S 5 Preis: TICHF BE50 Jahres-Abo: GRA ACHF
Jahr I | Nummer 1 Februar MMXII Auflage 25’000
G AUS
“Ich lehne Ihre Meinung ab, würde aber mein
Regionen
Seite 12
Seite 28
Elisabeth Schneider, Nationalrätin (CVP/BL)
Anna Rüefli, Kantonsrätin (SP/SO)
Luzi Stamm, Nationalrat (SVP/AG)
Philipp Arnet, Kantonsrat (FDP/SO)
Wie weiter mit der Personenfreizügigkeit?
Beitritt zum Konkordat über private Sicherheitsfirmen
Sind die EU-Einwanderer ein Grund oder eine Gefahr für unseren Wohlstand? Die Personenfreizügigkeit hat die Schweiz unzweifelhaft verändert.
regionen
Immer mehr Polizeiaufgaben werden von privaten Sicherheitsfirmen übernommen. Die Anforderungen an die Qualität dieser Firmen sind je nach Kanton verschieden. Eine Vereinheitlichung mag wünschenswert sein, ist aber mit bürokratischem Aufwand verbunden.
Seite 15
Lukas Engelberger, Grossrat (CVP/BS)
SCHWEIZ
Christine Keller, Grossrätin (SP/BS)
Untenehmenssteuern in Basel-Stadt auf dem Prüfstand In dieser Debatte sind sich die Kontrahenten darin einig, dass Basel grundsätzlich Spitze ist. Streiten kann man darüber, ob man weiter aufsteigen oder konsolidieren und anderswo vorwärts machen will.
regionen
Seite 20
Beatrice Herwig, Landrätin (CVP/BL) Daniel Münger, Landrat (SP/BL)
Auslagerung der Baselbieter Spitäler
Grundsätzlich will niemand auf die Dienste des Spitals angewiesen sein. Dennoch sind aber alle froh, dass wir Spitäler haben und diese eine gute Arbeit leisten.
Seite 4
Bauspar-Initiative Hannes Germann, Ständerat (SVP/SH) Beat Jans, Nationalrat (SP/BS)
Bausparen macht Träume wahr, aber nicht alle träumen das Selbe. Bei einem Grundbedürfnis wie dem Wohnen stossen
schweiz Balz Stückelberger, Landrat (FDP/BL) Hans Furer, Landrat (GLP/BL)
Sechs Wochen Ferien – Vom Badeurlaub und den Kosten für die Wiederherstellung der Arbeitskraft
Kultur
Seite 30
Bücher und Ausstellungen
Weltbilder aufeinander. Für die einen ist die Förderung des Bausparens für selbstgenutztes Wohneigentum die Verwirklichung eines Lebenstraums, für die anderen ist es nur eine Möglichkeit der Steuerersparnis für Wohlhabende. Verschaffen Sie sich selbst ein Bild! Seite 6
Über die Dauer der eigenen Ferien selbst bestimmen, das klingt zu schön, um wahr zu sein. Es gibt aber auch bei dieser Frage eine Kehrseite der Medaille. Einerseits steigen für die Arbeitgeber die Lohnnebenkosten, anderseits sind Ferien heutzutage nicht immer erholsam.
Ein Roman von Marlene Streeruwitz, ein Essay von Tim Jackson und eine Ausstellung von Sabine Wannenmacher in der Gallery Guillaume Daeppen.
profil
Seite 34
Rodrigo Carrizo Couto, Journalist und Fotograf
Der kosmopolite Netzwerker Rodrigo Carrizo Couto lernte als Fotograf und Journalist die Welt kennen und die Schweiz lieben.
RCC
INTERNATIONAL
Leben dafür geben, dass Sie diese äussern dürfen.”
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Nr. 1 | Februar MMXII | Statements
EDITORIAL
Ein neues Magazin mit mehreren Stimmen Liebe Leserinnen und Leser
INHALT
etzt ist es da: Das neue Polit-Magazin „Statements“! Die neue Publikation erblickt das Licht der Welt zu einem Zeitpunk, in dem nur wenige J auf das Medium gedruckte Periodika setzen. Wir von „Statements“ glauben an das handliche
Magazin, das bereits im kleinen und im grossen Rahmen zu sprechen gegeben hat und ergänzen es mit einer digitalen Plattform auf www.statements.ch. Die Schweiz hat eine grosse politische Streitkultur über Jahrzehnte entwickelt, die in den letzen Jahren allzu oft in den politischen Grabenkriegen vernachlässigt wurde. Oft fehlt nicht nur die Lust an der Diskussion, es steigt sogar die Tendenz, dass man die entgegengesetzte Meinung gar nicht hören oder lesen will. Mit „Statements“ soll die Möglichkeit geschaffen werden, zwei Meinungen zum selben Thema ungefiltert zu lesen und diese gegeneinander abzuwägen. Bei „Statements“ lenken weder lautes Schreien noch drohende Blicke und fuchtelnde Hände von den Argumenten ab. Wir erwarten von den Schreibenden eine überzeugte und überzeugende, faire Argumentation. Die Redaktion setzt den Schreibenden kaum Grenzen und hofft auf die Selbstregulierung durch Anstand und schreiberischen Ehrgeiz. Wir stehen zu unserem Magazin, aber natürlich nicht zu den darin vorgetragenen Argumenten. In einem Land mit über 200 Urnengängen auf kantonaler und Bundesebene pro Jahr will „Statements“ als Informationshilfe keine bestehenden Wissensquellen ersetzen oder konkurrenzieren, wir ergänzen sie nur. Mit über 2’500 Gemeinden und 26 kantonalen Parlamenten und Regierungen verfügt die Schweiz über die wahrscheinlich höchste Politikerdichte der Welt. Unser Milizsystem und die direktdemokratischen Instrumente machen die Politik zu einer erlebbaren, partizipativen Realität. 2,5 Millionen Menschen gestalten das Land mit Kreuzchen und Listen, wir kummulieren und panaschieren uns die 40’000 Politikerinnen und Politiker nach unserem Gutdünken und das ist gut so. Die faustimsackmachenden 2,5 Millionen, die sich nicht engagieren, sind herzlich aufgerufen, ebenfalls „Statements“ zu lesen. Doch wer nicht will, der hat schon. Mit viel Enthusiasmus und wenig Mitteln setzen wir nun zum Sprung in die nationale Liga der Medienlandschaft an, dies ist ohne unsere Politikerinnen und Politiker, ohne unsere Leserinnen und Leser, aber auch ohne die werbende Wirtschaft nicht möglich. Wir wollen den Werbenden eine Plattform bieten, ihre Produkte und Dienstleistungen einem interessierten und anspruchsvollen Publikum zu präsentieren. Unser Dank geht in erster Linie an das Heer von Männern und Frauen, die neben ihrem Broterwerb Zeit und Geduld aufbringen, um von den Gemeindesälen über die Kantonsparlamente bis ins Bunderatszimmer einen Beitrag zur Entwicklung und Verbesserung des Landes und der Perspektiven seiner Bewohner zu leisten. Viele dieser 40’000 werden nie in „Statements“ schreiben, einige werden es nicht einmal lesen. Dennoch erscheint es uns wichtig, ihren Aufwand zu honorieren. Daher ist das Abo unseres Magazins für alle Amtsträger 20% verbilligt. Wichtig sind uns aber auch all jene, die ohne Amt das Geschehen beobachten, hinterfragen und gestalten. 2,5 Millionen Menschen machen von ihrem Stimm- und Wahlrecht Gebrauch, nur ein Bruchteil davon wird „Statements“ je lesen, an sie ist es aber gerichtet. Schenken Sie ihnen Ihr gelesenes Exemplar, wir senden Ihnen ein neues! Nicht zuletzt danken wir den Werbenden der ersten Ausgabe, die mit ihrer mutigen Investition in ein neues Produkt die Spontanität und Innovationskraft der Schweizer Unternehmen bewiesen haben. Mein persönlicher Dank geht an das Team, das mich unterstützt und an meine Bürokollegen Roman und Domenico. Ohne Monica und Michela sowie den schreibenden Politikerinnen und Politikern und den beratenden Tim und Tvrtko wäre dieser Traum nie Papier geworden. Besonders wichtig ist die Unterstützung durch meine Frau Martina und durch Monicas Harry sowie unseren jeweiligen Kindern, die auf viele Stunden unserer Zeit verzichtet haben. Es wird sich lohnen!s Daniel Ordás, Editor
4 | Schweiz
Bauspar-Initiative | Hannes Germann (SVP/ SH) vs. Beat Jans (SP/BS)
6 Vom Badeurlaub und den Kosten für die
Wiederherstellung der Arbeitskraft | Balz Stückelberger (FDP/BL) vs. Hans Furer (GLP/BL) 10 Don’t judge a book by its cover | Baschi Dürr (FDP/BS) vs. Giorgio Pardini (SP/LU)
12 | International
Wir weiter mit der Personenfreizügigkeit? Elisabeth Schneider (CVP/BL) vs. Luzi Stamm (SVP/AG)
15 | REGIONEN | BASEL-STADT
Untenehmenssteuern in Basel-Stadt auf dem Prüfstand | Lukas Engelberger (CVP/
BS) vs. Christine Keller (SP/BS)
16 Die Pensionskasse des Kantons Basel-Stadt, ein Dauerbrenner | Emmanuel Ullmann (Grünliberale/BS) vs. Urs Müller-Walz (BastA!/BS)
| BASEL-LANDschaft 18 Wer soll die Kinder wie betreuen und was darf es wen kosten? | Dominik Straumann (SVP/BL) vs. Regula Meschberger (SP/BL)
20 Auslagerung der Baselbieter Spitäler | Bea-
trice Herwig (CVP/BL) vs. Daniel Münger (SP/BL)
24 | AARGAU
Revision des Einbürgerungsrechts im Kanton Aargau | Ivica Petrušić (SP/AG)
vs. Andreas Glarner (SVP/AG)
26 | SOLOTHURN
Die Nennung der Nationalität der Täterschaft in den Polizeimeldungen des Kantons Solothurn | Colette Adam (SVP/
SO) vs. Markus Knellwolf (GLP/SO)
28 Beitritt zum Konkordat über private
Sicherheitsfirmen | Anna Rüefli (SP/SO) vs. Philipp Arnet (FDP/SO)
30 | Kultur
Bücher und Ausstellungen
34 | Profil
Ein Leben, ein Netzwerk | Rodrigo Carrizo Couto, Journalist und Fotograf Von Monika Moser
bestellen sie jetzt die ersten drei gratis-ausgaben unter info@staTements.ch Statements Nummer 2: Impressum Erscheint am 2. März 2012 Statements Redaktion: redaktion@statements.ch · www.statements.ch • Leitung Redaktion: Daniel Ordás • RedaktorInnen: Michela Seggiani, Tim Cuenod, Monika Moser, Roman Hänggi • Fotos: Archive, Redaktion, www.vectorimages.com • Illustration: Mo Bridge für www.oz-artworks.com • Design & Art Direction: Mónica Subietas für www.oz-artworks.com • IT und Web: Sebastian Westhues für www.yooapps.com | Administration Advokatur & Rechtsberatung TRIAS AG · 4133 Pratteln · Telefon: +41 (0) 61 823 03 03 · www.advokatur-trias.ch | Druck: Druckerei Bloch AG, 4144 Arlesheim. Statements ist eine Monatszeitschrift ohne politische Ausrichtung. Die ganze oder teilweise Wiedergabe der Texte bedarf der Bewilligung durch die Redaktion sowie der Quellenangabe. Statements ist nicht verantwortlich für den Inhalt der Artikel und teilt die hier wiedergegebenen Meinungen nicht zwingend.
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Statements | Nr. 1 | Februar MMXII
SCHWEIZ
BausparInitiative Bausparen macht Träume wahr, aber nicht alle träumen das Selbe. Bei einem Grundbedürfnis wie dem Wohnen stossen Weltbilder aufeinander. «Raus aus der Miete – rein in die eigenen vier Wände.» Hannes Germann* Ständerat (SVP/SH)
schaft zur Förderung des Bausparens (SGFB) und jene des Hauseigentümerverbands Schweiz (HEV). Trotz ihrer Unterschiede stimmen die beiden Eidgenössischen Volksinitiativen inhaltlich in hohem Mass überein. Umso mehr erstaunt es, dass der Bundesrat entschieden hat, die beiden Initiativen zu unterschiedlichen Zeiten zur Abstimmung zu bringen. So wird am 11. März über die Initiative der SGFB und vermutlich im Juni über jene des HEV entschieden.
Das Bausparen erweist sich als effizientes Förderungsmittel für Mieterinnen und Mieter, die selbstgenutztes Wohneigentum erwerben wollen Der Bundesrat und alle Fiskalisten sind, wen überrascht es, gegenüber jeglichen Steuererleichterungen skeptisch. Es bestünden bereits heute genügend Fördermöglichkeiten, heisst es. Gemeint ist dabei namentlich der Vorbezug von Alterskapital aus der Pensionskasse. Doch aufgepasst: Ein brandaktueller Bericht des Bundesrates über die Zukunft der 2. Säule stellt dem Vorbezug von Alterskapital zum Erwerb von Wohneigentum kein gutes Zeugnis aus. So könne der Griff in die Pensionskasse beim Eintritt ins Rentenalter zu schmerzlichen finanziellen Engpässen führen… Mit dem Bausparen bietet man jungen Ehepaaren oder Familien eine einmalige Chance für den Erwerb von Wohneigentum. Das Bausparen erweist sich als effizientes Förderungsmittel für Mieterinnen und Mieter, die selbstgenutztes Wohneigentum erwerben
Mo Bridge
ktuell sind zwei Volksinitiativen zum A Bausparen abstimmungsreif, nämlich die Initiative der Schweizerischen Gesell-
wollen. Und fast alle möchten dies. Im Kanton Basel-Land, dem einzigen Kanton mit Bauspar-Erfahrung, hat man in den letzten 20 Jahren positive Erfahrungen gemacht. Das Bausparen ist ein Erfolgsmodell. Pro Jahr haben es 3›000 Bausparer genutzt. Das ist auch kein Wunder. Warum sollte in der Schweiz nicht funktionieren, was sich in Deutschland seit Generationen bewährt. Eine wissenschaftliche Begleitstudie zum „Bausparen im Kanton Baselland“ belegt, dass dank der verschiedenen Multiplikatoren von den Fördermassnahmen eine spürbare Hebelwirkung ausgeht. Die Kombination einer relativ geringen Reduktion des Steueraufkommens mit einer bescheidenen staatlichen Förderung vermag eine beachtliche volkswirtschaftliche Wirkung zu erzielen. Unter dem Strich geht die Rechnung also auch für den Staat voll auf. Auch das Argument des Bundesrates, dass diejenigen Haushalte mit einem steuerbaren Jahreseinkommen zwischen 60‘000 und 100›000 Franken faktisch vom Bausparen
ausgeschlossen seien, kann problemlos widerlegt werden. Das durchschnittliche steuerbare Einkommen der Bausparer in Basel-Land liegt bei Fr. 56›000.-. Zwei Drittel aller Bausparer erzielen ein steuerbares Jahreseinkommen von weniger als 80›000 Franken. Nur gerade 10% aller Bausparer haben ein steuerbares Jahreseinkommen über 120›000 Franken. Fazit: Das Bausparen verdient eine positive Würdigung. Es hilft den Menschen, ihren Traum von den eigenen vier Wänden zu verwirklichen. Es ist volkswirtschaftlich, sozial- und staatspolitisch sinnvoll. Denn wer Wohneigentum erwirbt, übernimmt Selbstverantwortung und investiert auf sinnvolle Weise in seine Altersvorsorge. Darum ein Ja zum Bausparen!s
*Hannes Germann | Partei: SVP | Amt: Vizepräsident des Ständerates | Kanton: Schaffhausen | Beruf: Betriebsökonom, dipl. OEK und Lehrer www.hannesgermann.ch
uf den ersten Blick sind Steuerabzüge A reizvoll. Sie sind das einzige, was beim Ausfüllen der Steuererklärung Spass macht.
«Viel Aufwand, der nichts bringt.» Beat Jans* Nationalrat (SP/BS)
Auf den zweiten Blick sind sie aber ein Übel. Der Bundesrat hat es einmal vorgerechnet: Würden alle existierenden Steuerabzüge ab-
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Nr. 1 | Februar MMXII | Statements
SCHWEIZ geschafft, dann könnte der Steuertarif um einen Drittel gesenkt werden. Mit anderen Worten: Die Steuerabzüge für die einen erhöhen die Steuern für die andern. Vor Jahren hatte die FDP genau deshalb eine ‹Steuererklärung auf dem Bierdeckel› gefordert, ohne Abzüge also. Doch statt die Steuererklärung einfacher zu machen, kommen aus denselben Kreisen schon wieder neue, komplizierte Abzugsvorschläge: Bauspareinlagen sollen während 10 Jahren von der Vermögenssteuer und die auf dem Bausparkapital angewachsenen Zinsen von der Einkommenssteuer abgezogen werden können. Die Initianten wollen damit den Anteil an Wohneigentum fördern. Gegen dieses Ziel ist wohl nichts einzuwenden. Aber die Initiativen tragen dazu nichts bei. Das zeigt eine Studie, über die am 16. März 2010, in der «NZZ» berichtet wurde. Untersucht wurde, ob die Wohneigentumsquote in Kantonen mit Bausparmodellen im Verhältnis stärker angestiegen ist. Das Ergebnis ist ernüchternd: Ein signifikanter Effekt konnte nicht nachgewiesen werden. Es stimmt zwar, dass im Kanton Basel-Landschaft seit der Einführung des Bauspar-Abzuges der Anteil am Wohneigentum gestiegen ist. Nur das selbe ist in
zehn anderen Kantonen auch geschehen. Ohne Steuererleichterung. Das kann auch nicht verwundern. Junge Familien, die sich keine eigenen vier Wände leisten können, scheitern nicht an den Steuern auf den Ersparnissen, sondern schlicht daran, dass sie zu wenig Ersparnisse haben. Wer gut verdient, hat diese Unterstützung nicht nötig, reibt sich ob der Steuerabzüge genüsslich die Hände. Wer hingegen wenig verdient, profitiert davon nichts. Der Bundesrat sagt es so: «Der Bausparabzug bevorzugt vor allem
Es werden viel Steuergelder mit sehr geringer Wirkung verschenkt wohlhabende Schichten, die auch ohne Bausparen den erstmaligen Erwerb von selbstgenutztem Eigentum ins Auge fassen.» Ökonomen sprechen hier von einem Mitnahmeeffekt, der in diesem Fall sehr gross ist. Es werden viel Steuergelder mit sehr geringer Wirkung verschenkt. Auch die Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren kann den Initiativen wenig abgewinnen. Kein Wunder: Deren Umset-
zung würde zu erheblichen Steuerausfällen führen. Bei der HauseigentümerverbandsInitiative wären es etwa 100 Millionen Franken pro Jahr für die Kantone und 36 Millionen für den Bund. Dafür hätten die Steuerbehörden einen beträchtlichen Mehraufwand zur Handhabe und Kontrolle der komplizierten Abzuges. Was geschieht, wenn jemand nach zehn Jahren Steuerabzügen trotzdem nicht baut?s *Beat Jans | Partei: SP | Amt: Nationalrat | Kanton: Basel-Stadt | Beruf: Umweltnaturwissenschaftler | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Dimitri, weil ich vermute, dass sein Humor und sein Optimismus ansteckend sind. | Ort, an den ich gerne reisen würde: An den Etang de La Gruyère an einem sonnigen Werktag. Weil die Ruhe und Magie von Mooren mich immer berührt. | Das nervt mich: Wenn Politiker die Öffentlichkeit hinters Licht führen und nicht offenlegen, auf welche Medien sie Einfluss nehmen oder von wem sie ihre Wahlkampagnen bezahlen lassen. www.beatjans.ch/SP-basel-grossrat-nationalrat Und jetzt Sie, auf www.statements.ch
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Statements | Nr. 1 | Februar MMXII
Schweiz
Vom Badeurlaub und den Kosten für die Wiederherstellung der Arbeitskraft Über die Dauer der eigenen Ferien selbst bestimmen, das klingt zu schön, um wahr zu sein. Es gibt aber auch bei dieser Frage eine Kehrseite der Medaille. «6 Wochen Ferien – das leisten sich nicht einmal die Griechen!» Balz Stückelberger* Landrat (FDP/BL)
onne, Strand und Meer – wer will denn S da schon etwas dagegen haben. Mit dem durchaus populären, aber leider auch äusserst
populistischen Anliegen, fordern die Gewerkschaften einen minimalen Ferienanspruch von sechs Wochen für alle. Das sind zwei Wochen mehr als gesetzlich vorgeschrieben und eine Woche mehr als in den meisten Gesamtarbeitsverträgen üblich. Rechnet man die hierzulande gewährten Feiertage noch dazu, würde sich die Schweiz mit einem Schlag von der beliebten Feriennation zur führenden Ferienmacher-Nation entwickeln.
Der Erfolg unserer Wirtschaftsnation beruht nicht allein auf unserer überdurchschnittlichen Genialität, sondern zu einem sehr schönen Teil auch auf unserer Bereitschaft, viel und hart zu arbeiten Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger stehen am 11. März vor der Herausforderung, den auf den ersten Blick verlockenden persönlichen Vorteil gegenüber dem gesamtwirtschaftlichen Schaden abzuwägen. Es gilt, sich von der Idealvorstellung eines 52-wöchigen Ferienanspruchs zu lösen und eine nüchterne Gesamtbetrachtung anzustellen, um die verheerenden Folgen dieser Initiative zu erkennen. Da wären zunächst einmal die Kosten: Sechs Wochen Ferien führen zu einem weiteren Anstieg der ohnehin schon sehr hohen Arbeitskosten. Insgesamt hätten die Arbeitgeber rund 6 Milliarden Franken Mehrkosten zu tragen, und das in einer Zeit, wo jedes Unternehmen den Gürtel enger schnallen muss. Besonders hart würde die Initiative die zahlreichen kleineren KMU treffen, die aufgrund des kleinen Personalbestandes kaum Möglichkeiten haben, die zusätzlichen Ferienabwesenheiten durch bestehendes Personal zu kompensieren.
Doch selbst wenn Geld keine Rolle spielen würde: Die sozialistische Initiative vermag nicht einmal ihre eigenen Ziele zu erfüllen; mehr noch: sie ist sogar kontraproduktiv. Den Initianten ist zwar beizupflichten in ihrer Feststellung, dass der Druck in der Arbeitswelt laufend zunimmt und die Arbeitnehmenden mehr Erholung und verbesserte Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf brauchen. Doch, Hand auf’s Herz: Es ist doch völlig blauäugig anzunehmen, dass jemand wegen ein paar Tagen mehr Ferien näher an seine Familie heranwächst oder sich weniger gestresst fühlt. Um diese wichtigen gesellschaftlichen Anliegen anzugehen, braucht es nachhaltig sinnvolle und vor allem wirkungsvolle Massnahmen. Diese lassen sich aber nicht einfach mit ein paar Zeilen einer Volksinitiative herbeisammeln. Nein, dazu braucht es breit abgestützte und sozialpartnerschaftlich anerkannte Lösungen wie Teilzeitarbeit, flexible Arbeitszeiten oder Auszeiten, Sabbatticals o.ä. Solche Modelle können aber nicht zusätzlich zu einem völlig überrissenen Ferienanspruch von sechs Wochen umgesetzt werden. Insofern ist die Initiative nicht nur wirkungslos, sondern auch kontraproduktiv. Die Initiative greift die Konkurrenzfähigkeit der Schweiz in einem sehr empfindlichen Punkt an. Der Erfolg unserer Wirtschaftsnation beruht nämlich nicht allein auf unserer überdurchschnittlichen Genialität, sondern zu einem sehr schönen Teil auch auf unserer *Balz Stückelberger | Partei: FDP. Die Liberalen | Amt: Landrat, Oberrheinrat | Kanton: Basel-Landschaft | Beruf: Geschäftsführer Arbeitgeberverband Schweizer Banken | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Mit dem Erfinder von Statements, weil ich dann jemand kennen würde, der an die Zukunft von Printmedien glaubt. | Ort, an den ich gerne reisen würde: Auf eine einsame Insel ohne Strom, um den Charme von gedruckten Zeitungen wieder zu entdecken. | Das nervt mich: Schlechte Argumente. www.dometownarlesheim.ch
Bereitschaft, hart und viel zu arbeiten. Genau dort will die Initiative nun ansetzen und damit einen wesentlichen Standortvorteil der Schweiz preisgeben. Und schliesslich steht die Initiative auch systematisch völlig quer in der Landschaft, in dem sie unsere bewährten Prinzipien eines liberalen Arbeitsrechts aushebelt und den Gestaltungsspielraum für sozialpartnerschaftliche Vereinbarungen massiv einengt. Angesichts dieser erheblichen Kritikpunkte überrascht es kaum, dass bisher lediglich die SP und die Grünen hinter der Initiative stehen. Das Anliegen scheint derart unrealistisch zu sein, dass sogar darauf verzichtet wurde, einen Gegenvorschlag zu unterbreiten. In der Vernehmlassung sprachen sich nicht nur FDP und SVP, sondern auch die Mitteparteien inklusive Grünliberale gegen die Initiative aus, ebenso alle Wirtschaftsverbände und die Kantone. Es ist zu hoffen, dass die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger am 11. März darauf zu verzichten, sich dieses vermeintliche Geschenk zu machen und damit grossen Schaden von unserer Volkswirtschaft abwenden.s
«Sechs Wochen Ferien sind kein Luxus.» Hans Furer* Landrat (GLP/BL)
enn wir am 11. März 2012 über die InW itiative von Travail.Suisse „Sechs Wochen Ferien für alle“ abstimmen werden, höre
ich das Jammern schon jetzt: Die Verbände der Arbeitgeber werden den Niedergang der Schweiz prophezeien, werden uns vorrechnen, dass wir uns dies finanziell nie und nimmer leisten können und dass die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz in Frage gestellt ist. Man wird darauf hinweisen, dass man ja alles in Gesamtarbeitsverträgen regeln kann.
GAV-Regelungen: Ja, aber …
Im Gesamtarbeitsvertrag zwischen der Arbeitgeberorganisation der Banken in der Schweiz und dem Schweizerischen Bankpersonalverband fanden im letzten Juni Verhandlungen statt: Thema: Sechs Wochen Ferien für alle. Heute haben die Bankangestellten fünf Wochen Ferien, arbeiten aber 42 Stunden pro Woche und haben die meisten Überstunden aller Branchen (nämlich 2.4 Überstunden pro Woche). Die Arbeitgeber traten auf diesen Vorschlag gar nicht ein – die Verhandlungen platzten. Es nützt nichts, in GAV-Verhandlungen Forderungen einzubringen, die nicht erfüllt werden können oder wollen. Zudem sind nur 40% aller Arbeitnehmenden einem GAV unterstellt.
Das liebe Geld
Sechs Wochen Ferien sind für Arbeitgeber bezahlbar. Meine über 25-Jahre dauernde Erfah-
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Nr. 1 | Februar MMXII | Statements
Mo Bridge
schweiz
rung hat mir gezeigt: Eine Forderung der Arbeitnehmenden kommt immer zur unrechten Zeit. Entweder ist Rezession oder Hochkonjunktur, einmal ist Bankenkrise, das andre Mal 9/11. oder Euro Krise. Immer ist irgendetwas. Trotzdem ist folgende Rechnung anzustellen: Im Obligationenrecht sind vier Wochen Ferien für alle gesetzlich verankert. 4.9 Wochen Ferien ist der Schweizerische Durchschnitt, in grossen Betrieben haben wir fünf bis sechs Wochen Ferien. Vier Wochen Ferien haben vor allem diejenigen im Niedriglohnbereich oder in KMU’s. Die Initiative sieht vor, dass im Falle der Annahme sofort alle 5 Wochen Ferien pro Jahr haben sollen. Mit jedem Jahr (beginnend ab 2013) haben die Arbeitnehmenden einen Tag mehr, sodass in fünf Jahren alle sechs Wochen Ferien haben werden. Das entspricht pro Jahr 0.4 Lohnprozenten. Auf Fr. 100‘000.– Lohnkosten sind dies also Fr. 400.– pro Jahr. Derjenige Arbeitgeber, der behauptet, dass dies nicht finanzierbar sei, dem biete ich gerne eine Besprechungsstunde in meinem Büro an.
SECO-Studie beweist: 34 % fühlen sich „häufig gestresst“
Am 6. September 2011 präsentierte das SECO eine repräsentative Studie zum Thema „Stress am Arbeitsplatz“. 34.4 % fühlten sich „sehr häufig“ gestresst, 52.4 % „manchmal“ und nur 13.2 % „nie“. Gegenüber dem Jahre 2000 ist der Anteil der häufig Gestressten von 26.6 % auf 34.4 % gestiegen. Wer mit wachen Augen durch die Welt geht stellt fest, dass der Konkurrenzkampf (oder was wir darunter verstehen) immer stärker
wird. Die „Zitrone“ Arbeitnehmer wird zum Teil (nicht bei allen!) stark ausgepresst. Wir treiben den Wahnsinn so weit, dass in vielen Betrieben derjenige, der gemäss seiner vertraglichen Arbeitszeit am Ende des Tages rechtzeitig nach Hause geht, von seinen Kollegen oder Vorgesetzen als „Minimalist“ abgetan wird – eine Idiotie.
Meine über 25-Jahre dauernde Erfahrung hat mir gezeigt: Eine Forderung der Arbeitnehmenden kommt immer zur unrechten Zeit Schweiz als Krampfernation
Die Schweiz ist eine „Krampfernation“. Schon heute leisten wir die meisten Überstunden in Europa, nämlich 1.8 Stunden pro Woche. Wir befinden uns in einem Hamsterrad, das immer schneller dreht. So schreibt die NZZ am 6. Januar 2012: „Speziell beeinträchtigend sei die Initiative für kleinere Unternehmen, wo Stellvertretungen bei Ferienabwesenheiten unter Umständen schwieriger sind. Der Arbeitgeberverband stellt auch die Gleichung in Frage, wonach mehr Ferien zwingend mehr Erholung bedeuten. Lange Abwesenheiten würden für die Daheimgebliebenen zu mehr Stress führen.“ Seien wir ehrlich: Auch ich habe keine Freude, wenn meine Mitarbeiterin in den Ferien ist. Das durchbricht meine Gewohnheiten und unsere Arbeitsteilung. Und da Unternehmen tendenziell weniger Leute einstellen und ihnen immer mehr Aufgaben über-
geben ist der Stress so oder so vorprogrammiert. Sechs Wochen Ferien sind auch eine gesellschaftliche Frage. Viele jüngere Menschen mit Familien wünschen sich dies. Sie hätten gerne mehr von ihren Kindern und es anders, als wir Älteren es selber gekannt haben. Liebe, verkrampfte Schweizer: Entspannt euch einmal ein bisschen und strahlt mehr Lebensfreude aus. Sechs Wochen Ferien sind nicht alles, aber ein bisschen mehr Sonnenschein im Leben schon. PS: Das Leben findet meines Erachtens nur einmal statt.s *Hans Furer | Partei: Grünliberale Partei (GLP) | Amt: Landrat | Kanton: BaselLandschaft | Beruf: Rechtsanwalt in Basel, Ex-Vorstandsmitglied von Travail.Suisse und Mitinitiant „Sechs Wochen Ferien für alle“, Präsident Bankpersonalverband NWCH, Landrat Baselland (GLP) | Person, mit der ich gerne einmal Znacht gegessen hätte: Roger Federer - so lange hatte ich noch nie an einem Sportler Freude, der immer wieder für positive Überraschungen sorgt. | Ort, an den ich gerne reisen würde: An einen stillen Ort im Jura - die Landschaft ist einfach umwerfend. | Das nervt mich: Dass wir im Radio DRS jeden Morgen den Lokalstau von Zürich hören müssen – ich bin für positive Meldungen! www.hansfurer.ch Und jetzt Sie, auf www.statements.ch
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statements dinner
Statements-Dinner am 21. Februar 2012 Liebe StatementsleserInnen: Mit dem Statements-Dinner wollen wir den LeserInnen die Gelegenheit bieten, einen Abend mit gastronomischen Höhenflügen und angeregten Diskussionen mit PolitikerInnen der Region zu verbringen. Wir beginnen diese Serie im Kanton Basel-Stadt mit dem Nationalrat Sebastian Frehner, dem Grossrat Daniel Stolz und der Ständerätin Anita Fetz. Die drei PolikerInnen treffen sich mit drei unserer LeserInnen am Dienstag, 21. Februar 2012, im Restaurant Schifferhaus und freuen sich auf spannende Inputs und angeregte Diskussionen. Unsere PolitikerInnen werden mit Interesse hören, wo der Schuh drückt und unsere Le-
Wählen Sie Ihren StatementsDinner Partner: Ihre Angaben: Name:
serInnen erhalten Gelegenheit, hinter die Kulissen der Politik zu sehen sowie grosse und kleine Anekdoten zu erfahren. Um an der Verlosung teilzunehmen, senden Sie uns bitte den unten stehenden Talon ein und kreuzen den/die PolitikerIn an, inderen Begleitung Sie gerne wären. Unter den jeweiligen Begleitern kann leider nur einer gewinnen, aber alle andern können sich auf das Resumée in der nächsten Ausgabe von Statements freuen. Die GewinnerInnen werden per Los gezogen. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Restaurant Schifferhaus Bonergasse 75 · 4057 Basel · Telefon: 061 631 14 00
Anita Fetz Sebastian Frehner Daniel Stolz Ständerätin (SP/BS) Nationalrat (SVP/BS) Grossrat (FDP/BS) Präsident SVP BS Präsident FDP BS
Vorname:
Strasse, Nr: PLZ, Ort: E-Mail:
Telefon:
Senden Sie den Talon bitte bis zum 17. Februar 2012 an: (Per Post): Statements Media GmbH · Salinenstrasse 25 · 4133 Pratteln; (per E-Mail): info@statements.ch. Die GewinnerInnen werden per E-Mail oder Telefon informiert.
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Statements | Nr. 1 | Februar MMXII
SCHWEIZ
Don’t judge a book by its cover
Mo Bridge
Über die Qualität eines Buches lässt sich vortrefflich streiten. Daher kann nicht die Qualität oder das Cover eines Buches für den Preis entscheidend sein. Wer oder was sollte dann entscheiden? Lesen Sie die beiden Meinungen und danach ein Buch!
«Das Buch ist zu wichtig, um staatlich reguliert zu werden.» Baschi Dürr* Grossrat (FDP/BS)
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ie offene Gesellschaft funktioniert über den freien Austausch. Und das, was beim Austausch passiert, nennt man Preis. Oder umgekehrt: Ohne freie Preise, keinen freien Austausch. Bei Gütern im engeren Sinne kann man dies auch volkswirtschaftlich messen. Administrierte Preise verzerren das Gemeinwohl. Von einem bestimmten Gut gibt es zuviel oder zuwenig. Das ist volkswirtschaftlich schädlich. Ob wir den Milchpreis zu hoch oder die Trambillette zu tief ansetzen, immer resultiert ein suboptimales Resultat. Wir trinken weniger Milch und fahren mehr Tram, als wir dies täten,
würde der Staat dies den Bauern und Transporteure, den Konsumentinnen und Konsumenten überlassen. Der gleiche Mechanismus spielt auch beim Buch. Obwohl in der Debatte über die Buchpreisbindung zuweilen behauptet wird, dass gewisse Bücher günstiger werden, wird das Gesamtsystem Buch auf jeden Fall teurer. Der Verlierer einer Buchpreisbindung sind Sie und ich, die Bücher nicht verlegen und verkaufen, sondern kaufen und lesen. Daran vermag auch das Feigenblatt Preisüberwacher, das die Buchpreisbinder ins Feld führen, nichts zu ändern. Warum soll der Preis von Büchern durch eine weitere Staatsstelle statt durch die Nachfrage der Konsumentin und des Konsumenten „überwacht“ werden?
Höhere Preise zu welchen Gunsten?
Das mag ja stimmen, sagen die Buchpreisbefürworter, aber hier geht es um mehr: Um
Kulturförderung. Dabei ist die Buchpreisbindung ein vollkommen untaugliches Mittel, um die Schweizer Kultur zu fördern. Es gibt im Gesetzesvorschlag keine Bestimmung, wer in welchem Ausmass von den höheren
Ob Schweizer Autoren auch nur einen Franken mehr bekommen ist mehr als fraglich. Viel plausibler ist, dass über 80% der Mehreinnahmen ins Ausland abwandern Buchpreisen profitieren soll. Über 80 Prozent der Bücher werden aus dem Ausland importiert. Nutzniesser der hohen Preise sind primär die ausländischen Verlage. Ob diese ein Interesse haben, in allererster Linie die
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Nr. 1 | Februar MMXII | Statements
schweiz Schweizer Kultur zu fördern, darf bezweifelt werden. Auf jeden Fall setzten die Verlage die Preise eigenmächtig fest. Wo die Gewinne landeten, wäre vollkommen unbestimmt. Ob Schweizer Autoren auch nur einen Franken mehr bekommen, ist mehr als fraglich. Viel plausibler ist, dass über 80 Prozent der Mehreinnahmen ins Ausland abwandern – und die anderen 20 Prozent irgendwo in der Wertschöpfungskette zwischen dem Pult des Schriftstellers und dem Nachtisch der Leserin versickern.
Internethandel und E-Books vergessen gegangen?
Die Buchpreisbindung soll gemäss deren Verfechter auch für den Internethandel in der Schweiz gelten. Dabei ist bekannt, dass der grenzüberschreitende Handel nicht verboten oder unterbunden werden kann. Die Hoffnung der Buchhändler, dass sich die ausländischen Internetanbieter freiwillig an die Schweizer Buchpreisbindung halten, ist blauäugig. Denn tun sie dies nicht, können sie nicht bestraft werden. Schweizer Recht gilt nur in der Schweiz. Ferner sind die EBooks im Gesetz explizit von der Preisbindung ausgenommen. Damit bleibt es erlaubt, elektronische Bücher zu Tiefpreisen und mit frei wählbaren Rabatten zu verkaufen. Die Buchpreisbindung stellt sich damit als eigentliche E-Fördermassnahme heraus – für den grenzüberschreitenden Internethandel und die neuen E-Books. Nicht der kulturelle Wert eines Buchs entscheidet über die Bindung seines Preises, sondern ob es gedruckt und wo es verpackt wird.
Das Buch als besonderes Gut?
Die Gegner des freien Buchpreises geben sich gerne als Buchfreunde. Sie verdrängen die technischen und rechtlichen Proble*Baschi Dürr | Partei: FDP | Amt: Grossrat | Kanton: Basel-Stadt | Beruf: Geschäftsführer PR-Agentur | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Václav Havel – leider zu spät. | Ort, an den ich gerne reisen würde: Auf den Mond, weil noch ziemlich unreguliert. | Das nervt mich: Der ständige Versuch, die europäische Schuldenmisere auf den Markt statt den Staat zurückzuführen. www.baschiduerr.ch
me und unterliegen vor allem einem Trugschluss: Das Buch sei mehr als ein Glas Milch oder eine Tramfahrt – und deshalb müsse man in den Preis eingreifen. Das ist falsch. Genau weil das gedruckte Buch eine zentrale kulturelle Errungenschaft darstellt, einen historischen Durchbruch für das freie Denken seit der Aufklärung, dürfen wir den Austausch von Büchern nicht behindern. Das Buch ist zu wichtig, um staatlich administriert zu werden. Und will die Politik Schriftsteller oder auch Verlage fördern, kann sie – demokratisch legitimiert – immer noch zum Mittel der Direktsubvention greifen. Sagen wir Ja zum Buch und Nein zur Buch(preis)bindung. s
«Ja zu Arbeitsplätzen, dem Buchhandel und der Kultur.» Giorgio Pardini* Kantonsrat (SP/LU)
ie Buchpreisbindung hat sich seit JahrD zehnten bewährt. Dank ihr findet der Wettbewerb im Buchhandel über die
Beratungsqualität und Verfügbarkeit der Bücher statt und nicht auf dem Buckel der Angestellten. Bei Liberalisierungen wird uns immer vorgegaukelt, dass die KonsumentInnen durch tiefere Preise und bessere Leistungen profitieren. Dass dieses Argument hinkt, sehen wir am Beispiel der Liberalisierungen im Elektrizitäts- und im Postmarkt. Betrachtet man Liberalisierungen aus der globalen Optik, ist festzustellen, dass sie in erster Linie den Finanzmärkten dienen – also genau jenen Kreisen, die uns seit Jahren eine Krise um die andere einbrocken. Bei Liberalisierungen ist deshalb grundsätzlich immer Vorsicht geboten. Seit Jahrzehnten wird das „Lädelisterben“ beklagt. Auslöser dafür waren das umfassende Sortiment und die günstigen Preise der Grossverteiler. Durch das „Lädelisterben“ sind viel mehr Arbeitsplätze verschwunden, als in den Grossverteilern geschaffen wurden. Ist es unbedingt nötig, durch das Aufheben der Buchpreisbindung ein weiteres „Lädelisterben“ zu verursachen, das zum Abbau von bis zu 1›000 Arbeitsplätzen führen wird? Ich bin der Meinung, dass wir weiterhin Buchhandlungen brauchen, in denen wir kompetent beraten werden,
wenn wir ein spezielles Buch suchen. Wird die Buchpreisbindung aufgehoben, riskieren wir, in wenigen Jahren von Pontius nach Pilatus reisen zu müssen, um noch eine Buchhandlung zu finden, in der wir kompetent beraten werden.
Durch das „Lädelisterben“ sind viel mehr Arbeitsplätze verschwunden, als in den Grossverteilern geschaffen wurden Schliessen Buchläden, verlieren wir auch ein Stück Kultur. Oder haben Sie es schon erlebt, dass ein Internet-Buchhändler oder ein Grossverteiler eine Lesung mit einer Autorin oder einem Autor organisiert? Mehr noch: Ist ihnen ein Grossverteiler bekannt, der Schweizer Autorinnen und Autoren auch dann fördert, wenn nicht zu erwarten ist, dass sie internationale Bestseller schreiben? Vorgemacht haben die Buchpreisbindung einige EU-Länder. Die Euro- und Schuldenkrise der EU führt uns deutlich vor Augen, dass wir nicht alles nachahmen müssen, was uns in der EU vordemonstriert wird. Immerhin haben wir aber dadurch ein paar Beispiele, welche Folgen das Aufheben der Buchpreisbindung hat: Günstiger werden nur die Bestseller, andere Bücher hingegen werden eher teurer – und zwar sowohl im Internet wie im verbliebenen Teil der Buchläden. Zum selben Schluss kam vor einigen Jahren auch das Basler Wirtschaftsforschungsinstitut Prognos, das im Auftrag des Bundesrats eine Studie erstellt hatte. Es sprechen also drei gute Gründe dafür, die Buchpreisbindung beizubehalten: Ja zu Arbeitsplätzen in der Schweiz. Ja zu unserem Buchhandel und seiner kulturellen Arbeit. Ja zu Schweizer Autorinnen und Autoren.s *Giorgio Pardini | Partei: SP | Amt: Kantonsrat | Kanton: Luzern | Beruf: Mitglied der Geschäftsleitung von syndicom – Gewerkschaft Medien und Kommunikation, Luzern. www.giorgiopardini.ch Diskutieren Sie mit auf www.statements.ch
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Statements | Nr. 1 | Februar MMXII
international
Wie weiter mit der Personenfreizügigkeit? Sind die EU-Einwanderer ein Grund oder eine Gefahr für unseren Wohlstand? Die Personenfreizügigkeit hat die Schweiz unzweifelhaft verändert. Ob die Schweiz nun die Personenfreizügigkeit ändern soll, ist mehr als nur umstritten. Lesen Sie dazu zwei pointierte Kontrahenten. «Schweizer Wirtschaft braucht Personenfreizügigkeit.» Elisabeth Schneider* | Nationalrätin (CVP/BL)
ugegeben: Die Personenfreizügigkeit hat Schattenseiten. Die erhöhZ te Zuwanderung birgt die Gefahr von Lohndumping, Scheinselbständigkeit, Wohnungsmangel, etc. Diese Problemstellungen müssen
im Rahmen eines gesamtheitlichen Ansatzes ernst genommen und angegangen werden. Aber geben diese Auswirkungen Anlass die gesamte Personenfreizügigkeit aufzukünden? Nein. Denn die Personenfreizügigkeit bildet eines der bedeutendsten Fundamente der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Schweiz und der EU überhaupt. Mit der Personenfreizügigkeit erhalten Staatsangehörige der Schweiz und der EU-Staaten – bei Vorliegen eines gültigen Arbeitsvertrages - das Recht, Arbeitsplatz bzw. Aufenthaltsort innerhalb der Staatsgebiete der Vertragsparteien frei zu wählen. Dank diesem Abkommen haben
Dank diesem Abkommen haben die Unternehmungen die Möglichkeit, jenes Fachpersonal im EU-Raum zu rekrutieren, welche in der Schweiz in ungenügender Anzahl vorhanden ist
die Unternehmungen die Möglichkeit, jenes Fachpersonal im EURaum zu rekrutieren, welche in der Schweiz in ungenügender Anzahl vorhanden ist. Viele Schweizer Unternehmen haben enorme Schwierigkeiten, offene Stellen mit geeignetem Personal zu besetzen. An der Spitze der gesuchtesten Profile befinden sich Berufe wie Elektriker, Maurer oder Schreiner, Köche, Ingenieure und Techniker, aber auch Ärzte und Finanzsachverständige. Es ist klar, dass die Unternehmungen von der Chance profitieren, diese Fachkräfte aus dem Ausland zu rekrutieren. Entzieht man der Wirtschaft die Möglichkeit, auf auslän-
disches Personal zurückzugreifen, dann entzieht man ihnen die Basis für ihr unternehmerisches Tun überhaupt. Eine Kündigung der Personenfreizügigkeit hätte für die Schweizer Wirtschaft deshalb katastrophale Folgen. Finden die Unternehmen nämlich keine geeigneten Arbeitskräfte, dann wandern sie dorthin ab, wo es sie gibt. Damit würden unser Wohlstand und unzählige Arbeitsplätze (in erster Linie von Schweizerinnen und Schweizern!) gefährdet. Dass wir uns das nicht leisten können, hat die Schweizer Bevölkerung längst begriffen und
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Eine Kündigung der Personenfreizügigkeit hätte für die Schweizer Wirtschaft deshalb katastrophale Folgen
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Nr. 1 | Februar MMXII | Statements
international konsequenterweise innerhalb von wenigen Jahren das Abkommen an der Urne dreimal deutlich bestätigt. Trotz dem Erfolgsmodell der Personenfreizügigkeit dürfen wir es nicht verpassen, den akuten Mangel an qualifizierten Arbeitskräften mit strukturellen Anpassungen unseres Bildungssystems anzugehen. Die Bildungseinrichtungen müssen sich auf allen Ebenen für eine konti nuierliche Förderung v.a. der technischen und naturwissenschaftlichen Ausbildungsberufe und Studienfächer einsetzen. Ohne zusätzliche Mittel wird das wohl kaum funktionieren. Die Investition lohnt sich doppelt. Einerseits bilden wir jene Berufsleute aus, welche die Wirtschaft tatsächlich braucht und andererseits müssen unsere Unternehmen weniger auf ausländisches Personal setzen.s *Elisabeth Schneider-Schneiter | Partei: CVP | Amt: Nationalrätin | Kanton: Basel-Landschaft | Beruf: lic. iur. | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Ich würde mal gerne vom Sternekoch Andreas Caminada, vom Schloss Schauenstein in Fürstenau bekocht werden, weil ich fürs Leben gerne gut esse. | Ort, an den ich gerne reisen würde: An einen Ort, an welchem weder Telefon noch Mail funktionieren. | Das nervt mich: Wenn Leute unpünktlich und unzuverlässig sind. www.elisabethschneider.ch
«Alle werden sich an den Kopf greifen…» Luzi Stamm* | Nationalrat (SVP/AG)
eit Einführung der Personenfreizügigkeit explodiert die EinwanS derung. Die Dimensionen sind erschreckend: Im Rekordjahr 2008 hat die Schweiz nicht weniger als 157‘271 neue Aufenthalts- und
Niederlassungsbewilligungen erteilt. In nur vier Jahren wuchs die Schweizer Bevölkerung wegen der Einwanderung um netto 330‘000 Menschen; das entspricht beinahe der Einwohnerzahl der Stadt Zürich. Jahr für Jahr wird wegen der Zuwanderung – bildlich gesprochen – eine neue Stadt St. Gallen ins Schweizer Mittelland gesetzt. Und ein Ende ist nicht in Sicht.
In nur vier Jahren wuchs die Schweizer Bevölkerung wegen der Einwanderung um netto 330‘000 Menschen; das entspricht beinahe der Einwohnerzahl der Stadt Zürich Alle Prognosen haben sich als falsch erweisen. Selbst die bestausgewiese nen Fachleute haben sich massiv getäuscht (kein Experte hat z.B. die hohe Einwanderung aus Deutschland auch nur ansatzweise richtig vor ausgesagt). Und vor allem die Politikerinnen und Politiker haben sich getäuscht: Verstopfte Strassen, überfüllte Züge, überbautes Kulturland, steigende Mieten, Belastung der Sozialwerke, überforderte Schulen und Universitäten, Zunahme der Umweltbelastung. Selbst im linken Lager wächst langsam die Erkenntnis, dass viele der heutigen Probleme nur lösbar sind, wenn die Einwanderung wieder begrenzbar gemacht wird. Noch vor zehn Jahren waren mit Ausnahme der SVP alle massgebenden Kräfte für den EU-Beitritt: Neben den Linken auch die FDP, die CVP, der Bundesrat, die Wirtschaftsverbände, die Arbeitnehmervertreter, ganz zu schweigen von den vereinigten Medienvertretern (ich kannte damals keinen Journalisten, der gegen einen Beitritt gewesen wäre). Dasselbe spielt sich jetzt mit der Personenfreizügigkeit ab: Es ist eine Frage der Zeit, bis sich alle an den Kopf greifen, wie wir so blind sein konnten, diese zu fordern. Viele realisieren erst jetzt, dass wir mit der Personenfreizügigkeit alle Steuerungsmöglichkeiten aus der Hand gegeben haben. Viele haben
gemeint, es brauche die Personenfreizügigkeit, um diejenigen Arbeitnehmer ins Land zu holen, die man benötigt (das ist absurd; um Leute einwandern zu lassen, braucht es natürlich nie ein internationales Abkommen). Oder sie haben gemeint, Personenfreizügigkeit habe etwas mit Marktöffnung zu tun (auch das ist völlig falsch; freier Handel und freie Einwanderung sind zwei grundsätzlich verschiedene Dinge).
Wir müssen die Einwanderungspolitik wieder in die eigenen Hände nehmen und Kontingente festsetzen Wir müssen die Einwanderungspolitik wieder in die eigenen Hände nehmen und Kontingente festsetzen. Dafür muss die EU Verständnis haben: 157‘271 neue Bewilligungen ist, wie wenn die EU mehr als zehn Millionen neue Bewilligungen an Neu-Zuzüger erteilt hätte; in nur einem Jahr! Das wären für die EU völlig undenkbare Dimensionen.s * Luzi Stamm | Partei: SVP | Amt: Nationalrat | Kanton: Aargau | Beruf: Jurist und Ökonom | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Barack Obama; um zu sehen, ob er gleich argumentiert wie die EU-Politiker. | Ort, an den ich gerne reisen würde: Kalifornien; da verbrachte ich einst ein Austausch-StudentenJahr. | Das nervt mich: Wie unsere direkte Demokratie mit ihren Volksrechten demontiert wird. www.luzi-stamm.ch Und jetzt Sie, auf www.statements.ch
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Nr. 1 | Februar MMXII | Statements
regionen | basel-stadt
Untenehmenssteuern in Basel-Stadt auf dem Prüfstand In dieser Debatte sind sich die Kontrahenten darin einig, dass Basel grundsätzlich Spitze ist. Streiten kann man darüber, ob man weiter aufsteigen oder konsolidieren und anderswo vorwärts machen will. Die Unternehmenssteuern sind ein wichtiger Teil der Basler Steuereinnahmen, gleichzeitig aber auch ein schmerzlicher Eingriff in die Kassen jeder Unternehmung. «Raus aus der Abstiegszone, auch bei den Unternehmenssteuern.»
«Noch ist die letzte Steuersenkung nicht vollständig umgesetzt und schon soll der Staat wieder auf Einnahmen verzichten.»
Lukas Engelberger* | Grossrat (CVP/BS)
Christine Keller* | Grossrätin (SP/BS)
ir Basler sehen uns gern an der Spitze der schweizerischen Rangasel-Stadt ist im internationalen Steuerwettbewerb sehr gut positioW listen. Was lange nur wir dachten, ist jetzt sogar offiziell: Wir ha- B niert! Das hat eine neue BAK- Studie ergeben. Unser Kanton hat seiben die dynamischste Wirtschaft, den besten Fussballclub, die meisten ne Position national und international deutlich verbessert – eine Folge der Museen und neuerdings sogar eines der schwärzesten Kantonsbudgets in der Schweiz.
Die zunächst zu erwartenden Mindereinnahmen von knapp 50 Millionen Franken pro Jahr sind als dringend notwendige Investition in unsere Wettbewerbsfähigkeit zu sehen
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Bei so vielen guten Nachrichten wird gern verdrängt, dass wir in der Steuerpolitik zur Verbesserung unserer Wettbewerbsfähigkeit noch grossen Handlungsbedarf haben. Wir sind in der Rangliste der Unternehmensbesteuerung in der Abstiegszone, nämlich auf dem 24. Platz. Der Maximalsteuersatz der Unternehmensgewinnbesteuerung beträgt in Basel-Stadt derzeit 20,5%. Nur die Kantone Genf (23.3%) und Waadt (22.2%) sehen für hochprofitable Unternehmen höhere Steuersätze vor. Die tiefsten Sätze haben Appenzell-Ausserrhoden und Obwalden mit 6%, der Median liegt bei rund 13%. Der Platz in der Abstiegszone liegt uns nicht. Um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, muss der Maximalsatz gesenkt werden. Der Regierungsrat und die Wirtschafts- und Abgabekommission des Grossen Rates schlagen vor, den Maximalsatz in fünf Schritten von derzeit 20,5% auf 18% zu senken – um 0,5% pro Jahr, sofern es die wirtschaftlichen Umstände (keine Rezession im Vorjahr) und die Kantonsfinanzen (Sicherheitsabstand zur Maximalschuldenquote) zulassen. Die zunächst zu erwartenden Mindereinnahmen von knapp 50 Millionen Franken pro Jahr sind verkraftbar. Sie sind als dringend notwendige Investition in unsere Wettbewerbsfähigkeit zu sehen. Weitere Senkungsschritte werden folgen müssen. Die Verbesserung des Umfelds für unsere Unternehmen wird sich auszahlen. Sie macht Basel atttraktiver – für die Unternehmen, die heute für unseren Wohlstand wichtig sind, und für diejenigen, die es in Zukunft einmal sein könnten.s *Lukas Engelberger | Partei: CVP | Amt: Mitglied des Grossen Rates, Präsident der WAK, Vizepräsident CVP Basel-Stadt | Kanton: BaselStadt | Beruf: Advokat, Unternehmensjurist | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Lieber als ein Promi-Dinner hätte ich mehr Zeit zum Ausgehen mit meiner Frau. | Ort, an den ich gerne reisen würde: Die Sahara. Wir waren einmal dort, und die Stille, Weite und Reinheit der Wüste hat uns tief beeindruckt. | Das nervt mich: Besserwisserischer und heuchlerischer Kampagnen-Journalismus. www.lukasengelberger.ch
markanten Senkungen der Gewinnsteuer in den Jahren 2008 und 2010.
Weitere Senkungen unnötig und zu teuer...
Dennoch soll die Gewinnsteuer nun nochmals gesenkt werden – noch bevor die letzte Senkung vollumfänglich umgesetzt worden ist. Dieser Schritt würde den Kanton bis zum Jahr 2017 weitere 48 Millionen an Steuerausfällen kosten. Weitere, noch teurere Schritte sollen nach dem Willen der Befürworter im Parlament folgen! Profitieren davon würden vor allem einige wenige, grosse und ertragsstarke Unternehmungen - denn viele kleinere Unternehmungen und KMU zahlen heute schon eine geringe oder gar keine Gewinnsteuer.
Profitieren davon würden vor allem einige wenige, grosse und ertragsstarke Unternehmungen – denn viele kleine Unternehmungen und KMU zahlen heute schon eine geringe oder gar keine Gewinnsteuer ...und falsches Mittel
Basel- Stadt braucht Neugründungen von innovativen Firmen und eine starke KMU- Wirtschaft, um aus der Abhängigkeit von der Life ScienceBranche herauszukommen. Hier bringen Gewinnsteuersenkungen gar nichts. Aber auch um bestehende Unternehmen zu halten, sind andere Massnahmen weit sinnvoller.
Was der Wirtschaftstandort wirklich braucht
So braucht der Life Sciences - Standort weitere Investitionen in (Fach)hochschulen und ein höheres Kontingent an Arbeitsbewilligungen für Menschen aus Drittstaaten. Für alle Unternehmen zentral ist die Infrastruktur – neben öffentlichem Verkehr etwa das Wohnungsangebot oder die Kinderbetreuung -, wie auch ein hochstehendes Kultur- und Freizeitangebot. Für all das soll unser Kanton weiterhin die nötigen Mittel haben – damit er für die Wirtschaft, aber auch für die Menschen, die hier leben und arbeiten, ein attraktiver und lebenswerter Ort bleibt. Darum sage ich Nein zu einer weiteren Senkung der Gewinnsteuer für die Unternehmen. s. *Christine Keller | Partei: SP | Amt: Grossrätin Basel-Stadt | Kanton: Basel-Stadt | Beruf: lic. iur., Gerichtsschreiberin, Schlichterin | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: George Clooney. -Erklärung… Braucht das eine Erklärung? | Ort, an den ich gerne reisen würde: Die Ruinen der Mayas in Mexiko. Wenn sie recht hatten, dass die Welt am 21.12.2012 untergeht, erübrigt sich allerdings die Debatte um die Gewinnsteuer. | Das nervt mich: Wespen und Blocher. Erklärung: siehe Antwort auf erste Frage. www.christine-keller.ch
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Statements | Nr. 1 | Februar MMXII
REGIONEN | basel-stadt
Die Pensionskasse des Kantons Basel-Stadt, ein Naturgemäss ist die Altersvorsorge ein emotionsgeladenes Thema, schliesslich will niemand im Alter den gewohnten Lebensstandard einbüssen. Die fetten Jahre der Pensionskassen sind vorbei und die Aussichten auf hohe Renditen schwinden. Die Ansätze, um weiterhin eine vernünftige Altersvorsorge aufrecht zu erhalten, sind sehr verschieden wie die beiden Kontrahenten zeigen. «Die Finanzierungsparameter der PKBS sind zu optimistisch und stammen aus einer anderen Zeit.» Emmanuel Ullmann* Grossrat (Grünliberale/BS)
ie Schweiz verfügt mit dem 3-SäulenD Prinzip über ein ausgeklügeltes Vorsorgesystem, das sich in den letzten Jahrzehnten bewährt hat. Die Altersarmut konnte signifikant gesenkt werden, die Kombination Umlageverfahren (1. Säule) und Kapitaldeckungsverfahren (2. und 3. Säule) hat sich ausbezahlt.
Die aktuelle Rendite der PKBS per 30. November 2011 ist seit Anfang 2011 -1,2%, erwirtschaften müsste sie jährlich mindestens 4,6% Allerdings machen dem Vorsorgesystem zwei Entwicklungen zu schaffen: Die Lebenserwartung der Menschen erhöht sich kontinuierlich. Wurden die Menschen bisher alle zehn Jahren ein Jahr älter, so hat sich die Lebenserwartung seit dem Jahre 2000 um zwei *Emmanuel Ullmann | Partei: Grünliberale | Amt: Grossrat | Kanton: Basel-Stadt | Beruf: Leiter Buchhaltung und Controlling | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Bundesrat Alain Berset, um zu erfahren, wie er die Zukunft der Sozialversicherungen sieht. | Ort, an den ich gerne reisen würde: Amsterdam, weil ich schon viel Gutes über diese Stadt und ihre Einwohner gehört habe. | Das nervt mich: wenn man zigmal die gleiche Problemstellung behandelt und nicht vorwärts kommt, weil es demotivierend ist. www.e-ullmann.ch
Jahre erhöht. Will man bei gleichem Pensionierungsalter die gleiche Rente ausschütten, ist ein höheres Alterskapital notwendig. Dies kann durch höhere Beiträge oder höhere Renditen auf das Alterskapital erreicht werden. Doch da macht uns die zweite Entwicklung einen Strich durch die Rechnung: Die Anlageperformance nahm in den letzten Jahren kontinuierlich ab. So rentieren die zehnjährigen Bundesobligationen heute nur noch mit knapp 1%, während sie vor zehn Jahren noch mit mehr als 3% rentierten. Bei der gegenwärtigen Börsenlage kann auch von risikobehafteten Anlagen nicht unbedingt eine höhere Rendite erwartet werden.
seit Anfang Jahr mit –1.2% klar negativ. Damit hat die PKBS ein ernsthaftes Problem, denn sie muss jährlich mindestens 4.6% Rendite erwirtschaften, um die Renten finanzieren zu können. Kommt hinzu, dass die Pensionskasse vorzeitige Alterspensionierungen finanziell unterstützt und das Alterskapital der Rentner bereits heute höher ist als das Alterskapital der Aktiven. Das bedeutet, dass die Sanierungsfähigkeit der Kasse laufend abnimmt, da die Sanierungsbeiträge auf immer weniger Schultern (der Aktiven) lasten. Und die nächste Sanierung – die Dritte – kommt bald, weil bereits heute der Deckungsgrad wieder unter 100% liegt.
Lage bei der Pensionskasse Basel-Stadt ist bedenklich
Die Finanzierungsparameter der PKBS sind viel zu optimistisch und stammen aus einer anderen Zeit, die so schnell nicht wieder kommt. Je länger man mit einer Umstellung zuwartet, desto grösser werden die Sanierungskosten der aktiven Versicherten sein. Leistungssenkungen sind unausweichlich,
Die Pensionskasse Basel-Stadt (PKBS) konnte sich diesem negativen Trend nicht entziehen. Die Anlageperformance der letzten zehn Jahren beträgt im Durchschnitt nur 0.3% p.a. Die aktuelle Rendite per 30. November 2011 ist
Die PKBS muss nachhaltig saniert werden
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Nr. 1 | Februar MMXII | Statements
REGIONEN | basel-stadt
Dauerbrenner
«Schluss mit den kapitalistischen Abzockerspielchen bei den Pensionskassen.» Urs Müller-Walz* Grossrat (BastA!/BS)
ie AHV zeigt den Weg, wie auch in fiD nanziell schwierigen Zeiten eine Altersversorgung finanziert werden kann,
ohne dass mit Abzockerspielchen am Kapitalmarkt auf Kosten der versicherten Gewinne oder eben Verluste gemacht werden. Während früher die Kapitalanlagen der Pensionskassen die Mieten in die Höhe treiben, sind die heutigen Anlagestrategien viel komplexer. Die AHV braucht, um ihr Ziel zu erreichen, den RentnerInnen die zugesicherten Renten zu bezahlen, den viel kleineren Anlagegewinn, da mit dem sogenannten Umlageverfahren die jetzigen 18 – 64 jähri-
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Banken, Versicherungen etc. wollen mit unseren Erträgen vor allem zuerst ihre Aktionäre und erst in zweiter Linie unsere Pensionäre bedienen
doch eine vorausschauende Politik kann die künftigen Rentenminderungen sozialverträglich gestalten, während eine Realitätsverweigerung verheerende Auswirkungen auf die jüngere Generation hätte.s
gen Frauen und Männer den aktuellen RentnerInnen den grössten Teil der AHV direkt und ohne dubiose Geldspiele sichern. Dies ist gut so und muss auch für die zukünftigen Revisionen der Pensionskassen Grundlage sein. Doch noch wollen zu viele an unseren Beiträgen, welche wir in die Pensionskassen einzahlen, profitieren. Banken, Versicherungen ect. wollen mit unseren Erträgen vor allem zuerst ihre Aktionäre und erst in zweiter Linie unsere RentnerInnen bedienen. Allen neoliberalen Grünen und anderen Freidenkenden ist in ihr Handbuch geschrieben, ob Leistungs- oder Beitragsprimat, überall wird abgezockt. Ob wir nun
bei den Kantonen sanieren müssen oder ob mit elegantem Druck auf den Bundesrat die Mindestverzinsung gesenkt wird, ist letztlich egal. Beides nützt den privaten Geldanlegern und nicht den Versicherten. Wer beim Kanton in Rente geht, will wissen und erwartet von unserem Gemeinwesen auch, dass die zugesagten Leistungen erbracht werden. Dass diese RentnerInnen auch gleichzeitig die KonsumentInnen der Zukunft sind und so ihren Beitrag zum wirtschaftlichen Wachstum in unserer Region leisten, sei auch den KMU’s ins Gedächtnis gerufen, bevor diese ein nächstes Mal über die Kantonsangestellten ablästern. Alle Pensionskassen sind vor die gleichen Probleme gestellt, alle sind Opfer am Kapitalmarkt geworden, ohne dass die ArbeitnehmerInnenvertretungen auf Grund des Systems viel dagegen unternehmen konnten, deshalb hoffe ich sehr, dass der Schweizerische Gewerkschaftsbund nun möglichst rasch eine Initiative lanciert, welche schweizweit das Umlageverfahren wie bei der AHV einführt. Schade haben wir damals der Volkspension nicht zugestimmt, viele Diskussionen wären uns derzeit erspart. s *Urs Müller | Partei: BastA! | Amt: Grossrat und Präsident vpod Region Basel | Kanton: Basel-Stadt | Beruf: Lebensmittelverkäufer und Sozialarbeiter | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Gigi Oeri, damit ich sie Mal fragen kann, was sie gegen den Frauenfussball hat. | Ort, an den ich gerne reisen würde: Ali Baba, damit ich auch weiss, was in den kurdischen Gebieten der Türkei läuft. | Das nervt mich: dass ich noch solche Fragen beantworten muss. www.gruenesbuendnis.ch/fr_mitglieder/muell.htm Diskutieren Sie mit auf www.statements.ch
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Statements | Nr. 1 | Februar MMXII
REGIONEN | BASEL-LANDschaft
Wer soll die Kinder wie betreuen und was darf es wen kosten? Die Kleinen sind das Grösste, darin sind sich fast alle einig. Weniger einig ist man sich heute aber über die Frage der Betreuung von Kleinkindern. Während die einen eine innerfamiliäre Lösung für richtig halten, ist den andern eine möglicht schnelle Fremdbetreuung ein Anliegen. Die Baselbieterinnen und Baselbieter können am 11. März an der Urne ihre Meinung äussern, Landrätin Meschberger und Landrat Straumann tun dies schon heute in „Statements“. «Kleine Gemeinden werden mit diesen Pflichten finanziell, organisatorisch und personell überfordert.»
«Ein wichtiges Gesetz für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.»
Dominik Straumann* | Landrat (SVP/BL)
Regula Meschberger* | Landrätin (SP/BL)
amit die Eltern ihrer Arbeit nachgehen können, erhalten Eltern eit Jahren wird im Kanton Baselland ein Gesetz für die familienerD durch dieses Gesetz das Recht auf einen Betreuungsplatz in einer S gänzende Betreuung gefordert, das der Entwicklung der GesellKindertagesstätte. Ein Kind im Alter von 12 Wochen kann abgegeben und schaft Rechnung trägt. Immer häufiger teilen sich Ehepartner die Familidurch Fachpersonen fremdbetreut werden. Aber wo ist das Recht des Kindes auf seine Mutter und seinen Vater in der Frühphase seines Lebens? Es ist erstaunlich, wie so genannt christliche und Familien-Parteien diese Frage übergehen. Ein Hauptpunkt ist die Altersfrage neben dem finanziellen Beitrag der öffentlichen Hand. Ab 12 Wochen kann ein Kind in die Kindertagesstätte abgegeben werden. Für die SVP ist klar, dass die frühkindliche Betreuung durch die Mutter wichtig und von ihr auch wahrzunehmen ist. Es gibt die Aussage “9 Monate im Bauch, 9 Monate am Bauch”.
Für die SVP ist klar, dass die frühkindliche Betreuung durch die Mutter wichtig und von ihr auch wahrzunehmen ist. Es gibt die Aussage “9 Monate im Bauch, 9 Monate am Bauch” Mit der Einführung eines flächendeckenden Kinderbetreuungssystems werden die traditionellen Familien gezwungen, etwas mitzufinanzieren, ohne dies je in Anspruch nehmen zu wollen. Dieses Gesetz auferlegt den Gemeinden neue Aufgaben und Pflichten, welche vor allem die kleinen Gemeinden finanziell, organisatorisch und personell überfordern.
Es gibt auch Familien, in denen «die wunderbare Aufgabe» der Kinderbetreuung vollständig selber wahrgenommen wird. Kinder haben heisst Verantwortung übernehmen, denn nur allzu schnell sind sie gross Ein weiterer Punkt ist die Qualitätsanforderung an die Betreuung und die Einrichtung. Zukünftig wird ein Hochschulabschluss verlangt. Wo bleibt die Eigenverantwortung? Bei ein paar wenigen Familien bleibt der Vater zuhause, während die Mutter auswärts arbeitet, bei den anderen teilen sich Paare die Betreuung auf, oder Grosseltern und andere Verwandte übernehmen die Betreuung der Kinder. Es gibt auch Familien, in denen «die wunderbare Aufgabe» der Kinderbetreuung vollständig selber wahrgenommen wird. Kinder haben heisst Verantwortung übernehmen, denn nur allzu schnell sind sie gross. Bis jetzt hiess es immer, die Kind-Mutter-Beziehung und Kind-VaterBeziehung sei vor allem in den ersten Lebensjahren wichtig. Wenn Sie auch dieser Meinung sind, dass sagen Sie NEIN zu diesem Gesetz.s *Dominik Straumann | Partei: SVP | Amt: Landrat, Fraktionspräsident Kanton: Basel-Landschaft | Beruf: Polizist | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Mit Roger Federer | Das nervt mich: Schlechte Vorbereitung und Planung und der daraus entstehende, oft unnötige Zeitdruck. www.baselland.ch/straumann_dominik-htm.275246.0.html
en- und die Berufsarbeit. Voraussetzung dafür ist aber ein gutes Angebot an Betreuungsplätzen für die Kinder. Nur in Ausnahmefällen lassen sich Arbeitssituationen so gestalten, dass immer ein Elternteil zu Hause sein kann. Dazu kommt die grosse Zahl allein erziehender Mütter und Väter, die von der Sozialhilfe abhängig wären, könnten sie nicht arbeiten. Dass Frauen und Männer arbeiten, ist nicht nur in deren privaten Interesse, sondern auch im öffentlichen und wirtschaftlichen. Auf ihr Wissen und ihre Erfahrungen können Staat und Wirtschaft nicht verzichten, ausser man ist bereit, die Einwanderung von Arbeitskräften weiter anzukurbeln. Das Gesetz für die Betreuung im Frühbereich, über welches wir am 11. März abstimmen, ist ein Kompromiss, der die Finanzierung für Familien mit tiefen Einkommen erleichtert, nicht aber jene für die Mittelstandsfamilien.
Immer häufiger teilen sich Ehepartner die Familienund die Berufsarbeit. Voraussetzung dafür ist aber ein gutes Angebot an Betreuungsplätzen für die Kinder Mit der Einführung der Subjektfinanzierung müssen die Gemeinden den nachfragenden Erziehungsberechtigten einen Betreuungsgutschein ausstellen, den diese an irgend einer Kindertagesstätte oder in einer Tagesfamilie einlösen können.
Gegnerschaft in den Gemeinden
In den Gemeinden gibt es eine Gegnerschaft, die nicht zu verstehen ist. Letztlich wird dieses Gesetz zwar Mehrausgaben zur Folge haben, aber es wird auch Mehreinnahmen geben. Bekanntlich steigen die Steuereinnahmen, wenn Väter und Mütter arbeiten können. Von diesen Mehreinnahmen profitiert auch der Kanton, weshalb das Gesetz vorschreibt, dass sich dieser mit 30% an den Ausgaben der Gemeinden für die familienexterne Kinderbetreuung im Frühbereich zu beteiligen hat.
Ja zur familienexternen Kinderbetreuung
Trotz der mangelhaften Unterstützung der Mittelstandsfamilien ist es wichtig, JA zu diesem Gesetz zu sagen. Nachbesserungen sind immer möglich. Nach jahrzehntelangen Diskussionen brauchen wir endlich eine gesetzliche Grundlage für eine gute Betreuung unserer Kinder.s *Regula Meschberger | Partei: SP | Amt: Landrätin | Kanton: Basel-Landschaft | Beruf: Juristin und Schulleiterin | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Ruth Dreifuss, weil ich ihre Geradlinigkeit und ihr soziales Engagement sehr schätze. | Ort, an den ich gerne reisen Würde: Ich würde gerne einmal nach Grönland reisen und die Natur in dieser weissen Landschaft geniessen. | Das nervt mich: Die Personalisierung in der Politik, die zur Folge hat, dass die Sache nicht mehr im Vordergrund steht. www.sp-bl.ch/index.cfm/personen/landrat/regula-meschberger
am N 2. umm M er ÄR Z 2 20 12
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regionen | BASEL-LANDschaft
Auslagerung der Baselbieter Spitäler Grundsätzlich will niemand auf die Dienste des Spitals angewiesen sein. Dennoch sind aber alle froh, dass wir Spitäler haben und diese eine gute Arbeit leisten. In Zeiten leerer Kassen und ständig steigender Gesundheitskosten ist die Führung, Finanzierung und Platzierung von Spitälern in vielen Kantonen ein wiederkehrendes Politikum. Diesmal streitet man im Baselbiet. «Der Kanton muss koordinieren, es spielt keine Rolle, wer den Service erbringt.» Beatrice Herwig* Landrätin (CVP/BL)
ls Landrätin der CVP BL befürworte ich A die Verselbständigung der Kantonsspitäler BL sowie der Kantonalen Psychiatri-
Die drei Kantonsspitäler Liestal, Bruderholz und Laufen, die aus Synergiegründen zu einem Kantonsspital BL zusammengeführt werden sollen, sowie die Psychiatrie BL müssen sich dem Wettbewerb stellen werden sollen, sowie die Psychiatrie BL müssen sich dem Wettbewerb stellen. Sie brauchen dazu adäquate Strukturen. Sie müssen selbständig, flexibel und vor allem schnell handeln können um sich gegen die Privatspitäler zu behaupten. Schon in wenigen Monaten wird sich zeigen, in welchen Leistungsbereichen Veränderungen wahrgenommen werden müssen, um den Anforderungen an Wirtschaftlichkeit und Qualität gerecht werden zu können. Es macht daher keinen Sinn, die Unternehmen weiterhin als Dienststellen der Verwaltung zu führen. Ihr Handlungsspielraum wäre zu klein und sie wären an politische Entscheide gebunden, die zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Zudem wären sie nicht rechtsfähig, zum Beispiel könnte der Kanton den Unternehmen keine Baurechtszinsen belasten. Auch müssten Investitionen weiterhin
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schen Dienste BL. Die ab 2012 geltenden Fallpauschalen zur Finanzierung der Leistungen wurden eingeführt mit dem Ziel, die Spitäler, unabhängig davon ob es sich um öffentliche oder private Spitäler handelt, in Bezug auf Wirtschaftlichkeit und Qualität miteinander vergleichen zu können. Die kantonalen Spitäler haben somit die gleichen Finanzierungsvoraussetzungen wie die Privatspitäler und können nicht mehr davon ausgehen, dass ein allfälliges Defizit vom Kanton gedeckt wird. Die drei Kantonsspitäler Liestal, Bruderholz und Laufen, die aus Synergiegründen zu einem Kantonsspital BL zusammengeführt
vom Landrat beschlossen werden, ein weiterer Nachteil auf dem Spitalmarkt. Das KVG verpflichtet die Kantone zu einer regionalen koordinierten Planung. Es ist Aufgabe des Regierungsrates, die Versorgungssicherheit im Kanton sicherzustellen. Dabei spielt es keine Rolle, wo und vom wem die Leistungen angeboten werden. Sie müssen dort eingekauft werden, wo sie wirtschaftlich und in guter Qualität vorhanden sind. Von daher ist es zwingend *Beatrice Herwig | Partei: CVP | Amt: Landrätin | Kanton: Basel-Landschaft | Beruf: Familienfrau / Eidg. dipl. Apothekerin | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Mit Roger Willemsen, dessen Buch „Die Enden der Welt“ mich sehr beeindruckt hat. | Ort, an den ich gerne reisen würde: Ich würde gerne einmal in den asiatischen Raum reisen und seine Menschen und vielfältigen Kulturen kennenlernen. | Das nervt mich: Intoleranz verunmöglicht das friedliche Zusammenleben wobei Toleranz nie Gleichgültigkeit bedeutet. www.beatriceherwig.ch
notwendig, dass das Kantonsspital BL und die Psychiatrie BL von Beginn an selbständig und flexibel handeln können. Als Dienststellen des Kantons mit einer trägen Verwaltungsstruktur wären sie dazu nur schwer in der Lage. Da die Versorgungssicherheit im Gesundheitswesen eine öffentliche Aufgabe darstellt, ist die Verselbständigung in Form einer öffentlichrechtlichen Anstalt die geeignete Struktur, damit die Spitäler im Wettbewerb bestehen können. Einschränkend muss aber gesagt werden, dass die Selbständigkeit relativ ist. Der Kanton ist immer noch Eigner der Unternehmen und als solcher für die Eignerstrategie zuständig. Der Landrat hat zudem die Oberaufsicht.s
«Spitalauslagerung: Kein Mehrwert für die Baselbieter Bevölkerung.» Daniel Münger* Landrat (SP/BL)
ass Spitäler aufgrund der Einführung D der Fallkostenpauschale (DRG) ausgelagert werden müssen, ist ein Märchen.
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Nr. 1 | Februar MMXII | Statements
REGIONEN | BASEL-LANDSCHAFT Es gibt keine gesetzliche Grundlage, die zwingend eine Auslagerung vorsieht. Es machen bei weitem auch nicht alle Kantone bei dieser Modeerscheinung mit. Dass die Gesundheitsversorgung im Fokus steht, hängt mit den stetig steigenden Gesundheitskosten zusammen. Das Heil in der Privatisierung zu suchen, scheint zumindest fragwürdig. Die Auslagerung der Baselbieter Spitäler in eine öffentlich-rechtliche Anstalt ist auch finanziell ein einziges Abenteuer. Die neue Spitalgesellschaft muss mit einer riesigen Hypothek starten. Zurückzuführen ist dies auf die Liegenschaften, die vom Kanton überbewertet übernommen werden müssen, weil der Kanton über Jahre hinweg zu wenig abgeschrieben hat. Dies ist auch der Grund für die Wahl der Rechtsform. Bei einer vollen Privatisierung in eine Aktiengesellschaft hätte der Kanton das daraus resultierende Minus ausgleichen müssen, was unweigerlich in der Rechnung des Kantons zu Buche schlagen würde. Ein weiterer Effekt dieser fragwürdigen Transaktion ist, dass die laufende Rechnung mit aussergewöhnlichen Einnahmen rechnen kann und so das erhebliche Defizit des Kantons beschönigt. Der dritte Effekt ist, dass die
Verbindlichkeiten der neuen Spitalanstalt vorgetragen werden können, was in einer AG unmöglich wäre. Die Gesundheitsversorgung geniesst in unserem Land einen hohen Stellenwert. Dieses Gut hat seinen Preis. Günstiger erbringen auch privatisierte Spitäler ihre Leistungen nicht. Im Gegenteil, unsere Spitäler gehören im Schweizer Quervergleich zu den besten. Die wenigen struk-
Die Auslagerung der Baselbieter Spitäler in eine öffentlich-rechtliche Anstalt ist auch finanziell ein einziges Abenteuer. Die neue Spitalgesellschaft muss mit einer riesigen Hypothek starten turellen Probleme, die unsere Spitäler haben, wie die Zusammenführung unter einem Dach, lassen sich ohne weiteres ohne Auslagerung lösen. Mit der Auslagerung würde sich die Politik aus der Baselbieter Spitallandschaft gänzlich verabschieden. Zu sagen hätte sie ausser bei der Standortbestimmung nichts mehr.
So liessen sich regionale oder innovative Projekte nicht mehr über die Politik realisieren. Es besteht gar die Gefahr, dass zum Beispiel das Spital Laufen reinen ökonomischen Überlegungen geopfert wird. Immerhin könnte das Personal mit mindestens gleichwertigen Arbeitsbedingungen im noch zu verhandelnden Gesamtarbeitsvertrag rechnen. Ohne Nebengeräusche gehen aber solche Übungen nie vonstatten. Es wäre eine weitere grosse Belastung für unsere Spitäler – und das unter dem Strich ohne Mehrwert für das Baselbiet. s *Daniel Münger | Partei: SP | Amt: Landrat | Kanton: Basel-Landschaft | Beruf: Zentralsekretär Gewerkschaft syndicom | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Nelson Mandela, weitere Erklärungen unnötig | Ort, an den ich gerne reisen würde: Lipari, gibt es etwas Schöneres? | Das nervt mich: Intoleranz, hat noch nie zum Ziel geführt. www.daniel-muenger.ch Und jetzt Sie, auf www.statements.ch
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Statements | Nr. 1 | Februar MMXII
regionen | AARGAU
Revision des Einbürgerungsrechts im Kanton Aargau Welten prallen in der Frage des Bürgerrechts aufeinander. Im Aargau und auch anderswo wird die Frage nach dem Verfahren zu Einbürgerung hitzig diskutiert. Zufrieden scheint niemand zu sein. Die einen fordern eine Vereinfachung der Einbürgerung, die anderen eine restriktivere Erteilung des Bürgerrechts. Einig werden sich auch die Grossräte Petrušić und Glarner nicht. «Einbürgerungsprozesse müssen ein Verwaltungsakt werden!» Ivica Petrušić* Grossrat (SP/AG)
Einbürgerungskompetenz nach wie vor den Einwohnerräten und Gemeindeversammlungen überlassen wird. Was zudem in keinem der Abschnitte des Gesetztes erwähnt wird, ist die Möglichkeit einer erleichterten oder automatischen Einbürgerung der Menschen, die in der Schweiz geboren und/ oder aufgewachsen sind, der so genannten Secondos und Secondas. In der Schweiz leben schätzungsweise 600`000 Menschen die im Grunde genommen keine andere Heimat kennen als die Schweiz und trotzdem müssen diese immer wieder im Rahmen der zum Teil sehr erniedrigenden und willkürlichen Einbürgerungsverfahren beweisen, dass dies auch tatsächlich so ist. Ich bin enttäuscht über den fehlenden Mut des Regierungsrates, denn solange Einbürgerungsverfahren ein politischer Akt bleiben, verschwindet die Gefahr der Willkür nicht.
In der Schweiz leben schätzungsweise 600`000 Menschen die im Grunde genommen keine andere Heimat kennen als die Schweiz Mit dieser Vorlage widerspricht der Kanton Aargau weiterhin auch der aktuellen Rechtssprechung des Bundes. Dort wird definiert, dass Einbürgerungsverfahren als Verwaltungsakte zu behandeln sind. Entgegen der Stellungnahme der Aargauer Gemeinden möchte der Regierungsrat jedoch weiterhin die Kompetenz der Entscheide bei der Legislative behalten. Einmal mehr gibt die Regierung dem Druck der bürgerlichen Parteien nach und verpasst es damit, ein vollends modernes Bürgerrecht vorzulegen. Was bleibt sind Anträge zur Verbesserung in der Debatte des Grossen Rates. Die Zustimmung wird das Gesetz aus der linken Ratshälfte nur be-
Mo Bridge
as total revidierte Kantons- und GemeinD debürgerrecht weist zwar in die richtige Richtung, es enttäuscht allerdings, dass die
*Ivica Petrušić | Partei: SP | Amt: Grossrat | Kanton: Aargau | Beruf: Geschäftsführer okaj zürich, kantonalle Kinder- und Jugendförderung | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Mit der Berater-Crew des Papstes, um über ihre Vorstellungen von Führung und Staat zu diskutieren. | Ort, an den ich gerne reisen würde: Ans Ende der Welt, um zu sehen was danach auf uns zukommt :-) | Das nervt mich: Leute die Politik als ein Abwägen von „machbar“ und „nicht machbar“ verstehen. www.ivica-petrusic.ch
kommen, wenn die bürgerliche Mehrheit des Grossen Rats nicht in populistischer Weise weitere Hürden zur Einbürgerung in das Gesetz einbaut. Zu begrüssen ist aber die anstehende kantonsweite Vereinheitlichung der Einbürgerungsverfahren. Daraus erhoffe ich mir, dass Verfahren zukünftig tatsächlich flächendeckend: fairer, transparenter und rechtsstaatlich korrekt, sowie überall innert einer angemessenen Frist über die Bühne gehen. Die vom Regierungsrat neu zur Verfügung gestellten
Instrumente zur elektronischen Prüfung der sprachlichen und staatsbürgerlichen Kenntnisse, der Leitfaden für das Einbürgerungsgespräch, sowie die Erklärung zu den Werten der Verfassung begrüsse ich sehr. Allerdings ist zu beachten, dass für die Basistests genügend Ressourcen für die Ausbildung eingesetzt werden und dass es da wohl einer gewissen Kontrolle bedarf, um die konsequente und richtige Anwendung dieser Instrumente in den Gemeinden wirklich sicherzustellen.s
«Eine Erleichterung der Einbürgerung würden wir mittels Volksabstimmung bekämpfen» Andreas Glarner* Grossrat (SVP/AG)
ie SVP beurteilt den Entwurf für ein D neues Gesetz über das Kantons- und Gemeindebürgerecht insgesamt als nicht tauglich. Einzig positiver Punkt ist der einheitliche Standard für Prüfungsvorgaben hinsichtlich der Sprachkenntnisse und der staatsbürgerlichen Kenntnisse.
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Nr. 1 | Februar MMXII | Statements
REGIONEN | AARGAU Die vorgesehene Integrationsprüfung durch kantonale Stellen lehnen wir ab. Wir verlangen, dass die gesamte Integrationsprüfung nach wie vor durch die Gemeinden erfolgen muss – diese kennen die Verhältnisse der Gesuchsstellenden oder können sie ohne grossen Aufwand in Erfahrung bringen. Ebensowenig können wir uns mit der Delegation der Kompetenz für Einbürgerungen an den Gemeinderat einverstanden erklären. Das Stimmvolk resp. seine Vertretung soll bestimmen können, wem das Stimm- und Wahlrecht erteilt wird und wer zum gleichberechtigten Mitbürger ernennt werden soll.
Das Stimmvolk resp. seine Vertretung soll bestimmen können, wem das Stimmund Wahlrecht erteilt wird und wer zum gleichberechtigten Mitbürger ernennt werden soll Die vorgesehene Verkürzung der Aufenthaltsdauer von drei auf zwei Jahre kommt für uns ebenfalls nicht in Frage. Schon heute ist die Zeit knapp bemessen, um die wirkliche
Integration der Gesuchsstellenden in die Gemeinde zu prüfen. Die vorgesehene „Gewissensprüfung“, also die unterschriftliche Verpflichtung, sich an die Prinzipien der Bundes- und Kantonsverfassung halten, tönt gut. In der Praxis wird wohl niemand, der Schweizer Bürger werden will, diese Unterschrift nicht leisten. Nützlich wäre eine solche „Gewissensprüfung“ wohl nur, wenn das Nichteinhalten mit Konsequenzen verbunden wäre. Wir verlangen zudem, dass jemand nach Ablauf der Probezeit bei einer bedingten Strafe oder bedingten Entlassung eine Wartefrist von 3 Jahren einhalten muss. Bei Jugendlichen sind die Wartefristen von fünf bzw. drei Jahren ebenfalls zu kurz. Diese sind auf zehn bzw. fünf Jahre zu verlängern. Generell sollten straffällige Ausländer ausgeschafft und nicht eingebürgert werden ! Personen, die öffentliche Sozialhilfe beziehen oder Sozialhilfe bezogen und noch nicht zurückbezahlt haben, sollen nicht eingebürgert werden können. Die vorgesehenen Neuerungen beim Datenschutz können wir nicht nachvollziehen. Es muss den Mitgliedern des Grossen Rates volle Akteneinsicht gewährt werden und es muss ihnen auch erlaubt sein, selber Abklärungen über die Gesuchsstellenden zu treffen. Oft
*Andreas Glarner | Partei: SVP | Amt: Grossrat, Gemeindeammann Oberwil-Lieli | Kanton: Aargau | Beruf: Unternehmer | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Margaret Thatcher – einfach, weil sie England im Griff hatte… | Ort, an den ich gerne reisen würde: Das OkavangoDelta in Botswana – ich war schon einmal dort und es war das absolut Schönste, was ich bislang von dieser Welt gesehen habe. | Das nervt mich: Unsere Medien – komplett links unterwandert, staatshörig, faul und vor allem völlig unkritisch (ausser, wenn es gegen die SVP oder deren Exponenten geht). www.andreas-glarner.ch
sind Grossräte aus direkter Anschauung über Missstände informiert oder erhalten Hinweise aus der Bevölkerung. Aufgrund solcher Hinweise konnten schon einige missbräuchliche Einbürgerungen verhindert oder zumindest die Gesuche zeitlich zurückgestellt werden. Die SVP wird keinen Erleichterungen zustimmen und dieses Gesetz notfalls in der Volksabstimmung bekämpfen.s Diskutieren Sie mit auf www.statements.ch
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Statements | Nr. 1 | Februar MMXII
REGIONEN | solothurn
Die Nennung der Nationalität der Täterschaft in den Polizeimeldungen des Kantons Solothurn Dem Opfer dürfte es grundsätzlich egal sein, welchen Pass die Täterschaft hat. Auf der anderen Seite gibt es ein Interesse, die Täterprofile lückenlos zu erstellen. Ob diese Tatsachen für die Öffentlichkeit bestimmt sein sollen, wird viel und heftig diskutiert. tistisches Merkmal der Polizeilichen Kriminalstatistik des Bundes. Diese belegt Jahr für Jahr, dass die Mehrzahl der Straftaten in der Schweiz von Ausländern begangen wird. Die Schweiz ist eben auch in Sachen Kriminalität in Europa angekommen. Glaubwürdige Information ist vollständig, wahrhaftig und adressatengerecht. Diese Regel gilt auch für Informationen der Strafverfolgung oder der Justiz. Und eine solche Information beinhaltet auch die relevanten Elemente der offiziellen Statistik, und tut nicht so, als seien alle Täter wolkige Wesen mit unscharfen Konturen.
Mo Bridge
Die Polizei des Kantons Solothurn ist unter dem Druck der Initiative dazu übergegangen, da und dort in ihren Meldungen die Nationalität von Festgenommenen zu nennen «Für mehr Ehrlichkeit in der Behördenkommunikation.» Colette Adam* Kantonsrätin (SVP/SO)
olksinitiativen werden in gewissen KreiV sen als lästig empfunden, denn anders als früher haben manche Initiativen heute gute
Chancen, angenommen zu werden. Es wird deshalb laut über eine Initiativen-Vorprüfung durch Beamte nachgedacht. Die am 11. März im Kanton Solothurn zur Abstimmung gelangende Initiative zur Nennung der Nationalitäten vor allem in Polizeimeldungen zeigt im Kleinen auf, wie mit allerhand Haarspaltereien der selbstverständliche Wunsch nach professioneller und zeitgemässer Information der Bevölkerung durch Polizei und Justiz gezielt hintertrieben werden sollte. Zunächst behauptete die Solothurner Regierung, die Initiative sei verfassungswidrig, da angeblich diskriminierend. Zum Beleg hierfür wurde ein von der Regierung bestelltes Rechtsgutachten eines bekannten Staatsrechtlers aus Freiburg aus dem Hut gezaubert. Das Kantonsparlament zeigte sich indes wenig beeindruckt, weshalb die Regierung sich beim Bundesamt für Justiz (Stichwort Vorprüfung!) ein zweites Gutachten anfertigen liess, welches belegen sollte, dass der Kanton
in Sachen Nennung der Nationalitäten gar keinen Spielraum habe. Das Ergebnis liegt auf der Hand, denn es steht so in der Strafprozessordnung: Es steht den Polizeibehörden frei, von sich aus die Öffentlichkeit über Straftaten zu informieren, allerdings ohne Nennung von Namen. Und die SVP will mit ihrer Initiative einzig sicherstellen, dass bei solchen Informationen auch die Nationalität von Tätern genannt wird. Nicht mehr, nicht weniger. Die Unterscheidung, ob ein Täter Ausländer oder Schweizer ist, ist ein wesentliches sta*Colette Adam | Partei: SVP | Amt: Kantonsrätin und Mitglied der Finanzkommission | Kanton: Solothurn | Beruf: Inhaberin Advokatur und Notariat Adam und Partner | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Willi Ritschard. Er war eine der wichtigsten Persönlichkeiten der Schweiz im letzten Jahrhundert. Er verkörperte den Typus des modernen Staatsmanns und war vielen Politikern nach ihm ein unerreichtes Vorbild. | Ort, an den ich gerne reisen würde: Von woher auch immer: Die schönste Reise ist die Heimreise. | Das nervt mich: Als Finanzpolitikerin störe ich mich an zu hohen Steuern. www.aup.ch
Die Polizei des Kantons Solothurn ist unter dem Druck der Initiative dazu übergegangen, da und dort in ihren Meldungen die Nationalität von Festgenommenen zu nennen. Das tönt dann so: „Beim Festgenommenen handelt es sich um einen 33-jährigen ungarischen Staatsbürger.“ Oder: „… stand der 29-jährige Schweizer unter Alkohol- und Drogeneinfluss.“** Es geht also. Und die Welt dreht sich dennoch munter weiter.s **Auszug aus Meldungen der Kantonspolizei vom 2. Januar 2012.
«Aussagekraft und Wirkung.» Markus Knellwolf* Kantonsrat (GLP/SO)
ntersuchungen zeigen klar, dass nicht U die Nationalität, sondern primär die soziale Herkunft massgebend ist, ob jemand
kriminell wird. Weshalb soll also in Polizeimeldungen die Nationalität, nicht aber der Beruf oder die familiäre Situation genannt werden? Es stellt sich generell die Frage, wozu Informationen in Polizeimeldungen dienen und welche Wirkung sie haben. Neben dem allgemeinen Informationsanspruch
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Nr. 1 | Februar MMXII | Statements
regionen | Solothurn der Öffentlichkeit über staatliches Handeln dienen die Informationen der Wahrung der öffentlichen Sicherheit. Dabei kann die Nennung der Nationalität wichtig sein, z.B. dann, wenn damit bei einer Fahndung die mögliche Täterschaft eingegrenzt werden kann. Wo dies nicht der Fall ist, gilt es eine genaue Interessensabwägung vorzunehmen. Denn die generelle Nennung der Nationalität kann Vorurteile gegenüber bestimmten Volksgruppen schüren und so eine kollektive Anprangerung zur Folge haben.
ssen, also Bereiche, wo die Nennung der Nationalität praktisch nie eine Rolle spielt.
Symbolpolitik
In den heutigen Regelungen gibt es kein Verbot für die Nennung der Nationalitäten. Dient es der öffentlichen Sicherheit, wird darüber informiert. Zudem zeigt die Praxis, dass die Kantonspolizei bereits heute in den allermeisten Meldungen (bei rund 90%) die Nationalitäten nennt. Es besteht also in unserem Kanton weder Handlungsbedarf noch ein relevanter Handlungsspielraum. Die Kriminalstatistiken liefern zudem nicht nur über die Art und die Anzahl Delikte, sondern auch über die Täterschaft und deren Herkunft volle Transparenz. Von fehlender Transparenz, „staatlicher Zensur“ oder „übertriebenem Täterschutz“ in Polizeimeldungen kann also keine Rede sein.
Die SVP betreibt mit ihrer Initiative Symbolpolitik. Das Bundesgesetz regelt für alle Verfahren nach eidgenössischem Strafgesetzbuch sowie Nebenstrafgesetzen (z.B. Strassenverkehrsgesetz) abschliessend wie die Orientierung der Öffentlichkeit zu erfolgen hat. Die Kantone haben in diesem Bereich keinerlei Befugnis eigene Regelungen zu erlassen. Alles andere wäre ein Verstoss gegen das übergeordnete, nationale Recht. Der Kanton (bzw. diese Initiative) kann einzig für präventive Polizeitätigkeiten (z.B. Patrouillentätigkeit) und für Delikte nach kantonalem Verwaltungs– (z.B. Baurecht) oder Strafrecht eine eigene Informationsregelung beschlie-
In den heutigen Regelungen gibt es kein Verbot für die Nennung der Nationalitäten. Dient es der öffentlichen Sicherheit, wird darüber informiert Praxis
rs pe pa s w s z ine e N aga M oks gues Bo t alo Ca
Jede Straftat ist eine zu viel und gehört in aller Konsequenz bestraft. Bestraft werden soll das Individuum unter Berücksichtigung von rechtsstaatlichen Prinzipien, nicht aber ganze Volksgruppen durch unterschwelliges Anprangern und das Schüren von Vorurteilen.s *Markus Knellwolf | Partei: Grünliberale | Amt: Kantonsrat | Kanton: Solothurn | Beruf: Umweltingenieur BSc, Masterstudent ETH | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Richard La Nicca (16.08.1794 27.08.1883), verantwortlicher Ingenieur für die erste Juragewässerkorrektion. Es wäre interessant zu erfahren wie sich ein solches Mammutprojekt im 19. Jahrhundert verwirklichen liess. | Ort, an den ich gerne reisen würde: Polen und Ungarn. Ich würde gerne vor Ort mehr über die Geschichte, aber auch die Entwicklung und Dynamik seit der Wende im europäischen Osten erfahren. | Das nervt mich: Skifahrer oder Snowboarder, die Gruppenweise mitten auf der Piste stehen. Das verhindert eine flüssige Fahrt und gefährdet die Sicherheit der Anderen. www.markusknellwolf.ch Und jetzt Sie, auf www.statements.ch
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Statements | Nr. 1 | Februar MMXII
regionen | solothurn
Beitritt zum Konkordat über private Sicherheitsfirmen Immer mehr Polizeiaufgaben werden von privaten Sicherheitsfirmen übernommen. Die Anforderungen an die Qualität dieser Firmen sind von Kanton zu Kanton verschieden. Eine Vereinheitlichung mag wünschenswert sein, ist aber mit bürokratischem Aufwand verbunden. Im Kanton Solothurn wird am 11. März über den Beitritt zum Konkordat über private Sicherheitsfirmen abgestimmt. Eins ist sicher: Die Sicherheit der Sicherheitsfirmen wird mit Sicherheit zu reden geben, so auch hier. «Ja zu mehr Sicherheit vor zweifelhaften Sicherheitsanbietern.»
«Neue Vorschriften und Gesetze für den Papiertiger? Nein Danke.»
Anna Rüefli* | Kantonsrätin (SP/SO)
Philipp Arnet* | Kantonsrat (FDP/SO)
eit Jahren ist eine vermehrte Übernahme sicherheitsrelevanter it dem neuen Gesetz/Konkordat sollen Personen, die im S M Aufgaben durch Private zu beobachten, ohne dass die staatSicherheitsdienst tätig sind, zusätzlich kontrolliert werden. liche Kontrolle mit dieser nicht unproblematischen Entwicklung Heute müssen registrierte Firmen einen Nachweis erbringen, dass Schritt gehalten hätte. Dies soll sich auf Empfehlung der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren jetzt ändern: Am 11. März 2012 entscheidet das Solothurner Stimmvolk über den Beitritt zum Konkordat über private Sicherheitsdienstleistungen. Mit dem Konkordat sollen die Zulassungskriterien für private Sicherheitsunternehmen in den Kantonen vereinheitlicht, die staatliche Aufsicht gestärkt und die Bevölkerung dadurch besser vor unseriösen Anbietern geschützt werden. Die Sicherheitsfirmen müssen neu Bewilligungen für ihre Sicherheitsangestellten, das Führen und den Betrieb des Unternehmens sowie für den Einsatz von Diensthunden einholen. Zudem benötigen sie eine Betriebshaftpflichtversicherung und haben für die sorgfältige Aus- und Weiterbildung ihres Personals zu sorgen.
Die Sicherheitsfirmen müssen neu Bewilligungen für ihre Sicherheitsangestellten, das Führen und den Betrieb des Unternehmens sowie für den Einsatz von Diensthunden einholen Eine Harmonisierung der Zulassungsvoraussetzungen für private Sicherheitsdienstleister ist ein längst überfälliger Schritt. Denn die Regelungsvielfalt in den Kantonen erweist sich zunehmend als stossend: Aufgrund des Binnenmarktgesetzes können Sicherheitsunternehmen, die in einem Kanton zugelassen sind, grundsätzlich in allen Kantonen tätig sein und schärfere kantonale Regelungen unterlaufen. So ist es vorgekommen, dass eine Sicherheitsfirma aus einem Kanton mit niedrigen Anforderungen vorbestrafte Gewalttäter beschäftigen und diese ohne Weiteres in einem Kanton mit strengen Zulassungsvoraussetzungen zum Einsatz bringen konnte. Der Konkordatsbeitritt bietet dem Kanton Solothurn die Gelegenheit, sein in die Jahre gekommenes Bewilligungswesen durch ein zeitgemässes Regelwerk zu ersetzen. Da sich der Trend zu mehr parapolizeilichen Kräften nicht von heute auf morgen umkehren lässt, muss deren Tätigkeit wenigstens besser kontrolliert und in geordnete Bahnen gelenkt werden. s *Anna Rüefli | Partei: SP | Amt: Kantonsrätin | Kanton: Solothurn | Beruf: Juristin, lic. Internationale Beziehungen | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Mit Clara Zetkin (18571933), der deutschen Sozialistin, Pazifistin und Kämpferin für das Frauenwahlrecht. | Ort, an den ich gerne reisen würde: In 45 Stunden mit dem Zug von Solothurn nach Istanbul auf der Strecke des ehemaligen Orient-Express. | Das nervt mich: Wenn das Streben nach dem eigenen Vorteil als ökonomischer Sachzwang verkauft wird.
Sie die geltenden Vorschriften einhalten. Warum eine Änderung? Es ist normal, dass bei jeder Gewerbeausstellung, Event oder bei einer Party ein Türsteher engagiert ist. Die grosse Mehrheit erfüllt diese Tätigkeit mit grossem Engagement und sogenannt kundenfreundlich. Diese Personen sollen nun zusätzlich kontrolliert werden. Eine Bewilligung gibt es natürlich nicht umsonst, dies ist mit erheblichen Kosten verbunden. Die Personen müssen einen Ausbildungsnachweis erbringen, Kurse besuchen. Dies zu Lasten des eigenen Budgets. Es ist wie bei anderen staatlichen Institutionen, es sind nur topp und z.T. überqualifizierte Personen gefragt.
Eine Bewilligung gibt es natürlich nicht umsonst, dies ist mit erheblichen Kosten verbunden. Die Personen müssen einen Ausbildungsnachweis erbringen, Kurse besuchen Wenn ich heute bereits ausgebildete, qualifizierte Sicherheitsmitarbeiter engagieren will, kann ich dies problemlos. Es ist schlicht eine Frage des Preises. Es soll jedem Veranstalter frei gestellt sein, welche Personen für seinen Anlass geeignet sind.
Wenn ich heute bereits ausgebildete, qualifizierte Sicherheitsmitarbeiter engagieren will, kann ich dies problemlos. Es ist schlicht eine Frage des Preises Der Konsument bezahlt die Zeche. Höhere Eintritte, höhere Standpreise und administrativer Aufwand wären logische Folgen. Bereits heute sind die Sicherheitskosten ein erheblicher Budgetfaktor. Diese Anpassung wäre daher mehrfach spürbar. Bei der Polizei sollen zudem 150 Stellenprozente geschaffen werden, was bereits heute nach zusätzlichem Personal schreit, denn mit diesem Stellenbudget können Bewilligungen und Kontrollen nicht umgesetzt werden. s *Philippe Arnet | Partei: FDP. Die Liberalen | Amt: Kantonsrat | Kanton: Solothurn | Beruf: Garage W. Ulrich AG, Verkaufsberater und Mitglied der Geschäftsleitung | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Sympathische Personen treffe ich immer wieder mal zum Essen, dies reicht mir vollkommen aus. | Ort, an den ich gerne reisen würde: Südafrika | Das nervt mich: Leute die primär das Negative sehen und selber nicht für. www.garage-ulrich.ch/steckbrief/arnet_fdp_kantonsr.htm
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Statements | Nr. 1 | Februar MMXII
kultur | bücher
Die Deregulierung der Sicherheitsfrage Marlene Streeruwitz’ Roman, im September 2011 erschienen, behandelt das Thema der Deregulierung der Sicherheit und scheint deshalb geeignet im Kontext von Diskussionen über „Sicherheit“ und erhöhter Kontrolle zur Regulierung der Kriminalität. Von Michela Seggiani
D
er Roman beginnt mit einer Autofahrt der 24jährigen Protagonistin Amalia Schreiber auf eisigen Strassen vom Hotel zum Ausbildungszentrum an der bayrisch-tschechischen Grenze der Sicherheitsfirma „Allsecura“, in der sie eine Ausbildung absolviert. Die Stelle hat ihr ihre Tante vermittelt; es sei eine zeitgemässe Ausbildung, die lukrativ und zukunftssicher ihre Unabhängigkeit fördern soll. Nach einem abgebrochenen BWL-Studium hat Amy – bei Allsecura werden alle mit einem englischen Namen angesprochen – an verschiedenen Stellen gejobbt, zuletzt in einer Modelagentur. Nun soll sie zur „Schmerzmacherin“ ausgebildet werden. In der Ausbildung muss sie Prüfungen und Verhöre bestehen und erst lernen, den Schmerz selbst zu ertragen und damit umzugehen, sie muss sich und ihren Körper im Griff haben, was auch tägliches hartes Training einschliesst. Um diese Übungen und die Gruppensitzungen zu überstehen, trinkt Amy Wodka fast bis zur Besinnungslosigkeit. Nur mit Alkohol könne sie authentisch sein. Die Ausbildung ist für die Protagonistin eine Möglichkeit zur Selbständigkeit und sollte ihr Sicherheit geben. Das Ironische dabei ist, dass sie selbst, wie zu Beginn auf der Hinfahrt im Auto, unsicher und planlos durch ihr Leben schlittert, ohne Halt zu finden. Die Mutter Drogenabhängig und unfähig, für das Kind zu sorgen, der Vater abwesend, wuchs sie erst bei der Grossmutter, dann bei Pflegeeltern, den Schottolas, auf. Auf ihre Geburtsfamilie kann sie sich nicht verlassen, sie haben sich nie um sie gekümmert, ihre Tante, die ihr zwar den Ausbildungsplatz in der Sicherheitsfirma organisiert hat, setzt ihr eines Restituierungsprozesses wegen zu. Die Sicherheit, die sie bei ihren Pflegeeltern sucht, scheint wegzurutschen, denn Trude, ihre Pflegemutter, leidet an Krebs. Ihr bester Freund Gino, ein Angestellter des Hotels, indem sie untergebracht ist, wird brutal zusammengeschlagen, als er mit Cindy, einer Angestellten von Allsecura und ehemalige Stasi-Agentin, zusammen ist. Der Vorfall wird in typischer StreeruwitzManier nie wirklich aufgeklärt. Doch scheint klar, dass Gino ein Sicherheitsrisiko darstellte und die Sicherheitsfirma bei dem „Unfall“ die Finger im Spiel hatte und die Macht hat, willkürlich zu handeln, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden. Vieles scheint surreal, aber auch selbstverständlich. Amys Jugend und Schönheit sollten ihr Sicherheit verschaffen, von Aussen wird an sie herangetragen dass sie darauf aufbauen kann. Allerdings sind dies somit ebenfalls Un-
Autor: Marlene Streeruwitz Titel: Die Schmerzmacherin. Seiten: 400. Hardcover. ISBN: 978-3-10-074437-1 Verlag: S. Fischer
sicherheitsfaktoren, denn sie wird nicht ernst genommen. Ihr Ausbilder, Gregory, der sie mit Darling anspricht, meint „sie wäre zu süss. Too sweet. Er hätte nicht gedacht, noch einmal Naivität in dieser Form zu sehen zu bekommen. Seine Amy. Er begann wieder zu lachen.“ Schnell wechselnde Handlungsorte, keine festen Bindungen, Kommunikation über Handy und Kamera, zeigen eine Geschichte aus der Gegenwart auf. Der Roman ist in rasantem Tempo und in den für die Autorin typischen abgebrochenen, stakkatoartigen Sätze verfasst. Die Welt ist zum globalen Dorf geworden, Englisch die einheitliche Verständigungssprache. Kategorien und Grenzen von Sicherheit und Unsicherheit wechseln die Fronten, verwischen und lösen sich teilweise auf. Die Sicherheitsfirma wird zum Risikofaktor. Familienstrukturen lösen sich auf. Öffentliches wird Privat und umgekehrt, sei es in der nationalen Sicherheit oder im familiären Kontext. Auch die Trennlinien zwischen Übungseinheiten und dem Ernstfall sind unklar. Als Amy einem Gefangenen, der mit einem Helikopter
zum Ausbildungszentrum gebracht wird, hilft, hat sie später einen Filmriss und weiss nicht, was weiter geschehen ist. Erst Wochen später wird ihr, weil sie einen Abort hat, klar, dass sie vergewaltigt wurde, als sie, sehrwahrscheinlich unter Drogen gesetzt, bewusstlos war. Amy scheint alles hinzunehmen und mitzumachen. Sie kann sich gegen die Fremdbestimmung nicht wehren, kann ihre eigenen Wünsche nicht formulieren und erst recht nicht umsetzen. Ihre einzige Waffe ist das lächeln. Nur einmal erhalten wir als LeserIn Einblick in ihre Gefühle. Als sie im Surfurlaub ist, um sich von der Fehlgeburt zu erholen, die ihr sehr zugesetzt hat, versucht sie in mehreren Anläufen, ihrer Pflegemutter eine E-Mail zu schreiben. „Ich habe Angst und weiss nicht, wovor oder warum“, schreibt sie. Es ist ihr angenehm, alles aufgeschrieben zu haben, es in einer Zwischenablage gespeichert zu wissen, löscht jedoch alles wieder. Am Schluss bleibt nur noch ein Satz: sie sei hier gut aufgehoben, es beginne, ihr besser zu gehen. Zu unsicher scheint es ihr wohl, sich wirklich zu öffnen. Der Roman handelt von Sicherheiten auf individueller, geschäftlicher und politischwirtschaftlicher Ebene. Er zeigt auf, dass nicht alle Sicherheitsmassnahmen zu Sicherheit beitragen und lässt auch die Frage offen, was Sicherheit überhaupt ist. Auch wird offensichtlich, dass die Privatisierung der Sicherheit durch Firmen, die an der Angst und an Krisen verdienen, Verbrechen erzeugt. Doch ganz so düster ist der Roman nicht. Nicht nur Verzweiflung, sondern auch Zuversicht wird beschrieben. Zum Schluss hilft ihr Gino, der noch im Krankenhaus liegt, über Handy aus einer gefährlichen Situation, die hier nicht verraten sein soll, heraus. Er erzählt ihr das Märchen von Hänsel und Gretel, um sie zu beruhigen. Auch Gertrud, eine Angestellte von Allsecura, hilft Amy unerwartet und warnt sie davor, dass man sie nicht mehr weiter unterstützen will. Am Schluss kommt Amy davon, mit einem Lächeln. Für den Roman hat Marlene Streeruwitz drei Jahre lang recherchiert, auf ihrer Homepage findet sich unter „Recherche“ eine lange Linkliste*. Marlene Streeruwitz, in Baden bei Wien geboren, die als Autorin und Regisseurin in Wien, Berlin, London und New York lebt, ist mit „Die Schmerzmacherin“ ein starker Roman gelungen, der das Geschäft mit der Sicherheit und die damit verbundene Möglichkeit der Verbrechen am Individuum, aufzeigt.s *http://www.marlenestreeruwitz.at/2011/09/10/ dieschmerzmacherinrecherche/
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Statements | Nr. 1 | Februar MMXII
kultur | diesen monat
Diesen Monat empfehlen wir… Lebenszufriedenheit und Wirtschaftswachstum Von Martina Bernasconi
Autor: Tim Jackson Titel: Wohlstand ohne Wachstum. Leben und Wirtschaften in einer endlichen Welt. Seiten: 239 ISBN 978-3-86581-245-2 Verlag: Oekom Verlag, München 2011
Sind Sie eine mutige Politikerin, ein mutiger Politiker? Haben Sie Lust auf gedankliche Wagnisse, das Hinterfragen von etablierten, vielleicht erfolgreichen oder bewährten Strukturen? Dann ist das Buch von Tim Jackson das Richtige für Sie. Am Klimagipfel 2009 in Kopenhagen erregte Jacksons Vortag: „Prosperity without Growth“ enormes Aufsehen. Kann es denn sein, dass ein so tief verankertes Dogma der Ökonomie – Wohlstand beruht auf Wachstum – in Frage gestellt wird? Jackson setzt noch einen drauf: «Unser derzeitiges Modell für wirtschaftlichen Erfolg ist von Grund auf falsch. Für die hoch entwickelten Volkswirtschaften der westlichen Welt ist Wohlstand ohne Wachstum kein utopischer Traum mehr, er ist eine finanzpolitische und
ökologische Notwendigkeit.» Wenn Sie jetzt denken: Klarer Fall von linker, eventuell noch grüner Politik, dann irren Sie. Der Wachstumsgedanke spielt auch bei ökologischen Bewegungen eine Rolle: Es geht um Konsum. Menschen sollen konsumieren. Sei es nun nachhaltig-ökologisch oder quantitativ-günstig. Den Green-New-Deal zählt Jackson zur wachstumsausgerichteten Ökonomie. Wir mit unseren hoch entwickelten Volkswirtschaften müssen unseren Ressourcenverbrauch radikal stoppen und gänzlich auf Wachstum verzichten. Ärmeren Ländern hingegen soll ein gewisser Raum für Wachstum gelassen werden. Der erst über ein Philosophieund Mathematikstudium zur Volkswirtschaft gekommene Jackson meint dann auch klar, das BIP sei keine taugliche Messgrösse für das Wohlbefin-
den. Zwar könne bei unteren Einkommen ein Zusammenhang zwischen Lebenszufriedenheit und Lohn festgestellt werden, ab einem Pro-Kopf-Einkommen von 15.000 Dollar jedoch reagiert der Wert der Lebenszufriedenheit nicht mehr auf Zuwächse beim BIP. Für Jackson ist es wichtig, dass man den Menschen gangbare Alternativen zum Lebensstil als Konsument anbietet. Zum Beispiel, dass ein Staat, eine Stadt mehr wirbt für öffentliche Investitionen in Museen, Parks und Bildungseinrichtungen. „Wohlstand ohne Wachstum“ ist unbedingt empfehlenswert. Jacksons Plädoyer für eine Wirtschaftsordnung, die auf einem anderen Wohlstandsbegriff beruht, welcher Bedürfnisse und Wünsche der Menschen befriedigen kann, ohne die ökologischen Grundlagen unserer Existenz zu zerstören, ist anspruchsvolleindrücklich.s
Don’t move unless you feel it. Sabine Wannenmacher in der Gallery Guillaume Daeppen. Von Michela Seggiani Die grossformatigen Portraits von Sabine Wannenmacher erzeugen durch ihre direkte Konfrontation mit der Betrachterin und dem Betrachter Tiefe und eine Nähe, auf die es sich einzulassen gilt, um die Bilder erfassen zu können. Es sind festgehaltene Gesten, die uns auf etwas hinweisen, was es genau ist, bleibt allerdings unklar. Die schrankenlose Offenheit trügt, ein Einblick in Gefühlswelten der Portaitierten bleibt uns verwehrt. Dies jedoch ist gerade das Faszinierende an den in den letzten zwei Jahren in Brüssel entstandenen Werken. Die Künstlerin liess sich beim Durchblättern von Zeitschriften zu den Portraits inspirieren, die Freunde und Bekannte, aber auch Fremde zeigen. Sie erinnern an Werbungen, auf denen alles abgebildet zu sein scheint
und die doch nicht die Wahrheit wiedergeben. Allerdings erzählen sie von einer anderen Art der Realität: Die des raschen, urbanen Blicks und des schnellen Eindrucks. Farbigkeit, Lichteinfall und Attribute wie Sonnenbrillen oder eine Krawatte sind dabei wichtige Elemente, die im Zentrum der Bilder stehen und an eine Art von Mimikry denken lassen. Sabine Wannenmacher, 1976 in St. Ingbert geboren, hat in Karlsruhe und Freiburg Bildende Künste studiert und lebt seit 2009 in Brüssel. Sie betont, dass ihre Arbeiten nicht politisch oder gesellschaftskritisch sind und „Bilder weder eine Revolution auslösen noch die Welt retten werden“. Aber auf jeden Fall können ihre Arbeiten durch ihren poetischmelancholischen Habitus Emotionen erzeugen und /oder einfach gefallen. s
Die Ausstellung dauert vom 28. Januar bis zum 10. März 2012. Weitere Informationen unter www.gallery-daeppen.com
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Statements | Nr. 1 | Februar MMXII
PROFIL | RODRIGO CARRIZO COUTO | JOURNALIST UND FOTOGRAF
Ein Leben, ein Netzwerk
PROUST QUESTIONNAIRE 1. Was ist für Sie das Schlimmste? Am Morgen früh aufstehen zu müssen. Zum Glück kann ich es meist vermeiden.
Der kosmopolite Netzwerker Rodrigo Carrizo Couto lernte als Fotograf und Journalist die Welt kennen und die Schweiz lieben.
2. Wo würden Sie gerne leben? In Tel-Aviv wegen dem nie endenden Nachtleben oder in Paris wegen seiner Schönheit und dem Lebensstil.
Von Monika Moser
3. Was verstehen Sie unter Glück? Eine gute Show und die ganze Nacht mit Freunden in einer Bar reden.
I
mmer wieder richten sich die Blicke der Welt auf die Schweiz. Die Augen der Welt sind die Korrespondenten der globalen Fernsehsender, Zeitungen und Nachrichtenagenturen. Einer der eifrigen Verfolger der Schweizer Polit- und Kulturszene ist Rodrigo Carrizo Couto, der Korrespondent der grössten spanischsprachigen Zeitung „El Pais“. Mit zwei Millionen Online-Lesern und einer halben Million gedruckten Zeitungen trägt „El Pais“ die Schweizer Berichte von Carrizo bis in die entlegensten Winkel Spaniens und Lateinamerikas. Der in Argentinien geborene Spanier Rodrigo Carrizo Couto (RCC) begann als junger Journalist im Moskau der 80er Jahre, wo er für verschiedene spanischsprachige Medien über die bewegte Zeit der Perestroika berichtete. In weiteren Stationen in Paris, London und Buenos Aires knüpfte er die Kontakte und sammelte die Erfahrungen, die es ihm erlauben, heute über die Schweiz mit einem kosmopolitischen Blick und profunder Kenntnis der inneren Zusammenhänge zu berichten. Neben vielen anderen Grössen aus der Schweizer Kultur- und
4. Welche Sünden könnten Sie am ehesten verzeihen? Die Sünden des Fleisches. 5. Welche sind Ihre Lieblinshelden? William of Baskerville, in “Der Name der Rose” von Umberto Eco und Dr. Hannibal Lecter, von Thomas Harris.
Politszene wie etwa Bundesrätin Doris Leuthard und die ehemalige Bundesrätin Micheline Calmy-Rey interviewte er auch internationale Stars, die sich in der Schweiz oft unbeachtet die Klinke in die Hand geben, wie etwa Quincy Jones, Sir Anthony Hopkins oder Kofi Annan. Neben der Berichterstattung über unser Land wird RCC immer wieder für Reportagen in der ganzen Welt eingeladen, als leidenschaftlicher Klavierspieler ist er ein gerngesehener Kritiker in den Konzertsälen diesseits und jenseits des Atlantiks. Mit
Fotoreportagen und tausenden von Berichten hat er das Bild der Schweiz und das Gehör für die Musik in der spanischsprachigen Welt massgebend mitgeprägt, einzelne seiner Werke sind auf www.rccouto.com öffentlich einsehbar. Das Netzwerk ist das Kapital eines Journalisten und so erstaunt es nicht, dass die hunderten von Telefonnummern in seinem Handy mit Dutzenden von verschiedenen Vorwahlen beginnen, seit 8 Jahren auch mit 00 41.s More: www.rccouto.com
6. Historische Persönlichkeiten, die Sie beiendrucken? Mir gefallen Politiker mit Visionen wie etwa Churchill, Roosevelt oder Ben Gurion. 7. Helden des richtigen Lebens? Ich bewundere die leider verstorbenen Ryszard Kapuscinski und Oriana Fallaci, Meister des Journalismus. 8. Lieblingsmaler? Francis Bacon. 9. Lieblingsmusiker? Johann Sebastian Bach. 10. Was Sie an einem Mann am meisten bewundern? Die Willenskraft. 12. Was Sie an einer Frau am meisten bewundern? Die Empathie. 13. Ihre Lieblingstugend? Die Geistesgegenwart. 14. Ihre Lieblingsbeschäftigung? Durch Städte spazieren, die ich liebe und das Leben aus dem Kaffeehaus beobachten.
Rodrigo Carrizo Couto
Rodrigo Carrizo Couto
15. Wer wären Sie gerne gewesen? Ich bewundere alle Pioniere. Die Leute, die den Mut hatten, etwas als erste zu tun.
Kofi Annan
Susan Sarandon
16. Politische Partei? Ich denke nicht, dass es eine einzige Partei gibt, die zu meiner Weltsicht passt. Man müsste ein „Puzzle“ aus verschiedenen Parteien gründen.
Diese und andere Stimmen lesen Sie in So f채ngt der Monat gut an. Nummer 2 erscheint am 2. M채rz 2012
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