlich sie einher und sah sehr gedrückt aus, die arme Kleine! Die Schneeflocken fielen in ihr langes gelbes Haar, das sich schön über den Hals lockte, aber an Pracht dachte sie freilich nicht.

10 ) «Aus allen Fenstern»

Aus allen Fenstern glänzten die Lichter, und es roch in der Strasse herrlich nach Gänsebraten, es war ja Silvesterabend, und daran dachte es.

11 ) Hauswand 1 «In einem Winkel»

In einem Winkel zwischen zwei Häusern – das eine sprang etwas weiter in die Strasse vor als das andere – setzte sie sich und kauerte sich zusammen. Die kleinen Füsse hatte sie fest angezogen, aber es fror sie noch mehr, und sie wagte nicht nach Hause zu gehen, denn sie hatte ja keine Streichhölzer verkauft, nicht einen einzigen Dreier erhalten. Ihr Vater würde sie schlagen, und kalt war es daheim auch, sie hatten nur das Dach gerade über sich, und da pfiff der Wind herein, obgleich Stroh und Lappen

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zwischen die grossen Spalten gestopft waren. Ihre kleinen Hände waren vor Kälte fast ganz erstarrt. Ach! Ein Streichhölzchen könnte gewiss recht guttun, wenn sie nur wagen dürfte, eins aus dem Bunde herauszuziehen, es anzustreichen und die Finger daran zu wärmen.

12 ) Ritsch 1 / Ofen

Sie zog eins heraus, «Ritsch!». Wie sprühte es, wie brannte es! Es gab eine warme, helle Flamme, wie ein kleines Licht, als sie die Hand darum hielt, es war ein wunderbares Licht! Es kam dem kleinen Mädchen vor, als sitze sie vor einem grossen eisernen Ofen mit Messingfüssen und einem messingenen Aufsatz; das Feuer brannte ganz herrlich darin und wärmte schön! Die Kleine streckte schon die Füsse aus, um auch diese zu wärmen –

13 ) Hauswand 2 «Da erlosch die Flamme»

da erlosch die Flamme, der Ofen verschwand –- sie sass mit einem kleinen Stumpf des ausgebrannten Hölzchens in der Hand.

14 ) Ritsch 2 /  Gedeckter Tisch, Gans (Nicht komponiert)

Ein neues wurde angestrichen, es brannte, es leuchtete, und wo der Schein auf die Mauer fiel, wurde diese durchsichtig wie ein Flor. Sie sah gerade in das Zimmer hinein, wo der Tisch mit einem glänzend weissen Tischtuch und feinem Porzellan gedeckt stand, und herrlich dampfte eine mit Pflaumen und Äpfeln gefüllte, gebratene Gans darauf. Und was noch prächtiger war. Die Gans sprang von der Schüssel herab, watschelte auf dem Fussboden hin mit Gabel und Messer im Rücken, gerade auf das arme Mädchen kam sie zu. Da erlosch das Streichholz, und nur die dicke, kalte Mauer war zu sehen.

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15 a ) Hauswand 3 «Litanei»: «der kriminelle, der wahnsinnige, der selbstmörder»

der kriminelle, der wahnsinnige, der selbstmörder – sie verkörpern diesen widerspruch, sie verrecken in ihm. ihr verrecken verdeutlicht die ausweglosigkeit/ohnmacht des menschen im system: entweder du vernichtest dich selbst oder du vernichtest andere, entweder tot oder egoist. in ihrem verrecken zeigt sich nicht nur die vollendung des Systems: sie sind nicht kriminell genug, sie sind nicht wahnsinnig genug, sind nicht mörderisch genug, und das bedeutet ihren schnelleren tod durch das system im system. in ihrem verrecken zeigt sich gleich­zeitig die verneinung des systems, ihre kriminalität, ihr wahnsinn, ihr tod ist ausdruck der rebellion der zertrümmerten subjekte gegen ihre zertrümmerung, nicht ding, sondern mensch.

15 b ) «schreibt auf unsere haut»

(schreibt auf unsere haut.) (Gudrun Ensslin)

16 a ) Ritsch 3 16 b ) Kaufladen

Sie zündete ein neues an. Da sass sie unter dem schönsten Weihnachtsbaume. Der war noch grösser und aufgeputzter als der, den sie durch die Glastür bei einem reichen Kaufmann erblickt hatte. Viele tausend Lichter brannten auf den grünen Zweigen und bunte Bilder wie jene, die in den Ladenfenstern lagen, schauten zu ihr herab. Die Kleine streckte die beiden Hände in die Höhe – da erlosch das Streichholz,

16 c ) Überleitung «Die Weihnachts­lichter stiegen höher»

die vielen Weihnachtslichter stiegen höher und immer höher, nun sah sie, dass es die klaren Sterne am Himmel waren, einer davon fiel herab und machte einen langen Feuerstreifen am Himmel. «Nun stirbt jemand!» sagte die Kleine, denn ihre alte Grossmutter, die einzige, die sie lieb gehabt hatte, die jetzt aber tot war, hatte gesagt: 11


17 ) Abendsegen

«Wenn ein Stern fällt, so steigt eine Seele zu Gott empor.»

18 ) Zwei Gefühle

So donnernd brüllt nicht das stürmische Meer, wenn der scharfe Nordwind es mit seinen brausenden Wogen zwischen Scylla und Charybdis hin und her wirft, noch der Stromboli oder Aetna, wenn die Schwefelfeuer im gewaltsamen Durchbruch den grossen Berg öffnen, um Steine und Erde samt den austretenden und heraus gespieenen Flammen durch die Luft zu schleudern, noch auch die glühenden Höhlen von Mongibello, wenn sie beim Herausstos­sen des schlecht verwahrten Elements rasend jedes Hindernis verjagen, das sich ihrem ungestümen Wüten entgegenstellt … Doch ich irre umher, getrieben von meiner brennenden Begierde, das grosse Durcheinander der verschiedenen und seltsamen Formen wahrzunehmen, die die sinn­ reiche Natur hervorgebracht hat. Ich wand mich eine Weile zwischen den schattigen Klippen hindurch, bis ich zu einer grossen Höhle gelangte, vor der ich betroffen im Gefühl der Unwissenheit eine Zeit lang verweilte. Ich hockte mit gekrümmtem Rücken. Die müde Hand aufs Knie gestützt, beschattete ich mit der Rechten die gesenkten und geschlossenen Wimpern. Und nun, da ich mich oftmals hin und her beugte, um in die Höhle hineinzublicken und dort etwas zu unterscheiden, ver­bot mir das die grosse Dunkelheit, die darin herrschte. Als ich aber geraume Zeit verharrt hatte, erwachten plötzlich in mir zwei Gefühle: Furcht und Verlangen. Furcht vor der drohenden Dunkelheit der Höhle, Verlangen aber, mit eigenen Augen zu sehen, was darin an Wunder­barem sein möchte. (Leonardo da Vinci)

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19 ) Hauswand 4 / Zähltakte 20 a ) Ritsch 4

Sie strich wieder ein Streichholz an, es leuchtete rings umher, und im Glanze stand die Grossmutter, glänzend, mild und lieblich da.

20 b ) Grossmutter

«Grossmutter!» rief die Kleine. «Oh,

21 ) «Nimm mich mit!»

nimm mich mit! Ich weiss, dass du auch gehst, wenn das Streichholz ausgeht, gleichwie der warme Ofen, der schöne Gänsebraten und der grosse, herrliche Weihnachtsbaum!» Sie strich eiligst den ganzen Rest der Hölzer, die noch in der Schachtel waren, an – sie wollte die Grossmutter recht festhalten, und die Streichhölzer leuchteten mit solchem Glanz, dass es heller war als am lichten Tage. Die Grossmutter war nie so schön, so gross gewesen,

22 ) Himmelfahrt «In Glanz und Freude»

sie hob das kleine Mädchen auf ihren Arm, und in Glanz und Freude flogen sie in die Höhe, und da fühlte sie keine Kälte, keinen Hunger, keine Furcht –

23 ) Shō «Sie waren bei Gott»

sie waren bei Gott!

24 ) Epilog «Aber in der kalten Morgen­ stunde»

Aber im Winkel am Hause sass in der kalten Morgenstunde das kleine Mädchen mit roten Wangen, mit lächelndem Munde – tot, erfroren am letzten Abend des alten Jahres. Der Neujahrsmorgen ging über der kleinen Leiche auf, die mit Streichhölzern dasass, wovon eine ganze Schachtel verbrannt war. «Sie hat sich wärmen wollen», sagte man. Niemand wusste, was sie Schönes erblickt hatte, in welchem Glanze sie mit der alten Grossmutter zur Neujahrsfreude eingegangen war!

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HELLWACH MIT ALLEN SINNEN Über den deutschen Komponisten Helmut Lachenmann und seine Oper «Das Mädchen mit den Schwefelhölzern» Claus Spahn

Was für eine Kälte! Erstarrt muss diese Welt sein, steifgefroren, knochenhart. Man kann es am Knacken und Klirren hören, das die Instrumente hervorbringen, ihrem leisen Fauchen, das wie eisig schneidende Winde tönt, den brüchigen Ge­ räuschschollen, die den Boden einer knirschenden Klanglandschaft bilden. Zu flüssig wechselnden Tonhöhen scheint diese Musik gar nicht mehr fähig zu sein. Und was sie mit dem Menschen macht, wenn er ihr ausgesetzt ist, hören wir auch: Das Schlottern und Bibbern zweier Singstimmen, ihr stockendes Atmen, ihr Japsen. Es ist eine Musik der blaugefrorenen Lippen, die hier erklingt. Märchenvertonungen stellt man sich eigentlich anders vor, irgendwie idylli­ scher und heimeliger, vor allem wenn in ihnen der Weihnachts-Winterfrost aus­ ­gebrochen ist und Schneeflocken fallen. Das liegt daran, dass wir Wintermär­chen ganz selbstverständlich immer als diejenigen wahrnehmen, die in der guten Stube in behaglicher Wärme sitzen. Kalt ist es nur draussen. Der deutsche Kom­ ponist Helmut Lachenmann aber ist mit der Hauptfigur von Hans Christian Andersens Märchen Das Mädchen mit den Schwefelhölzern hinausgegangen in die beissende Kälte und hat in seiner Musik geradezu körperlich vernehmbar ge­macht, wie es ist, wenn «ein kleines, armes Mädchen mit blossem Kopfe und nackten Füssen», wie es bei Andersen heisst, in einer Winternacht auf der Stras­ se unterwegs ist. Eine bibbernde «Frier-Arie» hat er beispiels­weise komponiert und eine «Schnalz-Arie», die wie ein auskomponierter Ver­zweiflungs-Tic klingt – Gaumenschnalzen und Wangenklopfen als verzweifelt kindlich spielerische Reaktion auf die Unerträglichkeit des Daseins.

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Unerträglich ist die ganze Geschichte. Hans Christian Andersens Märchen gehört zu den traurigsten, die je geschrieben wurden. Ein Mädchen wird in einer Silvesternacht auf die Strasse geschickt, um Schwefelhölzchen zu verkaufen. Die Familie ist in Not, braucht das Geld. Aber keiner kauft dem Kind etwas ab, keiner beachtet es. Es kauert sich in einen Winkel zwischen zwei Häusern und zündet ein Schwefelhölzchen an, um sich an der Flamme die verfrorenen Hände zu wärmen. Es zündet weitere Hölz­chen an, weil ihm mit jeder Flamme Traum­bilder von Wärme, Geborgenheit und Wohlstand erscheinen. In einem der Bilder sieht es die tote Grossmutter, und um das Bild der Grossmutter nicht zu verlieren, zündet es schliesslich alle Schwefelhölzer auf einmal an. Hell leuchtet die Flamme, das Mädchen fliegt mit der Grossmutter in den Himmel. Aber das Licht des nächsten Morgens fällt auf eine Kinderleiche – das Mädchen mit den Schwefelhölzern ist erfroren. Die Gesellschaftskritik, die Andersens Märchen innewohnt, liegt auf der Hand: Die Menschen auf der Strasse gehen achtlos an einem erfrierenden Menschen vorüber. Das Mädchen stirbt unter den Fenstern gut geheizter Wohnzim­ mer, in denen fette Weihnachtsgänse auf den Tischen stehen. Helmut Lachen­ manns Musik macht diese gesellschaftliche Kälte zum Thema, die Fröste von Gleichgültigkeit, Selbstbezogenheit und Mitleidlosigkeit. Und das Aufbegehren dagegen: Mit einem «Ritsch» zündet das Mädchen die Streichhölzer an. Dieses «Ritsch» ist seine Reaktion auf die Ausweglosig­keit der Situation. Das Kind wider­setzt sich seiner elenden Pflicht, Streichhölzer verkaufen zu müssen, indem es sie abbrennt. Es tut Verbotenes. Es zündelt. In Lachenmanns Stück ist das ein markanter Moment: Die Reibungshitze des «Ritsch» wird Klang, eine Singstimme sagt: «Ich», und der Komponist macht in der Folge mit Textzitaten die Parallele zu einer anderen politischen Zündlerin auf – der deutschen RAF-Terroristin Gudrun Ensslin, die an Banküberfällen und tödlichen Spreng­stoffanschlägen beteiligt war und sich 1977 im Gefängnis das Leben nahm. Ensslins erstes «Ritsch» wider die gesellschaftlichen Verhältnis­se war 1968, als sie in Frankfurt gemeinsam mit dem Terroristen Andreas Baader ein Kaufhaus in Brand steckte. Lachenmann kannte Ensslin aus Kindertagen, beide stammen aus schwäbisch- protestantischen Pastorenfamilien. Lachenmann hat in einem Interview erklärt, an Ensslins kriminellen Handlungen gebe es

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nichts zu entschuldigen, aber mit ihrer Ver­urteilung sei die Frage nach unserer Mitverantwortung für das, wogegen sie aufbegehrte, nicht abgehakt. Die Terro­ ristin hat 1975 im Gefängnis einen Brief geschrieben, den Helmut Lachenmann im Mädchen mit den Schwefelhölzern zitiert: «der kriminelle, der wahnsinnige, der selbstmörder, sie verkörpern diesen widerspruch; sie verrecken in ihm (...) entweder du vernichtest dich selbst oder du vernichtest andere.» Die Briefstelle endet mit dem Satz: «schreibt auf unsere haut.» Mit diesem Ensslin-Zitat legt Helmut Lachenmann politisches Feuer an Andersens Märchen. Obwohl sein Komponieren nie agitatorischen Charakter hat. Er kleidet keine Ideen in Töne, ist kein Propagandist politischer Botschaften, sondern er kompo­niert ganz konkret Geräusche, Gesangsvokalisen, Sprachpartikel, die zuallererst für sich selbst stehen und ihre eigene Hervorbringung mitreflektieren. Von schneidender Intensität sind sie und in ihrer Gestalt hochpräzise ersonnen, abstrakt und dennoch von dringlicher Bildhaftig­keit. Es gehe ihm nicht um das Hören einer Musik, hat Lachen­mann einmal geschrieben, «die den traurigen Weltlauf durch Kratzgeräusche beklagt, aber auch nicht um eine Musik, die vor dieser Welt in irgendeine Klangexotik sich flüchtet, sondern um Musik, bei welcher unsere Wahrnehmung sensibel und auf­merksam wird im Grunde auf sich selbst». In diesem Wunsch nach Intensivierung der Wahrnehmung und in dem Appell, der Mensch möge genau hinhören und sich seiner Sinne hellwach bedienen, liegt das eigentlich Politische seiner kompositorischen Haltung. Wobei er Wahrnehmung nicht im Sinne eines meditativ andächtigen Sichhingebens meint. Es gehe in der Kunst «um einen humanen Anspruch», der mit «Ver­antwortung für seinen Sinnenapparat» zu tun habe «im Hinblick einer Wirklichkeit, die uns permanent Dinge vom Alltag verzerrt vorspiegelt». Einfach macht Helmut Lachenmann es uns mit dem Hören freilich nicht. Jeder Klang ist bei den von ihm verwendeten Instrumenten hinterfragt, aufgebrochen, im Hinblick auf seine Entstehungsbedingungen untersucht und dann neu und anders zusammengesetzt. Kaum ein Ton wird in seinen Partituren auf konventionelle Weise erzeugt. Weit ist das Feld der von ihm geforderten Spieltechniken, etwa das Spielen der Streichinstrumente hinter dem Steg, über dem Griffbrett, am Holz, mit fragilen Wisch- oder Klopfbewegungen – ein genau er­tüfteltes Knarzen und Knirschen, Fauchen und Atmen, Reiben und Sirren in

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allen Instrumentengruppen. «Komponieren heisst, ein Instrument bauen», lautet ein Wahlspruch Lachenmanns, den inzwischen so viele Komponisten nachbeten, dass er ihn selbst kaum mehr hören mag. Sein Interesse an den Geräuschanteilen der Klänge und das damit verbundene beharrliche Kratzen am schönen Ton hat ihn in den ersten Jahrzehnten seines Schaffens in der öffentlichen Wahrnehmung zu etwas werden lassen, was er nie sein wollte – ein vom bürgerlichen Kunstbetrieb angefeindeter (und von Teilen der Neue-Musik-Szene bewunderter) Agent provocateur. In den siebziger Jahren des vergangenen Jahr­hunderts gab es Orchestermusiker, die seine Partituren mit der Haltung zurückwiesen, das sei keine Musik. Inzwischen aber hat Lachenmann sich durchgesetzt als einer der bedeutendsten und weltweit anerkannten Komponisten der Gegenwart. Sein Musiktheater Das Mädchen mit den Schwefelhölzern, das 1997 in Hamburg uraufgeführt wurde, trug wesentlich dazu bei. Es gehört zu den wenigen Grosswerken der zeitgenössischen Musik, die nach der Uraufführung nicht in der Schublade verschwunden sind, sondern mit zunehmendem Erfolg immer wieder aufgeführt wurden – in Stuttgart, Salzburg, Berlin, Frankfurt, aber auch in Japan und sogar in den USA. Lachenmanns Mädchen hat sich als eines der ganz grossen musikalischen Hörabenteuer der Gegenwart eta­b­liert, ein Werk mit Kultcharakter. Es ist zum Referenzstück geworden für alle, die den Glauben an das Neue in der Neuen Musik noch nicht verloren haben, und ein weithin leuchtendes Beispiel dafür, dass zeitgenössische Musik trotz – oder gerade wegen – des Beharrens auf avanciertesten Kompositionsmethoden sehr wohl einen Weg zum Pub­likum finden kann. Insbesondere im Mädchen mit den Schwefelhölzern haben die Zuhörer nämlich zunehmend die Schönheit entdeckt, um die es Lachenmann immer ging. Sein Komponieren beruht zwar auf radikaler Struktur- und Ma­ terialbefra­gung, führt aber am Ende zu einer überwältigend sinnlichen Musik. Das hat auch mit dem faszinierenden Raumerlebnis zu tun, das Lachenmanns einziges Werk für das Musiktheater aufbietet: ChorsängerInnen und Instrumentalgruppen sind im Zuschauer­raum platziert, der Klangraum spannt sich rings um das Publikum auf. Wie das Stück mit solchen hochgesteckten Ansprüchen angemessen auf die Bühne zu bringen ist, gehört zu den Rätselfragen, von denen es seit seiner Uraufführung begleitet wird. Eine Oper ist es nämlich nicht.

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Lachenmann hat sein Werk selbst im Untertitel «Musik mit Bildern» genannt. Es gibt zwar zwei Sopranstimmen, die aber keineswegs das Mädchen personifizieren, viel eher sind sie dem instrumentalen und vokalen Apparat beigeordnet. Das Stück kennt keine Rollenidentitäten, es werden nicht, wie sonst in der Oper, Kon­flikte zwischen Individuen verhandelt, und es wird keine wörtliche Rede vertont. Handlung im Sinne illustrativer Programmmusik setzt die Komposi­tion ebenfalls nicht in Töne. Andersens Text ist zwar allgegenwärtig in den 24 Bildern des Werks – in den Chorpassagen, in Wortzitaten, in Klanggesten – aber «mitlesen» kann ihn der Zu­hörer kaum. Zu sehr ist er Teil der Komposition ge­wor­ den. Lachenmann selbst sagt: «Ich erzähle die Geschichte nicht, sondern ich nehme sie als ‹Vor-Wand›». Wie eine Wand benutze er sie, «um mein Schwefelhölzchen daran zu entzünden». Seine «Schwefelhölz­chen» sind seine Klänge, die das Geschehen teilweise wie unter einem Vergrösse­r ungs­glas zur musikalischen Darstellung bringen – etwa langgezogene Töne geriebener asiatischer Klangschalen für die sich ausbreitende Wärme des angezündeten Streichholzes oder kurze, wie in einem Adventskalender aufspringende, grellfarbige Klang-­ Bilder und Zitatfetzen bei den Traumvisionen des Mädchens von weihnachtlichem Glück, das Reibegeräusch von Styroporplatten als nihilistisches Rauschen und immer wieder das schmirgelnde «Ritsch» in allen erdenklichen Facetten. Für jeden Regisseur, der das Stück auf die Bühne bringen will, wird es deshalb zur entscheidenden Herausforderung, dass Lachenmanns Klänge selbst schon Bilder und Zustandsbeschreibungen in Form von Musik sind. Sie szenisch nur zu verdoppeln, hiesse die Musik um ihre eigene Wirkung zu bringen. So gilt für die Regisseure wie für jeden Zuhörer im Saal, dass Lachenmanns Musik­ theater auf neue Pfade der Kunst­erfahrung führt. Das Mädchen mit den Schwefel­ hölzern führt uns in Terra incog­nita. Der Komponist selbst hat diesen Aufbruch ins Unbekannte in ein starkes Bild und eine Szene gekleidet, die Teil seines Werks ist. Im letzten Drittel nämlich unterbricht er vorübergehend Andersens Geschichte und fügt einen Abschnitt ein, den es auch als eigenständiges Konzertstück mit dem Titel Zwei Gefühle – Musik mit Leonardo gibt. Der diesem Abschnitt zugrundeliegende Text stammt von Leonardo da Vinci und imaginiert die Wanderung durch eine süditalienische Vulkanlandschaft über schrundiges Felsgestein, vorbei an scharfkantigen Kratern, gähnenden Erdspalten und

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fauchenden Fumarolen. Lachenmanns Musiktheater geht an dieser Stelle gewis­ sermassen dem Ursprung des Schwefels an den Zündhölzern des Mädchens nach, springt vom bitterkalten Norden in den mediterranen Süden. Da Vincis Text wird von einem Sprecher vorgetragen (Helmut Lachenmann wird in Zürich als solcher selbst auf der Bühne stehen), in einer durchkomponierten Form, die die Sätze in Silben, Konsonan­ten und Vokale zerlegt, rhythmisiert und expressiv auflädt. Die Szene erzählt von einer Grenzerfahrung. Ein einsamer Wanderer durch­ schreitet die vulkanische Welt, getrieben «von einer brennenden Begierde, das grosse Durcheinander der verschiedenen und seltsamen Formen wahrzunehmen, die die sinnreiche Natur hervorgebracht hat». Er lässt sich vor einer Höhle nie­ der, in der «grosse Dunkelheit» herrscht, und verharrt dort. Das Höhlendunkel erscheint ihm als das Unbekannte und geheimnisvoll Andere, das völlig ausserhalb seiner Erfahrung liegt. Er zögert, in die Höhle hineinzublicken. «Als ich aber geraume Zeit verharrt hatte», fährt der Text fort, «erwachten plötzlich in mir zwei Gefühle: Furcht und Ver­langen. Furcht vor der drohenden Dunkelheit der Höhle, Verlangen aber, mit eigenen Augen zu sehen, was darin an Wunderbarem sein möchte.» Wie es dem Wanderer ergeht, so mag es auch dem Zuhörer in Das Mädchen mit den Schwefelhölzern ergehen. Man muss den Mut haben, ins Unbekannte hineinzulauschen, um wahrzunehmen, was an Wunderbarem sich darin findet.

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ÜBER DAS HÖREN Hören – in einer Zeit des täglichen Überangebots von Musik zugleich überfordert und unterfordert, und so verwaltet, muss sich befreien durch Eindringen in die Struktur des zu Hörenden als bewusst ins Werk gesetzte, freigelegte, provozierte Wahrnehmung. Dies scheint mir die wahre Tradition unserer abendländischen Kunst. Der Begriff der Wahrnehmung ist abenteuerlicher, existentieller als der des Hörens: Er setzt alle Vorwegbestimmungen, alle Sicherheiten aufs Spiel. Er impliziert höchste intellektuelle wie intuitive Sensibilität und daran gebundene Aktivität des Geistes, für den nichts selbstverständlich ist, und der anhand des so per Wahrnehmung abgetasteten Objekts nicht nur dessen Struktur und seine konstituierenden Mittel und Gesetze und den darin wirkenden Geist erfährt, sondern zugleich seine eigene Struktur daran reibt und wahrnimmt und sich so deutlicher seiner bewusst wird. Helmut Lachenmann

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EIN MENSCH ERFRIERT Das Ballett Zürich tanzt Helmut Lachenmann. Ein Gespräch mit Christian Spuck Christian, Helmut Lachenmanns Musiktheaterwerk Das Mädchen mit den Schwefelhölzern basiert auf einem Märchen von Hans Christian Andersen. Seit wann kennst du dieses Märchen, und was bedeutet es dir? Ich habe es tatsächlich zum ersten Mal richtig bewusst wahrgenommen in Verbindung mit Helmut Lachenmanns Werk, für mich ist es an seine Komposition gebunden. Ich habe Das Mädchen mit den Schwefelhölzern vor 18 Jahren in einer Produktion an der Stuttgarter Oper gehört. Helmut war für mich kein Unbekannter. Wir lebten beide in Stuttgart, und ich hatte zuvor schon Musik von ihm gehört, auch weil der Dramaturg Jens Schroth, mit dem ich be­freundet war, ein Schüler von ihm war. Ich erinnere mich gut, dass die Musik mich damals total begeistert hat, ich mir aber gleichzeitig auch verloren vorkam angesichts der vielen Fragen, die sich für mich auftaten. Es war ein prägendes Erlebnis. Und wie so oft speichert man solche Erlebnisse dann in einer Ecke seines Bewusstseins ab, und irgendwann tauchen sie wieder auf und werden konkret. In Direktionsgesprächen hier in Zürich kamen wir auf Das Mädchen mit den Schwefelhölzern zu sprechen, und ich habe zu er­kennen gegeben, dass es mich interessieren würde, dieses Stück als Ballett zu machen. Von diesem Moment bis zur Geburt unseres Projektes ging es dann schnell. Worin liegt für dich die Attraktivität dieses Stoffs? Helmut Lachenmann nutzt Andersens traurige Geschichte von einem Mädchen, das in der Silvesternacht Streichhölzer verkaufen soll und erfriert, um von sozialer Kälte in einer Gesellschaft zu erzählen, die mitleidlos nur mit sich selbst beschäftigt ist. Mich fasziniert vor allem, wie er mit diesem Thema umgeht: Er bringt es in seiner Musik schmerzlich genau zur Darstellung, aber er wertet nicht. Er stellt das einfach hin und lässt uns seine Bilder in Klangform betrachten bzw. hören.

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Lachenmann hat sein Werk im Untertitel als «Musik mit Bildern» bezeichnet. Was ist damit gemeint? Es ist eben keine Oper. Es gibt keine Sängerinnen auf der Bühne, die Rollen ver­körpern. Es gibt nur diese hochmoderne, anspruchsvolle, faszinierende Musik, die das Andersen-Märchen transportiert. Das Verhältnis von Geschich­ te und Musik hat allerdings überhaupt nichts gemeinsam mit einem Handlungsballett. Helmuts Musik illustriert das Andersen-Märchen nicht, sie liefert vielmehr akustische Bilder und Zustandsbeschreibungen. Die sind aber so plastisch, dass man sich sofort die Frage stellt: Was soll ich da noch für Bilder auf die Bühne bringen, wenn die Musik einem schon alles vor Ohren führt? Kannst du ein Beispiel geben? Es gibt am Anfang des Stücks eine «Frier-Arie», in der Helmut tatsächlich ganz konkret das Frieren komponiert. Man hört die Kälte und wie das Mädchen mit zitternden Unterlippen dagegen ankämpft. Man hört die Einsamkeit des Mädchens, das von allen links liegengelassen wird. In den ersten Proben habe ich probiert, genau das zu erzählen, habe dann aber ganz schnell gemerkt, dass ein Mädchen, das nach vorn kommt und Gesten des Frierens macht und an dem Leute achtlos vorüber­gehen, überhaupt nicht funktioniert. Warum? Weil die Choreografie dann nur verdoppelt, was man hört. Das ist das Problem, mit dem bisher alle Regisseure zu kämpfen hatten, die sich an das Stück gewagt haben. Man muss dieser Musik und ihrer Bildhaftigkeit etwas anderes, Eigenes entgegensetzen. Da sehe ich in der abstrakten Sprache des Tanzes eine grosse Chance. Mit ihr lässt sich viel leichter eine kontrapunktische Spannung erzeugen zwischen Bühne und Szene auf der einen und Helmuts starker Musik auf der anderen Seite. Was man sieht, muss dazu führen, dass man anders zuhört. Helmut hat einmal gesagt, seine Musik führe im Idealfall dazu, dass man mit den Ohren sehe. Für mich als Choreograf gilt das Umgekehrte: Unsere Arbeit muss dazu führen, dass man mit den Augen hört. Mit den Ohren sehen und mit den Augen hören, da­r um geht es

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in dieser Form von Musiktheater. Und das ist auch jenseits des Mädchens ein immer wiederkehrendes Anliegen in meiner Arbeit mit dem Ballett Zürich. Lachenmann hat, wie du bereits gesagt hast, keine Rollen komponiert. Wie ist das in deiner Choreografie? Gibt es da Figuren? Das Mädchen wird bei uns von zwei Tänzerinnen verkörpert, parallel zu den beiden Sopranstimmen, die in Helmuts Partitur im Duett erscheinen. Gleich zu Beginn taucht in der Geschichte ein Junge auf, der dem Mädchen den letzten Pantoffel stiehlt. Ihn habe ich in grotesker Verzerrung vervielfacht. Es gibt die Gesellschaft der achtlos Vorübergehenden, auch sie sind erkennbare Figuren, ihre Winterkostüme verweisen auf die Zeit von Hans Christian Andersen. Dann taucht eine Reihe abstrakter Figuren auf, die zum Beispiel Kälte erzählen oder ganz bestimmte Emotionen vermitteln. Und auch Gudrun Ensslin wird auf der Bühne zu sehen sein.

Das komplette Programmbuch können Sie auf Du sprichst von der RAF-Terroristin Gudrun Ensslin. Lachenmann führt sie in www.opernhaus.ch/shop sein Stück ein, indem er an exponierter Stelle aus einem Brief von ihr zitiert. oder am Vorstellungsabend Es gibt eine Parallele zwischen dem Mädchen und der Terroristinim EnsslinFoyer in Form des Zündelns. Das kleine Mädchen zündet seine Streichhölzer an aus des purer Überlebensnot, weil es sonst erfriert. Fürerwerben Gudrun Ensslin war das Opernhauses kapitalistische System der Bundesrepublik, in dem sich nach dem Zweiten Weltkrieg Täter und Mit­läufer der Nazizeit behaglich eingerichtet hatten, so unerträglich geworden, dass sie ein Kaufhaus anzündete und Menschen tötete. Das kleine Mädchen und die RAF-Terroristin sind sowohl im Akt ihres Aufbegehrens als auch in der Un­wider­r uflichkeit ihres Tuns miteinander verbunden. Wenn bei dir Tänzerinnen und Tänzer konkrete Figuren verkörpern, gerät dann deine Choreografie nicht in einen Widerspruch zur Komposition, die keine Figuren kennt? Würde ich nur abstrakt choreografieren, wäre mir der Abstand zu Andersens Märchen zu gross. Die Geschichte möchte ich schon erzählen, in grossen und abstrakten Bildern und in einem dialektischen Zusammenwirken von

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Musik und Choreografie, ohne platt zu illustrieren. Das ist die Herausforderung. In den bis­herigen Inszenierungen haben sich die Regisseure immer wieder in allgemein abstrakte Bildwelten oder installative Konzepte geflüchtet, um einerseits der Musik nicht in die Quere zu kommen und andererseits bloss nichts Märchenhaftes zu erzählen. Ich suche nach einer Mischform. Den erzählerischen Anteilen, die vor allem durch die Kostüme, aber auch von Video-­Projektionen getragen werden, stehen abstrakte Tanzszenen gegenüber, die ganz assoziativ mit Themen wie Kälte, Frieren, Einsamkeit und Ver­ lassensein umgehen. Das Entscheidende dabei ist für mich, tief in die Musik einzutauchen, mich ihrer Komplexität zu stellen, und wirklich en détail auf sie zu choreografieren. Ich wollte es uns eben nicht leicht machen, indem wir unabhängig von dem Komponierten choreografisch über die Musik hinweggehen oder einfach Bilder ent­wickeln, die parallel zur Musik vor sich hinlaufen. Ich will für die einzelnen Ge­räusche und Klänge impulsgenaue choreografische Entsprechungen finden. Wenn es etwa einen PercussionSchlag gibt, soll das in der Bewegung erkennbar sein. Die Choreografie muss durchtränkt sein von der Musik und umgekehrt. Das darf nicht neben­ einander­her laufen.

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer Und wie geht das? Die Tänzerinnen und Tänzer sind keine Experten im Umgang zeitgenössischer Musik. Es ist ja vielleicht kein Zufall, desmit Opernhauses erwerben dass das Stück noch nie als Ballett auf die Bühne gekommen ist. Im Ballettsaal, beim Entwickeln des choreografischen Materials, hören wir die Musik immer wieder. Die Tänzerinnen und Tänzer haben ein un­ glaubliches Gedächtnis. Sie erinnern eine Bewegung immer in Verbindung mit der Musik, zu der sie tanzen, und das funktioniert letztlich sogar bei einer so komplexen Musik wie der von Helmut Lachenmann. Sie haben kein Problem, ihre Bewegungsabläufe wieder exakt auf den gleichen Klang zu legen, auch nicht beim Mädchen mit den Schwefelhölzern. Als sie zum ersten Mal die riesige Mädchen-Partitur gesehen haben, waren sie völlig überrascht, dass sich solche Geräuschklänge überhaupt notieren lassen. Inzwischen aber hat ein Verinnerlichungsprozess mit dieser Musik statt­ge­fun­den, es ist normal geworden, mit ihr umzugehen. Allein die Tatsache, dass wir uns

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alle mit dieser anspruchsvollen Musik intensiv auseinandergesetzt haben, hat unsere Wahrnehmung verändert und uns künstlerisch vorangebracht. Das ist ein grosses Geschenk. Ballettcompagnien pflegen ihre Bewegungsabläufe durchzuzählen, Lachenmanns Metren aber sind hochkomplex. Wie geht das zusammen? Natürlich lässt sich Helmuts Musik nicht in dem Sinne «zählen», wie die Tänzer das aus anderen Balletten gewohnt sind. Deshalb haben wir als zu­sätzliches optisches Hilfsmittel Videoscreens installiert, auf denen die Taktzahlen des Stückes angezeigt werden. Die gesamte Partitur ist in kleinste Einheiten gerastert. So können sich die Tänzerinnen und Tänzer jederzeit, auch während der Vor­stellung, orientieren. Allerdings versuche ich, noch einen Schritt weiterzugehen und nicht nur auf musikalische Akzente zu reagieren, sondern auch choreografische Akzente zu setzen, die nicht in der Musik vorhanden sind, sodass sich das choreografisch szenische und das musikalische Geschehen wirklich miteinander ver­schränken. Noch stärker als in all unseren vorhergehenden Produktionen sind die Tänzerinnen und Tänzer hier als mitkreierende Künstler gefragt. Welche Überlegungen haben zum Bühnenbild von Rufus Didwiszus geführt? Schon bei einem ersten Abklopfen des Andersen-Märchens findet man ja sehr viel. Da gibt es als Anknüpfungspunkte eine Strasse, zugige Hausecken, leuch­tende Fenster, Schnee, Kälte und vieles mehr. Aber auch das Umfeld von Gudrun Ensslin und der RAF liefert weite Assoziationsräume. Wichtig für uns wurde ein Foto, das das von Gudrun Ensslin in Brand gesetzte und völlig zerstörte Kaufhaus in Frankfurt/Main als Brandruine zeigt. Den anfangs sehr vollgepackten Büh­nenbildentwurf haben wir immer weiter reduziert, bis nur dieses Foto übrigge­blie­ben ist. Im Bühnenbild von Rufus ist es nun zum zentralen Element geworden, eine rätselhafte Reliefwand. Man erkennt das Innere eines verbrannten Hauses und weiss: Hier ist Zerstörerisches geschehen. Trotzdem haftet dem Bild eine gewisse Altarhaftigkeit an, eine Kraft, die wie in Andersens Märchen in eine andere Welt weist. Darüber-

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hinaus bleibt der Raum weitgehend leer, denn es ist mir wichtig, das Stück mit den Tänzern und der Choreografie zu erzählen. Im Findungsprozess gilt für die Choreografie wie für das Bühnenbild: «Kill your darlings!» Sobald uns etwas zu erzählerisch vorkam oder zu dekorativ, kam es weg. Gerade Rufus Didwiszus ist in diesem Punkt sehr streng. Auch er hat sich unglaublich in diese Musik vertieft und sagt immer: «Was bereits in ihr erzählt wird, dürfen wir nicht noch einmal erzählen!» Deshalb ist das Bühnenbild eine Reduktion auf das Wesentliche und vielleicht sogar eine Parallele dazu, wie Helmut Lachenmann seine Klänge entkernt und neu denkt. Lachenmanns Werk ist ja nicht nur eine Riesenaufgabe für das Ballett, sondern für alle Abteilungen am Opernhaus Zürich. Worin liegen die Besonderheiten? Ich habe den Eindruck, dass Das Mädchen mit den Schwefelhölzern mit zum An­spruchsvollsten gehört, was das Orchester jemals auf seinen Pulten liegen hatte. Die Musiker müssen dafür völlig neue Spieltechniken erlernen, die ihnen im Alltag eines Opernorchesters nie begegnen. Das ist nicht nur eine Aufgabe für jeden einzelnen, sondern auch für die Planung. Ehe die erste Orchesterprobe stattfindet, proben die Stimmgruppen in vielen Sitzungen allein. Matthias Hermann, unser Dirigent, ist ein sehr erfahrener Lachenmann-­ Kenner, der das nötige Wissen für die Aufführung des Werkes vermittelt. Dann kommt hinzu, dass wir für diese Pro­duktion einen externen Chor engagieren mussten, nämlich die Basler Madrigalisten, die ausgewiesene Experten in Sachen zeitgenössischer Musik sind. Da in diesem Werk Musiker und Choristen auch im Zuschauerraum platziert sind, wird das ganze Haus zum Klangraum. Nur ganz selten wird ein Opernhaus in dieser Weise bespielt. Man kann hier Musik, Tanz, Theater auf völlig neue Weise erfahren. Und darauf, dass der Komponist selbst gemeinsam mit den Tänzerinnen und Tänzern als Sprecher auf der Bühne stehen wird, freue ich mich ganz besonders.

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Welcherart ist deine Beziehung zu Helmut Lachenmann? Wir sind jetzt seit fast drei Jahren in regelmässigem Kontakt, und ich habe ihn in dieser Zeit als grossartigen Künstler kennengelernt, der mich vor allem

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durch seine entwaffnende Menschlichkeit fasziniert. Von Anfang an war er offen für die Idee, das Mädchen aus einer choreografischen Perspektive zu erarbeiten. Mit unend­licher Geduld hat er mir bei einem Treffen in Stuttgart seine Partitur erklärt – das erlebt man wahrscheinlich nur einmal im Leben. Sagt die Tatsache, dass du Das Mädchen mit den Schwefelhölzern machst, auch etwas über den künstlerischen Weg aus, den du mit dem Ballett in den nächsten Jahren gehen willst? Bei meiner Vertragsverlängerung vor einem Jahr habe ich mir für die Zeit bis 2025 vorgenommen noch mutiger zu sein, und das Lachenmann-Projekt ist ein Schritt in diese Richtung. Mein grosses Vorbild in dieser Hinsicht ist immer noch das von William Forsythe geprägte Ballett Frankfurt in den neunziger Jahren. Damals brachte jede Premiere in Frankfurt etwas auf die Bühne, mit dem niemand gerechnet hatte. Als ich vor sieben Jahren hier in Zürich angefangen habe, hätten wir ein Stück wie Lachenmanns Mädchen niemals stemmen können. Die Compagnie ist in den vergangenen Jahren künstlerisch enorm gewachsen. Dieses Kapital müssen wir nutzen.

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer Glaubst du, dass das Ballettpublikum die Expedition ins zeitgenössische Musik­theater zu schätzen weiss? Ich des bin überzeugt davon, dass das Publikum mit dem Mädchen einen auf­Opernhauses erwerben wühlenden Theaterabend erlebt, wenn es bereit ist, tradierte Hör- und Sehgewohn­heiten für einen Abend über Bord zu werfen. Wer mit der Erwartung kommt, hier finde das Weihnachtsmärchen statt, wird sich wundern, dass er ein Weihnachtsmärchen der ganz anderen Art erlebt. Aber ich bin mir natürlich im Klaren da­rüber, dass dieser Abend Fragen aufwirft und nicht jedem gefallen wird. Ich freue mich, wenn unser Publikum nach einer Vor­stellung von Romeo und Julia zu Tränen gerührt ist, aber ich finde es genauso wertvoll, wenn es mit vielen offenen Fragen aus einem Ballettabend geht. Das Gespräch führten Michael Küster und Claus Spahn

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ÜBER DIE SCHÖNHEIT Schönheit, oder – um den Stier bei den Hörnern zu packen –: Kunstgenuss, verstanden als Erfahrung der Identifikation aufgrund von und im Hinblick auf Wertvorstellungen, die unser Bewusstsein und unsere Erwartungen von uns selbst bestimmen, bleibt eine willkürliche und zufällige, private Instanz, solange wir nicht in solchen Wert Vorstellungen das ganze «humane Potential» angesprochen und ausgeschöpft wissen, wie die Gattung Mensch im Laufe ihrer Ent­wicklung es sich selbst zugesprochen hat. Noch leben wir in Bezug auf die Wirklichkeit in der Hoffnung, dass der Mensch fähig sei, das Richtige zu tun, was allerdings voraussetzt, dass er fähig und willens sei, sich und seine Wirklichkeit zu erkennen. Noch also glauben wir an ein «humanes Potential». Schönheit nennen wir die Sinneserfahrung, welche diesen Glauben zur Gewissheit macht. Die Einigkeit und die gemeinsame Vergewisserung der Hoffnung auf jenes «humane Potential» im Kommunikationsprozess, sie lösen jenes Glücksgefühl aus, welches wir Schönheit nennen. Helmut Lachenmann

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ENTFESSELTE GEWALTBEREITSCHAFT Helmut Lachenmann über seine Verbindung zu Gudrun Ensslin In meiner Kindheit war ich bekannt mit Gudrun Ensslin. Wir waren Hausgenos­ sen im Tuttlinger Dekanat. Mein Vater war Vorgesetzter ihres Vaters. Wahrschein­ lich waren wir in unserer Religiosität etwa gleich geprägt. Sie war eine hoch­be­ gabte Schülerin – idealistisch gesinnt und wurde in ihrem Enthusiasmus innerlich mehr und mehr zerbrochen durch die politischen Ereignisse jener Zeit – Wieder­ bewaffnung, Eingriffe der USA in der Dritten Welt, Algerienkrieg, Vietnamkrieg etc., wodurch sich ihre intellektuelle und idealistische Energie radikal umgepolt hat in unglaubliche Bitterkeit, Hass auf das politische System bis hin zur kriminellen Gewaltbereitschaft. 1968 hat Gudrun Ensslin in einem Frankfurter Kaufhaus Feuer gelegt. Sie wollte so zusammen mit ihren Gesinnungsgenossen au die Gleichgültigkeit der westdeutschen Konsumgesellschaft gegenüber den Ungerechtigkeiten in der Dritten Welt aufmerksam machen, die weiterhin ignoriert, wenn nicht gar zum eigenen Vorteil benutzt wurden – auf den Hunger, die Unterdrückung und die Ausbeutung der Armen, auf die militärischen Aggressionen, nicht zuletzt in Vietnam, und das Leid, das der dortigen Bevölkerung im Auftrag der amerikanischen Regierung mit Billigung ihrer westlichen Verbündeten angetan wurde. Gleichzeitig hat sie die mit solcher Gleichgültigkeit einher gehende Selbstzerstörung des Individuums in unserer Gesellschaft diagnostiziert. Die sich gegenseitig aufschaukelnden Brutalitäten im Kampf mit den ihrerseits nicht zimperlichen Ordnungskräften haben sie menschlich deformiert. An ihren kriminellen Handlungen gibt es nichts zu entschuldigen. Aber mit ihrer Verurteilung ist die Frage nach unserer Mitverantwortung nicht abgehakt. Gudrun Ensslin hat in ihrer Stammheimer Gefängniszelle einen Brief geschrieben, dessen Sprache teilweise hässlich, gewalttätig, in seinem Schlussab-

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schnitt aber von ergreifender Schönheit ist – schön, weil genau brennend –, so dass ich darin nicht nur einfach die entfesselte Gewaltbereitschaft und seelische Kaputtheit sehe, sondern auch ihre Liebe zum an der Gesellschaft zerbrechenden Indi­viduum. Sie selbst ist für mich so etwas wie eine extrem verformte Variante meines «Mädchens». Sie hat nicht bloss gezündelt, sondern darüber hinaus zu Gewalt gegriffen und hat dabei die eigene Menschlichkeit entstellt. «Der Krimi­ nelle, der Wahnsinnige, der Selbstmörder, sie verkörpern diesen Widerspruch; sie verrecken in ihm.» Das kleine Mädchen hatte keine Chance zu solcher Karriere. Es hatte die «Gnade des frühen Verreckens».

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3. April 1968: Blick in eines der nach einem Brandanschlag der Roten-­ Armee-Fraktion (RAF) verwüsteten Frankfurter Kaufhäuser


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ÜBER «ZWEI GEFÜHLE» Der «Leonardo»-Teil ist das Herzstück des Ganzen. Er artikuliert den transzendenten Aspekt jener sensibilisierten Wahrnehmung, die ich im Komponieren immer wieder anders freizulegen versuche: die «brennende Begierde, das grosse Durcheinander der verschiedenen und seltsamen Formen wahrzunehmen» – und letztlich im Gefühl der Unwissenheit und Furcht voller Verlangen vor der dunklen Höhle eine «Zeitlang» zu verharren. Warum viel über diesen Aspekt reden? Er ergänzt und präzisiert die Ausgesetztheit des kleinen Mädchens, seine Sehnsüchte nach Geborgenheit und Wärme vor der Hauswand, vor der es sich zusam­ menkauert – und seinen Schrei nach der Grossmutter. Übermütig ausgedrückt: zum Fressen die Moral, zur zivilisatorischen Steinwüste die Klippen und die Vulkane, zum Norden den Süden – der Tod als gefürchtete, verzweifelt abzuwehrende und zugleich ersehnte Grenzüberschreitung und als Folge gesellschaftlicher Gewalt. Beides gehört zusammen. Helmut Lachenmann

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HELMUT LACHENMANN Komponist

Helmut Lachenmann, geboren 1935 in Stuttgart, entstammt einer Pfarrersfamilie. Er studierte Klavier bei Jürgen Uhde sowie Theorie und Kontrapunkt bei Johann Nepomuk David an der Stuttgarter Musikhochschule. Seit 1957 nahm er alljährlich an den Internationalen Ferienkursen für Neue Musik in Darmstadt teil. Von 1958 bis 1960 studierte er in Venedig Komposition bei Luigi Nono als dessen einziger Schüler. 1963 und 1964 besuchte er die Kölner Kompositionskurse bei Karlheinz Stockhausen und arbeitete 1965 im Elektronischen Studio in Gent. Erste Aufführungen seiner Werke fanden 1962 in Venedig und Darmstadt statt. Lachenmanns seit 1967 verfolgtes und zunächst umstrittenes Konzept einer Musique concrète instrumentale – umgesetzt in charakteristisch betitelten Werken wie temA, Pression, Air – hat sich inzwischen weithin durchgesetzt. Seine Oper Das Mädchen mit den Schwefelhölzern, 1997 in Hamburg uraufgeführt, ist inzwischen nicht nur in Stuttgart, Berlin, Frankfurt und bei der Ruhrtriennale, sondern auch in Wien, Paris, Tokio, Buenos Aires und beim Spoleto-Festival in Charleston (USA) gespielt worden. Zu den ihm zuerkannten Ehrungen gehören der Bach-Preis der Freien und Hansestadt Hamburg (1972), der Ernst von Siemens Musikpreis (1997), der Preis Frontiers of knowledge der BBVA (Bilbao, 2008), der Goldene Löwe der Biennale Venedig für sein Lebenswerk, die Ernennung zum Commandeur des Arts et des Lettres (2012) und zum Fellow of the Royal College of Music in London sowie das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse (2011). Helmut Lachenmann ist Ehrendoktor der Musikhochschulen Stuttgart, Köln, Dresden, Mannheim und der Akademie für Kunst und Wissenschaften, Brüssel. Seine Schrif­ten aus den Jahren 1966-1995 sind in dem Band Musik als existentielle Erfahrung vereint.

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Ich misstraue dem Komponisten, der genau weiss, was er will, denn er will meist das, was er weiss: also zu wenig. Helmut Lachenmann


BALLETT ZÜRICH


Christian Spuck Ballettdirektor

Christian Spuck stammt aus Marburg und wurde an der John Cranko Schule in Stuttgart ausgebildet. Seine tänzerische Laufbahn begann er in Jan Lauwers’ Need­ ­company und Anne Teresa de Keersmaekers Ensemble «Rosas». 1995 wurde er Mitglied des Stuttgarter Balletts und war von 2001 bis 2012 Hauschoreograf der Com­pagnie. In Stutt­gart kreierte er fünfzehn Urauffüh­ rungen, darunter die Handlungsballette Lulu. Eine Monstre­tragödie nach Frank Wedekind, Der Sandmann und Das Fräulein von S. nach E.T.A. Hoffmann. Da­rü­ ber hinaus hat Christian Spuck mit zahlreichen namhaf­ ten Ballettcompagnien in Europa und den USA ge­ar­ bei­tet. Für das Königliche Ballett Flandern entstand The Return of Ulysses (Gastspiel beim Edinburgh Festival), beim Norwegischen Nationalballett Oslo wurde Woyzeck nach Georg Büchner uraufgeführt. Das Ballett Die Kinder beim Aalto Ballett Theater Essen wurde für den «Prix Benois de la Danse» nominiert, das ebenfalls in Essen uraufgeführte Ballett Leonce und Lena nach Georg Büchner wurde von den Grands Ballets Cana­ diens de Montreal und vom Stuttgarter Ballett über­ nom­men. Die Uraufführung von Poppea//Poppea für Gauthier Dance am The­ater­haus Stuttgart wurde 2010 von der Zeitschrift Dance Europe zu den zehn erfolgreichsten Tanzproduktionen weltweit gewählt sowie mit dem deutschen Theaterpreis Der Faust 2011 und dem ita­lienischen Danza/Danza-Award ausgezeichnet. Immer häufiger ist Christian Spuck in jüngster Zeit im Bereich Oper tätig. Auf Glucks Orphée et Euridice an der Staatsoper Stuttgart folgten Verdis Falstaff am Staatstheater Wiesbaden sowie Berlioz’ La Damnation de Faust und Wagners Fliegender Holländer an der Deutschen Oper Berlin. Seit der Saison 2012/13 ist Christian Spuck Direktor des Balletts Zürich. Hier waren bislang seine Choreografien Romeo und Julia, Leonce und Lena, Woyzeck, Der Sandmann, Messa da Requiem (als Koproduktion von Oper und Ballett Zürich) sowie Nussknacker und Mausekönig zu sehen. Das 2014 in Zürich uraufgeführte Ballett Anna Karenina nach Lew Tolstoi wurde 2016 in Oslo und am Moskauer Stanislawski-Theater sowie 2017 vom Koreanischen Nationalballett in Seoul und vom Bayerischen Staatsballett ins Repertoire übernommen. 2018 hatte in Zürich Christian Spucks Ballett Winterreise Premiere, für das er mit dem «Prix Benois de la Danse 2019» ausgezeichnet wurde. Im Herbst 2019 inszeniert er mit dem Ballett Zürich Helmut Lachenmanns Musiktheater Das Mädchen mit den Schwefelhölzern.


Anna Khamzina Erste Solistin

Anna Khamzina stammt aus Russland und erhielt ihre Tanzausbildung an der Natalia Trishina and Yuly Medvedev School of Classic Dance. Sie war Solistin am Stanislawski-und-Nemirowitsch-Dantschenko-Musiktheater in Moskau und war dort u.a. als Giselle, in der Titelpartie von John Neumeiers Die kleine Meerjungfrau (Auszeichnung mit dem Theaterpreis Goldene Maske) sowie in Vladimir Burmeisters Schwanensee und La Esmeralda, Dmitry Bryantsevs Illusive Ball und Pierre Lacottes La Sylphide zu erleben. Darüber hinaus arbeitete sie mit Choreografen wie Jiří Kylián, Jorma Elo und Nacho Duato. Von 2013 bis 2015 tanzte sie beim Aalto Ballett Theater Essen. Dort war sie u.a. als Gute Fee (Cinderella), Titania (Ein Sommernachtstraum) und Giselle (David Dawson) zu sehen. Seit 2015/16 ist sie Mitglied des Balletts Zürich. U. a. war sie als Odette/Odile in Alexei Ratmanskys Schwanensee-Rekonstruktion, als Olimpia in Christian Spucks Sandmann, in Forsythes Quintett und Godanis rituals from another when sowie in der Titelrolle von Christian Spucks Anna Karenina zu sehen.

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben Ksenia Ryzhkova Erste Solistin

Ksenia Ryzhkova stammt aus Russland und erhielt ihre Ausbildung an der Bolschoi Akademie in Moskau. 2013 wurde sie an das Stanislawski-und-NemirowitschDantschenko-Musiktheater in Moskau engagiert. Von 2016 bis 2019 war sie Erste Solistin beim Bayerischen Staatsballett in München. Sie tanzte u.a. Julia in Romeo und Julia, Katharina in Der Widerspenstigen Zähmung (John Cranko) und Tatjana in Onegin (alle von John Cranko), Aegina in Spartacus (Yuri Grigorovich), Alice in Alice im Wunderland (Christopher Wheeldon), Hippolyta/Titania in Ein Sommernachtstraum (John Neumeier), Anna Karenina (Christian Spuck), Giselle (Peter Wright), Manon (Kenneth MacMillan), Cop­ pélia (Roland Petit), Odette/Odile in Schwanensee (Vladimir Burmeister) und Marie in Der Nussknacker (Vasily Vainonen). Ausserdem tanzte sie Hauptrollen in Choreografien von Frederick Ashton, Jerome Robbins, George Balanchine, Patrice Bart, Ray Barra und Wayne McGregor. Sie wurde mit dem Grand Prix des Mikhai­ lovsky-Theaters, dem Preis der Ulanowa Foundation und dem Ersten Preis des Grigorovich-Wettbewerbs Junges Ballett ausgezeichnet. Seit der Saison 2019/20 ist Ksenia Ryzhkova Erste Solistin des Balletts Zürich.


Programmheft DAS MÄDCHEN MIT DEN SCHWEFELHÖLZERN

Das komplette Programmbuch können Sie auf www.opernhaus.ch/shop oder am Vorstellungsabend im Foyer des Opernhauses erwerben Musik mit Bildern von Helmut Lachenmann Ballett von Christian Spuck

Premiere am 12. Oktober 2019, Spielzeit 2019/20

Herausgeber

Intendant

Zusammenstellung, Redaktion

Michael Küster, Claus Spahn

Layout, Grafische Gestaltung

Carole Bolli, Giorgia Tschanz

Anzeigenverkauf

Schriftkonzept und Logo

Druck

Textnachweise: Die Angaben zu Text und Werkstruktur von «Das Mädchen mit den Schwefelhölzern» entstammen der Aufführungspartitur des bei Breitkopf & Härtel, Wiesbaden, verlegten Werkes. – Den Essay «Hellwach mit allen Sinnen» schrieb Claus Spahn für dieses Programmbuch. – Das Gespräch mit Christian Spuck führten Michael Küster und Claus Spahn für dieses Programmbuch. – Helmut Lachenmann über seine Beziehung zu Gudrun Ensslin. In: Programmheft «Das Mädchen mit den Schwefelhölzern». Staats­oper Stuttgart 2001. – Helmut Lachenmann über «Zwei Gefühle». In: Programmheft «Das Mädchen mit den Schwefelhölzern». Ham­ burgische Staatsoper 1997. – Alle weiteren Zitate

Opernhaus Zürich

Andreas Homoki

Opernhaus Zürich, Marketing

Telefon 044 268 64 14, inserate@opernhaus.ch

Studio Geissbühler

Fineprint AG

Helmut Lachenmann. In: ders.: Musik als existenzielle Erfahrung. Schriften 1966-1995. Hrsg. und mit einem Vorwort versehen von Josef Häusler. Wiesbaden 1996. Bildnachweise: Foto S. 52/53 © Claus Hampel (AP) – Foto S. 64 © Emilio Pomàrico – Gregory Batardon fotografierte die Klavier­ haupt­probe am 3. Ok­tober 2019. Die Compagnie wurde porträtiert von Jos Schmid. Urheber, die nicht erreicht werden konnten, werden zwecks nach­träglicher Rechtsabgeltung um Nach­richt gebeten.


Unsere Vorstellungen werden ermöglicht dank der Subvention des Kantons Zürich sowie den Beiträgen der Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Zug und Aargau im Rahmen der interkantonalen Kulturlastenvereinbarung und den Kantonen Nidwalden und Obwalden. PARTNER

PRODUKTIONSSPONSOREN AMAG Evelyn und Herbert Axelrod

Freunde der Oper Zürich Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG

PROJEKTSPONSOREN Baugarten Stiftung René und Susanne Braginsky-Stiftung Clariant Foundation Freunde des Balletts Zürich Ernst Göhner Stiftung Kühne-Stiftung

Ringier AG Georg und Bertha Schwyzer-Winiker-Stiftung Hans und Edith Sulzer-Oravecz-Stiftung Swiss Life Swiss Re Zürcher Kantonalbank

GÖNNER Accenture AG Josef und Pirkko Ackermann Alfons’ Blumenmarkt Ars Rhenia Stiftung Familie Thomas Bär Bergos Berenberg AG Beyer Chronometrie AG Margot Bodmer Elektro Compagnoni AG Stiftung Melinda Esterházy de Galantha Fitnessparks Migros Zürich Fritz Gerber Stiftung Gübelin Jewellery Egon-und-Ingrid-Hug-Stiftung Walter B. Kielholz Stiftung KPMG AG

LANDIS & GYR STIFTUNG Lindt und Sprüngli (Schweiz) AG Stiftung Lyra zur Förderung hochbegabter, junger Musiker und Musikerinnen Die Mobiliar Fondation Les Mûrons Mutschler Ventures AG Neue Zürcher Zeitung AG Pro Helvetia, Schweizer Kulturstiftung StockArt – Stiftung für Musik Elisabeth Stüdli Stiftung Else von Sick Stiftung Ernst von Siemens Musikstiftung Elisabeth Weber-Stiftung Hulda und Gustav Zumsteg-Stiftung

FÖRDERER Frankfurter Bankgesellschaft (Schweiz) AG Garmin Switzerland Goekmen-Davidoff Stiftung Horego AG Sir Peter Jonas

Richards Foundation Luzius R. Sprüngli Confiserie Teuscher Madlen und Thomas von Stockar


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