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Karalo-Floran: Vergangenheit der Nomadenvölker

Bote von Karcanon 75 – Jahr der Schmetterlinge 441 n.P. - Seite 16

Die dunkle Vergangenheit der Nomadenvölker auf Karcanon (aus Qerkurs Notizen von 431-441)

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Manches ist darüber spekuliert worden, ob die Dialekte der Xyaren und jene von Kezunsea irgendwie miteinander verwandt wären, weil sie doch angeblich so viele Ähnlichkeiten in Wortschatz und Lautformen aufweisen. Wenige glauben das wirklich, denn was sollen einfache Nomaden ganz im Thysias mit einer Hochkultur ganz im Lychnos denn zu tun haben? Zumal beide Randregionen nicht nur durch die Entfernung, sondern auch so unterschiedliche Hindernisse wie Berge, Meere und Wälder voneinander geschieden sind? Zu vieles für einfache Nomaden, und dass seetüchtige und waldtaugliche Leute ihrerseits zu solchen einfachen Nomaden werden, ist schwer vorstellbar. Nun, mir scheinen sich die Hinweise, die uns die myranischen Chroniken geben, immer mehr zu einem großen Mosaik zu verdichten, das eine sehr alte nomadische Kultur auf Karcanon andeutet, von denen die Xyaren besonders urtümliche Dialektformen (und wahrscheinlich auch Siedlungsgebiete) behalten haben, und die offensichtlich eine Schlüsselrolle spielte im Kampf gegen die Finsternis von Haengstyr. Mit Blick auf die anstehenden Verhandlungen in Chnumia ist das mehr als nur nostalgisch interessant. Die 1. These: Wer diese Völker betrachtet, der schaut in der Zeit nicht weit genug zurück. Wir blicken heute auf gut dokumentierte Geschichte von kaum mehr als zwei Generationen, in denen wir Karalo-Floran und Keorapukur als kleine Punkte auf einem großen Segment wahrnehmen. Aber erweitern wir den zeitlichen Rahmen, so können wir annehmen, dass deren Gebiete früher weit größer gewesen sind – man denke nur an das große Xyaren-Reich unter Zzar Rhamm! Und große Teile Karalo-Florans standen früher unter dem Einfluss des Finsterreiches Haengstyr, das selbst zwar nur die Weite See und jene von Dirhael umfasste, aber auch seine Verbündeten um das Innere Meer und das Grüne Meer hatte, auch am Meer der Balken. Die Völker im Lychnos und Thysias scheinen davon regelrecht eingequetscht worden zu sein, ebenso die Länder zwischen dem Grünen und Inneren Meer – dazu gehören Borgon-Dyl und die Bagundische Konföderation, zu welchen ich gleich kommen werde! Die 2. These: Es gibt fehlende Links zwischen Xyaren und Keorapukur. In Tavernen erzählt man sich: Reisende wollen in Berg- und Wiesenregionen relativ unbedeutende Nomadengruppen getroffen haben, die einen Dialekt ähnlich den Einwohnern von Keorapukur sprachen, aber von alters her jede Nähe zu Reichen meiden, die sie als finster betrachten. Es wird schwer sein, das zu beweisen und erst recht zu erforschen! Aber auf der Landmasse Karcanons finden sich noch andere und sehr bekannte Hinweise. Aus landschaftlichen und politischen Gründen kommt dafür vor allem Borgon-Dyl infrage, mehr noch sogar aus sprachlichen. Denn neben den ähnlich klingenden Namen der Deye-Herrscher gibt es aus der Grammatik einen ganz entscheidenden Hinweis: So wurden in der alt-xyarischen Sprache zwei Wörter durch ein „Brücken-N“ verbunden, das man mit „von“ übersetzen könnte. Genau dieses Brücken-N findet sich scheinbar im Hochadel von Borgon-Dyl wieder, wo es die Zugehörigkeit zu einem Herrscherhaus anzeigt, wie im Namen von Shayol n'Varthar. Dieses Phänomen geht mehr als zwei Jahrhunderte zurück bis mindestens in die glorreiche Zeit von Deye Sorylia und General Doerthan, und auch diese spielten eine entscheidende Rolle im Kampf gegen die Finsternis von Haengstyr um 200 n.P. Die 3. These: Es gab keine „einfachen“ Nomaden. Habe ich oben von „einfachen Nomaden“ gesprochen, so möchte ich damit die Kultur meiner Vorfahren nicht geringschätzen. Das „einfach“ bezieht sich darauf, dass sie wohl einfach nur für Bergund Landregionen gerüstet waren. Diese Reiserüstung ist zugleich die Lebensweise, und es lässt sich über so lange Zeiträume kaum in Wald- oder Seeregionen leben, wenn sich das nicht im Alltag niederschlägt. Aber wer behauptet eigentlich, dass das nur so funktioniert? Kiombael kennt die Niun als Seenomaden, und auch aus Haengstyrs Zeiten hört man von solchen auf Karcanon. Ich

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stelle mir da Seenomaden auf der Flucht vor den von Haengstyrs Aura verschmutzten Meerswogen vor, die im heutigen Borgon-Dyl kurz sesshaft werden, wovon ein Teil als xyarische Landnomaden in den Thysias abwandert, ein anderer Teil sich mit Haengstyr arrangiert und auf Kezunsea den Staat Keorapukur gründet. Genauso aber könnten Flüchtlinge der schon sesshaften Vorfahren der Borgon-Dun aus Borgon-Dyl sich in Land- und Seenomaden aufgeteilt haben. Beides würde aus den scheinbar großen Hürden plötzlich sehr logische und überschaubare Wege machen. Und es passt zu jenem Kampf gegen Haengstyr, der von den Nachbarreichen Keorapukurs mit Unterstützung durch die Niun ausging.

Die 4. These: Die Verbindungen zwischen den Xyaren und der Kultur im Thysias? Es ist sicherlich nur Verklärung, zu sagen unsere xyarischen Vorfahren hätten ihre Urheimat in Gorgonya. Denn was war mit der Ausdehnung des Xyaren-Reichs unter dem Zzaren Rhamm? Die Eroberung von Städten wie Kirilo-Adassam zeigt, dass die Xyaren vom Lychnos her sich ausbreiteten. Die Dialekte von Karanen und Muscalieren sind sich einander viel ähnlicher, und es scheint, als ob Muscaliere und Xyaren eher in der Schrift Gemeinsamkeiten hätten, die durch späteren Austausch entstanden sind. So hat man die Ursache für das Missverständnis zur Kriegserklärung an Encebol 402 n.P. darin gesehen, dass der Name „Chnum“ im xyarischen Alphaveet wie „Xnum“ (gesprochen „Ksnum“) aussieht, und man deswegen die Gottheiten verwechselte. Auch die Muscaliere haben in ihrer Kursivschrift kein eigenes Zeichen für „Ks“, aber ihr „Ch“ sieht dem „X“ der Xyaren doch recht ähnlich. Hier sind noch viele Fragen offen, auch dazu, woher eigentlich die xyarischen Schreibtafeln kommen, deren sehr praktische und ausgeklügelte Zeichenfolgen mit den alphabetischen Systemen eigentlich bis auf zwei ungefähre Zeichenreihen nichts gemeinsam haben. Auch die Rolle des Göttervaters Chnum für die Politik der Xyaren ist gerade in diesen Zeiten ein schwieriges Thema.

Querkur Auvvoaldi, Arkikoko von Karalo-Floran, im Jahr der Schmetterlinge.

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