STATEMENTS #5

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Jahr I | Nummer 5 Juni MMXII Auflage 25’000

Preis: CHF 5 Jahres-Abo: CHF 50

“Ich lehne Ihre Meinung ab, würde aber mein REGIONEN | AG

Seite 18

Leben dafür geben, dass Sie diese äussern dürfen.”

INTERNATIONAL

Seite 6

Thierry Burkart Grossrat (FDP/AG)

Braucht die Schweiz die EMRK?

Volksinitiative „Für eine sichere Aargauer Kantonalbank“

Andreas Gross Nationalrat (SP/ZH)

REGIONEN | LU

Schutznormen sind immer so lange beliebt, wie sie einen schützen und verlieren ihren Reiz, wenn sie einen einschränken. Im Nachgang zur Minarett-Initiative

Marco Hardmeier Grossrat (SP/AG)

Ob der Betrieb einer Bank zu den Kernaufgaben eines Staates gehört, ist durchaus fraglich. Seite 26

Rolf Born Kantonsrat (FDP/LU)

Oskar Freysinger Nationalrat (SVP/VS)

Seite 20

Sabina Geissbühler-Strupler Grossrätin (SVP/BE) Bernhard Pulver Regierungsrat (Grüne/BE)

entbrannte eine Diskussion über einen möglichen Austritt der Schweiz aus der Europäischen Menschenrechtskonvention. Der Streit wird bis heute fortgeführt und findet über die Nationalräte Andi Gross (SP) und Oskar Freysinger (SVP) Eingang in unser Polit-Magazin.

Andreas Hofer Kantonsrat (Grüne/LU)

Wie viel Reformen erträgt die Volksschule?

Die Schule soll den Kindern den Rucksack für den künftigen

regionen | BS

Seite 24

Dominique König Grossrätin (SP/BS) Markus Lehmann Nationalrat (CVP/BS)

Referendum gegen die Senkung der Unternehmens­ steuer im Kanton Basel-Stadt

Ladenöffnungszeiten im Kanton Luzern

Mitten im Vorwahlkampf zu den Grossrats- und

Lange ist es her, dass man die Wocheneinkäufe auf dem Markt beim Konsumverein oder in der MIGROS-Genossenschaft tagsüber erledigte.

REGIONEN | BL

REGIONEN | BE

statements-dinner april Seite 14

Seite 22

Philipp Schoch Landrat (Grüne/BL)

SCHWEIZ

Thomas de Courten Nationalrat (SVP/BL)

Martin Schmid Ständerat (FDP/GR)

Anita Fetz Ständerätin (SP/BS)

Christian Levrat Nationalrat (SP/FR)

Kurt Fluri Nationalrat (FDP/SO)

Teilrevision Kollektivanlagengesetz (KAG)

Die Krux mit dem Schweizerkreuz

Fusion von Basel-Landschaft und Basel-Stadt?

Über Generationen haben Baselbieter Eltern ihren Kindern weitergegeben, wie sinnvoll und wichtig die Trennung von den Stadtherren 1833 war. Im Gegenzug hegten viele Stadtbasler weit über ein Jahrhundert einen enormen Groll

Seite 8

Die Banken- und Anlagewelt mit ihren Produkten und Strategien ist für die meisten Normalbürger, aber auch für Politiker, ein Buch mit sieben Siegeln.

SCHWEIZ

Seite 10

Der Umgang mit dem Prädikat „Schweiz“ ist keinesfalls eine reine Frage von Konsumpatriotismus. Tatsächlich macht der Bezug zur Schweiz einen namhaften Teil des Preises

Statements-Dinner Mai im Restaurant Drei Stuben in Zürich STATEMENTS-DINNER JUNI Seite 17

Das nächste Statements-Dinner mit:

Roberto Zanetti (Ständerat/SP) Roland Borer (Nationalrat/SVP) René Kühne (GLP Präsident SO)


Ihr Schweizer Gewerbe in-der-Schweiz-gekauft.ch

Impressum: Verlag /Redaktion | Schweizerischer Gewerbeverband sgv | Schwarztorstrasse 26 | Postfach | 3001 Bern | www.sgv-usam.ch


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Nr. 5 | Juni MMXII | Statements

EDITORIAL

Werbepartner und –akquisiteurIn gesucht! Liebe Leserinnen und Leser

INHALT

M

it E-Mails, Briefen und Kommentaren in den Social Medias erhalten wir täglich positive Feebacks unserer Leserinnen und Leser. Ebenso motivierend sind die aufmunternden Worte der Politikerinnen und Politiker. Dies alleine reicht jedoch nicht, um ein grosses und auflagestarkes Magazin am Leben zu erhalten. Statements ist dringend auf die finanzielle Mithilfe mittels Inserate durch Parteien, Verbände und kommerzielle Unternehmungen angewiesen. Monat für Monat verbrauchen wir enorme zeitliche Ressourcen, welche wir lieber in die Verbesserung und Erweiterung unseres Magazins investieren würden. Die Freude und Überzeugung an unserem Produkt ist weiterhin ungebrochen. Um Statements jedoch verbessern und ausbauen zu können, sehen wir uns gezwungen, weitere strategische Zusammenarbeiten mit neuen Partnern und Investoren zu suchen und gleichzeitig die Parteien, Verbände und Komitees daran zu erinnern, dass Statements als Polit-Magazin sich mittlerweile zu einem wertvollen Vehikel zur Verbreitung ihrer Positionen entwickelt hat und auch als Werbeträger für Abstimmungen, Wahlen und sonstige Kampagnen ideal geeignet ist. Neben dem administrativen Aufwand war bis anhin besonders die Inseratesuche ein grosser Aufwand, den wir nun gerne in professionelle Hände geben wollen. Aus diesem Grund suchen wir nicht nur direkt neue starke Werbepartner, sondern auch einen Werbeakquisiteur oder eine Werbeakquisiteurin bzw. eine entsprechende Agentur. Wir würden uns freuen, unser Projekt mit neuen Partnern und einem Zuwachs im Team langfristig zu konsolidieren, um unseren Beitrag zur Meinungsbildung und Meinungsvielfalt in der Politlandschaft erhöhen und verbessern zu können. Der letzte Monat war aber nicht nur von der finanziellen Neuausrichtung geprägt, sondern hatte auch viele erfreuliche Neuigkeiten. Unsere Abonnentenzahlen steigen stetig und der Bekanntheitsgrad von Statements überrascht uns mittlerweile selbst. Zuversichtlich nehmen wir also die Arbeit für die Juli-Ausgabe in Angriff und freuen uns auf das Abstimmungswochenende vom 17. Juni, wo viele der bei Statements diskutierten Abstimmungsvorlagen vors Volk kommen. Mögen die besseren Argumente gewinnen!s

5 | LESERBRIEFE 6 | international

Braucht die Schweiz die EMRK? |

Andreas Gross (SP/ZH) vs. Oskar Freysinger (SVP/VS)

8 | Schweiz

Teilrevision Kollektivanlagengesetz (KAG) | Martin Schmid (FDP/GR)

vs. Christian Levrat (SP/FR)

10 Die Krux mit dem Schweizerkreuz

| Anita Fetz (SP/BS) vs. Kurt Fluri (FDP/SO)

14 | statements-dinner

Statements-Dinner im Restaurant Drei Stuben in Zürich 17 Statements-Dinner am 27. Juni 2012

18 | regionen | AARGAU

Volksinitiative „Für eine sichere Aar­ gauer Kantonalbank“ | Marco Hardmeier (SP/AG) vs. Thierry Burkart (FDP/AG)

20 | BERN

Wie viel Reformen erträgt die Volksschule? | Sabina Geissbühler-Strupler

(SVP/BE) vs. Bernhard Pulver (Grüne/BE)

22 | basel-LANDSCHAFT

Fusion von Basel-Landschaft und BaselStadt? | Philipp Schoch (Grüne/BL)

vs. Thomas de Courten (SVP/BL)

24 | BASEL-STADT

Referendum gegen die Senkung der Unternehmenssteuer im Kanton Basel-Stadt | Dominique König (SP/BS)

vs. Markus Lehmann (CVP/BS)

26 | LUZERN

Ladenöffnungszeiten im Kanton Luzern | Rolf Born (FDP/LU) vs. Andreas Hofer (Grüne/LU)

28 | vimentis

Managed Care | Adrian Michel (Basel) vs. Bea Habegger (Bern) AUNS-Initiative | Annemarie Bossard Gartenmann (Matten bei Interlaken) vs. Harald Buchman (St. Gallen)

30 | kultuR Daniel Ordás, Editor

Bücher und Ausstellungen

Von A. Bollinger und M. Seggiani

34 | Profil Abonnieren Sie unter abo@statements.ch oder www.statements.ch

Unkonventionell klassisch | Marco Però, Gastronome

Impressum Statements | Redaktion: redaktion@statements.ch · www.statements.ch • Leitung Redaktion: Daniel Ordás • RedaktorInnen: Michela Seggiani, Andrea Bollinger, Roman Hänggi, Laurent Leu • Fotos: Archive, Redaktion, www.vectorimages.com • Illustration: Mo Bridge für www.oz-artworks.com, Nerea Baz • Design & Art Direction: Mónica Subietas für www.oz-artworks.com • IT und Web: Sebastian Westhues für www.yooapps.com | Administration Statements Media GmbH · 4133 Pratteln · Telefon: +41 (0) 61 823 03 03 · www.statements.ch | Druck: Druckerei Gremper AG, 4133 Pratteln · www.gremper.ch | Jahres-Abo: Schweiz: CHF 50 · Europa: CHF 60 · Übrige länder: CHF 70 · Jugendliche und Amtsträger: CHF 40. Alle Preise zzgl. MWST. Statements ist eine Monatszeitschrift ohne politische Ausrichtung. Die ganze oder teilweise Wiedergabe der Texte bedarf der Bewilligung durch die Redaktion sowie der Quellenangabe. Statements ist nicht verantwortlich für den Inhalt der Artikel und teilt die hier wiedergegebenen Meinungen nicht zwingend.



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Nr. 5 | Juni MMXII | Statements

leserbriefe Staatsverträge vors Volk? Statements Nr. 3 · April 2012

Sehr geehrte Damen und Herren Herr Schwander hat in seinem Statement „Für mehr Demokratie in der Aussenpolitik“ ausgeführt, »mit einem Ja kann Bundesbern wieder auf den demokratischen Weg geführt werden«. Damit verkennt er, dass wir bereits demokratisch über das Thema abstimmen können. Als einzige Partei sagt die SVP Ja zur Initiative. Hat die SVP evtl. andere Beweggründe? Vielleicht. Man muss die beiden AUNS und SVP betrachten: Dass die AUNS zugehörig zur SVP ist, ist wohl unumstritten. Die SVP ist immer wieder auf der Suche nach Themen, die als Wahlfänger funktionieren. Ein Dauerwahlkampfthema muss her, das die Schweiz polarisiert und der SVP die Gelegen-

heit gibt, die gesamte Schweizer Landschaft mit Werbung und alle Briefkästen zuzustopfen. Staatsverträge - ein Thema, das nie aufhört. Wir können bereits darüber abstimmen. 96 % der Verträge waren unbestritten. In einem Falle ergriff die SVP das Referendum, der Bürger hat gegen die SVP entschieden. Die Initiative schwächt die Position der Schweiz bei internationalen Verhandlungen. Werden wiederholt Verträge nach mehrjähriger Verhandlung und Unterzeichnung nachträglich abgelehnt, wird die Schweiz als Verhandlungspartner unberechenbar und unattraktiv. Staatsverträge sind papiermässig sehr umfangreich. Da könnten an einer Abstimmung über 100'000 Seiten anfallen zum lesen u-n-d

verstehen. Zahlungen von Kohäsionsmilliarden sind nicht in Staatsverträgen geregelt. Die AUNS/SVP behauptet aber bewusst falsch, mit der Initiative werden die Kohäsionsmilliarden zur Abstimmung kommen. Völlig falsch, da nicht in Staatsverträgen geregelt. Mit dem Argument "Milliarden nicht ins Ausland" geht die SVP dann auf Wählerfang. Das eigentliche Ziel der AUNS/SVP ist die Verhinderung der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz. Deshalb Nein. Die Initiative ist kein Gewinn für die Demokratie - wir stimmen bereits über das Thema ab. Freundliche Grüsse, Heinz Kremsner, SP Zumikon

Für den Inhalt der Leserbriefe ist einzig der Verfasser verantwortlich. Gerne können Sie die Statements auch online kommentieren unter www.statements.ch.


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Statements | Nr. 5 | Juni MMXII

international

Braucht die Schweiz die EMRK? Schutznormen sind immer so lange beliebt, wie sie einen schützen und verlieren ihren Reiz, wenn sie einen einschränken. Im Nachgang zur Minarett-Initiative entbrannte eine Diskussion über einen möglichen Austritt der Schweiz aus der Europäischen Menschenrechtskonvention. Der Streit wird bis heute fortgeführt und findet über die Nationalräte Andi Gross (SP) und Oskar Freysinger (SVP) Eingang in unser Polit-Magazin. «Die Schweiz und die EMRK gehören zueinander, wie die Weinbergschnecke zu ihrem Schneckenhaus.» Andreas Gross* Nationalrat (SP/ZH)

wischen 1914 und 1945 fielen über 100 MilZ lionen Europäerinnen und Europäer der Willkür totalitärer Macht ganz unterschiedli-

cher Provenienz zum Opfer. Ihre Würde wurde von den Staaten, in denen sie lebten, missachtet und mit Füssen getreten. Aus dieser grauenhaften Erfahrung wollten die Europäerinnen und Europäer lernen und zogen Konsequenzen. Sie schufen nach 1945 über den Staaten Institutionen, welche die Legitimität und die Kraft haben sollten, die Würde des Einzelnen auch gegen den Staat, dem er angehört, zu schützen. Jeder einzelne sollte dann bei einem europäischen Gericht Recht und Schutz finden, wenn er den Eindruck hat, seine Menschenwürde würde durch den Staat, in dem er lebt, missachtet. Diese Erfahrung und dieser Wille sind das Fundament, auf dem der Europarate (ER) und seine Perle, die Europäische Menschenrechts Konvention (EMRK), gebaut wurden. Die Parlamentarische Versammlung des ER, zusammengesetzt aus Parlamentariern der Mitgliedstaaten, wählt pro Land einen Richter an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg (EGMR). Dieser EGMR schützt jeden der

Dieser Schutz ist eine ungeheure zivilisatorische Errungenschaft

heute über 800 Millionen Menschen in den 47 ER-Mitgliedstaaten, wenn er den Eindruck hat, seine Menschenwürde werde von einer staatlichen Gewalt, der Regierung, dem Parlament oder einer Verwaltungsbehörde verletzt. Dieser Schutz ist eine ungeheure zivilisatorische Errungenschaft. Politisch ist er eine erstaunliche Leistung, die wir vielleicht dann besser schätzen können, wenn wir uns be-

wusst machen, dass heute angesichts des Wiederaufkommens des Nationalismus und der Stärke nationalkon-servativer Kräfte in allen Staaten Europas diese Errungenschaft eher wieder utopisch wirkt. Die Schweiz konnte sich dieser zivilisatorischen Errungenschaft erst 1974 anschliessen. Drei Jahre nachdem die Schweizer Männer auch den Frauen das Stimm- und Wahlrecht zusprachen, deren politisches Menschenrecht also achteten und in der Bundesverfassung verankerten. Der Beitritt der Schweiz zur EMRK geschah damals ohne Volksabstimmung. Niemand opponierte dem entsprechenden Beschluss von National- und Ständerat.

So hat der EGMR direkt und indirekt die Freiheit, den Schutz, die Position und die Rechte jedes einzelner Schweizers und jeder einzelnen Schweizerin enorm gestärkt Dies ist nicht unbedingt erstaunlich. Denn die Schweiz hat seit 1848 keinen Krieg mehr erlitten, in der Schweizer willkürlich behandelt und zu Tode kamen. Auch haben die Schweizer sich 1848 selber demokratisch einen Staat geschaffen, mussten also weniger vom ihm Angst haben als andere. Dennoch war und ist die EMRK auch für die Schweiz ein Segen. Denn es ist nicht immer einfach, jedem Einzelnen bei allen Entscheiden gerecht zu werden. So hat der EGMR direkt und indirekt die Freiheit, den Schutz, die Position und die Rechte jedes einzelner Schweizers und jeder einzelnen Schweizerin enorm gestärkt. Wie sie schon 1848 ihre Demokratie auch Europa verdankt hat, darf die Schweiz sich glücklich schätzen, ein aktiver Teil des Europarates und seiner Menschenrechtskonvention zu sein. Sie ist damit auch Teil eines grossen Bewegungsraumes zwischen dem japanischen Meer und den Azoren, zwischen dem Nordkapp und der türkisch/syrischen Grenze, in dem die Schweizerinnen und Schweizer nirgends rechtlos und ohne Schutz sind und sich

bei irgendwelchen Problemen auf die Achtung ihrer Grundrechte verlassen können. Diese Errungenschaft aufzugeben bringt niemandem etwas. Damit würde sich die Schweiz nicht nur aus dem Kreis der zivilisierten Staaten und Völker Europas ausschliessen, sondern auch aufhören, die Schweiz zu sein, in der wir gerne leben.s *Andi Gross | Partei: SP | Amt: Internationalrat (National - und Europarat) | Kanton: Zürich | Beruf: Politikwissenschafter | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Karl Bürkli und Upton Sinclair | Ort, an den ich gerne reisen würde: Yukon | Das nervt mich: Gleichgültigkeit. www.andigross.ch

«Die vierte Kolonne.» Oskar Freysinger* Nationalrat (SVP/VS)

s geht ein mahnend erhobener ZeigefinE ger durch Europa. Immer wieder taucht er seine Selbstgerechtigkeit in den Speichel


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Nr. 5 | Juni MMXII | Statements

international Gebildes ist das Volk (der Souverän), welches im Rahmen des zwingenden Völkerrechts immer das letzte Wort hat. Es ist also nicht einzusehen, warum einem jeder demokratischen Legitimation entbehrenden überstaatlichen Gerichtshof mehr Gültigkeit zuerkannt werden sollte als den einheimischen Gerichten oder Volksentscheiden, welche die absolute Mehrheit erfordern.

Mo Bridge

Will die Schweiz ihrem Gründungsprinzip, keine fremden Richter zu dulden, treu bleiben, dann muss sie aus der EMRK austreten

der juristischen Entrüstung. Er ist einem System verpflichtet, das die angeblich verstaubte Moral der Vergangenheit durch ein neues, leuchtendes Dogma ersetzen soll: die Menschenrechte! Sein eher politischer als juristischer Arm ist der europäische Gerichtshof für Menschenrechte, welcher immer stärker in innerstaatliches Recht eingreift und sich als eine Art „vierte Instanz“ über den nationalen Gerichten aufspielt, was der Grundidee dieses Gerichtshofs völlig zuwider läuft. Darüber hinaus verknüpft dieser Hof seine Urteile mit der „Empfehlung gewisser Massnahmen“, welche die der Verurteilung zugrunde liegenden Mängel beheben sollen. Dies war jedoch nie als seine Rolle vorgesehen. Besonders brisant wird das Problem für unser Land, wenn der europäische Gerichtshof sich anmasst, direktdemokratische Entscheide des Schweizer Volkes in Frage zu stellen.

Ein besonders gravierendes Beispiel dafür war die Umsetzung der Verjährungsinitiative, wo der EMGR in völligem Widerspruch zum Volksentscheid die bedingte Entlassung schwerer Triebtäter auch ohne Therapie zulassen wollte.

Die Strassburger Richter werden nicht gewählt, sondern vom dominanten System ernannt, was ihre Anfälligkeit für die Wünsche der Mächtigen verstärkt und ihre Unabhängigkeit sehr in Frage stellt Nun ist aber die Schweiz ein Rechtsstaat mit einer überzeugenden vertikalen und horizontalen Gewaltentrennung. Sockel des

Die Strassburger Richter werden nicht gewählt, sondern vom dominanten System ernannt, was ihre Anfälligkeit für die Wünsche der Mächtigen verstärkt und ihre Unabhängigkeit sehr in Frage stellt. Ein paar zahme Richter können leichter unter Druck gesetzt werden als ein ganzes Volk. Ein Beispiel der Beeinflussbarkeit dieses Gerichts stellt das Verbot von Kruzifixen in den Schulzimmern dar, das seine Richter am 3. November 2011 verfügten. Alsbald ging ein Aufschrei durch Italien, Bayern und andere katholische Länder, was den Gerichtshof einige Monate später dazu zwang, sein eigenes Urteil umzustossen. Im Falle des EGMR geht es nur darum, die politischen Inhalte einer globalen Elite juristisch zu verpacken und flächendeckend durchzusetzen. Will die Schweiz ihrem Gründungsprinzip, keine fremden Richter zu dulden, treu bleiben, dann muss sie aus der EMRK austreten. Das elementarste Recht eines souveränen Landes besteht darin, sein Schicksal selber bestimmen zu können.s *Oskar Freysinger | Partei: SVP | Amt: Nationalrat und Vizepräsident der SVP Schweiz | Kanton: Wallis | Beruf: Gymnasiallehrer | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Leonard Cohen | Ort, an den ich gerne reisen würde: Tibet | Das nervt mich: Abzockerei. www.ofreysinger.ch Und jetzt Sie, auf www.statements.ch


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Statements | Nr. 5 | Juni MMXII

Schweiz

Teilrevision Kollektivanlagengesetz (KAG) Die Banken- und Anlagewelt mit ihren Produkten und Strategien ist für die meisten Normalbürger, aber auch für Politiker, ein Buch mit sieben Siegeln. In den vergangenen Jahren konnte man den Eindruck gewinnen, dass selbst Branchenteilnehmer fern von jedem Durchblick sind. Am Bedarf nach Regulierung und Schutz für die Anleger wird von keiner Seite gezweifelt. Umstritten sind jedoch der Umfang und insbesondere die Folgen, welche eine Überregulierung auf den Finanzplatz Schweiz hätte.

Mo Bridge

Tätigkeiten doch schon vom Ausland geregelt. Damit kann ein hiesiger Anbieter weiterhin seine institutionellen Angebote z.B. an einen Staatsfonds im Mittleren Osten anbieten. • Der Schweizer Spezialfonds für Institutionelle (bei uns fälschlicherweise als Einanlegerfonds bezeichnet) erhält einen weiteren Anwendungsbereich. Somit können solche Fonds z.B. auch für eine Schweizer Sachversicherung aufgelegt werden.

«Keine Regulierung auf Vorrat.» Martin Schmid* Ständerat (FDP/GR)

ie Teilrevision des KAG haben wir kürzD lich in der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerats („SR-WAK“)

behandelt. Dabei hat die Mehrheit der Kommission in wichtigen Punkten Korrekturen der bundesrätlichen Botschaft zugestimmt. Dabei ging es insbesondere darum, Anleger zu schützen, wo ein Schutzbedürfnis vorliegt und gleichzeitig die Standortattraktivität der Schweiz für Vermögensverwalter und deren Fondsprodukte nicht unnötig zu verschlechtern. Jedoch soll keine Regulierung auf „Vorrat“ getätigt werden. Die Teilrevision ist – und da besteht ein breiter Konsens – notwendig, damit die Schweiz den Marktzutritt in die EU nicht verliert. Sie ist die Antwort insbesondere auf die EU-Richtlinie zu den Verwaltern alternativer Investmentfonds („AIFM-RiLi“). Diese verlangt, dass Nicht-EU Vermögensverwalter nur dann als delegierte Vermögensverwalter tätig werden dürfen, wenn sie einer gleichwertigen Aufsicht unterstehen, was mit dem heutigen KAG nicht der Fall ist. Der Botschaftsentwurf schiesst jedoch über sein erklärtes Ziel hinaus. Einerseits würde der Vertrieb an institutionelle Anleger ohne Not erheblich erschwert, was zu einer Ausdünnung der Angebotspalette für

diese professionellen Anleger führen würde. Zudem wurden vom Bundesrat Ausnahmen verweigert, die sogar die AIFM-RiLi in Europa vorsieht und der Entwurf verpasst es, die Standortattraktivität des hiesigen Fondsproduktionsstandorts zu verbessern, der notorisch unter einer immer wieder gerügten und in der Branche als wirtschaftsfeindlich bezeichneten Aufsichtspraxis leidet.

Der Botschaftsentwurf schiesst jedoch über sein erklärtes Ziel hinaus

Die SR-WAK hat aus diesen Gründen Korrekturen vorgenommen und folgende Punkte festgehalten: • Kleine Vermögensverwalter kollektiver Kapitalanlagen, die sich an Institutionelle richten, bleiben unbeaufsichtigt, ausser sie wollten sich freiwillig unterstellen. Damit bleibt u.a. dem Bereich Risikokapital die nötige Bewegungsfreiheit. • Vermögensverwalter, die Mandate u.a. von Pensionskassen verwalten, und ab 2013 dafür eine prudentielle Überwachung vorweisen müssen, können sich freiwillig unterstellen. Damit schliesst die SR-WAK eine wettbewerbsverzerrende Gesetzeslücke. • Der Vertrieb ausländischer kollektiver Kapitalanlagen an ausländische Institutionelle wird nicht der Schweizer Regulierung unterstellt. Das braucht es auch nicht, werden solche

Stimmt das Bundesparlament diesen Korrekturen ebenfalls zu, kann ein weiterer Arbeitsplatzabbau im Finanzbereich verhindert und unsere Volkswirtschaft gestärkt werden

• Das Vorhandensein von Zusammenarbeitsvereinbarungen im Aufsichtsbereich ist keine Bedingung mehr für eine grenzüberschreitende Vertriebs- oder Verwaltungstätigkeit, ausser das ausländische Recht sehe dies so vor. Damit kann das institutionelle Anlageprodukt auch dann an die Pensionskasse z.B. in Kanada vertrieben werden, wenn aus kanadischer Sicht eine Zusammenarbeitsvereinbarung mit der Schweiz nicht auf der politischen Traktandenliste steht. • Eine Schweizer Komplementär-Aktiengesellschaft darf neu auch mehrere institutionelle Kommanditgesellschaften betreuen. • In der Schweiz ist zwar ein Vertreter für ausländische kollektive Kapitalanlagen zu bestellen. Dessen Pflichten bleiben aber auf Melde-, Publikations- und Informationspflichten beschränkt. Der Vorschlag des Bundesrats, den Vertreter zum verlängerten Arm der FINMA zu machen, hätte zu einem faktischen Verbot solcher Produkte in der Schweiz geführt. *Martin Schmid | Partei: FDP | Amt: Ständerat | Kanton: Graubünden | Beruf: Rechtsanwalt / Dr. iur. HSG, a. Regierungsrat | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Roger Federer | Ort, an den ich gerne reisen würde: Nordkap | Das nervt mich: Überbordende Regulierungen. www.martin-schmid.ch


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Nr. 5 | Juni MMXII | Statements

schweiz Stimmt das Bundesparlament diesen Korrekturen ebenfalls zu, kann ein weiterer Arbeitsplatzabbau im Finanzbereich verhindert und unsere Volkswirtschaft gestärkt werden. Zu hoffen ist, dass dieses positive parlamentarische Bekenntnis zu Gunsten eines starken Fondsstandorts Schweiz und für professionelle Vermögensverwaltung in unserem Land ein erster Schritt darstellt, um unser Land in diesem Sektor zukünftig unter den weltbesten Standorten zu positionieren. Das ist auch notwendig, nachdem die zwei Standbeine des Investment Bankings und das klassische Vermögensverwaltungsgeschäft in der Schweiz keine gesicherte Zukunft mehr haben.s

«Wir brauchen ein Gesetz für die Anleger und nicht für die Fondsmanager.» Christian Levrat* Nationalrat (SP/FR)

ereits bei der Vorbereitung des geltenden B Bundesgesetzes für kollektive Kapitalanlagen (KAG) 2006 warnte die SP vor zu la-

schen Vorgaben zum Schutz der Anlegerinnen und Anleger. Dass nun bereits eine Revision notwendig ist, bestätigt diese frühe Kritik. Leider hat erst die globale Finanzkrise mit all ihren Exzessen wie der internationalen Madoff-Affäre oder den fragwürdigen Geschäftspraktiken der CS beim Verkauf von LehmanPapieren an Kleinsparer die Finanzbranche und die Politik zur Einsicht gebracht. Mittlerweile scheint auch die Fondsbranche zähneknirschend zu akzeptieren, dass ohne eine verschärfende KAG-Revision die Schweiz zu einer Regulierungsoase und

zum Zufluchtsort für alle diejenigen Finanzmarktakteure wird, die die Regeln der EU nicht mehr erfüllen wollen oder können.

Wenn wir nicht sehr schnell diese Regulierungslücken schliessen, droht die Schweiz ihre Reputation als seriöser Finanzplatz zu verspielen

Schwerwiegende Lücken gibt es im geltenden Gesetz mehr als genug. Das sind beispielsweise die aufgeweichten Regeln für das Geschäft mit den sogenannt qualifizierten Anlegerinnen und Anlegern: Verfügt eine Privatperson über eine gewisse Vermögenssumme oder hat sie einen Vermögensverwaltungsvertrag unterzeichnet, wird sie weitgehend sich selbst überlassen. Dieses Konzept ist lächerlich, da ein Anleger unabhängig von der genauen Vermögensgrösse Anrecht auf den Schutz vor schlechten Finanzdienstleistungen und allfälligen Scharlatanen hat. Wir brauchen ein Gesetz für die Anleger und nicht für die Fondsmanager.

Gute Regulierung ist ein Wettbewerbsvorteil

Die EU hat sehr schnell die Lehren aus der Krise gezogen und wenn wir nicht sehr schnell diese Regulierungslücken schliessen, droht die Schweiz ihre Reputation als seriöser Finanzplatz zu verspielen. Beispielsweise weil momentan nur Manager, die inländische Fonds verwalten, dem Gesetz unterstellt sind. Künftig sollen es zwingend alle sein. Und das ist keineswegs nur ein Anliegen im Interesse der Anleger: Unbeaufsichtigte Fondsverwalter werden über kurz oder lang vom europäischen

Fondsmarkt ausgeschlossen sein. Griffige Regulierungen sind kein Wettbewerbsnachteil, sondern im Gegenteil die Voraussetzung für europaweite Akzeptanz. Darum muss die KAG-Revision mit dem nötigen Biss realisiert werden. Es gilt die laufenden Weichspühl-Versuche im Interesse der Fondsbranche zu verhindern, wenn der Ständerat als Erstrat am 13. Juni die Vorlage behandelt. Der Finanzplatz zahlt derzeit einen hohen Preis aufgrund der Altlasten einer verfehlten

Wer erneut auf Gesetzeslücken setzt und darum dem überarbeiteten KAG die Zähne zieht, schädigt aus kurzfristigen Renditeüberlegungen den langfristigen Erfolg des Finanzplatzes Geschäftsstrategie im grenzüberschreitenden Vermögensverwaltungsgeschäft. Auch da haben die Banken trotz klaren Warnsignalen bis zum Schluss auf Regulierungsarbitrage und Steuerflucht gesetzt. Wer erneut auf Gesetzeslücken setzt und darum dem überarbeiteten KAG die Zähne zieht, schädigt aus kurzfristigen Renditeüberlegungen den langfristigen Erfolg des Finanzplatzes.s *Christian Levrat | Partei: SP | Kanton: Freiburg | Amt: Nationalrat, Präsident der SP Schweiz | Beruf: Jurist und Politologe. www.levrat.ch Diskutieren Sie mit auf www.statements.ch


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Statements | Nr. 5 | Juni MMXII

SCHWEIZ

Die Krux mit dem Schweizerkreuz Der Umgang mit dem Prädikat „Schweiz“ ist keinesfalls eine reine Frage von Konsumpatriotismus. Tatsächlich macht der Bezug zur Schweiz einen namhaften Teil des Preises eines Produktes aus. Es erstaunt daher nicht, dass über die Menge an und die Wertschöpfung durch „Schweizheit“ gekämpft und gefeilscht wird. Ständerätin Anita Fetz (SP) und Nationalrat Kurt Fluri (FDP) führen uns in die aktuell laufende Debatte ein. «More swissness for better business.» Anita Fetz* Ständerätin (SP/BS)

Er empfahl ihn «trotz der fast unheimlichen Harmonie zwischen Frau Fetz und mir» zur Annahme. Das Image, das bei «Swiss made» mitschwingt, ist Geld wert. Sehr viel Geld. Konsument/innen sind bereit, für solche Produkte 20 bis 50 Prozent mehr zu bezahlen. Das sind Milliarden. Es geht um handfeste, berechtigte Interessen des Werkplatzes Schweiz. Gleichzeitig geht es um ebenso handfeste Interessen der Konsument/innen: Wo «Schweiz» draufsteht, soll auch «Schweiz» drin sein. Aber die Juristerei ist bekanntlich dort am Schönsten, wo sie gegen den Wahnsinn hin ausfranst. Ist das Fleisch eines Schweizer Rindes auch dann Schweizer Fleisch, wenn das Tier nicht nur rein schweizerisches Futter erhalten hat? Ist ein Schweizer Brot auch dann ein Schweizer Brot, wenn ausländische Hefe den Teig aufgehen liess? Darf ein Glöpfer (Cervelat) schweizerisch sein, da er doch in hundertprozentig ausländische Tierdärme abgefüllt wird?

Je verarbeiteter ein Produkt, desto grosszügiger sollten die Toleranzen beim Rohstoff sein – falls immer noch deutlich mehr als die Hälfte der Rohstoffe von hier sind, deutlich mehr als die Hälfte der Ges tehungskosten in der Schweiz anfallen und die eigentliche Produktion hier stattfindet Das sind Extrembeispiele. Aber sie zeigen das Problem: In einer vernetzten Welt sind einfache Lösungen allenfalls am Stammtisch möglich. Und nicht in der Wirklichkeit. Hier erwartet niemand in hochveredelten Produkten wie den Luxemburgerli oder industriell gefertigten Erzeugnissen wie Aromat ernstlich 100 Prozent Schweizer Rohstoffe. Niemand

Mo Bridge

em damaligen Justizminister war es D nicht ganz geheuer, als wir vor sechs Jahren meinen Swissness-Vorstoss berieten.

kommt auf die Idee, in Basler Läggerli 100 Prozent Basler Honig zu erwarten. Ich habe deshalb bei der bundesrätlichen Vorlage eine zusätzliche Kategorie beliebt gemacht. Motto: Je verarbeiteter ein Produkt, desto grosszügiger sollten die Toleranzen beim Rohstoff sein – falls immer noch deutlich mehr als die Hälfte der Rohstoffe von hier sind, deutlich mehr als die Hälfte der Gestehungskosten in der Schweiz anfallen und die eigentliche Produktion hier stattfindet. Die vorberatende Kommission kam nach drei Beratungsjahren zum selben Schluss: Sie hat die «stark verarbeiteten Lebensmittel» ergänzt. Das dürfte ganz im Sinne einer der Töchter des damaligen Justizministers sein: Mit ihr habe ich damals ebenfalls über die Vorlage gesprochen und Einiges gelernt. Sie produziert unter anderem Läggerli. *Anita Fetz | Partei: SP | Amt: Ständerätin, Mitglied der Wirtschafts-, Finanz- und Bildungskommissionen sowie der Finanzdelegation | Kanton: Basel-Stadt | Beruf: Kleinunternehmerin | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Michelle Obama | Ort, an den ich gerne reisen würde: Einmal um die Welt | Das nervt mich: Kleinkariertheit. www.fetz.ch

Nur mit ihrem Vater bin ich nicht mehr einig: Der damalige Justizminister heisst Christoph Blocher, und im Nationalrat hat er die Swissness-Vorlage in der Gesamtabstimmung abgelehnt. Schade. Denn der Wirtschaftsplatz Schweiz braucht mehr Schutz seines wichtigsten Trumpfes: der Schweizer Qualität.s

«Ausgewogene Swissness-Vorlage.» Kurt Fluri* Nationalrat (FDP/SO)

er Nationalrat hat eine mehrheitsfähige D und praktikable Kombination zwischen Gewichtsanteilen der Rohstoffe einerseits und

Anteilen der Herstellungskosten anderseits gefunden, um ein Lebensmittel als ‚schweizerischer Herkunft‘ gelten zu lassen. Bei den Industrieprodukten wird der Anteil der Herstellungskosten zwar von 50 auf 60 Prozent gesteigert, gleichzeitig werden aber neue Faktoren anrechenbar. Die Swissness-Vorlage gemäss Nationalrat trägt der Tatsache Rechnung, dass der Mehrwert von Bezeichnungen wie ‚Schweiz‘, ‚Schweizer Qualität‘ oder ‚Made in Switzer-


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Nr. 5 | Juni MMXII | Statements

SCHWEIZ land‘ gemäss Studien bis zu 20 % des Verkaufspreises ausmacht. Gesamthaft wird dieser Mehrwert auf mehrere Milliarden Franken geschätzt. Als Kehrseite dieser Medaille sind dreiste Missbräuche dieser Marke durch Produkte, in denen nur wenige Bestandteile oder Fabrikationsschritte schweizerisch sind, zu verzeichnen. Bei den Lebensmitteln und bei den Industrieprodukten muss deshalb eine Lösung gefunden werden, welche einen echten Mehrwert garantiert, anderseits aber den divergierenden Interessen zwischen Landwirtschaft, verarbeitender Industrie einerseits und den verschiedenen Industriebranchen anderseits Rechnung trägt. Im ‚Kampf‘ zwischen den Interessen der Landwirtschaft und der Lebensmittelindustrie bei den verarbeiteten Naturprodukten, im Gesetz neu als ‚Lebensmittel‘ definiert, ist im Nationalrat festgelegt worden, dass die schweizerische Herkunft eines schwach verarbeiteten, d.h. landwirtschaftsnahen Produktes einen Anteil von 80 % des Gewichts an schweizerischen Rohstoffen aufweisen muss. Die sog. stark verarbeiteten Lebensmittel brauchen noch einen solchen Anteil von 60 %, zusätzlich aber einen Anteil von 60 % der Verarbeitungskosten. Bei diesen werden zudem neu die Kosten für die Forschung und Entwicklung berücksichtigt.

Kompromiss auch bei den Industrieprodukten

Eher noch mehr als die Lebensmittel geben die anderen, namentlich industriell gefertigten Produkte Anlass zu Diskussionen im Zusammenhang mit der Swissness-Vorlage. Braucht es heute gemäss Praxis ‚bloss‘ 50%

Bei den Lebensmitteln und bei den Industrieprodukten muss deshalb eine Lösung gefunden werden, welche einen echten Mehrwert garantiert, anderseits aber den divergierenden Interessen zwischen Landwirtschaft, verarbeitender Industrie einerseits und den verschiedenen Industriebranchen anderseits Rechnung trägt

der Herstellungskosten, um ein solches Produkt als ‚Made in Switzerland‘ gelten zu lassen, sollen es gemäss nationalrätlicher Fassung inskünftig 60 % sein. Nach Auffassung der Mehrheit sowie der meisten intervenie-

renden Wirtschaftsverbänden- und branchen entspricht dieses Erfordernis der Absicht, die Marke Schweiz in Zukunft werthaltiger zu definieren als heute. Befürchtungen, die Arbeitsplätze würden ins Ausland verlagert, kann ebenso begegnet werden, dass dieser Schritt, welcher dazu berechtigt, die wertvolle Marke ‚Schweiz‘ zu tragen, umgekehrt auch zu einer Rückverlagerung von Arbeitsplätzen in die Schweiz führen kann. Zudem ist die effektive Differenz nicht 10 %, indem neu die Kosten für gesetzlich vorgeschriebene oder branchenweit geregelte Qualitätssicherung und Zertifizierung angerechnet werden kann. Damit reduziert sich die Differenz auf etwa 5%.s *Kurt Fluri | Partei: FDP | Amt: Nationalrat | Kanton: Solothurn | Beruf: Stadtpräsident | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Nelson Mandela | Ort, an den ich gerne reisen würde: Entlang der Seidenstrasse | Das nervt mich: Besserwisser statt Bessermacher. www.kurt-fluri.ch Und jetzt Sie, auf www.statements.ch


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Statements wird mit viel Liebe gemacht! Das alleine reicht aber bei Weitem nicht. In Zeiten, in denen die Printmedien totgesagt werden, ist es ein Abenteuer um nicht zu sagen ein Wagnis, mit einer neuen Publikation auf den Markt zu kommen. Wir sind überzeugt, dass dieses Magazin gut und nötig ist und dass der Markt es aufnehmen wird. Aus diesem Grund haben wir es lanciert und hoffen es über Generationen weiterführen zu können. Da Luft und Liebe nicht reichen, um einen solchen Betrieb zu finanzieren, sind wir auf die innovative und originelle Idee gekommen, Werbeflächen zu verkaufen. Sollte Ihr Betrieb an einer Werbung in den nächsten Ausgaben von Statements interessiert sein, kontaktieren Sie uns. Ihre Werbung ist keine Spende! Wir sind überzeugt, dass die spezifische Leserschaft von Statements für viele verschiedene Branchen ein interessantes Zielpublikum ist.

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Statements | Nr. 5 | Juni MMXII

statements-dinner | MAI

Statements-Dinner im Restaurant Drei Stuben Redaktion chon zum vierten Mal bot das Polit-MaS gazin Statements die Gelegenheit für einen gemütlichen und unverkrampften Abend

mit schweizerischer Politprominenz. Die MaiEdition des Statements-Dinners fand erstmalig in Zürich statt und war zu Gast im Restaurant „Drei Stuben“. Die geladene Politprominenz waren die Nationalrätinnen Barbara SchmidFederer (CVP) und Doris Fiala (FDP) sowie Nationalrat Thomas Maier (GLP), der sich leider gesundheitlich kurzfristig entschuldigen musste. Mit den beiden bürgerlichen PowerFrauen Fiala und Schmid-Federer war jedoch für genug Unterhaltung und geballtes Nationalratswissen gesorgt. In der urchigen Stube des In-Lokals „Drei Stuben“ trafen die beiden Nationalrätinnen auf die 3 Statements-LeserInnen, welche für das Abendessen ausgelost worden waren. Wie schon bei vorherigen Statements-Dinnern überraschte die grosse Anzahl an ausserkantonalen Bewerbern und insbesondere die Tatsache, dass sehr viele aktive Kantonsparlamentarier sich für das Dinner beworben haben. So waren denn unter den Glücklichen die Schwyzer CVP-Kantonsrätin Andrea Fehr, die sich überraschenderweise als Gast von Doris Fiala beworben hatte, während die Berner EVPGrossrätin Melanie Beutler-Hohenberger als Gast von Thomas Maier den Abend dennoch genoss und sich immer wieder in die Diskussionen einbrachte. Aus Schaffhausen reiste Dr. phil. Matthias Wipf an, der sich als Gast für Barbara Schmid-Federer beworben hatte. Wie schon bei Yvette Estermann in Luzern startete die Unterhaltung direkt mit dem pikanten Thema „Sexkoffer an den Schulen“ und der dazugehörigen Initiative. Für Meinungsvielfalt war bei der bunten Truppe unter den verschiedenen Parteiprovenienzen gesorgt. Zu guter Letzt einigte man sich jedoch darauf, dass einerseits die Sexkoffer-Suppe nicht

Gruppenfoto. Von links nach rechts: Roman Hänggi (Statements), Daniel Ordás (Statements), Andrea Fehr (Freienbach), Barbara Schmid-Federer (Nationalrätin/CVP), Melanie Beutler-Hohenberger (Mühlethurnen), Monica Subietas (Statements), Matthias Wipf (Schaffhausen), Doris Fiala (Nationalrätin/FDP) ganz so heiss gegessen werden sollte, wie sie gekocht wurde. Anderseits aber waren sich alle einig, dass Kindergarten- und Primarschüler wohl keinen allzu grossen Aufklärungsbedarf in Sexualkunde haben. Zwischen dem Gruss aus der Küche und den köstlichen Vorspeisen à la carte kippte das Thema in Richtung Twitter und Facebook, wobei Doris Fiala neidlos anerkannte, dass Barbara Schmid-Federer zu den bestvernetzten Social Media-Politikerinnen dieses Landes gehört. Natürlich kam in diesem Zusammenhang auch zur Sprache, welche Gefahren die Social Medias für Politikerinnen und Politiker

bergen. Tatsächlich ist Frau Schmid-Federer mit fast 4000 Facebook-Freunden und über 1300 Twitter-Followers für Schweizer Verhältnisse ein politischer Netz-Star und Pionier in Sachen virtueller Vernetzung. Dass sie auch im wirklichen Leben über ein enormes Netzwerk verfügt, beweist unter anderem ihre frühere Tätigkeit für Pro Juventute sowie ihr Präsidium des Zürcher Kantonalverbandes des Schweizerischen Roten Kreuzes. Nicht minder vernetzt ist Doris Fiala, welche nebst ihrem Nationalratsmandat auch noch als Parlamentarierin die Schweiz im Europarat vertritt. Leidenschaftlich berichtete sie


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Nr. 5 | Juni MMXII | Statements

statements-dinner | MAI

in Zürich von ihrer Tätigkeit in der eigenen PR-Agentur, wo sie beispielsweise das Projekt Food-Festival Zürich „il tavolo“ betreut. Beide Nationalrätinnen waren sich einig, dass ein seriös geführtes Nationalratsmandat mindestens ein 60%-Pensum ausfüllt und nicht ohne Unterstützung der Familie und eigene Leidenschaft geführt werden kann. Für eine kurze aber schmackhafte Ruhe­ episode sorgte der Hauptgang. Vom Rindsentercôte, über Felchen und einheimischem „Züri Gschnätzlets“ bis zu einem backsteingrossen Kalbs-Cordon-Bleu „Villa D’Este“ dekorierten unsägliche Köstlichkeiten die Teller der Anwesenden. Der Rotwein Lagrein aus dem Alto Adige, Jahrgang 2009, von Elena Walch, half dabei, die angeregte Diskus­sion erneut aufzunehmen und liess Doris Fiala von ihren Auslandaufenthalten in der Jugend schwärmen. Die Berner Grossrätin Melanie Beutler-Hohenberger interessierte sich für den Initialmoment, der die beiden Nationalrätinnen in die Politik getrieben hatte. Während bei Barbara Schmid-Federer das Nein zum EWR 1992 aus-

schlaggebend war, bildete die Rückkehr aus dem beschaulichen Genf ins damals drogenlastige Zürich der 80er Jahre die Geburtsstunde der politischen Doris Fiala. Auf grosse Begeisterung stiess der Einwand des politisch interessierten aber nicht aktiven Matthias Wipf aus Schaffhausen, der berichtete, dass in seinem Heimatkanton eine Wahlpflicht besteht. Ganz offensichtlich ist die überdurchschnittliche Wahlbeteiligung in Schaffhausen nicht auf die Busse von 3 Franken pro verpasste Abstimmung zurückzuführen, sondern auf die bewusstseinsbildende Gewissheit, dass die Wahlbeteiligung kontrolliert wird. Unter vielen anderen Themen diskutierten zum Beispiel die Schwyzer Kantonsrätin Andrea Fehr und Doris Fiala den Konkurs des Eishockey-Clubs Kloten Flyers, der Andrea Fehr ganz offensichtlich sehr nahe ging. Daneben outete sie sich ebenso wie Doris Fiala als GC-Fan, was den Anwesenden Schweizer Meistern und Cup-Siegern ein müdes Lächeln abrang. Alles in allem war es einmal mehr ein fantastischer Abend, der einigen StatementsLeserInnen die Möglichkeit bot, einen unverkrampften Einblick in die menschliche Seite der Schweizer Politik zu geniessen. Auf die Dessertvielfalt folgte zum Kaffee

noch ein Geschenk von Hans Peter Brugger, der dem Statements-Team, bestehend aus Roman Hänggi, Mónica Subietas und Daniel Ordás, ein Exemplar seines Buches „Lieblingswitze der Schweizer Parlamentarier“ als „Bhaltis“ für alle Teilnehmer mitgegeben hatte. Wir wollen erneut die Gelegenheit nutzen, uns beim freundlichen Team des Restaurants „Drei Stuben“ zu bedanken für die Gastfreundschaft, die köstlichen Leckereien und das besondere Ambiente.s



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Nr. 5 | Juni MMXII | Statements

STATEMENTS-DINNER | JUNI

Statements-Dinner am 27. Juni 2012 Liebe StatementsleserInnen: Mit dem Statements-Dinner wollen wir den LeserInnen die Gelegenheit bieten, einen Abend mit gastronomischen Höhenflügen und angeregten Diskussionen mit PolitikerInnen der Region zu verbringen. Nach Basel-Stadt, Aargau, Luzern und Zürich besucht Statements nun den Kanton Solothurn mit Ständerat Roberto Zanetti (SP), Na­ tionalrat Roland Borer (SVP) und René Kühne (GLP). Die drei Politgäste treffen sich mit drei unserer LeserInnen am Mittwoch, 27. Juni, im Restaurant Volkshaus in Solothurn und freuen sich auf spannende Inputs und angeregte Diskussionen. Unsere Polit-Gäste werden mit Interesse hören, wo der Schuh drückt und unsere ­LeserInnen erhalten

Gelegenheit, hinter die Kulissen der Politik zu sehen sowie grosse und kleine Anekdoten zu erfahren. Um an der Verlosung teilzunehmen, senden Sie uns bitte den unten stehenden Talon ein und kreuzen den Politiker an, in dessen Begleitung Sie gerne wären. Unter den jeweiligen Begleiterkandidaten kann leider nur einer gewinnen, aber alle andern können sich auf das Resumée in der nächsten Ausgabe von Statements freuen. Die GewinnerInnen werden per Los gezogen. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen, die Mitteilung erfolgt telefonisch oder via Mail. Volkshaus · Rossmarktplatz 2 · 4500 Solothurn · Telefon: 032 621 51 30

Für das Juni-Dinner suchen wir noch eine geeignete Lokalität in St. Gallen. Restaurantbetreiber können sich gerne bei info@statements.ch melden.

Wählen Sie Ihren StatementsDinner Partner: Ihre Angaben: Name:

Roberto Zanetti Ständerat (SP)

Roland Borer Nationalrat (SVP)

Vorname:

Strasse, Nr: PLZ, Ort: E-Mail:

Telefon:

Senden Sie den Talon bitte bis zum 24. Juni 2012 an: (Per Post): Statements Media GmbH · Salinenstrasse 25 · 4133 Pratteln; (per E-Mail): info@statements.ch. Die GewinnerInnen werden per E-Mail oder Telefon informiert.

René Kühne Parteipräsident (GLP/SO)


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Statements | Nr. 5 | Juni MMXII

regionen | AARGAU

Volksinitiative „Für eine sichere Aargauer Kantonalbank“

Mo Bridge

Ob der Betrieb einer Bank zu den Kernaufgaben eines Staates gehört, ist durchaus fraglich. Historisch betrachtet, entstanden die Kantonalbanken zur Förderung des einheimischen Gewerbes und zur Sicherstellung der Kreditflüsse und Liquidität auf dem Markt. Lange Zeit war die Staatsgarantie für die bei den Kantonalbanken angelegten Vermögen von untergeordneter Bedeutung. In Zeiten, in denen aber ganze Weltkonzerne von der Bildfläche verschwinden können, wird immer wieder und immer lauter über den Status der Kantonalbanken diskutiert.

«Erste Volksabstimmung seit der Bankenkrise 2008.» Marco Hardmeier* Grossrat (SP/AG)

D

ie Volksinitiative will in der Verfassung festschreiben, dass die Kantonalbank sich vollständig im Eigentum des Staates befindet. Einem Verkauf oder einer Rechtsform­ änderung müsste das Volk dann in jedem Fall zwingend zustimmen.

Es gibt Anzeichen für einen Verkauf

Bereits 2008 plante der Regierungsrat in der „Ei*Marco Hardmeier | Partei: SP | Amt: Grossrat, Präsident SP Aargau | Kanton: Aargau | Beruf: Schulleiter | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Ich esse regelmässig mit interessanten Menschen Znacht | Ort, an den ich gerne reisen würde: Immer wieder auf die Inseln: Sizilien, Kanaren, Balearen… | Das nervt mich: Künstlich erzeugter Stress und hektischer Aktionismus. www.marco-hardmeier.ch

gentümerstrategie“, die Kantonalbank in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln und grosse Teile davon zu verkaufen. Angesichts der Bankenkrise wurde die Strategie sistiert. Zudem gibt es immer wieder bürgerliche Gelüste, die Kantonalbank zu verkaufen – aus einem naheliegenden Grund: Ein Verkauf würde dem Kanton viel Geld in die Kassen schwemmen – Geld, mit dem der Kanton aktuell einzig immer wieder neue Steuersenkungsrunden für Reiche finanziert.

Kerngesundes und vernünftiges Unternehmen

Es gibt keinen Grund, ein gesundes Unternehmen wie die Kantonalbank zu verkaufen. Die Kantonalbank verfügt über ein ausgewiesenes Risikomanagement und hält auch sonst Mass: Exorbitante Saläre und Millionenboni für die rund 750 Mitarbeitenden gibt es nicht. Die Kantonalbank ist mehr als eine gewinnorientierte Bank, sie hat einen volkswirtschaftlichen Auftrag: Mit ihren Krediten an KMUs und mit ihren Hypotheken für Wohneigentumsbesitzerinnen und –besitzer übt sie einen stabilisierenden Einfluss auf die regionale Wirtschaft aus.

Sie liefert Gewinne für alle ab

Die Kantonalbank liefert jedes Jahr einen Teil ihres Gewinnes an den Kanton ab. Hinzu kommen eine Abgeltung der Staatsgarantie und die

Verzinsung des Dotationskapitals. Für 2011 sind dies insgesamt 77 Millionen Franken. Dieser Gewinn gehört in die Staatskasse und damit allen Aargauerinnen und Aargauern. Das System “Gewinne privat, Verluste dem Staat” hat ausgedient.

Das System „Gewinne privat, Verluste dem Staat“ hat ausgedient

Die Kantonalbank hat geringe Risiken

Die Aargauische Kantonalbank ist regional tätig und verankert, ihr Geschäftsgebiet liegt fast ausschliesslich im Kanton Aargau und in angrenzenden Regionen. Damit fallen viele riskante internationale Geschäfte weg. Der Verkauf der Kantonalbank und damit ein Verzicht auf die Staatsgarantie würden den Kanton bei einem Crash nicht von der Verantwortung entbinden. Das Beispiel des „Rettungspakets“ für die private UBS im Jahre 2008 hat gezeigt: Der Staat muss in bestimmten Situationen auch bei privaten Instituten von relevanter Grösse reagieren, will er grossen volkswirtschaftlichen Schaden abwenden. Die Bankenkrise hat gezeigt, wie wichtig Sicherheit und Vertrauen für eine Bank sind: Die immensen Geldzuflüsse an


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regionen | AARGAU Die immensen Geldzuflüsse an Kantonalbanken beweisen, dass die Menschen in der Krisensituation nur noch dem Staat vertrauen

Kantonalbanken beweisen, dass die Menschen in der Krisensituation nur noch dem Staat vertrauen.

Kooperationen sind möglich

Zusammenarbeit und Kooperation ist für die Kantonalbank auch bei verfassungsmässigem Staatseigentum möglich, wie bereits heute das Beispiel der Swisscanto zeigt. Diese sind flexibel und bieten betreffend Staatsgarantie keine Probleme.s

«Nein zur unnötigen AKB-Initiative.»

Da es sich beim Bankinstitut bereits jetzt um eine Staatsanstalt handelt und sie somit bereits jetzt im Eigentum des Kantons steht, ist die Initiative unnötig

Thierry Burkart* Grossrat (FDP/AG)

ie von der SP Aargau lancierte AKBD Initiative will in der Kantonsverfassung festschreiben, dass die Aargauische Kantonal-

bank vollumfänglich im Eigentum des Kantons Aargau ist. Da es sich beim Bankinstitut bereits jetzt um eine Staatsanstalt handelt und sie somit bereits jetzt im Eigentum des Kantons steht, ist die Initiative unnötig. Überdies gaukelt die Initiative mit dem Titel “Für eine sichere Aargauer Kantonalbank” eine erhöhte Sicherheit der Bank vor, die es aber nicht gibt. Die Sicherheit einer Bank hängt von der Geschäftstätigkeit ab und nicht davon, ob etwas, das bereits im Gesetz festgeschrieben wird, neu auf Verfassungsstufe festgelegt werden soll. Die Initiative der SP Aargau “Für eine sichere Aargauer Kantonalbank” will, dass das vollständige Eigentum des Kantons an der

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Kantonalbank in der Verfassung festgeschrieben wird. Zurzeit ist diese Tatsache auf Gesetzesstufe festgelegt. Mit einer Annahme der Initiative würde eine allfällige Verringerung des Eigentums des Kantons an der Kantonalbank neu einer obligatorischen Volksabstimmung unterstehen. Die Mitsprache des Souveräns in dieser Frage ist richtig. Sie ist aber für einen solchen Fall bereits heute vollumfänglich und ausreichend vorhanden. Bei einer Veräusserung wäre eine Volksabstimmung so gut wie sicher. Gegen Gesetzesänderungen kann das fakultative Referendum mit 3’000 Unterschriften verlangt werden. Bereits vorgängig kann der Grosse Rat mit 35 von 140 Stimmen mittels des sogenannten Behördenreferendums eine Volksabstimmung erzwingen. In diesem Sinn ist die Initiative unnötig und dürfte wohl mehr der Profilierung der Initiantin denn der eigentlichen Sache dienen.

Initiative macht AKB nicht sicherer

Die Sicherheit der AKB hängt nicht davon ab, ob die Beteiligung des Kantons auf Gesetzes- oder Verfassungsstufe geregelt ist, sondern von deren Geschäftstätigkeit. Entscheidend sind die Aufgabe und der Geschäftskreis der AKB, wie sie im bestehenden Gesetz geregelt sind. Die Rechtsform bzw. das Eigentum spielt in Bezug auf die Sicherheit einer Bank eine untergeordnete Rolle. Eine Rechtsformänderung, beispielsweise die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft, ist übrigens durch den Initiativtext nicht ausgeschlossen. Hohe Risiken der Geschäftstätigkeit einer Bank, wie Akquisitionen von neuen Tochtergesellschaften oder

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Die Sicherheit der AKB hängt nicht davon ab, ob die Beteiligung des Kantons auf Gesetzesoder Verfassungsstufe geregelt ist, sondern von deren Geschäftstätigkeit die Vergabe von ungesicherten Krediten, werden von dieser Initiative nicht erfasst. Die Initiative macht die AKB nicht sicherer, weshalb ein falsches Signal gesetzt wird.

Zurückhaltung mit Verfassungsänderungen

Die Initiantin, die SP Aargau, hatte in der Vergangenheit stets die Haltung eingenommen, dass Verfassungsänderungen nur dann vorgenommen werden sollten, wenn es wirklich nötig ist. Dieser Argumentation folgend muss die Initiative abgelehnt werden. Die anderen Staatsanstalten haben ihre rechtliche Basis ebenfalls bloss auf Gesetzesstufe. Das eigentliche Ziel der Initiantin dürfte eine breite Diskussion über die Privatisierung der AKB gewesen sein. Damit steht fest: Die SP Aargau meint den Esel und schlägt den Sack. In diesem Sinne ist zu hoffen, dass das Aargauer Volk die unnötige AKB-Initiative ablehnen wird.s *Thierry Burkart | Partei: FDP.Die Liberalen | Amt: Grossrat, Vizepräsident 2 des Grossen Rates, Präsident FDP. Die Liberalen Aargau | Kanton: Aargau | Beruf: lic. iur., Rechtsanwalt, LL.M. | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Winston Churchill | Ort, an den ich gerne reisen würde: Island | Das nervt mich: Ewige Bedenkenträger. www.thierry-burkart.ch Diskutieren Sie mit auf www.statements.ch


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Statements | Nr. 5 | Juni MMXII

REGIONEN | BERN

Die Schule soll den Kindern den Rucksack für den künftigen Lebensweg füllen. Mit Zunahme der Komplexität unserer Gesellschaft und der Anforderungen an den Einzelnen wird es jedoch immer schwieriger zu definieren, was in den Rucksack gepackt werden sollte und welche Grösse der Rucksack zu haben hat. Aus diesem Grund sieht sich nicht nur der Kanton Bern mit einer grossen Anzahl von beschlossenen, hängigen und künftigen Reformen konfrontiert. Sowohl die den Rucksack tragenden Schüler als auch die packenden Lehrkräfte könnten bei all den Umstellungen überfordert werden. Anderseits ist Stillstand aber auch keine Lösung. «Die Familie, die Sonder­ klassen und die Selektion behindern linke Bildungs­ reformen.» Sabina Geissbühler-Strupler.* Grossrätin (SVP/BE)

A

ls Bildungspolitikerin stelle ich fest, dass seit dem Amtsantritt unseres Erziehungsdirektors einschneidende, kostentreibende Reformen im Bildungsbereich umgesetzt werden. Der Ideologie, wonach alle Kinder gleiche Bildungschancen haben sollten, stehen aber die traditionellen Familien, die Sonderklassen und die Selektion im Wege.

Einschulung von Vierjährigen

Die ersten Schritte in diese Richtung sind nun aufgegleist, nämlich die obligatorische Einschulung von Vierjährigen mit einem umfangreichen Blockzeitenstundenplan und mit dem Auftrag, an jeder Schule einen Kinderbetreuungsdienst sowie einen Mittagstisch einzurichten. Die Behauptung, eine obligatorische Früheinschulung führe zu besseren Leistungen,

Mo Bridge

Wie viel Reformen erträgt die Volksschule?

Die Behauptung, eine obligatorische Früheinschulung führe zu besseren Leistungen, kann widerlegt werden

kann widerlegt werden: Die besten Kinder, die bei der Pisa-Studie getestet wurden, stammten aus dem Kanton Freiburg, wo nur gerade 19% der Kinder einen zweijährigen Kindergarten besuchten. Die Kinder des Kantons Tessin hingegen gehen alle zwei bis drei Jahre lang in den Kindergarten und schlossen die Pisa-Tests mit den schlechtesten Ergebnissen ab.

Auswirkungen der Integrationsreform

Die Integration von Kindern mit Defiziten in Regelklassen hat dazu geführt, dass zu deren Förderung im Jahr 2010 81 neue Stellen geschaffen werden mussten. Auch bringt dieser individuelle Förderunterricht grosse Unruhe. Für die Regelklasselehrperson bedeuten die Absprachen mit der Förderlehrkraft und die Evaluationen eine grosse Zusatzbelastung. Seit diese Reform umgesetzt ist, fallen im Kanton Bern pro Jahr durchschnittlich 100 Lehrkräfte während ungefähr eines halben Jahres wegen eines Burnouts aus.

Der Ruf der Lehrpersonen nach mehr Ruhe und einer Konsolidierungsphase im Schulalltag muss endlich ernst genommen werden

Basisstufe verursacht hohe Kosten ohne Nutzen

Warum sollen die bewährten Kindergärten durch altersgemischte Klassen ersetzt werden,

obschon die Versuchsergebnisse zeigen, dass die Kinder der Basisstufe im Lesen, Rechnen und Schreiben, aber auch im Sozialverhalten und dem persönlichen Wohlbefinden am Ende der 2. Klasse gleich gute Resultate ausweisen wie diejenigen Kinder, welche einen traditionellen Kindergarten und eine 1. und 2. Regelklasse besucht haben? Andererseits sind die finanziellen Aufwendungen für mehr Stellenprozente und zwei Räumlichkeiten pro Basisstufenklasse 1½-mal grösser.

Das Frühsprachenlernen, ein Reformprojekt ohne vorgängige Evaluation Bedenken von Sprachforschern und Lehrpersonen werden ignoriert und das Frühsprachenlernen ohne Versuchsphase eingeführt. Dies obschon fremdsprachigen Drittklässlerinnen und Drittklässlern die Standardsprache bereits grosse Probleme bereitet. *Sabina Geissbühler-Strupler | Partei: SVP | Amt: Grossrätin | Kanton: Bern | Beruf: Primar- und eidg. diplomierte Turn- und Sportlehrerin, ehemalige Dozentin für Didaktik am Institut für Sport und Sportwissenschaft der Universität Bern, Erwachsenenbildnerin | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Mit dem Berner Liedermacher Matt (CDs: MattSchwarz, SchachMatt) | Ort, an den ich gerne reisen würde: Tracking durch Südamerika (muss aber zuerst noch Spanisch lernen) | Das nervt mich: Wenn dermassen einschneidende, Millionen schwere Schulreformen durchgeboxt werden, obschon die Kosten-/ Nutzenanalysen negativ ausfallen. www.sabina-geissbuehler.ch


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Nr. 5 | Juni MMXII | Statements

REGIONEN | BERN Von den Lehrpersonen wird fürs Frühfranzösisch eine anspruchsvolle Weiterbildung verlangt und für die neue Dotation an Lektionen muss mit jährlich wiederkehrenden Kosten von vielen Millionen CHF gerechnet werden. Auch diese Reform wurde durchgesetzt, obschon unzählige Studien zum frühkindlichen Lernen immer zum gleichen Schluss kommen, nämlich dass es möglich ist, Fertigkeiten in verschiedensten Bereichen früh zu erwerben, dass aber bei späterem Beginn dieser „Vorsprung“ wieder eingeholt wird. Der Ruf der Lehrpersonen nach mehr Ruhe und einer Konsolidierungsphase im Schulalltag muss endlich ernst genommen werden. Auch müssen die finanziellen Ressourcen dort eingesetzt werden, wo sie für alle Kinder und die Lehrpersonen verbesserte Unterrichtsbedingungen bringen.s

«Let the teacher teach.» Bernhard Pulver* Regierungsrat (Grüne/BE)

enschen brauchen Stabilität und VerM änderung. Das familiäre wie auch das schulische System müssen sich mit neuen Fragen und raschem gesellschaftlichem Wandel auseinandersetzen. Gleichzeitig sollen Familie und Volksschule Horte der Beständigkeit und der Tradition sein. Familien und Schulen vermitteln über Generationen hinweg verlässliche Werte und Kompetenzen. Sie sichern das Wissen zwischen den Generationen. Dieses vermehrt sich jedoch mit rasanter Geschwindigkeit. Was muss die

nächste Generation wissen und können, um zu bestehen? Diese Frage ist immer schwieriger zu beantworten. In der Bildung hat das Pendel in den letzten zehn Jahren zu stark in Richtung Veränderung ausgeschlagen – Zeit für eine Politik, welche die Lehrpersonen in den Mittelpunkt rückt.

In der Bildung hat das Pendel in den letzten zehn Jahren zu stark in Richtung Veränderung ausgeschlagen

„Let the teacher teach“ – dieser Spruch sagt in Kurzform aus, worum es beim Schule geben gehen müsste: Darum, dass Lehrpersonen sich so stark wie möglich um Schule, um die Schülerinnen und Schüler, kümmern können. Denn gute Schule steht und fällt mit guten, motivierten Lehrpersonen – weniger mit Strukturen und Standards oder mit Evaluationen.

Im Mittelpunkt stehen heute Massnahmen zur Unterstützung der Lehrpersonen

Deshalb haben wir im Kanton Bern in den letzten Jahren erfolgreich die Anzahl der Reformprojekte reduziert. Einige wichtige Dinge setzen wir derzeit um: Ausbau der Tagesschulen, Frühfranzösisch, zweijähriger Kindergarten. Die Liste künftiger Reformen wurde aber radikal reduziert. Wir verzichten beispielsweise auf früher angekündigte Massnahmen wie Einführung des Leistungslohns, Zwang zur Schaffung von Oberstufenzentren, neue

*Bernhard Pulver | Partei: Grüne | Amt: Regierungsrat (bis 31.5. Regierungspräsident), Erziehungsdirektor | Kanton: Bern | Beruf: Dr. iur. | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Mit dem Dalai Lama | Ort, an den ich gerne reisen würde: Im Herbst in die Wälder des Nordostens der USA und Kanadas | Das nervt mich: Sture Leute, die nicht an Lösungen interessiert sind. www.bernhardpulver.ch

Schulevaluationsstellen oder eine grosse Reform der Oberstufe. Im Mittelpunkt stehen heute Massnahmen zur Unterstützung der Lehrpersonen. Alle Projekte prüfe ich dahingehend, ob sie für die Lehrerinnen und Lehrer eine Entlastung bringen, so wie beispielsweise Entlastungslektionen für schwierige Klassensituationen, Verbesserung des Lohnaufstiegs, Schaffung von Freiräumen zur Entwicklung der Schule von unten.

Wichtig ist für die Schülerinnen und Schüler vor allem eines: Dass sie kompetente, ausgeglichene und zufriedene Lehrerinnen und Lehrer haben Denn wichtig ist für die Schülerinnen und Schüler vor allem eines: Dass sie kompetente, ausgeglichene und zufriedene Lehrerinnen und Lehrer haben. Das ist die beste Garantie für guten Unterricht.s Diskutieren Sie mit auf www.statements.ch


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Statements | Nr. 5 | Juni MMXII

regionen | basel-LANDSCHAFT

Fusion von Basel-Landschaft und Basel-Stadt? Über Generationen haben Baselbieter Eltern ihren Kindern weitergegeben, wie sinnvoll und wichtig die Trennung von den Stadtherren 1833 war. Im Gegenzug hegten viele Stadtbasler weit über ein Jahrhundert einen enormen Groll auf die Separatisten, so dass die Zusammenarbeit der beiden Halbkantone nicht nur an den Finanzen, sondern oft auch an den Emotionen scheiterte. Mittlerweile ist man so weit, dass man über eine Fusion oder mindestens über eine regionale Zusammenarbeit reden kann. Doch die Meinungen über das künftige Verhältnis gehen weit auseinander. «Basel – starke Region ohne Kantonsgrenzen.» Philipp Schoch* Landrat (Grüne/BL)

enn man die Lebensrealitäten der EinW wohnerinnen und Einwohner der Region Basel anschaut, gibt es nur eine Antwort

Mo Bridge

auf die Frage, ob eine Kantonsfusion zwischen beiden Basel sinnvoll ist – JA. Kultur, Sport, Einkauf, Arbeit usw., alles findet heute in der ganzen Region statt, die Kantonsgrenzen werden ständig überschritten. Eines der besten Beispiele ist der FC Basel. Alle sind Fan des

Kultur, Sport, Einkauf, Arbeit usw., alles findet heute in der ganzen Region statt, die Kantonsgrenzen werden ständig überschritten FCB, keiner fragt an einem Fussballspiel bist du aus Eptingen oder Basel. Heute sind viele Gesetze harmonisiert. Das Schulsystem wird angeglichen, die freie Spitalwahl kommt ab 2014, die Strafprozessordnung ist schon heute in der ganzen Schweiz gleich. Viel mehr kann in der Zusammenarbeit zwischen beiden Basel nicht mehr erreicht werden. Nun steht ein grös­serer Schritt an. Auch ein Kanton Nordwestschweiz ist eine gute Idee, nur ist dieser Schritt noch sehr viel grösser und komplizierter wie eine Fusion zum Kanton Basel. Wesentlich in der ganzen Fusionsfrage ist der Zustand der beiden Kantone. Baselland geht’s finanziell so schlecht wie selten, Steuererhöhungen kommen ab 2013 so oder so. Die bür*Philipp Schoch | Partei: Grüne Baselland | Amt: Landrat | Kanton: Basel-Landschaft | Beruf: Pflegefachmann | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Francois Hollande | Ort, an den ich gerne reisen würde: Engadin | Das nervt mich: Alle, die ihr Stimm- und Wahlrecht nie nutzen. www.gruene-bl.ch

Die Frage stellt sich, ob das Baselbiet so noch lange auf eigenen Beinen stehen kann und es genug attraktiv wird für Firmen und Steuerzahlerinnen

gerlich dominierte Politik hat es verpasst, den Kanton BL für die Zukunft fit zu machen. Einzelinteressen und ein merkwürdiger Abwehrreflex gegenüber Basel, beispielsweise in der Gesundheitsplanung, haben dies herbeigeführt und noch verschlimmert. Der allgemeine Zustand des Kantons Basel-Stadt kann sich durchaus sehen lassen: Dort werden, klüger als in BL, Steuern gesenkt. Die fiskalischen Unterschiede werden somit praktisch ausgeglichen zwischen den beiden Halbkantonen. Basel ist attraktiv. Die Frage stellt sich, ob das Baselbiet so noch lange auf eigenen Beinen stehen kann und es genug attraktiv wird für Firmen und Steuerzahlerinnen. Bis heute waren in der Schweiz genügend finanzielle Mittel vorhanden, um die bekannte Struktur so am Leben zu erhalten. Ob in Zukunft alle 26 Kantone überleben können, ist eine wesentliche Frage und die gilt es sachlich zu diskutieren. Die Politik muss Ideen und

Lösungen zur Diskussion bringen. Eine Fusion der beiden halben Kantone ist so eine. Viele Fragen müssen bei einer anstehenden Fusion geklärt werden. Die Hauptstadt-Frage stellt sich mir aber nicht. Auch bei dieser Auseinandersetzung sollten wir unsere Emotionen im Griff halten und sachlich entscheiden. Wir sind und bleiben eine kleine Region und müssen uns deshalb gegenseitig unterstützen und vertrauen. Gemeinsam geht’s besser und irgendwann auch günstiger und effektiver. Ich freue mich auf alle Diskussionen zum Thema Fusion der beiden Basel.s

«Nicht einmal „nice to have“.» Thomas de Courten* Nationalrat (SVP/BL)

ie Befürworter einer Fusion von BaselD Stadt und dem Baselbiet verweisen meist spöttisch auf ein angebliches «HülftenschanzSyndrom» der standhaften Baselbieter. Auch wenn man die geschichtlichen Hintergründe nicht unter den Teppich wischen darf, so ist


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Nr. 5 | Juni MMXII | Statements

regionen | basel-LANDSCHAFT dieser Aspekt bei der Wiedervereinigungsdiskussion absolut sekundär. Im Vordergrund steht viel mehr die nüchterne Frage nach Sinn und Nutzen für beide Basel.

Die Wirtschaft sucht sich ihre Standorte nicht nach Kantonsgrenzen

Untersucht man – allem voran – die Syner­ gie-Effekte, wie sie die Befürworter immer unterstreichen, so hängt man schnell an ganz einfachen Stolpersteinen fest: Eine Fusion würde ja nur Sinn machen, wenn die beiden Kantonsverwaltungen zusammengelegt, verschlankt und die Verwaltungsstellen massiv reduziert würden. Bei rund 18’000 staatlich Besoldeten in Basel-Stadt und rund 14’000 im Baselbiet (jeweils inklusive Angestellte der Gemeinden) müsste rund ein Viertel bis ein Drittel – also 8’000 bis 10’600 – auf die Strasse gestellt werden. Der mächtige VPOD, Gewerkschaft der Verwaltungsangestellten, würde dies sicher nicht schlucken. Man darf sich schon wundern, dass gerade die Linke so sehr mit einer Fusion liebäugelt, obwohl sie damit selber einige Tausend Arbeitsstellen gefährdet.

Und wer predigt, ein Zusammenschluss sei für die Wirtschaft von Interesse, muss zur Kenntnis nehmen, dass ein Grosskanton Basel für die Wirtschaft nebensächlich ist. Die Wirtschaft sucht sich ihre Standorte nicht nach Kantonsgrenzen, sondern nach idealen rechtlichen und fiskalischen Rahmenbedingungen und vor allem nach Verfügbarkeit von Bauland und Fachkräften.

Wo liegt der Sinn und Nutzen einer Fusion, wenn man unter dem Strich schon heute durch (noch bessere) Zusammenarbeit das erreichen kann, was mit einer sehr aufwendigen und teuren Fusion sicher auch nicht besser würde Was aber der Wirtschaft im Zusammenhang mit einer Fusion sicher nicht gleichgültig sein wird, sind die damit unweigerlich drohenden Grabenkämpfe, welche die politischen Agenden in beiden Halbkantonen über Jahre, ja Jahrzehnte enorm belasten würden. Das Anschluss-Plebiszit im Laufental in den 80er-

Jahren ist das beste Beispiel solcher massiver Reibungsverluste. Fazit: Bevor jetzt Hunderttausende von Franken für «Fusions-Sandkastenspiele» ausgegeben werden, sollte man sich ganz nüchtern auf die zentrale Frage konzentrieren: Wo liegt der Sinn und Nutzen einer Fusion, wenn man unter dem Strich schon heute durch (noch bessere) Zusammenarbeit das erreichen kann, was mit einer sehr aufwendigen und teuren Fusion sicher auch nicht besser würde. Haben wir nicht wesentlich wichtigere Probleme zu lösen als unsere Ressourcen jahrelang in «Visionen» zu verschwenden, die nicht einmal die Qualität von «nice to have» haben?s *Thomas de Courten | Partei: SVP | Amt: Nationalrat | Kanton: Basel-Landschaft | Beruf: Eidg. dipl. Betriebsökonom HWV | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Reinhold Messner (Bergsteigerlegende) | Ort, an den ich gerne reisen würde: Patagonien | Das nervt mich: Unerhlichkeit. http://thomas.decourten.ch Und jetzt Sie, auf www.statements.ch


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Statements | Nr. 5 | Juni MMXII

regionen | BASEL-STADT

Referendum gegen die Senkung der Unternehmenssteuer im Kanton Basel-Stadt Mitten im Vorwahlkampf zu den Grossrats- und Regierungsratswahlen im Kanton Basel-Stadt findet ein erbitterter Abstimmungskampf zur Frage, ob die Unternehmenssteuer der Basler Unternehmungen gesenkt werden soll, statt. Die Gräben sind in dieser Frage ausserordentlich dogmatisch und die Positionen extrem kontrovers und festgefahren. Lesen Sie dazu Nationalrat Markus Lehmann (CVP) und Grossrätin Dominique König (SP).

wichtiger und ausschlaggebend für die internationalen Fachkräfte der Grossunternehmen sind weitere Faktoren wie ein gutes Bildungsangebot mit flächendeckendem Tagesschulangebot, gute Sozialleistungen, attraktive Freizeitangebote, gute verkehrstechnische Erschliessung, Wohnkomfort und die Grenznähe. Einiges wurde im Kanton Basel-Stadt in den vergangenen Jahren durch den guten Einsatz der vorhandenen Steuermittel verbessert. Die Folge davon ist ein starkes Wirtschaftswachstum und ein prosperierender Kanton. Damit das auch in Zukunft gewährleistet ist, muss das jetzige Steuersubstrat erhalten bleiben. Hinzu kommt, dass die Finanzplanung des Kantons für die nächsten Jahre Defizite und eine Verschuldung von rund einer Milliarde voraussagt. Hohe Investitionskosten und drohende Schulden lassen sich demnach nicht mit weiteren Steuerreduktionen in Einklang bringen und sind deshalb klar abzulehnen.

«Nein zur Senkung der Unternehmenssteuer, Ja zum Referendum.» Nerea Baz

Dominique König-Lüdin* Grossrätin (SP/BS)

uf die ersten zwei Steuersenkungen soll A nun in Basel-Stadt eine weitere Senkung der Unternehmensgewinnsteuer folgen. Der

Grosse Rat hat dieser 3. Reduktion anfangs Jahr zugestimmt. Die SP BS hat zusammen mit den Juso und der BastA das Referendum dagegen ergriffen und damit eine Volksabstimmung ermöglicht. Das Stimmvolk soll am 17. Juni darüber entscheiden, ob es mit der 3. Steuersenkung für die Unternehmensgewinnsteuer weitere Mindereinnahmen von 50 Mio. Franken jährlich in Kauf nehmen will. Die Finanzen von Basel-Stadt haben sich, entgegen den Prophezeiungen der bürgerlichen Kreise, unter der sozialdemokratischen Finanzpolitik mit Beteiligung der SP-Fraktion sukzessive erholt. Die Schulden konnten reduziert werden und dies obwohl gleichzeitig Steuererleichterungen für juristische und natürliche Personen initiiert wurden. Die maximale Gewinnsteuer wurde von 24,5% auf 20% reduziert und untere Einkommen werden nach und nach entlastet! Das ist linke Finanzpolitik, die die SP mitträgt. Die 3. Runde lehnt die SP nun aber entschieden ab.

Grundsätzliches Fragezeichen zum Steuerwettbewerb

Grundsätzlich setze ich ein Fragezeichen hinter den Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen. Die ewige Konkurrenzierung unter

den Kantonen um den tiefsten Steuersatz für Unternehmen höhlt den Staat aus und führt zu Ungerechtigkeiten. Zentrumslasten eines Stadtkantons wie Basel-Stadt wiegen schwer und müssen weiterhin finanziell gesichert bleiben. Von der aktuellen Steuersenkung werden nur Firmen mit hohen Gewinnen profitieren. Dreiviertel der Gewerbebetriebe werden leer ausgehen, besonders Unternehmen mit wirtschaftlichen Problemen. Die guten Standortfaktoren, die vor allem von bürgerlichen Kreisen als Argument herangezogen werden, lassen sich nicht nur auf eine Komponente, nämlich das Steuerranking, reduzieren. Viel *Dominique König-Lüdin | Partei: SP Basel-Stadt | Amt: Grossrätin | Kanton: Basel-Stadt | Beruf: Musikpädagogin | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Mit Personen am Rande unserer Gesellschaft, um ihnen zuzuhören | Ort, an den ich gerne reisen würde: Wanderung durch die algerische oder marokkanische Wüste | Das nervt mich: Unzuverlässigkeit. www.sp-bs.ch

Steuergeschenke für die Großunternehmen werden nicht in die Firmen und Arbeitsplätze reinvestiert, sondern kommen den Aktionären in Form von höheren Dividenden und den Chefetagen zugute Steuergeschenk entlastet die Falschen

Die mittleren und unteren Einkommen leiden trotz der bereits initiierten Steuersenkungen weiterhin unter der Last der hohen Krankenkassenprämien und den steigenden Wohnkosten. Vor allem Familien aus dem Mittelstand können weder von Ergänzungsleistungen noch von Steuerreduktionen profitieren. Wenn überhaupt Steuersenkungen, dann für diese Bevölkerungsgruppe. Dementsprechend will sich die SP BS für die Erhöhung des Steuerfreibetrags für natürliche Personen einsetzen, sollte die beschlossene Gewinnsteuerreduktion von der Bevölkerung abgelehnt werden. Berechnet auf die 50 Mio Franken Steuerverlust durch die Senkung der Unternehmensgewinnsteuer, würde dies für alle Steuerzahlenden eine Senkung von 400 Franken ergeben. Das ist Geld, das in den Wirtschaftskreislauf zurückfliesst und direkt dem Gewerbe des Kanons zugutekommen kann. Denn Steuergeschenke für die Großunternehmen werden nicht in die Firmen und Arbeitsplätze reinvestiert, sondern kommen den Aktionären in Form von höheren Dividenden und den Chefetagen zugute.


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Nr. 5 | Juni MMXII | Statements

regionen | BASEL-STADT Zusammenarbeit mit Nachbarkantonen

Die heftige Reaktion auf das Abstimmungsplakat des Referendumskomitees ist berechtigt, da die aufgezeigte Entwicklung der Realität in Baselland entspricht. Leider zeigt sich mit Blick auf die angespannte Finanzsituation in unserem Nachbarkanton, dass viele gemeinsame Projekte zurückgestellt werden müssen und auf die Zukunft hinaus sogar gefährdet sind. Nur mit gesunden Staatsfinanzen lässt sich die Zusammenarbeit erfolgreich weiterführen. Wir sagen Nein zur Senkung der Unternehmensgewinnsteuer und Ja zum Referendum.s

«Es geht um unsere Arbeitsplätze.»

des Grossen Rats bin ich überzeugt, dass ein akuter Handlungsbedarf besteht. Basel-Stadt belegt heute den drittschlechtesten Platz in der Hitparade der Unternehmensgewinnsteuer. Es ist dringend nötig, dass unser Kanton eine Entlastung für die Unternehmen beschliesst und dadurch ins schweizerische Mittelfeld vorrückt. Auch der Regierungsrat hat vor der Gefahr gewarnt, dass ansässige Unternehmen ihre Aktivitäten beziehungsweise ihr Steuersubstrat allmählich an steuergünstigere Standorte verlegen. Und es würde immer schwieriger, neue Unternehmen zum Zuzug nach Basel-Stadt zu bewegen.

Es ist dringend nötig, dass unser Kanton eine Entlastung für die Unternehmen beschliesst

Markus Lehmann* Nationalrat (CVP/BS)

D

ie Senkung der Unternehmenssteuer, welche die Regierung und der Grosse Rat beschlossen haben, ist eine vorzügliche Massnahme für den Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen am Standort Basel-Stadt. Es ist grotesk, dass ausgerechnet SP, Juso und Basta zusammen mit Gewerkschaften gegen diese Vorlage von SP-Finanzdirektorin Eva Herzog kämpfen. Wenn erfolgreiche Basler Unternehmen auch in Zukunft die Arbeitsplätze erhalten oder hier neue schaffen sollen, ist es nötig, mit der Senkung der Unternehmensgewinnsteuer ein klares Signal zu setzen. Zusammen mit dem Regierungsrat und mit der Mehrheit

Unser Kanton soll als Werkplatz und Wirtschaftsstandort konkurrenzfähig bleiben, indem er attraktiver wird. Rund 2000 Unternehmen – auch zahlreiche KMU – werden von der Steuerentlastung profitieren. Nur erfolgreiche Unternehmen erhalten oder schaffen Arbeitsplätze und verhelfen dem lokalen Gewerbe zu den gewünschten Aufträgen.

Eine vernünftige Vorlage

Die Steuersenkung für die Unternehmen folgt auf die bereits früher beschlossenen Steuerentlastungen für die Privathaushalte. Das bedeutet: Jetzt sind die Unternehmen dran! Und vergessen wir nicht, dass die Senkung der Unternehmenssteuer in kleinen Schrit-

Nur erfolgreiche Unternehmen erhalten oder schaffen Arbeitsplätze und verhelfen dem lokalen Gewerbe zu den gewünschten Aufträgen ten sowie (entsprechend den im Gesetzestext eingebauten Sicherungen) abgestimmt auf die Konjunktur und auf den Kantonshaushalt erfolgt. Es ist deshalb – im Gegensatz zu den billigen Behauptungen der Gegner – nicht möglich, dass der Kantonshaushalt wegen dieser Steuersenkung im Defizitchaos versinkt. Wir sollten alles Mögliche und Zumutbare tun, um unsere vergleichsweise günstige Situa­ tion auch in Zukunft zu erhalten. Wer, wie die Linksparteien und einige Gewerkschaften, in Kauf nimmt, dass unsere Arbeitsplätze gefährdet werden, sägt den Ast ab, auf dem die Basler Wirtschaft und ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sitzen. Deshalb: JA zur vernünftigen Senkung der Unternehmenssteuer!s *Markus Lehmann | Partei: CVP | Amt: Nationalrat, Grossrat | Kanton: Basel-Stadt | Beruf: Selbst. Versicherungstreuhänder | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Roger Federer | Ort, an den ich gerne reisen würde: China - Vietnam | Das nervt mich: Sture und unfreundliche Menschen. www.lehmann-markus.ch Diskutieren Sie mit auf www.statements.ch


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Statements | Nr. 5 | Juni MMXII

Mo Bridge

regionen | LUZERN

Ladenöffnungszeiten im Kanton Luzern Lange ist es her, dass man die Wocheneinkäufe auf dem Markt beim Konsumverein oder in der MIGROSGenossenschaft tagsüber erledigte. Auch die Tante-Emma-Läden sind je länger je mehr auf dem Rückzug. Das Bedürfnis nach durchgehendem Shopping und einer totalen Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten ist jedoch vielen Angestellten im Einzelhandel ein Dorn im Auge. Lesen Sie hierzu mehr mit Rolf Born, Fraktionschef der FDP.Die Liberalen, und Kantonsrat Andreas Hofer, Präsident der Grünen Region Sursee. «Kaufkraft erhalten!» Rolf Born* Kantonsrat (FDP/LU)

A

n Tankstellen, auf Autobahnraststätte und in Bahnhöfen dürfen zu allen Tages- und Nachtzeiten Verkaufslokale geöffnet bleiben. Diese Geschäfte werden an Abenden und vor allem an Sonntagen überaus stark frequentiert. Das zeigt deutlich auf, dass sich das Einkaufsverhalten der Kundinnen und Kunden markant verändert hat. Eingekauft wird heute bei Bedarf und nicht nach gesetz-

lich vorgegebenen Öffnungszeiten. Aufgrund der herrschenden Gesetze profitieren deshalb nur einige, wenige Betriebe vom veränderten Einkaufsverhalten. Das führt vor allem auch im Kanton Luzern zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen. Denn in allen Nachbarkantonen dürfen die Geschäfte an Samstagen bis 17 Uhr oder länger offen bleiben. Der Kanton Luzern hat sich in den vergangenen Jahren im Bereich der Steuern landesweit eine Spitzenposition erarbeitet. Dies gestützt auf die Erkenntnis, dass im Wettbewerb nur bestehen kann, wer sich veränderten Herausforderungen stellt. Weiter strebt die Region Luzern eine verbesserte Anbindung an den Metropolitanraum Zürich an. Damit will

man die Standortattraktivität und auch die Wettbewerbsfähigkeit steigern. Die Standortattraktivität eines Wohnortes hängt jedoch nicht alleine vom Steuersatz ab, sondern *Rolf Born | Partei: FDP.Die Liberalen | Amt: Kantonsrat, Fraktionschef | Kanton: Luzern | Beruf: Gemeinderat / Rechtsanwalt | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Alt Bundesrat Moritz Leuenberger | Ort, an den ich gerne reisen würde: Malediven | Das nervt mich: ’Ungeführte’ langweilige Sitzungen. www.rolf-born.ch


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Nr. 5 | Juni MMXII | Statements

REGIONEN | LUZERN auch von den Einkaufsmöglichkeiten. Mit der Eröffnung der Autobahn A-4 durchs Knonaueramt ist die Erreichbarkeit des Grossraums Zürich markant verbessert worden. Die Öffnungszeiten der Verkaufsgeschäfte weichen im Grossraum Zürich und in unseren Nachbarkantonen von den Ladenöff-

Eingekauft wird heute bei Bedarf und nicht nach gesetzlich vorgegebenen Öffnungszeiten

nungszeiten im Kanton Luzern ab. Das führt zu einem Einkaufstourismus in die umliegenden Kantone, was ökologisch nicht sinnvoll ist. Mit der um eine Stunde verlängerten Öffnungszeit an Samstagen wird die Situation im Kanton Luzern sowohl für Konsumentinnen und Konsumenten wie auch für Ladeninhaber verbessert. Damit bleiben Arbeitsplätze erhalten und neue werden geschaffen. Es gilt auch zu beachten, dass kein Verkaufsladen länger offen halten muss, aber alle haben die Möglichkeit dazu. Mit veränderten Ladenöffnungszeiten können zudem neue Jobs geschaffen werden. Zu diesen massvollen

Mit veränderten Ladenöffnungszeiten können zudem neue Jobs geschaffen werden

Anpassungen ist ein JA zwingend. Sonst verliert Luzern den Anschluss, einige Beschäftige vielleicht ihren Arbeitsplatz und letztlich werden auch Geschäfte definitiv schliessen müssen. Mit dem JA zum Ladenschlussgesetz am 17. Juni kann das verhindert werden. Die Kaufkraft kann dann auch an Samstagen und vor Feiertagen, ohne Weihnachten und Neujahr, im Kanton Luzern erhalten bleiben. Davon profitieren wir alle.s

«24-Stunden Gesell­ schaft – nein danke!» Andreas Hofer* Kantonsrat (Grüne/LU)

ind längere Ladenöffnungszeiten ein S Bedürfnis der Konsumenten oder werden mit der nun vorliegenden Geset-

zesänderung Bedürfnisse geschaffen, die so noch gar nicht vorhanden sind? Unser Konsumverhalten entwickelt sich immer mehr zu einer 24-Stunden Gesellschaft. Alles muss jederzeit und überall zur Verfügung stehen. Dies mit all den negativen Folgeerscheinungen für die Konsumenten, die permanent das Gefühl haben, sie müssen irgendwo irgendetwas konsumieren und so nicht mehr zur Ruhe kommen. Wie sagte einst Gabriel Laub: „Unser Leben ist viel schwerer als das unserer Vorfahren, weil wir uns so viele Dinge anschaffen müssen, die uns das Leben erleichtern“.

Unser Konsumverhalten entwickelt sich immer mehr zu einer 24-Stunden Gesellschaft

Auch für die Angestellten haben längere Öffnungszeiten negative Auswirkungen, müssen sie doch zu schlechteren Arbeitsbedingungen arbeiten und darunter leiden auch ihre Familien. Betroffen wären mehrheitlich Frauen und darunter viele alleinerziehende Mütter. Durch die Teilliberalisierung entstehen keine neuen Arbeitsplätze, sondern sie gefährdet Arbeitsstellen, wenn kleine Läden gegenüber den grossen Center nicht mehr konkurrenzfähig sind und schliessen müssen. Von längeren Ladenöffnungszeiten profitieren nur die grossen Einkaufscenter und das „Lädelisterben“ schreitet voran. Eine

Entwicklung, die aus Grüner Sicht nicht gefördert werden darf, führt dies doch immer mehr zu Shoppingcenter auf der grünen Wiese, was wiederum zu mehr Verkehr und grösserer Umweltbelastung führt. Das Argument, dass der Kanton Luzern gegenüber den umliegenden Kantonen, die ein liberaleres Ladenöffnungsgesetz haben, weniger konkurrenzfähig sei, mag zutreffen. Aber müssen wir eine Fehlentwicklung nur deshalb mitmachen, weil die anderen Kan-

Auch für die Angestellten haben längere Öffnungszeiten negative Auswirkungen

tone diesen Schritt bereits gemacht haben? Dieses Konkurrenzdenken würde früher oder später zu einer Totalliberalisierung der Ladenöffnungszeiten führen und dies lehne ich dezidiert ab. Die vorgeschlagene Gesetzesänderung ist zwar moderat, zielt aber in eine falsche Richtung. Insbesondere die Angestellten, aber auch das Gewerbe hätten darunter zu leiden. Stimmen Sie am 17. Juni zum Referendum JA und lehnen Sie eine Teilliberalisierung der Ladenöffnungszeiten ab. s *Andreas Hofer | Partei: Grüne | Amt: Kantonsrat, Parteipräsident Grüne Region Sursee | Kanton: Luzern | Beruf: Sozialpädagoge / Berufsfischer | Person, mit der ich gerne mal Znacht gegessen hätte: Regula Rytz (Co-Präsidentin Grüne Schweiz) | Ort, an den ich gerne reisen würde: Patagonien | Das nervt mich: “Windfahnen-Politiker”. www.gruene-luzern.ch Und jetzt Sie, auf www.statements.ch

Interessiert an Schweizer Politik? Abonnieren Sie das Polit-Magazin Statements unter www.statements.ch und fragen Sie die Politiker. Statements Magazin. So fängt der Monat gut an.


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Statements | Nr. 5 | Juni MMXII

vimentis

Vimentis, ein Polit-Portal Gerade jetzt, wo mit dem 17. Juni ein MegaAbstimmungswochenende auf Bundes- und kantonaler Ebene bevorsteht, wird die Wichtigkeit der verschiedenen Quellen für politische Information ersichtlich. Neben unserem eigenen Beitrag in Form des Polit-Magazins Statements und der Web-Plattform www.statements.ch, zeigt sich für uns einmal mehr die Synergie der Zusammenarbeit mit dem Polit-Portal www.vimentis.ch. Wir freuen uns, Ihnen auch diesmal vier Artikel von Vimentis Dialog-Bloggern vorstellen zu können und empfehlen Ihnen den Besuch auf www.vimentis.ch.

Managed Care JA zu Managed Care Adrian Michel | Basel

anaged Care steht für eine verbindliche M Zusammenarbeit aller medizinischen Fachpersonen. Was logisch klingt, ist heute lei-

der oft nicht der Fall. Gemäss der Stiftung für Patientenschutz sterben in der Schweiz jährlich 1000 Personen aufgrund von vermeidbaren Fehlern. 6% aller Spitaleintritte sind alleine auf Fehlbehandlungen zurückzuführen. Dies ist nicht weiter überraschend, wenn man weiss, dass ab fünf Medikamenten die Wahrscheinlichkeit von

Komplikationen schnell zunimmt. Die integrierte Versorgung, also Managed Care, geht genau diese Herausforderungen an. Dank der besseren Zusammenarbeit und dem Hausarzt als Lotsen können unnötige Therapien, gefährliche Komplikationen und teure Nachbehandlungen vermieden werden. Qualität und Patientensicherheit steigen, während die Kosten im Schnitt bis zu 20% tiefer liegen. Was auf den ersten Blick unverständlich tönt, ist seit 20 Jahren bewiesen. 1,3 Millionen Versicherte in der Schweiz profitieren bereits durch die Betreuung in integrierten Versorgungsnetzen.

Im immer komplexer werdenden Gesundheitswesen haben Einzelkämpfer ausgedient. Die unkoordinierte Behandlung durch Spezialisten führt zu Unter- und Überversorgung, unnötigen Kosten und lebensgefährlichen Komplikationen. Koordiniert dagegen der Hausarzt, der den Patien­ten seit Jahren kennt, alle Behandlungsschritte und involvierten Fachpersonen, so ist eine schnellere Genesung oder eine besser Betreuung oft garantiert. Weil Teammedizin Leben rettet, stimme ich am 17. Juni JA zu Managed Care.v

Arme der Pharmaindustrie das Volk manipulieren und ausbeuten können. Es gibt derzeit kein grösseres „Geschäft“ als jenes mit dem höchsten Gut der Menschheit zu spielen. Missmanagement statt Menschenwürde ist die die Devise dieser Branche. Alleine die Tatsache, dass unlängst die Rede

war, der Bund wolle Gesundheits-Kompetenzzentren bauen, finanziert über Krankenkassenprämien, zeigt, dass Prämien zweckentfremdet werden. Das Ganze riecht nach "staatlich verordneter Bausparprämie", damit der Bund im Sinne der Pharma und Co. die Bürokratie noch weiter aufblasen will.v

Managed Care, NEIN! Bea Habegger | Bern

anaged-Care, NEIN! Dies ist ein weiM teres Instrument, mit welchem die Gesundheitsbehörden/Krankenkassen, Krankredner-Lobbyisten /Gesundheitsapoi­ tikerl/Präventionspäpstel als verlängerte

VIMENTIS Ziel von Vimentis ist es, eine bessere politische Entscheidungfindung für eine bessere Zukunft der Schweiz zu unterstützen. Deshalb haben wir uns mit Statements zusammen getan. Einige Artikel aus Statements finden Sie momentan auch auf www.vimentis.ch/dialog. Lassen Sie uns wissen, was Sie von dieser Zusammenarbeit halten! Wir nehmen Ihr Feedback gerne

entgegen via redaktion@statements.ch oder dialog@vimentis.ch. Vimentis Dialog steht jedem offen um über politische Themen zu bloggen. Vier Texte von engagierten Bürgern aus dem vergangenen Monat hat Vimentis Dialog für die aktuelle Ausgabe von Statements ausgesucht. Falls Sie diese vier Texte kommentieren und mit den Autoren diskutieren


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Nr. 5 | Juni MMXII | Statements

VIMENTIS

AUNS-Initiative Ja zu mehr Mitsprache in der Aussenpolitik Annemarie Bossard Gartenmann | Matten bei I.

in Update unserer Volksrechte benötiE gen wir, denn durch die Globalisierung wird die Aussenpolitik immer bestimmender für unsere Innenpolitik. Immer stärker geraten wir in den EU-Sog, automatisch sollen wir zukünftiges Recht bei den bilateralen Verträgen übernehmen. Auch das Parlament richtet sich nach internationalen Vorgaben und will zukünftig Initiativen, die der Europäischen Menschenrechtskonvention EMRK nicht entsprechen für ungültig erklären. Unser demokratisches System wird kontinuierlich ausgehöhlt und der Souverän entmachtet. Der Eindruck

verfestigt sich, dass statt der Wahrung unserer Interessen die Gier nach aussenpolitischem Ansehen mehr und mehr Prinzip der Schweizer Aussenpolitik wird. Anders lässt sich nicht erklären, warum durch ewiges Nachgeben der Finanzplatz geopfert und somit mittelfristig der Wohlstand gefährdet wird. Nur die Staatsvertragsinitiative kann einen aussenpolitischen Schmusekurs der Eliten korrigieren. Denn das Volk ist weniger erpressbar. Ein obligatorisches Referendum zwingt die Regierung dazu, sich in den Dienst der Landesinteressen zu stellen. Das fragwürdige Schengen-Dublin-Abkommen wäre dank der Staatsvertrags-Initiative am Ständemehr gescheitert. Lassen wir uns

durch die Millionen-Angstkampagne der Wirtschafts- und Politikerelite nicht beirren. EU-weit regieren Eliten ohne Volk und stecken in wirtschaftlichen Krisen. Damit wir nicht auch von diesem Krisenstrudel erfasst werden, benötigen wir den Ausbau unserer Volksrechte in der Aussenpolitik. Wichtige Verträge mit der EU befinden sich in der bundesrätlichen Pipeline. Ein wegweisendes Rahmenabkommen über die Energie soll ausgehandelt werden. Kommende Verträge über den Agrarfreihandel, Dienstleistungen und Zollunion betreffen uns Schweizer und Schweizerinnen und da müssen Volk und Stände das letzte Wort haben. Deshalb ja zu den Staatsverträgen am 17. Juni 2012.v

Mitbestimmung bringt keine Professionalität Harald Buchman | St. Gallen

u Wenn Politiker das Volk dazu aufD rufen, den Politikern nicht zu trauen, dann muss irgendetwas Komisches im Gan-

ge sein. Die AUNS besteht zu einem guten Teil aus Politikern und hier Hauptargument ist, das Volk dürfe den Politikern nicht vertrauen, wenn diese Verträge mit anderen Ländern abschliessen. Politiker entscheiden informiert, mit Blick auf das Wohl des Landes oder zumindest den Teil des Landes, den sie wahrnehmen und ver-

treten. Das Stimmvolk hingegen entscheidet aus dem Bauch, aufgrund von zwei Fernsehberichten und fünf Werbeplakaten. Die Konsequenz? Das Volk kann mit Geld manipuliert werden, Politiker nicht. Ich selber habe drei Jahre Recht im Nebenfach studiert. Das hat genügt, um mir zu zeigen, dass ich dieses Thema nicht verstehe. Was ist die verantwortungsvolle Konsequenz, die ich daraus ziehe? Ich verlasse mich bei juristischen Fragen auf Leute, deren Werte und Ansichten ich teile. Solche Personen wähle ich in ein Parlament und verlasse mich

möchten, besuchen Sie www.vimentis.ch/dialog. Seit 2003 veröffentlicht Vimentis einfache, neutrale Texte zu Abstimmungen und anderen wichtigen politischen Themen. Zudem führt Vimentis jedes Jahr die grösste neutrale politische Online-Umfrage durch und veröffentlicht Blogs von führenden nationalen Parlamentarierinnen

darauf, dass sie gute Arbeit leisten. Wenn ich dieses Vertrauen nicht habe, wozu denn noch ein Parlament? Schaue ich auf die wirtschaftlichen und diplomatischen Erfolge Chinas und die finanziel­ len und militärischen Misserfolge der USA, oder auch auf die letzten 10 Jahre Schweizer Politik, so komme ich zum Schluss, dass es mehr Professionalität braucht in der Politik, nicht mehr Mitbestimmung. Mehr Schwätzer, die ihren Senf dazu geben können, nützt der Schweiz nichts. Wenn wir etwas brauchen, dann bessere Politiker.v

und Parlamentariern. Aber auch für kantonale PolitkerInnen sowie BürgerInnen stehen alle Blog-Funktionen offen. Vimentis ist ein Verein mit Sitz in St.Gallen, dessen Mitarbeiter (vorwiegend Studierende) ehrenamtlich tätig sind. Vimentis finanziert sich vollständig aus Spenden von privaten Gönnern.


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Statements | Nr. 5 | Juni MMXII

kultur | bücher

Machen Sie Platz, Señor! Die nicaraguanische Autorin Gioconda Belli beschreibt die Utopie einer weiblichen Machtausübung auf dem Kontinent des Machismo. „Die Republik der Frauen“ Andrea Bollinger* Grossrätin (SP/BS) Publizistin und Lehrerin

ls der so genannte „Boom“ der lateinA amerikanischen Literatur bereits etwas zu verebben schien, tauchte Ende der acht-

ziger Jahre plötzlich ein neuer Name auf: Gioconda Belli. Die Tochter italienischer Einwanderer, Journalistin und einst sandinistische Kämpferin gegen Nicaraguas Diktator Somoza, hatte zwar schon viel früher ihre Landsleute mit Gedichten „erotischen“ Inhalts wahlweise provoziert beziehungsweise erfreut. Mit dem Roman „Die bewohnte Frau“ schaffte sie 1988 dann auch in Europa den Durchbruch. Ihr bislang erfolgreichstes Buch erzählt vom Lebensweg einer höheren Tochter und späteren Guerillera in einem imaginierten zentralamerikanischen Land namens „Faguas“. Eros und politischer Kampf – diese beiden Grundthemen finden sich in fast allen Werken Bellis. Da bildet auch ihr neustes Buch keine Ausnahme: „Die Republik der Frauen“ heisst es, und wieder ist die Handlung im fiktiven Faguas angesiedelt. Wobei Parallelen zu Nicaragua augenfällig sind. In den Büchern der ehemaligen Kommunikationschefin der sandinistischen Revolutionäre vermischt sich stets Fiktion mit der turbulenten Biografie der Autorin und der nicht weniger turbulenten Geschichte ihrer Heimat.

Erst einmal werden sämtliche Minister und männlichen Staatsbediensteten ein halbes Jahr in einen Zwangsurlaub nach Hause geschickt. Den sollen sie aber nicht in der Hängematte verbringen, sondern Kinder und Küche managen

Fiktion sei etwas wunderbares, meint Belli, denn sie ermögliche Gedankenspiele wie dasjenige der „Republik der Frauen“. Da geschieht vermeintlich Unerhörtes: Eine Gruppe entschlossener Frauen gründet die „Partei der erotischen Linken“ und beschliesst, dem männlich dominierten Polit-Filz auf kreative, ironische Weise Paroli zu bieten. Wundersa-

Autorin: Gioconda Belli Titel: Die Republik der Frauen. Roman. Aus dem nicaraguanischen Spanisch von Lutz Kliche. Verlag: Droemer Verlag, München 2012 Seiten: 299 Preis: Fr. 25.90

merweise verhilft ein Vulkanausbruch, dessen Asche den Testosteronspiegel und die Widerstandskraft der Männer drastisch sinken lässt, der Frauenpartei zum Sieg in den Präsidentschaftswahlen. Als Idee, präzisiert Belli, spukte diese „Partei der erotischen Linken“ ihr und ihren Mitkämpferinnen bereits zu Zeiten der Revolution in den Köpfen herum und wurde in „lebhaften, geheimen Treffen“ damals gedanklich durchgespielt. Um Jahre später nun den Stoff für eine, wie Belli es nennt, „politische Satire“ zu bilden. So ist nicht alles ganz bitter ernst gemeint, was Belli ihre Heldinnen rund um die charismatische Präsidentin Viviana Sansón aushekken lässt. Dennoch schimmert die Realität des zweitärmsten Landes der Region (ärmer ist nur noch Haiti) deutlich durch alle Übertreibungen. Erst einmal werden sämtliche Minister und männlichen Staatsbediensteten ein hal-

bes Jahr in einen Zwangsurlaub nach Hause geschickt. Den sollen sie aber nicht in der Hängematte verbringen, sondern Kinder und Küche managen. Ihre verwaisten Posten werden ausschliesslich mit Frauen besetzt. Falls diesen die nötigen Qualifikationen fehlen – schliesslich hatten die wenigsten die Möglichkeit, die traditionellen, meist männlich geprägten Karrierewege zu gehen –, gilt das Prinzip „learning by doing“. Avanti dilettanti, Politik à la Piratenpartei? Weit gefehlt – Sansón lädt bei Bedarf kurzerhand „Gastministerinnen“ aus anderen Ländern ein, welche die einheimischen Frauen anleiten, und sie legt auch sonst ein ziemlich ausgefeiltes Programm vor. Die Frauen verwenden Alltagssprache statt Politiker-Phrasen. Wenn sie versprechen, das Land zu „reinigen“, zucken wir womöglich erst einmal zusammen – zu sehr erinnert die Wortwahl an „Säuberungen“ der gewalttätigen Art. Gemeint ist es aber wörtlich, als Kampf gegen „Littering“. Die saubersten Quartiere kriegen dann künftig zur Belohnung Wasser und Strom gratis. Wie sich Viviana Sansón und ihre Truppe wacker schlagen, erfahren wir in Rückblenden – denn gleich zu Anfang des Buchs erfolgt der grosse Knall: Auf die Präsidentin wird ein Attentat verübt. Im Koma gelangt sie in eine Art kosmischen Lagerraum, wo Gegenstände aus ihrer Vergangenheit sie an zentrale Ereignisse ihres Lebens erinnern. Leider holt Belli diesmal nicht das Optimum aus ihrem an sich spannenden Ausgangsmaterial. Zu stereotyp wirken die „Guten“ und die „Bösen“, die Präsidentin ist Superweib und Lichtgestalt, und dann taucht auch noch ein williger und vor allem zahlungskräftiger Mann auf, der den Frauenerfolg mit seinem internationalen (männlichen) Netzwerk sichert. Wie pervertiert die Idee der „geteilten Macht“ daherkommen kann, erlebt Belli, die inzwischen zur Kritikerin der Sandinisten geworden ist, im eigenen Land: Revolutionsführer Daniel Ortega, 1990 abgewählt, errang 2006 ein Comeback und verkündete, sein Präsidentenamt künftig gemeinsam mit seiner (nie demokratisch gewählten) Gattin Rosario ausüben zu wollen. Ausgerechnet gegen den Nepotismus dieser „SchattenPräsidentin“, die ihren Familienclan geschickt und in bester Caudillo-Manier an sämtliche Schalthebel der Macht hievt, schreibt Belli als Journalistin mutig an. Vor diesem Hintergrund erscheint ihr Wunsch nach einer gerechteren „Republik der Frauen“ (und Männer) sehr nachvollziehbar. s



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Nr. 5 | Juni MMXII | Statements

kultur | diesen monat

Diesen Monat empfehlen wir… DIE KUNST DER MAGIE IST DIE GEGENSEITIGE BEREITSCHAFT ZUR TÄUSCHUNG Von Michela Seggiani

2.

©Luis Lumbreras 2007

lichkeit, die Beweggründe von Menschen zu verstehen. Die Magie und die Kunst der Täuschung, die unklare Linie zwischen Betrug und Illusion, sind die Themen Nothombs neuestem Roman. Die gewohnt rauchige und erbarmungslose Art der 1967 in Kobe geborenen Schriftstellerin kommt in der 121 Seiten kurzen Geschichte leider nicht so stark zum Ausdruck, wie es sich ihr Publikum sonst gewohnt ist. Wohl wird die Leserschaft auch in „Den Vater töten“ nicht verschont und hört das Kratzen der Autorin an einer vermeintlichen Normalität, doch durch die distanzierte Erzählweise bleiben uns die Protagonisten aus der fernen Wüstenstadt Reno fremd. Die Autorin bringt sich mit einer kurzen Rahmenhandlung selbst ins Spiel, indem ihr an einer Feier die Geschichte von Norman und Joe erzählt wird. Dies lässt vermuten, dass die Distanz sehr wohl gewollt ist und strategisch von Nothomb eingesetzt wurde. Denn die Thematik ist in der Literatur eine mehr als bekannte: zwei Männer buhlen um eine Frau. Meistens ist einer der Männer älter und erfahrener, der andere ist jünger und attraktiver. Die Frau

wird meistens zum Objekt (der Begierde) degradiert. Es ist dies ein typisches Szenario in Romanen oft alternder Schriftsteller, die darin ein Alter Ego aufblühen lassen. Doch nun erzählt uns eine Frau diese Dreiecksgeschichte. Amélie Nothomb gelingt es, unter anderem gerade durch die oben genannte Rahmenerzählung, diesen klischierten Topos aufzugreifen und zu dekonstruieren. Die Personen, egal ob männlich oder weiblich, bleiben uns alle gleich unnahbar, wenn wir die „Geschichte über eine Geschichte“ lesen. Dennoch ist es die Autorin, welche erzählt und nur weil sie sich bereits in unzähligen brillanten Romanen bewiesen hat, kann sie es sich leisten, einen – eben doch nur vermeintlich – einfach geschriebenen Roman zu präsentieren. Dieser Rahmen schafft einen weiteren Irritationsmoment und zeigt auf, dass sie die Kunst der Täuschung nicht nur in der Geschichte beschreibt, sondern sie auch als Schriftstellerin beherrscht.s

3.

Luis Lumbreras präsentiert seine Fotografien in der Galerie Silhquai 55 Redaktion Luis Lumbreras’ letzte Ausstellung Face, Faces, Facebook war in der Galerie Casa del Arte in Zürich im April 2012 zu sehen. Sein nächstes Projekt Ausstellung Hispano-Suiza thematisiert spanische Künstler, die in der Schweiz leben und wird von Oliver Tschirky organisiert. Luis Lumbreras ist 1969 in Arroyo del Ojanco, Südspanien, geboren, absolvierte in Madrid seine Ausbildung zum Fotografen und wohnt heute in Zürich. Seine Werke sind eine stille Einladung zu einer alltäglichen Welt, die sich sowohl spannend

und endlos als auch aufwühlend und störend zeigt, worin das Unscheinbare und die Leere wirken können. Mit seinen schwarz-weissen PortraitFotografien bringt er es fertig, die abgebildeten Personen in witzigen Posen abzulichten, ohne sie lächerlich zu machen oder in ihrer Persönlichkeit zu verletzen. s „Ausstellung Hispano-Suiza“, Oktober 2012. Galerie Sihlquai 55 8005 Zürich www.sihlquai55.ch

©Luis Lumbreras 2010

1.

©Luis Lumbreras 2010

Autorin: Amélie Nothomb (aus dem Französischen von Brigitte Grosse) Titel: Den Vater töten Verlag: Diogenes Seiten: 121. Gebunden ISBN: 978-3-257-06818-4

Joe Whip, eingangs der Erzählung ein 14jähriger Junge mit einer grossen Begabung für die Magie des Kartenspiels, findet auf der Suche nach einer Vaterfigur Unterschlupf und Halt bei Norman Terrence. Norman, ein berühmter Magier, wird sein Lehrer und Ziehvater, nachdem Joes Mutter ihn vor die Türe gesetzt hat. Der Heranwachsende verliebt sich in Christina, die Partnerin von Norman und hegt den Plan, sie eines Tages zu verführen und damit seinen Wahlvater symbolisch zu töten. Welche Auswirkungen dieser Plan hat und wie ernst es Joe ist, zeigt sich am Burning ManFestival, das die drei gemeinsam besuchen. Dass jedoch noch viel mehr Strategie und ein weiterer Plan hinter Joes ehrgeizigem Streben nach Erfolg stecken, zeigt sich erst am Schluss der Erzählung in einer überraschenden Wende. Der Titel des Romans erhält dadurch eine weitere, an dieser Stelle natürlich nicht zu nennende, Dimension. Der Roman liest sich sehr schnell, ist einfach geschrieben und erzählt uns eine kurzweilige Geschichte, die es dennoch in sich hat. Denn es geht um die Unmög-

1. Ohne Titel. 75x50 cm. Digital photography, B&W on 1mm aluminium board. 2010. 2. Ohne Titel. 75x50 cm. Digital photography, B&W on 1mm aluminium board. 2007. 3. Ohne Titel. 75x50 cm. Digital photography, B&W on 1mm aluminium board. 2010.


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Statements | Nr. 5 | Juni MMXII

PROFIL | marco però | grastronome

Unkonventionell klassisch

Proust Questionnaire

Redaktion enn Marco Però von sich W sagt, dass er in einer Pizzeria aufgewachsen sei, dann ist

das nicht nur eine Anspielung auf seine italienischen Wurzeln, sondern entspricht den Tatsachen, da seine Eltern im Toggenburger Bazenheid tatsächlich die Pizzeria Però betrieben. Somit war von Kindesbeinen an für Marco Però klar, dass sein Leben und Wirken mit dem Essen verbunden sein würden. Von der bodenständigen, ländlichen Pizzeria zog es den heutigen Erlebniskoch in die grosse glamouröse Welt des Grand Hotel Dolder in Zürich, wo er seine Lehre absolvierte. Mit der Stadt Zürich verbindet ihn bis heute eine grosse Liebe und obschon er beruflich und privat viel gereist ist, sagt er, dass er nirgends lieber leben würde als in der Schweiz und insbesondere in Zürich. Sein Beruf führte ihn im Ausland unter anderem ins Hotel Vierjahreszeiten nach Hamburg sowie ins Carlton nach St. Moritz. Trotz seiner unbestrittenen Qualitäten als Koch wurde ihm jedoch die Küche zu klein und als rechte Hand von Michel Peclard entdeckte er sein Flair für die

Organisation und Führung von Gastronomiebetrieben. Von der Bahnhofstrasse über das Seefeldquartier und den Paradeplatz zum Münsterhof, war Però an allen edlen Adressen der Stadt zu Hause. Doch heute schlägt sein Herz im Restaurant Drei Stuben. Unter der Führung von Peclard lernte Però die Vielfalt und Abwechslung sowohl in der Küche als auch in der Betriebsführung kennen. Trotz seiner Liebe zum Binnenland Schweiz, geniesst Però alles, was aus dem Meer kommt

und ist gleichzeitig ein Fan von allem, was Gras frisst. Laut Però ist es möglich, Spitzengastronomie und traditionelle Küche mit Niveau zu verbinden. Wer schon einmal bei ihm gegessen hat, glaubt ihm das aufs Wort. Ebenso beeindruckend wie seine Kochkünste, sind auch seine Fähigkeiten als Unternehmer und Geschäftsführer, vor allem wenn man berücksichtigt, dass er nie eine Hotelfachschule besucht hat und nach dem Motto lebt „lieber durch Arbeit und Leistung begeistern, als durch Titel“.s

1. Was ist für Sie das grösste Glück? Die Gesundheit jeden Tag aufs Neue, das Glück des Lebens zu geniessen. 2. Was ist für Sie das grösste Unglück? Mein Gehörverlust auf der rechten Seite, den ich letztes Jahr erlitten habe. 3. Ihre Lieblingstugend? Immer das Positive im Menschen zu sehen. 4. Ihre Lieblingsbeschäftigung? Fein zu Essen und gut zu Trinken.. 5. Ihr grösster Fehler? Alles auf einmal zu wollen, dem Genuss zu verfallen. 6. Wo würden Sie gerne leben? Hier in der Schweiz, was gibt es Schöneres? 7. Welche Sünden könnten Sie am ehesten verzeihen? Viele ausser Unehrlichkeit. 8. Welche sind Ihre LieblingsheldInnen in der Dichtung? Geschichtliche Helden wie beispielsweise Arnold Winkelried oder Robin Hood. 9. HeldInnen des richtigen Lebens? Janka Aufdenblatten (Schenker), die zeigt, dass mit Willen und Kraft vieles zu erreichen ist, auch in schwierigen Zeiten des Lebens. 10. Historische Persönlichkeiten, die Sie beeindrucken? Mozart, Da Vinci, der Papst. 11. LieblingsschriftstellerIn? Philipp Keel «All About Me». 12. LieblingsmalerIn? Tamara de Lempicka. 13. LieblingsmusikerIn? Kommt auf die Tagesform und Laune drauf an… Von Jazz über Klassik bis in die elektronische Musik ist fast alles enthalten. Am Liebsten höre ich aber alte Songs von meinem Vater mit seiner Band. 14. Welche Eigenschaften schätzen Sie bei einem Menschen am meisten? Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit. Man kann alles sagen und es gibt immer eine Lösung, auch wenn sie schmerzt. 15. Wer würden Sie gerne sein (wenn nicht Sie selbst)? Eine Frau (aber bitte nur für einen Tag…). Möchte gerne mal das andere Geschlecht etwas verstehen… 16. Welche natürliche Gabe möchten Sie besitzen? Ein besseres Namensgedächtnis, so könnte ich mir einige peinliche Momente im Leben ersparen. 17. Welche Fehler entschuldigen Sie am ehesten? Dummheit, denn die davon Betroffenen können einfach nichts dafür und sind schon genug bestraft vom Leben. 18. Ihr Motto? Liebe das Leben, denn es ist zu kurz, um sich zu viele Gedanken zu machen. 19. Politische Partei? Keine politische Ausrichtung.


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FOOD FESTIVAL il TAVOLO – ZÜRICH BEI TISCH Vom 27. Juni bis 1. Juli 2012 erwartet Sie das erste Food Festival in Zürich. Nehmen Sie an unserer GALA-NACHT an der langen Tafel im Innenhof des Landesmuseums Zürich Platz und geniessen Sie kulinarische Highlights, komponiert von Spitzenköchen aus der ganzen Schweiz. Zudem erwartet Sie ein Bouquet weiterer köstlicher Veranstaltungen: die grosse OPENING NIGHT im Park Hyatt Zürich, DER RASENDE KOCH, ein Benefiz-Mittagessen KINDER KOCHEN FÜR KINDER in den Gastgeberhotels und im Sonnenberg Restaurant, INDIVIDUELLE HOTELNÄCHTE sowie das grosse FAMILIENFRÜHSTÜCK im Innenhof des Landesmuseums Zürich. Oder tafeln Sie in rund 30 ausgewählten TOP-RESTAURANTS in Zürich und Umgebung. Zürich bei Tisch eben! Und wer zuerst kommt, isst zuerst. Tickets gibt‘s exklusiv bei JELMOLI: +41 44 220 44 66 und il-tavolo@jelmoli.ch. Alle Informationen zu den Veranstaltungen finden Sie unter www.il-tavolo.ch.

MITTWOCH, 27. JUNI 2012|IM PARK HYATT ZÜRICH|19.00 UHR

Spektakuläres Live-Showkochen mit den Schweizer Spitzenköchen: IVO ADAM|ARMIN AMREIN|EDGARD BOVIER TANJA GRANDITS|JAN LEIMBACH Mit Nik Hartmann, Lina Button, Little Wings und der Zürcher Hochschule der Künste

SONNTAG, 1. JULI 2012|INNENHOF LANDESMUSEUM ZÜRICH|10.00 UHR

Eine Frühstücks-Tavolata der Sternehäuser an der langen Tafel: FÜR SPIEL, SPASS UND UNTERHALTUNG SORGEN ZAUBERER, GAUKLER UND ZUCKERWATTEKÜNSTLER Begleitet von den Musikern der Zürcher Hochschule der Künste

TICKETS SAMSTAG, 30. JUNI 2012|INNENHOF LANDESMUSEUM ZÜRICH|19.00 UHR

Die kulinarische Tavolata-Sommernacht kreiert von unseren Chefs: ALEXANDER KROLL|FRANK WIDMER FREDI NUSSBAUM|GION FETZ|MAURICE MARRO Mit Anna Meier, Flurin Caviezel und der Zürcher Hochschule der Künste

Ticktets gibt‘s exklusiv bei JELMOLI: + 41 44 220 44 66

DIE GASTGEBER Baur au Lac|Park Hyatt Zürich Storchen Zürich|The Dolder Grand|Widder Hotel und rund 30 Top-Restaurants in Zürich und Umgebung


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