Premiere Zürcher Ballett
Raymonda Ein Ballett von Heinz Spoerli Choreografische Uraufführung: Samstag, 31. Oktober 2009, 19.00 Uhr Libretto von Lydia Paschkowa und Marius Petipa Musik von Alexander Glasunow (1865-1936) Uraufführung in der Choreografie von Marius Petipa: 7. Januar 1898, Mariinskij-Theater St. Petersburg Musikalische Leitung Choreografie Ausstattung Lichtgestaltung
Michail Jurowski Heinz Spoerli Luisa Spinatelli Martin Gebhardt
Es tanzt das Zürcher Ballett Orchester der Oper Zürich Mit Unterstützung der Freunde des Zürcher Balletts UBS – Partner des Zürcher Balletts Vorstellungen So 01. Nov. 20.00 Sa 07. Nov. 19.30 So 08. Nov. 14.00 Sa 14. Nov. 19.00 So 15. Nov. 14.00 Mi 25. Nov. 19.00 Mi 10. März 20.00 So 14. März 20.00
Premieren-Abo B Migros-Abo B/ Slawischer Zyklus Sonntagnachmittag A Ballett-Abo Sonntagnachmittag B Mittwoch-Abo B Mittwoch-Abo A Sonntagabend B
Zum letzten Mal in dieser Saison Fr 18. Juni 20.00 Freitag-Abo A
Aliya Tanykpayeva, Sarah-Jane Brodbeck 6
Für die zweite Ballettpremiere setzt sich Ballettdirektor Heinz Spoerli erneut mit einem der Klassiker der Handlungsballette auseinander. Unter den grossen Balletten von Marius Petipa ist «Raymonda» ein eher selten gespieltes Werk. Es war eine seiner letzten Schöpfungen; der 80-jährige Meister traf hier auf einen jungen Komponisten, den ihm der Direktor des Mariinskij-Theater nach Tschaikowkis Tod vorgeschlagen hatte: Alexander Glasunow. Der gerade 30-jährige schuf eine Musik, die mit ihrem Farbenreichtum und ihrer symphonischen Kraft an das grosse Vorbild anknüpfen kann. Allerdings tendiert das Libretto zu «Raymonda», in dem mittelalterliche Romantik, eine geheimnisvolle Weisse Dame und ein exotischer Krieger die Zutaten zur Geschichte einer jungen Frau kurz vor der Heirat bilden, zu Handlungsarmut. Heinz Spoerli versucht in seiner Neuschöpfung, der Titelfigur – getanzt von Aliya Tanykpayeva, die das Zürcher Publikum bereits in «Lettres intimes» erobert hat – im Spannungsfeld zwischen zwei Männern mehr psychologische Tiefe zu verleihen. Die Ausstattung hat Luisa Spinatelli übernommen, die weltweit bekannt ist für ihre zauberhaften, vielfach prämierten Entwürfe für Oper und Ballett. Als musikalischer Leiter der Aufführung debütiert der russische Dirigent Michail Jurowski am Opernhaus Zürich.
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Premiere Raymonda
Aliya Tanykpayeva, Stanislav Jermakov 8
Heinz Spoerli geht es in seiner Version des Ballettklassikers darum, die Unsicherheit einer jungen Frau spürbar werden zu lassen, die sich entscheiden muss, ob sie das Abenteuer heiratet, ihre Emotionen und ihre Verrücktheit auslebt, oder ob sie sozusagen den «sicheren Hafen» ansteuert. Der sichere Hafen, das ist Raymondas Bräutigam Ritter Jean de Brienne, der in den Krieg zieht; für das Abenteuer steht der Sarazene Abderachman, der sie in Jeans Abwesenheit zu erobern versucht. Der Grundkonflikt im Stück kann leicht in den Hintergrund treten, da es so viele Charaktertänze und Variationen gibt, konstatiert Heinz Spoerli: «Das macht die Idee schwach. Für die Figur des Abderachman und sein Gefolge gibt es z.B. im Original noch eine ganze Folge von Charaktertänzen, die gern gemacht werden: ein spanischer Tanz, ein maurischer, eine Nummer für arabische Knaben, Jongleure ... das soll alles die Exotik und Wildheit des Sarazenen unterstreichen, gibt aber choreografisch nichts her. Deshalb habe ich mir erlaubt, diese Tänze wegzulassen. Ich glaube, der Charakter des Abderachman lässt sich in den grossen Pas besser zeichnen. Ich habe ihn in der Traumszene im Ersten Akt viel prominenter eingebaut und aus dem Pas de deux mit Jean de Brienne einen Pas de trois gemacht.» Die Szene, in der Raymonda im Traum beiden Männern begegnet, wird eingeleitet von der geheimnisvollen Weissen Dame, einer Art Geistererscheinung. Sie lockt Raymonda in eine Welt, in der sie ihren eigenen tiefsten Wünschen begegnet. Heinz Spoerli: «Abderachman ist der Eindringling, der verstört, aber auch fasziniert. Raymonda fühlt sich von diesem Draufgänger einerseits abgestossen, andererseits von seiner Männlichkeit angezogen – eine ambivalente Haltung, die sich im Pas de deux ausdrückt. Am Ende weiss Raymonda nicht mehr, wem sie sich zuwenden soll. Das ist für mich der Kern des Stückes.» Glasunows Partitur enthält einerseits Charaktertänze mit orientalischem Kolorit und im Schlussbild, legitimiert duch das Auftreten des Königs von Ungarn, der mit Jean de Brienne aus dem Krieg zurückkehrt, auch ungarische Folklore. Andererseits hat die Partitur einen grossen symphonischen Atem. Und sie enthält eine ganze Reihe von Walzern, was Heinz Spoerli als besondere choreografische Herausforderung begreift: «Es sind z.T. sehr lange, grosse Stücke. Ich habe versucht, diese Walzer abwechslungsreich zu choreografieren. Es war spannend für mich als Choreograf und hat auch Spass gemacht, fünf verschiedene Stücke im Walzertakt unterschiedlich zu machen. Ich hoffe, es ist gelungen, diesen Nummern jeweils einen eigenen Charakter zu geben. Glasunows Musik lädt einfach ein zum Choreografieren.» So deutet Heinz Spoerli auch die im Original als Pantomime angelegten Szenen tänzerisch: «Bei Abderachman versuche ich z.B., durch das Zusammenspiel mit seinem Gefolge Spannung aufzubauen. Ich gebe ihm eine Begleiterin mit, die nach seiner Niederlage im Kampf gegen Jean de Brienne wieder auftaucht und zu ihm hält. Wenn Abderachman um Raymonda wirbt, bringe ich die beiden mit ihr befreundeten Paare – Bertrand de Ventadour und Henriette, sowie Béranger und Clémence – ins Spiel. Sie versuchen, den Eindringling abzuwehren und Raymonda vor ihm zu warnen.» Über das Material der Originalchoreografie von Marius Petipa, soweit wir heute noch Kenntnis davon haben, sagt der Ballettdirektor: «Ich behalte einige Variationen in der überlieferten Gestalt bei – z.B. die ungarische Variation von Raymonda, bei der Händeklatschen vorkommt, auch den Pas de dix (ebenfalls ein ungarischer Tanz) im Schlussbild. Diese Nummer habe ich selbst noch unter Balanchine getanzt. Die Pas de deux dagegen habe ich alle neu gemacht. Hier ist nicht mehr viel überliefert, da schon kurze Zeit nach der Uraufführung neue Versionen entstanden, die Petipas Original stark veränderten.
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Premiere Raymonda
Stilistisch gesehen haben sich die Zeiten geändert. Heute spielt der virtuose Männertanz eine viel wichtigere Rolle als damals. Wenn man so gute Tänzer hat wie Vahé Martirosyan, Arsen Mehrabyan und Arman Grigoryan, muss man das nutzen. Ich bin auch sehr froh, eine grossartige Tänzerin wie Aliya Tanykpayeva im Ensemble zu haben für die Partie der Raymonda, die sicher zu den schwierigsten des Repertoires gehört.» Auf die Frage, wie sich heutiges Lebensgefühl und die individuelle Ausstrahlung der Tänzer mit dem Vokabular des klassischen Tanzes, das Petipa massgeblich geprägt hat, zusammenbringen lassen, antwortet Heinz Spoerli: «Das ist die ungekünstelte Sprache meiner Tänzer. Diese Technik trainieren sie jeden Morgen im Ballettsaal. Ich will ihnen einfach die Möglichkeit geben, einmal zu zeigen, was sie auf diesem Gebiet können – und das ist mit ‹Raymonda› gegeben. Da können die Tänzer aus dem Vollen schöpfen. Man kann sich natürlich fragen, ob diese Art von Tanz noch zeitgemäss ist. Aber wenn das Repertoire ausgewogen ist – und ich glaube, das kann man von meinem Ballettspielplan, inklusive der Gastspiele, sehr wohl sagen – dann ist es durchaus angebracht, auch solche Werke zu pflegen.»
Michail Jurowski wurde in Moskau geboren und ausgebildet. Das Bolschoi, an dem sein Vater (der Komponist Wladimir Jurowski) arbeitete, war sozusagen sein Kindergarten. Schostakowitsch war Wohnungsnachbar der Jurowskis; die Beziehungen zu ihm waren vertraut. Er empfindet «Raymonda» einerseits als typisch russisches Ballett, andererseits als europäische Musik, komponiert auf Weltniveau, mit einer für einen jungen Komponisten aussergewöhnlichen Meisterschaft. Ein Problem bei diesem Ballett sieht der Dirigent in der Dramaturgie: «Glasunow war noch nicht so reif, er konnte die Zusammenhänge nicht überblicken. Es ist eigentlich mehr ein Potpourri als ein wirkliches Handlungsballett. Deshalb finde ich es sehr gut, was Heinz Spoerli damit macht. Ballett soll klar sein – nicht, was die Atmosphäre und die Stimmungen betrifft, aber was die konkrete Konstellation der Figuren und ihre Beziehungen betrifft. Es ist legitim, der Musik in dieser Beziehung zu Hilfe zu kommen und eine Fassung zu machen, die szenisch überzeugender ist als das Original. Auch neigt Glasunow als Komponist nicht zu dramatischen Zuspitzungen; er hatte eher ein episches Naturell. Damit verbunden ist eine gewisse Tendenz zurückzuschauen. Andere Komponisten, wie RimskiKorsakow, haben mit ihrer Musik zu aktuellen Debatten Stellung bezogen. Glasunows Musik dagegen ist zwar sehr farbig, hat aber eher einen epischen Charakter. Als ob er aus der Distanz auf das Leben blickte.» Michail Jurowski findet es absolut legitim, aus choreografischen Rücksichten in die ursprüngliche Partitur einzugreifen. Das war auch damals schon üblich; so wurde die Musik von Tschaikowskis «Dornröschen» und auch die zu «Schwanensee» noch vor der Premiere verändert. Über das exotische Kolorit, das durch die Figur des Abderachman ins Spiel kommt, sagt Michail Jurowski: «Das war für die russische Musik im 19. Jahrhundert eine wichtige Inspirationsquelle. Teile des Zarenreiches berührten sich mit Persien, mit der arabischen Welt. Schon Borodin hat sich mit seiner ‹Steppenskizze aus Mittelasien› und den ‹Polowetzer Tänzen› aus der Oper ‹Fürst Igor› in diese Richtung bewegt, später Rimski-Korsakow mit seiner ‹Scheherazade› und auch im ‹Goldenen Hahn›. Komponisten wie Debussy und Ravel waren wiederum durch diesen Exotismus in der russischen Musik beeinflusst.» kk
Galina Mihaylova, Arman Grigoryan, Vittoria Valerio, Arsen Mehrabyan 10
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Premiere Raymonda
Der erste grosse Erfolg als frischgebackene Solistin des Zürcher Balletts liegt bereits hinter ihr: In Heinz Spoerlis Choreografie «Lettres intimes» tanzte Aliya Tanykpayeva mit technischer Brillanz und eindrücklicher Bühnenpräsenz die weibliche Hauptfigur. Nun arbeitet sie bereits intensiv an «Raymonda», dem neuen Handlungsballett, in dem sie die Titelpartie übernimmt. Zum Einleben und Ankommen in Zürich, das sie nur von der Vertragsunterzeichnung her kennt, bleibt da wenig Zeit. Aliya Tanykpayeva stammt aus einer kleinen Stadt in Kasachstan. Dass sie einmal an den grössten Opernhäusern der Welt als Primaballerina gefeiert werden würde, war ihr nicht in die Wiege gelegt: Ihre Eltern sind einfache Leute und haben keinerlei Beziehung zu künstlerischen Berufen. Mit acht Jahren träumte sie, wie die meisten Mädchen in diesem Alter, davon, Tänzerin zu werden; ihre Eltern erfüllten ihr ihren sehnlichsten Wunsch und gaben sie in die Ballettschule. Dort wurde ihr aussergewöhnliches Talent bald bemerkt; nach nur einem Jahr wechselte sie ins Ballettinternat nach Almaty, wo sie acht Jahre durch die harte Schule des klassischen Balletts ging. Nach einem Engagement in der Staatlichen Ballettcompagnie in der Hauptstadt Kasachstans führte sie ein Wettbewerb nach Moskau; sie gewann den Wettbewerb und erhielt sofort ein Engagement beim Moskauer Imperial Russian Ballet. Dort tanzte sie vier Jahre, und wieder war es ein Wettbewerb, der ihr den Weg für den nächsten Karrieresprung ebnete: Als Gewinnerin des Internationalen Ballettwettbewerbs in Luxemburg erhielt sie zu ihrer eigenen Überraschung ein Angebot, als Solistin an die Wiener Staatsoper zu gehen, das sie natürlich nicht ausschlagen konnte – obwohl sie, die bis dahin nie im Ausland gelebt hatte und kein Wort Deutsch sprach, grosse Angst hatte vor all dem Unbekannten, das sie erwartete. Sie rettete sich in die Arbeit und tanzte mit grossem Erfolg alle Solorollen des klassischen Repertoires: «Schwanensee», «Dornröschen», «Giselle», «Nussknacker» und viele andere mehr. In Wien hätte sie bleiben können; doch die Karriere einer Tänzerin ist kurz, und Aliya Tanykpayeva ist von einer grossen Neugier getrieben – da sie nun schon mal in Westeuropa sei, so sagt sie, wolle sie so viel wie irgend möglich lernen, und da kam ihr die Möglichkeit, nach Zürich zu wechseln, gerade recht. Hier kommt sie in Berührung mit Tanzstilen, die ihr bisher wenig vertraut waren; auch in Heinz Spoerlis neoklassischer Bewegungssprache ist vieles für sie neu. Wie ein Schwamm saugt sie alles Neue, Unbekannte auf, in der festen Überzeugung, dass sie nur das in ihrer künstlerischen und persönlichen Entwicklung weiterbringt. Aliya Tanykpayeva ist bescheiden und selbstkritisch; zuweilen, sagt sie, müsse sie sich darin sogar vor sich selbst in Schutz nehmen. Auch flammt immer mal wieder das Heimweh auf; und dann plötzlich ein Gefühl von Heimatlosigkeit. Tapfer versucht Aliya, auch negativen Erfahrungen etwas Positives abzugewinnen – schliesslich können auch sie wertvoll sein für die Weiterentwicklung der Persönlichkeit. Das Schlimmste wäre, da stimmt sie mit den allermeisten Künstlerpersönlichkeiten überein – Stillstand. Und so stürzt sie sich mit Enthusiasmus in die Arbeit an «Raymonda», einer Rolle, die sie im Gegensatz zu den meisten anderen des klassischen Repertoires zum ersten Mal tanzen wird; nach «Lettres intimes» hat sie hier wieder die Gelegenheit, eine Rolle zu kreieren, gemeinsam mit Heinz Spoerli die Choreografie zu entwickeln – und nicht nur das zu übernehmen, was vor ihr schon unzählige andere Primaballerinen getanzt haben. Entwicklung ist auch das zentrale Thema in «Raymonda»; für Aliya Tanykpayeva geht es in erster Linie um ein junges Mädchen, das zum ersten Mal die Liebe erfährt und sich dadurch, aber auch, weil sie gezwungen ist, dieser Liebe zu entsagen, im Laufe des Stückes zu einer reifen Frau entwickelt. Auf ihre Darstellung der Raymonda dürfen wir gespannt sein. bb
Aliya Tanykpayeva, Vahe Martirosyan
So wie Heinz Spoerli die Geschichte der Raymonda in seinem neuen Ballett erzählt, steht sie – zumindest emotional – wirklich zwischen zwei Männern. Den Part des Abderachman, Gegenspieler ihres Bräutigams Jean de Brienne, tanzt Vahé Martirosyan. Er ist in den letzten Jahren bereits mehrfach als Solist hervorgetreten. Ebenso wie Arsen Mehrabyan, der den Part des Bernard de Ventadour (eines Freundes von Raymonda) übernimmt, stammt er aus Armenien. Und die beiden sind sogar miteinander verwandt. Arsens Vater, der in Armenien bekannte Tänzer, Choreograf und Regisseur Norik Mehrabyan, ist Vahés Onkel. Durch ihn kamen beide zum Ballett. Noch drei weitere Tänzer aus Armenien sind im Ensemble des Zürcher Balletts: Arman Grigoryan, der den Béranger tanzt, Artur Babajanyan und, seit dieser Saison Mitglied des Junior Balletts, Tigran Mkrtchyan. Sie alle wurden zunächst an der Staatlichen Ballettschule in Jerewan ausgebildet. Wie sein Cousin Arsen nahm auch Vahé am Wettbewerb um den Prix de Lausanne teil. Arsen gewann einen Preis, Vahé kam bis ins Halbfinale. Beiden eröffnete sich die Möglichkeit, mittels eines Stipendiums ihre Ausbildung fortzusetzen. Arsen Mehrabyan, fasziniert von der Arbeit John Neumeiers, entschied sich für die Hamburger Ballettschule. Nach erfolgreichen Jahren als Solist im Hamburg Ballett ist er seit dieser Spielzeit ans Zürcher Ballett gewechselt. Vahé Martirosyan ging an die Schweizerische Ballettberufsschule SBBS, deren Leiter damals Heinz Spoerli war. Durch diesen kam er ans Junior Ballett und wurde zwei Jahre später – mit Beginn der Saison 2003/04 – in die Compagnie des Zürcher Balletts aufgenommen. Es war für den damals 16jährigen keine leichte Entscheidung, ohne Sprachkenntnisse in ein fremdes Land zu gehen. Ähnlich wie bei Aliya Tanykpayeva, war auch bei ihm die Sehnsucht nach der Heimat oft gross. Geholfen hat ihm der Zusammenhalt mit seinen Landsleuten. Für hiesige Begriffe sei es ein sehr enges Verhältnis, sagt Vahé; für Armenier dagegen ist es nicht ungewöhnlich, wenn sich fünf Freunde zusammentun. Als Vahé nach Zürich kam, tanzten hier bereits zwei weitere Armenier, beide ebenfalls Preisträger beim Prix de Lausanne, die inzwischen ihren Weg an andere Häuser gemacht haben: Tigran Mikayelyan, der nach sieben Jahren im Zürcher Ballett als Solist ans Bayerische Staatsballett wechselte, und David Karapetyan, der beim renommierten San Francisco Ballet engagiert ist. An der Arbeit im Zürcher Ballett schätzt Vahé Martirosyan die stilistische Vielfalt, auch in der Musik. Gross ist die Spannbreite von Twyla Tharp bis William Forsythe. Heinz Spoerli geht auch bei einem klassischen Ballett wie «Raymonda» eigene Wege. So hat er die Rolle des Abderachman deutlich aufgewertet. Vahé fällt es nicht schwer, das exotische Element dieser Figur zu verkörpern. Auch das Bedrohliche des Charakters, das er auf andere Weise schon bei seiner Darstellung des «Todes» in Heinz Spoerlis «Peer Gynt» tänzerisch erlebbar gemacht hat, reizt ihn. In der russischen Tradition wird Abderachman meist als älterer, reicher Mann gezeichnet und von älteren Charakterdarstellern anstelle von Tänzern dargestellt. Ganz anders in der neuen Version, in der der Sarazene gegenüber dem provenzalischen Ritter Jean de Brienne der attraktivere Mann ist. Als angenehm empfindet der junge Tänzer, dass Ballettdirektor Heinz Spoerli in der Arbeit zwar genaue Vorstellungen hat, wie er eine Geschichte erzählen will, das Bewegungsmaterial aber in Zusammenarbeit mit den Tänzern entwickelt und sich von der je eigenen Körperlichkeit und den technischen Stärken des einzelnen inspirieren lässt. Zusammen mit seinen armenischen Freunden kehrt Vahé, soweit möglich, jedes Jahr in den Ferien nach Armenien zurück und gastiert am Staatlichen Theater für Oper und Tanz in Jerewan. Dort tanzte er u.a. den Don Quixote. Es ist ihm wichtig, die im Ausland gemachten Erfahrungen mit den Kollegen dort zu teilen. Und gegen das Heimweh helfen solche Aufenthalte auch... kk