Dandy Magazine
zickenkrieg
brotlose kunst rebel with a cause
#0 • Dezember 2008
inhalt #1… 4| Mann+Vélo
editorial.
Geschätzte Leserschaft,
Der Begriff Dandy kam Mitte des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts auf und bezeichnet “junge Leute, die in auffälliger Kleidung Kirche oder Jahrmarkt besuchen”. Im Gegensatz zum Maccaroni, der die Mode südlicher Länder nachzuahmen sucht, zum Beau oder zum deutschen Pendant, dem Stutzer, verabscheut der Dandy alles Grelle, Laute, Parfümierte. Er kultiviert seine Kleidung, sein Auftreten, auch Witz und Bonmot.
Das ultimative Dandybike 5| Über…
Selbstversuch Anabolika 6| Radsport
Die Stützen des Systems
8| Delinquenz
Rebel with a Cause
Die originelle, aber jederzeit passende elegante Kleidung zum Sport (Zeitvertreib), in unserem Falle dem Radsport, kombiniert mit den formvollendeten Manieren eines
11| City nights
Gentleman, wird zum einzigen Lebenszweck erhoben. ¡Gloria al ciclismo! Der Dandy Oscar Wild’scher Prägung ist ein typisches Phänomen des «fin de siècle». Den Sinn, den er im Leben vermisst, kompensiert der Dandy durch die Form, die er seinem Selbst gibt - durch narzisstische Inszenierung. Er stilisiert sich zum Décadent und geniesst das Gefühl, damit zur Avantgarde zu gehören.
Zickenalarm in Albanien
Doch auch das Dandytum unterliegt dem Wandel der Zeit. Vom dichtenden Oscar Wilde über den Viehzüchter und singenden Bankier Verköstiger Dieter Meier hin zu den «Cycling Dandys Zurich». Der korrekte Plural Dandies wurde dabei bewusst zugunsten einer impressionistisch-anachronistischen Schreibweise vermieden, womit sämtlichen Schlaumeiereien der Riegel vorgeschoben wäre. Die vorliegende Erstausgabe des «Dandy Magazine» gibt dem gemeinen Leser die seltene und einmalige Gelegenheit, wenigstens voyeuristisch am Leben, Schaffen und den Interessen der «Cycling Dandys Zurich» und befreundeten Journalisten teilzunehmen. Dank erhellenden Essays begreift der Leser so hoffentlich eine ihm noch völlig unbekannte neue Welt, geprägt von Anstand und Würde. Möge unsere flamboyante Zeitverschwendung die entsprechende Würdigung erfahren.
Oliver Schramm
Head «Cycling Dandys Zurich»
12| Reisen
14| Schöner Liegen
Le cimetière marin 16| Kunst
Die Kunst des Roland Anderhirsern 19| Heimat
Eine Reise durchs schweizerische Gemüt 20| Fluessig
Die Königin 21| Literatur
Der Brief des Corto Maltese 22| Movies
Impressum:
Herausgeber: Cycling Dandys Zurich • Dandy Magazine • Redaktion: redaktion@dandymagazine.ch • Leitung Redaktion: Martin Müller, Oliver Schramm • Autoren: Walter Aeschimann, Ricco Bilger, Benjamin Breitbild, Thorsten Dörting, Michèle Roten, Felix Traber, Kerstin Treydte, Lilly Zach • Fotos: Alain Kaiser, Christian Wimmer, Archive • Design & Art Direction: The Moser Team • IT und Web: Ste Ungureanu, Pixeldev Webdesign and Development • Drück: LASERLINE Digitales Druckzentrum Bucec & Co. Berlin KG. Dandy Magazine is a bimonthly publication of the Cycling Dandys Zurich. Any reproduction of the magazine or part of it is only allowed under permission of the publisher. Dandy Magazine is not responsible for the content of the articles written by the contributors.
Titelseite: In den Räumen der Firma Vock Antiquitäten, Schipfe 10, 8001 Zürich aufgenommen. Von: Alain Kaiser.
George Clooney: actor, director, producer 23| Print Medien
Wann ist ein Mann ein Mann?
mann+velo
Das ultimative Dandybike Ja, es gibt sie noch, die mechanischen Wunderwerke und stahlgewordenen Träume auf zwei Rädern, die manch gestandenem Zweirad-Aficionado angesichts ihrer konstruktiven Erhabenheit über kurzfristige Trends und ihrer zeitlosen Eleganz Tränen der Bewunderung in die Augen treiben - und die ungezügelte Begierde erwecken, ein solches Veloziped zu besteigen und es lustvoll an seine und an die Grenzen des Fahrers zu treiben. Text und Bilder von Felix Traber So etwa das hier auf Fotografien gebannte dottergelbe Ge-
flecht aus hochvergütetem Stahl auf zwei vollschlanken Felgen. Dieses trug einst frohgemute Postboten auf ihrem behördlich verordneten Pfad sicher von Briefkasten zu Briefkasten und überlebte im Gegensatz zur verblichenen PTT so manches Fährnis helvetischer Realpolitik. Und noch heute verrichtet es unter einem geschmackssicheren Liebhaber heimischer Wertarbeit seinen Dienst an der Mobilität der Menschheit. Ausgestattet mit extra altersgehärteten Rundreifen und einer aufs Minimum beschränkten Getriebetechnik mit einem praktischen Allzweckgang und trittfesten Hartgummipedalen ist es ebenso
Dandy magazine dezember 2008
dem «reduce to the max»-Prinzip wie auch der Ewigkeit verpflichtet. Sein wuchtiger Hauptständer erlaubt tiefgreifende Diskussionen im Stand ohne Bodenberührung, sein üppig ausgeformter Sattel mit ausgefeilter Innenfederung bietet den Komfort, den der Dandy im schnöden Alltag benötigt. Kräftig dimensionierte Lademulden ermöglichen den sicheren Transport von Tranksame in grossen Mengen oder - wenn notwendig - von bis zu zwei Damenbekanntschaften. Zudem kontrastieren sie wunderbar mit dem verspielt geschwungenen Lenker, an dem ein lustiges Hebelchen für die Betätigung der Verzögerungsanlage im Vorderrad angebracht ist. Diese Farce von Trommelbremse verleiht dem aus jedem Rostpörchen Freidenkertum atmenden Zweirad einen Hauch von Legalität, ebenso wie das Schweinwerferchen im Stile der Bergbauzeit vor der industriellen Revolution. Kurz: Ein Fahr-Rad, wie es die grossen Denker und Dichter erschaffen hätten, von da Vincischem Pragmatismus und Brechtscher Schlichtheit, von Corbusier-ähnlicher konstruktiver Kühnheit und Wildeschem Charme - kurz: das ultimative Dandybike! D
Über…
Selbstversuch Anabolika Das ist normal, sagt die Ärztin und lächelt. Verführerisch, wie ich finde. Auffordernd. Sie bückt sich, um die Waage unter dem Schrank hervorzuholen. Unter dem Schrank! Das kleine Luder. Als ob die Waage ganz zufällig unter dem Schrank platziert wäre. Als ob das einfach ein guter Platz wäre für eine Waage und nicht nur ein Grund, sich ab und zu bücken zu können und mir so ihren Hintern entgegenzustrecken. Die steht auf mich. Moment, dann wäre sie ja lesbisch. Von Michèle Roten Ich bin ja immer noch eine Frau. Zum grössten Teil zumindest. Seit zwei Wochen nehme ich nun unter ärztlicher Aufsicht Anabolika, um herauszufinden, wie es sich anfühlt, gedopt zu sein. Vor zwei Wochen setzte ich mich das erste Mal auf den Hometrainer, einen Pulsmesser am Finger, und strampelte eine Stunde lang mit meinen damals noch dünnen Beinchen, bis ich nicht mehr konnte. Durchschnittsgeschwindigkeit 15 km/h, verbrannte Kalorien: 452, Freude daran: Null. Das ist mir jetzt unerklärlich, ich kann mir nicht mehr vorstellen, wie man an Strampeln keine Freude haben kann, aber ich weiss es, weil ich es in mein Test-Tagebuch geschrieben habe, „Freude daran: Null“, steht da. Heute, am letzten Tag des Versuchs, hab ich den Weg zu meiner Ärztin hoch oben am Zürichberg in einer Viertelstunde abgeradelt. Vom Triemli her, ich war davor kurz auf den Üetliberg und wieder runter gejoggt. Joggen ist geil. Ich hätte es in zehn, vielleicht sogar neun Minuten zur Ärztin geschafft, aber daran hinderten mich die ganzen Idioten auf der Strasse, diese verblödeten Scheisswixer, die senilen Sonntagsfahrer und strunzdoofen Hausfrauen mit ihren beschissenen SUVs, die sie nicht beherrschen und dann fünf Minuten lang die ganze Strasse blockieren, wenn sie einparken wollen, diese blöden Schnepfen, denen ist doch das Botox direkt ins Hirn gespritzt worden, Scheissgoldküstenweiber. Ich bin gesund, das sagt zumindest die
Ärztin, körperlich gesund, sogar fitter denn je, aber ich fühl mich gar nicht gesund, ich fühl mich ich weiss auch nicht. Ich kann das nicht mehr so gut beschreiben. Gefühle und so. Konnte ich früher ganz gut, geht jetzt nicht mehr richtig. Das ist alles so ich weiss auch nicht. Und dann sind momentan auch noch alle so nervig, meine Freundinnen wollen ständig über irgendwelche Beziehungsprobleme quatschen, die mich gar nicht interessieren. Ich höre dann meist nur noch mit einem Ohr
zu, nicke ganz oft und wiederhole einzelne Wörter, die sie gesagt haben, aber das reicht ihnen immer noch nicht, sie wollen wissen, was ich denke und so und dann fliegt alles auf. Und dabei würd ich doch viel lieber einfach ein bisschen Rad fahren. Rad fahren ist geil. Oder ein paar Kumpels anrufen und ihnen zu irgendwas gratulieren. Dass sie eine flachgelegt haben, dass sie wieder Single sind, dass sie jetzt eine feste Freundin haben, es gibt immer was zu gratulieren. Gratulieren ist geil. Ich muss mich rasieren. Das ist mühsam. Dabei schneid ich mir immer die Pickel auf, die ich seit ein paar Tagen habe, aber rasieren muss sein, etwa alle zwei Stunden, das spriesst wie blöd und sieht auch so aus, mit den Brüsten. Na ja, die wurden schon weniger. Noch weniger. Und dabei würd ich sie gerade jetzt wohl mehr schätzen denn je. Nun ja, das Fazit: Anabolika wirken super, aber anfühlen tun sie sich so ein bisschen, keine Ahnung, irgendwie, weiss auch nicht, nicht geil irgendwie. D
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radsport
Die Stützen des Systems Manchmal streift er einfach so durch sein schmuckes Heim in Ittigen nahe Bern, so trunken vor Glückseligkeit, dass er fast ein paar Tränen unterdrücken muss, berührt seine goldigen Medaillen, caressiert die glänzenden Pokale und denkt: so weit habe ich es gebracht. Von Walter Aeschimann*
Cancellara Fabian, dessen Mutter Rosa und Vater Donato aus San Fele in der südlichen Basilicata weggezogen waren und im bernischen Hinterkappelen eine neue Heimat fanden, dieser Sprössling mit Wurzeln in Italien und abgebrochener Lehre als Elektromonteur, inzwischen 27 Jahre alt, 186 Centimeter lang, 80 Kilo schwer und bekanntermassen professioneller Radrennfahrer, kein schlechter, weltweit einer der besten gar, wenn nicht der beste in den Disziplinen «étapes contre-la-montre-individuel» und «letzte fünf Kilometer» und deshalb in jungen Jahren sicher schon vermögend. Doch heute, eines morgens Anfang Oktober 2008, ist alles anders. Emotional ergriffen, vielleicht schon eher ausser sich, sitzt er am üppig gedeckten Frühstückstisch. Seine Ehefrau Stefanie, Coiffeuse mit eigenem Salon, streicht ihm das volle dunkle Haar, Töchterchen Giuliana das rasierte Bein. Die Schulter zwickt von vielen Stürzen, das BioMüesli stockt im verspannten Hals, vor ihm, zwischen Gipfeli und Orangensaft, brüllen
fette Zeilen der Gazetten: «Doping-Vorwürfe an Fabian Cancellara.» Das belgische Blatt «Le Soir» hatte referiert, dass nicht astreines Blut von Fahrern der Tour de France nochmals begutachtet würde. Auch seines wir annonciert. Geprüft wird auf die Arznei CERA des Basler Pharmamultis HoffmannLa Roche, das gegen Blutarmut wirkt und als EPO-Doping der so genannten dritten Generation bis Anfang Jahr offenbar nicht aufzuspüren war. Mitte Jahr haben Labors den korrekten Beweis erbringen können. Die Radsportszene war ziemlich überrascht und wurde hektisch. CERA ist insofern famos, weil die Halbwertszeit nach subkutaner Verabreichung ca. 150 Stunden beträgt, die bisherigen EPO-Präparate hatten eine Halbwertszeit von lediglich ca. 48 Stunden nach subkutaner Gabe. Eine Portion pro Woche genügt also unterdessen. Das Telefon klingelt. Sein Blick flackert irr umher. Der Körper zuckt verkrampft. Jeden Moment könnte der Befund zu ihm dringen, dass auch sein Blut mit CERA
Marco Pantani
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unrein ist. Manuel Beltran, Moses Duenas, Stefan Schuhmacher, Leonardo Piepoli, Bernhard Kohl: Deren Blut war mit der EPO-Variante CERA bereits offiziell eingetrübt. Teamkollege Fränk Schleck aus Luxemburg ist in Verruf geraten, weil mit seinem Absender eine Kontobewegung von rund 7000 Euro bei der Genfer Bank HBSC vorgenommen worden ist. Begünstigter: Blutdoping-Experte Eufemiano Fuentes. Die Beweise liegen bei der Luxemburgischen Staatsanwaltschaft. Dieser Fehler soll ihm, Cancellara, nicht passieren. Der helvetische Pedaleur, dessen Imagepositionierung („Ich dope nicht! Ich bin zu hundert Prozent sauber!“) bislang ausgezeichnet klappte, eilt zur übervollen Pharmakiste ins Badezimmer. Schaut, ob die suspekte Medizin beseitigt worden ist, säubert den Ordner von nicht lupenreinen Dokumenten, kontrolliert den Computer, ob online alles koscher ist, die SMS vernichtet sind mit Rolf Huser, mit Teammanager Bjarne Riis und Rasmus Damsgaard, dem dänischen Anti-Dopingexperten, den sein Arbeitgeber ausdrücklich mit geschätzten 600 000 Euro im Jahr bezahlt, damit er in der Szene Augen und Ohren offen hält, was aktuell nachweisbar ist und was nicht - damit sich die Fahrer entsprechend präparieren können. Als „mannschaftsinternes AntiDopingprogramm“ wird es deklariert und von den meisten Journalisten dem Endverbraucher fügsam rapportiert. Womöglich ist Damsgaard doch nicht so gut vernetzt. Die Saison hat gut begonnen. Tirreno - Adriatico gewonnen, Mailand – San Remo gewonnen, zwei Etappen der Tour de Suisse gewonnen, 2. Rang beim wohl härtesten Klassiker Paris – Roubaix, an der Tour de France hyperventilierte die Konkurrenz an seinem Hinterrad, wenn er als Helfer im Team CSC Saxo Bank für seinen Teamkollegen Carlos Sastre in die Pedalen trat. Sastre gewann „le tour“, was auch ihm zugute kam. In Peking Olympiagold im Einzelzeitfahren gewonnen und Bronze im Strassenrennen – „grosses Velofahren“ wie er auf den letzten fünf Kilometern aus dem jagenden Feld ausgerissen und zur Spitze aufgeschlossen war. Gerne wäre er auch an der StrassenWM in Varese Ende September nochmals „gross“ gefahren. Im letzten Moment hatte ihn jedoch eine „Übermüdung des Körpers“
radsport
Fabian Cancellara
lahm gelegt. Dafür konnte er sich nervlich wieder lockern. Sein Blutbild ist nicht offiziell geworden. Den Medien stellte er sich „als moralischer Sieger“ und berichtet, dass nur „das Wahre,“ das habe ihm „Mama und Papa als kleiner Bub gelehrt,“ im Leben zählt. Am Abend schaut er die kulanten TV-Berichte und liest, was online in den Portalen steht. Zufrieden lächelt er in sich hinein. Stefanie streicht ihm das volle Haar, Giuliana das rasierte Bein. Die Radsportwelt ist Ende 2008 fast heil geblieben. Die Stützen des Systems, dieser undurchdringliche Mix aus Funktionären, Medizinern, Managern, willfährigen und naiven Journalisten und den Sportlern selbst, ist nicht aufgebrochen. Dass die TV-Sender ARD und ZDF die Live-Berichterstattungen verlassen, stört nicht sonderlich. Tragisch allenfalls, dass sie besonders hilflos wirken, wenn sie stark sein wollen. Offizieller Grund der Abstinenz: die Betrügereien seien nicht mehr kompatibel mit der journalistischen Ethik dieser Sender, inoffiziell natürlich, weil das blutmässig unauffällige, heimische Radsportschaffen keine Quoten bringt. Manchmal sitzt Fabian Cancellara einfach nur da, in der edlen Polstergruppe, trägt den cremefarbenen Anzug und schaut zur Glasvitrine hoch, glückselig, wo das neuste Symbol sportlicher Anerkennung steht: “Schweizer Sportler des Jahres 2008”. Dann denkt er an die kommende Saison. Immerhin tritt nächstes Jahr L. A. aus den USA, der phänomenalste Radsportler aller Zeiten, nochmals in die Pedale. Da weiss man wenigstens, woran man ist. *Aeschimann, Walter (Zürich,1957). Der vorliegende Text ist natürlich teilweise frei erfunden.
spÄter abschied von marco pantani (1970–2004) Der Marco war von Wuchs ein Zwerg und doch der Hurtigste am Berg den konnt er mächtig schnell erklettern so rasch wie andre runterbrettern
Er nutzte dann auch seine Chance Und kam ins Ziel der Tour der France Als erster anno neunzig und acht Ja, so weit hats der Marco bracht
Auf Alpe d’Huez war er der King Gradaus war nicht so sehr sein Ding Am Stutz aber dank zähen Scheichen Konnt niemand ihm das Wasser reichen
Doch weh! Dann kam der Pulvermann Und schlug den Marco in sein Bann Hört Freunde! Ich kann es euch flüstern Er schlürft das Koks tief in die Nüstern
Er zog am Röhrchen stark und viel Da kam der Sensemann ins Spiel Der nahm ihn schwups! vom Sattel runter Da wurd der Marco nicht mehr munter Das Elefäntchen aus Cesena Hatt doch so gute Kraxlerbena! Hätt er doch lieber mehr gepoppt Als sich mit Medellin gedopt. Tot ist der Herr vom Mont Ventoux Im Grab in Frieden er nun ruh! Wir heben unsre Hopfentassen auf dich! Drauf kannst du einen lassen Felix Traber (mit Dank an Simone Borowiak)
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DELINQUENZ
Rebel with a cause
Die letzten Minuten in Freiheit verbringt er blutend unter einem silbernen Iso Rivolta IR 300, der Wagen ist Luxus auf vier Rädern, mehr bourgeoise Dekadenz geht gar nicht. Stolze 296 PS hat das Gefährt, nur 50 zugelassene F ahrzeuge gibt es deutschlandweit, der Neupreis liegt bei 55.400 Deutschen Mark. Von Thorsten Dörting
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DELINQUENZ
Das sind dreimal so viel wie der auberginefarbene Porsche 911 Targa, auch nicht gerade billiges Blech. Mit dem war der Staatsfeind Nr.1 zuvor am 1. Juni des Jahres 1972 in den Frankfurter Kühhornshofweg eingebogen, um eine Garage auszuchecken, die als Lager dient. Und jetzt, nach Stunden der Belagerung, ballern sie Andreas Baader, 29, ein handtellergroßes Loch in den Oberschenkel, diese „Faschisten“. Während der Schießerei - die ihm wie eine Orgie vorgekommen sein muss, denn seine Auffassung lautet“Schießen und Ficken sind ein Ding“ - steht er gebückt vor dem italienischen Edelschlitten, die Haare rotblond gefärbt, die Kippe hängt im Maul, lächelnd erwidert er das Feuer, die Ray-Ban-Sonnenbrille auf der Nase. Ray Ban trägt er auch noch, als ihn die Polizisten aus der Garagenfestung schleifen, um ihn letztlich in eine Festung zu verfrachten, in der er fünf Jahre später sterben wird: Stammheim. Die Biografin Karin Wieland hat den RAF-Terroristen Andreas Baader als “Dandy des Bösen” bezeichnet, als einen Mann also, der den Terror als Theater in eigener Sache verstand, der, zugleich Regisseur und Hauptdarsteller, ein wahres Bombenstück inszenierte. Und es war wohl kein Zufall, dass dieses Bombenstück eine dramatische Wendung unter eben diesem Iso Rivolta erfuhr, denn das Auto war zugleich liebstes Accessoire und rollende Bühne Baaders. Er lebt, wie er fährt: schnell, rücksichtslos, eitel. Zeitweise muss alle drei bis vier Wochen eine neue Karre her, stets klauen sie nur die besten: Statt Bayerischer Motorenwerke steht das Kürzel BMW bald nur noch für: Baader-Meinhof-Wagen. Wenn er andere ans Steuer lässt, dann um sich selbst in Szene zu setzen. Mit seiner Freundin Gudrun Ensslin übt er sich gern mal in Mini-Stunts, indem er vom Fahrer- auf den Beifahrersitz wechselt - während der Fahrt, wohlgemerkt. Im Herbst 1971 überschlägt er sich mit seinem Porsche 911 auf einer nassen Autobahn - 160 Kilometer pro Stunde war er gefahren. Und als Baader einmal im Mercedes 220 SEb durch Frankfurt steuert, muss eine Mitfahrerin auf dem Rücksitz wie
gelähmt zuschauen, wie “Andreas sich im Rückspiegel während der Fahrt sein Gesicht pudert”. Tja, Puder. Und Samt und Seide. Kein Hutzelmännchen wie die anderen Studentenrevoluzzer ist der schöne Andreas, keine Nickelbrille, kein Rauschebart, keine Latzhose, nichts von dieser Aura des gestrengen Gelehrtentums haftet ihm an. Als der schicke Choleriker im palästinensischen Ausbildungslager der Al-Fatah in Jordanien den Terror erlernen soll, weigert er sich hartnäckig, einen Kampfanzug anzuziehen – und robbt lieber in seinen knackigen, burgunderroten Samthöschen durch den Wüstensand. Einen großen Teil des bei Banküberfällen erbeuteten Geldes, man stelle sich vor, gibt Baaders RAF aus für: Kleidung. Ausgerechnet so einer wollte die rote Revolution? Karl Marx hätte gekotzt. Und Oscar Wilde, Dandy aller Dandys, sich in Baader verknallt: Ein schmollmundiges Schmachtobjekt für Schwule ist der Andy schon als ganz junger Mann, angehimmelt von Weggefährten aus der Boheme, in Auftreten und Aufmachung sicherlich beeinflusst von seinem Onkel (und - mit Abstrichen - Ersatzvater), einem schwulen Tänzer und Schauspieler. Mitte der Sechziger, Jahre bevor die ersten RAF-Bomben hochgingen, zieht Baader durch die Berliner Nächte, mit Hut und Trenchcoat wie Alain Delon, die Augen mit Kajal umrandet, manchmal trägt er falsche Wimpern, seine damalige Freundin, Ello Michel, Kunstmalerin, muss seine Klamotten für ihn umnähen - “weil ihm die Hosen nie eng genug waren von den Kaufhäusern”, wie sie die Baader-Biografen Klaus Stern und Jörg Herrmann zitieren. So sexy ist der Andreas, dass er sogar kurzeitig als Model jobbt (er war auch Bauarbeiter, Boulevardjournalist, und vor allem: ließ sich aushalten). Der Fotograf Herbert Tobias, vollkommen vernarrt in den jungen Mann, hat ihn zuvor entdeckt. In den Jahren 1964 und 1965 entsteht für ein Schwulenmagazin eine ganze Serie mit Baader-Bildern, ein fotografisches Denkmal ist darunter, mit nacktem Ober-
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DELINQUENZ
körper posiert Baader da, ein Pin-up-Boy mit ein bisschen Brusthaar, die Arme sind unbeholfen übereinander gelegt, die Stirn liegt in Falten, der Blick ist verträumt, ein wenig melancholisch auch. Und dennoch zugleich abweisend: ein Un(be-)rührbarer, dessen Selbstwert sich nach dem Erfolg seiner Selbstinszenierung bemisst. Die letzten Minuten seines Lebens verbringt er in seiner Zelle in Stammheim, kurz zuvor ist die Freipressung seiner Gang durch palästinensische Flugzeugentführer in Mogadischu gescheitert, die “Landshut” war erfolgreich gestürmt worden. Albert Camus schrieb: “Allein sein, heisst für den Dandy nichts sein.“ Was tut ein
Mensch, der nur überleben kann, wenn er ein Leben vorspielen kann – und der das ganz große Publikum jetzt für immer verloren hat? Sie entdecken Andreas Baader, 34, am Morgen des 18. Oktober 1977 um 8.07 Uhr. Links neben ihm liegt ein ungarischer Revolver vom Typ FEG, Kaliber 7.65, unweit des Kopfes eine Sonnenbrille mit blauen Gläsern. Die “Suicide Action” ist vorüber, der letzte Akt der Andreas-Baader-Show im Theater des Terrors verläuft tödlich. Die Beamten finden in der Zelle außerdem: Lidschatten, Pelzmäntel, Haarspray. D
Bilder von Christian Schwarz, www.christianschwarz.ch
CITY NIGHTS
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reisen
Zickenalarm in Albanien Es gibt Leute, die treiben sich unter dem Deckmantel der so genannten «Feldforschung» in Ländern rum, wo sonst kein Dandyleser hin will. Und siehe da, manchmal ist es dort gar nicht so schlecht. Die Reise führt nach Albanien, fremd, einfach und voll unheimlicher Gastfreundschaft –und mitten im Herzen Europas, auch wenn’s nicht so scheint. Von Kerstin Treydte
Wir sind zu Gast in einem kleinen Dorf im Norden der Albanischen Alpen, karg, faltig und abgehängt von der Moderne. Der Tag hat gerade begonnen, und der Familienvater greift in einen weissen, aufgeschlitzten Leib und zieht mit Genuss Eingeweide aus dunklen Tiefen ans hämische Licht der Morgensonne. Dann streut er Salz in die klaffende Wunde und näht sie mit dicker Nadel und grober Schnur sorgfältig zu. Unter dem aufgespiessten Körper errichtet er den Scheiterhaufen. Ich fühle mich schuldig, hatte ich doch die Wahl zwischen Frischfleisch, blond oder braun, und grünem Klumpen, oftmals gefroren und aufgetaut. Der Kühlschank läuft auf Stundenbasis, denn Strom ist Luxus hier im rauen Norden. Ich habe braun gewählt und werde bestraft: Die vorwurfsvolle Meckerei der überlebenden Blonden trifft mich ins Herz. Beschämt wende ich mich ab und gehe zum Standardfrühstück: Mokka, Schnaps und Ziegenkäse. 17 Familien zählt dieses Dorf mit Namen Theth. «Bestehende Verwandschaftsverbindungen erklären das ungewöhnlich niedrige Ausmass an internen Konflikten und Blutfehden hier» sagen die Bücher. «In den Bergen haben sie eine kopflose Leiche gefunden» weiss Samir, der vierzehnjährige Sohn der Familie,
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während wir im Mercedes auf gruseligen Lehmpisten eben dorthin holpern. Betonbunker aus vergangenen Tagen kauern wie Riesenpilze in der Landschaft, die Luft ist diesig, geschwängert von Brandgeruch, am Hang schlägt Feuer aus dem Wald. Zwei lokale Sheriffs und diverse Verwandte haben sich eingefunden, freuen sich schäkernd über die fröhlich fackelnde Abwechslung. Ab und an haut einer mutig auf die Flammen ein, bejubelt von den anderen. Plastikflaschen mit Schnaps machen die Runde, wir dürfen mit. Ruhig Blut, was immer da auch brennt, das Feuer wird in den schwarzen Weiten der letztjährigen Brandflächen verhungern, und Wasser zum Löschen hat’s ohnehin keins. Den Staat interessiert es nicht, der kommt nicht hierher auf diesen abgrundtief durchlöcherten Strassen, die das Land, kleiner als Belgien, so riesig machen. Samir hat Glück. Seine Familie besitzt den Kühlschrank, und er kann zur Schule gehen. Seine Brüder haben dem Land verächtlich den Hintern gekehrt wie so viele, schicken Devisen aus der besseren alten und neuen Welt. Seine Grossmutter und ihr Alltag werden zu Filmstars, ein österreichisches Fernsehteam verfolgt sie völlig fasziniert unten im Dorf: beim Bohnen pflü-
reisen
cken, Hühner füttern und Schnaps brennen, was sonst. Unser Vorschlag, dekorativ in den Film zu rutschen, wird heftig verschmäht, und auch das Argument unseres Forschungsauftrags kann sie nicht weg von Oma mit uns in die Berge locken. Bäuerliches Leben über eifriger Wissenschaft, in der Ferne kommt man zu sich, werden verschobene Realitäten gerade gerückt - von Österreichern, diesem versoffenen Pack. Doch sie haben Elisa aus Tirana dabei, Elisa von Mjaft! –Mjaft! ‹genug› auf Albanisch, rote Hand auf schwarzem Grund, die öffentliche Stimme gegen zivile Apathie und Zynismus. Gewaltfreier Aktivismus ist neuer Patriotismus, und zumindest die Hauptstadt Tirana ist schon erwacht. Und auch hier in der Nacht des stromlosen Nordens, erleuchtet von Waldbrand und Lagerfeuer, weckt Elisa ihre Landsleute auf. Die friedliche Revolution ist ganz nah, die Stimmung und Zuversicht steigt, und kross, heiss und duftend wird die Braune auf Teller verteilt. Aus leeren Augenhöhlen trifft mich ihr Blick, Samirs Vater lässt etwas glänzend Rundes im Mund verschwinden. Bedächtig kauend bricht er den Schädel auf und reicht mir das Hirn. Gastfreundschaft auf höchstem Niveau, auf deren Missachtung steht übelste Ächtung. Der Geschmack nach Leberwurst, ein kulinarisches highlight, weil es
muss. Ich erhebe die Plastikflasche auf neue Freunde und werfe den albanischen Trinkspruch in die ehrbare Runde. Die Rechnung geht auf, der Trubel beginnt, und im grossen ‹Gesuar› fällt Hirn vom Himmel für die sich balgenden Katzen unter dem Tisch. D Mehr zum Land, den Österreichern und Elisa: http://www.esiweb.org/index.php?lang=de&id=311&film_ID =3
Dandy Magazine dezember 2008 13
SCHÖNER LIEGEN
Le cimetière marin
«La grande bleue» nennen die Franzosen liebevoll das Mittelmeer. Seine Küsten überraschen immer wieder neu durch bizarre Felswände, Sandbuchten und das Spiel der Natur mit der Farbpalette. Das Azurblau des Meeres mischt sich mit dem sanften Grün von Palmen und Olivenbäumen, getupft mit dem Ockerton provenzalischer Bauernhöfe unter dem gleißenden Licht des Himmels. Hier lässt sich`s gut ruhen, auch für immer und Ewig. Text: Jean Luc Papin | Bilder: Alain Kaiser
14 Dandy Magazine dezember 2008
Sète, mit dem darüber liegenden Mont St Clair und Fort Richelieu, ist hauptsächlich wegen seiner Lage bekannt. Die Stadt wurde wichtig, als sie (nach den üblichen politischen Kämpfen) zum östlichsten Hafen des Canal du Midi erwählt wurde. Heute wird der einst beschauliche Fischerort mit dem provenzalischen Häuserspalier am Hafen, den Märkten und den bekannten Restaurants und Bars häufig von Touristen überrannt, gelegentlich sollen auch Reiche und Schöne vor Ort gesichtet worden sein.
La mer fidèle y dort sur mes tombeaux.
SCHÖNER LIEGEN
Beau ciel, vrai ciel, regarde-moi qui change. Der Ruhesuchende allerdings nimmt den Weg hoch zur Kapelle Notre-Dame-desAuzils am Mont St. Clair unter seine Füsse. Dort liegt der cimetière marin, der Seemannsfriedhof, einer der ungewöhnlichsten Besichtigungsorte im «Venedig des Languedoc». Die Art, Größe und Vielzahl der Grabhäuser ergeben zusammen ein richtiges kleines Dorf mit Hauptstraße und Dorfplatz. Der geheimnisvolle Seemannsfriedhof weckt die Neugier auf die Vergangenheit des einstigen Fischer- und Seefahrerortes. Berühmt wurde der Friedhof durch den Dichter Paul Valéry (1871 - 1945), der dort zusammen mit denen liegt, die die klau-
Midi là-haut, Midi sans mouvement.
strophobische Enge ihrer Schiffe mit der klaustrophobischen Enge eines Grabes getauscht und den Mächten des Meeres erlegen sind. Die Gräber aus dem 18. und 19. Jahrhundert erzählen Geschichten von Weltenbummlern aus dem Inkareich, von Schiffköchen die der Herausforderung durch das Meer und seinen Chancen und Gefahren erlagen. Von Kapitänen und Bootsleuten, von Navigatoren und blinden Passagieren. Nur Frauen sucht
man hier vergeblich: die brachten nur Krankheit und Seenot. D Ce toit tranquille, où marchent des colombes Entre les pins palpite, entre les tombes Midi le juste y compose de feux La mer, la mer, toujours recommencée Ô récompense après une pensée Qu´un long regard sur le calme des dieux!
Paul Valéry (1871 - 1945)
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kunst
16 Dandy magazine
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kunst
Die Kunst des Roland Anderhirsern Ob jemand als Künstler angesehen wird, hängt weitgehend und entscheidend vom vorherrschenden oder individuellen Kunstbegriff ab. Der Grad einer Befähigung, Künstler zu sein, wird oft stereotyp anhand einer Ausbildung gemessen. Viele Künstler wollen auffallen mit ästethischer Extravaganz, die sie von den Konkurrenten unterscheiden mögen. Nicht so der Kunstmaler und Multitasker Roland Anderhirsern. Er besticht durch eine einfache, impressionistisch geprägte Bildsprache. Von Oliver Schramm Der Weg des jungen Obwaldners zum Musiker, Cartoonisten, Dandy und Kunstmaler war kurz. 60 Kilometer zu einem ereignisreichen, exzessiv erfüllten Leben mit Umwegen über Kunstgewerbeschule und Berufsanlehre. Zürich, die neue Heimat, war gefunden! Allein seine Vorbilder im Gepäck. Gauguin mögen Sie ja kennen, aber Félix Vallotton? Ein Welscher Künstler, durchdrungen von beissendem Sarkasmus und schwarzem Humor, die Figuren eingesponnen in ein engmaschiges Netz aus Betrug und Bedrängnis, stilistisch irritierend durch ihre Künstlichkeit: Stillleben aus intensiven Farbfeldern, leere Landschaften mit markigen Hell-Dunkel-Kontrasten oder Portraits von eigenwilliger Härte. Ein von inneren Spannungen durchsetztes Œuvre. Valloton pflegte am Anfang einen eher grafischen Stil, die erste Schnittstelle zwischen Roland Anderhirsern und Félix Vallotton. Denn, durch einen delirischen Irrtum erlernte Anderhirsern die Kunst des Siebdrucks und der Grafik.
Einst, im Juli 1989 sass der Künstler, seinen Geburtstag und seine Sinn- und Jobsuche gebührend hintergiessend, auf der Terrasse des «Franziskaners». Die ihn bewirtende Servierfachkraft feierte gleichentags ihren Geburtstag und wurde von der legendären Niederdorfgrösse Heiri Steiner, wahrhaftig der weltbeste Siebdrucker seiner Zeit und Trinker vor dem Herrn, mit einem einladenden Winken begrüsst, welches Roland Anderhirsern irrtümlicherweise als persönliche Einladung zum Umtrunk in dessen Gewerberäumlichkeiten missinterpretierte. Zwei Flaschen später war der Beginn einer grossen Freundschaft und eines höchst fruchtbaren Arbeitsverhältnisses besiegelt. Durch Heiri Steiner kam der junge Anderhirsern schnell in Kontakt mit sämtlichen Grössen und Abgründen der Niederdorfkultur und erlernte wahrlich mehr als nur gutes Handwerk. Dabei kam ihm zugute, dass er sich wie sein zweites Vorbild, Gauguin, nächtens einige Eskapaden leistete, welche auch heute noch
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kunst
Roland Anderhirsern, Geb. 1969
Well I stumbled in the darkness I´m lost and alone Though I said I›d go before us To show the way back home Is there a light up ahead I can›t hold on very long Forgive me pretty baby I always take the long way home Tom Waits gerne erzählt werden und seinem Bekanntheitsgrad höchst förderlich waren. Doch vorerst zurück zur Malerei. Er begann die Strenge seines grafisch-technischen Handwerks auf diese zu übertragen, wobei er eine eher anachronistische Vorgehensweise an den Tag legte. Im Gegensatz zu den genannten Vorbildern war sein Stil am Anfang eher abstrakt und wurde erst später und zögerlich figurativ. Sein Talent wurde oder konnte von einer modernen von Dekadenz korrumpierten Gesellschaft nicht entdeckt werden, weshalb er zeitweilig
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Trost in der Musik und Filmkunst suchte und auch fand. Er zählt, nebst dem Autor dieses Artikels, zu den Gründungsmitgliedern des Avantgardekollektivs «East of Sweden», welches interkontinental (Zürich/New York) durch schamlose Auftritte und perfekte Inszenierung von Risikopop und Schmierentheater zu indiskutablem und unzweifelhaftem Ruhm gekommen ist, dabei stets provozierend und bürgerliche Konventionen hinterfragend. Um seinen mehr oder meist weniger bescheidenen Lebensunterhalt zu bestreiten, sah sich der Schöngeist gezwungen, temporär diversen handwerklichen und dienstleistenden Berufen nachzukommen,
Bisherige Ausstellungen: • Mai 1991, Galerie Schwarz, Zürich • Juli 1993, Belvoir, Zug • Mai 1996, Atelier Kolb, Zürich • März 1999, Galerie 5, Zürich • April 2000, Kunstforum, St. Gallen • Sept. 2002, Auftragsarbeit CS, Zürich • Juni 2004, Galerie Schwarz, Zürich • Nov. 2006, El Lokal, Zürich • Okt. 2007, Flurpark, Sarnen
so zum Beispiel im Schauspielhaus Zürich, wo er ganz nebenbei die hohe Kunst der Schauspielerei erlernte. Heute widmet sich Roland Anderhirsern, ohne dass er seine bürgerliche Existenz der Sache geopfert hätte, neben der Musik einer Malerei der einfachen, reduzierten Formen. Dabei soll im Sinne eines «Synthetismus» das Wesen einer Sache, ihre «Seele», ihr Gesicht erfasst werden. Ansätze von Gauguin und Valloton fortsetzend, wird der Bildraum unperspektivisch als Fläche begriffen, Vorder- und Hintergründe werden beinahe gleichwertig. Es entstehen Bilder in impressionistisch geprägter Malweise, welche, selbstverständlich, zu moderaten Preisen käuflich zu erwerben sind. D Roland Anderhirsern: roland.anderhirsern@gmx.net
heimat
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fluessig
Ausflug:
Maienfeld 2008: wo die Liebschaft zur Königin begann
Restaurant Torkel www.torkel.ch Im kleinen und typischen Winzerdorf Jenins, beim Dorfeingang von Maienfeld her, befindet sich die Weinstube zum Alten Torkel. An Veloweg und auch gut zu Fuss erreichbar, kleiner Spaziergang vom Bahnhof Maienfeld.
Charakter: Typische Pinot Noir Weine sind vollmundig, geschmeidig und filigran. Man braucht aber schon eine gute Nase und einen feinen Gaumen, will man ihrem komplexen Charakter auf die Spur kommen. Hauptanbaugebiete: Burgund, Deutschland und Schweiz (Wallis + Nordostschweiz) Serviertemperatur: 14-15°C
Beispiel:
Pinot Noir 100%, Maienfeld Land: Schweiz Region: Ostschweiz Jahrgang: 2005 Produzent: Schnell Flisch & Schifferli, Maienfeld Rotwein 75cl Peter Fliesch Rollt tänzerisch über die Zunge, gute Preis Leistung www.felsenkeller.ch
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Die Königin Text und Bild von Mr. Fluessig Sie spürt den Frühling früh, treibt entsprechend frühzeitig und ist daher empfindlich auf frostige Nächte. Die Triebspitze ist offen und stark weißlich behaart. Die Stielbucht ist V-förmig offen. Die rundlichen bis ovalen, dünnhäutigen Früchte sind mittelgroß und verlangen eine sehr, sehr feinfühlige Bearbeitung. Bereits die Römer bearbeiteten und verkosteten sie. Mit dem Kaiser Karl III kam sie dann im Jahr 884 nach Deutschland. Phillip der Kühne entdeckte sie um 1400 in Frankreich und lies im Burgund die Pflege von jeglicher Konkurrenz sogleich per Dekret verbieten. Er legte damit den Grundstein für den Erfolg auf Frankreichs Königshöfen. König Ludwig der XIII entsandte dann 1631, als Befehlshaber der französischen Truppen, den Herzog Henri II Rohan nach Maienfeld. Er nahm sie mit, die kühleren Gebiete schaden ihr nicht. Im Gegenteil, durch die dichte Frucht ist sie anfällig auf Graufäule und liebt den vom Föhn belüfteten Hang ob Maienfeld.
Da lieg ich jetzt, neben mir, ob mir und in mir nur sie. Spätburgunder, frz. Pinot Noir, ital. Pinot Nero, de. Blauburgunder oder auch Clevner wird sie genannt. Ein lauer Wind spielt mit den Blättern und die Sterne blinzeln auf die Frucht. Die Stöcke sind bereits ausgelaubt damit die Frucht auch jeden Sonnenstrahl aufnehmen kann. Die erste Annäherung begann am Nachmittag im Torckel. Während den Spaziergängen und den Gesprächen mit Peter wurde klar warum sie als Königin gilt: heikel bis sie in der Flasche ist. Die neue Liebschaft dann ein paar Monate später auf die Probe gestellt. Diesmal auf dem Tisch eine Reise durch die Regionen der Königin: ein alter Brugunder von Jaen Luc Aegerter, ein Waadtländer vom Chateau D’ Èclépens, ein Neuenburger von Auvernire (Domaine E.de Montmollin Fils) und zwei Maienfelder von Peter Fliesch (03er und 05er). Huhu, - Punke geben andere Gazetten. Hier nur soviel: Die Liebschaft hat sich bestätigt! D
literatur
Der Brief des Corto Maltese
(aus einer Flaschenpost, gefunden am Fusse des Ararat, Auszüge, Fragmente, Wirres; kein Sex, no crime, alpenrap frei) Von Ricco Bilger Beste, traurigste, schönste unter den Leserinnen und Lesern. Ihr fragt mich, doch ich stelle fest: Der meistverkaufte? Kein Zweifel: Stieg Larsson. Der hält es ein bisschen wie der Franzose Jean-Claude Izzo: Hau drei klasse Romane in die Tasten, dann hau selber ab. Dorthin, wo kein Rauchverbot dich nervt, keine Prohibition droht und die wilde Pampa ein Freudenhaus ist. Der meistverkaufte, gelistete und mit dem Schweizer Buchpreis getröstete Einheimische? Unser Mann in Irland, Rolf Lappert. Ihm ist es zu verdanken, dass das CH-Feuilleton nicht nur schräg in der Gegend steht, frei nach dem Motto: verzweifelt gesucht, ein TURM. Eine komische Welt (Welt= Schweiz= Deutschschweiz), in der wir Leserinnen und Leser, jeder für sich und allein gelassen auf der Suche nach der belletristischen Black Pearl, sich gezwungen sieht Strafarbeit bei der Lektüre der ABSCHAFFUNG DER ARTEN zu leisten. Deutschland völkerwandert ins Réduit und der Blick der hiesigen Kritik sucht in Helgoland den KLEINEN BRUDER. »Un fenomeno editoriale unico, un best seller alla ‚Codice da Vinci’ o ‚Harry Potter’ tutto basato sul passaparolo.«, soweit der Kritiker Stefan Bergblume im Corriere della Sera, dem norditalienischen Tagesanzeiger. Und meint damit den allein in Italien 350›000 mal verkauften ersten Band des eingangs erwähnten Skandinaviers. Nun gut: Sie alle kennen die Postkarte, auf der ein Scheisskegel mit einer Drosophila drauf abgebildet ist, untertitelt mit: ‚Scheisse muss lecker sein, drei Milliarden Fliegen können sich nicht irren.’ Gegenschnitt: OBEN IST ES STILL, sagt einer, und wen kümmert das in dieser lauten Welt. Vielleicht die fünf schlafenden Matrosen unter Deck, während oben zwei Dutzend Piraten die Sirius entern. Beladen mit Öl, beladen mit Waffenlieferungen, beladen mit dem Stoff, aus dem der Berichterstatter seine Fieberträume generiert. Den Himmel, das All und die Sterne, darunter machen wirs nicht. Doch wieso um Himmels Willen wird ein dermassen durchschnittliches Exotenmärchen wie DER WEISSE TIGER weltweit gefeiert? Vielleicht weil sich sein Autor, australischer Inder, erfrecht hat zu sagen, Deutschland habe, mal abgesehen von Paul Celan, seit 1945 kaum bedeutende Literatur hervorgebracht. Österreich lässt er auf seiner Lesereise gleich links liegen, dagegen hält er, so muss man seinen Ausführungen zufolge schliessen, grosse Stücke auf die Schweizer Literaturen: DER WEISSE LUCHS, DIE WEISSEN KLEOPATRAFALTER, der GRAATZUG ins ewige WEISS; DER WEISSE WEYNFELDT, die WEISSE ZAIRA und das grelle WEISS AM ENDE EINES GANZ NORMALEN TAGES ... scheinen ihn komplett umgehauen haben. Wie auch immer, ich blicke hier nicht ganz durch, bin aber bereit Indizien zu folgen. Es begab sich zu Basel anlässlich der Veranstaltung Buch08 – von kommunizierten bis zu 20›000 Besucherinnen und Besuchern
fanden sich in Tat und Wahrheit vielleicht 5›000 in der schönen Halle zum Rencontre unter Literaturinteressierten ein – als der Chef Literaturkritik einer sehr grossen süddeutschen Tageszeitung sich erlaubte zu sagen, es könne nur gehofft werden, dass die Götter und Musen der Literatur demnächst auch mal den Weg in die Alpen fänden, einzig so möchte es sich dereinst ergeben, dass aus der Schweiz wieder lesenswert Geschriebenes, Gedrucktes und Verlegtes den Weg in den Norden finden werde. Nun gut, nix Neues möchte man sagen, P.R. sei Dank. Das Erstaunliche folgte allerdings erst nachdem der Kritiker geschlossen hatte: Hundert Zuhörerinnen und Zuhörer, allesamt Teil des CH-Literaturbetriebs applaudierten heftigst diesem Abgesang auf sich selbst, auf ihre Arbeit und auf die Arbeit der Autorinnen und Autoren, für die sie, wie man meinen sollte, im Alltag einstehen. Also rufe ich den indischen Australier, herzukommen, DIE WEISSE CHINESISCHE WESPE aus ihrem Käfig zu befreien. Deren Stachel geht auch durch Lederhosen wie Butter. Freundinnen, Freunde des gepflegten Wortes: Hört die WEISSEN FREMDEN SIGNALE, glaubt an das grosse, WEISSE GUTE und sucht den SCHNEE IN SAMARKAND. Mein Name ist Maltese, Corto Maltese, und ihr könnt mir glauben: WIR ERTRUNKENEN sind SCHLAFLOS unterwegs am LINKEN UFER; ALS DER MOND VOM HIMMEL FIEL blieben uns HUNDERT TAGE für den Blick durch DAS FENSTER IN DER LUFT. Und was gibt’s zu sehen in der Welt jenseits des Fensters: Ein IRRGAST vielleicht, FÜÜRWÄRCH sicher, doch PLÖTZLECH HETS DI AM FÜDLE und dänn weisch: das isch HIGHMATT. D
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MOVIES
George Clooney: actor, director, producer Von Lilly Zach Der selbstironische Herzensbrecher George Clooney (1961) erlebte auf der Kino-Leinwand einen späten Durchbruch. Nach einigen Rollen in B-Movies, wie in The Return of the Killer Tomatoes! (1988) oder in Red Surf (1989), avancierte der Schönling Mitte Neunzigerjahre mit der TV-Serie Emergency Room, ER, als Dr. Doug Ross zum Mattscheiben-Star. Doch spätestens mit seiner Rolle in Steven Soderberghs Out of Sight (1998) schaffte er es auch auf der grossen Leinwand: mit viel Charme, Humor und gute Laune verbreitend. Kein Wunder, setzen ihn die CoenBrüder mit Regelmässigkeit in ihren rabenschwarzen Komödien ein: O Brother Where Art Thou? (2000), Intolerable Cruelty (2003) oder jüngst in Burn After Reading (2008). Seinen Erfolg und das «leicht» verdiente Geld investiert Clooney, der Anfang des neuen Jahrtausends zusammen mit Steven Soderbergh die Produktionsfirma Section Eight gründete, in gesellschaftsrelevante Projekte, die ihm am Herzen liegen. So produzierte er in den letzten acht Jahren nicht nur fünfzehn Filme, wie Far from Heaven (2002), Insomnia (2002) oder A Scanner Darkly (2006), sondern zeichnete bei dreien auch verantwortlich für die Regie: beim wilden Confessions of a Dangerous Mind (2002), dem viel beachteten stilprägenden Good Night, and Good Luck (2005) und bei der Screwball-Komödie Leatherheads (2008), die es bei uns bisher noch nicht in die Kinos geschafft hat. Bildermagier Sergei Paradjanov Der armenische Regisseur Sergei Paradjanov hätte am 9. Januar seinen 85. Ge-
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burtstag feiern können, wäre er 1990 nicht einem Krebsleiden erlegen. Das Werk des in Georgien aufgewachsenen Poeten, der zehn Jahre vor Andrei Tarkowski, seinem späteren Freund, an der renommierten Filmhochschule in Moskau studiert hat, ist klein. Doch die von ihm geschaffenen surrealen, farbgetränkten Universen sind zeitlose Juwelen der Filmgeschichte. Inspiriert
von der eigenen Kindheit, von georgischen und armenischen Märchen und Legenden, von folkloristischen Gesängen, Riten und Gewändern der Karpaten-Kulturen, hat er einprägsame filmische Tableaus geschaffen, die einen in ein Reich der Fantasie entführen. Alexander Dowschenko holte ihn nach Abschluss der Filmschule in seine Filmstudios in Kiew, wo Paradjanov verschiedene bunte Märchen und KolchoseMusicals wie Andriesch (1954) oder Der beste Kerl (1959) realisierte, bevor er mit
Schatten vergessener Ahnen (1964) seine eigene genuine Bildsprache entwickelte. Sayat Nova (1969) brachte ihm den Vorwurf des «Subjektivismus» und des «Mystizismus» sowie ein fünfzehnjähriges Berufsverbot ein. Und 1973 wegen «Verführung zu Homosexualität» und «Kunsthandel» angeklagt, verbannten ihn die kommunistischen Zensoren für fünf Jahre in den Gulag. Erst unter Michail Gorbatschow wurde er rehabilitiert und konnte noch zwei Werke vollenden: Die Legende der Festung Suram (1985) und Ashik Kerib (1988). Dokfilm: Premiere Vienna’s Lost Daughters Die junge Filmemacherin Mirjam Unger porträtiert in ihrem mehrfach ausgezeichneten Dokfilm (zum Beispiel Diagonale-Publikumspreis) acht jüdische Frauen über achtzig, die 1938/39 aus Wien nach New York geflüchtet sind. Sie blendet dabei nicht einfach nur in die Zeit des Nationalsozialismus zurück, sondern spürt die Spuren der Vergangenheit im heutigen New Yorker Alltag der alten Damen auf. Kinderkino: Der weisse Planet Der Dokumentarfilm für Kinder ab 6 Jahren der drei Franzosen Jean Lemire, Thierry Piantanida und Thierry Ragobert beginnt mit dem Einsetzen des arktischen Winters. Spektakuläre Tier- und Landschaftsaufnahmen zeigen, wie die Tiere in dieser finsteren Jahreszeit bei ihrer Nahrungssuche instinktiv einige äusserst geschickte Strategien entwickelt haben. Mit dem Frühling erwachen auch die Tiere in den Wäldern des Nordens und die Raubtiere veranstalten im tiefen Schnee die erste Jagd. Es ist auch Zeit, die eisig nasse Welt unter dem SeeEis zu entdecken: die winzigen Krebse, das Wasserballett der Seehunde oder die Kraft der Wale… bis der Herbst und der Winter wieder kommen. D
prIntMEdIEn
bEnjaMInS blÄttErtEIg*
Wann ist ein Mann ein Mann? Der «Playboy» –das wahrscheinlich am häufigsten missverstandene Magazin der Welt. So, wie Gott das Heft geschaffen hat, ist es aber gerade in der heutigen Zeit für richtige Männer unentbehrlich, meint unser Lektüre-Experte. Von Benjamin Breitbild
Über schnuckelige Nackedeis muss hier später natürlich auch gesprochen werden. Denn schliesslich gilt es, den «Playboy» zu würdigen. Ein nicht nur wunderbar illustriertes, sondern gar illustres Monatsheft, das Motoren und Muskeln, Männermode und Models mit unglaublich viel Elan ins Bild setzt. Doch wenden wir uns erst den geschriebenen Zeilen zu – da braucht sich der Titel aus dem Burda-Verlag nämlich alles andere als zu verstecken: Wo sonst sollte Helge Schneider in einem Interview sagen können, dass er gerne pünktlich ist und Ordnung für die Basis seiner Freiheit hält? Wo sonst erklären die Redaktoren die technischen Finessen eines Formel-1-Helms mit solcher Detailverliebtheit? Und wer sonst, ausser der «Playboy», gibt auch Reinhold Messner und dem Zellennachbar von Nelson Mandela die wohl verdienten Spalten? Noch viel schöner ist aber folgendes: Der «Playboy» verzichtet darauf, so abgelutschte Themen wie «italienische Küche für Idioten», den Grandprix der Volksmusik oder das Luxusproblem Finanzkrise breitzutreten. Dafür gebührt Dank! Klar, das Heft, das seit über 35 Jahren in deutscher Sprache erscheint, hat seine schwachen Seiten im wahrsten Sinne des Wortes: Manchmal ist das verspielte Layout – fast alle scheint möglich – etwas gar gewagt. Und anlässlich der Premiere des neuen 007Films eine Liste mit sämtlichen Bond-Girls zu veröffentlichen, ist wenig überraschend. Nicht zu vergessen: die Witzseiten. Sie sind nun wirklich unterste Schublade, etwa dann wenn
ein Gemüsehändler einer Kundin empfiehlt, statt einer doch lieber zwei Gurken zu kaufen, damit sie... Verschweigen wir die Pointe – man gäbe sonst jeder Feministin, die sich sowieso schon über die nackten Tatsachen im «Playboy» empört, einen viel zu starken Trumpf in die Hand. Sprechen wir aber über die entblätterten Girls, die meist jung, aber selten billig abgelichtet sind. Schon viele deutsche Prominente haben als «Bunnys» posiert: Die sonst eher langweilige Nachmittags-Talkerin Britt entblätterte sich, die zweifellos bildhübsche Vox-Wolkenlos-Moderatorin Mary Amiri, aber auch Jenny Winkler, die allabendlich in der Fernseh-Soap «Verbotene Liebe» auftritt. Ist doch prima für den ehelichen Hausfrieden, wenn sich der Mann urplötzlich für «ihre» Serie zu interessieren beginnt und sich mit der Gattin vor den Fernseher setzt. Anbei noch einen letzten Grund, den «Playboy» monatlich am Kiosk zu kaufen: Wie sonst soll sich der moderne Hetero-Mann denn heute noch als solcher gebärden, wenn Gesichtswolle und sogar Dreitagebart unter schwulen Zeitgenossen als chic gelten? Wenn sich rosa Hemden im Geschäftsleben ebenso durchgesetzt haben wie der Besuch im Fitness-Center? Eine Frage muss erlaubt sein: Wann ist ein richtiger Mann ein Mann? Am Kiosk natürlich, bei den Herrenmagazinen. Und wenn dann die Kioskfrau fragt, ob sie das Heft einrollen solle, dürfte die Antwort nun klar sein: «Nein, danke. Auf gar keinen Fall.»D
*An dieser Stelle sollen künftig Zeitschriften und Magazine unter die Lupe genommen werden, die auch in Zeiten von Internet und I-Phone einen zweiten, vertiefenden Blick rechtfertigen. Erste Folge: Der «Playboy», deutsche Ausgabe; erscheint monatlich, 9.80 Fr. am Kiosk.
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MOVIES
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