STATEMENTS #3

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S 5 Preis: TICHF BE50 Jahres-Abo: GRA ACHF

Jahr I | Nummer 3 April MMXII Auflage 25’000

G AUS

“Ich lehne Ihre Meinung ab, würde aber mein schweiz

Leben dafür geben, dass Sie diese äussern dürfen.” regionen | AG

Seite 4

Leo Müller Nationalrat (CVP/LU)

Alexandra Abbt Grossrätin (CVP/AG)

Ruedi Noser Nationalrat (FDP/ZH)

Dieter Egli Grossrat (SP/AG)

Agrarfreihandel mit der EU

Asylantendörfer im Aargau

Züri Gschnätzlets mit Rösti schmeckt, auch wenn das Kalbsfleisch in der Regel den Zürisee, wenn überhaupt, nur vakuumverpackt und in kleine Stücke zerteilt, gesehen hat.

schweiz

Seite 6

Erik Nussbaumer Nationalrat (SP/BL)

regionen | SG

Es gibt wenige Bereiche, in denen der Wert ein und derselben Sache innert kürzester Zeit legal so schnell zunehmen kann, wie bei der Umzonung von Landwirtschafts- in Bauland. Seite 26

SCHWEIZ

Seite 8

Pirmin Schwander Nationalrat (SVP/SZ)

Bis vor wenigen Jahrzehnten waren Staatsverträge seltene Werke von Diplomaten, Beamten und allenfalls Bundesräten, mit

REGIONEN | ZH

Seite 28

denen sich selbst im Parlament nur die wenigsten befassten bzw. auskannten. Die Globalisierung und die wachsende internationale Vernetzung der Eidgenossenschaft sowie das mediale Interesse bringen es mit sich, dass heute aussenpolitische Verhandlungen mindestens so spannend

REGIONEN | LU

Anita Borer Kantonsrätin (SVP/ZH)

Manuela Jost Kantonsrätin (GLP/LU)

Jakob Stark Regierungsrat (SVP/TG)

Barbara Schmid-Federer Kantonsrätin (SVP/ZH)

Rolf Hermetschweiler Kantonsrat (SVP/LU)

Bodensee-Thurtal-Strasse & Oberland-Strasse (BTS & OLS)

Prima-Initiative im Kanton Zürich

Referendum zum Voranschlag 2012 der Stadt Luzern

Kinder sind unsere Zukunft und Wissen unser einziger Rohstoff. Diese Aussagen würden wahrscheinlich sowohl Nationalrätin Barbara Schmid-Federer (CVP) als auch Gemeinde- und

Claudia Friedl Kantonsrätin (FDP/SG)

Sparpaket im Kanton St. Gallen

Das letzte Hemd verkaufen, die Hose runterlassen, den Gürtel enger schnallen…

statements-dinner märz Seite 10

Seite 22

Renate Bruggmann Kantonsrätin (SP/TG)

Ob die Bodensee-Thurtal-Strasse (BTS) und die Oberland-Strasse (OLS) den Thurgau auf die Überholspur oder auf den Holzweg führen, diskutieren

Seite 24

Marc Mächler Kantonsrat (FDP/SG)

Gerhard Pfister Nationalrat (CVP/ZG)

Mehrwertabgabe bei Umzonung?

regionen | TG

Beim Thema Asylantendörfer laufen einem verschiedene Filme vor den Augen ab.

Staatsverträge vors Volk?

Hans Killer Nationalrat (SVP/AG)

Seite 18

Während gewisse Experten über die Probleme der Entsorgung von Atommüll diskutieren, streitet man an den Schweizer Gerichten noch um die Abschaltung der Atomkraftwerke.

Statements-Dinner März im Park-Hotel in Rheinfelden STATEMENTS-DINNER APRIL Seite 13

Das nächste Statements-Dinner mit:

Yvette Estermann (Nationalrätin/SVP) Otto Ineicheim (Nationalrat/FDP) David Roth (Kantonsrat/JUSO)



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Nr. 3 | April MMXII | Statements

EDITORIAL

Vom Projekt zum Produkt Liebe Leserinnen und Leser

N

icht wenige der Eingeweihten tippten vor der ersten Ausgabe des Politmagazins Statements mit dem Zeigefinger an die Stirn und wünschten uns dennoch viel Glück. Dieses Glück ist uns dank intensiver Arbeit und massiven finanziellen Risiken widerfahren. Das Glück waren Sie! Eine grosse Menge von politisch interessierten Leserinnen und Lesern aus dem In- und Ausland haben uns mit ihrem Zuspruch und ihrer Unterstützung durch die Versuchsphase von Statements getragen. Alleine die Begeisterung für das zweite Statements-Dinner und die tausenden von Besucherinnen und Besucher auf www.statements.ch sind es wert, dieses Unterfangen weiterzuführen. Von Anfang an hatten wir uns eine Testphase von 3 Ausgaben gegeben, um den Bedarf und die Akzeptanz für ein kontradiktorisches Politmagazin in der Schweizer Medienlandschaft zu testen. Die Resonanz hat uns gezeigt, dass die Nische unter den 2.5 Millionen Wählerinnen und Wählern gross genug ist für dieses neuartige Magazin. Unser Dank geht aber nicht nur an unsere Leserinnen und Leser, sondern richtet sich vor allem an die Politikerinnen und Politiker, die neben ihrem Dienst an der Gesellschaft auch noch Zeit finden, um via Statements ihre Standpunkte und Argumente der interessierten Bevölkerung darzulegen. Schon nach zwei Ausgaben ist Statements unter den Bundes- und Kantonspolitikern soweit bekannt, dass es bei den meisten Angefragten keiner Erklärung bedurfte, als wir sie um einen Beitrag für die dritte Ausgabe baten. Wie jede andere Zeitung muss auch Statements sich über die Werbung finanzieren. Hier gilt unser Dank all jenen Unternehmungen, die bis anhin an uns geglaubt haben und denjenigen, die ihre Unterstützung und Inserate in Aussicht gestellt haben. Neben den kommerziellen Werbern ist Statements insbesondere eine Werbeplattform für Verbände, Parteien und Komitees, die hier eine politisch interessierte Leserschaft finden. Mit dem ersten Plakat zur Volksinitiative „Staatsverträge vors Volk“ lanciert die AUNS bei Statements den nationalen Abstimmungskampf. Ebenso startet der Wahlkampf um die Kantonsregierung Basel-Stadt mit einem Inserat von Emmanuel Ullmann. Wir sind bemüht, uns bei allen Parteien, Verbänden und Komitees bekannt zu machen, damit niemand den Vorwurf erheben kann, er habe nicht gewusst, dass man bei Statements Werbung platzieren kann. Mit der vorliegenden Ausgabe haben Sie den Einzahlungsschein für die kommenden 12 Monate erhalten. Für umgerechnet 7 Päckchen Zigaretten, 12 Kaffees oder 0.00125 Mittelklassewagen werden Sie ein ganzes Jahr lang über die politischen Ereignisse in Bund und Kantonen informiert und zwar über beide Standpunkte. Bilden Sie sich uns Ihre Meinung, leisten Sie einen Beitrag zur politischen Aufklärung der Bevölkerung, abonnieren Sie Statements!s Daniel Ordás, Editor Abonnieren Sie unter abo@statements.ch oder www.statements.ch Impressum

Statements Nummer 4: Erscheint am 4. Mai 2012

INHALT 4 | SCHWEIZ

Agrarfreihandel mit der EU | L. Müller (CVP/LU) vs. R. Noser (FDP/ZH) 6 Mehrwertabgabe bei Umzonung | E. Nussbaumer (SP/BL) vs. H. Killer (SVP/AG) 8 Staatsverträge vors Volk? | G. Pfister (CVP/ ZG) vs. P. Schwander (SVP/SZ)

10 | statements dinner

Zweites Statements-Dinner im ParkHotel in Rheinfelden 13 Statements-Dinner am 20. April 2012

14 | REGIONEN | aargau

Asylantendörfer im Aargau | A. Abbt (CVP/

AG) vs. D. Egli (SP/AG)

16 | BASEL-stadt

Tagesferien als Teil der Tagesbetreuung | P. von Falkenstein (LDP/BS) vs. O. HerzigJonasch (SVP/BS)

18 | basel-landschaft

Wie weiter mit der Berufsvorbereitenden Schule? | E. Augstburger (EVP/BL) vs. K. Willimann (SVP/BL)

20 | freiburg

Mühleberg ist auch in Fribourg | C. Mutter (GPS/FR) vs. R. Vonlanthen (FDP/FR)

22 | Luzern

Referendum zum Voranschlag 2012 der Stadt Luzern | M. Jost (GLP/LU) vs. R. Hermetschweiler (SVP/LU)

24 | st. gallen

Sparpaket im Kanton St. Gallen | M. Mächler (FDP/SG) vs. C. Friedl (FDP/SG)

26 | Thurgau

BTS & OLS | R. Bruggmann (SP/TG) vs. J. Stark (SVP/TG)

28 | ZÜRICH

Prima-Initiative im Kanton Zürich | A. Borer (SVP/ZH) vs. B. Schmid-Federer (SVP/ZH)

30 | VIMENTIS

Mindestlohninitiative | A. Schneider (Küttigen) vs. J. Walter Meyer (D-Rödelmaier/FDP)

Atomenergie | C. Schauwecker (Solothurn/JG)

vs. A. Ineichen (Zürich Oerlikon/Jungfreisinnige)

32 | kultur

Bücher und Ausstellungen

Von Andrea Bollinger und Michela Seggiani

34 | PROFIL

Von der Natur lernen | Sonja A. Buholzer, CEO-Coach und Buchautorin Von Laurent Leu

Statements | Redaktion: redaktion@statements.ch · www.statements.ch • Leitung Redaktion: Daniel Ordás • RedaktorInnen: Michela Seggiani, Andrea Bollinger, Roman Hänggi, Laurent Leu • Fotos: Archive, Redaktion, www.vectorimages.com • Illustration: Mo Bridge für www.oz-artworks.com, Nerea Baz • Design & Art Direction: Mónica Subietas für www.oz-artworks.com • IT und Web: Sebastian Westhues für www.yooapps.com | Administration Roman Hänggi, Advokatur & Rechtsberatung TRIAS AG · 4133 Pratteln · Telefon: +41 (0) 61 823 03 03 · www.advokatur-trias.ch | Druck: Druckerei Gremper AG, 4133 Pratteln · www.gremper.ch | Jahres-Abo: Schweiz: CHF 50 · Europa: CHF 60 · Übrige länder: CHF 70 · Jugendliche und Amtsträger: CHF 40. Alle Preise zzgl. MWST. Statements ist eine Monatszeitschrift ohne politische Ausrichtung. Die ganze oder teilweise Wiedergabe der Texte bedarf der Bewilligung durch die Redaktion sowie der Quellenangabe. Statements ist nicht verantwortlich für den Inhalt der Artikel und teilt die hier wiedergegebenen Meinungen nicht zwingend.


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Statements | Nr. 3 | April MMXII

SCHWEIZ

Agrarfreihandel mit der EU Züri Gschnätzlets mit Rösti schmeckt, auch wenn das Kalbsfleisch in der Regel den Zürisee, wenn überhaupt, nur vakuumverpackt und in kleine Stücke zerteilt, gesehen hat. Der Konsument freut sich über günstige Importe auch im Bereich der Agrarprodukte, was naturgemäss die Bauern weniger begeistert. Wie in vielen anderen Bereichen zeigt auch der Agrarfreihandel die Licht- und Schattenseiten der Globalisierung auf. Lesen Sie mehr hierzu von Nationalrat Leo Müller und Nationalrat Ruedi Noser. «Agrarfreihandel: Nein Danke!» Leo Müller* Nationalrat (CVP/LU)

ufbruch, Globalisierung, Freihandel, das A alles klingt so positiv, so vorwärtsstrebend, so trendy. Wer nicht mit diesem Trend mitgehen will, gilt als rückständig, altmodisch, statisch. Und trotzdem: Ich stehe überzeugt gegen das Agrarfreihandelsabkommen mit der EU ein.

Agrarfreihandel zerstört viel und bringt wenig

Mehrere unabhängige Studien haben sich mit den wirtschaftlichen Auswirkungen des Agrarfreihandels auf die Landwirtschaft auseinandergesetzt. Alle kommen in etwa zum gleichen Schluss: Mit dem Agrarfreihandel würde das Bruttoinlandprodukt (BIP) um knapp 0,5% oder um ca. Fr. 280.00 pro Person und Jahr ansteigen. Der Preis dafür wäre im Gegenzug, dass sich die Einkommen in der Landwirtschaft ca. auf die Hälfte reduzieren würden. Die Arbeitskräfte in der Landwirtschaft, egal ob als Angestellte oder als selbständige Landwirte, stehen schon heute am unteren Ende der Einkommensskala. Mit dem Agrarfreihandel würde eine ganze Branche kaputt gemacht. Der Preis für einen solchen Freihandel ist viel zu hoch.

Mit dem Agrarfreihandel würde eine ganze Branche kaputt gemacht. Der Preis für einen solchen Freihandel ist viel zu hoch Abwendung von der Qualitätsstrategie wäre fatal

Wir setzen in der Schweiz viel höhere Anforderungen beim Tierschutz, beim Umweltschutz und beim Gewässerschutz als im Ausland. Damit hat sich die Schweizer Landwirtschaft in den letzten Jahren für die Qualitätsstrategie in der Nahrungsmittelproduktion entschieden.

Mit dem Agrarfreihandel hätte die Schweizer Landwirtschaft diesbezüglich viel kürzere Spiesse und wäre chancenlos oder wir würden die Produktionsanforderungen auf das gleiche Niveau senken wie in der EU. Folglich würden unsere Errungenschaften der vergangenen Jahre mit einem Federstrich zunichte gemacht.

Chancen auf Preisreduktion und auf Exporte werden überschätzt

Zu glauben, rund 500 Millionen EU-Konsumierende warten auf Lebensmittel aus der Schweiz, ist blauäugig. Bereits beim Käse, bei dem der Freihandel gilt, zeichnet sich zwar eine Erhöhung der Exporte ab, aber die Importe nehmen stärker zu. Folglich bleibt in der Schweiz weniger Raum für die Käseproduktion. Oder glaubt jemand im Ernst, es sei viel gewonnen, wenn der Restaurateur für das Schweinesteak im Mittagsmenu statt Fr. 1.50 noch Fr. 1.00 bezahlen muss? Wahrscheinlich nicht, aber für die Landwirtschaft sind diese Beträge existenziell.

Recht auf eigenständige Landwirtschaft und Ernährungssicherung

Auch die Ernährungssouveränität ist für die Unabhängigkeit eines Landes sehr wichtig. Heute haben wir den Eindruck, die Nahrungsmittel seinen im Überfluss vorhanden. Das täuscht. Dazu nur eine Zahl: Das Weltlager an Weizen liegt zwischen 60 und 100 Konsumtagen. Das zeigt, wie wichtig eine eigenständige *Leo Müller | Partei: CVP | Amt: Nationalrat und Gemeindepräsident | Kanton: Luzern | Beruf: Rechtsanwalt und Notar mit eigener Kanzlei in Ruswil | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegesessen hätte: José Manuel Barroso, EU-Kommissionspräsident, damit wir uns über die Besonderheiten der Schweiz unterhalten könnten | Ort, an den ich gerne reisen würde: Auf einen Viertausender, damit ich die Welt wieder mal von oben sehen würde | Das nervt mich: Politiker, die mit Un- oder Halbwahrheiten argumentieren. www.leo-mueller.ch

Nahrungsmittelproduktion ist. Mit dem Agrarfreihandel gäben wir einen weiteren sicheren Wert, nämlich jenen der grösstmöglichen Ernährungssouveränität, auf. Wollen wir das? Ich sage klar nein.

Mit dem Agrarfreihandel gäben wir einen weiteren sicheren Wert, nämlich jenen der grösstmöglichen Ernährungssouveränität, auf Halten wir Sorge zu unserer Landwirtschaft und zu unserer Ernährungssouveränität und setzen diese nicht wegen einigen Franken mehr BIP aufs Spiel.s

«Der Agrarfreihandel mit der EU schafft Zukunft» Ruedi Noser* Nationalrat (FDP/ZH)

ie heutige Landwirtschaftspolitik schafft D vor allem Verlierer. Die Konsumenten bezahlen zu viel und die Bauern verkommen zu Staatsangestellten.

Die Schweizer Konsumenten haben das Nachsehen

Die Schweizer Bauern stemmen sich mit aller Kraft gegen ein Agrarfreihandelsabkommen mit der EU. Man will den Schweizer Markt


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Nr. 3 | April MMXII | Statements

schweiz Dank unserer Landwirtschaftspolitik zahlen wir also generell einfach mehr für unsere Produkte ge Rolle. Dank unserer Landwirtschaftspolitik zahlen wir also generell einfach mehr für unsere Produkte. So ist es nicht verwunderlich, dass Schweizer Konsumenten vermehrt im Ausland einkaufen. Bereits heute werden jährlich für über eine Milliarde Franken Fleischwaren im nahen Ausland eingekauft.

Mo Bridge

Auch die Schweizer Bauern sind Verlierer des heutigen Systems

möglichst abschotten. In der Folge sind die landwirtschaftlichen Produkte 60% bis 100% teurer als im Ausland, mit zahlreichen gewichtigen Ausreissern nach oben. Als Schweizer Konsument hat man bei dieser Politik gleich zweimal das Nachsehen. Erstens bezahlen wir dadurch viel zu viel für unsere Grundnahrungsmittel und zweitens, auch noch für alle importierten Konsumgürter. Die Hersteller orientieren sich bei den Preisen nämlich an einem Mix der Lebenskosten und hier spielt der Preis für Grundnahrungsmittel eine ganz gewichti-

Doch auch die Schweizer Bauern sind Verlierer des heutigen Systems. Setzt man die Direktzahlungen ins Verhältnis zur Anzahl der in der Landwirtschaft beschäftigten Personen, dann zeigt sich, dass sich der Anteil in den vergangenen 15 Jahren mehr als verdoppelt hat. Der Steuerzahler zahlt also immer mehr für weniger Beschäftigte. Es ist deshalb absehbar, dass die Bauern in Zukunft politisch immer stärker unter Druck kommen werden und entweder ihre Freiheit ganz aufgeben und sich an den Subventionstropf der Linken hängen oder aber irgendeinmal den Schritt in die Freiheit, also den freien Markt, werden wagen müssen. Denn wer mehr und mehr vom Staat abhängig ist, wird schliesslich zu einem Staatsangestellten und hat damit seine Freiheit verloren. Sind die Bauern allerdings bereit, sich dem Wettbewerb zu stellen, wird sich auch die Akzeptanz für Direktzahlungen wieder erhöhen.

Anpassungen in der Landwirtschaft sind notwendig

Für die freiheitsliebenden Bauern wie auch

für die Konsumenten wäre es somit besser, man würde einer langsamen Öffnung zustimmen, die die notwendigen Anpassungen in der Schweizer Landwirtschaft ermöglicht und langfristig zu einem Agrarfreihandel mit der EU führt. Dann hat die Schweizer Landwirtschaft eine Zukunft. Ansonsten wird es schwierig. Zudem gilt, je früher neue Märkte bearbeitet werden können, desto besser sind die Chancen, Marktanteile

Wer mehr und mehr vom Staat abhängig ist, wird schliesslich zu einem Staatsangestellten und hat damit seine Freiheit verloren zu ergattern. Immerhin warten auf der „anderen Seite“ 490 Mio. Konsumenten. Und dass Schweizer Qualität und Produkte im In- und Ausland sehr gefragt sind, hat die Debatte um die Swissnessvorlage einmal mehr bewiesen.s *Ruedi Noser | Partei: FDP.Die Liberalen | Amt: Nationalrat | Kanton: Zurich | Beruf: Unternehmer und Nationalrat | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Salvador Dali | Ort, an den ich gerne reisen würde: Nach Taiwan, aber dann gleich um dort zu bleiben | Das nervt mich: Wenn Dinge nicht so schnell erledigt werden, wie ich mir das wünsche. www.ruedinoser.ch Und jetzt Sie, auf www.statements.ch


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Statements | Nr. 3 | April MMXII

Schweiz

Mehrwertabgabe bei Umzonung Es gibt wenige Bereiche, in denen der Wert ein und derselben Sache innert kürzester Zeit legal so schnell zunehmen kann, wie bei der Umzonung von Landwirtschafts- in Bauland. Die Weide, auf der Kühe fröhlich grasen, kann mit wenigen Unterschriften zu einer Mehrfamilienhausparzelle werden, was ihren Wert bisweilen verhundertfachen kann. Dieses Glück mag man den Bauern gönnen oder aber die öffentliche Hand am Gewinn beteiligen. Wo so viel Geld im Spiel ist, sind die Diskussionen auf politischer Ebene umso heftiger. «Zersiedelung stoppen dank Mehrwertabschöpfung.»

wohls stehende Siedlungsentwicklung zu prägen, macht man auf möglichst billige Verbetonierung der Landschaft.

Erik Nussbaumer* Nationalrat (SP/BL)

Bauzonen für 15 Jahre genügen

ie Schweiz hat zu grosse Bauzonen. ZuD dem sind die Bauzonen noch am falschen Ort. Das hat der Nationalrat schon lange ver-

standen. Dann aber war fertig mit Erkenntnis. Wie wir das Problem lösen können, blieb bis zur letzten Session umstritten.

Geldvermehrung ohne Leistung

Insbesondere fehlt den Gemeinden mit zu grossen Bauzonen für Rückzonungen das Geld. Trotzdem wurde die Mehrwertabgabe als Instrument gegen die Baulandhortung, zur Baulandreduktion und zur Steuerung einer wünschenswerten Siedlungsentwicklung von der Ratsrechten bekämpft und abgelehnt. Auch wenn der wirtschaftsnahe Think Tank avenir suisse meint: „Bei den durch Neueinzonungen ausgelösten Wertsteigerungen handelt es

Insbesondere fehlt den Gemeinden mit zu grossen Bauzonen für Rückzonungen das Geld sich um eine private «Rente»“. Der Planungsmehrwert entsteht durch hoheitlichen Verwaltungsakt und nicht durch eine wertschöpfende Handlung des Grundstückseigentümers. Er sollte daher genauso durch eine Abgabe abgeschöpft werden, wie umgekehrt die öffentliche Hand (und damit die Allgemeinheit) bei Rückzonungen zur Entschädigung des Planungsminderwerts verpflichtet ist.

Das nicht anerkannte Instrument

Die Abschöpfung von Planungsmehrwerten ist schon lange gemäss Raumplanungsgesetz möglich, doch bisher wurde das Instrument von den Kantonen nur bescheiden eingesetzt. Auch mein Wohnkanton gehört zu den Uneinsichtigen. Statt den Mehrwert bei Neueinzonungen abzuschöpfen, propagiert die Baselbieter Regierung das steuerprivilegierte Bausparen bis zum Sankt-Nimmerleinstag. Anstatt endlich eine im Interesse des Gemein-

Doch nun hat das Frühlingserwachen dank der Landschaftsinitiative im Nationalrat eingesetzt. Das Raumplanungsgesetz erfährt eine dringende Revision: Alle Kantone müssen ihre Richtpläne überarbeiten und die Bauzonen auf eine maximale Planungsdauer von 15 Jahren

Die Abschöpfung von Planungsmehrwerten ist schon lange gemäss Raumplanungsgesetz möglich, doch bisher wurde das Instrument von den Kantonen nur bescheiden eingesetzt begrenzen. Es kommt somit zu Rückzonungen von überdimensionierten Bauzonen. Ein Teil der ebenfalls verpflichtenden Mehrwertabgabe kann nun auch für diese Kosten verwendet werden.

Der Wunsch an meine Regierung

Vielleicht führt das Frühlingserwachen im Nationalrat auch zu einer Neuorientierung in der Baselbieter Regierung. Vielleicht überlegt sie sich nun auch einmal eine bessere Siedlungspolitik. Bevor der Nationalrat auf die Mehrwertabgabe eingeschwenkt ist, sprachen Raumplaner vom „Beweglichkeitstest“, der dieser Kammer auferlegt wird. Der Nationalrat hat den Beweglichkeitstest – trotz Widerstand von rechts – bestanden. Meine *Eric Nussbaumer | Partei: SP | Amt: Nationalrat | Kanton: Basel-Landschaft | Beruf: El-Ing. HTL | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Nelson Mandela | Ort, an den ich gerne reisen würde: Tampere, Finnland, dort findet das nächste Fussballturnier mit dem FC Nationalrat und den Parlamentarieren aus Finnland, Deutschland und Österreich statt | Das nervt mich: Unzufriedene. www.eric-nussbaumer.ch

Hoffnung wäre, dass auch die Baselbieter Regierung den Test besteht und von Ihrer Bauspar-Ideologie-Position abrückt und eine Raumplanunsgspolitik entwickelt, welche allen dient, anstatt ein paar wenigen. Das wäre Mehrwert fürs Baselbiet.s

«Warum ich gegen eine Mehrwertabgabe bei Neueinzonungen bin.» Hans Killer* Nationalrat (SVP/AG)

ie Ausarbeitung eines GegenvorschlaD ges zur Landschaftsinitiative wurde von verschiedenen Kreisen dazu benutzt, sogar weitergehende Massnahmen zu fordern, als im Initiativtext verlangt. Dazu gehört, nebst der Verpflichtung zu Rückzonungen von zu grossem Baugebiet, auch die für die Kantone zwingende Verpflichtung zur Einführung einer Mehrwertabgabe, wenn Land neu der Bauzone zugeteilt wird. Es wird dabei ein System geschaffen, um Auszonungen „schmackhaft“ zu machen, indem dafür Entschädigungen geleistet werden sollen.

Der Markt wird, wie bei allen Verknappungen, mit Verteuerungen reagieren

Gespiesen werden sollen diese Abgeltungen aus Beiträgen, die für Neueinzonungen andernorts gemacht werden. Dabei werden den von Einzonungen Profitierenden 20% des Verkaufsertrages in Rechnung gestellt. Für ein Funktionieren dieses Verfahrens ist ein Ausgleichssystem unter den Gemeinden nötig, da ja Auszonungen nicht unbedingt in der gleichen Gemeinde erfolgen wie die Neueinzonungen. Es ist also überkommunale Solidarität gefragt, sogar Ausgleiche in den Regionen. Dafür fehlen regionalen Kompetenzen. Es stellt sich auch die grundsätzliche Frage, ob das verfügbare Siedlungsgebiet durch Rückzonungen künstlich knapp gemacht werden soll. Der Markt wird, wie bei allen Verknappungen, mit Verteuerungen reagieren.


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Nr. 3 | April MMXII | Statements

Mo Bridge

schweiz

Verteuerung von Bauland wird die Folge sein

Ebenfalls ist davon auszugehen, dass Grundeigentümer, die neu entstandenes Bauland verkaufen und 20% vom Ertrag an die Gemeinde abliefern müssen, ihr Land um diesen Betrag teurer abgeben werden. Also wird sich das Bauland zweifellos massgeblich verteuern. Schon bisher werden bei Veräusserungen von Bauland mittels der Grundstückgewinnsteuer Abgaben an den Staat fällig, ohne dass dieser dafür eine Leistung erbringen würde. Ausserdem werden in vielen Gegenden bei Neueinzonungen die Forderungen gestellt, dass die für die Bau-Reifmachung notwendige Erschliessung mittels Zu- und Ableitungen, Strassen etc. von den Grundeigentümern erstellt und bezahlt werden müssen. Bereits heute also leisten die von Einzonungen Profitierenden erhebliche Beiträge.

Warum sollen zu grosse Bauzonen reduziert werden, wenn man davon ausgehen muss, dass durch die un gebrochene Bevölkerungs zunahme auch in Zukunft neues Siedlungsgebiet notwendig sein wird

Die neue gesetzliche Regelung wird nötig, weil die öffentliche Hand für beabsichtigte Auszonungen die notwendigen Mittel braucht. Es stellt sich die Frage, ob ein solches Verfahren überhaupt notwendig ist. Warum sollen zu grosse Bauzonen reduziert werden, wenn man davon ausgehen muss, dass durch die ungebrochene Bevölkerungszunahme

auch in Zukunft neues Siedlungsgebiet notwendig sein wird. Warum sollen wir ein solch aufwendiges System einführen und unseren Verwaltungen neue Aufgaben auferlegen. Gehen wir den Kulturlandverbrauch doch einfach mit Anreizsystemen für eine Verdichtung nach innen an.s *Hans Killer | Partei: SVP | Amt: Nationalrat | Kanton: Aargau | Beruf: Dipl. Maurerneister | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Der ehemalige deutsche Finanzminister Peer Steinbrück | Ort, an den ich gerne reisen würde: St. Petersburg | Das nervt mich: Unpünktlichkeit. www.hanskiller.ch Und jetzt Sie, auf www.statements.ch


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SCHWEIZ

Staatsverträge vors Volk?

Mo Bridge

Bis vor wenigen Jahrzehnten waren Staatsverträge seltene Werke von Diplomaten, Beamten und allenfalls Bundesräten, mit denen sich selbst im Parlament nur die wenigsten befassten bzw. auskannten. Die Globalisierung und die wachsende internationale Vernetzung der Eidgenossenschaft sowie das mediale Interesse bringen es mit sich, dass heute aussenpolitische Verhandlungen mindestens so spannend sind, wie innenpolitische Ausmarchungen. Ob bei Verträgen zwischen mehreren Staaten und der Eidgenossenschaft die Regierung, das Parlament oder das Volk über die Genehmigung entscheiden soll, ist höchst umstritten. In der einen Waagschale befindet sich die Verlässlichkeit der Schweiz als Verhandlungspartner, während in der anderen die Rechte des Volkes entgegengehalten werden.

«Die AUNS-Initiative schadet der Wirtschaft und löst das Problem nicht.» Gerhard Pfister* Nationalrat (CVP/ZG)

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ie AUNS-Initiative greift ein Problem auf, nämlich dass unser Bundesrat in der Aussenpolitik nicht immer eine gute Figur machte. Dieses Problem besteht. Aber die Initiative löst das Problem nicht. Indem sie offen lässt, was „wichtige“ Vorlagen sind, die zwingend vors Volk müssen, öffnen die Initianten der freien Auslegung Tür und Tor. Was der einen Gruppe in der Schweiz „wichtig“ ist, ist es der andern noch lange nicht. Genau aus diesem Grund sieht unser politisches System das fakultative Referendum vor: Was „wichtig“ ist, entscheiden 50‘000 Stimmbürgerinnen und –bürger. Und dann die Mehrheit des Volks. Die vielen Doppelbesteuerungsabkommen, die gerade jetzt vom Parlament beschlossen wurden, müssten nach Ansicht der Initianten alle zwingend dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden. Das würde mindestens 10 Abstimmungsvorlagen an einem Urnengang bedeuten. Die Bundesverfassung schreibt vor, wann welche Vorlage zwingend

den Entscheid des Volks braucht. Das hat sich bewährt, und wenn es sich einmal nicht bewährt hat, lag das an der falschen Beurteilung des Bundesrats. Bad cases make bad laws. Die Verfassung kann nichts dafür, dass es Bundes-

Die Bundesverfassung schreibt vor, wann welche Vorlage zwingend den Entscheid des Volks braucht. Das hat sich bewährt, und wenn es sich einmal nicht bewährt hat, lag das an der falschen Beurteilung des Bundesrats räte gibt, die Fehler machen. Dann sollte man diese Bundesräte halt nicht mehr wählen, wenn die Fehler gravierend sind – was hier nicht der Fall ist. Wegen Einzelfällen die Verfassung zu ändern, ist mit dem Kanonenrohr auf Ameisen geschossen.

Die Initiative schadet der Wirtschaft, der Schweiz und der direkten Demokratie

Manche dieser Staatsverträge betreffen Abkommen, die für die international vernetz-

*Gerhard Pfister | Partei: CVP | Amt: Nationalrat | Kanton: Zug | Beruf: Unternehmer | Person, mit der ich gerne Znacht gegessen hätte: Lady Thatcher, weil sie eine Politikerin war, die ihre Überzeugungen auch dann vertrat, wenn sie unpopulär waren | Ort, an den ich gerne reisen würde: Da gibt es viele und ich habe das Privileg, an die Orte bereits reisen zu dürfen, an die ich möchte. Wiederkehrend, aus Gründen der Psychohygiene: Venedig | Das nervt mich: Oberflächlichkeit, Windfahnen (nur die politischen), wenig an andern und manches an mir selbst, auch die Bequemlichkeit, daran nichts ändern zu wollen. www.gpfister.ch

te Wirtschaft enorm wichtig sind – die aber nichts an den politischen Rechten der Schweizerinnen und Schweizern ändern. Solche Abkommen ebenfalls zwingend der Abstimmung zu unterbreiten, heisst, der Wirtschaft massiven Schaden zuzufügen, oder diesen mindestens fahrlässig in Kauf zu nehmen. Die AUNS-Initiative schadet der Wirtschaft – das ist auch ein Grund, warum unternehmerisch


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SCHWEIZ Die AUNS-Initiative schadet der Wirtschaft – das ist auch ein Grund, warum unternehmerisch denkende und handelnde Parlamentarier auch aus der SVP dieser Vorlage distanziert gegenüber stehen denkende und handelnde Parlamentarier auch aus der SVP dieser Vorlage distanziert gegenüber stehen. Bei 247 Staatsverträgen in den letzten 90 Jahren wurde nur 10 mal das Referendum ergriffen, und davon 2 mal die Vorlage abgelehnt. Die wirklich wichtigen Staatsverträge, über die das Volk befand, wurden alle angenommen: Personenfreizügigkeit, Bilaterale, Bretton Woods, Biometrische Pässe. Vermutlich stört die Initianten mehr, dass der Volkswille dabei ihrer Meinung widersprach, als das „Problem“, dass es eine Abstimmung über ein fakultatives Referendum war. Die Unsitte, nur das als Volkswillen anzuerkennen, was einem selbst passt, ist verbreitet, auch und gerade bei denjenigen, die das Volk besonders häufig zitieren. Die Initiative sollte man aus meiner Sicht aus folgenden drei wichtigsten Gründen ablehnen: Sie schadet der Wirtschaft, sie schadet der Schweiz, und sie schadet der direkten Demokratie. Deshalb NEIN zur AUNS-Initiative.s

«Für mehr Demokratie in der Aussenpolitik!» Pirmin Schwander* Nationalrat (SVP/SZ)

m 8. August 2009 hat die überparteiliche A Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS) die eidgenössische Volksinitiative „Für die Stärkung der Volksrechte in

der Aussenpolitik (Staatsverträge vors Volk!)“ eingereicht. Die Initiative will die direktdemokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten in der Aussenpolitik ausbauen. Das Parlament lehnt die Initiative ab und sagt Nein zu mehr Demokratie. Mit einem Ja am 17. Juni 2012 kann Bundesbern wieder auf den demokratischen Weg geführt werden.

Mitsprache und Mitentscheidung des Volkes in der Aussenpolitik

Die Mehrheit im National- und Ständerat sowie der Bundesrat waren sich sehr schnell einig, dass man sich gemeinsam gegen die drohende Mitsprache des Souveräns in aussenpolitischen Fragen wehren müsse. Das ist nichts anderes als ein eklatantes Misstrauensvotum gegenüber Volk und Kantonen, denen die AUNS-Initiative mit dem obligatorischen Staatsvertragsreferendum eine solide Basis für die dauernde Mitsprache und Mitentscheidung in zentralen Angelegenheiten der Aussenpolitik verschaffen will.

Weshalb sollten Staatsverträge und deren Kostenfolgen nicht der sonst bewährten Beurteilung durch den Souverän (obligatorisches Referendum, Ständemehr) unterstellt werden? „Wenn es nicht im Interesse der Schweiz ist, dann wird es auch nicht gemacht!“ Dieses Bekenntnis von Bundesrat und Aussenminister Didier Burkhalter deckt sich mit der Überzeugung der Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS). Genau darum hat die AUNS die Initiative „Für die Stärkung der Volksrechte in der Aussenpolitik (Staatsverträge vors Volk!)“ eingereicht. In der Botschaft zur AUNS-Initiative steht: „Der Bundesrat anerkennt das Bedürfnis nach einer verbesserten direktdemokratischen Mitgestaltung der Aussenpolitik.“ Denn weshalb sollten Staatsverträge und deren Kostenfolgen

Die Fragen bezüglich der künftigen Übernahme von EU-Recht, dessen Auslegung, Überwachung und die damit zusammenhängende Rechtsprechung sind von grundlegender Bedeutung für die Schweiz und deren Souveränität nicht der sonst bewährten Beurteilung durch den Souverän (obligatorisches Referendum, Ständemehr) unterstellt werden?

Kampf um die Unabhängigkeit der Schweiz

Die aktuelle Herausforderung besteht darin, den sich abzeichnenden Kampf um die Unabhängigkeit der Schweiz zusammen mit dem Volk zu führen. Die Fragen bezüglich der künftigen Übernahme von EU-Recht, dessen Auslegung, Überwachung und die damit zusammenhängende Rechtsprechung sind von grundlegender Bedeutung für die Schweiz und deren Souveränität. Die Schweiz soll sich der EU-Gerichtsbarkeit unterwerfen, nur über Initiativen abstimmen, die nicht dem Völkerrecht widersprechen, und weltweit mitzahlen (IWF!), aber daheim nicht mitreden. Die schweizerische Hierarchie der Gewalten wieder herzustellen - oben das Volk (Souverän), danach die Bundesversammlung und an dritter Stelle der Bundesrat - das ist das Anliegen der AUNS-Initiative. Mit einem Ja dazu wird die aussenpolitische Glaubwürdigkeit gestärkt. Nur wer das Stimmvolk hinter sich weiss, kann im Interesse der Schweiz handeln! Deshalb: Ja am 17. Juni 2012!s *Pirmin Schwander | Partei: SVP | Amt: Nationalrat | Kanton: Schwyz | Beruf: Unternehmer. www.pirmin-schwander.ch Und jetzt Sie, auf www.statements.ch


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Statements | Nr. 3 | April MMXII

statements dinner | märz

Zweites Statements-Dinner im Park-Hotel in Die Kombination versprach einen lustigen Abend und es wurde „a night to remember“. Was auf dem Papier nach einem Zusammenprall von Generationen und Weltbildern wirkt, wurde an einem lauen Frühlingsabend am Rhein zu einem geselligen Abendessen unter politisch Interessierten. Redaktion ie weiteste Anfahrt unter den Gästen D hatte Christoph Ulmer aus Rothenfluh, dafür war er aber unter den drei Ausgelosten

der Einzige, der sich persönlich angemeldet hatte. Isidor Bürgi, der pensionierte Tierarzt aus Frick, hatte seinen Enkel gebeten, ihn über www.statements.ch für das Statements-Dinner anzumelden. Den virtuell weitesten Weg machte aber die Anmeldung von Franziska Blaser aus Basel, deren Bruder sie aus dem fernen Südafrika für das Abendessen angemeldet hatte und ihr somit ein überraschendes Geburtstagsgeschenk machte. Unsere Leserinnen und Leser sind voller Überraschungen, so mussten wir von Isidor Bürgi, Giezendanners Gast, erfahren, dass er schon 1961 in den Aargauer Grossen Rat gewählt worden war und 1975 ebendieses Kantonsparlament präsidierte. Zu jener Zeit waren weder Cédric Wermuth noch sein Gast, die Basler Lehrerin Franziska Blaser, auf der Welt. Im generationellen Mittelfeld bewegten sich der grüne Nationalrat Geri Müller und sein auf der ganzen Welt weitgereister Gast Christoph Ulmer. Als erstes wurden die eigentlichen Beobachter der Statements-Redaktion ins Kreuzverhör genommen. Sowohl die Politiker als auch ihre Gäste hatten sich offenbar durch die Lektüre der ersten beiden Statements-Ausgaben auf

den Abend vorbereitet und erfragten von der Motivation über die Finanzen bis hin zu den Zukunftsperspektiven alles Wissenswerte und vieles Nichtwissbare. Die wunderschön gestaltete und mit dem Statements-Logo versehene Menükarte verhiess Gutes. Der grüne Spargelsalat mit Coctail-Crevetten verschwand in der angeregten Diskussion über die Notwendigkeit oder Sinnwidrigkeit von transparenten Parteifinanzen und die mehr oder weniger schmerzhaften Mandatsabgaben in den einzelnen Parteien. Bei einem überraschend südländischen, Gansinger Blauburgunder steckten die Politiker und ihre Gäste immer wieder in den Zweiergrüppchen ihre Köpfe zusammen und tauschten Privates, Geschäftliches und Politisches aus. Dazwischen kam es zu angeregten Wortgefechten zwischen den Politikern, die sich über ihre engagierten Sekun-


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schweiz

Rheinfelden danten nicht beklagen können. Eine Rückkehr zur Harmonie ermöglichte die Bärlauchsuppe, die trotz ihrer grünen Farbe vor allem bei Giezendanner und Wermuth Anklang fand. Der Weisswein, der das Zanderfilet auf seinem letzten Gang begleitete, löste die Zungen zusehends. Mit tröstenden Worten wandte sich der Transportunternehmer Giezendanner an den Studenten Wermuth, dem er attestierte: „Wer so intelligent ist wie Wermuth, muss über kurz oder lang bürgerlich werden“. Gleich darauf erhielt auch noch der Badener Vizeammann sein Fett ab, als Giezendanner ihn als „sympathischen Grün-Kapitalisten“ bezeichnete. Im Gegenzug musste sich Giezendanner immer wieder Fragen nach der Kampagnenfinanzierung der SVP gefallen lassen. Die politisch interessierte, aber in keiner Partei aktive Franziska Blaser erkundigte sich mit grossem Interesse nach den Abläufen im Parlament und war überrascht, wie einstimmig die Nationalräte den Parlamentsbetrieb darstellten, inklusive der technischen Pinkelpausen. Angeregt diskutierten Geri Müller und Christoph Ulmer auf der schönen Rheinter-

Gruppenfoto. Von links nach rechts: Cédric Wermuth (Nationalrat/SVP), Franziska Blaser (Basel), Ulrich Giezendanner (Nationalrat/SVP), Daniel Ordás (Statements Editor), Christoph Ulmer (Rothenfluh), Geri Müller (Nationalrat/Grüne), Isidor Bürgi (Frick) rasse über Fehler, Pannen und Strategien bei Listenverbindungen. Kurz vor dem Nachtisch kam die Streitlust wieder auf, als man sich dem vergangenen Abstimmungswochenende und insbesondere der Zweitwohnungsinitiative widmete. Bei diesem Thema gruben sich die Nationalräte fest in ihren Stellungen ein und gaben keinen ideologischen Meter Preis, während die Gäste sich differenziert einmischten und köstlich amüsierten. Köstlich war auch das Dessert, welches Ueli Giezendanner verschmähte, was der Statements-Redaktion zugutekam. Als die

Züge nach Frick und Baden am Horizont verschwanden und Franziska Blaser nach Basel chauffiert wurde, sagte sie abschliessend: „Eigentlich können wir schon froh sein, dass wir solche Politiker haben“. Dies dürfen die drei Nationalräte stellvertretend für die 40‘000 Schweizer Politikerinnen und Politiker gerne als Kompliment auffassen. Das Statements-Team dankt dem Park-Hotel am Rhein für die hervorragende Gastfreundschaft und den kulinarischen Hochgenuss. Freuen Sie sich auf das nächste StatementsDinner im Kanton Luzern!s



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STATEMENTS-DINNER | april

Statements-Dinner am 20. April 2012 Liebe StatementsleserInnen: Mit dem Statements-Dinner wollen wir den LeserInnen die Gelegenheit bieten, einen Abend mit gastronomischen Höhenflügen und angeregten Diskussionen mit PolitikerInnen der Region zu verbringen. Nach dem Start in Basel und dem Abend im Aargau besucht Statements nun den Kanton Luzern mit Nationalrätin Yvette Estermann (SVP), Nationalrat Otto Ineichen (FDP) und Kantonsrat David Roth (JUSO). Die drei Polit-Gäste treffen sich mit drei unserer LeserInnen am Freitag, 20. April, im Restaurant Taberna Española in Luzern und freuen sich auf spannende Inputs und angeregte Diskussionen. Unsere Polit-Gäste werden mit Interesse hören, wo der Schuh drückt und un-

sere LeserInnen erhalten Gelegenheit, hinter die Kulissen der Politik zu sehen sowie grosse und kleine Anekdoten zu erfahren. Um an der Verlosung teilzunehmen, senden Sie uns bitte den unten stehenden Talon ein und kreuzen den Politiker oder die Politikerin an, in dessen/deren Begleitung Sie gerne wären. Unter den jeweiligen Begleiterkandidaten kann leider nur einer gewinnen, aber alle andern können sich auf das Resumée in der nächsten Ausgabe von Statements freuen. Die GewinnerInnen werden per Los gezogen. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen, die Mitteilung erfolgt telefonisch oder via Mail. Taberna Española. Reusszopfweg 18 · Luzern · Telefon: 041 262 10 81

Für das Mai-Dinner suchen wir noch eine geeignete Lokalität in Zürich oder St. Gallen, Restaurantbetreiber können sich gerne bei info@statements.ch melden.

Wählen Sie Ihren StatementsDinner Partner: Ihre Angaben: Name:

Yvette Estermann Nationalrätin (SVP)

Otto Ineichen Nationalrat (FDP)

Vorname:

Strasse, Nr: PLZ, Ort: E-Mail:

Telefon:

Senden Sie den Talon bitte bis zum 16. April 2012 an: (Per Post): Statements Media GmbH · Salinenstrasse 25 · 4133 Pratteln; (per E-Mail): info@statements.ch. Die GewinnerInnen werden per E-Mail oder Telefon informiert.

David Roth Kantonsrat ( JUSO)


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regionen | aargau

Asylantendörfer im Aargau Beim Thema Asylantendörfer laufen einem verschiedene Filme vor den Augen ab. Einerseits kommt man nicht umhin, an die wenig ruhmvollen Internierungslager für Zivilisten zu denken, anderseits verlockt die Effizienz des Gedankens. So verwundert es wenig, dass der Vorschlag von Grossrätin Alexandra Abbt (CVP) beim Fraktionspräsidenten der SP, Dieter Egli, auf wenig Gegenliebe stösst. «Asyldörfer – effizient, menschenwürdig, sicher» Alexandra Abbt* Grossrätin (CVP/AG)

icht erst seit dem Aufruhr um die geN plante Asylunterkunft in Bettwil schwindet der Rückhalt in der Bevölkerung für die heutige Asylpolitik stetig. Schlagzeilen über kriminelle und renitente „Wirtschaftsflüchtlinge“ und das hilflose Agieren der kantonalen und Bundesbehörden steigern das Misstrauen nur noch. Unter dieser Voraussetzung will die CVP Aargau eine grundsätzliche Änderung des Vorgehens und der Verantwortlichkeiten.

Wirtschaftsflüchtlinge sofort abweisen und zurückschaffen

Personen aus sicheren Ländern, bei denen kein Asylgrund vorliegt, dürfen nicht vom Bund an die Kantone weitergeschoben werden. Der Nichteintretens-Entscheid muss innert kürzester Zeit auf Stufe Bund erfolgen, der die sogenannten „Wirtschaftsflüchtlinge“ auch umgehend zurückschaffen muss. Nur noch Asylsuchende mit laufendem Verfahren sollen in die Verantwortung der Kantone übergehen.

Die heutige Regelung im Kanton Aargau, dass die Asylsuchenden nach Einwohnerzahl auf die Gemeinden verteilt werden, macht keinen Sinn und ist ineffizient. Der Aufbau einer Betreuungsstruktur für die kleineren Gemeinden zugewiesenen 1 bis 5 Asylsuchende ist für beide Seiten nur unbefriedigend. Ebenso führt diese dezentrale Unterbringung zu einer ausgedehnten Reisetätigkeit (verbunden mit Schwarzfahrten) der Asylsuchenden, weil sie für Behördengänge und zwecks Kontaktaufnahme in die grösseren Zentren fahren müssen.

Zentrale Unterbringung unter menschenwürdigen Umständen in Asyldörfern

Zur Beschleunigung der Verfahren und zur Effizienzsteigerung ist eine zentrale Unterbringung gefordert. Dabei kommt aber eine Internierung bzw. ein Einsperren der Asylsuchenden, so lange sie sich nichts zuschulden kommen lassen, nicht in Frage. Dies würde sowohl unserer Verfassung als auch den Men-

Mo Bridge

Keine ineffiziente Feinverteilung auf die Gemeinden

Zur Beschleunigung der Verfahren und zur Effizienzsteigerung ist eine zentrale Unterbringung gefordert schenrechten widersprechen. Also möchten wir Unterkünfte bereitstellen, die alle Grundbedürfnisse abdecken. Der Begriff „Asyldorf“ soll diesen umfassenden Gedanken illustrieren. Somit werden die Notwendigkeit und die Motivation der Asylsuchenden, das Dorf zu verlassen, wesentlich geringer und damit auch das Konfliktpotenzial mit der einheimischen Bevölkerung. Durch die geforderte Grösse

*Alexandra Abbt | Partei: CVP | Amt: Grossrätin und Gemeindeammann | Kanton: Aargau | Beruf: Buchhändlerin, heute Familienfrau | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Unser Bischof Felix Gmür für spannende Gespräche über Religion und über Politik | Ort, an den ich reisen würde: Die Berge, nirgends fühle ich mich gleichzeitig so erhaben und so demütig | Das nervt mich: Das übersteigerte Sicherheitsdenken und der Bevormundungswahn unserer Bundesbehörden, die uns keinen gesunden Menschenverstand mehr zutrauen. www.alexandraabbt.ch


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regionen | aargau von mindestens 500 Personen können angemessene und kostengünstige Beschäftigungs-, Bildungs- und Betreuungsstrukturen aufgebaut werden.

Integration erst nach abgeschlossenem Verfahren

Da die Personen in den Asyldörfern ein laufendes Verfahren haben und ihr Verbleib in der Schweiz noch ungewiss ist, drängt sich keine Integration auf, im Gegenteil. Wir alle kennen diese Härtefälle, wenn Familien nach Jahren aus ihrem sozialen Umfeld gerissen werden, weil ihr Gesuch abgelehnt worden ist. Das ist

Da die Personen in den Asyldörfern ein laufendes Verfahren haben und ihr Verbleib in der Schweiz noch ungewiss ist, drängt sich keine Integration auf, im Gegenteil unmenschlich! Durch unseren Vorstoss im Grossen Rat soll dem Sicherheitsbedürfnis unserer Bevölkerung Rechnung getragen werden, aber auch eine bezahlbare und trotzdem menschenwürdige Unterbringung von Asylsuchenden erreicht werden. Denn auf Grund des Wohlstandsgefälles und der zahlreichen Krisen weltweit wird der Zustrom in unser Land bestehen bleiben.s

«Populistische Vorschläge lösen die Probleme nicht!» Dieter Egli* Grossrat (SP/AG)

egen der langen Verfahrensdauer gibt W es im Asylbereich Probleme. Asylsuchende und vorläufig Aufgenommene leben

in unwürdigen Unterkünften ohne soziales Netz, ohne Mittel und ohne Beschäftigung. Einige gleiten in die Illegalität ab, fahren schwarz, begehen Diebstähle oder handeln mit Drogen. Dies löst Unmut aus und belastet die Toleranz gegenüber allen Migrantinnen und Migranten.

Nutzloser Vorschlag der CVP

Lösungen sind also gefragt. Der Vorschlag der CVP mit „Asyldörfern“ steht in einer Tradition von ähnlichen Vorschlägen. Meistens kommen sie von weiter rechts und oft sind sie auch etwas schärfer formuliert. Es geht aber immer um das Gleiche. “Aus den Augen, aus dem Sinn”: Die Asylsuchenden sollen zwar abgeschieden von der Zivilisation, aber kontrollier- und überblickbar untergebracht werden. “Unnötige Bewegungen”, wie es im Vorstoss heisst, sollen vermieden werden!

Internierung verbietet sich

Den Asylsuchenden aber eine 24-StundenStruktur zu bieten, ist nicht bezahlbar. Machbar wäre das Vorhaben nur mit massiven Sicherheitseinrichtungen, mit Zutrittskontrollen und Ausbruchsicherung – in anderen Worten: mit Internierung. Unschuldige Menschen aber einzusperren, verbietet nicht nur die Europäische Menschenrechtskonvention, sondern eigentlich auch vernünftige, menschliche Logik!

Solidarität bei der Standortsuche

Schade, dass die CVP Aargau zu einem solch nutzlosen Vorschlag greifen muss. Denn eigentlich hat sie recht: Es wäre nicht nötig, Asylsuchende kompliziert auf alle aargauischen Gemeinden zu verteilen. Und der Bund hätte das Problem eigentlich erkannt: Er will die Verfahren verkürzen und dafür die Asylsuchenden für beschränkte Zeit in Kollektivunterkünften unterbringen, zum Beispiel in Militäranlagen. Aber solche stehen halt in Gemeinden. Und diese wehren sich schon bei einer Ankündigung mit allen

Mitteln, oft mit üblen Klischees und mit gütiger Hilfe der Medien – Bettwil lässt grüssen. Die eigene, schöne Gemeinde gegen das Böse von aussen zu verteidigen, ist Volkssport und bringt erst noch Sympathiepunkte... Wo also soll die Kopfgeburt eines “Asyldorfes” erstellt werden, ohne auf massivsten Widerstand zu treffen?

Probleme müssen gelöst werden

Anstelle von Populismus gäbe es andere Möglichkeiten: Solidarität bei der Standortsuche zum Beispiel, oder Entwicklungshilfe zur Behebung der Misere in den Herkunftsländern. Ob Asylbewerber “richtig” oder

Migration findet statt, wir können sie nicht wegsperren. Wer nur Vorschläge macht, die nicht umsetzbar sind, wird ein Teil des Problems, anstatt es zu lösen “falsch” sind, ist nicht entscheidend. Tatsache ist, dass sie hier sind. Migration findet statt, wir können sie nicht wegsperren. Wer nur Vorschläge macht, die nicht umsetzbar sind, wird ein Teil des Problems, anstatt es zu lösen. s *Dieter Egli | Partei: SP | Amt: Grossrat, Fraktionspräsident | Kanton: Aargau | Beruf: PR-Redaktor/Projektleiter | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Joachim Gauck, aber jetzt hat er wohl keine Zeit mehr | Ort, an den ich gerne reisen würde: Im Sommer in die Berge, im Winter in den Süden | Das nervt mich: Wenn ich mich nicht für eine Antwort entscheiden kann… www.dieter-egli.ch Und jetzt Sie, auf www.statements.ch


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Statements | Nr. 3 | April MMXII

Nerea Baz

REGIONEN | BASEL-stadt

Tagesferien als Teil der Tagesbetreuung Nachdem nun klar ist, dass die Eltern nicht grundsätzlich Anspruch auf 6 Wochen Ferien pro Jahr haben werden, geschweige denn auf 14 Wochen während der gesamten Schulferien, ist die Kinderbetreuung für Familien mit zwei erwerbstätigen Elternteilen während der Ferien weiterhin ein Problem. Auf der anderen Seite stellt sich immer wieder die Frage, ob die ausserschulische Betreuung von Kindern eine Aufgabe des Staates ist oder sein soll. Aus Basler Sicht diskutieren dieses Thema die liberale Grossrätin Patricia von Falkenstein und der SVP-Grossrat Oskar Herzig-Jonasch. «Tagesbetreuung auch in den Schulferien!» Patricia von Falkenstein* Grossrätin (LDP/BS)

rfreuliches Tagesschulangebot E Es ist erfreulich, wie das Angebot an Schulen erweitert wird, in denen Kinder den

ganzen Tag verbringen können. Eltern, die erwerbstätig sind wissen, dass ihre Kinder nicht nur gut betreut sind, sondern auch mehr lernen. Als Liberale engagiere ich mich dafür,

Auch eine Mutter soll ohne schlechtes Gewissen ihren Beruf ausüben können

dass Vater und Mutter selbst entscheiden können, wie sie die Familienarbeit aufteilen. Konkret: Auch eine Mutter soll ohne schlechtes Gewissen ihren Beruf ausüben können.

Lücken im Tagesferien-Angebot – Handlungsbedarf ist gegeben

Während 13 Wochen im Jahr findet keine Schule statt. Diese Ferienzeit kann für berufstätige Eltern zu Lücken in der Kinderbetreuung führen. Nicht alle Familien können auf die wertvolle Unterstützung von Grosseltern oder Verwandten zurückgreifen. Es besteht Handlungsbedarf. Heute gibt es zahlreiche Angebote für Kinder während der Schulferien. Aber das reicht noch nicht. Die tollen Freizeit-Aktivitäten der Robi Spielaktionen oder der Basler Freizeit Aktion werden von Kindern sehr gerne genutzt. Dort wird ausgezeichnete Arbeit

Es ist angezeigt, dass mehr Möglichkeiten geschaffen werden für die Zeit der Schulferien - nicht nur für ältere Kinder

geleistet. Es ist angezeigt, dass mehr Möglichkeiten geschaffen werden für die Zeit der Schulferien - nicht nur für ältere Kinder. Die Angebote müssen flexibel sein, d.h. wir müssen in der Lage sein, den individuellen Wünschen gerecht zu werden. Dies braucht auch mehr Geld. Als Grossrätin sehe ich aber laufend, wofür in unserem Kanton Geld ausgegeben wird – wir setzen Steuergelder auch weniger gescheit ein als für unsere Jugend… Es muss möglich sein, private Organisationen zu unterstützen, die bereit sind, die Freizeit-


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REGIONEN | BASEL-stadt gestaltung unserer Kinder in den Schulferien zu übernehmen.

Mehr Tagesferien-Angebote - Nutzen für Alle!

Mehr Tagesferien bringen den Kindern wertvolle Erlebnisse zusammen mit anderen Kindern, sportliche Betätigung und vor allem Freude. Den Müttern bringen solche Angebote die Möglichkeit, ihren Beruf ausüben zu können. Dem Staat bringt die Erweiterung des Betreuungsangebots mehr Steuereinnahmen und den Return on Investment für die Ausbildungskosten der Mütter. Diese Argumente sprechen für sich. Arbeiten wir daran, die Tagesferien in Basel, Riehen und Bettingen zu verbessern – für ein familienfreundliches Basel!s *Patricia von Falkenstein | Partei: Liberal-demokratische Partei | Kanton: Basel-Stadt | Amt: Vizepräsidentin und Grossrätin | Beruf: Juristin | Person, mit der ich gerne Znacht gegessen hätte: Michelle Obama | Ort, an den ich gerne reisen würde: Hawaii | Das nervt mich: Besserwisser. www.patriciavonfalkenstein.ch

«Tagesferien als Teil der Tagesbetreuung in Basel-Stadt»

Kinder übernehmen muss, die man nicht ganz an den Staat abgeben kann. Wir müssen uns nicht scheuen, den Blick über die Grenzen zu machen. Basel war der erste Kanton der Schweiz, der Blockzeiten für Klassen bis zum 7. Schuljahr eingeführt hat. Die Familienbefragung 2009 hat gezeigt, dass 90% der Familien mit der aktuellen Tagesbetreuungssituation für ihre Kinder zufrieden bis sehr zufrieden sind. Die Flexibilität ist jedenfalls in hohem Masse gegeben. Wir müssen diese Ergebnisse ernsthaft zur Kenntnis nehmen. Unser Kanton geht auf die Bedürfnisse ein; hier einige Stichwort: Tagesschulen, Ausbau des Mittagstischangebotes oder das bestehende Tagesferienangebot.

Kinderbetreuung ist keine Staatsaufgabe

Unsere Schule braucht jetzt Ruhe, ist sie doch mit Entwicklungsaufgaben schwer belastet: Harmos, Sonderpädagogik, frühe Sprachförderung, Leitungsstrukturen, Tagesstrukturen und so weiter. Wenn nun auch noch mehr Betreuung ausserhalb der üblichen Schulzeit eingefordert wird, wird das System schlicht überfordert. Es ist aus Sicht der SVP keine Staatsaufgabe und das Geld würde uns an anderen Orten fehlen.

Wenn nun auch noch mehr Betreuung ausserhalb der üblichen Schulzeit eingefordert wird, wird das System schlicht überfordert

Oskar Herzig-Jonasch* Grossrat (SVP/BS)

T

atsache ist, dass es bereits eine Menge an Angeboten gibt, von Vereinen und Privaten etc. zur Verfügung gestellt. So sind von 13 Ferienwochen 11 vollständig durch solche Angebote abgedeckt. Die Eltern werden also nicht im Stich gelassen. Wir bieten somit bereits Einiges an Unterstützung für moderne Familien. Das kann aber nicht darüber hinweghelfen, dass man als Eltern Verantwortung für seine

Die Familie spielt eine zentrale Rolle

Die Familie ist nicht out, wie gerne gesagt wird, sondern sie spielt nach wie vor eine zentrale Rolle. Wärme, Liebe, Zuneigung und Zeit für ein Kind sind Werte, die wir nicht auslagern können – auch nicht in die professionellsten Krippen. Dafür brauchen wir Eltern, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Eltern die ihre Aufgabe ernst nehmen und damit der Gesellschaft etwas sehr Gutes tun.

Nicht nur im Bereich von Erziehung und Ausbildung, sondern auch im Bereich der Prävention. Wo findet diese wirksamer und günstiger statt, als im Elternhaus, durch Vorbildfunktion und tägliche Anleitung.

Unterstützung von Eltern, die ihre Kinder zu Hause betreuen Für mich und für die SVP ist klar: Wir stehen Familien, die eine staatliche Unterstützung tatsächlich brauchen, bei. In Falle der Tagesferien stellen Private, Vereine etc. Angebote für verschiedene Bedürfnisse zur Verfügung und es sind laufend Weitere am entstehen. Die öffentliche Hand muss hier keine weiteren Angebote machen und somit die Bürger als Steuerzahler belasten.

Stattdessen haben wir den Mut und die Energie, uns für die Eltern, die ihre Kinder zu Hause betreuen, einzusetzen

Stattdessen haben wir den Mut und die Energie, uns für die Eltern, die ihre Kinder zu Hause betreuen, einzusetzen. Diesen Eltern steht ein Steuerabzug zu – als kleine Wertschätzung für ihre wichtige und unschätzbare Aufgabe an ihren Kindern und damit an unserer Gesellschaft.s *Oskar Herzig - Jonasch | Partei: SVP | Amt: Grossrat, Erziehungsrat | Kanton: Basel-Stadt | Beruf: Unternehmer | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Leonardo da Vinci | Ort, an den ich gerne reisen würde: Mit einer Segelyacht die Welt umsegeln | Das nervt mich: Nichts, denn ich liebe die Menschen wie sie sind. www.svp-basel.ch Und jetzt Sie, auf www.statements.ch


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Statements | Nr. 3 | April MMXII

regionen | basel-landschaft

Wie weiter mit der Berufsvorbereitenden Schule? Der „Schwarze Peter“ des Sparens geht um im Baselbiet und eine, die ihn am Ende in Händen halten könnte, ist die BVS2. Ob und wieso es die BVS2 sein soll, diskutieren die EVP-Landrätin Elisabeth Augstburger und der Präsident der Bildungskommission Karl Willimann (SVP). «JA zur Weiterführung der Berufsvorbereitenden Schule (BVS2)» Elisabeth Augstburger* Landrätin (EVP/BL)

ie Regierung plant im Rahmen des EntD lastungspaketes Sparmassnahmen im Bildungsbereich von rund 30,9 Millionen Franken. Bei der Landratsdebatte stimmte das Parlament ganz knapp mit 42 : 41 Stimmen für die Abschaffung der BVS2. Zurzeit läuft noch eine Initiative, die den Erhalt der BVS2 fordert.

Warum braucht es die BVS2?

Die BVS2 bildet jährlich rund 150 Schülerinnen und Schüler aus. Diese Schule braucht es, weil nicht alle Jugendlichen bereits mit 15 Jahren wissen, was für einen Beruf sie lernen wollen und der „Knopf“ erst später aufgeht. Sie brauchen mehr Zeit in ihrer persönlichen Entwicklung. Die BVS2 öffnet neue Wege. Über 90% der Abgängerinnen und Abgänger finden eine sehr gute Anschlusslösung. Oft sind das anspruchsvolle Lehrstellen mit Berufsmatur. Die BVS2 ist eine ausgezeichnete Schule mit einem brillanten Erfolgskonzept.

Erhebliche Folgekosten

Diese Schule abzuschaffen ist kurzsichtig. Wenn die Jugendlichen den Wechsel in die Berufswelt nicht schaffen, löst das mittelfristig erhebliche Kosten im Sozialbereich aus. Wir schneiden uns also ins eigene Fleisch. Ein Bildungsabbau, der auch leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler trifft, wird von der Regierung und einer hauchdünnen Mehrheit der Parlamentarier einfach so in Kauf genommen. Vielen Jugendlichen wird eine beliebte und wichtige Weiterbildungsmöglichkeit entzogen.

Auch die KMUs profitieren von der BVS2

Das Gewerbe betont immer wieder, wie wichtig leistungsfähige Lernende sind. In der BVS2

Wenn die Jugendlichen den Wechsel in die Berufswelt nicht schaffen, löst das mittelfristig erhebliche Kosten im Sozialbereich aus

werden die Jugendlichen optimal auf das Berufsleben vorbereitet. Wollen wir in Zukunft darauf verzichten? Das wäre schlichtweg schizophren! Ist das Gewerbe bereit, für die Jugendlichen, die eine erhöhte Aufmerksamkeit benötigen, Geld und Zeit zu investieren?

Statistik bestätigt Erfolg

Eine pensionierte Lehrkraft hat seine letzte Klasse getroffen, um zu erfahren, wie ihre Berufsausbildung verlaufen ist. Die Statistik ist beeindruckend. Niemand hat seine Berufssausbildung, die durchwegs anspruchsvoll war, abgebrochen. Die gewählten Berufe sind vielfältig und die Durchschnittsnoten beeindruckend hoch! Alle Schülerinnen und Schüler unterstrichen, die BVS2 sei die Grundlage für den blendenden Berufserfolg gewesen.

Unterstützen wir die BVS2, da sie jungen Menschen ermöglicht, weiter zu reifen und ihnen neue Berufsmöglichkeiten öffnet Fazit

Investieren wir in die Jugend in unserem Kanton und damit in unsere volkswirtschaftliche Zukunft. Unterstützen wir die BVS2, da sie jungen Menschen ermöglicht, weiter zu reifen und ihnen neue Berufsmöglichkeiten öffnet. Generationen von Jugendlichen und die etwa 3000 Familien im Kanton, die in der Vergangenheit vom Angebot der BVS2 profitiert haben, werden mit Sicherheit Beifall klatschen!s *Elisabeth Augstburger | Partei: EVP | Amt: Einwohner- und Landrätin | Kanton: Basel-Landschaft | Beruf: Koordinatorin Deutschkurse für fremdsprachige Frauen | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Einer Schülerin oder einem Schüler der BVS2 | Ort, an den ich gerne reisen würde: Nach Guatemala, da ich dort vor 30 Jahren unter Kindern gearbeitet und viel für mein Leben gelernt habe | Das nervt mich: Wenn ich zu spät zu einem Termin komme. www.elisabeth-augstburger.ch

«BVS2 im Entlastungspaket» Karl Willimann* Landrat (SVP/BL)

ber die BVS2 wurde bereits vor 3 Jahren Ü im Landrat diskutiert, aber nicht - wie heute - unter Spargesichtspunkten. Die Vor-

lage sah eine Reduktion der Schuldauer der damaligen DMS2 um ein Jahr vor, weil die interkantonal anerkannten Anschlussbestimmungen keine zweijährigen Mittelschulen mit Diplom mehr vorsahen und die DMS2 somit quer im Schweizerischen Schulsystem lag. Unterstützt wurde die Vorlage von der Bildungsdirektion und mehrheitlich von den linken Parteien. Das Parlament stellte sich allerdings hinter die DMS2 und stimmte auch der Umbenennung in „Berufsvorbereitende Schule 2“ (BVS2) zu.

Beseitigung von Doppelspurigkeiten

Aus heutiger Sicht ist festzustellen, dass die Qualität und die Anerkennung der BVS2 völlig unbestritten ist. Die aktuelle Debatte hat nicht mit der Qualität der BVS2 zu tun, sondern es geht um eine bildungsökonomische Diskussion: Macht es Sinn, ein Angebot aufrechtzuerhalten, das nach der Primarschule in 6 Jahren zu einem Sek

Die aktuelle Debatte hat nicht mit der Qualität der BVS2 zu tun, sondern es geht um eine bildungsökonomische Diskussion I-Abschluss führt, wenn dasselbe in 5 Jahren erreicht werden kann? Im Kern geht es darum, die bestehende Doppelspurigkeit zweier fast gleicher Schulangebote – BVS2 (2-jährige berufsvorbereitende Schule) und


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regionen | basel-landschaft gegenüber der einjährigen Schule SBAplus bringt, hingegen zu erheblichen Mehrausgaben für den Kanton führt.

Mo Bridge

Fehlende Anschlussschulungsmöglichkeit

1-jähriges SBAplus (Schulisches Brückenangebot plus) – aufzulösen. Die Bildungsbiografien der Absolventen beider Schulen sind weitgehend identisch. Die Bildungsdirektion weist auf das Sparpotenzial bei den beiden beinahe gleichwertigen Schulen hin. Sie argumentiert, dass das 2. Jahr innerhalb der BVS2 gemäss bestehender Erfahrung keinen signifikanten Mehrwert

Die BVS2 liegt quer im interkantonalen Schulsystem und ist die letzte und einzige Schule ihrer Art in der Schweiz. Es fehlt ihr eine gültige Anschlussschulungsmöglichkeit, womit gegen das Prinzip „Kein Abschluss ohne Anschluss“ verstossen wird. Es wird zu keinem gravierenden Engpass führen, wenn 50% der heutigen BVS2-Schüler/innen in das SBA plus-Angebot übertreten. Als Alternative gibt es aktuell auch genug Attestlehrstellen. Der Leistungsausweis von dualen Angeboten ist mitnichten schlechter als derjenige von rein schulischen Angeboten.

Vertretbare Massnahme im Bildungsbereich

Ein weiterer Aspekt, welcher für die Reduktion des Angebotes um ein Jahr spricht, ist das Eintrittsalter der Jugendlichen in eine Berufslehre. Die Jugendlichen sollten frühzeitig in eine Lehre eintreten und diesen Entscheid nicht unnötig verzögern. Aus Berufskreisen wird auch die Meinung vertreten, aus demografischen Gründen könnten

Die Jugendlichen sollten frühzeitig in eine Lehre eintreten und diesen Entscheid nicht unnötig verzögern 2-jährige schulische Brückenangebote überflüssig werden, weil in Zukunft bezüglich Lehrstellenangebot zu wenig Lehrstellenbewerber vorhanden sind. Insgesamt handelt es sich also um eine vertretbare Massnahme im Bildungsbereich, denn letztlich geht es auch um das Entlastungspaket als Ganzes. s *Karl Willimann | Partei: SVP | Amt: Landrat | Kanton: Basel-Landschaft | Beruf: Dipl.Ing.ETH, pensioniert | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Lionel Messi, FC Barcelona | Ort, an den ich gerne reisen würde: Mikronesien | Das nervt mich: Sogenannt bürgerliche Politiker/innen, die immer mit den Linken im Landrat stimmen. www.baselland.ch/willimann_karlhtm.275255.0.html Diskutieren Sie mit auf www.statements.ch


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Statements | Nr. 3 | April MMXII

REGIONEN | freiburg

Mühleberg ist auch in Fribourg Während gewisse Experten über die Probleme der Entsorgung von Atommüll diskutieren, streitet man an den Schweizer Gerichten noch um die Abschaltung der Atomkraftwerke. Am Beispiel der Mühlebergdebatte im Kanton Fribourg zeigt sich, dass die Atomfrage nicht nur in den Standortkantonen heiss diskutiert wird. «Das AKW Mühleberg gehört schnell abgeschaltet.» Christa Mutter* Grossrätin (GPS/FR)

ie ersetzen wir seine Produktion? Eine W kleine Denkübung für Freiburg: Kreativ sparen. Das AKW Mühleberg liegt idyllisch an der Berner Grenze. Die Nordhälfte des Kantons Freiburg inklusive Hauptstadt gehört zur „Zone 2“, 20 Kilometer ums Werk 2“. Deshalb stammen 10 von 113 Beschwerden gegen die unbefristete Bewilligung aus Freiburg. Und die Groupe E hält 10 Prozent der BKWAktien.

AKW ersetzen: Kurzfristig möglich mit Stromeffizienz

Die BKW versucht verzweifelt, Flickwerk als Sanierung zur verkaufen, um ein paar Betriebsjahre herauszuschinden. Es ist zu hoffen, dass eine langfristige ökonomische Logik bald Oberhand gewinnt. Oder dass das Bundesgericht bestätigt: 2013 abschalten. Zu den wachsenden Sicherheitslücken hat das Bundesverwaltungsgericht ja Klartext gesprochen - sie sind nicht tragbar.

Gut gespart ist ganz gewonnen

Wie aber ersetzt Freiburg kurzfristig „seinen“ Zehntel der 2600 Gwh Mühleberg-Jahresproduktion?

Ein Viertel der MühlebergProduktion: Die Freiburger Stromheizungen! 1) Eine kantonale Rechnung scheint etwas theoretisch, ist aber politisch interessant. 1800-

1850 Gwh Strom verbraucht Freiburg jährlich, die 260 Gwh sind also 14 %. Vorschlag: Wir ersetzen sie nur mit Effizienz!

Jeder Haushalt und jede Firma kann 10-15 % Strom sparen; es braucht aber Förderprogramme 2) Haushalte können 10-15 % beitragen (Stand by, Lampen, effiziente Geräte, 60-80 Gwh). Industrie und Gewerbe sparen z.B. mit besseren Steuerungen, Elektromotoren und Beleuchtung ebenfalls 10 %: 70 Gwh. Im Dienstleistungssektor liegen mit Standby, alten Leuchten und fehlgesteuerten Klimaanlagen gute 10 % brach: 50 Gwh. Zusammen 200 Gwh mit heutiger Technik. Aber vor allem: 650 Gwh Strom verheizt Freiburg jährlich, ein Viertel Mühleberg! Jährlich ein Zehntel der Elektroheizungen ersetzen bringt 65 Gwh. *Christa Mutter | Partei: Grüne | Amt: Grossrätin | Kanton: Freiburg | Beruf: Journalistin | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Gro Harlem Brundtland | Ort, an den ich gerne reisen würde: Wieder mal nach Irland; ist schön grün und hat keine AKWs | Das nervt mich: scheinheiliges Getue. www.christamutter.ch

Fördern statt streiten

Natürlich muss man kräftig nachhelfen, mit Förderprogrammen, Gratis-Sparlampen, Beratung, Schulung, Kontrollen. Freiburg verfügt über ein frisch revidiertes Energiegesetz, das Staat und Gemeinden schöne Handhaben gibt: Elektroheizungen sind bis 2025 zu ersetzen – eine schnellere Umsetzung rechnet sich energetisch sofort! Auch bei Licht, Klimatisierung, Dämmung kann die Regierung Massnahmen vorschreiben UND fördern. 3) Und die erneuerbaren Energien? Sie sind als Zusatzquellen nützlich, als erstes mit optimierten bestehenden Wasserkraftwerken und Fotovoltaik auf den besten, grossen Dachflächen. Unnütz sind Zerreissproben um umstrittene Wind- und Wasserkraftprojekte (z.B. Schwarzsee, Sense) oder Solarzellen in historischen Ortskernen. Sie dienen bloss jenen als Argument, die noch an den veralteten AKWs hängen.s

«Wir brauchen sichere und bezahlbare Energie.» Rudolf Vonlanthen* Grossrat (FDP/FR)

eit dem Unglück in Japan hat sich die S Welt nicht verändert, sondern die Menschen sind sensibler geworden. Dabei dürfen wir nicht in Panik verfallen, sondern müssen weiterhin mit kühlem Kopf die sich stellen-


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Nr. 3 | April MMXII | Statements

REGIONEN | freiburg

pie zu verabreichen, um uns zu überreden, ins Steinzeitalter zurückzukehren. Das verwundert mich nicht. Dass nun aber besonnene Politikerinnen und Politiker blindlings diese Fanatiker unterstützen, ist unverantwortlich und zeugt nicht von politischer Grösse.

Nerea Baz

Man kann nicht einfach die Kernkraftwerke abstellen, ohne zu sagen, wie man die nötige Energie garantieren will

den Probleme angehen. Zu leicht vergisst man, dass die Katastrophe im japanischen Kernkraftwerk nicht auf technische Mängel zurückzuführen ist, sondern auf ein fürchterliches Erdbeben.

Die Umweltfundis benützen nun schamlos die Gelegenheit, uns eine Schocktherapie zu verabreichen, um uns zu überreden, ins Steinzeitalter zurückzukehren Die Umweltfundis benützen nun schamlos die Gelegenheit, uns eine Schockthera-

Die Sicherheit der Menschen ist oberstes Gebot. So dürfen auch keine weiteren neuen Kernkraftwerke nach der heutigen Technik gebaut werden. Ein allmählicher Ausstieg der Kernkraftwerke, welche nach dem heutigen Wissen gebaut wurden, ist unabdingbar. Eine Türe für neue Technologien in diesem Bereich muss aber offen gelassen werden. Man kann nicht einfach die Kernkraftwerke abstellen, ohne zu sagen, wie man die nötige Energie garantieren will. Da fehlt es an Visionen – und wenn man welche hat, werden sie brutal von den Linken zerstört, weil sie jegliche Alternativenergie torpedieren wie Wasserkraftwerke, Windmühlen usw. Wir alle brauchen eine sichere, bezahlbare und konkurrenzfähige Energie, damit wir unabhängig bleiben. Wir müssen die Versorgungssicherheit garantieren können, um Arbeitsplätze zu erhalten und unseren hart erarbeiten Wohlstand bewahren zu können. Wer will schon darauf verzichten? Die Politik muss somit Anreize schaffen, damit wir weniger Energie konsumieren und die erneuerbaren Energien gefördert werden. Auch viel Potenzial gibt es bei den Gebäudesanierungen und beim Montieren von Son-

nenkollektoren. Hier müssen die übertriebenen Vorschriften rasch gelockert werden. Ich habe aber den Glauben verloren, dass die Politik die echten Probleme erkannt hat und sie lösen will. Vielmehr will man mit Angstmacherei Wahlen gewinnen. Der Fall Mühleberg hat es gezeigt, dass nun sogar die Richter zum Politiker werden. Sie haben das Prinzip der immer hochgelobten Gewaltentrennung verlassen. Sie haben den Entscheid der eingesetzten Spezialistengruppe, welche die Sicherheit der Kernkraftwerke überprüft, einfach weggeputzt. Von nun an sind somit die Richter die Fachleute in Sachen Kernenergie. Hier ist das Sprichwort wegweisend: Schuster bleib bei deinem Leisten.

Wir alle brauchen eine sichere, bezahlbare und konkurrenzfähige Energie, damit wir unabhängig bleiben Nach sensiblem Abwägen aller Umstände ist Mühleberg somit am Netz zu lassen, solange es die von allen Seiten verlangte Sicherheit erreicht.s *Rudolf Vonlanthen | Partei: FDP | Amt: Grossrat | Kanton: Freiburg | Beruf: Generalagent | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel | Ort, an den ich gerne reisen würde: Ganz Europa bereisen | Das nervt mich: Das ständige Nörgeln. Diskutieren Sie mit auf www.statements.ch


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Statements | Nr. 3 | April MMXII

regionen | Luzern

Referendum zum Voranschlag 2012 der Stadt Luzern Die finanziellen Nöte beschäftigen die Politik nicht nur auf Bundes- und Kantonsebene, sondern auch in den Gemeinden. Ein Beispiel dafür ist die Stadt Luzern, in der das Budget von der SVP mit einem Referendum bekämpft wird. Die beiden Kandidaten für den Stadtrat, Manuela Jost (GLP) und Rolf Hermetschweiler (SVP), sind auch beide amtierende Kantonsräte und kennen damit sowohl die Perspektive der kommunalen als auch der kantonalen Politik. «Voranschlag 2012 und Wahlkampf.» Manuela Jost* Kantonsrätin (GLP/LU)

ie Notwendigkeit einer nachhaltigen D Finanzpolitik Eines ist klar: Die finanzielle Situation der Stadt

Luzern ist nicht gut: Der Voranschlag 2012 sieht ein hohes Defizit von 11.4 Mio. CHF, einen niedrigen Selbstfinanzierungsgrad von 11.4% und eine hohe Neuverschuldung von 260 Mio. CHF vor. Die Stadt Luzern muss Massnahmen ergreifen, um ihren finanzpolitischen Spielraum zu wahren und zu einer nachhaltigen Finanzpolitik

Massnahmen auf der Einnahmeseite – wie eine Steuerfusserhöhung – müssen genauso offen als Massnahmen diskutiert werden können wie weitere Eingriffe auf der Ausgabenseite zurück zu kehren. Sparmassnahmen wurden bereits realisiert, ein Verzichts- und Kompensationsprogramm geschnürt. Doch weitere Massnahmen müssen per 2013 ergriffen werden, um den Finanzhaushalt wieder ins Lot zu bringen. Die glp und die bürgerlichen Parteien FDP, CVP, *Manuela Jost | Partei: Grünliberale Partei | Amt: Kantonsrätin, Fraktionschefin der GLP im Grossen Stadtrat | Kanton: Luzern | Beruf: Ökonomin/Dozentin | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Dalai Lama | Ort, an den ich gerne reisen würde: An den Fuss des Mount Kailash | Das nervt mich: Polemische politische Äusserungen. www. manuelajost.ch

SVP haben hierzu vom Stadtrat eine Auslegeordnung im Rahmen der Gesamtplanung 2013 – 2017 gefordert. Diese soll Ergebnis-offen diskutiert werden. Eine Stadt mit sehr hohen Zentrumsleistungen kann sparen, aber nicht unlimitiert. Massnahmen auf der Einnahmeseite – wie eine Steuerfusserhöhung – müssen genauso offen als Massnahmen diskutiert werden können wie weitere Eingriffe auf der Ausgabenseite.

Die Krux mit dem Budget-Referendum

Ebenso klar ist: Die demokratischen Rechte gelten immer und überall, unabhängig vom politischen Kontext. Das Volk soll via Referendum mitentscheiden können. Wenn aber bereits die in Aussicht gestellte und notwendige kritische Diskussion der Sanierung des städtischen Finanzhaushaltes zuerst zu Referendumsdrohungen der SVP, dann zu einer Volksabstimmung über das Budget 2012 am 6 Mai führt, dann ist die Frage erlaubt, ob der Referendumsweg wirklich sachlich begründet ist oder nicht eher zur politischen Profilierung instrumentalisiert wird. Die Blockierung des gesamten Finanzhaushalts für sechs Monaten kann kaum als

Die Blockierung des gesamten Finanzhaushalts für sechs Monaten kann kaum als Vorteil gesehen werden

Vorteil gesehen werden. Diese Einschränkung des finanziellen Spielraums trifft vor allem kleine Empfänger, die von Beiträgen aus dem Kultur- und Sportfonds profitieren. Diese Zahlungen müssen sistiert werden, weil sie finanzpolitisch nicht absolut notwendig sind. Von der Sache her wären sie aber berechtigt, wie im Falle der Vereine im Sport- und Kulturbereich. Wenn mit dem jährlichen Beitrag der Stadt Luzern – mag er noch so bescheiden sein – nicht gerechnet werden kann, entstehen für diese Vereine grosse Probleme. Sie haben kaum die Möglichkeit, kurzfristig auf andere Geldgeber zurück zu greifen. Sie müssen ihre Leistungen kürzen. Da-

runter leiden viele freiwillig arbeitende Leute in Sport und Kultur und letztlich die Gesellschaft. Wenn die Finanzpolitik zum wahlpolitischen Spielball wird, entfernt man sich von seriöser Sachpolitik im Dienste der Gesellschaft. Unser Ziel sollte eine politische Kultur sein, welche das Allgemeinwohl und nicht eigene Profilierungen ins Zentrum setzt.s

«Nein zum Voranschlag: Schwarze Zahlen ohne Steuererhöhung» Rolf Hermetschweiler* Kantonsrat (SVP/LU)

chwarze Zahlen sind auch ohne SteuererS höhung möglich. Die Stadt Luzern muss nur endlich anfangen, so mit dem Geld zu haushalten, wie sie das auch von den Stimmbürgern erwartet. Die Finanzen der fusionierten Stadt Luzern haben sich in den letzten Jahren in eine bedenkliche Richtung entwickelt. Angefangen im Jahr 2010 bei 9.8 Millionen Rohdefizit sind


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Nr. 3 | April MMXII | Statements

regionen | luzern werden durch neue freiwillige Leistungen ausgehöhlt. Trotz Budgetreferendum und Steuererhöhung hört die Stadt nicht auf, weitere freiwillige Leistungen anzubieten. So will sich die Stadt Luzern künftig an der Vermietung von 200 Velos beteiligen und die ungedeckten Kosten von 25‘000 Franken übernehmen. Oder sie „vermietet“ das

Die Sparbemühungen der letzten Jahre werden durch neue freiwillige Leistungen ausgehöhlt

ehemalige Hallenbad zu Selbstkosten an Kulturschaffende. Weitere Beispiele sind das hochdefizitäre Luzerner Theater oder der Südpol, der im Moment sogar zum Badmintonspielen verwendet wird, weil offenbar die Auslastung so mies ist.

Was passiert, wenn die Luzernerinnen und Luzerner NEIN zum Voranschlag sagen

litisch unsicheren Zeit, in der niemand weiss, ob die EU oder der Euro die Schuldenkrise überstehen werden. Dabei müsste die Stadt Luzern jetzt erst recht ihre Bürger entlasten und steuerlich attraktiv bleiben, denn wir stehen in Konkurrenz mit vielen anderen Gemeinden und Regionen.

*Rolf Hermetschweiler | Partei: SVP Stadt Luzern | Amt: Kantonsrat | Kanton: Luzern | Beruf: Unternehmer | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Bill Gates | Ort, an den ich gerne reisen würde: China, Grosse Mauer | Das nervt mich: Unfreundlichen Leute. www.hermetschweiler.ch

Mo Bridge

Dabei müsste die Stadt Luzern jetzt erst recht seine Bürger entlasten und steuerlich attraktiv bleiben

Es gibt aber auch ein paar Lichtblicke. So hat die Stadt Luzern im letzten Jahr um rund 18 Millionen Franken besser abgeschnitten als erwartet, was die Reserven geschont hat. Zudem sieht die aktuelle Planung ohne Steuererhöhung ab 2015 „nur“ noch ein Defizit von ca. 6 Millionen jährlich vor. Es gilt also vor allem die nächsten 3 Jahre zu überbrücken. Dabei werden die oben erwähnten 18 Millionen helfen, sie werden eine Steuererhöhung auf 2013 überflüssig machen. Wenn bei einem Gesamtaufwand von 750 Millionen Franken jährlich noch zwischen 5 - 10 Millionen Franken eingespart werden können, werden wir ab 2015 wieder schwarze Zahlen schreiben, und dies ohne Steuererhöhung! Deshalb: NEIN zum Voranschlag 2012!s

wir in diesem Jahr bei 33.4 Millionen angelangt! Die Budgets wurden beschönigt, indem man massiv Reserven aufgelöst hat. Dadurch nahmen die Luzerner Bürgerinnen und Bürger die schwierige finanzielle Situation der Stadt Luzern gar nicht wahr. Dies hat sich durch unser Referendum gegen das Schuldenbudget endlich geändert.

Mehr Schulden = Höhere Steuern!

Diese Defizite wirken sich auch auf die Schulden aus. Betrug die Nettoverschuldung der Stadt Luzern 2007 gerade mal 80 Millionen, so werden es bis 2014 mit 333 Millionen bereits 4 Mal mehr sein! Die einzige Lösung des Stadtrates: Die Steuern müssen rauf! Und dies ausgerechnet in dieser wirtschaftlich und po-

Mehrausgaben trotz Rekord-Defiziten

Die Sparbemühungen der letzten Jahre

Und jetzt Sie, auf www.statements.ch

So fängt der Monat gut an. Nummer 4 erscheint am 4. Mai 2012 “Ich lehne Ihre Meinung ab, würde aber mein Leben dafür geben, dass Sie diese äussern dürfen.”


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Statements | Nr. 3 | April MMXII

REGIONEN | st. gallen

Sparpaket im Kanton St. Gallen Das letzte Hemd verkaufen, die Hose runterlassen, den Gürtel enger schnallen… Bei Sparübungen verwandelt sich das politische Parkett in einen Laufsteg. Gleich wie bei der Modenschau ist es unmöglich, alle Bedürfnisse und Geschmäcker unter einen Hut zu bringen und selten werden die Diskussionen mit Samthandschuhen geführt. «Keine Schuldenwirtschaft im Kanton St. Gallen.»

Von neoliberaler Finanzpolitik keine Spur

Wenn die Gewerkschaften nun behaupten, dass es sich hierbei um ein „neoliberales Spiel des Mittelentzugs für den Staat, das bis zum Äussersten ausgereizt worden ist» handle, treten sie die Interessen der Familien mit Kindern mit Füssen. Die linken Scharfmacher blenden völlig aus, dass im Jahr 2006 mit dem II. Nachtrag zum Steuergesetz auch Personen mit tiefen Einkommen sowie Familien massiv entlastet worden sind. Familien kommen seither in den Genuss von markant höheren Kinderabzügen sowie von einem Abzug der Ausbildungskosten von bis zu 13000 Franken pro Jahr. Eine Entlastung der Familien war angezeigt und aufgrund der Eigenkapitalsituation des Kantons auch finanzierbar, die höheren Ausbildungsabzüge ermöglichen weniger gut betuchten Schichten den Zugang zu weiterführenden Bildungsangeboten; sie leisten damit einen echten Beitrag zu mehr Chancengleichheit.s

Marc Mächler* Kantonsrat (FDP/SG)

er Kanton St.Gallen muss rasch ein zweiD tes Sparpaket auf den Weg bringen, da ihm aufgrund der budgetierten Defizite von

270 bis 300 Mio. Franken pro Jahr der Gang in die Schuldenwirtschaft droht. Es führt kein Weg daran vorbei, die Kurskorrektur vorab auf der Kostenseite herbeizuführen. Ein Blick auf den Aufgaben- und Finanzplan (AFP) zeigt, dass die Kantonsfinanzen in Schieflage sind. Für die kommenden Jah-

Falls nichts unternommen wird, würde St.Gallen rasch in die Schuldenwirtschaft abrutschen

Mo Bridge

re sieht das Führungsinstrument Defizite im Umfang von 270 bis 300 Mio. Franken vor. Falls nichts unternommen wird, würde St.Gallen rasch in die Schuldenwirtschaft abrutschen. Aufgrund der rigiden Schuldenbremse müssten die Steuern sehr rasch massiv erhöht werden. Dies würde primär den Mittelstand stark belasten. Dagegen kämpft die FDP.

Handlungsbedarf primär ausgabenseitig

Da das bereinigte Ausgabenwachstum in den Jahren 2013 bis 2015 durchschnittlich bei 4,1 Prozent und somit deutlich über dem erwarteten Wirtschaftswachstum liegt, kommt die FDP zum Schluss, dass zur Sanierung des Staatshaushalts primär bei den Ausgaben angesetzt werden muss. Insbesondere vor dem Hintergrund der bereits beschlossenen Steuerfusserhöhung für das Jahr 2012, welche zu Mehreinnahmen von rund 110 Mio. Franken führt, sind Einsparungen bestens legitimiert. Deshalb hat die FDP bereits vor einem Jahr im Kantonsrat gefordert, dass die Beseitigung des Defizits im Verhältnis eins zu zwei zu erfolgen hat: Pro Franken Mehreinnahmen aus der Steuererhöhung sind zwei Franken Ausgabenkürzungen vorzunehmen. Dies ermöglicht eine ausgewogene Sanierung.

Kantonsrat setzt klares Zeichen

Anlässlich der Beratung des AFP in der Februarsession 2012 hat der Kantonsrat dem FDPSanierungskonzept zugestimmt. Dank einer

Koalition der bürgerlichen Kräfte von CVP, FDP und SVP wurde der Regierung der Auftrag erteilt, ein zweites Sparpaket in der Höhe von rund 200 Mio. Franken auszuarbeiten. Dieses

Pro Franken Mehreinnahmen aus der Steuererhöhung sind zwei Franken Ausgabenkürzungen vorzunehmen. Dies ermöglicht eine ausgewogene Sanierung Sparziel ist nur zu erreichen, wenn alle gesellschaftlichen Akteure bereit sind, schmerzhafte Einschnitte in Kauf zu nehmen. Die Zeit, in der man sich in Verkennung sämtlicher Fakten am Wünschbaren orientieren konnte, läuft ab.

*Marc Mächler | Partei: FDP | Amt: Präsident der FDP des Kantons St. Gallen, Kantonsrat, Mitglied der Finanzkommission | Kanton: St. Gallen | Beruf: lic. oec. HSG / Bankangestellter, Mitglied der Direktion | Person, mit der ich gene mal Znacht gegessen hätte: Christoph Blocher, da ich gerne einmal erfahren würde, ob was er sagt auch ehrlich meint | Ort, an dem ich gerne reisen würde: Südafrika, da mir die Kapregion sehr gut gefällt | Das nervt mich: Moralapostel. www.fdp.ch

«Sparpakete noch und noch.» Claudia Friedl* Kantonsrätin (FDP/SG)

er Steuerwettbewerb macht aus einem D Kanton mit gesunden Finanzen einen Bettelstaat. Der Kanton St. Gallen reagiert

mit Sparpaketen. Personalstopp, Investitionsstopp, Gebührenerhöhungen, Staatsbeitragskürzungen - am meisten trifft es Familien und die Schwächsten. Seit über 10 Jahren versucht der Kanton St. Gallen Ränge gut zu machen im Steuerwettbewerb um die billigsten Plätze. Seit 1997 schrauben die Bürgerlichen also an unserem Steuer-


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Nr. 3 | April MMXII | Statements

regioneN | St. gallen gesetz und sie haben es geschafft, dass heute nachhaltig jährlich 550 Mio. Franken weniger in die Staatskasse fliessen. Die berechtigten Steuersenkungen für Familien und die untersten Einkommen wären locker zu verkraften gewesen, die massiven Steuergeschenke an Topverdienende, Vermögende und Grossunternehmen aber nicht.

Der Kanton St. Gallen hat ein Einnahmenproblem

Am Loch in der Kasse sind nicht die Ausgaben Schuld, wie suggeriert wird. Eine Studie der BAK Basel attestiert dem Kanton, dass die Staatsausgaben pro Kopf der Bevölkerung mit 15% deutlich unter dem schweizerischen Mittelwert liegen. Die Studie kommt zum Schluss, dass der Kanton St. Gallen ein Einnahmenproblem hat.

Staat verschlanken bis zur Magersucht

Das Ganze hat natürlich System. Steuern senken, Defizit generieren, sparen müssen, zu viel sparen, Überschüsse produzieren, Steuern senken, etc. Das Ziel der bürgerlichen Parteien war nie eine ausgewogene Rechnung, sondern die Spirale runterzudrehen und den Staat auszuhungern. Der Kanton St. Gallen war aber nie besonders grosszügig: Die Krankenkassenprämienverbilligung dümpelte jahrelang bei einem Ausschöp-

Das Ziel der bürgerlichen Parteien war nie eine ausgewogene Rechnung, sondern die Spirale runterzudrehen und den Staat auszuhungern

fungsgrad von 50% der Bundesgelder dahin, heute nach langem Kampf beträgt er immerhin über 60%. Dem Stipendienkonkordat kann St. Gallen nicht beitreten, weil es zu viel kosten würde. Für die Förderung von erneuerbarer Energie und Energieeffizienz macht der Kanton gerade mal lumpige 2 Mio. Franken pro Jahr locker. Und im laufenden Sparpaket werden die Schulgebühren für Kurse des 10. Schuljahres drastisch erhöht, ebenso die Studiengebühren an der Uni. Der beschämendste Coup ist aber die 12%-Senkung der ausserordentlichen Ergänzungsleistungen, welche mittellose Heimbewohnenden für die Deckung der persönlichen Ausgaben erhal-

Sparen trifft immer die Mittelschicht und die Schwächsten der Gesellschaft

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ten. Sparen trifft immer die Mittelschicht und die Schwächsten der Gesellschaft.

Lösung des Einnahmenproblems

Der Kantonsrat hat die Regierung letzten Herbst beauftragt, weitere 200 Mio. einzusparen. Wo, das soll die Regierung festlegen. Denkbar wäre die Veräusserung von Vermögenswerten wie Anteile der KB oder der Kraftwerke SAK. Da bin ich klar dagegen. Das hilft nicht auf Dauer. Es braucht mehr Geld in der Kasse. Die verfehlten Steuererleichterungen der Topverdiener und Grossunternehmen müssen endlich rückgängig gemacht werden.s *Claudia Friedl | Partei: SP | Amt: Kantonalpräsidentin, Kantonsrätin | Kanton: St. Gallen | Beruf: Umweltnaturwissenschafterin, Dr. sc. nat. ETH, selbständig | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Micheline Calmy-Rey, eine kluge, mutige, eigenwillige Person, das gefällt mir | Ort, an den ich gerne reisen würde: Kapverdische Inseln, mich faszinieren dort die Menschen, die Musik, die Landschaft, die Natur | Das nervt mich: laut vorgebrachte Dummheit. www.claudia-friedl.ch

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Statements | Nr. 3 | April MMXII

regionen | tHurgau

Bodensee-Thurtal-Strasse & Oberland-Strasse (BTS & OLS) Ob die Bodensee-ThurtalStrasse (BTS) und die OberlandStrasse (OLS) den Thurgau auf die Überholspur oder auf den Holzweg führen, diskutieren der SVP-Regierungsrat Jakob Stark und die Fraktionspräsidentin der SP Thurgau Renate Bruggmann. «Noch ist der Thurgau grün – noch nicht zubetoniert.» Renate Bruggmann* Kantonsrätin (SP/TG)

und die schöne Landschaft. Vor sieben Jahren sagte die Thurgauer Bevölkerung nein zum Bau von zwei Schnellstrassen. Sie wollte die schöne Landschaft erhalten. Doch dies akzeptiert die Regierung nicht und kommt mit einer neuen Vorlage für zwei neue Hochleistungsstrassen quer durch den Thurgau. Die Kosten für diese Strassenbauprojekte sind gigantisch, 1’000 Millionen. Der Nutzen ist ungewiss. Der Regierungsrat und die Planer hoffen, der Bund finanziere die Bodensee-Thurtal-Strasse (BTS). Für die Finanzierung der Oberlandstrasse (OLS) soll die Motorfahrzeugsteuer erhöht werden. Niemand weiss, ob der Bund die BTS wirklich bauen wird. Es gibt in der Schweiz weit wichtigere Strassenabschnitte, die auf einen Ausbau warten. Vielleicht werden Sie auf Ihrer Fahrt durch Mostindien ab und zu hinter einem Traktor herschleichen und nicht überholen können *Renate Bruggmann | Partei: SP | Amt: Kantonsrätin und Fraktionspräsidentin SP Thurgau | Kanton: Thurgau | Beruf: Lehrerin in der Erwachsenenbildung | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Ruth Dreifuss, weil sie eine tolle Magistratin war | Ort, an den ich gerne reisen würde: Das Landesinnere von Island, wo es Vulkane, heisse Quellen und wunderschöne karge Landschaften gibt | Das nervt mich: Sparhysteriker und Populisten, weil sie uns nicht weiterbringen. www.renatebruggmann.ch

Mo Bridge

eniessen Sie im Frühjahr eine BlueschtG fahrt durch den Thurgau. Noch werden Sie sich freuen über unseren grünen Kanton

oder Sie geraten bei einer Ortsdurchfahrt in eine Kolonne. Es ist unbestritten, dass auch auf den Thurgauer Strassen immer mehr Verkehr rollt. Die Anwohner der Durchgangsstrassen leiden darunter. Die Strassenbauprojekte BTS und OLS lösen die Probleme aber nicht und haben erheb-

Die Strassenbauprojekte BTS und OLS lösen die Probleme aber nicht und haben erhebliche Schwachpunkte liche Schwachpunkte. Sie werden neuen Verkehr anziehen. Die nicht richtungsgetrennte Schnellstrasse BTS wird zu gefährlichen Überholmanövern verleiten. Das Risiko einer neuen Todesstrecke wollen wir nicht eingehen. Und den Verlust von vielen Hektaren von bestem Landwirtschaftsland und schönen Erholungszonen wollen wir nicht hinnehmen. Die Lösung der Umweltverbände heisst „Umbau“. Auf weiten Strecken soll das bestehende Trassee genutzt werden. Die Dörfer werden siedlungsnah umfahren und der Langsamverkehr (z.B. für Zuckerrübentransporte) wird auf einer separaten Fahrspur geführt. Damit wird der Verkehr auf der wirtschaftlich wichtigen West-Ost-Achse flüssiger, sicherer und ruhiger.

Das Risiko einer neuen Todesstrecke wollen wir nicht eingehen

Leider kommt das Projekt „Umbau“ nicht zur Abstimmung. Sagt die Thurgauer Bevölkerung im Herbst 2012 aber nein zu den überrissenen Strassenbauvorhaben der Regierung, geht die Tür auf für einen modularen Ausbau der neuralgischen Punkte und Engpässe. Wir kommen schneller zum Ziel: Sichere und ökologisch vertretbare Strassenverbindungen quer durch den Thurgau.s

«Thurgau entwickeln – Thurgau bleiben» Jakob Stark* Regierungsrat (SVP/TG)

ie Strassenbauvorhaben BTS und OLS D sind Teil einer Gesamtstrategie. Sie lösen die heutigen Probleme und lenken die künftigen räumlichen Entwicklungen in die richtigen Bahnen. Als attraktiver Wohn- und Wirtschaftsstandort mit intakter Landschaft setzt der


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Nr. 3 | April MMXII | Statements

REGIONEN | tHurgau Kanton Thurgau auf eine nachhaltige Raumordnungs- und Siedlungspolitik. Der kantonale Richtplan als Führungsinstrument richtet das Wachstum auf die Zentren aus und bewahrt den ländlichen Raum mit seiner Kulturlandschaft und seinen Dörfern und Weilern. 2012 entscheidet das Volk über zwei wichtige Umsetzungsprojekte: Über das neue Planungs- und Baugesetz, das mit einer Mehrwertabgabe der Zersiedlung entgegenwirkt, und über BTS/OLS.

BTS und OLS sind angesichts der heutigen Belastung und des künftigen Wachstums notwendige Teile einer koordinierten Verkehrspolitik

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Die Bodensee-Thurtalstrasse BTS entlastet die Anwohner der Ortsdurchfahrten im Thurund Aachtal, die heute unter dem Verkehr leiden. Und sie verbindet die Zentren zwischen Frauenfeld und Arbon und stärkt damit die planerisch definierte Entwicklungsachse. So bewahrt sie gleichzeitig, im Einklang mit dem Richtplan, den ländlichen Raum vor Siedlungs-

druck. Zum Gesamtpaket gehört die Oberlandstrasse OLS. Die neue Hauptstrasse entlastet die Seestrasse zwischen Arbon und Kreuzlingen und verhindert, dass Verkehrsprobleme einfach in den ländlichen Raum verlagert werden. BTS und OLS sind angesichts der heutigen Belastung und des künftigen Wachstums notwendige Teile einer koordinierten Verkehrspolitik. Im Dialog mit Partnern ist ein breit abgestütztes, auf die Thurgauer Verhältnisse zugeschnittenes Projekt entstanden. Dank optimierter Linienführung kann der Landbedarf minimiert werden: 80 Prozent der Neubaustrecken verlaufen rücksichtsvoll, sei es überdeckt, entlang der Bahn etc. Die Rücksichtnahme auf die betrieblichen Bedürfnisse der Landwirtschaft sowie der Schutz und die Aufwertung von Natur, Landschaft und Siedlung sind ein wichtiger Bestandteil. Und mit der geplanten Aufnahme der BTS ins Nationalstrassennetz und der verursachergerechten Finanzierung der OLS über eine Erhöhung der Strassenverkehrsabgabe um 10 Prozent ist auch die Finanzierung geregelt. Studien zeigen auch: BTS und OLS bewirken keine unerwünschten Verkehrsverlagerungen und ziehen keinen Transit- und Schwerverkehr an. Viel mehr: BTS und OLS verbessern die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer. Mit Rüttel-

BTS und OLS bewirken keine unerwünschten Verkehrsverlagerungen und ziehen keinen Transitund Schwerverkehr an

markierungen und Mittelleitplanken versehene Autostrassen gehören unter Berücksichtigung der Frequenz zu den sichersten Strassen. Und dank dem Freiraum, den BTS und OLS in den Dörfern und Städten schaffen, kann der Strassenraum aufgewertet werden – für Fussgänger, Velofahrer und den öffentlichen Verkehr. Heute für den Thurgau von morgen.s *Jakob Stark | Partei: SVP | Amt: Regierungsrat, Chef des Departements für Bau und Umwelt | Kanton: Thurgau | Beruf: Dr. phil. I | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Barbra Streisand | Ort, an den ich gerne reisen würde: Riga | Das nervt mich: Fenster, die ich nicht öffnen kann. www.jakob-stark.ch Diskutieren Sie mit auf www.statements.ch

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Statements | Nr. 3 | April MMXII

regionen | ZÜRICH

Prima-Initiative im Kanton Zürich

Mo Bridge

Kinder sind unsere Zukunft und Wissen unser einziger Rohstoff. Diese Aussagen würden wahrscheinlich sowohl Nationalrätin Barbara Schmid-Federer (CVP) als auch Gemeinde- und Kantonsrätin Anita Borer (JSVP/SVP) so unterschreiben. Wenig einig sind sie sich aber dabei, wie man den Kindern dieses Wissen vermitteln soll, insbesondere wie der Eintritt in die Schule zu gestalten ist.

«Nein zur Prima-Initiative» Anita Borer* Kantonsrätin (SVP/ZH)

acht es Sinn, etwas einzuführen, das M Mehrkosten verursacht, aber keinen Mehrwert mit sich bringt? Nein, natürlich nicht. Genau aus diesem Grund muss die Prima-Initiative abgelehnt werden.

Keine Vorteile für die Schüler

Die Prima-Initiative fordert die flächen-

deckende Einführung der Grundstufe (ein altersdurchmischter Zusammenschluss der beiden Kindergartenjahre und der 1. Schulklasse). Bisher wurde in 27 Zürcher Gemeinden das Modell bereits als Schulversuch praktiziert. Die Grundstufe wird als innovatives Schulmodell gepriesen, obwohl bei der flächendeckenden Einführung immense Mehrkosten von jährlich 16 Prozent entstehen würden, jedoch keine Vorteile für die Schüler bestünden. Dies beweist ein 156-seitiger Schlussbericht, welcher im Juni 2010 im Auftrag der Erziehungsdirektorenkonferenz Ost (EDK-OST) vom Institut für Bildungsevaluation der Uni Zürich

Dies würde einen Um- bzw. Ausbau von vielen Schulhäusern mit hohen Kostenfolgen für die Gemeinden bedeuten. Zudem müssten mehrere Lehrpersonen den Grundstufenunterricht bestreiten gemeinsam mit dem Institut für Lehr- und Lernforschung der Pädagogischen Hochschule St. Gallen veröffentlicht wurde. Der Bericht zeigt klar auf, dass Schüler, welche die Grundstufe im Schulversuch erfahren


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Nr. 3 | April MMXII | Statements

REGIONEN | ZÜRICH haben, keine Lern- und Wissensvorteile gegenüber denjenigen vorweisen, welche den Kindergarten besucht haben. Die Lernsituation für lernschwache und fremdsprachige Kinder würde durch die Annahme der Initiative zudem nicht verbessert.

«Prima-Initiative: Optimaler Start für alle Kinder»

Immense Mehrkosten

ie vom Verein Chance Volksschule lanD cierte Prima-Initiative fordert die Erweiterung der Kindergartenstufe. Neu bestimmt

Die Mehrkosten sind damit zu begründen, dass Grundstufenunterricht im Teamteaching erfolgen würde und die Klassen oftmals in Gruppen aufgeteilt werden müssten. Die benötigten Platzverhältnisse müssten in den meisten Gemeinden zuerst noch geschaffen werden. Dies würde einen Um- bzw. Ausbau von vielen Schulhäusern mit hohen Kostenfolgen für die Gemeinden bedeuten. Zudem müssten mehrere Lehrpersonen den Grundstufenunterricht bestreiten, d.h. es wären neue Stellen und somit auch neue Ausbildungsplätze notwendig – dies wäre hinsichtlich des momentanen Lehrpersonenmangels kaum zu realisieren und würde zu den baulichen Kosten auch noch steigende Lohnkosten zur Konsequenz haben.

Eine Umstrukturierung, die unsere Schule qualitativ nicht verbessert, ist klar abzulehnen

Da mit der Annahme der Initiative der Kindergarten abgeschafft würde, könnte der Volksentscheid zur Initiative „Mundart im Kindergarten“ umgangen werden, da sich die Initiative lediglich auf den Kindergarten bezieht und für die Grundstufe nicht mehr gelten würde.

Zusätzliche Belastung des Schulsystems

Die Situation an der Volksschule ist seit Jahren angespannt – die flächendeckende Einführung der Grundstufe würde unser Schulsystem noch mehr belasten und ist zudem teuer. Eine Umstrukturierung, die unsere Schule qualitativ nicht verbessert, ist klar abzulehnen. s *Anita Borer | Partei: JSVP / SVP | Amt: Gemeinderätin Uster / Kantonsrätin Zürich | Kanton: Zürich | Beruf: Bankangestellte. www.boreranita.ch

Barbara Schmid-Federer* Kantonsrätin (SVP/ZH)

nicht das Alter der Kinder wann sie in die Primarstufe übertreten, sondern das Erreichen der Lernziele der Kindergartenstufe.

Die Prima-Initiative fördert die Chancengerechtigkeit

Nicht alle Kinder sind im Alter des Primarschuleintritts auf der gleichen Entwicklungsstufe. Diese Erkenntnis ist nicht neu und lässt sich in der Praxis jeden Tag beobachten. Bei der Entwicklung der Sach-, Selbst- und Sozialkompetenzen hat jedes Kind sein eigenes Tempo. Die Prima-Initiative hat zum Ziel, diese Entwicklungsunterschiede zu berücksichtigen und dafür zu sorgen, dass jedes Kind optimal auf den Schulstart vorbereitet ist. Ein positiver Start in die Schulzeit ist enorm wichtig für das Selbstvertrauen eines Kindes und wird zu häufig unterschätzt. Ist ein Kind noch nicht genug auf die Primarstufe vorbereitet, besteht das Risiko der Überforderung und der Ausgrenzung. Das Kind verliert das Selbstvertrauen und wird zum Schulversager.

Ein positiver Start in die Schulzeit ist enorm wichtig für das Selbstvertrauen eines Kindes

Die Prima-Initiative verfolgt das Ziel der Chancengerechtigkeit beim Schuleintritt. Die Kinder werden dank dem innovativen Konzept des Teamteachings individuell gefördert. So lassen sich allfällige Lernschwächen früh erkennen und behandeln. Gleichzeitig werden auch Kinder mit einer schnellen Auffassungsgabe gezielt unterstützt.

Die Prima-Initiative fördert die Sozialkompetenzen

In einer altersdurchmischten Klasse spielerisch die Freude am Lernen zu entdecken, fördert nicht nur die Sachkompetenzen, son-

dern auch die Sozialkompetenzen. So können die Kleinen von den Grossen lernen und umgekehrt entwickelt sich bei den Grossen die Fähigkeit der Hilfsbereitschaft. Die frühe Entwicklung von Sozial- und Selbstkompetenzen ist für die weitere Schul- und Berufslaufbahn entscheidend.

Die frühe Entwicklung von Sozial- und Selbstkompetenzen ist für die weitere Schul- und Berufslaufbahn entscheidend

Die Prima-Initiative investiert in die Zukunft unserer Kinder

Die Gegner der Prima-Initiative begründen Ihre Abneigung gerne mit den hohen Kosten, die die Initiative mit sich bringt. Zweifelsohne entstehen erhöhte Lohn- und Infrastrukturkosten. Ich bin mir jedoch sicher, dass ich nicht die einzige Mutter bin, die diese Mehrausgaben als wichtige Investition in die Bildung und die zukünftigen Berufschancen unserer Kinder erachtet. Ist es nicht besser, allfällige Lernschwächen früh zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken anstatt später masslos Geld für teure sonderpädagogische Massnahmen mit unsicheren Erfolgschancen auszugeben? Wenn das Kind seine schulische Laufbahn mit negativen Erfahrungen beginnt, ist es meist sehr schwierig und kostspielig, dem Kind das verloren gegangen Selbstvertrauen wieder zu geben und die Freude und Neugier am Lernen zu erwecken. Bei der Bildung unserer Kinder geht es nicht um Parteipolitik und Ideologien. Es geht um das Ermöglichen eines guten Lebens für die zukünftige Generation. Und wichtige Grundsteine dafür werden bereits beim Schuleintritt gelegt.s *Barbara Schmid-Federer | Partei: CVP | Amt: Katonsrätin | Kanton: Zürich | Beruf: Unternehmerin/Familienfrau | Person, mit der ich gerne einmal Znacht gegessen hätte: Henry Dunant | Ort, an den ich reisen würde: Granada, Andalusien | Das nervt mich: Auf den Zug rennen müssen. www.schmid-federer.ch Diskutieren Sie mit auf www.statements.ch


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Statements | Nr. 3 | April MMXII

vimentis

Die Zusammenarbeit mit Vimentis geht weiter Das positive Feedback unserer Leserschaft auf die Zusammenarbeit mit Vimentis hat uns dazu bewogen, diese Synergien weiterhin zu nutzen und auch in dieser Ausgabe dem Team von Vimentis-Dialog 2 Seiten für die Publikation von vier «Bürger-Blogs» zur Verfügung zu stellen. Auf der Homepage www.vimentis.ch werden immer wieder einzelne Artikel der Autoren von Statements übernommen. Sowohl wir als auch das Vimentis-Team freuen uns, wenn Sie die Artikel auf der Homepage von Vimentis oder direkt unter www.statements.ch kommentieren.

Mindestlohninitiative Mindestlohninitiative: Arbeitnehmer dürfen nicht weniger verdienen als Sozialhilfe-Empfänger erhalten! Alex Schneider | Küttigen

er Vergleich zwischen dem LohneinD kommen der Arbeitnehmer mit den Sozialhilfe-Unterstützungzahlungen an Per-

sonen mit gleichem sozialen und familiärem Status zeigt, dass sich für viele SozialhilfeEmpfänger das Arbeiten nicht lohnt, der Lohnanreiz ist zu gering. Es liegt primär in

der Verantwortung der Wirtschaft, Löhne zu bezahlen, die einen minimalen Lebensstandard erlauben. Wenn dies nicht via Gesamtarbeitsverträge (GAV) oder Normalarbeitsverträge (NAV) erreicht werden kann, müssen subsidiäre gesetzliche Bestimmungen für Minimallöhne erlassen werden. Es gibt heute Problembranchen ohne Mindestlöhne, z. B. die Hauswirtschaft, aber auch Scheinselb-

ständige im Baunebengewerbe oder ausländische Subunternehmen, welche DumpingLöhne zahlen. Es braucht Minimallöhne und Sanktionen, damit die kantonalen Behörden die üblichen Arbeitsbedingungen durchsetzen können. Die Schweiz sollte besser auf ein höheres absolutes Wirtschaftswachstum verzichten als ausländisches Personal zu Dumping-Löhnen zu beschäftigen.v

destlöhnen; dies vor allem in Wahlzeiten - flächendeckend, versteht sich. Die relativ hohen Mindestlöhne der Post hat der Postchef (CEO) Klaus Zumwinkel mit der Bundeskanzlerin Merkel ausgehandelt, um die der deutschen Post missliebige Konkurrenz auszuschalten, die der hohen Mindestlöhne wegen nicht mithalten konnte. In Ländern mit gesetzlich festgeschriebenen Mindest-

löhnen verschwinden gewisse Berufe/Tätigkeiten weitgehend, so zum Beispiel in Frankreich die weibliche (Pariser-)Concièrge. Das ist unsozial, aber die Konsequenz von Mindestlöhnen. Wozu haben wir denn Gewerkschaften? Lohnt es sich für die nicht, sich in Verhandlungen mit dem Arbeitgeber für die Erwerbstätigen am unteren Ende der Lohnskala einzusetzen?v

Mindestlöhne? Nein! Jürg Walter Meyer | D-Rödelmaier (FDP)

s erstaunt mich nicht, dass die MindestE lohn-Initiative zu Stande gekommen ist. Allerdings gebe ich ihr in der Volksabstim-

mung wenig Chancen angenommen zu werden. Warum? Seit zehn Jahren als Schweizer in Deutschland lebend, lese und höre ich viel über den politischen Schacher mit Min-

VIMENTIS Ziel von Vimentis ist es, eine bessere politische Entscheidungfindung für eine bessere Zukunft der Schweiz zu unterstützen. Deshalb haben wir uns mit Statements zusammen getan. Einige Artikel aus Statements finden Sie momentan auch auf www.vimentis.ch/dialog. Lassen Sie uns wissen, was Sie von dieser Zusammenarbeit halten! Wir nehmen Ihr Feedback gerne

entgegen via redaktion@statements.ch oder dialog@vimentis.ch. Vimentis Dialog steht jedem offen um über politische Themen zu bloggen. Vier Texte von engagierten Bürgern aus dem vergangenen Monat hat Vimentis Dialog für die aktuelle Ausgabe von Statements ausgesucht. Falls Sie diese vier Texte kommentieren und mit den Autoren diskutieren


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Nr. 3 | April MMXII | Statements

VIMENTIS

Atomenergie Ein Etappensieg Christoph Schauwecker | Solothurn (JG)

as Bundesverwaltungsgericht hat einen D wegweisenden Entscheid getroffen: Wegen Sicherheitsmängeln soll das AKW

Mühleberg im Sommer 2013 vom Netz – falls die Betreiberin BKW nicht nachrüstet. Damit ist die Stromdebatte neu lanciert. Die Jungen Grünen sehen sich in diesem Entscheid in ihrer Politik bestätigt, werden sich allerdings weiterhin für die sofortige Stilllegung der beiden beinahe antiken Reaktoren von Mühleberg und Beznau 1 einsetzen.

Die bevorstehende Abschaltung von Mühleberg ist nur ein kleiner, wenn auch bedeutender Beitrag zur Energiewende. Alternativen müssen her. Das Beispiel von Norwegen zeigt, dass eine Stromversorgung ohne Atom möglich ist: 98% des norwegischen Stromverbrauchs, der pro Kopf um das 3-fache höher ist als in der Schweiz, wird durch Wasserkraft gedeckt. Genau dies ist im Wasserschloss Europas, der Schweiz, auch möglich! Auch Alternativen wie Photovoltaik sind möglich, das Beispiel von Tenna GR mit dem ersten Solarskilift

der Welt macht es vor. Eine erneuerbare Zukunft benötigt aber auch ein flexibleres Stromnetz. Zudem kann der Stromverbrauch pro Kopf massiv gesenkt werden. Dazu benötigen wir einerseits ein Umdenken jeder einzelnen Person, jedoch auch energieeffizientere Geräte. Der wegfallende Atomstrom muss so also gar nicht 1:1 kompensiert werden. Der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts ist mehr als ein wegweisender Entscheid. Er bedeutet ein Ja zu einer erneuerbaren, grünen Zukunft. Let’s go for it! Jetzt.v

Souveränität oder Abhängigkeit? Adrian Ineichen | Zürich Oerlikon (Jungfreisinnige)

KW Mühleberg abschalten? Gerne, K aber dann bitte ein neues als Ersatz bauen! In einer Volksabstimmung vom Fe-

bruar 2011 sprach sich die Mehrheit der Berner genau für dieses Vorgehen aus. Auch wenn Mühleberg verschwinden sollte, sind wir künftig auf Kernenergie angewiesen. Heute macht sie gut 40% aus. Selbst wenn wir auf jedes Hausdach Solarzellen, in jede Landschaft Windräder und jeden Bach mit einem Wehr überbauen – alternative Energi-

en können Kernkraft nicht ersetzen. Zumal Sonne- und Windenergie nur dann Strom produzieren können, wenn das Wetter dafür mitspielt. Einzige echte Alternativen sind heute Gas-Kombi-Kraftwerke. Doch auch bei diesen überwiegen die Nachteile. Sie sind massive CO2-Schleudern und machen die Schweiz abhängig von Gas-Importen aus dem Ausland. Die Stromversorgungssicherheit ist ein wichtiger Faktor für die Wirtschaft. Unternehmen siedeln sich dort an, wo die Verfügung und die Kosten für Energie berechenbar sind.

möchten, besuchen Sie www.vimentis.ch/dialog. Seit 2003 veröffentlicht Vimentis einfache, neutrale Texte zu Abstimmungen und anderen wichtigen politischen Themen. Zudem führt Vimentis jedes Jahr die grösste neutrale politische Online-Umfrage durch und veröffentlicht Blogs von führenden nationalen Parlamentarierinnen

Nicht nur als Arbeitnehmer sind wir an einer sicheren Energiepolitik interessiert. Sollte Strom knapp werden, steigen die Preise massiv an. Dies berappen schlussendlich Hauseigentümer und Mieter. Und eine Stromknappheit ist real: Diesen Winter drohten Frankreich wegen dem hohen Energieverbrauch erstmals Stromausfälle. Schweizer KKW gehören zu den sichersten der Welt, deren Standards werden stetig erneuert und kritisch hinterfragt. Neue KKW sind effizienter, leistungsfähiger und sicherer. Schalten wir die alten Kraftwerke ab und ersetzen sie durch neue!v

und Parlamentariern. Aber auch für kantonale PolitkerInnen sowie BürgerInnen stehen alle Blog-Funktionen offen. Vimentis ist ein Verein mit Sitz in St.Gallen, dessen Mitarbeiter (vorwiegend Studierende) ehrenamtlich tätig sind. Vimentis finanziert sich vollständig aus Spenden von privaten Gönnern.


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Statements | Nr. 3 | April MMXII

kultur | bücher

Sag mal «cheese»! Die Britin Sue Style hat ein Buch über einen urschweizerischen Teil unserer Lebensart geschrieben: Den Käse Von Andrea Bollinger

E

-Books mögen momentan der Renner sein, aber den intensiven Genuss, ein gedrucktes Buch in Händen zu halten, kann so ein „Tablet“ einfach nicht bieten. Schon gar nicht, wenn es sich um das neueste Elaborat des Basler Kleinverlags „Bergli Books“ handelt. „Cheese – Slices of Swiss culture“ kommt, ganz zum Thema passend, im Senne-Chutteli-Look daher: Der Einband zeigt, grobkörnig und sich fast wie Stoff anfühlend, das typische blaue, mit Edelweiss durchwirkte Muster unseres traditionellen Schweizer Älpler-Hemdes. Darauf prangt ein prächtiger Käselaib mit Schweizerkreuz – urchiger geht’s nicht mehr. Wer aber nun Heidiland-Kitsch vermutet, liegt falsch. Verfasst hat das Buch nicht etwa der Kurator eines dörflichen Käsemuseums, sondern die britische Gastro-Journalistin Sue Style. Noch internationaler wird das Ganze durch den Fotografen, der wundervolle Bilder beigesteuert hat: Nikos Kapelis ist gebürtiger Grieche. Aus der Zusammenarbeit ist ein minu-

So ist „Cheese“ nicht einfach eine trockene Ansammlung von Fakten und einigen Rezepten, sondern der Versuch, Land, Leute und Lebensart zu erforschen, Traditionen und neue Entwicklungen nachzuzeichnen tiös recherchiertes, spannendes Buch entstanden, verlegt von der in Basel ansässigen Amerikanerin Dianne Dicks, die sich auf die Vermittlung von schweizerischen Themen an das stetig wachsende, Englisch sprechende Einwohnersegment unseres Landes spezialisiert hat. Wobei aber auch Deutschsprachige mit durchschnittlichen Englisch-Kenntissen das liebevoll gestaltete Werk mit Gewinn lesen können. 22 Kilogramm Käse konsumieren wir Schweizer im Durchschnitt pro Person in einem Jahr. Die Exportschlager sind Emmentaler und Gruyère, und die meisten Nicht-Schweizer kennen hauptsächlich diese beiden „golden oldies“, wie sie Sue Style bezeichnet. Dabei gibt es noch eine Menge weniger bekannte, aber ebenso schmackhafte Köstlichkeiten zu entdecken. Diese einem breiteren Publikum nahe zu bringen, hat sich Sue Style zur Aufgabe gemacht.

Autorin: Sue Style Titel: Cheese - Slices of Swiss Culture Verlag: Bergli Books Ltd. ISBN 13: 978-3905252200 Seiten: 256

Style lebt seit fast 30 Jahren in der Region Basel, nach Ettingen und Therwil nun im elsässischen Bettlach. Sie habe jedoch noch immer eine sehr enge Beziehung zu der Stadt am Rheinknie, sagt sie, überhaupt zum Dreiland: Am Vormittag in Deutschland einen Bioladen besuchen, kurz an den heimischen Herd nach Frankreich zurückkehren, am Nachmittag dann in Basel über ihr Buch sprechen, diese vielfältigen Möglichkeiten schätzt sie. Das mache Basel zu einer ganz besonderen Stadt – mit einem offenen, neugierigen Blick „nach aussen“, einer kosmopolitischen Mentalität. Style schreibt regelmässig Kolumnen für den Lifestyle-Teil der renommierten Financial Times (natürlich nicht nur über Käse) und hat schon mehrere Gastro-Bücher herausgegeben, bereits 1996 den Bestseller „A Taste of Switzerland“. Diese Autorin besitzt die Gabe, sorgfältig zusammen getragene Informationen auf sehr unterhaltsame Weise an ihre Leserschaft weiter zu geben. So ist „Cheese“ nicht einfach eine trockene Ansammlung von Fakten und einigen Rezepten, sondern der Versuch, Land, Leute und Lebensart zu erforschen, Traditionen und neue Entwicklungen nachzuzeichnen. Sue Style hat für ihr Buch fast ein Jahr

recherchiert, ist kreuz und quer durch die Schweiz gereist, hat eine Vielzahl von Käsereien besucht, in den meist kleinen Familienbetrieben den Käsekünstlern über die Schultern geschaut und keine Mühe gescheut, ein möglichst realistisches Bild des Käsemachens wiederzugeben. Mit Humor und ungebremstem Entdeckerdrang schildert sie ihre Erlebnisse, inklusive Schwindel erregende Fahrten in Gondeln auf abgelegene Alpen. Im Gespräch schwärmt sie von der Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft der Käser („nicht selbstverständlich, wenn da plötzlich eine Britin und ein Grieche auftauchen...“) querbeet vom Berner Oberland über die Romandie, vom Val Piora im Tessin bis zur kleinen Bioschafmilchkäserei im Engadin namens „Che Chaschöl“ – übersetzt etwa „Wow, was für ein Käse“. Hinter allen Beschreibungen spürt man Styles Begeisterung darüber, wie wacker die uralte Tradition des Käsemachens sich gehalten hat, wie auch junge Leute sich dieser recht harten Arbeit widmen, mit Sinn für das Alte und Offenheit für Neues, mit Hilfsmitteln – das „Chessi“, die „Käseharfe“, das grobe Tuch für den Käsebruch – , die sich im Lauf der Jahrhunderte kaum geändert haben. Das Buch bietet eine überwältigende Fülle an Informationen. Natürlich dürfen auch ein paar originelle Rezepte nicht fehlen – darunter gewagte multikulinarische Cross-Over-Versuche wie beispielsweise nordafrikanische Crèpes mit Tilsiter- und Rohschinken-Füllung.

«Wo auch immer man sich aufhält, ein Stück lokal produzierten Käses zu kaufen und zu geniessen, das ist dann Teil des besonderen Ambientes dieses Ortes» „Wo auch immer man sich aufhält, ein Stück lokal produzierten Käses zu kaufen und zu geniessen, das ist dann Teil des besonderen Ambientes dieses Ortes“, schwärmt Sue Style. Man merkt: Die Autorin will sich und uns diese „wundervolle Welt des Käses“ erschliessen, eine Welt, die, wie sie aus ihrer jüngsten Sennenhütten-Erfahrung sagt, „aus einer anderen Zeit zu stammen scheint“ und doch immer noch aktuell ist. s


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Nr. 3 | April MMXII | Statements

kultur | diesen monat

Diesen Monat empfehlen wir… Bernd Cailloux: Gutgeschriebene Verluste. Von Michela Seggiani

Autor: Bernd Cailloux Titel: Gutgeschriebene Verluste ISBN 978-3-518-42279-3 Seiten: 270. Gebunden Verlag: Suhrkamp

„Dieses Café ist das Café der Übriggebliebenen“ ist einer der ersten Sätze in Cailloux’ neu erschienenem Roman. Gemeint ist das Café Fler in Berlin, welches vom 60jährigen Protagonisten häufig aufgesucht wird. Dort sitzend sinniert er über frühere Kneipenbesuche aus den 1970er und den 1980er Jahren, über frühere Bekannt- und Liebschaften, über Träume und Visionen. Kurz: es wird eine Lebensbilanz gezogen, die der des Autors sehr nahe zu kommen scheint. Mit viel Wärme und Ironie schildert er nicht nur die Stammkundschaft des Café Fler, sondern auch sich selbst, und dies mit einer gehörigen Portion Selbstkritik, die zuweilen auch mal zu sehr in Selbstmitleid abdriftet. Wir erfahren peu à peu Episoden und Ereignisse aus dem Leben des Mannes, der Stücke und Beiträge für den Hörfunk schreibt. (Der vom Autoren verwendete Begriff ‚Hörfunk’ klingt viel geheimnisvoller als ‚Radio’ und verweist auf einen raffinierten und gekonnten Umgang mit Poesie.) Die Bilanz der gutgeschriebenen Verluste ist nicht chronologisch gehalten, sondern hält sich an

ERIKA BABATZ UND SABRINA FRIIO PRÄSENTIEREN PORTRAITS IN DER GALERIE WIDMER+THEODORIDIS Von Laurent Leu Die Galerie WIDMER + THEODORIDIS ist eine Fundgrube zeitgenössischer, ausdrucksstarker Künstler und Künstlerinnen, deren Werke durch ihre Authentizität und klare Positionen auffallen. Dies gilt auch für die Ausstellung „Erika Babatz | Sabrina Friio: Portraits“, in der die Künstlerinnen ihre Arbeiten im Galerieraum und gleichzeitig im Projektraum Ehegraben zeigen. Aus Abfällen und Rückständen sind die Gebilde auf den Fotogrammen von Erika Babatz zusammengestellt, während Sabrina Friio mit

ausgestopften Tieren arbeitet. Die Tiere sind gesichtslos, vermitteln aber durch ihre starke Körperlichkeit einen konfrontativen Dialog zum Betrachter. Beide Künstlerinnen bedienen sich der Vanitassymbolik und liegen mit ihren stilllebenhaften Portraits in einer in der aktuellsten Kunst stark aufkommenden Tendenz. Die Erinnerung an „Memento mori“ wird durch den monochromen Hintergrund der Werke verstärkt. Erika Babatz lebt und arbeitet in Berlin, Sabrina Friio in Zürich. Die Kombination ist äusserst gelungen!s

einen Kompass scheinbar zufällig aufkommender Erinnerungen. So erinnert sich der Protagonist, angeregt durch seine neueste Beziehung mit Ella, einer etwa 20 Jahre jüngeren Geschäftsfrau und alleinerziehender Mutter, immer wieder an verflossene Liebschaften. Die Beziehung in der Gegenwart allerdings ist nicht wirklich nachzuvollziehen: zu oft wird Ella als verkappte Männerhasserin und eine irrational agierende Frau in einer Midlifecrisis dargestellt und ins Lächerliche gezogen. Das Argument, dies könnte des Erzählers letzte Liebe sein, passt nicht zum sonst so unstrategischen Protagonisten. Ihre Figur scheint einzig die Funktion zu haben, den Ich-Erzähler als potent und noch begehrenswert darzustellen, ansonsten ist ihre Charakteristika relativ platt gezeichnet. Dies zeigt sich zum Beispiel, wenn er sich fragt, warum eine studierte Frau nicht fähig ist, gewisse, für ihn durchaus logische Dinge, zu verstehen. Hier wären weniger stereotypisierte Muster mehr gewesen. Dafür sind die Schilderungen der beruflichen Rückblicke spannend und die

Erinnerungen an die „Partyzeit“, in der auch vor Heroin kein Halt gemacht wurde. Die Folgen, eine Hepatitis C Erkrankung, spürt der Protagonist noch heute. Hier ist die Beschreibung der Angst vor einer nicht ungefährlichen Inferon-Therapie gut gelungen. Auch gewinnt der Roman an Tiefe, wenn die Suche nach der wahren Geschichte seiner Kindheit uns in die Zeit und in die Wirren nach dem Zweiten Weltkrieg bringt. Erstaunlich ehrlich und sensibel muten auch die Schilderungen der Freundschaft mit Leiser, einem Freund aus früherer Zeit, an. Streckenweise sehr eindrücklich geschrieben, literarisch äussert stark, manchmal leider etwas erschlafft wie der Protagonist selbst, ist der Roman ein schöner Beitrag an die jüngste deutschsprachige Literatur.s

Die Ausstellung dauert noch bis zum 28. April 2012. Galerie WIDMER+THEODORIDIS, Weggengasse 3, CH-8001 Zürich. www.0010.ch


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Statements | Nr. 3 | April MMXII

PROFIL | Sonja a. buholzer | CEO-COACH UND BUCHAUTORIN

Von der Natur lernen

Proust Questionnaire:

Sie taucht mit Haien, berät Topmanagerinnen und -manager aus Wirtschaft und Politik, ist promovierte Philosophin, war Bankdirektorin und veröffentlicht Ihre Tipps und Visionen in zahlreichen Publikationen: Frau Dr. phil. Sonja A. Buholzer, M.A. Von Michela Seggiani enn Sie Frau Dr. Sonja A. W Buholzer an einem Vortag erlebt, sie im Fernsehen gesehen oder ihre Bücher gelesen haben, wissen Sie: Diese Frau hat etwas zu sagen. Und was sie sagt, meint und lebt sie auch so. So ruft sie beispielsweise in ihrem Buch „Umdenken, jetzt!“ auf: „Setzen Sie sich an die Schalthebel der Macht von Wirtschaft und Politik, bestimmen Sie die neuen Spielregeln der Ethik mit.“ Um nachhaltig erfolgreich und damit glücklich zu sein, so Buholzer, geht es nicht darum, mit althergebrachten Methoden die Karriereleiter erklimmen oder den eigenen Chefsessel mit unhinterfragten Strukturen festigen zu wollen. Sondern es geht darum, der Natur Respekt entgegenzubringen und mit Gelassenheit, innerem Gleichgewicht und Weisheit fair und nachhaltig zu agieren. Buholzer motiviert die Frauen dazu, den Mut zu haben,

ihre Weiblichkeit einzusetzen. Die Weiblichkeit als Kapital für die Zukunft zu erkennen, gilt aber nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer. Wie dies zu bewerkstelligen ist, hat Frau Buholzer in zahlreichen Publikationen niedergeschrieben.

Statements-Rabatt!

Für Statementsleserinnen und -leser kostet das Buch «Die Frau im Haifischbecken» statt 36 nur 29 Franken. Bestellen Sie direkt mit dem Hinweis auf «Statements» über: info@vestalia.ch www.vestalia.ch. Sonja A. Buholzer: Die Frau im Haifischbecken. Was wir vom "Topräuber" der Meere lernen können. 254 Seiten, Klappenbroschur. ISBN: 978-3-9523280-8-8 Preis: CHF 36.- (CHF 29.- für StatementsleserInnen)

Die erfolgreiche Autorin und Beraterin hat in Zürich Philosophie, Literaturkritik und Geschichte studiert, lebte einige Zeit in den USA und war als Assistentin und Lehrbeauftragte an der State University of New York tätig. Als Schweizer Bankdirektorin war sie eine der wenigen Frauen in leitender Funktion in diesem Berufsfeld. Seit nunmehr 18 Jahren engagiert sie sich international als Wirtschaftsberaterin und hat sich auf die Beratung von Führungskräften spezialisiert. In ihren Haitauchgängen lernt sie viel über Führungsprinzipen, Territorialverhalten und Strategien. Beobachten, wie die Natur funktioniert und daraus lernen, ist ihre Devise. Und mehr Nachhaltigkeit und Ethik in die Führungsgremien zu bringen, lautet ihre Botschaft. Dazu braucht es ein radikales Umdenken. Jetzt!s

1.Was ist für Sie das grösste Glück? Das Glück meiner Familie. 2. Was ist für Sie das grösste Unglück? Der Tod von Geliebten. 3. Ihre Lieblingstugend? Zivilcourage und bedingungslosen Mut, Dinge zu ändern, die für eigene Werte stehen, die Stimme zu erheben, wenn Unrecht geschieht, die Rebellion des Herzens gegen die Perversion der Normalität einzusetzen. 4. Ihre Lieblingsbeschäftigung? Lieblingshobby Tauchen. Und Reisen. 5. Ihr grösster Fehler? Zu viel Banalem Gewicht geben. 6. Wo würden Sie gerne leben? In New York, am Meer. 7. Welche Sünden könnten Sie am ehesten verzeihen? Neid. 8. Welche sind Ihre LieblingsheldInnen in der Dichtung? Goethes „Faust“, Rilkes „Engel“, Luise Rinsers „Mirjam“, Odysseus, der 17 Jahre den Weg nach Ithaka suchte. 9. HeldInnen des richtigen Lebens? Bedingungslose KämpferInnen für Recht von Mensch, Tier und Planet wie etwa Gorilla-Forscherin Dian Fossey, Regisseur Werner Boote mit seinem Film zum Schutz der Weltmeere „Plastic Planet“, Nelson Mandela, Kofi Annan, Karlheinz Böhm mit seinem Werk „Menschen für Menschen“, der Gründer von Spaniens grösstem Auffanglager „Scooby“ für Spaniens grausam verfolgte Windhunde (Galgos), beherzte Menschen, die etwas zum Guten bewegen. 10. Historische Persönlichkeiten, die Sie beeindrucken? Grossartige, von der Geschichte (His-Story) fast vergessene Frauen wie Mechthild von Magdeburg, Hildegard von Bingen, Jeanne d’Arc, Teresa von Avila, Martin Luthers Frau. 11. LieblingsschriftstellerIn? Luise Rinser, Virginia Woolf, Simone de Beauvoir, Rainer Maria Rilke, Rosalind Miles, Christine Brücker mit ihren Reden ungehaltener Frauen, Peter von Matt. 12. LieblingsmalerIn? Georgia O’Keeffe, Judy Chicago, Frida Kahlo. 13. LieblingsmusikerIn? Katie Melua, Joan Baez, Maria Daines, die in ihrer berührenden Musik ausschliesslich den misshandelten Tiere dieser Welt eine Stimme gibt. 14. Welche Eigenschaften schätzen Sie bei einem Menschen am meisten? Intelligenz mit Würde und Idealismus. 15. Wer würden Sie gerne sein (wenn nicht Sie selbst)? Eine historische Figur wie George Sand, die Päpstin (nach Donna W. Cross), eine Aebtissin des mystischen Mittelalters, Eva. 16. Welche natürliche Gabe möchten Sie besitzen? Die von Dr. Dolittle. 17. Welche Fehler entschuldigen Sie am ehesten? Solche, die aus Enthusiasmus und Idealismus entstanden. 18. Ihr Motto? Take it or leave it. 19. Politische Partei? Ich bin in keiner politischen Partei, vielleicht gerade, weil ich so politisch bin.


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