perspektive21 - Heft 12

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perspektive 21 Brandenburgische Hefte für Wissenschaft und Politik

Frauenbilder Interview Dr. Christine Bergmann Beiträge Susanne Melior Magdolna Grasnick Prof. Dr. Irene Dölling Katrin Rohnstock Anne Mangold Sylka Scholz Lissy Gröner Norman Weiß Christa Randzio-Plath Uta Reichel Heft 12

September 2000



INHALT

Frauenbilder Interview mit Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend . . . . . Seite 3

Frauen gestalten Europa von Lissy Gröner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 52

Beiträge

Schutz von Frauenrechten im Rahmen der Vereinten Nationen von Dr. Norman Weiß . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 58

Frauenförderpolitik in Brandenburg von Susanne Melior . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 7

„Uns kriegen sie nicht klein“ von Christa Randzio-Plath . . . . . . . . . . . . . . Seite 68

Migrantinnen im Land Brandenburg von Magdolna Grasnick . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 13

„Augen zu und durch“ von Uta Reichel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 74

Geschlechterverhältnisse in Veränderung von Prof. Dr. Irene Dölling . . . . . . . . . . . . . Seite 27

Magazin Andere Frauen – andere Themen von Katrin Rohnstock . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 36

Die Wissenschaftsregionen in Nordostdeutschland vor strukturpolitischen Herausforderungen – Wissenschaftsforum Nordost von Tilo Braune und Klaus Faber . . . . . . . . Seite 84

Können Frauen nicht kampfschwimmen? von Anne Mangold und Sylka Scholz . . . . . Seite 42 1


VORWORT

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

denburg und stellt Programme zur Frauenförderung vor. Ergänzend dazu stellt Magdolna Grasnick die Situation der Migrantinnen in unserem Land dar. Was verbirgt sich hinter dem Begriff „Geschlechterverhältnisse“? Dies wird aus wissenschaftlicher Sicht durch Frau Professor Dr. Irene Dölling von der Universität Potsdam untersucht. Was hat sich zehn Jahre nach der deutschen Einheit im Verhältnis von Ost- und West-Frauen getan? Mit diesem Aspekt beschäftigt sich Katrin Rohnstock in Ihrem Beitrag. Sylka Scholz und Anne Mangold greifen die Debatte um Frauen in der Bundeswehr auf und Lissy Gröner stellt das Konzept „Gender Mainstreaming“ vor. Dr. Norman Weiß vom Menschenrechtzentrum der Universität Potsdam und Christa Randzio-Plath setzen sich in zwei Beiträgen mit den Problemen von Frauen in einer sich globalisierenden Welt auseinander. Hinzu kommt ein Beitrag einer Leserin, die sich kritisch mit den Änderungen am Brandenburger Kita-Gesetz auseinandersetzt. Im Magazinteil unseres Heftes möchten wir sie mit einer kurzen Vorstellung auf das neugegründete Wissenschaftsforums aufmerksam machen. Wir hoffen, erneut Ihr Interesse zu wecken und damit auch verbunden auf Ihre positiven Reaktionen und/oder kritischen Anmerkungen. Wir laden herzlich zur Mitarbeit ein.

eine der großen und tiefgreifenden Veränderungen des vergangenen Jahrhunderts betrifft die Stellung der Frauen innerhalb unserer Gesellschaft. Der erreichte Wandel des Selbstverständnisses von Frauen und ihrer gesellschaftlichen Rolle gehört zu den schwer erkämpften Teilerfolgen der Frauenbewegung. Nach dem Grundgesetz sind Frauen den Männern gleichgestellt, doch die gesellschaftliche Wirklichkeit sieht immer noch anders aus. Das Ihnen vorliegende 12. Heft der Perspektive 21 „Frauenbilder“ versucht, diese Problematik zu durchleuchten. Wir wollen nicht nur fordern, sondern wollen Position und Ansehen der Frauen in Politik und Gesellschaft diskutieren. Noch Ende des 19. Jahrhunderts konnte sich niemand (in der Männerwelt) vorstellen, dass es weibliche Professorinnen oder Politikerinnen geben würde. Heute gibt es sie, doch ist die gesellschaftliche und die berufliche Gleichstellung von Frauen, z.B. ihre Aufstiegschancen oder ein gleicher Anteil an Führungspositionen, bei weitem noch nicht erreicht. In unserem Interview erläutert Bundesfrauenministerin Dr. Christine Bergmann aktuelle Ansätze der Politik, die Gleichstellung der Frauen praktisch voranzubringen. Christine Bergmann äußert sich auch zur Quotenregelung in Deutschland und ihre ganz persönlichen Ziele und Prämissen als Bundesfrauenministerin. Susanne Melior, ehemalige Landesvorsitzende der Brandenburger SPD-Frauen, analysiert die Erwerbssituation von Frauen im Land Bran-

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INTERVIEW

„IN SACHEN CHANCENGLEICHHEIT BESTEHT DRINGENDER HANDLUNGSBEDARF“ Interview mit Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

einbarkeit von Familie und Beruf. Das ist ein großer Erfolg. Bereits im letzten Jahr haben wir das Programm „Frau und Beruf“ beschlossen, um die Gleichstellung von Männern und Frauen voranzutreiben, und den Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen verabschiedet. Als nächstes Vorhaben bereiten wir derzeit die Reform des Heimgesetzes vor, nachdem das Altenpflegegesetz kurz vor Verabschiedung im Bundestag steht.

Mit welchen politischen, mit welchen persönlichen Zielen, haben Sie vor gut 1 1/2 Jahren ihr Amt angetreten? Ziel meiner Politik ist es, die Situation von Familien zu verbessern, ein solidarisches Miteinander der Generationen zu fördern, Gewalt zu bekämpfen und die Chancengerechtigkeit zwischen Männern und Frauen und für die Jugendlichen voranzutreiben. Was sind die wichtigsten Erfolge ihrer bisherigen Amtszeit? Wir konnten bereits in den ersten 1 1/2 Jahren viel auf den Weg bringen. Ganz aktuell liegt die Novelle des Bundeserziehungsgeldgesetzes auf dem Tisch. Damit erhalten wieder mehr Eltern mehr Möglichkeiten für die individuelle Gestaltung ihres Lebens und zur Ver-

Eine aus dem Osten Deutschlands stammende Politikerin hat das Amt der Bundesfrauenministerin inne. Hat das Auswirkungen auf die Frauenpolitik speziell in den neuen Ländern? Als eine Frau, die in der DDR gelebt hat, kann ich die Anliegen der ostdeutschen Frauen sehr gut ver3


TITEL Interview mit Bundesministerin Dr. Christine Bergmann

stehen. Für uns Frauen in der DDR war es selbstverständlich, Erwerbsarbeit und Beruf miteinander zu verbinden. Wir haben den doppelten Lebensentwurf nicht gefordert, sondern gelebt. Gleichzeitig war die DDR sicherlich nicht das Idealbild einer gleichstellungsorientierten Gesellschaft, denn auch die Männer in Ostdeutschland haben die Familienarbeit überwiegend den Frauen überlassen. Heute wollen junge Frauen in Ost- und Westdeutschland Familie und Beruf miteinander vereinbaren, und nicht das eine für das andere aufgeben. Mit unserer Reform des Erziehungsurlaubes schaffen wir mehr Flexibilität und neue Spielräume für Eltern, damit der Beruf und Familie besser zu vereinbaren sind. Beide Eltern können in Zukunft gemeinsam Erziehungsurlaub nehmen, verbunden mit der Möglichkeit, bis zu 30 Stunden pro Woche zu arbeiten.

Ist die Quotenregelung noch einer der Zeit entsprechende Erscheinung? Ja, wir können auch heute noch nicht auf die Quote verzichten; Frauen sind trotz hervorragender Qualifikationen noch nicht in allen Bereichen ausreichend vertreten. In Frankreich, als bisher weltweit einzigem Land, wurde durch den sozialistischen Regierungschef Jospin ein wichtiges gleichstellungspolitisches Ziel durchgesetzt: Wahllisten müssen künftig je zur Hälfte von Frauen und Männern besetzt werden, wann kann man damit auch in Deutschland rechnen? Ein solches Gesetz ist in Deutschland derzeit nicht geplant. Wie nehmen Sie persönlich mentale Differenzen zwischen ostdeutschen und westdeutschen Frauen war? Wo liegen Unterschiede zwischen ostdeutschen und westdeutschen Frauen in Bezug auf Familie und Erwerbstätigkeit oder gibt es sie überhaupt noch? Für Frauen in Ostdeutschland spielt Erwerbsarbeit eine größere Rolle als für Frauen in Westdeutschland. Das zeigt sich auch bei der Frauenerwerbsquote, die in Ostdeutschland noch immer deutlich höher liegt als in Westdeutschland. Ostdeutsche Frauen wollen auch in höherem Umfang Vollzeiterwerb. Allerdings werden die Unterschiede zwischen Ost und West kleiner. Auch für die überwiegende Zahl der jungen Frauen in Westdeutschland gehört die Erwerbsarbeit inzwischen zur Lebensplanung. Bundesweit sind fast zwei Drittel der Mütter mit Kindern berufstätig, in Ostdeutschland vereinbaren über 73 Prozent und in Westdeutschland knapp 60 Prozent der Frauen ihre Berufstätigkeit mit Kindern.

Haben es ostgelernte Politikerinnen leichter, sich in der starren Männerwelt der Politik durchzusetzen? Was sind Ihre eigenen Erfahrungen? Jeder und jede in der Politik muß über eine große Portion Durchsetzungskraft verfügen. Als Ostdeutsche habe ich hier keine besonderen Vor- oder Nachteile. Inwieweit hat die „Quote“ innerhalb der SPD zu einem neuen Denken geführt? Die Quote hat sich in der SPD bewährt. Von 45 Mitgliedern im SPD-Bundesvorstand sind 21 Frauen, das sind über 46 Prozent, im CDU-Bundesvorstand beträgt der Frauenanteil lediglich 35 Prozent. In der SPD-Bundestagsfraktion sind 32,5 Prozent Frauen, in der CDU-Bundestagsfraktion nur 18,3 Prozent. Ohne die Quote wären Frauen innerhalb der SPD nicht so stark präsent, wie sie es heute sind. 4


TITEL Interview mit Bundesministerin Dr. Christine Bergmann

Wo liegen die Ziele der sozialdemokratisch geführten Bundesregierung in Bezug auf Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt, vor allem auch in den neuen Ländern? Der Abbau der Arbeitslosigkeit von Mädchen und Frauen, insbesondere im Osten Deutschlands ist mir ein ganz wichtiges politisches Anliegen. Dazu gehört auch - als wesentliche Voraussetzung für Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft - eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen und Männer. Und es geht darum, Frauen in den zukunftsträchtigen Berufen, vor allem IT-Bereich, bessere Chancen zu bieten.

Haben Frauen älteren Jahrgangs überhaupt noch eine Chance auf dem Arbeitsmarkt? Generell haben es ältere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen auf dem Arbeitsmarkt schwerer. Das ist kein spezifisches Problem von Frauen. Wie bewerten Sie den Stand der Gleichstellungspolitik Deutschlands im Vergleich zu anderen europäischen Staaten? Bei der institutionellen und rechtlichen Ausgestaltung nimmt Deutschland in der Gleichstellungspolitik einen Spitzenplatz innerhalb Europas ein. Anders sieht es aus, wenn wir die Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf betrachten. Hier gibt es in Deutschland im europäischen Vergleich noch großen Nachholbedarf, vor allem im Bereich der Kinderbetreuung. Für alle europäischen Länder gilt, dass es zu wenige Frauen in Führungspositionen in Politik und Wirtschaft gibt, aber im Wirtschaftsbereich stehen wir vergleichsweise schlecht dar.

Wie sieht es mit der Chancengleichheit in der deutschen Privatwirtschaft aus? Können Sie als Bundesfrauenministerin etwas in dieser Richtung bewegen? In Sachen Chancengleichheit besteht dringender Handlungsbedarf. Die formale Gleichstellung von Frauen und Männern ist zwar erreicht, aber bis zu einer tatsächlichen Gleichstellung in allen Bereichen ist leider noch viel zu tun. Wir haben heute zum Beispiel nur 6 Prozent Frauen im Management von großen deutschen Unternehmen. Bei kleineren und mittleren Unternehmen sind bis zu 20 Prozent der Frauen in Führungspositionen. Deutschland hat hier auch im internationalen Vergleich durchaus Nachholbedarf. Derzeit gibt es einen konstruktiven Dialog mit den Tarifparteien über die Wege zu mehr Chancengleichheit in der Privatwirtschaft. Am Ende dieses Prozesses werden dann gesetzliche Regelungen stehen, die praktikabel und vernünftig sind und in der täglichen betrieblichen Praxis Bestand haben.

Wo sehen Sie die Chancen und Vorteile des Gender Mainstreamings für Frauen? Gender-Mainstreaming, also die grundsätzliche Einbeziehung geschlechterspezifischer Belange in alle Politikfelder, ist ein hervorragender Ansatz, um die Interessen von Frauen wirklich durchzusetzen. Gleichstellungspolitik kann nur wirken, wenn sie als Querschnittsaufgabe verstanden wird. In der Arbeit der Bundesregierung ist der GenderMainstreaming-Ansatz durchgängiges Prinzip. Inwieweit wirkt sich die aktuelle Debatte um das Thema „Frauen an die Waffen“ auf die Diskussion um die Gleichstellung zwischen Männern und Frauen aus? Wie ist Ihre persönliche Meinung dazu? 5


TITEL Interview mit Bundesministerin Dr. Christine Bergmann

gebracht hat. Deshalb erarbeiten wir derzeit ein neues Gleichstellungsgesetz, das die Repräsentanz von Frauen im öffentlichen Dienst verbessert und die Stellung der Frauenbeauftragten in den Behörden stärkt.

Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes auch Frauen den Zugang zur Bundeswehr zu öffnen, geht es darum diesen interessanten Arbeitsmarkt für Frauen auch wirklich zu erschließen. Es ist aber nicht der gleichstellungspolitische Durchbruch.

Was würden Sie tun, wenn Sie für einen Tag Bundeskanzlerin in Deutschland wären? In einem Tag kann man gar nichts bewegen, dazu gehört schon eine Legislaturperiode. Ich bin Bundesfrauenministerin, und diese Aufgabe mache ich gern.

Werden frauenpolitische Instrumente in ihrer Wirksamkeit angemessen überprüft? Ich halte es für sehr wichtig, dass alle gesetzlichen Regelungen auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden. Beim seit 1994 geltende Frauenfördergesetz des Bundes hat sich beispielsweise gezeigt, dass es keine wirkliche Verbesserung der Situation

www.bmfsfj.de/

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THEMA

FRAUENFÖRDERPOLITIK IN BRANDENBURG

von Susanne Melior, Frauenbeauftragte der Landeshauptstadt Potsdam

Frauen in Brandenburg Im Land Brandenburg lebten Ende des Jahres 1997 etwa 2,5 Millionen Menschen, davon ca. 1,3 Millionen Frauen. Das entspricht einem leicht erhöhten Frauenanteil in der Bevölkerung. Der Altersaufbau (Abb.1) zeigt, dass bis zum 50. Lebensjahr der Anteil der Männer auf Grund der erhöhten Lebendgeborenenrate von Jungen über dem der Frauen liegt. Der erhöhte Frauenanteil ab dem 50. Lebensjahr ist auf die allgemein höhere Lebenserwartung von Frauen, aber auch noch immer auf die Auswirkungen des zweiten Weltkrieges zurückzuführen. Frauen sind vor allem in den Dienstleistungsbereichen und im Handel beschäftigt. Ihr Anteil betrug 1997 in den Bereichen Handel, Gastgewerbe/ Verkehr 51,2 % und für die sonstigen Dienst7


FRAUENFÖRDERPOLITIK Susanne Melior

Erwerbstätigkeit von Frauen im Land Brandenburg in 1000 insgesamt 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997

1274,2 1132,2 1084,3 1107,7 1117,2 1107,1 1115,3

Frauen

Männer

589 504,7 478,8 492,8 496,4 497,8 495

685,2 627,5 605,6 614,9 620,8 609,2 620,2

Frauenanteil 46,2 44,6 44,2 44,5 44,4 45 44,3

Quelle: Jahrbücher des Statistischen Landesamtes Brandenburg 1991 bis 1997 konnten 47 % der Mädchen erreichen, dem stehen 42 % der Jungen gegenüber; die Zahl der Jungen ohne Berufsausbildung ist um mehr als das Doppelte höher als die der Mädchen. Dennoch stellt sich der Stellenmarkt für Ausbildungsplätze für junge Frauen schwierig dar. Die frauenspezifischen Industriezweige sind auf Grund ihrer oft geringen Produktivität als erste Opfer des wirtschaftlichen Umbruchs geworden. Hinzu kommt, daß Unternehmen oft männliche Bewerber trotz großzügiger Förderung für weibliche Auszubildende bei Einstellungen bevorzugen. Darüber hinaus muß festgestellt werden, daß junge Frauen sich vorwiegend für klassische Ausbildungsberufe wie Hotelfachfrau, Friseurin, Verkäuferin, Restaurantfachfrau, Köchin, Kauffrau, Arzthelferin usw. entscheiden. Den einmal gewählten Ausbildungsvertrag lösen sie jedoch seltener als ihre männlichen Kollegen vorfristig auf. Fort- und Weiterbildung stehen Frauen sicher auch auf Grund ihrer schwierigen Erwerbssituation aufgeschlossener gegenüber als Männer. Sie entscheiden sich lieber für eine Fortbildung als in die Arbeitslosigkeit zu gehen. Sie nutzen auch ihre

leistungen 61,9 %. Der Anteil der selbständigen Frauen bzw. mithelfenden Familienangehörigen erhöhte sich von 4,9 % im Jahr 1993 auf 5,5 % im Jahr 1997 (Quelle: Statistisches Jahrbuch des Landes Brandenburg 1998). In Brandenburg ist der Wunsch nach Vollzeitarbeit deutlich höher als in den alten Bundesländern. Teilzeitarbeit wird in der Regel von Frauen angenommen und oft als vollzeitnahe Teilzeit praktiziert. Die beschränkten Möglichkeiten des Arbeitsmarktes, besondere Arbeitsförderungsbedingungen und vor allem familiäre Situationen sind oft die Ursachen. Bildung und Ausbildung Junge Frauen versuchen ihre Berufschancen und damit ihre Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt durch höhere Bildungsabschlüsse zu verbessern. In der Regel erzielen sie auch die besseren Noten als ihre männlichen Mitbewerber. Bei den Schulentlassenen 1996/ 1997 zeigt sich folgendes Bild: 36 % der Mädchen erlangten die Hochschulreife und nur 24 % der Jungen, Fachoberschulreife 8


FRAUENFÖRDERPOLITIK Susanne Melior

Brandenburg verheiratet, aber die Anzahl der alleinlebenden Frauen und besonders die der alleinerziehenden Frauen steigt in den letzten Jahren leicht aber stetig. Die Geburtenrate ist den Jahren nach 1989 deutlich eingebrochen. Auch wenn sie in den Folgejahren wieder leicht anstieg, konnten 1995 erst wieder die Hälfte der 1989 geborenen Kinder erreicht werden. Der vorherrschende Wunsch der brandenburgischen Frauen ist nach wie vor die Zwei-Kind-Familie.

Freizeit für lebenslanges Lernen und werden so den gewachsenen gesellschaftlichen Anforderungen gerecht. Familiäre Situation Ein weitere wichtiger Indikator für die Lebenswirklichkeit von Frauen ist ihre familiäre Situation sowohl die Anzahl der Eheschließungen als auch die der Scheidungen ist nach 1989 deutlich zurückgegangen. Laut statistischem Jahrbuch des Landes Brandenburg sind zahlenmäßig 1997 erst 37 % der Eheschließungen des Jahres 1989 erreicht. Die Anzahl der Ehescheidungen ging 1991/ 1992 besonders drastisch zurück. Das geht sicher auf die neue Rechtssituation wie z.B. dem bundesdeutschem Recht zu erfolgendem Trennungsjahr zurück. In den letzten Jahren ist die Zahl wieder steigend, und es sind überwiegend Frauen, die die Scheidung einreichen. So waren es 1997 71 % Frauen, die sich von ihrem Partner trennen wollten. Die Zahl der von Scheidung betroffenen minderjährigen Kinder stieg von 1992 bis 1997 um mehr als das Doppelte an. Noch immer lebt die Mehrheit der Frauen in

Rechtliche Situation der Frauen in Brandenburg Bereits der römische Schriftsteller und Politiker Cato der Ältere warnte vor der rechtlichen Gleichstellung der Frauen: „Sobald die Frauen uns gleichgestellt sind, sind sie uns überlegen.“ Die Angst des alten Römers wurde zum Motto einer Bundesfrauenkonferenz der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen 1996 in Rostock, denn sie hält bis heute an. Wie sonst ist es zu müssen, um erwerbstätig zu sein, daß im Deutschen Bundestag von 669 Abgeordnete nur 207 Frauen

Alleinlebende und Alleinerziehende Frauen im Land Brandenburg alleinlebende Frauen

Alleinerziehend

absolut

absolut

1991 178 100 1993 185 700 1995 180 500 1997 182 700

Anteil an allen Entwicklung Familienformen 17,9 100 18,5 104,3 18 101,3 18 102,5

92 600 102 500 105 800 109 200

Anteil an allen Familienformen 9,3 10,2 10,6 10,8

Quelle: Statistische Jahrbücher des Landes Brandenburg 1992 bis 1998 9

Entwicklung 100 110,7 114,3 117,7


FRAUENFÖRDERPOLITIK Susanne Melior

sind und damit nicht einmal 1/3 aller Abgeordneten und an brandenburgischen Hochschulen 1998 nur 13,5 % aller Professuren in Frauenhand waren? Die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter ist in den letzten 100 Jahren deutlich vorangenommen, aber die tatsächliche Gleichstellung von Frau und Mann hinkt dem Recht deutlich hinterher. Die Politik ist gefordert, Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Frauen wirklichen gleichberechtigten Zugang zu allen Bereichen der Gesellschaft gewähren. Bereits 1949 haben beide deutschen Staaten im Grundgesetz bzw. in der Verfassung der DDR die Fundamente für die rechtliche Gleichstellung von Frau und Mann gelegt. Im Osten Deutschlands folgten darauf entsprechende Geseztgebungen wie das „Gesetz über den Mutter- und Kinderschutz und die Rechte der Frau“ und die dann im Jahr 1968 verfassungsrechtlich fixierten Rechte der Frau. Im Westen Deutschlands ging es nur in kleinen Schritten voran. Immer wieder mußte das Bundesverfassungsgericht einschreiten und nach Klageverfahren Korrekturen anmahnen. Aber auch die rechtliche Besserstellung der Frauen in der früheren DDR führte nicht zu tatsächlicher Gleichberechtigung. Die Haus- und Familienarbeit war noch immer Sache der Frauen und führte oft zur Doppel- und Dreifachbelastung (Quelle: Dr. Sabine Berghahn 1993 und Berghahn/ Fritsche 1991). Das im Jahr 1990 vor allem von Frauen in Ost und West gemeinsam erhoffte neue Grundgesetz blieb aus. Der Osten Deutschlands trat der Bundesrepublik bei. Im Zuge der Überarbeitung des Grundgesetzes konnte im Sinne der Gleichstellung von Frau und Mann lediglich der Artikel 3 Absatz 2 erweitert werden: „Männer und Frauen sind

gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung der bestehenden Nachteile hin“. Die Verfassung des Landes Brandenburg geht noch einen Schritt weiter: In Artikel 12 Absatz 3 heißt es: „Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Das Land ist verpflichtet, für die Gleichstellung von Frau und Mann in Beruf, öffentlichem Leben, Bildung und Ausbildung, Familie sowie im Bereich der sozialen Sicherung durch wirksame Maßnahmen zu sorgen“. Diesem Anspruch soll u.a. das 1994 vom brandenburgischen Landtag verabschiedete Landesgleichstellungsgesetz gerecht werden. Frauenförderung Es gilt für alle öffentlichen Verwaltungen und ist in den §§ 14 und 15 darüber hinaus an die Privatwirtschaft gerichtet. Im privatwirtschaftlichen Bereich soll durch öffentliche Auftragsvergabe und staatliche Leistungsgewährung Frauenförderung erreicht werden. Für den öffentlichen Bereich gelten weitreichende Regelungen, die von Stellenbesetzung über Arbeitszeitmöglichkeiten bis zur Berichtspflicht reichen. In jeder Dienststelle mit mehr als 20 Beschäftigten ist eine Gleichstellungsbeauftragte zu wählen bzw. auf den kommunalen Ebenen zu bestellen. Wichtigstes Instrument der Gleichstellungsbeauftragten sind die im Benehmen mit den jeweiligen Personalabteilungen zu erstellenden Gleichstellungspläne. Bei sehr hoher Unterpräsenz von Frauen können darüber hinaus Frauenförderpläne erstellt werden. Der zweite Landesgleichstellungsbericht für die Jahre 1996 bis 1998 zeigt, dass der Frauenanteil in der brandenburgischen Landesverwaltung mit 10


FRAUENFÖRDERPOLITIK Susanne Melior

53,3 % (1995) sehr hoch ist, diese fast Parität jedoch nicht auf allen Ebenen zutrifft. Während Frauen in den unteren Laufbahngruppen sehr stark vertreten sind, nimmt ihre Zahl in den höheren Laufbahnen deutlich ab. Dieses Bild zeigt sich auch auf den kommunalen Ebenen. Das wichtigste Ziel der Gleichstellungspläne für öffentliche Verwaltungen besteht somit darin, die Repräsentanz von Frauen in den besser bezahlten und mit mehr Einflußmöglichkeiten ausgestatteten Dienstebenen zu erhöhen. In den Kreisen, kreisfreien Städten und Gemeinden werden auf der Grundlage der Kommunalverfassung §§ 20 bis 24 kommunale Gleichstellungsbeauftragte bestellt. Sie werden vom Oberbürgermeister bzw. Bürgermeister/ Bürgermeisterin berufen und in der Regel durch die kommunalen Vertretungen gewählt. Ihre Aufgaben und Kompetenzen sind über die Hauptsatzungen und über Dienstverordnungen geregelt. Sie sind direkt beim Bürgermeister/ bei der Bürgermeisterin angesiedelt. Den kommunalen Gleichstellungsbeauftragten obliegt nicht nur die Vertretung in allen gleichstellungsrelevanten Fragen innerhalb der Verwaltung, sondern auch die Wirkung in die jeweilige kommunale Ebene hinein. Mit Projekten, öffentlichen Veranstaltungen, Workshops oder über die Medien wirken sie auf die Gleichstellung von Mann und Frau hin. An den brandenburgischen Hochschulen sind die Gleichstellungsbeauftragten nach dem brandenburgischen Hochschulgesetz zu bestellen. Die 1999 in Kraft getretene Novelle stärkt ihre Rolle und wirkt noch gezielter auf Maßnahmen zur Gewährleistung der Chancengleichheit von Frauen. Von besonderer Bedeutung für den wissenschaftlichen Bereich sind die Besetzungen entsprechender Gremien, so sind z.B. in den Berufs-

kommissionen 40 % Frauen, darunter mindestens eine Professorin, vorgeschrieben. Nur so kann es gelingen, die überdurchschnittlich gut ausgebildeten Frauen auch in den wissenschaftlichen Laufbahnen entsprechend zu berücksichtigen. Der Einstellungskorridor für C3 und C4 Professorinnen seitens der Bundesregierung tut ein Übriges. Frauenförderung ist darüber hinaus ein wichtiges Gremium für die hochschulinterne Mittelvergabe. Die Universität Potsdam ist hier beispielgebend aktiv geworden. Die Ausbildungsplatzsituation in der Landesverwaltung zeigt einen ähnlichen Trend wie für die den öffentlichen Bereich insgesamt. An den Ausbildungsplätzen für den höheren Dienst und im Facharbeiterbereich sind Mädchen unter 50 % beteiligt, in allen anderen Ebenen deutlich darüber. Für die kommunalen Verwaltungen läßt sich das Ergebnis nicht nachvollziehen, da diese für den höheren und gehobenen Dienst keine Ausbildungsplätze anbieten. Angesichts knapper werdender Haushaltsmittel wird das Land Brandenburg in Zukunft noch weniger die Ausbildungsplatzsituation im Bereich der Privatwirtschaft stimulieren können. Dennoch ist eine Förderung von Mädchen gerade in den technischen und ingenieurtechnischen Berufen um so mehr erforderlich. Das gilt besonders für die neuen Kommunikationstechnologien oder Wachstumsbranchen wie die Biotechnologien. Unsere Gesellschaft sollte es sich insgesamt nicht leisten, auf das hohe Potential gut ausgebildeter Frauen zu verzichten. Das ist ökonomisch aber auch aus Gründen der Geschlechtergerechtigkeit dringend geboten. Gender Mainstreaming Gender Mainstreaming heißt das neue Schlagwort 11


FRAUENFÖRDERPOLITIK Susanne Melior

der Europäischen Union. In die deutsche Sprache läßt es sich nur schwer übersetzten. Es bedeutet soviel, wie die Einbeziehung der Dimension der Chancengleichheit von Frauen und Männern in sämtliche Politikbereiche (Glossar der Gleichstellung zwischen Frauen und Männern der EU-Kommission 1998). Der Amsterdamer Vertrag nennt die Gleichstellung von Frauen und Männern als eines seiner Ziele, und so ist die Europäische Union in der Pflicht, bei allen Maßnahmen darauf hin zu wirken. Sämtliche allgemeinen politischen Konzepte und Maßnahmen sollen am Prinzip der Gleichstellung der Geschlechter ausgerichtet sein. Das gilt für Planungsphasen, aber auch für Durchsetzung, Begleitung und Bewertung von Maßnahmen. Realisiert wird dieser Anspruch im

Wesentlichen über die Fördermodalitäten mit denen die Mitgliedstaaten gezwungen werden, die jeweilige Situation und die Bedürfnisse von Männern und Frauen systematisch zu betrachten. Diese Vorgaben lassen hoffen, daß der Geschlechtergerechtigkeit weiter zum Durchbruch verholfen werden kann. Susanne Melior war bis Januar 2000 Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen in der SPD und ist Mitglied im SPD-Landesvorstand. www.spdbrandenburg.de/ag/asf.html www.potsdam.de

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THEMA

MIGRANTINNEN IM LAND BRANDENBURG

von Magdolna Grasnick, Ausländerbeauftragte der Landeshauptstadt Potsdam die „Altfamilie„ gebunden ist, andererseits auch durch die objektive Unmöglichkeit, mit Kindern eine Reise nach Deutschland zu organisieren und zu finanzieren.

Im Land Brandenburg leben etwa 17500 Migrantinnen[1], also etwa 0,7 % der Landesbevölkerung (s. Tabelle). Männer mit ausländischem Pass gibt es in einer größeren Zahl im Land (34600[1]), etwa 1,4 % der Bevölkerung. Den größten Teil der ausländischen Frauen in Brandenburg bilden die Frauen zwischen 18 und 40 Jahren (10334[1]).

Das Wort Migrantin ist ein Sammelbegriff für die Gesamtheit der Frauen anderer Herkunft. Als Ausländerin nach Deutschland zu kommen und hier bleiben zu wollen bzw. zu dürfen, hat verschiedene Gründe. Demnach gibt es verschiedene Gruppen von Ausländerinnen, die in Brandenburg leben. Diese Gruppen sind: - Ehefrauen von Deutschen - Mütter (mit Sorgerecht) von deutschen Kindern - Flüchtlingsfrauen (Asylbewerber, Geduldete, Bürgerkriegsflüchtlinge, Asylberechtigte) - Jüdische Einwanderer aus Ost-Europa - Aussiedlerinnen

Der Unterschied in der Anzahl der weiblichen und männlichen Ausländer ist kein Zufall. Die Entscheidung, aus der Heimat wegzugehen, Haus und Hof, Verwandte zu hinterlassen, fällt niemandem leicht. Frauen sind in der Regel jedoch begrenzt in ihrer Mobilität. Dies ist verursacht einerseits durch die traditionelle Rolle der Frau, indem sie die Familie vor Ort zusammenhält und sich um die Kinder kümmert bzw. als Unverheiratete an 13


MIGRANTINNEN IM LAND BRANDENBURG Magdolna Grasnick

Tabelle: Ausländische Frauen im Land Brandenburg Quelle: Ausländerzentralregister, Stichtag 31.12.1999 Landkreis

Zahl

Prignitz Spree-Neiße Teltow-Fläming Uckermark Oberspreewald-Lausitz Oder-Spree Ostprignitz-Ruppin Potsdam-Mittelmark Elbe-Elster Havelland Märkisch-Oderland Oberhavel Barnim Dahme-Spreewald Brandenburg Frankfurt/Oder Cottbus Potsdam

313 679 822 336 518 853 494 1429 452 811 796 930 956 827 658 1445 1036 1601

Feste Aufenthaltstitel (außer EU) 117 370 460 147 289 442 215 646 236 528 457 576 633 504 378 472 593 973

- Ehemalige Vertragsarbeiterinnen der DDR - Frauen aus der Europäischen Union - Frauen als Opfer von Menschenhandel - Studentinnen.

EU-Angehörigkeit

14 23 103 22 21 31 15 178 19 55 26 90 34 86 12 32 47 151

1. Ehefrauen von Deutschen Immer mehr Männer heiraten eine Ausländerin. 1997 waren es bundesweit ca. 30.000 deutsche Männer, die sich eine ausländische Frau als Partnerin gewählt haben. Auf der Bundesebene ist heute jede sechste Eheschließung eine binationale [2]. Im Land Brandenburg sind 1998 von insgesamt 9241 Ehen 825 binationale Eheschließungen eingegangen worden, wobei 380 deutsche Männer und 445 deutsche Frauen eine/n Ausländer/in heirateten [3].

Im Folgenden möchte ich Ihnen einen Überblick über die Lage der im Land lebenden Migrantinnen bieten aus dem Blickfeld einer Praktikerin, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Ich werde nicht alle der eben genannten Gruppen der Migrantinnen ausführlich behandeln.

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MIGRANTINNEN IM LAND BRANDENBURG Magdolna Grasnick

Die Familie ist durch das Grundgesetz (Art. 6) geschützt. Demnach sind auch binationale Ehen schützenswert, was sich im § 23 AuslG widerspiegelt. Ausländische Frauen erhalten nach der Eheschließung eine für in der Regel drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis, welche danach – in der Regel – unbefristet verlängert wird. Nach fünf Jahren kann eine Frau dann eine Aufenthaltsberechtigung erhalten, die als höchster Aufenthaltsstatus einer/s Ausländerin/s in Deutschland anzusehen ist.

und den Umzug nach Deutschland ist für eine Frau oft keine Rückkehr mehr in das Herkunftsland möglich. Sich wieder in die sozialen Strukturen des Heimatlandes einzufügen geht sehr schwer. Frauen sind deshalb noch mehr als Männer an einem stabilen Aufenthalt im Bundesgebiet interessiert. Am 01.06.2000 trat eine wichtige Änderung des § 19 AuslG in Kraft (BGBl. I v. 31.05.2000, S. 742). Demnach wurde die generelle Grenze für die Erlangung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts des ausländischen Ehepartners von vier Jahren auf zwei Jahre gesenkt, in denen die eheliche Lebensgemeinschaft in Deutschland geführt wurde. Es wird durch die Änderung des § 19 AuslG auch klargestellt, dass ein eigenständiges Aufenthaltsrecht bereits dann zu erteilen ist, wenn der Ehegatte durch die Rückkehr in das Herkunftsland ungleich härter getroffen würde als andere Ausländer, die nach kurzen Aufenthaltszeiten Deutschland verlassen müssen (=besondere Härte).

1.1. Eheschließungsgesetz soll „Scheinehen“ einschränken Seit dem 01.07.1998 ist das neue Eheschließungsgesetz in Kraft. Demnach dürfen StandesbeamtInnen eine Eheschließung verweigern, wenn es offenkundig ist, dass die zukünftige Ehe nicht geführt werden soll. Wenn die StandesbeamtIn also eine „Scheinehe„ vermutet, wird die Ehe nicht geschlossen. Das Paar kann dann durch das Amtsgericht das Standesamt verpflichten lassen, die Ehe zu schließen. Nachträglich ist eine bereits erfolgte Eheschließung aufhebbar, wenn festgestellt wird, dass die Ehe von Anfang an nicht geführt werden sollte. In diesem Fall kann die Behörde die Ehe aufheben, ohne die Folgen der Scheidung (z.B. Unterhalt) regeln zu müssen. Somit kann eine ausländische Frau noch mehr in Abhängigkeit vom Ehemann geraten. Der Mann kann mit einer Erklärung, es ginge um eine Scheinehe, die Ehe aufheben lassen, ohne irgendwelche finanziellen Folgen für ihn.

Diese Regelung hat eine große Bedeutung für die Sicherheit der Frauen, deren Ehe sich in Deutschland in eine negative Richtung entwickelt. Unsere Frauenhäuser sammeln des öfteren Erfahrungen mit geprügelten ausländischen Ehefrauen von Deutschen. Es gibt Fälle, wo durch die Heirat mit einer Ausländerin die „klassische Frau„ erwartet wurde, die fleißig und nett ist, die den Mann bedient, die keinen Widerstand leistet. Vier Jahre ist eine lange Zeit, wenn eine Ehe nicht klappt. Der Weggang aus der Heimat, mit einem deutschen Ehemann ist für eine Frau keine einfache Angelegenheit; die Rückkehr als geschiedene Frau ist jedoch noch schwerer.

1.2. Eigenständiges Aufenthaltsrecht von ausländischen Ehefrauen Durch die Eheschließung mit einem Deutschen 15


MIGRANTINNEN IM LAND BRANDENBURG Magdolna Grasnick

Durch die Änderung des § 19 AuslG können sich nun ausländische Frauen im Falle einer schlechten Ehe wehren. Die Frau soll sich nicht vier Jahre prügeln lassen und die Ehe aushalten, wenn sie Angst vor der Unmöglichkeit der Rückkehr in die Heimat nach einer Scheidung hat, sondern sie kann die Scheidung einreichen und sich - ähnlich wie deutsche Ehefrauen - durchsetzen.

1.4. Selbsthilfe In der Wendezeit, am Anfang der 90-er Jahre, lebten in Brandenburg ausländische Ehefrauen Deutscher hauptsächlich aus der UdSSR, Polen und Ungarn. Dieses war durch die „Bewegungsfreiheit„ in der DDR bedingt. Viele Ehefrauen sind mit den damaligen Auslandsstudenten in die DDR gekommen. Seit der Wende hat sich die Struktur der Herkunftsländer der ausländischen Ehefrauen Deutscher geändert. Die Standesämter haben sich an die Eheschließung mit Ausländerinnen aus aller Welt gewöhnt. 1999 heirateten z.B. 17 Brandenburger eine Frau aus Amerika, 84 Männer holten ihre Gattin aus Asien und 7 aus Afrika[3].

1.3. Arbeitsaufnahme Die Aufenthaltserlaubnis bringt Rechte auf dem Arbeitsmarkt mit sich. Die Frau ist zugelassen zum Arbeitsmarkt, unabhängig von dessen Lage. Das bedeutet, dass die Arbeitgeber diese Frauen gleichberechtigt zu deutschen Arbeitnehmern einstellen dürfen, ohne dass das Arbeitsamt eine gesonderte Arbeitserlaubnis erteilen muss.

Das Zusammenleben für die Paare aus unterschiedlichen Kulturen kann interessant sein, aber es gibt sicher Situationen, wo Konflikte vorprogrammiert sind. Es gibt Vereine und Selbsthilfegruppen im Land Brandenburg, wo sich Ausländerinnen und Ausländer oder binationale Familien treffen, um über ihre spezifischen Probleme zu sprechen und wenn notwendig, Lösungen zu finden. In Potsdam treffen sich z.B. schwarz-weiße Familien im Rahmen des Vereinslebens des Cabana e.V., wo sie zusammen Feste feiern, sich gegenseitig stärken und für die Kinder ein Identitätsfeld bieten. In Potsdam gibt es jeden Monat auch ein Treff der in der Stadt lebenden Ungarinnen und Ungarn. Neben der Pflege der Muttersprache funktioniert diese Gruppe wie eine Großfamilie, wo Probleme beraten und gelöst werden können.

Zur Ausübung einer qualitativen Arbeit gehört in der Regel die Kenntnis der deutschen Sprache. Die binationalen Familien müssen selber schauen, woher sie die finanziellen Mittel für den Besuch einer Sprachschule nehmen. Eine staatliche Förderung gibt es für das Erlernen der deutschen Sprache nicht für diesen Personenkreis, auch wenn z.B. im Berufsbereich der Ausländerin die Vermittlung einer Arbeit durch das Arbeitsamt sonst, d.h. mit Sprachkenntnis, möglich wäre. Das Arbeitsleben einer ausländischen Ehefrau – nicht nur in Brandenburg - fängt demnach oft mit Ausübung einer unqualifizierten Tätigkeit an, obwohl diese Frauen mit guter Sprachkenntnis andere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben könnten. Eine ausländische technische Zeichnerin, eine Psychologin und eine Apothekerin sind z.B. in der Putzkolonne einer Potsdamer Firma tätig.

1.5. Möglichkeit der Führung einer Lebensgemeinschaft ohne Eheschließung In der Regel kann eine Ausländerin aus einem 16


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Nicht-EU-Staat kein Bleiberecht für die Führung einer Lebensgemeinschaft „ohne Papiere„ mit einem Deutschen in Deutschland erhalten. Insbesondere der Änderung des Kindschaftsrechtes 1998 ist zu danken, dass nunmehr eine Frau, wenn sie das Kind eines Deutschen zur Welt bringt, dieses in Deutschland groß ziehen kann (§ 23 AuslG). Das Wohl des Kindes spielt die Hauptrolle bei dieser Regelung, wonach das Gesetz die Anwesenheit der Mutter und des Vaters einem Kind „zuspricht„, unabhängig davon, ob diese heiraten möchten oder nicht.

Frau P. ist eine der noch in Brandenburg lebenden bosnischen Bürgerkriegsflüchtlinge. Der Großteil dieser Menschen kehrte in den letzten zwei Jahren zurück nach Bosnien, oft haben sie ein neues Zuhause in Kroatien gefunden. Die USA haben auch zahlreiche bosnische Familien, auch Romas, aufgenommen. Frau P. hat, wie viele bosnische Frauen, in ihrem Leben schon vieles erlebt. Heute kümmert sie sich darum, dass ihr Leben und das ihres Mannes in Potsdam so ruhig und so ordentlich wie möglich „läuft„. Die Fluchterlebnisse sitzen tief in der Erinnerung der beiden. Frau P. erledigt alles, was zu erledigen ist. Sie geht zur Ausländerbehörde, wenn der Aufenthalt der Familie abgelaufen ist, sie sucht das Sozialamt auf, um die Leistungsberechtigung zu regeln, sie geht einkaufen (mit ihrer Einkaufstasche auf Rädern), sie kocht und bäckt. Vor einigen Jahren hat sie noch in der Waschküche des Heimes gemeinnützig gearbeitet. Heute erhält sie wegen ihren Alter leider keinen Platz mehr für diese Arbeit, die sie aber gern machen würde.

2. Flüchtlingsfrauen 2.1. Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien und Kosovo Ein Fallbeispiel aus meinem Alltag: ich überquere den Hof in einem Asylbewerberheim in Potsdam, da kommt mir Frau P. entgegen. Wir begrüßen uns. Frau P. lädt mich zu sich „nach Hause„ ein zu einem Plausch. Wir betreten das aufgeräumte Zimmer vom etwa 15 m2, fast gegenüber der Gemeinschaftsküche auf dem Flur. Am Tisch sitzt Herr P. (von allen Opa P. genannt), er faltet gerade aus losem Tabak Zigaretten. Es strömt mir Herzlichkeit entgegen, während wir uns unterhalten. In einfachen deutschen Sätzen, gemischt mit bosnischen Wörtern, erzählen Oma und Opa P. über das Leben vor 7 Jahren in der Stadt Zvornik (im heutigen serbischen Teil von Bosnien-Herzegowina), über ihre Flucht und über das Leben heute „zu Hause„ in Bosnien und „zu Hause„ in Potsdam. Eine Rückkehr nach Zvornik ist für die beiden Alten nicht mehr möglich. Das in 45 Arbeitsjahren gebaute Familienhaus bleibt nur noch in ihren Träumen betretbar…

Den Großteil der bosnischen Bürgerkriegsflüchtlinge haben die Bundesländer großzügig, ohne die Inanspruchnahme der möglichen rechtlichen Grundlage des §32a AuslG aufgenommen. Den hier angekommenen Flüchtlingen wurde eine Duldung erteilt und sie haben eine Leistung nach dem AsylbLG erhalten. Nach dem Ausbruch der Konflikte 1999 in Kosovo hat Deutschland dann die quotierte Aufnahme der Kosovo-Albaner nach § 32 a AuslG zugesagt. Demnach erhielten diese Menschen nach der Ankunft eine Aufenthaltsbefugnis. Die Kosten teil17


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ten sich Bund und Länder. Heute sind diese Flüchtlinge wieder in ihrer Heimat. Die nicht bereit waren, freiwillig nach Kosovo zurückzukehren, werden abgeschoben. Ich hoffe, sie kommen gut in Kosovo an…

Wie kann eine Frau fliehen? Hat eine Frau Zeit, die Flucht zu planen? Hat die Frau Geld, um Transportmittel oder den Schlepper zu bezahlen? Hat die Frau ein Reisedokument, ein Visum irgendwohin in einen demokratischen Staat? Was passiert mit dem Rest der Familie, insbesondere mit den Kindern und Alten? Kann die Frau überhaupt alleine unterwegs sein, ohne aufzufallen? Es sind Fragen, die zeigen, dass die Flucht keine einfache Angelegenheit ist.

2.2. Asylbewerberinnen 1993 wurde der Asylkompromiss beschlossen. Es wurde das Grundgesetz geändert, es wurden sichere Herkunftsländer und sichere Drittstaaten festgelegt. Die Ostgrenze der BRD, insbesondere zu Polen, wurde zu einer unsichtbaren Wand einer Festung, mit einem tiefen Wassergraben umgrenzt.

Deutschland erreichen nur wenige Flüchtlingsfrauen. Eine Reise direkt nach Deutschland, insbesondere mit Kindern, kann nur schwer organisiert werden.

Heute kann auf die Prüfung des Asylantrages hauptsächlich der Flüchtling hoffen, der legal mit einem Flugzeug direkt nach Deutschland einreist und einen Asylantrag stellt.

Die Anzahl der Asylbewerberinnen ist auch in Brandenburg drastisch zurückgegangen. Inzwischen ist es ein Problem geworden, Frauen in den vorhandenen Asylbewerberheimen des Landes unterzubringen, da sie dort hauptsächlich alleinstehende männliche Nachbarschaft zu erwarten haben bzw. von diesen erwartet werden. Es liegen bereits Empfehlungen von Fachfrauen vor, nach alternativen Möglichkeiten für die Unterbringung von alleinstehenden Flüchtlingsfrauen, außerhalb von Gemeinschaftsunterkünften, zu suchen.

Die Flucht aus der Heimat hat verschiedene Gründe. Es gibt Frauen, die in ihrer Heimat aktiv politisch tätig waren - wie eine mir bekannte Sudanesin, Frauenrechtlerin – und deshalb müssen sie vor der staatlichen Verfolgung flüchten. Es gibt Frauen, die eine drastische Ungleichstellung durch die von Männern dominierte Gesellschaft erleben müssen. Sie möchten menschenwürdig leben, deshalb verlassen sie ihre Heimat. Es gibt Frauen, die für ihre sexuelle Selbstbestimmung kämpfen, oder die vor Folter, Vergewaltigung, Kriegserlebnisse flüchten. Und es gibt auch Frauen, die trotz ihres Fleißes und Bemühungen nicht mehr in der Lage sind, ihre Kinder zu ernähren, und deshalb suchen sie nach einer besseren Zukunft für die Kinder.

Das Land Brandenburg hat 1992 die Einrichtung von großen Asylbewerberheimen favorisiert. In der Zeit der offenen Vermögensfragen haben viele Kreise bei der Einrichtung von Asylbewerberheimen auf ehemalige NVA-Objekte zurückgegriffen. Heute gibt es in Brandenburg 47 Asylbewerberheime mit einer Gesamtkapazität von 9.090 Plätzen, z.Z. mit 73 % Auslastung. Außerdem leben 1.084 Asylbewerber und Flüchtlinge inzwischen 18


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in Wohnungen. Mindestens 9 der Heime liegen außerhalb von Ansiedlungen[4].

Wenn die Asylbewerberin oder Geduldete drei Jahre diese niedrige Leistung nach dem AsylbLG erhalten hat, wird „höhergestuft„ und entsprechend BSHG behandelt. In Brandenburg allerdings weiterhin in geldloser Leistungsgrundform. Gem. § 2 Abs. 2 AsylbLG könnte das zuständige Sozialamt die Form der Leistung auf Grund der örtlichen Umstände bestimmen. Diese Regelung wird jedoch durch einen Runderlass des MASGF eingeschränkt, wonach die Sachleistung für die Versorgung der in Gemeinschaftsunterkünften lebenden Leistungsberechtigten favorisiert wird. Nach dem vierten Jahr Aufenthalt von Geduldeten erstattet das Land keine Kosten mehr für die Kreise und kreisfreie Städte für die Durchführung des AsylbLG, so werden diese durch die hohe Verwaltungskosten für die Durchführung des Sachleistungsprinzips belastet.

Das Asylverfahren dauert in der Regel mehrere Jahre. Während des Verfahrens sollen die Asylbewerber in der Regel in einer Gemeinschaftsunterkunft wohnen (§53 Abs.1 AsylVfG), nicht arbeiten und nach dem AsylbLG versorgt werden. Sie sind ortsgebunden in dem Landkreis oder der kreisfreien Stadt, wohin sie verteilt sind. Ein Besuch in einem anderen Ort Deutschlands kann nur mit einem Urlaubsschein erfolgen, worauf kein Anspruch besteht. Es gibt in Brandenburg z.B. noch offene Asylverfahren aus dem Jahr 1991. Stellen sie sich vor, in der heutigen Zeit, 10 Jahre nach der Wende, unter der geschilderten Eingeschlossenheit leben zu müssen! In der Praxis sieht es so aus, dass in den Heimen, insbesondere in abgelegenen wäldlichen Gegenden in der Regel nur noch die wenigen Frauen und die Kinder leben. Die Frauen müssen diese Umstände aushalten, da sie durch die Kinder am wenigsten mobil sind.

Mehrere Ausländerinitiativen halten das Sachleistungsprinzip für langjährige Versorgung von Menschen für unzumutbar. Rechtsanwaltskosten, Deutschkurse, landesspezifische Lebensmittel, Telefonkosten, Kinderfreizeitveranstaltungen, Sportclub, Kino etc. können nicht mit Gutschein bezahlt werden. So gibt es Aktionen, die darauf ausgerichtet sind, mit Flüchtlingen Partnerschaften zu schließen und ihnen mit einem Umtausch der Gutscheine in Bargeld zu helfen. So hat der evangelische Kirchenkreis in Potsdam ein Partnerschaftsnetz mit Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG ausgebaut. Eine ähnliche Initiative aus Hildesheim wurde im Dezember 1999 mit dem Förderpreis „Demokratie leben„ vom Deutschen Bundestag ausgezeichnet.

Das Einkaufen gestaltet sich schwer in vielen Kreisen, wegen die sog. Sachleistung. Die übliche Form der Leistung nach dem AsylbLG in Brandenburg ist die Sachleistung, d.h. die Leistungsberechtigten erhalten statt Geld Wertgutscheine, die in vertraglich gebundenen Läden einzulösen sind. Es gibt eine monatliche Barleistung in Höhe von 80,00 DM für über 14 Jährige, und 40 DM darunter. Die Höhe der Leistung nach dem AsylbLG beträgt 80 % der Leistung nach dem BSHG und ist im Bereich der Krankenhilfe und einmaliger Leistungen eingeschränkt.

Es gibt wenige Frauen, die als Asylberechtigte anerkannt werden. Wenn ein Asylantrag jedoch 19


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positiv entschieden wird (nach Art. 16a GG), dann hat der Staat die Pflicht, diesen Menschen zu „integrieren„. Das bedeutet praktisch gesehen: Reisedokument, Sprachkenntnisse, Zulassung zum Arbeitsmarkt, Wohnung, Möglichkeit des Familiennachzugs (Ehemann und Kinder unter 16 Jahren), Möglichkeit des Studiums bei jungen Asylberechtigten.

Andere Bundesländer, zuletzt auch Berlin, haben die „Altfallregelung„ modifiziert. Demnach erhält der o.g. Personenkreis in vielen Bundesländern auch dann eine für sechs Monate befristete Aufenthaltsbefugnis, wenn dieser noch auf soziale Unterstützung angewiesen ist. Mit der erteilten Aufenthaltsbefugnis bekommen die Betroffenen sofort eine Arbeitsberechtigung, womit ohne Arbeitsmarktprüfung eine Arbeit aufgenommen werden kann. Folge: 6 Monate nach der Erteilung der Aufenthaltsbefugnis, wenn die Ausländerbehörde die Voraussetzungen der Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis prüft, erfüllen diese AusländerInnen alle Bedingungen der Altfallregelung v. 19.11.1999. Könnte diese Umsetzungsmöglichkeit der Altfallregelung vielleicht auch ein Weg in Brandenburg sein…?

Wenn ein Asylantrag nach dem GG abgelehnt wird, kann ein Bleiberecht z.B. durch § 51 AuslG („kleines Asyl„) oder § 53 AuslG begründet werden, oder es können einer Rückkehr in das Heimatland andere Gründe entgegenstehen. In diesen Fällen erhält die Frau eine Aufenthaltsbefugnis oder eine Duldung (= Aussetzung der Abschiebung). Als Abschiebehindernis nach § 53 Abs. 6 AuslG kann z.B. die Pflicht der Zwangsabtreibung oder Zwangsbeschneidung im Heimatland angesehen werden. 2.3. Altfallregelung Am 19.11.1999 haben die Innenminister der Länder eine „Altfallregelung„ erlassen, wonach Asylbewerberfamilien, die seit dem 1. Juli 1993 in Deutschland leben, Arbeit und Wohnung haben und ohne Inanspruchnahme von öffentlichen Mitteln leben, eine Aufenthaltsbefugnis erhalten können. Alleinstehende, die bereits am 01. Januar 1990 eingereist sind und die genannten Voraussetzungen erfüllen, könnten die Aufenthaltsbefugnis erhalten.

3. Jüdische Zuwanderinnen aus Osteuropa Das „Gesetz über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge„ – das „Kontingentflüchtlingsgesetz„ – vom 22. Juli 1980 ermöglicht, Gruppen von Menschen in einer bestimmten Zahl aufzunehmen, ohne dass diese ein Asylverfahren durchlaufen müssen. Grundlage bildet für dieses Gesetz die Genfer Flüchtlingskonvention aus dem Jahr 1951. Erst unter Druck von Teilen der Öffentlichkeit, vor allem auf das Drängen des Zentralrates der Juden in Deutschland hin, erklärte sich die Bundesregierung bereit, die Gruppe jüdischer Zuwanderinnen und Zuwanderer analog dem „Kontingentflüchtlingsgesetz„ aufzunehmen, unter anderem auch mit dem Ziel, die jüdischen Gemeinden in

In Brandenburg haben nur 59 Personen aufgrund dieser Regelung eine Aufenthaltsbefugnis erhalten, da hier die Arbeitsaufnahme mit einer Duldung oder Aufenthaltsgestattung praktisch unmöglich war und ist. 20


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der Bundesrepublik zu stärken. Am 1. Januar 1991 wurde eine entsprechende Regelung festgeschrieben[6]„.

Ein Beispiel aus dem Alltag: eine ältere jüdische Einwanderin aus Potsdam hat einen Landsmann aus Russland geheiratet. Sie können jedoch in Deutschland keine Ehe führen, solange die Frau kein genügendes Einkommen hat (§ 17 Abs. 2 AuslG). Eine Frau über 50, dazu noch gebrochen deutsch sprechend, hat jedoch kaum Chancen, einen gut bezahlten Job zu finden...

1992 wurde die erste neue jüdische Gemeinde nach dem Zweiten Weltkrieg im Land Brandenburg in Potsdam gegründet. Seitdem ist die Anzahl der Gemeinden auf fünf gewachsen und sie zählen 440 Mitglieder (3).

Frauen im rentenfähigen Alter erhalten Sozialhilfe gem. § 120 BSHG und sie bleiben bis zum Ende ihres Lebens Sozialhilfeempfängerinnen...

Die jüdischen Zuwanderinnen müssen ein Aufnahmeverfahren durchlaufen (Bundesverwaltungsamt), eher sie einen Aufnahmebescheid erhalten. Dieser Bescheid teilt auch gleich mit, wo sie in Deutschland „am Anfang„ wohnen werden. Im Land Brandenburg erfolgt die Aufnahme in Cottbus, Frankfurt, Brandenburg, Bernau und Potsdam.

Wenn ich mit Familien spreche, erfahre ich oft, dass sie insbesondere auf eine positive Zukunft der Kinder in Deutschland hoffen. Und es ist tatsächlich so, dass sich Jugendliche, auch Mädchen, wunderbar integrieren. Sie erlernen rasch in der Schule die Sprache und wenn sie die Fähigkeit haben, können sie auch studieren, mit Förderung der Otto-Benecke-Stiftung. Der Staat gibt auch Mittel für Nachhilfeunterricht aus dem Garantiefond, die die Eltern im Sozialamt beantragen können.

Die „Kontingentflüchtlinge„ kommen voller positiver Erwartungen in Brandenburg an. Sie sind vom Bildungsniveau her meistens AkademikerInnen. Die Frauen aus der ehemaligen Sowjetunion sind die Gleichberechtigung – mindestens auf dem Arbeitsmarkt - gewöhnt. Der „Anfang„ ist dann in Deutschland nicht einfach. Sprachausbildung durch das Arbeitsamt erhalten nur die Frauen, die noch im arbeitsfähigen Alter sind. Gemeinnützig dürfen auch nur die arbeiten, die später noch evtl. eine Arbeitsstelle bekommen können. Die Berufsabschlüsse aus der ehem. Sowjetunion werden oft nicht anerkannt, die Fahrerlaubnis ist nicht mehr gültig, Arbeit finden die Frauen nicht. Sie sind auf die Sozialhilfe angewiesen, und dadurch werden die Frauen ortsgebunden.

4. Aussiedlerinnen „AussiedlerInnen sind deutsche Staatsangehörige oder Volkszugehörige, die vor dem 8. Mai 1945 ihren Wohnsitz in den unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten, bzw. in Polen, der ehemaligen Sowjetunion, der Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien, Jugoslawien, Danzig, Estland, Lettland, Litauen, Bulgarien, Albanien oder China gehabt und diese Länder nach Abschluss der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen bis zum 31.12.92 verlassen haben„. (§1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG). Wobei als Spätaussiedler jene bezeichnet 21


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werden, die nach dem § 4 der am 1. Januar 1993 in Kraft getretenen Neuregelung des BVFG im Rahmen de „Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes„ deutsche Volkszugehörige sind, die die Aussiedlungsgebiete nach dem 31. Dezember 1992 verlassen haben„[6].

schön zu erleben, wie diese Generation der Aussiedlerinnen die deutsche Sprache bewahrt hat. Die mittlere Generation der Aussiedlerinnen erlebt ähnlich gelagerte Probleme wie die jüdischen Zuwanderinnen aus Osteuropa. Diese Generation durfte in der Regel die deutsche Sprache nicht benutzen, so müssen sie diese neu erlernen. Die Erteilung des Aufnahmebescheides ist vom Ablegen einer Sprachprüfung der deutschen Sprache abhängig. Nach der Ankunft in Deutschland erhalten Aussiedlerinnen, wenn sie im arbeitsfähigem Alter sind, die Möglichkeit, noch 6 Monate die deutsche Sprache zu lernen. Zum Vorteil des Aussiedlerinnenstatus zählt die Regelanerkennung der Berufsabschlüsse aus dem Herkunftsland.

Aussiedlerinnen werden in einem geregelten Verfahren, durchgeführt durch das Bundesverwaltungsamt, in Deutschland aufgenommen. Sie reisen im Land Brandenburg nach Peitz an und nach der Erledigung der wichtigsten administrativen Formalitäten werden sie im Land verteilt. „Ein Modellprojekt bei der Ansiedlung von AussiedlerInnen ist Niedergörsdorf im Landkreis TeltowFläming. Hier wurden auf Initiative der mennonitischen Umsiedlerbetreuung ehemalige Kasernen gekauft und zu Wohnungen umgebaut. Inzwischen leben dort etwa 700 Menschen, ca. 500 von ihnen sind Aussiedlerinnen und Aussiedler„[6].

Deutschland bemüht sich, durch Verhandlungen im diplomatischen Bereich, in den Herkunftsländern der Aussiedlerinnen Möglichkeiten für das dort Bleiben zu schaffen. Es gibt ständig Hilfsprogramme, um im Herkunftsgebiet als Deutsche leben zu können. Es werden z.B. deutsche Zeitungen herausgegeben, deutsche Kindergärten und Schulen eingerichtet.

Der Großteil der Aussiedlerinnen kommt heute aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion. 1998 waren 52 % der im Land Brandenburg aufgenommenen AussiedlerInnen Frauen, 1928 an der Zahl[7]. Aussiedlerinnen haben ähnliche Probleme wie die jüdischen Zuwanderinnen. Die ältere Generation hat jedoch den Vorteil im Vergleich zu „Kontingentflüchtlingen„, dass sie eine eigene Rente beziehen nach Fremdenrentenrecht. Die Arbeitsjahre im Herkunftsland werden so bewertet, als wären diese Frauen in Deutschland tätig gewesen. Diese Regelung gibt den Frauen eine moralische und finanzielle Sicherheit. Sie haben ein regelmäßiges Einkommen, wofür sie das ganze Leben gearbeitet haben, und sie sind selber krankenversichert. Es ist

Die Zahl der zugewanderten Aussiedlerinnen geht ständig zurück. Trotzdem sitzen noch mehrere Millionen Deutschstämmige, insbesondere auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion, auf gepackten Koffern und warten auf die Möglichkeit der Einreise nach Deutschland.

5. Vertragsarbeitnehmerinnen 1993 haben Vertragsarbeitnehmerinnen der DDR, wenn sie Arbeit hatten, nicht straffällig geworden 22


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sind und sie ununterbrochen rechtmäßig in der Bundesrepublik gelebt haben, eine Aufenthaltsbefugnis erhalten. Diese Befugnis war auf zwei Jahre befristet und deren Erteilung war sehr schwierig wegen der Unmöglichkeit, eine Arbeitserlaubnis für eine Arbeit zu erhalten. Selbst Vertragsarbeitnehmerinnen, die bereits 10 Jahre in der DDR bzw. BRD gelebt haben, waren bedroht, Deutschland im Falle von Sozialhilfebezug verlassen zu müssen. Die DDR-Aufenthaltszeiten spielten in der Bleiberechtsregelung von 1993 keine Rolle.

Im Land Brandenburg leben hauptsächlich Vietnamesinnen aus der Gruppe der ehemaligen Vertragsarbeitnehmerinnen. In der DDR-Zeit gab es eine strikte Trennung unter den männlichen und weiblichen Vietnamesen. Es gab extra Wohnheime für Frauen und Männer, sexuelle Beziehungen waren nicht erlaubt. Schwangere Vietnamesen mussten die DDR verlassen. Die Sphäre der Frauen und Männer ist noch immer getrennt. Die Männer beherrschen in der Regel besser als die Frauen die deutsche Sprache und wirken nach außen. Die Frauen sind in der Familie bei der Kindererziehung die Schlüsselperson und sind stolz auf die gute schulische Leistung der Kinder[6]. Heute leben im Land Brandenburg 2.277 Vietnamesinnen, davon 1129 mit einem festen Aufenthaltsstatus[1].

Erst 1997, nach über siebenjährigen Bemühungen, Appellen und Initiativen hat der Gesetzgeber endlich eine Rechtsicherheit geschaffen, die eine Gleichbehandlung der DDR-Vertragsarbeiterinnen und –arbeiter mit den von der alten Bundesrepublik angeworbenen Gastarbeiterinnen und –arbeitern beinhaltet[6]. Der Vermittlungsausschuss vom Bundestag und Bundesrat entschied sich im Juli 1997 für die Anerkennung der gesamten DDR-Aufenthalte. Demnach erhielten Vertragsarbeitnehmerinnen und –arbeitnehmer, - die sich vor der Vereinigung rechtmäßig in der DDR aufgehalten haben, - die eine Aufenthaltsbefugnis besaßen, - die den Lebensunterhalt rechtmäßig sichern konnten, - gegen die kein Ausweisungsgrund vorlag, - und die acht Jahre Aufenthalt vorweisen konnten, eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis[6].

Seit dem Anfang der 90-er Jahre gibt es Bemühungen von engagierten Trägern, Projekte anzubieten, um die Chancen der Vertragsarbeitnehmerinnen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Ich möchte hier die Maßnahmen der Berlin-Brandenburgischen Auslandsgesellschaft (BBAG) e.V. erwähnen. Durch harte Vorbereitungsarbeit hat die BBAG erreicht, dass mehrere Maßnahmen im Berufsbildungsbereich für Vietnamesinnen in mehreren Orten Brandenburg durchgeführt wurden. Diese Kurse waren mit Herz und Verstand zusammengestellt. Auch alleinstehende Frauen mit Kind und Frauen mit Familien haben die Möglichkeit erhalten, Sprache und Beruf zu erlernen. Heute sind viele Vietnamesinnen als Schneiderin tätig, mit einem hervorragenden Ruf, was die Qualität der Arbeit betrifft.

Das Thema des Bleiberechtes für die VertragsarbeitnehmerInnen der DDR war der „Ost-WestKonflikt„ im Ausländerrecht, da die Aufenthaltszeiten der „Ost-GastarbeiterInnen„ weniger wert werden sollten als die von „West-GastarbeiterInnen„. 23


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(Erlass des Innenministeriums des Landes Brandenburg v. 24.02.1994).

6. Frauen als Opfer von Menschenhandel Der Frauenhandel hat in den vergangenen Jahren im Land Brandenburg drastisch zugenommen. Aufgrund der geografischen Lage Brandenburgs entwickelte sich hier ein regelrechter Umschlagplatz für Frauen und Mädchen aus Osteuropa. Viele Frauen werden mit falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt, wie z.B. eine Arbeitsstelle als Köchin oder Haushaltshilfe. Meist werden die Opfer bis an die Grenze gebracht und dort von Schleppern in die Bundesrepublik geschleust. Sind die Frauen in Deutschland, werden ihnen die Reisedokumente abgenommen und sie erfahren, dass der Transport und die Passbeschaffung bezahlt werden müssen in Form des „Abarbeitens„ der Schulden. So landen diese Frauen in bordellartigen Betrieben oder auf dem Straßenstrich. Eine Aussicht, die Schulden abzuzahlen, haben sie nicht[6].

Inzwischen werden immer mehr Verfahren wegen Menschenhandels, in denen Freiheitsstrafen verhängt worden sind, rechtskräftig abgeschlossen. In Brandenburg arbeitet sehr engagiert der Verein Bella Donna im grenzüberschreitenden Raum zu Polen mit Prostituierten. AIDS-Prävention, Vernetzungs- und Öffentlichkeitsarbeit sowie Primärprävention an Schulen und in den Gemeinden des Landes Brandenburg gehören zum Arbeitsgebiet des Vereins[8]. Dank des unermüdlichen Engagements der verschiedenen Frauenberatungsstellen und einzelner Frauen nahm am 01.12.1999 der „Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess e.V„ (KOK) seine Arbeit in Potsdam auf. Das Büro dieser zentralen Koodinierungsstelle finanziert das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Frauen werden nicht nur zur Prostitution, aber auch zur ausbeuterischen Arbeit oder in Ehen gezwungen. Die Menschenhändler sind zu fast 50% deutscher Nationalität[6]. Die Menschenhändler und Zuhälter gehen in Gerichtsprozessen oft straffrei aus. Das hängt damit zusammen, dass die Bekämpfung der Verbrechen in der Regel nur durch Zeugenaussagen möglich ist. Da sich die Zeuginnen illegal in der Bundesrepublik aufhalten, müssen sie mit einer Abschiebung rechnen[6].

Die Prostitutionstätigkeit durch Ausländerinnen wird in verschiedenen Bundesländern in unterschiedlicher Weise toleriert und gestattet. In den meisten Bundesländern werden EG-Prostituierte toleriert, nicht aber Prostituierte aus der sog. Dritten Welt. Eine Ausnahme bildet NordrheinWestfalen. Hier erhalten in einigen Städten auch diese Prostituierten eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis, die für eine maximale Dauer bis zu einem Jahr ausgestellt wird[9].

In Brandenburg ist die Praxis so, wenn eine Zwangsprostituierte als Zeugin benötigt wird, beantragt die Polizeidienststelle in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft bei der zuständigen Ausländerbehörde für die Frau eine Duldung

Durch die Legalisierung dieses Gewerbes wächst die Rechtssicherheit der betroffenen ausländi24


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Leben der umliegenden Region hat sich auch durch dieses Fest bestätigt. Hochschuleinrichtungen sind eine prägende geistige Kraft für ihre Umgebungen.

schen Frauen und dadurch haben Menschenhändler weniger Chancen, auf Kosten der Frauen zu verdienen.

7. Studentinnen Im Wintersemester 1999/200 besuchten 2887 ausländische Studierende, davon 1479 Studentinnen, brandenburgische Hochschulen [10]. Die meisten Studentinnen und Studenten kamen aus Polen.

… zum Schluss Sie sehen durch diese, Ihnen eben dargestellte, Zusammenstellung, dass es Gruppen von Menschen gibt, die nach Deutschland kommen und hier bleiben dürfen. Es findet bereits eine Einwanderung nach Deutschland, so auch nach Brandenburg, statt. Ich denke, es ist an der Zeit, ohne das Asylverfahrensgesetz anzufassen, über ein Einwanderungsgesetz für Deutschland ernsthaft nachzudenken, was auch die „Green-Card-Debatte« gezeigt hat.

Die Anwesenheit der ausländischen Studierenden an den Brandenburgischen Hochschulen hat eine große Bedeutung. Neben dem Sammeln von Fachkenntnissen während des Studiums sammeln die jungen Leute Erfahrungen miteinander. Als Berufstätige und als Eltern der nächsten Generation werden die heutigen StudentInnen sicher auf ihre positiven Erfahrungen in der Studentenzeit zurückgreifen und sich in keine ausländerfeindliche Richtung entwickeln.

Sie sehen auch, es ist nicht einfach für Migrantinnen, sich in Brandenburg zu integrieren. Sie können durch Ihr menschliches oder politisches Engagement dabei behilflich sein. Magdolna Grasnick ist seit 1990 Ausländerbeauftragte der Landeshauptstadt Potsdam.

Im Juni fand in Potsdam das gemeinsame Sommerfest der drei Potsdamer Hochschulen unter dem Motto „Gegen Rassismus„ statt. Die positive Ausstrahlung der Hochschuleinrichtungen in das

www.potsdam.de/stadtpolitik/index2.html

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Abkürzungen: AuslG Ausländergesetz AsylbLG Asylbewerberleistungsgesetz AsylVfG Asylverfahrensgesetz BSHG Bundessozialhilfegesetz MASGF Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen des Landes Brandenburg MWFK Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg GG Grundgesetz BVFG Bundesvertriebenen– und Flüchtlingsgesetz

Literaturquellen: [1] Quelle: Ausländerzentralregister, Stichtag 31.12.1999 [2] Migrantinnen in Deutschland, Dokumentation einer Fachtagung vom 14.12.1998 in Offenbach [3] LDS Brandenburg, Statistisches Jahrbuch 1999 [4] Informationsblatt der AWO, Arbeitsgruppen EKIS und MHB v. 31.05.2000 [5] Wie werde ich Deutsche oder Deutscher? Broschüre der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung, Nov. 1999 [6] Zwischen Ankunft und Ankommen, Die Situation von Zugewanderten im Land Brandenburg 1995-1997, Bericht der Ausländerbeauftragten des Landes Brandenburg [7] Info-Dienst Deutsche Aussiedler, Heft Nr. 101 [8] Projektbericht 1997, Bella Donna / Arachne, Frankfurt/Oder [9] Umfeld und Ausmaß des Menschenhandels mit ausländischen Mädchen und Frauen Schriftenreihe des Bundesministers für Frauen und Jugend, Band 8 [10] Statistik des MWFK, Ref. 23, Stand: 30.10.1999

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THEMA

GESCHLECHTERVERHÄLTNISSE IN VERÄNDERUNG Herausforderungen für Frauen- und Geschlechterforschung

von Prof. Dr. Irene Dölling, Universität Potsdam

Geschlechterdemokratie“ bedeuten könn(t)en. Nicht nur für viele mediale Meinungsmacher ist „der Feminismus“ ein erledigtes Projekt; auch nicht wenige junge Frauen und Männer sind der Meinung, dass sie gleichberechtigt sind und es ganz gemäß der derzeit hoch im Kurs stehenden „Individualisierung“ - eigenverantwortlich von jeder/jedem einzelnen abhängt, was sie aus ihrem Leben machen und was sie aus der Fülle der Möglichkeiten auswählen. Bestätigt werden sie darin nicht selten auch von politischer Seite. Diese Verschiebungen in politisch-öffentlichen Debatten wie subjektiven Meinungen sind weniger Anzeichen für einen tatsächlichen Abbau von Geschlechterungleichheiten als vielmehr für Umbrüche im Organisationsgefüge moderner Gesellschaften, die bisherige Formen sozialer Regulierung und Steuerung tendenziell dysfunk-

Seit einiger Zeit ist zu beobachten, dass die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, die nach wie vor in vielen Bereichen existierende Benachteiligung von Frauen und eine auf deren Überwindung gerichtete Gleichstellungspolitik kaum noch öffentliches Interesse erwecken. Die politische und im weiteren Sinne öffentliche Rede über veränderungsbedürftige Geschlechterverhältnisse und ein entsprechender Gestaltungswille sind in den Hintergrund getreten gegenüber den aktuellen Diskursen und Auseinandersetzungen um „Globalisierung“, die „Zukunft der Arbeit(sgesellschaft)“, den „Umbau des Staates und der sozialen Sicherungssysteme“ usw. Selten nur wird in diesen Debatten danach gefragt, was all die sich abzeichnenden gesellschaftlichen Veränderungen für eine Neuordnung der Geschlechterverhältnisse bzw. - moderater - für „mehr 27


GESCHLECHTERVERHÄLTNISSE Prof. Dr. Irene Dölling

tional werden lassen. Bisherige Institutionalisierungen des modernen (hierarchischen) Geschlechterverhältnisses geraten in „Unordnung“ und erscheinen gemessen an den sich abzeichnenden Entwicklungen als „veraltet“: bisherige Trennlinien zwischen öffentlich und privat brechen auf, die Erosion des „Normalarbeitsverhältnisses“ untergräbt die „männliche Ernährerrolle“ und die damit verknüpften familien- und steuerrechtlichen Regelungen. Durch die wachsende Zahl von Alleinerziehenden und Singles wird das normative und institutionalisierte Modell der geschlechtsspezifischen Teilungen zwischen „produktiven“ und „reproduktiven“ Bereichen und Tätigkeiten fragwürdig. Wie die re-strukturierten Geschlechterverhältnisse als Ergebnis des Umbaus moderner Gesellschaften aussehen werden - ob sie sich durch (mehr) Geschlechterdemokratie auszeichnen oder die In- und Exklusionen entlang der Geschlechterlinie eher verstärkt werden bzw. ganz neue Formierungen des Geschlechterverhältnisses entstehen, ist m.E. derzeit kaum definitiv zu sagen - eben weil wir erst am Anfang dieser Umbrüche stehen. Allerdings zeichnen sich heute bereits Entwicklungen ab, die nahelegen, die Zusammenhänge, in denen Geschlechterverhältnisse theoretisch- konzeptionell - bis heute vor allem in der Frauen- und Geschlechterforschung - gedacht werden, zu erweitern. Ich möchte im folgenden zunächst auf einige dieser veränderten oder sich verändernden Zusammenhänge eingehen, die die Neufiguration des Geschlechterverhältnisses beeinflussen (werden) und anschliessend nach konzeptionellen Herausforderungen fragen, die daraus für Frauen- und Geschlechterforschung resultieren. 1. In der bisherigen Geschichte moderner Gesellschaften waren Geschlechterverhältnisse

gekennzeichnet durch institutionalisierte Trennungen zwischen Produktion und Reproduktion, Erwerbssphäre und Hauswirtschaft, öffentlich- privat. Gegründet auf die kulturelle Annahme einer biologisch unhintergehbaren Differenz der beiden Geschlechter wurden Männer und Frauen entlang dieser Trennungen zueinander ins Verhältnis gesetzt, wurden Tätigkeiten, Befähigungen, Eigenschaften „vergeschlechtlicht“, d.h. normativ dem einen oder dem anderen Geschlecht zugeschrieben. Diese Trennungen und Zuschreibungen waren hierarchisch organisiert und wirkten zugleich hierarchisierend: Indem alles als „weiblich“ bedeutende Zweitrangigkeit, Minderwertigkeit und Abweichung vom „Normalen“ impliziert und dies sich institutionell z.B. in geschlechtsspezifischen Arbeitsteilungen, Segregationen des Arbeitsmarktes oder auch rechtlichen Regelungen verfestigt, wirkt „Geschlecht“ als ein ungleichheiterzeugender Faktor. Das hierarchische und hierarchisierende Geschlechterverhältnis steht in einem homologen Zusammenhang zu anderen hierarchischen Formen, in denen moderne gesellschaftliche Austauschprozesse geregelt, normiert, auf Dauer gestellt, in eine über- bzw. untergeordnete Beziehung zueinander gebracht werden. Bisherige Grenzziehungen und Hierarchisierungen - z.B. entlang der Geschlechterdifferenz – werden einerseits in den gegenwärtigen Transformationsprozessen moderner Gesellschaften tendenziell dysfunktional. Andererseits gehen neoliberale Deregulierungen unter dem Vorzeichen des „freien Spiels der Kräfte des Marktes“ mit neuen Differenzierungen, Hierarchisierungen, Ein- und Ausgrenzungen einher. Letzteres legt die Vermutung nahe, dass die in diesem Kontext sich neu strukturie28


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renden Geschlechterverhältnisse auch weiterhin - wenn auch in möglicherweise veränderten Formen - die beiden Genusgruppen in hierarchische Beziehungen zueinander setzen und auch weiterhin zur Legitimation anderer gesellschaftlicher Hierarchien dienen. 2. Das Ende des Sozialismus zum einen und die Entwicklung Europas zu einem Wirtschaftsund politischen System zum anderen haben in diesem Jahrzehnt verstärkt und auf z.T. neue Weise Erfahrungen mit „ethnischen Konflikten“, mit Nationalismen und - wie der sog. „Kosovo-Krieg“ zeigte - der Weise ihrer „Befriedung“ gebracht. Sie sind verbunden mit der Erfahrung von „Flüchtlingsströmen“ und von Migrationsbewegungen in die reichen Länder, die zum einen durch ein vereinigtes, grenzenloses Europa ihre Wirtschafts- und politische Macht vergrößern wollen, die zum anderen neue Grenzen gegenüber denen errichten, die bestimmten Normen nicht entsprechen. Wer StaatsbürgerInnenstatus und damit Anspruch auf bestimmte staatliche Leistungen hat, wer mit eingeschränkten Rechten als „ethnische Minderheit“ geduldet wird, wer einen EU-Pass hat und daher rein darf oder aber draußen bleiben muß – das sind Markierungen sozialer Differenzierungen, In- und Exklusionen, die (national institutionalisierte) Geschlechterungleichheiten in z.T. neuen Figurationen verorten. Denn das im Rahmen von Nationalstaatlichkeit und StaatsbürgerInnenrechten hervorgebrachte und institutionalisierte moderne Geschlechterverhältnis bringt nicht nur „nach innen“ die beiden Genusgruppen in ein hierarchisches Verhältnis, sondern es geht auch ein in ein komplexes Geflecht von asymmetrischen Machtbeziehungen, das ökonomisch, politisch,

sozial grenzziehend, ein- und ausschließend, über- und unterordnend wirkt und in dem Frauen keineswegs nur und immer die Benachteiligten sind (dazu auch Gümen 1998). 3. Gleichzeitig führt „Globalisierung“, wie u.a. Brigitte Young aufgezeigt hat, zu neuen „Gesellschaftsspaltungen“ (Young 1998:192). Die Aufspaltungen in eine Arbeitsgesellschaft, die an den Nationalstaat geknüpft ist einerseits und eine Geldgesellschaft andererseits, die mit der Deregulierung der Finanzmärkte global agiert und vernetzt ist, führen zur „Erosion des Normalarbeitsverhältnisses“, zu einem Abbau sozialstaatlicher Leistungen u.a. durch ihre Privatisierung oder ihre tendenzielle Rückverlagerung in die Familie (d.h. in der Regel zu Lasten von Frauen). Sie führt z.B. zu einem Verlust von „staatlichen“ Arbeitsplätzen, die bisher besonders eine Frauendomäne waren. Diese Prozesse vertiefen einerseits auf vielfältige Weise geschlechtsspezifische Ungleichheiten (vgl. dazu u.a. Sassen 1998); zugleich entstehen neue soziale Differenzierungen - z.B. nach Qualifikationen und Alter, nach Besitzern oder Nichtbesitzern von Arbeitsplätzen (im primären Sektor) - die nicht unbedingt „geschlechtsneutral“ sind, aber auch nicht in erster Linie entlang der Geschlechterdifferenz verlaufen (müssen). Im „System der ‘kumulativen Ungleichheit’“ (Kurz-Scherf 1998:26) spielt „Geschlecht“ gewiss auch künftig eine gewichtige Rolle. Zugleich wird „Geschlecht“ als ungleichheiterzeugender Faktor in einem Geflecht von komplex wirkenden sozialen Differenzierungsfaktoren wirksam, die in einer globalisierten Welt, gebrochen durch regionale, nationale, kulturelle Besonderheiten, soziale Chancen zuweisen. 29


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4. In den letzten Jahren sind soziale und kulturelle Veränderungen beobachtet worden, die in der Frauen- und Geschlechterforschung u.a. als „Verflüssigung“ von Geschlechterdifferenzen, als tendenzielle Dysfunktionalität von Geschlechterhierarchien bei der Einführung neuer Formen der Arbeitsorganisation (z.B. Gruppenarbeit, „flache Hierarchien“, Dezentralisierung) oder als „Feminisierung“ männlicher Erwerbsarbeit bzw. Erwerbsarbeiterbiografien im Zuge der Erosion des „Normalarbeitsverhältnisses“ beschrieben wurden. Diese beobachtbaren Veränderungen, die auch zu Verschiebungen in den alltäglich praktizierten Geschlechterarrangements führen, haben die feministischen Debatten über die Chancen für mehr Geschlechterdemokratie in der „postindustriellen“ Gesellschaft, für eine gerechtere Verteilung von Produktions- und Reproduktionsarbeit bzw. eine gesellschaftliche Umbewertung von Erwerbs- und häuslicher Arbeit (erneut) angeregt. Die in diesen Debatten entwickelten Visionen eines neuen „Geschlechtervertrages“ sind allerdings nicht immer ausreichend in den Kontext der sich abzeichnenden gesellschaftlichen Umbrüche gestellt worden. Ingrid Kurz-Scherf hat auf das „strukturelle (s) Defizit an Solidarität“ (Kurz-Scherf 1998:34) hingewiesen, das modernen Gesellschaften innewohnt und unter den Bedingungen neoliberaler Deregulierung eine „Bedingung der Möglichkeit für das Auseinanderbrechen der sozialen Integration“ darstellt (ebd.). Dieses Defizit wird institutionell wie lebensweltlich stabil gehalten und reproduziert nicht zuletzt durch eine „Dominanzkultur“ (Rommelspacher), die insofern „männlich“ ist, als sie den Stoffwechselprozeß mit der Natur als gewaltför-

mige Beherrschung von Natur und Arbeit, Macht als Herrschaft und Unterwerfungsmacht, Staat als obrigkeitliche Staatsbürokratie und Ökonomie im Sinne von Konkurrenz konstruiert, normiert und normalisiert (vgl. KurzScherf a.a.O.:35). Diese „männliche Dominanzkultur“ war in der bisherigen Geschichte moderner Gesellschaften direkt verknüpft mit Dominanzverhältnissen zwischen Männern und Frauen. Unter den gegenwärtigen Bedingungen kann sich diese Verknüpfung durchaus lockern oder in bestimmten Bereichen sogar auflösen, ohne daß die männliche Dominanzkultur damit verschwindet oder auch nur an Bedeutung verliert. Denkbar ist nach Kurz-Scherf z.B. ein Szenario, in dem eine wachsende Kluft zwischen einer superreichen Elite und einer ökonomisch und kulturell pauperisierten, Armutsrisiken ausgesetzten Bevölkerung zu neuen Ungleichheiten führt. Dabei können sich bisherige Differenzierungslinien entlang „Geschlecht“ durchaus „verflüssigen“ in dem Sinne, daß „unten“, in den weniger mächtigen Segmenten der Gesellschaft, Geschlechterhierarchien abgebaut werden, nicht zuletzt auch unter dem Druck von Frauen, die auf Gleichstellung pochen. Zugleich aber kann die Dominanzkultur zur Legitimierung der Bestrebungen der mächtigen Eliten dienen, sich „aus dem sozialen Zusammenhang der modernen Gesellschaften“ (ebd.:38) auszukoppeln, also Solidarität aufzukündigen. Diese mit den Normativen der Dominanzkultur legitimierten neuen Ungleichheiten können also ein „gender-crossing“ „oben“ wie „unten“ einschließen, ohne daß die Geschlechterdifferenz bzw. die „Vergeschlechtlichung“ sozialer Wirklichkeiten aufgehoben sein müssen. 30


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Ich habe bisher einige beobachtbare sozial-ökonomische Prozesse skizziert, die m.E. die gegenwärtige Neufiguration des Geschlechterverhältnisses wesentlich beeinflussen (werden). Diese Neufiguration zu analysieren und angemessen auf den Begriff zu bringen, stellt auch neue Herausforderungen an die Frauen- und Geschlechterforschung, ihre Konzepte und Denkformen dar. Die grob umrissenen Transformationsprozesse gegenwärtiger moderner Gesellschaften machen mehr denn je deutlich, daß der „Gegenstand“ von Frauen- und Geschlechterforschung weder auf Frauen und Männer, noch auf die je historisch produzierten Verhältnisse zwischen den beiden Genusgruppen reduziert werden kann. Zugleich haben die in den 90er Jahren auch in der deutschen Frauenund Geschlechterforschung geführten Debatten um „Geschlecht“ als eine soziale/kulturelle Konstruktion verdeutlicht, wie notwendig eine veränderte/erweiterte Sicht der Frauen- und Geschlechterforschung auf ihre Erkenntnisgegenstände und -mittel ist, nicht zuletzt, um solchen Herausforderungen begegnen zu können. Zu den Besonderheiten der deutschen Frauenforschung, wie sie sich seit den 70er Jahren entwickelte, gehört ihr explizit gesellschaftstheoretischer Anspruch. Sie versteht „Geschlecht“ nicht nur als eine „Strukturkategorie im Sinne eines Schichtungskriteriums, das soziale Ungleichheit anzeigt“ (Becker-Schmidt/Knapp 1995:11), also als einen nützlichen Begriff für die (sozialwissenschaftliche) Analyse von Beziehungen bzw. Verhältnissen zwischen Männern und Frauen. „Geschlecht“ ist zugleich auch konzipiert als eine grundlegende gesellschaftstheoretische Kategorie - d.h. „Geschlecht“ wird sehr viel allgemeiner verstanden als ein Modus und eine Praxis der Konstituierung sozialer Wirklichkeiten. Keine Gesell-

schaftstheorie und keine soziologische Analyse so das Diktum und der Anspruch von Frauenforschung - könne ohne den Begriff „Geschlecht“ und ohne ein theoretisches Konstrukt von „Geschlechterverhältnis“ auskommen. Mit dieser Konzipierung von „Geschlecht“ als einer „Strukturkategorie“ stand und steht Frauen- und Geschlechterforschung immer vor der Schwierigkeit, einerseits den Blick auf das institutionalisierte Geschlechterverhältnis und seine hierarchisierenden Wirkungen in allen gesellschaftlichen Bereichen zu richten und andererseits den Blick nicht auf die qua „Geschlecht“ erzeugten Ungleichheiten und Diskriminierungen zu verengen. Dieser Spagat ist ihr keineswegs immer gelungen, vielmehr lassen sich grob zwei parallele Entwicklungen ausmachen. Einerseits ist viel theoretische Arbeit geleistet worden, um die Kategorie „Geschlecht“ zu qualifizieren. Indem „Geschlecht“ als Erkenntnismittel verstanden wird, das die Klassifizierung von Menschen als einer sozialen Genusgruppe zugehörig zu analysieren erlaubt, verschiebt sich konzeptionell die Perspektive: es geht darum, nach dem „Wie“, nach den Institutionalisierungen und den Praxen zu fragen, mittels derer und in denen die Angehörigen der beiden Genusgruppen in hierarchische Verhältnisse zueinander gebracht werden. Es geht darum, nach den Institutionalisierungen und den Praxen zu fragen, mittels derer und in denen sich Individuen als „weibliche“ bzw. „männliche“ Subjekte hervorbringen. Nicht Männer oder Frauen sind Erkenntnisgegenstände bzw. Erkenntnissubjekte, sondern „Geschlecht“ als ein Modus der Klassifizierung und der Konstruktion von vergeschlechtlichten sozialen Wirklichkeiten rückt ins Zentrum. In diesem Kontext verändern bzw. verschieben sich auch die analyseorientie31


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renden Begriffe, mit denen empirische Untersuchungen konzeptionell „gerahmt“ werden: nicht „die“ unterdrückte und diskriminierte Frau bzw. „der“ unterdrückende Mann, nicht „Frauen“ und/oder „Männer“ sondern das Geschlechterverhältnis, damit die Relationalität zwischen den sozial strukturierten Beziehungen zwischen Männern und Frauen, nicht die Unterdrückung und Diskriminierung des einen Geschlechts als gegebenes Faktum, sondern Prozessualität im Verhältnis der Geschlechter und der jeweiligen Machtbalancen, nicht lineare und eindeutige Entwicklungen, sondern Ungleichzeitigkeiten in der sozialen Hervorbringung von geschlechtsspezifischen bzw. von „gendered“ Wirklichkeiten, sind die Dimensionen, die mit dem Begriff „Geschlecht“ gefasst werden. Mit diesen theoretisch-konzeptionellen Anstrengungen um die Kategorie „Geschlecht“ hat Frauen- und Geschlechterforschung einen gewichtigen Beitrag für eine „geschlechtersensible“ (Krüger 1997) Soziologie bzw. Sozialwissenschaft geleistet: „Geschlecht“ ist kein eingrenzbarer Gegenstand soziologischer oder sozialwissenschaftlicher Untersuchung, sondern ein wirklichkeitserzeugender Modus, der in allem Sozialen wirkt. Mit „Geschlecht als Strukturkategorie“ ist damit konzeptionell angedacht, was in den 90er Jahren dann mit dem Terminus der „Vergeschlechtlichung“ weitergeführt wird: alle gesellschaftlichen Verhältnisse sind „vergeschlechtlicht“, das Geschlechterverhältnis wird in allen gesellschaftlichen Verhältnissen hervorgebracht und reproduziert (vgl. dazu Becker-Schmidt 1998). Mit diesen „Potential analytischer Öffnungen“ (Gümen 1998:188) ist die „Strukturkategorie Geschlecht“ anschlussfähig an Konzepte, die den Blick auf die kulturelle Konstruktion von „Geschlecht“ oder auf die Hervorbringung „ver-

geschlechtlichter“ Wirklichkeiten im praktischen Handeln sozial unterschiedlich positionierter AkteurInnen richten. Allerdings und andererseits wird das „Potential analytischer Öffnungen“ begrenzt, indem die Analyse auf die (ungleichen) Beziehungen zwischen Frauen und Männern beschränkt und vor allem, indem dabei - mehr oder weniger unreflektiert Geschlecht „immer schon als sozial dominantes Ungleichheitsmerkmal festgeschrieben wird“ (Engler 1997:153). Wie Sedef Gümen aufgezeigt hat, kann sich die Konzeptualisierung von „Geschlecht“ als einer Strukturkategorie in dem Sinne, daß Privilegierung oder Benachteiligung qua Geschlecht ein durchgehendes, ungleichheiterzeugendes Prinzip und Geschlechterhierarchie bzw.- -ungleichheit der „ausschließliche Rahmen feministischer Theorie“ ist (Gümen 1998:190), als ein Engpaß erweisen. Z.B. werden so zwar einerseits ethnisch bedingte Differenzierungen zwischen Frauen in den Blick genommen, diese werden aber andererseits zu einem Sonderphänomen, das „nur für die ‘Betroffenen’ gültig“ ist (ebd.: 196), wenn in der „Strukturkategorie Geschlecht“ die „(zentrierte) Geschlechterungleichheit zum Strukturrahmen“ (ebd.) erhoben wird. Auch die Privilegierungen, die weiße, westeuropäische Frauen verglichen mit Immigrantinnen oder (Gruppen von) Frauen (und Männern) in der sog. Dritten Welt aufgrund ihrer Nationalität bzw. ihres Staatbürgerinnenstatus geniessen, treten eher in den Hintergrund der Wahrnehmung… Um die oben skizzierten komplexen sozio-ökonomischen Entwicklungen, die zu einer Neu-Formierung des modernen Geschlechterverhältnisses führen, als Herausforderung an die Analysekraft von Frauen- und Geschlechterforschung anneh32


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men zu können, scheint mir daher unabdingbar, erstens das Potential der Kategorie „Geschlecht“ als Erkenntnismittel für Analysen zu nutzen, auf wie vielfältige Weise, und tendenziell auch abgelöst von „Dominanzverhältnissen zwischen Männern und Frauen und deren Wandel“, gegenwärtig vergeschlechtlichte soziale Wirklichkeiten im Handeln von Menschen produziert und institutionalisiert werden. Dies wäre im übrigen auch eine wissenschaftliche Fundierung und Unterstützung des politischen „Gender-Mainstreaming“ Ansatzes. Dieses Projekt der „Frauen- und Geschlechterpolitik auf EU-Ebene“ zielt darauf ab, „Geschlecht“ als eine Dimension in alle (politischen) Entscheidungen von vornherein einzubeziehen (vgl. Stiegler 1999). Das wiederum setzt eine entsprechende Kompetenz voraus, die „vergeschlechtlichenden“ Dimensionen von Organisationen, Institutionen und den in ihnen getroffenen Entscheidungen sowie im Handeln von AkteurInnen ausmachen und benennen zu können. Zweitens stellt die notwendig zu leistende Aufgabe bzw. der formulierte Anspruch von Frauen- und Geschlechterforschung, die vielfältigen Weisen des „gendering“ im Handeln ebenso wie die Wirkungen von „gendered“ Institutionen auf das Handeln von Menschen umfassend in den Blick zu nehmen, auch neue Anforderungen an deren Integrationsfähigkeit in das wissenschaftliche Feld. Nicht allein erfordert diese erweiterte Perspektive Inter- oder Transdisziplinarität (vgl. Hark 1998). Notwendig ist auch, das kritische Potential von Frauen- und Geschlechterforschung unter den veränderten Bedingungen durch eine stärkere Verknüpfung mit anderen herrschaftskritischen wissenschaftlichen Projekten zu bewahren, auszubauen bzw. neu zu konturieren. Zu fragen ist weiter, ob Frauen- und Geschlechterforschung die

komplexen Zusammenhänge aktueller sozialer Wirklichkeiten angemessen auf deren „vergeschlechtlichte“ bzw. „vergeschlechtlichende“ Dimensionen hin analysieren kann ohne eine stärkere Verbindung mit bzw. Integration in den sog. mainstream ihrer jeweiligen Disziplinen. Oder umgekehrt: ob ihr Anspruch, „Geschlecht“ als einen Modus und eine Praxis zur Erzeugung von sozialen Wirklichkeiten zu verstehen, nicht erst dann voll zur Geltung und zur Wirkung kommen kann, wenn er als ein Mittel zur Erkenntnis komplexer Zusammenhänge konzeptionell und methodisch eingesetzt wird. Hier steht allerdings eher die Bewegung des sog. mainstream in Richtung auf Frauen- und Geschlechterforschung auf der Tagesordnung, als umgekehrt. Schließlich geht es auch um die Frage nach der „richtigen“, d.h. langfristig wirksamen Institutionalisierung von Frauen- und Geschlechterforschung im wissenschaftlichen bzw. universitären Feld. Die zur Zeit beobachtbaren, mehr oder minder erfolgreichen Bestrebungen, Frauen- und Geschlechterforschung an deutschen Universitäten durch die Einrichtung von Studiengängen stärker zu institutionalisieren, können einerseits als Ausdruck gestiegener Anerkennung und Legitimität gesehen werden und als eine Möglichkeit, die Existenz von Frauen- und Geschlechterforschung in Zeiten knapper Ressourcen und des Einzugs marktwirtschaftlicher Kriterien und Steuerungsinstrumente in den Wissenschafts“betrieb“ zu sichern. Andererseits ist Sicherheit damit keineswegs garantiert und vor allem bleibt offen, ob Frauen- und Geschlechterforschung mit einer solchen institutionalisierten „Separierung“ ihren Anspruch, das Projekt einer „geschlechtersensiblen“ Sozialwissenschaft bzw. allgemeiner: Wissenschaft vorantreiben zu wollen, einlösen kann. 33


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Literatur Becker-Schmidt, Regina: Frauen und Deklassierung. Geschlecht und Klasse. In: Beer, Ursula (Hrg.): Klasse Geschlecht. Feministische Gesellschaftsanalyse und Wissenschaftskritik. Bielefeld: AJZ-Verlag/FF1 1987, S. 187-235

Gümen, Sedef: Das Soziale des Geschlechts. Frauenforschung und die Kategorie der „Ethnizität“. In: Das Argument, Bd. 224/1998, 187- 201 Hark, Sabine (1998): Disziplinäre Quergänge (Un)Möglichkeiten transdisziplinärer Frauenund Geschlechterforschung. In: Potsdamer Studien zur Frauen- und Geschlechterforschung, H. 2, S. 9-25

Becker-Schmidt, Regina: Relationalität zwischen den Geschlechtern, Konnexionen im Geschlechterverhältnis. In: Zeitschrift für Frauenforschung, H. 3/1998, S. 5-21

Jahrhundertreformen im Jahrhundert der Frau. Antrag des ASF-Bundesvorstandes zur ASF-Bundeskonferenz vom 19. bis 21. Mai in Potsdam. In: Feminismus neu denken? Frauenthemen. Informationen der SPD, Nr. 31, Mai 2000, S. 2-3

Becker-Schmidt, Regina: Frauenforschung, Geschlechterforschung, Geschlechterverhältnisforschung. In: Becker-Schmidt, Regina/ Knapp, Gudrun-Axeli: Feministische Theorien zur Einführung. Hamburg: Junius 2000, S. 14-62

Krüger, Helga: Gendersensible Chancenforschung. In: ISO-Informationen, Nr. 8/Januar 1997, S. 17-24

Becker-Schmidt, Regina/ Knapp, Gudrun-Axeli (Hrg.): Das Geschlechterverhältnis als Gegenstand der Sozialwissenschaften. Einleitung. Frankfurt/Main, New York: Campus Verlag 1995, S. 718

Kurz-Scherf, Ingrid (1998): Krise des Sozialstaats - Krise der patriarchalen Dominanzkultur. In: Zeitschrift für Frauenforschung, Sonderheft 1, S. 13-48

Christmann, Stefanie: Bloß keine fünfte Weltfrauenkonferenz. In: FREITAG, Nr. 23 vom 2. Juni 2000, S. 18

Odierna, Simone: Die heimliche Rückkehr der Dienstmädchen. Bezahlte Arbeit im privaten Haushalt. Opladen: Leske+Budrich 2000

Engler, Steffani: Geschlecht in der Gesellschaft Jenseits des ‘Patriarchats’. In: Kneer, Georg/Nassehi, Armin/Schroer, Markus (Hrg.): Soziologische Gesellschaftsbegriffe. Konzepte moderner Zeitdiagnosen. München: Wilhelm Fink Verlag 1997, S. 127-156

Sassen, Saskia (1998): Überlegungen zu einer feministischen Analyse der globalen Wirtschaft. In: Prokla 111: Globalisierung und Gender, 28 (1998), 2, S. 199-216

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Stiegler, Barbara (1999): Frauen im Mainstreaming - Politische Strategien und Theorien zur Geschlechterfrage. In: Informationen der SPD, Frauenthemen, Nr. 29/Juni 1999, S. 7-13 Wagner, Peter: Soziologie der Moderne. Freiheit und Disziplin. Frankfurt/Main, New York: Campus Verlag 1995

Prof. Dr. Irene Dölling ist Professorin am Lehrstuhl für Frauenforschung der Universität Potsdam.

Young, Brigitte(1998): Genderregime und der Staat in der globalen Netzwerkökonomie. In: Prokla 111: Globalisierung und Gender, 28 (1998), 2, S. 175-199

www.uni-potsdam.de/u/ frauenforschung/index.htm

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THEMA

ANDERE FRAUEN – ANDERE THEMEN

von Katrin Rohnstock, Autorin und Herausgeberin in Berlin nengelernt, geheiratet, zwei Kinder bekommen, das Studium beendet und eine Pfarrstelle angenommen. All dies war ganz selbstverständlich, ganz normal. Auch Edith Baumann, Jahrgang 37, erinnert sich an andere Fragen, die sie in der Phase des Erwachsenwerdens beschäftigten: Sie verzichtete auf das ihr nahegelegte Medizinstudium, weil sie für ihr gleich nach dem Abitur geborenes Kind Zeit haben wollte, sie blieb drei Jahre zu Hause und absolvierte dann die Fachschule als Medizinisch - technische Assistentin. Natürlich kennen die Abiturientinnen diese einfachen Selbstverständlichkeiten aus den Erzählungen ihrer Mütter und doch stellt sich die Situation für sie heute ganz anders dar. Für sie ist klar: Als erstes ein Studium. Aber welches? Welches wird ihnen Freude bereiten, welches wird Arbeit bringen, welche Arbeit kann den Lebensunterhalt erwirtschaften.

Kürzlich war ich als Moderatorin zu einem sogenannten Generationsgespräch eingeladen. Die originelle Idee der Gesprächsrunde bestand in Folgendem: Abiturientinnen befragten gestandene Frauen mit lokaler Bekanntheit, wie sie sich durchs Leben gekämpft hatten. Und was interessierte die jungen Frauen? Was sind ihre Fragen ans Leben: Wie haben Sie Ihren Beruf gefunden? Wann haben Sie ihre Kinder bekommen? Wie ging das Kind und Beruf? Wie haben Sie Ihre finanzielle Unabhängigkeit bewahrt? Warum haben Sie eine politische Karriere gemacht? Für Bärbel Lamprecht, Jahrgang 58 aus heutiger Perspektive zwar verständliche Fragen, die sie sich bei ihrer Lebensplanung jedoch niemals stellen mußte. Sie hatte Theologie studiert - wie ihr Vater, sie hatte während des Studium ihren Mann ken36


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Nein, auf einen Mann wollten sich alle drei junge Frauen diesbezüglich nicht verlassen. Unvorstellbar für sie: Finanziell abhängig zu sein. Lieber wollten sie auf Kinder verzichten auf Kinder, von denen sie ohnehin keine Vorstellungen haben, wann sie passen. Auf jeden Fall: Sie wollten schon Kinder, doch erst, wenn sie passen. Ein bißchen Ratlosigkeit lag in den Stimmen der jungen Frauen. In das Selbstbewußtsein mischte sich ein Tupfer Angst. Die alten Lebensvorstellung sind lebensfremd geworden, sie sind mit den postmodernen Realitäten nicht kompatibel. Und neue Vorstellungen, die trotz drohender Arbeitslosigkeit, trotz Flexibilisierungsdruck die Fragen nach den Kindern beantworten, haben sich noch nicht herausgebildet. Der Gesellschaft sind die Orientierungen ausgegangen. Nicht die ökonomischen. Es mangelt an Zukunftsvisionen für das menschliche Zusammenleben. Zum Leidwesen derer, die das größte Pensum an Zukunft vor sich haben. Je kleiner die Zeitspanne, die vor einem liegt, um so geringer die Bedeutung von Zukunft. Dementsprechend reagierten die beiden lebenserfahrenen ostdeutschen Frauen: Sie verstanden zwar die Ängste der Jungen, dennoch versuchten sie, mit moralischen Argumenten zu beschwichtigen: Man müsse auch mal auf etwas verzichten. Worauf verzichten? Auf die Arbeit, auf einen Beruf. Plötzlich meldete sich eine Frau mag sie Ende 40 sein – aus dem Publikum zu Wort. Sie berichtete, daß sie jetzt – nach einer fast zwanzigjährigen Familienphase – neue Lebensformen suche, eine größere Gemeinschaft; daß sie sogar überlege, ihr vor zwanzig Jahren abgebrochenes Studium wieder aufzunehmen. Natürlich war sofort klar, daß dieser biographische Ablauf kein östlicher ist. Lebenslinien, die

unterschiedlicher gar nicht sein können. 50 Jahre Kulturdifferenz. Davon 40 Jahre in zwei Systemen, die in den anschließenden zehn Jahren staatlicher Einheit noch einmal verfestigt wurden. Doch was ist in den letzten zehn Jahren zwischen den Frauen Ost und den Frauen West passiert? Nach dem Fall der Mauer überrollte der Westen den Osten mit seinen Waren, seinen Medien, seinen Werten und Vorstellungen. Gegen die westliche Vereinnahmung versuchten wir zunächst ostdeutsche Identität zu bewahren oder besser, überhaupt erst einmal zu entwickeln. Im Westen hatten sich Frauen-Themen langfristig profiliert: § 218, Missbrauch, Pornographie, Ausländerinnen. Unsere Themen konnten das nicht sein, unser Erfahrungshintergrund, unser Bild von der Welt war ein anderes. Im Unabhängigen Frauenverband hatten wir uns immer wieder mit dem westlichen Blick auf DDR-Wirklichkeit auseinander zu setzen und machten die Erfahrung, dass die feministischen Darstellungen unsere Lebenstatsachen in dieselben Klischees pressten, die überall in den Westmedien konstruiert wurden (und zum Teil bis heute noch konstruiert werden): die Kinderkrippen als Verwahr-Anstalten, die DDR als Patriarchat der SED-Funktionäre, die Ost-Männer als bierbäuchige Pantoffelhelden in Rundstrickhosen, die Ost-Mütter von der Doppelbelastung ausgemergelt, die bedauernswerten Alleinerziehenden vor allem! Die Grenzen verschwimmen. Es ist nicht auszumachen, welche Bilder von West-Frauen und welche von West-Männern konstruiert wurden. Westerfahrungen und -sichten wurden rigoros auf den Osten übertragen. Uns fehlte Schlagfertigkeit, uns fehlten präsentable Darstellungsformen. Uns fehlten griffige Interpre37


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tationen, wir lavierten unsicher, erzählten statt dessen Geschichten aus dem Alltag. Unspektakuläre Alltagsgeschichten sind nicht geeignet für die heutige Medienlandschaft. Es bedarf provokanter Thesen, überspitzter Darstellungen, die den Zeitgeist bedienen oder aber als Provokation gegen ihn funktionieren. Unsere Vergangenheit, unsere Sozialisation bot sich als noch unbearbeiteter Stoff dar. Wir suchten eigene Deutungsmuster. Die zu entwickeln, braucht Zeit und Selbstvertrauen in das eigene Urteil, dazu gehört auch der Mut, sich auf Auseinandersetzungen einzulassen und Angriffen auszusetzen. Das bedeutet, dem westlichen Definitionsanspruch einen eigenen entgegenzusetzen. Doch das Ost-West-Problem zwischen den Frauen war nicht nur ein Kommunikationsproblem als das es gern dargestellt und verniedlicht wird. Es ging um Macht und Ohnmacht. Also darum: Wer setzt sich durch, wer ist der Sieger, wer der Verlierer. Diese Fragen wurden wie so oft in der deutschen Geschichte auf der moralischen Ebene ausgetragen: Wer ist der bessere Mensch, wer war glücklicher? Wer hatte ein reicheres Leben? Die Frauen, die auf die Straße gegangen sind, um gegen den § 218 zu kämpfen? Die Frauen, die sich ganz den Kindern widmeten? Oder die Frauen, die nie um irgendetwas öffentlich kämpfen brauchten? Die gearbeitet haben und ihre Kinder aufzogen nicht mehr und auch nicht weniger. Ein kleines bescheidenes Glück, ohne Karriere, ohne Weltumsegelung, ohne New York, ohne den Duft von Chanel, ohne Handtasche von Armani oder Birkenstockschuhe. Die Mädchen sind ohne den Traum vom Märchenprinzen aufgewachsen, der Junge von nebenan füllte unsere Träume. Ohne den Schmelz von Rama, die die Sonnenstudio gebräunte Mutter auf dem sonntäglichen Tisch kredenzt.

Die Erwerbsarbeit hat in den letzten Jahren wie kein anderes Thema die ostdeutschen Frauen beschäftigt, denn hierin liegen generell die Möglichkeiten und Grenzen der Selbstentfaltung von Frauen (und Männern). Ja man könnte sagen, dass die bedrohte Berufstätigkeit zum frauenpolitischen Sprengstoff wurde. Dies hat vor allem damit zu tun, dass der politische, soziale und wirtschaftliche Transformationsprozess von Anfang an auch von dem Risiko begleitet war, dass Frauen ihre bis dahin selbstverständliche finanzielle Unabhängigkeit verlieren, ihre Integration in die Arbeitswelt aufgeben, dass sie die Entwertung ihrer Qualifikationen bis hin zum wiederholten Verlust ihres Arbeitsplatzes hinnehmen mussten. Die Themen Erwerbsarbeit und qualifizierte Berufstätigkeit haben die ostdeutschen Frauen gleichermaßen politisiert wie der Kampf gegen den § 218 die westdeutschen Frauen. In dieser Frage sind sich die meisten Frauen einig. Trotz des Imports massiver Ressentiments gegen weibliche Erwerbstätigkeit ließen sich ostdeutsche Frauen nicht von ihrem Erwerbswunsch abbringen. Und die jungen Frauen, wie an den Abiturientinnen beim Generationsgespräch zu sehen war, haben es ebenfalls zum zentralen Lebensthema gemacht. Neben der sozial-psychologischen Bedeutung von Berufstätigkeit, spielt selbstverständlich auch der finanzielle Faktor eine entscheidende Rolle. Die überwiegende Mehrheit der ostdeutschen Frauen und Männer haben keinen Besitz und können nicht auf Ersparnisse zurückgreifen, das heißt, sie haben auch kaum andere Möglichkeiten, als durch Erwerbsarbeit oder staatliche Hilfen ihre Existenz zu sichern. Die Erben-Generation, von der in den Medien jetzt soviel die Rede ist, ist westlicher Abstammung. Die 38


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gestandenen ostdeutschen Frauen wissen, dass das von ihnen bislang praktizierte Partnerschaftsmodell (Schaeffer-Hegel), das auf der beruflichen und finanziellen Selbständigkeit beider Partner beruht und das die Teilung der Familienarbeit zur Folge hat, gefährdet ist, sobald die Frau erwerbslos wird. Damit gibt sie auch ihre Position als Geschäftsführerin der Familie aus der Hand. Deshalb widersetzen sich ostdeutsche Frauen mehrheitlich einer gesellschaftlichen Struktur, die letztlich dazu führt, dass die Erziehung des Nachwuchses wie ein privates Hobby der weiblichen Mitglieder der Gesellschaft behandelt wird. Und die jungen, bildungswilligen Frauen widersetzen sich dem Modell, in dem sie Kinder aus ihrer Lebensplanung ausklammern. Hoffentlich nicht so lange, bis die biologischen Uhren abgelaufen sind unsere Abiturientinnen haben ja dafür noch etwas Zeit. Die Familie als Erziehungsgemeinschaft ernst zu nehmen, bedeutet nicht nur, Erziehungsaufgaben als öffentliche Leistung anzuerkennen und zu unterstützen, sondern auch dafür zu sorgen, dass das Erziehungs- und Familienproblem nicht allein den Frauen überlassen bleibt, dass es durch einen entsprechenden Zuwachs an väterlicher Fürsorge und Zeit partnerschaftlich geteilt wird. Aus dieser Einsicht heraus habe ich mit meinem Medienbüro auch die Redaktion für die Väterzeitschrift PaPS übernommen. Gemeinsam mit dem verantwortlichen Redakteur Dietmar Bender und dem in Stuttgart sitzenden Herausgeber Werner Sauerborn wird die Zeitschrift erarbeitet. Sie ist ein echtes Gemeinschaftswerk für ein partnerschaftliches Verhältnis zwischen Männern und Frauen, zwischen Ost und West. Insofern ist sie auch mit ihrem redaktionellen Konzept zukunftsweisend: Sie stellt Männer als Väter in den Mittelpunkt. Wahrscheinlich ist es kein Zufall, dass nun Christine

Bergmann als Frau aus dem Osten als erste Frauenministerin in der Geschichte der Bundesrepublik eine Väterkampagne initiiert. Denn Fortschritte in der Gleichstellung der Geschlechter lassen sich langfristig nur durchsetzen, wenn auch die Bedürfnisse der Männer berücksichtigt werden und damit ein Bewusstseinswandel bei ihnen einsetzen kann. Männerpolitik müsste vielfältige flankierende Maßnahmen zur Erleichterung der Einarbeitung von Männern in ein partnerschaftliches Rollenverständnis entwickeln. Männerpolitik muss Männern die Vorteile der Gleichstellung erklären und die damit verbundenen Lebensentwürfe für sie attraktiv machen. Die aktuelle Kampagne des Familienministeriums NRW titelt deshalb treffend an Väter gerichtet: Verpass nicht die Rolle deines Lebens und setzt Männer mit Kindern ins Bild. Die Zeit drängt auf einen Rollenwandel. Auch Angela Merkel symbolisiert als Nachfolgerin von Kohl, dem ewigen Patriarchen, einen weit reichenden gesellschaftlichen Paradigmenwechsel. Selbstverständlich kann Frau Merkel als gelungener parteipolitischer Schachzug abgetan werden, doch wenn sie nicht auch mit ihrer Kultur in die heutige Zeit paßte, nicht nur im Geschlechter-Rollenverständnis, auch im Politik- und Lebensverständnis. Vielleicht ist die Interpretation zu euphorisch, diese beiden Politikerinnen zeigten zehn Jahre nach der politischen Vereinigung, dass die Kompetenz ostdeutscher Frauen für das gesamte Deutschland von Gewinn sein kann. Denn sie verfügen über eine Erfahrungskompetenz, die die westliche Orientierungslosigkeit zur Neuorientierung braucht: Das DIW stellte fest, dass seit der deutschen Vereinigung die Erwerbswünsche von nicht beschäftigten 39


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Frauen in den alten Bundesländern verstärkt steigen. Wollte 1990 nur die Hälfte der nicht beschäftigten Frauen erwerbstätig sein, waren es 1994 bereits zwei Drittel. (DIW-Wochenbericht 23/95, S. 408). Dabei steigt vor allem der Erwerbswunsch von verheirateten Frauen, Müttern von Kleinkindern und Berufsrückkehrerinnen. Das heißt, dass das traditionell-bürgerliche Verständnis eine Frau, die Kinder hat, gehört ins Haus, weil sie als Mutter die einzig kompetente Erzieherin ist, dass diese Einstellung mehr und mehr aufgelöst wird zugunsten eines modernen Verständnisses: der Vereinbarkeit von Mutterschaft und Berufstätigkeit. Wo die westdeutschen und westeuropäischen Frauen als Erfahrungskollektiv noch nach Vermittlungen zwischen den traditionellen und feministischen Rollenbildern suchen, wo sie hin und her schwanken zwischen übersteigertem Selbstbewusstsein (Wozu braucht eine Frau einen Mann?) und unangemessenen Minderwertigkeitsgefühlen (Bin ich als Mutter noch sexy?), wo der kollektive Diskurs wie ein manisch-depressiver Neurotiker von einem Extrem ins andere fällt (Die missbrauchte Frau, der missbrauchte Mann), können Ostdeutsche über diese Selbstverständigungsdebatten für ein neues Geschlechterverhältnis nur abwinken: nicht ihr Thema. Für einen neuartigen Geschlechter-Vertrag, der auf Partnerschaftlichkeit zwischen Männern und Frauen abzielt, sind beide Geschlechter gefragt. Wenn die sozialen Geschlechter stets ineinander greifen, einander bedingen, so muss eine Integration der Frauen als Mütter in die (männliche) Berufswelt zur Folge haben, dass die Männer sich stärker dem Familienbereich zuwenden und damit verweiblichen. Wenn das nicht funktioniert, gibt es schwere Störungen zwischen den Geschlechtern. Männer und Frauen als kollektive Wesen landen im Chaos.

Wie sich dieser Geschlechter-Vertrag gestaltet, wie er im Alltag gelebt wird, das zu erkunden, gibt es noch keine umfassende Forschungsmethodik. Wir können in einigen Fällen zwar den soziologischen Vergleich heranziehen, darüber hinaus aber bleibt nur die genaue, vorurteilsfreie Beobachtung des Alltags. Denn der Teufel steckt im Detail. Allzu schnell haben Frauenforscherinnen und Soziologen in den vergangenen Jahren westliche Bewertungsraster auf ostdeutsche Geschlechterverhältnisse aufgedrückt. Deshalb habe ich meine Buchreihe „Ost-Westlicher Diwan“, die die Geschlechterkultur in Ost und West vergleicht, auch auf Alltagsgeschichten gebaut. Ich wollte erkunden, wodurch sich die Geschlechter-Verhältnisse in Ost und West unterscheiden. Die Ergebnisse waren bei jedem der sechs Bände aufs neue überraschend. Kleines Beispiel aus dem Buch „Sag mir wie die Väter sind2: 80 % der Ost Väter haben nach der Trennung weiterhin Kontakt zu ihren Kindern, im Westen sind es rund 50 %. Was ja nicht nur etwas über das Engagement der Väter sagt, sondern auch über die Haltung der Mütter: Sie sind in der überwiegenden Mehrzahl der Ansicht, dass sie den Vater nicht ersetzen können. Auch wenn die westdeutsche Öffentlichkeit noch wenig die zukunftsweisenden emanzipatorischen Potenziale der im Osten sozialisierten Menschen zur Kenntnis nimmt, so setzen sich doch subversiv ostdeutsche Einstellung und Lebensmuster durch. Denn in den Einstellungen und der Alltagspraxis von ostdeutschen Frauen und Männern findet sich vereint, was seit der industriellen Revolution die Geschlechter trennte: Bildung, Berufstätigkeit, finanzielle Unabhängigkeit und Kinder. Der Abschied vom Industriezeitalter aber hat längst begonnen, vor uns steht ein dramatischer gesell40


ANDERE FRAUEN – ANDERE THEMEN Katrin Rohnstock

Katrin Rohnstock wurde 1960 in Jena geboren, studierte Germanistik und Kulturwissenschaften. Sie ist Autorin und Herausgeberin der sechsbändigen Buchreihe „Ost-Westlicher Diwan“. Seit 1998 ist sie Inhaberin eines gleichnamigen Medienbüros, das im Auftrag von privaten Personen Lebensgeschichten aufschreibt.

schaftlicher Wandel: des politischen Systems, des Arbeitsmarktes und des Geschlechterverhältnisses. Die heutige Jugend muß diesen Wandel nicht nur (er)tragen, sie muß ihn anführen. Nicht nur ökonomisch. Sie wird neue Modell des Zusammenlebens entwickeln, die das Vorhandensein von Kindern ermöglichen. Ostdeutsche Erfahrungskompetenz der ganz alten Generation der in der Weimarer Republik Geborenen, sowie all der später Geborenen, die Krieg und Flucht, und hungrige Aufbaujahre erlebten, sollte für diese gesamtdeutsche Aufgabe produktiv gemacht werden.

www.rohnred.de

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THEMA

KÖNNEN FRAUEN NICHT KAMPFSCHWIMMEN? Die Konstruktion von Männlichkeiten und Weiblichkeiten in der Bundeswehr

von Anne Mangold und Sylka Scholz, Universität Potsdam gehört und von seinem Aufgabenspektrum nicht ein Teilarbeitsmarkt wie jeder andere ist. Weitergehend ist das Militär einer der zentralen „Produktionsorte“ für gesellschaftliche Vorstellungen von Männlichkeit(en) und Weiblichkeit(en). In dem folgenden Artikel sollen deshalb die sowohl ganz praktischen als auch die symbolischen Folgen des EU-Gerichtsurteils in diesem breiteren Kontext diskutiert werden: Was erwartet Frauen, wenn sie in die Bundeswehr eintreten? Werden sich dadurch Vorstellungen von Weiblichkeit(en) verändern? Inwieweit werden sich Vorstellungen von Männlichkeit(en) im Zuge der neuen Aufgaben der NATO und des Eintritts von Frauen in die Bundeswehr wandeln? Die Beantwortung der Fragen, dies soll vorab bemerkt werden, wird dadurch erschwert, dass das Thema „Frauen in der Bundeswehr“ sowie die Funktion

Im Urteil des Europäischen Gerichtshofes im Fall Tanja Kreil vom Januar 2000 wurde beschieden, dass das generelle Waffendienstverbot für Frauen nach den Gleichheitsrichtlinien der EU nicht zulässig ist. Damit rückt eine weitreichende Öffnung der Bundeswehr für Frauen in greifbare Nähe. Generell gibt es einen breiten gesellschaftlichen Konsens hinsichtlich der Öffnung der Bundeswehr für Frauen, wenn der Eintritt der Frauen auf freiwilliger Basis erfolgt. So waren auch die Reaktionen auf das Urteil in der Öffentlichkeit weitgehend positiv. Die Bundeswehr wird in diesem Kontext als ein Berufsfeld wie jedes andere und des weiteren als Teil des öffentlichen Dienstes angesehen, aus dem der Ausschluss von Frauen nicht mehr als legitim gilt. Hinter dieser Fokussierung verschwindet u.E., dass das Militär zu den mächtigsten gesellschaftlichen Institutionen 42


KÖNNEN FRAUEN NICHT KAMPFSCHWIMMEN? Anne Mangold und Sylka Scholz

des Militärs in modernen Geschlechterverhältnissen zu den Randthemen sowohl der MainstreamSozialwissenschaft als auch Frauen- und Geschlechterforschung gehören. In einem ersten Schritt werden wir die veränderten Aufgaben der Bundeswehr und weitergehend des Nordatlantischen Verteidigungsbündnisses skizzieren. Anschließend werden zweitens die rechtlichen Folgen des EU-Gerichtsurteils für den Eintritt von Frauen in die Bundeswehr dargestellt. In einem dritten Schritt wird gefragt, welche Bedeutung die Armee für die Konstruktion von Männlichkeit(en) bisher hatte und zukünftig haben könnte. In diesem Teil wird weitergehend die Funktion des Militärs für moderne Geschlechterverhältnisse skizziert. Viertens wird diskutiert, welche Auswirkungen eine prinzipielle Öffnung der Bundeswehr für Frauen und die Vorstellungen von Weiblichkeit(en) haben könnten.

NATO sowohl den Kampf gegen Terroristen, organisiertes Verbrechen und die unkontrollierte Bewegung einer großen Zahl von Menschen als auch gegen eine verhinderte Zufuhr wichtiger Ressourcen sowie gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen. Es ist zu konstatieren, dass die NATO sich mit dem neuen Konzept ein fast unbegrenztes inhaltliches Operationsfeld schafft. Das Verteidigungsbündnis erhebt folglich Ansprüche auf Politikfelder, die traditionell zu den Aktivitätsbereichen der Diplomatie, der Polizei oder Wirtschaftspolitik gehören. Damit verbunden ist die Gefahr einer „Verkriegerung von Konfliktlösungen“. Die Einsätze außerhalb des Bündnisgebietes sollen zwar nach den Prinzipien der UN-Charta und des Völkerrechts, aber notfalls auch ohne UN-Mandat, wie bereits im KosovoKonflikt praktiziert, durchgeführt werden. Aus dieser Entwicklung resultieren für die Bundeswehr vielfältige Konsequenzen. Politisch erfolgte mit der Kriegsbeteiligung am KosovoKrieg eine Relegitimierung des Krieges als Mittel bundesdeutscher Politik. Militärische Gewalt wird durch die Umgestaltung der Bundeswehr von einer Abschreckungsarmee zum modernen Krisenmanager verschiedenster Konflikte außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik externalisiert. Um die Einsatzbereitschaft von sogenannten Krisenreaktionskräften, neuerdings Einsatzkräften, zu gewährleisten, sind nicht nur mehr finanzielle Mittel, sondern auch andere Rekrutierungs- und Ausbildungsstrategien von Nöten. Unter diesem Aspekt geriet die Wehrpflicht in den vergangenen Jahren immer wieder ins Kreuzfeuer der Kritik, denn der nun geforderte Soldatentypus ist nicht in einer zehnmonatigen Dienstzeit zu produzieren, sondern nur mit freiwilligen Zeitsoldaten zu realisieren. Des Weiteren können Wehrpflichtige nicht

Die neuen Aufgaben der Bundeswehr Die Bundeswehr wurde im Herbst 1989 über Nacht zu einer Armee ohne Feind und hatte zugleich ihre militärische Aufgabe, die Landesverteidigung vor dem sozialistischen Gegner, verloren. Die Suche nach neuen Aufgaben respektive neuen Feinden fiel in eine günstige politische Gesamtkonstellation, stand doch auch für das Nordatlantische Verteidigungsbündnis mit dem zunehmenden Zerfall der Sowjetunion eine Neuorientierung auf der Tagesordnung. 1992 verabschiedete die NATO erstmals ihr neues Programm, welches anlässlich der Feiern zum 50jährigen Bestehen der NATO im April 1999 d.h. zeitgleich zum Luftkrieg gegen Jugoslawien überarbeitet wurde. Als neue Aufgaben, deren allgemeines Ziel die Schaffung eines stabilen Umfeldes im euro-atlantischen Raum ist, definiert die 43


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zum Einsatz außerhalb der Landesgrenzen zwangsverpflichtet werden. Die Diskussion um die Wehrpflicht, die neben den oben genannten Veränderungen auch sehr eng mit andauernden Rekrutierungsproblemen der Bundeswehr (s.u.) verbunden ist, erhält nun durch das Urteil im Fall Tanja Kreil neue Impulse. Der Fall Kreil scheint der (vorläufige) Höhepunkt einer lang andauernden Diskussion um den Einsatz von Frauen in der Bundeswehr zu sein. Im folgenden Abschnitt wird die rechtliche Situation für den Einsatz dargestellt.

Der Fall Tanja Kreil hat seit dem letzten Jahr Bewegung in die Debatte um Frauen in der Bundeswehr gebracht. Die Bewerbung der Elektronikerin Kreil für den freiwilligen Dienst bei der Bundeswehr wurde mit dem Verweis auf das Waffendienstverbot für Frauen abgelehnt. Frau Kreil klagte vor dem Bundesverwaltungsgericht Hannover. Dieses wendete sich an den Europäischen Gerichtshof (EuGH), denn die rechtliche Lage war alles andere als eindeutig. Europäisches Recht schreibt seit 1976 die Gleichbehandlung von Frauen und Männern vor (Richtlinie 76/207/EWG). Demnach darf das Geschlecht von BewerberInnen nur dann von Bedeutung sein, wenn es um eine Tätigkeit geht, für die das Geschlecht aufgrund ihrer Art oder der Bedingung ihrer Ausübung eine unabdingbare Voraussetzung darstellt. Dem gegenüber steht das Recht der einzelnen EU-Staaten, über Fragen der Verteidigung grundsätzlich selbst entscheiden zu dürfen. Ein Urteil über eine britische Klage hat im letzten Jahr jedoch entschieden, dass das Gleichheitsgebot auch auf dem Gebiet der Verteidigung gilt. Somit überrascht es nicht, dass der EuGH im Januar 2000 für Frau Kreil entschied und urteilte, dass das generelle Waffendienstverbot für Frauen in der Bundeswehr gegen Europarecht verstößt. In der Öffentlichkeit all zu oft übersehen wird jedoch, dass es weiterhin den Ausschluss von Frauen aus bestimmten Bereichen geben darf, dieser muss sich nur mit der Art und der Bedingung der auszuübenden Tätigkeit begründen lassen. Dies lässt Interpretationsspielraum. Ein von Verteidigungsminister Scharping gern genanntes Beispiel sind Kampfschwimmer. Scharping argumentierte mit körperlichen Unterschieden, auf die er jedoch nicht konkret einging. In bestimmten Fällen darf also ausdrücklich das Geschlecht

Rechtliche Lage des Einsatzes von Frauen Der im Zuge der Notstandsgesetze 1968 entstandene Artikel 12 a Abs. 4 des Grundgesetzes der BRD besagt, dass Frauen im Verteidigungsfall bei Personalmangel zum Dienst im Sanitäts- und Heilwesen verpflichtet werden können. Sie dürfen jedoch „auf keinen Fall Dienst mit der Waffe leisten“. Der Gesetzestext ist jedoch so formuliert, dass er bei gutem Willen in seinem Kontext so gelesen werden kann, dass sich das Waffendienstverbot auf die verpflichteten Frauen reduziert, der freiwillige Dienst an der Waffe jedoch möglich wäre. Im Bundestag wurde damals mit der „Natur und der Bestimmung der Frau“ sowie mit deren Schutz vor Kampfhandlungen argumentiert. Auch die in späteren Jahren folgende Debatte um Frauen in der Bundeswehr wird vor allem moralisch geführt und orientiert sich nicht an empirischen Kriegs- und Krisenphänomenen. Der im Grundgesetz allgemein formulierte Frauenausschluss, der nur durch eine (zu keiner Zeit absehbaren) Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag veränderbar ist, findet seine konkrete Ausgestaltung im § 1 Abs. 2 Satz 3 Soldatengesetz und im § 3a der Soldatenlaufbahnverordnung. 44


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der BewerberInnen statt individueller Fähigkeit ausschlaggebend bleiben. Es lässt sich feststellen, dass auf Grund der rechtlichen Situation es demnach schon seit 24 Jahren möglich wäre, den generellen Zugang von Frauen zum Militärdienst zu fordern. Dass sich gerade zu diesem Zeitpunkt eine Klägerin (übrigens mit Unterstützung des Bundeswehrverbandes) fand und das Urteil zu ihren Gunsten ausfiel, ist u. E. kein Zufall. Das EuGH-Urteil wird von Seiten der Bundeswehr überwiegend positiv aufgenommen. Quantitative und qualitative Probleme bei der Rekrutierung von Berufssoldaten waren seit der Wiederbewaffnung der BRD der Hauptgrund, warum regelmäßig das Thema „Frauen und Militär“ aufgegriffen wurde. Sie waren auch schon 1975 der Auslöser, warum Frauen als Sanitätsoffiziere zugelassen wurden. Diese mussten, anders als ihre männlichen Kollegen, ihre Ausbildung bis 1989 jedoch selbst finanzieren. Im Dienst waren sie Männern gleichgestellt, nur den Wachdienst, da als Dienst an der Waffe definiert, durften sie nicht ausführen. Die Ausbildung zum Sanitätsoffizier wird seit 1995 von jungen Frauen stärker nachgefragt als von Männern. Seit 1991 sind Frauen auch im Militärmusikdienst anzutreffen, da dieser Truppenteil im Kriegsfall in der Sanitätstruppe eingesetzt wird. Möglich wurde der Sanitätsdienst von Frauen durch die Sonderstellung von Sanitätern im Völkerrecht. Demnach besitzen sie keinen Kombattantenstatus und dürfen sich und ihre Patienten nur gegen völkerrechtswidrige Angriffe verteidigen. Auch die 120 von der Bundeswehr geförderten Spitzensportlerinnen sind als Sanitätssoldatinnen ausgebildet. Insgesamt sind gegenwärtig 4.474 Frauen als Soldatinnen in der Bundeswehr beschäftigt, davon werden 4.409 im Sanitätsdienst eingesetzt.

Durch die verfassungsgemäße Trennung von Streitkräften und ziviler Wehrverwaltung war es der Bundeswehr von Anfang an möglich, trotz des Waffendienstverbotes Frauen zu beschäftigen. So erfüllen sie als Zivilistinnen unterschiedlichste Funktionen, die in anderen Armeen von Soldaten und Soldatinnen wahrgenommen werden. Das Verteidigungsministerium ist derzeit damit beschäftigt, das EuGH-Urteil zu prüfen und umzusetzen. Vertreter verschiedener Bundeswehrabteilungen arbeiten in der kürzlich eingerichteten Steuergruppe „Frauen in den Streitkräften“ und bereiten die weitere Öffnung verschiedener Verwendungsbereiche für Frauen vor. Mit den ersten Einstellungen wird ab Anfang des kommenden Jahres gerechnet. Interesse von Seiten einiger Frauen besteht, wie die ca. 2000 Anfragen bei den Kreiswehrersatzämtern belegen. Das EuGH-Urteil macht es möglich, Militärreformen durchzuführen, die bis dato von politischer Seite verhindert wurden. Dies zeigt auch die Tatsache, dass die 1999 einberufene und von Richard von Weizsäcker geleitete Wehrstruktur-Kommission in die gleiche Richtung wie das Urteil weist: Um die Bundeswehr zukunftsfähig zu machen, schlägt sie die Zulassung von Frauen in allen Bereichen vor. Aber trotz gesetzlicher Gleichstellung und der möglichen Öffnung aller Laufbahnen der Bundeswehr im Laufe des Jahres 2001 können bestimmte Mechanismen des Frauenausschlusses wirksam sein. Sexuelle Belästigung, deren Vorhandensein von der Wehrbeauftragten angeklagt wurde, ist ein Beispiel. Ein anderes Beispiel sind körperliche Normen: Für Frauen werden die gleichen physischen Zugangsvoraussetzungen gelten, die für männliche Bewerber entwickelt wurden, sich also am “Durchschnittsmann“ orientieren. Dazu 45


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zwei kurze Anmerkungen: Erstens lassen diese als geschlechtsneutral etikettierten Körpernormen zwar den Zugang von Frauen prinzipiell zu, können jedoch Frauen trotzdem diskriminieren, indem körperliche Fähigkeiten, die bei Frauen häufiger anzutreffen sind, wie z.B. Beweglichkeit, keine Beachtung finden, sondern eher „männliche Fähigkeiten“ wie z.B. Muskelkraft. Zweitens stellt sich im Zeitalter des hochtechnisierten Krieges die Frage nach der Wichtigkeit von physischen Voraussetzungen.

entscheidende Rolle bei der Formierung moderner Geschlechterverhältnisse zu. Es hatte des weiteren einen großen Anteil an der Vereinheitlichung der bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts sehr vielfältigen Männlichkeitsvorstellungen. Im Laufe des 19. Jahrhunderts rückte quer zu allen bisherigen sozialen Differenzierungen unter Männern ihre Funktion als Krieger ins Zentrum. Obwohl mit der Reichsgründung alle Männer das Wahlrecht erhielten und damit die staatsbürgerlichen Rechte vereinheitlicht wurden, hatte seit diesem Zeitpunkt nicht die Figur des Staatsbürgers in Uniform, sondern die des Kriegers Konjunktur. Mit dem Deutsch-französischen Krieg 1870/71 setzte eine Militarisierung der Gesellschaft verbunden mit der Verherrlichung des Kriegers ein, die bis zum Ende des 2. Weltkrieges anhielt. Erst mit der Niederlage Deutschlands im 2. Weltkrieg verlor militarisierte Männlichkeit, die seit 1814 das hegemoniale Männlichkeitsmodell der deutschen Gesellschaft war, ihre Vormachtstellung. Mit der Wiederaufrüstung in den 50er Jahren kam die Figur des Staatsbürgers in Uniform zu neuen Ehren. Sie stellte den zentralen Bezugspunkt des vor allem von Graf Baudissin erarbeiteten Konzepts der „Inneren Führung“ dar. Dieses Konzept kann als Metapher verstanden werden, eine demokratisch-rechtsstaatliche Armee aufzubauen, die gegen militärische, faschistische und undemokratische Entwicklungen immun sein sollte. Den Kern bildete ein Reformmodell zur militärischen Menschenführung, welches sowohl die technische Ausbildung in einer hochindustrialisierten Armee als auch den politischen Anspruch der Integration der Armee in Staat und Gesellschaft umfasste. Der neue Soldatentypus, der Staatsbürger in Uniform, war nicht mehr auf den Krieg abgestellt, sondern

Das Militär als Konstrukteur von Männlichkeit(en) Um die aktuelle Bedeutung des Militärs für die Konstruktion von Männlichkeit(en) verstehen zu können, ist zunächst eine Vergegenwärtigung der historischen Zusammenhänge notwendig. Die deutsche Figur des Staatsbürgers in Uniform ist eine „Erfindung„ des 19. Jahrhunderts, die sich im Kontext der Preußischen Militärreformen und der Nationalstaatenbildung langsam formierte. Mit der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht 1814 wurde die Pflicht zur Verteidigung des Vaterlandes an staatsbürgerliche Rechte geknüpft. Dabei oblag die Verteidigungspflicht nur den Männern der Nation, da nur sie als waffenfähig galten, während den Frauen andere staatsbürgerliche Pflichten, insbesondere die Sorge um und Pflege der Familie, die als „Pflanzschule der Nation“ galt, zukamen. Die sich allmählich durchsetzende neue Geschlechterpolarisierung, welche den Männern Berufsarbeit und Politik und den Frauen Familien- und Erziehungsarbeit zuwies, wurde somit durch das Militär verstärkt. Zugleich legitimierte die Waffenfähigkeit der Männer den Ausschluss der Frauen aus staatsbürgerlichen Rechten. Dem Militär kommt infolgedessen eine 46


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auf die Landesverteidigung und Friedenserhaltung. Generell rückte der Krieg in diesem Konzept in den Hintergrund, der Soldat war eher eine symbolische Gestalt der Abschreckung mit der Aufgabe, einen Angriff durch seine bloße Existenz abzuwehren. Anzumerken ist, dass diese Konzept für die Außenwirkung der Bundeswehr eine zentrale Rolle spielte, innerhalb der Bundeswehr aber nie unumstritten war. Während das Militär am Ende des 19. Jahrhundert von Zeitgenossen nicht nur als eine „Schule der Nation“, sondern auch als eine „Schule der Männlichkeit“ begriffen wurde, scheint es diese Aufgabe mit der aus dem 2. Weltkrieg resultierenden gesellschaftlichen Diskreditierung militarisierter Männlichkeit verloren zu haben. Aber der Schein trügt: Das Militär ist quantitativ immer noch eine männliche Institution, die Werte und Verhaltensweisen im Militär gelten als „männlich“. Sie haben einen Bezug zu Männlichkeitsvorstellungen in der Gesamtgesellschaft, eine Aufgabe des Militärs ist es, die soziale Kategorie Geschlecht zu differenzieren und zur Definition dessen beizutragen, was „Männer“ im Gegensatz zu „Frauen“ sind oder zu sein haben. So werden im Militär weiterhin kulturell „männliche“ Eigenschaften produziert, die im militärischen Sinn nicht notwendigerweise funktional sind. Vor allem die verschiedenen Praxen des Körpertrainings produzieren Eigenschaften wie Tapferkeit, Zähigkeit, körperliche Ausdauer und eine gewisse Aggressivität, welche für die Kampffähigkeit nicht mehr notwendig sind, sondern auf „Eigenmachtgefühl und Selbstwertgefühl des Soldaten“ zielen und vor allem für das zivile Leben von Nutzen sind. Gleiches gilt für den Nexus Männlichkeit Autorität – Führungsanspruch, der im Militär permanent (re-)produziert wird.

Obwohl Kriege in den Hintergrund rückten, blieb die Verknüpfung von Männlichkeit und Kämpfertum erhalten, welche die Beschützerrolle der Männer rechtfertigt und ihre gesellschaftliche Dominanz über Frauen legitimiert. Dieser hegemonialen Männlichkeitsvorstellung korrespondiert eine Vorstellung von verletzlicher und schwacher Weiblichkeit. Dem Kämpfertum der Männer, das auf ihrer angeblich höheren Aggression beruhen soll, wird die höhere Friedfertigkeit von Frauen gegenübergestellt. Generell gilt, dass Kriege als Auseinandersetzungen zwischen soldatischen Männern konstruiert werden, weibliche und zivile Opfer erscheinen als bedauerliches Nebenprodukt, obwohl sie fester Bestandteil moderner Kriege sind. Konkurrenz bekommt die im Militär dominierende Vorstellung von Männlichkeit, die man begrifflich am ehesten als „traditionell“ bezeichnen könnte, seit den 80er Jahren vom Zivildienst. Häufig entscheiden sich junge Männer wegen der in der Bundeswehr präsentierten „traditionellen“ Männlichkeit für den Zivildienst. Zwar kann man nicht davon ausgehen, dass im Zivildienst eine einheitliche neue Vorstellung von Männlichkeit produziert wird, er scheint aber einen nicht zu unterschätzenden Beitrag für die Erweiterung von Männlichkeitsvorstellungen um eher als ‘weiblich’ konnotierte Kompetenzen wie Empathie, Fürsorge, Verantwortung für Andere übernehmen etc. zu leisten. Mit der Rückkehr des Krieges als Mittel der Politik könnte u. E. eine erneute Verschiebung von der Figur des Staatsbürgers in Uniform zum Krieger einhergehen. Die Konstruktion des Staatsbürgers in Uniform wird durch die gegenwärtigen Entwicklungen auf mindestens zwei Ebenen brüchig. Zunächst einmal rückt die traditionelle Landesver47


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teidigung, das Kernstück dieser Konstruktion, immer mehr in den Hintergrund der Aufgaben der Bundeswehr. Ein Angriff auf die Bundesrepublik, dies bestätigte erneut das Gutachten der Wehrstrukturkommission unter Richard von Weizsäcker, ist unter den gegenwärtigen politischen Bedingungen nicht zu erwarten. Des Weiteren wird die Bindung staatsbürgerlicher Rechte an die Erfüllung des Wehrdienstes respektive des zivilen Ersatzdienstes mit der Umstellung der Wehrpflichtarmee auf eine Berufsarmee hinfällig. Zwar wird in der aktuellen Diskussion um die Strukturreform an der Wehrpflicht festgehalten, die starke Reduzierung der Anzahl der Wehrpflichtigen geht aber in die aufgezeigte Richtung. Mit der Reduzierung, gegebenenfalls mit der Abschaffung der Wehrpflicht könnte ein neuer Soldatentypus entstehen, der wieder stärker an militärischen und kriegerischen Werten orientiert ist. Dies resultiert nicht nur aus den neuen Aufgaben der Bundeswehr, sondern auch aus den Einstellungen eines kleineren Teils der Berufssoldaten. Für die gesamte Geschichte der Bundeswehr lassen sich starke Auseinandersetzungen zwischen den sogenannten Traditionalisten und Reformern nachweisen. Hinzu kommt, dass überwiegend junge Männer mit konservativen, teilweise rechtsextremen Vorstellungen den Wehrdienst leisten, während Männer mit liberalen oder linken Einstellungen den zivilen Ersatzdienst bevorzugen. Dies heißt nicht, dass die Bundeswehr zunehmend ein Ort von konservativen und rechtsorientierten Männern wird, die kriegerische Werte hochhalten. Zuerst einmal bietet die Bundeswehr auch für Männer einen krisensicheren Arbeitsplatz. Die weiteren Einsätze der Bundeswehr könnten aber auch zu einer erneuten steigenden Bewunderung des Militärischen in der Gesellschaft führen.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, was Frauen in dieser neuen Bundeswehr erwartet, welche Aufgaben ihnen zufallen, welche Vorstellungen von Weiblichkeit(en) damit verknüpft werden. Der Soldat, weiblich. Frauen in der Bundeswehr Die Bedeutung einer Öffnung der Bundeswehr für Frauen ist nur im gesellschaftlichen Kontext angemessen zu beurteilen. Zudem ist genau darauf zu achten, wie sich die Möglichkeiten für Frauen in der Bundeswehr konkret gestalten werden. Auswirkungen auf gesellschaftliche Geschlechterkonstellationen könnten auf mehreren Ebenen angesiedelt sein: Verändern sich Vorstellungen von Weiblichkeit(en) und Männlichkeit(en)? Wird die historisch als männlich und wehrhaft konstruierte Figur des Staatsbürgers durch Soldatinnen gestützt, universalisiert oder entwertet? Welche Zusammenhänge gibt es mit dem zivilen Arbeitsmarkt? Die Tatsache, dass in der Geschichte der Bundeswehr immer Personalmangel der Hauptgrund war, über die Zulassung von Frauen als Soldatinnen nachzudenken, verweist auf zwei Punkte. Erstens kann hinsichtlich der Öffnung der Bundeswehr für Frauen keinesfalls von einem von feministischer Politik erzwungenem emanzipatorischem Schritt die Rede sein. Daher ist die Öffnung kein Beispiel für aktive Frauenpolitik, sondern sie scheint eher ein vornehmlich von Männern (aus Politik und Militär) bestimmter Vorgang zu sein, der die Situation von Frauen unabhängig von deren Einflussnahme verändert. Zweitens verweist dies auf den Zusammenhang von Bundeswehr und Arbeitsmarkt. Frauen scheinen als „Personalreserve für den Notfall“ zu fun48


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gieren. Das Militär ist in Deutschland ein wichtiger Arbeitgeber und Ausbilder. Auch unter Männer ist es sehr verbreitet, die Bundeswehr vor allem als Arbeitgeberin und Ausbilderin wahrzunehmen.Erheblich finanzielle Mittel werden eingesetzt, um Wehrpflichtige mit einer Ausbildung vor Jugendarbeitslosigkeit zu bewahren. Frauen bleiben dabei außen vor. Da der zivile Arbeitsmarkt noch stets zum Nachteil von Frauen in erheblichem Maße nach Branchen und Hierarchieebenen geschlechtsspezifisch segregiert ist und Frauen zudem von Arbeitslosigkeit ungleich akuter bedroht sind als Männer, kann eine Karriere in der Bundeswehr für einige von ihnen besonders erstrebenswert erscheinen. Erste Erfahrungsberichte belegen, dass Soldatinnen besonders motiviert und leistungsbereit sind und einen positiven Einfluss auf das Betriebsklima ausüben und somit von Bundeswehrseite als ein Gewinn wahrgenommen werden. Jedoch ist nicht davon auszugehen, dass in Zukunft in der Bundeswehr Frauen und Männer in gleicher Anzahl und auf gleichen Hierarchieebenen anzutreffen sein werden. Internationale Erfahrungen zeigen, dass auch in Ländern mit dementsprechenden gesetzlichen Möglichkeiten das Militär eine männliche Institution bleibt. Geschlechtsspezifische Unterschiede verstärken sich in vielen Fällen gegenüber dem zivilen Arbeitsmarkt. Zudem stellt der Ausschluss von Frauen aus bestimmten Kampfpositionen (die die europäische Rechtsprechung ausdrücklich zulässt) eine, so zeigen internationale Beispiele, erhebliche Karrierebarriere dar. Frauen in der Bundeswehr heißt nicht zwingend, dass Frauen die gleichen Tätigkeiten ausführen, wie ihre männlichen Kollegen. Dass Frauen in traditionell weiblich gedachten Tätigkeitsfeldern ver-

bleiben, zeigen die Positionen der Frauen, die bisher als Zivilangestellte bei der Bundeswehr tätig sind. Sogar die ersten von der Bundeswehr ausgebildeten weiblichen Sanitätsoffiziere stehen Frauen in der Armee außerhalb des Sanitätsdienstes durchaus skeptisch gegenüber. Soweit das Militär also als Teil des Arbeitsmarktes zu betrachten ist, werden Frauen dort voraussichtlich mit ähnlichen oder schwerwiegenderen Problemen der Benachteiligung als auf dem zivilen Arbeitsmarkt zu rechnen haben. Trotzdem kann die Öffnung für sie eine beachtliche Erweiterung der Erwerbsmöglichkeiten bringen. Eine weitere Frage ist, inwieweit sich Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit, insbesondere der Nexus von Mann – Soldat, verändern werden. Die Kodierung des Soldaten als männlich ist durch die Anwesenheit von Frauen im Militär durchaus nicht zwingend aufgehoben. Dies zeigt sich z.B. an der strikten Verweigerung der Bundeswehr, weibliche Berufsbezeichnungen zuzulassen. Zudem sind Frauen schon rein quantitativ in so geringem Maße vertreten, dass sie das Geschlecht der Soldatenkonstruktion schwer verändern können. Auffallend ist auch, dass es keinen geschlechtsneutralen Soldaten geben kann. So wurde in einer Studie über die ersten weiblichen Sanitätsoffiziere, die in der Bundeswehr ausgebildet wurden, festgestellt, dass die anfangs „herb-strenge“ Aufmachung einiger der jungen Frauen nach dem ersten Bundeswehrjahr einer „modisch-attraktiven“ gewichen ist. Attraktivität ist hier interpretierbar als Schutz gegen das negative Klischee der vermännlichten Soldatin. Die Präsentation der Soldatinnen als Frauen wurde durch die Bundeswehr gestützt, indem, so klagten die Soldatinnen, die neu angefertigten Uniformen auf große Oberweiten zugeschnitten seien und sel49


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ten säßen, und, so klagten die Soldaten, das Schmucktragen ein weibliches Privileg war. Eine Integration von Frauen, die auf traditionelle Vorstellungen von „weiblichen“ Eigenschaften der Frauen zurückgreift, ist durch die neuen Aufgaben der Bundeswehr im Rahmen internationaler Bündnisse, zumindest auf argumentativer Ebene, durchaus möglich. Humanitäre Hilfe, Friedensarbeit, Kooperation und Verwaltung sind nicht allein schon im zivilen Bereich Domänen, in denen auch Frauen arbeiten, sie erfordern auch traditionell weiblich konnotierte Fähigkeiten wie Fürsorglichkeit, Kommunikationsfähigkeit, Konfliktschlichtung u.a.. Interessant ist auch ein Blick auf die Diskussion um weibliche Beteiligung an UNEinsätzen: Die schwedische Regierung schlug diese vor, um die Situation weiblicher Zivilisten besser wahrzunehmen und eine Untersuchungskommission der UNO hoffte, durch weibliche Soldaten die notorischen Übergriffe der männlichen UNSoldaten auf Frauen und Kinder einzudämmen. Des Weiteren kann die enge Einbindung der Bundeswehr in die NATO auch als Wegbereiterin für die Integration von Frauen in das Militär dienen, denn Deutschland ist im Verhältnis zu seinen Bündnispartnern in diesem Bereich auffällig zurückhaltend. Die Wirkungen auf die Vorstellungen von Weiblichkeit(en) und Männlichkeit(en) sind u. E. also noch nicht ausgemacht. Weibliche Soldaten können traditionelle Geschlechterbilder wie die der „friedfertigen Frau“ und damit zusammenhängend des „aggressiveren Mannes“ durcheinander bringen, tun dies jedoch nicht zwangsläufig. Trotzdem könnte das Militär als „Schule der Männlichkeit“ durch die Anwesenheit von Frauen gestört, der Nexus Männlichkeit – Gewalt gesprengt werden.

Auf politisch-symbolischer Ebene sind die Auswirkungen eher ernüchternd, denn wurde der deutsche Staatsbürger historisch als Waffenträger konzipiert, Bürgerrechte an den Wehrdienst gekoppelt, so lässt sich gegenwärtig mit der absehbaren Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht eine Entkopplung ausmachen: Der Soldat als Staatsbürger in Uniform wird vom angestellten Spezialisten abgelöst. Somit liegt Deutschland im internationalen Trend, denn, so stellte Yuval-Davis fest, die qualitative und quantitative Beteiligung von Frauen stieg in westlichen Armeen immer dann, wenn die Bedeutung des Militärdienstes für die Staatsbürgerschaft abnahm – z.B. wenn die Wehrpflicht abgeschafft wurde. Plädoyer für Aufmerksamkeit Die generelle pazifistisch motivierte Ablehnung von Militär und Krieg in großen Teilen der deutschen Frauenforschung hatte ein Desinteresse an der Erforschung militärischer Institutionen zur Folge. Diese legitime Sichtweise hat jedoch unbeabsichtigte Auswirkungen. Auf der einen Seite entgeht ihr wichtiges Erkenntnispotential, denn das Militär ist historisch ein zentraler Ort zur Produktion vorherrschender gesamtgesellschaftlicher Vorstellungen von Männlichkeit(en) und Weiblichkeit(en). Die Mitwirkung von Frauen im militärischen Bereich kann diese Vorstellungen verwirren und herausfordern sowie möglicherweise Geschlechterverhältnisse im Militär und im zivilen Bereich beeinflussen. Auf der anderen Seite gerät eine bedeutende gesellschaftliche Institution außerhalb des forschenden Blickes. Das sich daraus ergebende Wissensdefizit erschwert politische Intervention für Veränderungen der Institution Militär. Des weiteren hat dies zur Folge, dass Frauen im 50


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Militär, die sich z.B. mit sexueller Belästigung, Diskriminierung und Mobbing konfrontiert sehen, ohne Unterstützung von außen bleiben.

Sylka Scholz, M.A. ist Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Frauenforschung der Universität Potsdam. Anne Mangold ist studentische Hilfskraft am Lehrstuhl für Frauenforschung der Universität Potsdam. www.uni-potsdam.de/u/ frauenforschung/index.htm

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THEMA

FRAUEN GESTALTEN EUROPA Gender-Mainstreaming in der Europäischen Union – Gleiche Rechte und Chancen für die Frauen in der EU

von Lissy Gröner, Mitglied des Europäischen Parlamentes Das Europäische Parlament wurde im Juni 1999 direkt in 15 europäischen Ländern gewählt. Frauen sollten die Hälfte der politischen, ökonomischen und sozialen Macht haben. Das ist das Ziel. Realität ist, daß von insgesamt 626 Sitzen rund 30% von Frauen besetzt sind. Dieser Prozentsatz ist wesentlich höher als der durchschnittliche Anteil von Frauen in den nationalen Parlamenten der EU von 23,6%. Dennoch ist er von der Parität noch weit entfernt. Die Fraktion der SPE konnte den Frauenanteil auf 35 % erhöhen und die deutsche Sozialdemokratie geht mit einem Frauenanteil von 42 % noch darüber hinaus. Die Quotenregelung in der SPD verpflichtet die Partei zumindest 40 % beider Geschlechter für alle Mandate zu nominieren. Sozialdemokratische Frauen verfolgen eine aktive und sichtbare Politik

Die Europäische Union will sich zum Vorreiter für die Überwindung von Ungleichbehandlungen zwischen den Geschlechtern machen und in einer breit angelegten Rahmenstrategie traditionelle Geschlechterrollen und Stereotype überwinden. Die bereits von der EU - Kommission angenommene Rahmenstrategie zum Gender - Mainstreaming sieht ein Arsenal von Maßnahmen für die Verwirklichung der Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen in allen Bereichen der Politik, Wirtschaft und Gesellschaft vor. Ergänzt wird diese Strategie für die Jahre 2001 bis 2005 durch ein spezifisches Programm, das transnationale Projekt, Gender-Sensibilisierungskampagnen und Frauennetzwerkarbeiten unterstützen wird. Heute repräsentieren 186 weibliche Abgeordnete im Europäische Parlament ca. 190 Millionen Frauen von insgesamt ca. 370 Millionen EU - Bürgern. 52


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des Gender - Mainstreamings, d.h. die Einbindung der Chancengleichheit in sämtliche Konzepte und Maßnahmen wie es in der Aktionsplattform der 4. Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 beschlossen wurde. Der neue EU-Kommissionspräsident Romano Prodi hat fünf Kommissarinnen von 20 berufen, darunter die Deutsche Michaele Schreyer, zuständig für Haushaltsfragen. Prodi kann also keinen Fortschritt zu der vorhergehenden Kommission unter Präsident Jaques Santer vorweisen. Auch dort gab es nur 25 % Frauen. Eine wichtige, unerfüllte Forderung ist ein formaler Frauenministerrat, welcher zweimal im Jahr tagen soll und in Gleichstellungsfragen Entscheidungsbefugnis hat. Auch die Forderung nach einer Kommissarin für Chancengleichheit und einer Generaldirektion für Gender Mainstreaming blieb bisher unerfüllt.

einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung bietet neuen Handlungsraum für aktive Gleichstellungspolitik. Das vierte Chancengleichheitsprogramm für Frauen und Männer (1996-2000) mit einem Budget von 40 Millionen EURO, definiert Mainstreaming als die Integration von gleichen Chancen für Männer und Frauen in den Politikprozeß aller Aktivitäten und Maßnahmen der Europäischen Union und der 15 Mitgliedstaaten. Er beschreibt die Gewichtung der EU-Gleichstellungspolitik als eine horizontale Politik. Gender-Mainstreaming entwickelt sich so zum zentralen Instrument für Chancengleichheit in der Gesellschaft. Es muß uns gelingen die Gleichstellung der Frauen in der traditionellen Politik weiterhin zu verankern. Gender-Mainstreaming kann nicht eine spezifische Frauenpolitik mit positiven Maßnahmen ersetzen oder überflüssig machen: Beide sind Teile einer komplementären Strategie um die Gleichstellung von Frauen zu erreichen. Das heißt im Klartext: wir brauchen unabdingbar positive Maßnahmen zur Frauenförderung neben dem horizontalen Ansatz "Gender - Mainstreaming".

1. Was will, was kann die EU Der Rechtsrahmen für Chancengleichheit in der EU war eng. Art 119 des EU-Vertrages, der gleiches Entgelt für gleiche Arbeit garantiert, ist jedoch von Europäischem Parlament und Europäischem Gerichtshof ständig ausgeweitet worden. Der Amsterdamer Vertrag, der seit 1. Mai 1999 in Kraft ist, schafft die Rechtsgrundlage für die Gleichstellung von Frauen und Männern, als ein Prinzip, eine Forderung und ein Ziel der Europäischen Union in Artikel 3.2.: „Bei allen in diesem Artikel genannten Tätigkeiten wirkt die Gemeinschaft darauf hin, Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Männern und Frauen zu fördern“. Auch Art. 13 des EU-Vertrages, mit dem Grundsatz des Verbotes jeglicher Diskriminierung aus Gründen des Geschlecht, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung,

2. Politikfelder des Gender-Mainstreaming in der EU Die wirtschaftlichen Veränderungen erfordern eine aktive und direkte Unterstützung von Frauen insbesondere auf dem Arbeitsmarkt, in der Aus- und Weiterbildung. Dies kann nicht allein über Aktionsprogramme zur Gleichstellung erfolgen. Das vierte Aktionsprogramm zur Chancengleichheit hatte ein Budget von 40 Millionen EURO über fünf Jahre, für mehr als 190 Millionen Bürgerinnen in allen 15 Mitgliedstaaten. Die EU Strukturfonds dagegen haben ein Volumen von 35 Milliarden EURO pro Jahr. Deren Trainings- und Qualifizie53


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rungsprogramme sind die Hauptinstrumente der EU und müssen genutzt werden, um die Arbeitsmarktchancen, die Ausbildung und die Bildungssituation von Frauen zu verbessern. Die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten müssen sich abstimmen, um die Maßnahmen mit den anderen Gemeinschaftspolitiken, besonders mit dem Europäischen Sozialfond (ESF) und dem Europäischen Regionalen Entwicklungsfond (EFRE) zu koordinieren. Die Strukturfonds ergänzen mit den Bildungsprogrammen LEONARDO und SOKRATES die Qualifizierungspalette der EU. Die Europäische Beschäftigungsstrategie muß auf den Gleichstellungsaspekt hin untersuchen werden. Das fünfte Aktionsprogramm für Chancengleichheit von Männern und Frauen, welches die effektive Verankerung des Prinzips des GenderMainstreamings und den Zusammenhang der Beteiligung der Frauen in Entscheidungspositionen weiter fördert, wird ein wichtiges Instrument sein, um diese Verknüpfung voran zu bringen.

Ein interessantes Modell entwickelten die Schweden. Wer eine Führungsposition bekleiden will, muß ein "Gender - Sibilisierungstraining" durchlaufen, egal ob Minister, Gewerkschafter oder Kardinal und das gilt ebenso für Männer wie Frauen. 3.1. Frauen in Entscheidungspositionen der EU Auf europäischer Ebene ist der Frauenanteil unter den Mitgliedern des Europäischen Parlaments von 26,5% im Jahre 1994 auf 29,7% im Jahre 1999 gestiegen; im Wirtschafts- und Sozialausschuß beträgt der Frauenanteil 17,1%, im Ausschuß der Regionen 14,9% und im Europäischen Rat 6,5%. Um das Bewußtsein zu stärken, wurden verschiedene Maßnahmen in Form von Kampagnen, Broschüren und Konferenzen durchgeführt, doch stellt die Empfehlung vom 2. Dezember 1996 über die ausgewogene Mitwirkung von Frauen und Männern am Entscheidungsprozeß die einzige direkte legislative Maßnahme in diesem Bereich dar. Auf nationaler Ebene haben sich zwei Mitgliedstaaten dafür entschieden, der Unterrepräsentanz von Frauen in der Politik mit gesetzlichen Mitteln zu begegnen. Belgien hat eine Quote für Kandidatenlisten eingeführt und Frankreich hat ein Gesetz über alternierende Wahllisten verabschiedet. Auf nationaler Ebene variiert der Anteil der Frauen in Machtpositionen von Land zu Land erheblich. In den nationalen Parlamenten reicht er von 10% - 43%. Von allen Führungspositionen in der EU ist derzeit ca. jede vierte mit einer Frau besetzt. In den letzten fünf Jahren ist in allen Mitgliedstaaten ein stetiger Anstieg zu beobachten. Andere Bereiche des Entscheidungsprozesses wurden von der EU und ihren Mitgliedstaaten jedoch

3. Gender - Mainstreaming in den Institutionen der EU Der Ausschuß für die Rechte der Frau im europäischen Parlament spielt eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung des Gleichstellungsprinzips und setzt in der europäischen Demokratie neue Impulse. Im Parlament und in der Kommission wurde ein Aktionsplan zum Gender-Mainstreaming entwickelt. Zu wünschen wäre, daß alle EU-Institutionen Gleichstellungsprogramme auflegten und Pläne mit klar formulierten Zielen, wie genaue Quoten mit Zeitrahmen, aufstellten. Die Institutionen bräuchten neue Parameter zur Beurteilung der Qualifikation bei Neueinstellungen und Weiterbildungen, ergänzt durch positive Maßnahmen zugunsten von Frauen bei der Besetzung höherer Positionen. 54


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nicht angegangen. Mehr Aufmerksamkeit sollte dem Entscheidungsprozeß auf der Ebene der Sozialpartner geschenkt werden, wo Frauen stark unterrepräsentiert sind. Von den beiden wichtigsten Akteuren auf europäischer Ebene, dem EGB und der UNICE, müssen Aktionsprogramme entwickelt werden. Hier könnte eine umfassende Sammlung von nach Geschlechtern getrennten Statistiken den ersten Schritt darstellen. Die Vertretung von Frauen in Entscheidungsgremien der Gewerkschaften ist während des Zeitraums 19931998 europaweit von 23% auf 28% gestiegen. Im Vorstand des EGB ist der Frauenanteil von 14% im Jahre 1994 auf 24% im Jahre 1996 gestiegen. Eine ausgewogene Vertretung von Frauen und Männern in den wirtschaftlichen und finanziellen Entscheidungsprozessen ist für die Gleichstellung und den Aufstieg der Frauen von entscheidender Bedeutung. Im Privatsektor stellen Frauen in Führungspositionen nach wie vor eine Minderheit dar. Im Finanzsektor sind beispielsweise nur 8,2% der Positionen auf Direktionsebene, 18,2% der leitenden Positionen und 27,2% der Positionen in der Verwaltung mit Frauen besetzt. Im Bereich der KMU wurde die sogenannte „kritische Masse“ erreicht, die nicht mehr vom anderen Geschlecht dominiert werden kann. Über 30% der kleinen und mittleren Unternehmen in Europa werden von Frauen geleitet.

erstellt, wie zum Beispiel zum Thema Frauenhandel, Gewalt gegen Frauen, Frauen in der Forschung, Rolle der Frauen in den Medien und Umgang von Frauen mit neuen Technologien, zur Integration gleicher Chancen für Männer und Frauen in alle Gemeinschaftspolitiken, zum Thema gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit, zu Gesundheit und Frauen und zur Arbeitslosigkeit von Frauen. Der Ausschuß hat außerdem einen fortwährenden Dialog mit Repräsentanten der nationalen Parlamente und den internationalen Körperschaften und den Repräsentanten der Nichtregierungsorganisationen (NGO’s) geführt. Eine wichtige Bündnispartnerin für Chancengleichheit ist die Europäischen Frauenlobby (EWL), die Dachorganisation der nationalen Frauenorganisationen. Risiken für einen Rückschlag in der Gleichstellungspolitik bleiben latent vorhanden. Niemand weiß wie der Kampf für Frauenrechte in den Bereichen Arbeitslosigkeit, Menschenrechte und Frauen in Entscheidungspositionen weitergehen wird unter den veränderten Mehrheiten im Europäischen Parlament. 3.2. Die Europäische Kommission: Spezielle Strukturen wurden geschaffen Unter dem Vorsitz des EU-Kommissionspräsidenten Jaques Santer wurde 1995 eine Gruppe von Kommissaren für Chancengleichheit gebildet. Die Gruppe wird unter Präsident Prodi weitergeführt und hält regelmäßig Kontakt mit dem EP und der EWL. 1997 wurde die Gender-Mainstreaming Einheit mit allen Generaldirektionen gebildet, die einen jährlichen Bericht über die Entwicklung der Chancengleichheit erstellen und dem EP vorlegen. Dessen zentrales Anliegen ist, mehr Bewußtsein über Gleichstellung bei den Beamten in Brüssel und den

3.1.1. Der Ausschuß für die Rechte der Frau: Motor für Gleichstellung in der EU Der Ausschuß für die Rechte der Frau war sehr aktiv, um die Gleichstellungsgesetzgebung der EU, Förderprogramme und Antidiskriminierungsmaßnahmen voran zubringen Während der vergangenen Legislaturperiode hat der Ausschuß für die Rechte der Frau viele wegweisende Berichte 55


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EU-Delegationen zu erreichen und klar zu machen, daß mehr Sensibilität inbezug auf die Benachteiligung von Frauen zu entwickeln ist. Nicht nur nach innen, sondern auch im Erweiterungsprozeß der EU und bei der Zusammenarbeit mit Drittstaaten muss diese Gender-Sensibilität exerziert werden.

für das 21. Jahrhundert bewirken. Dazu müssen zusammenfassend folgende Schritte eingeleitet werden: 1. Das Bewußtsein der Entscheidungsträger beiderlei Geschlechts muß geschärft werden. Die Teilnahme an obligatorischen Gleichstellungsseminaren, ähnlich wie in Schweden muss Pflicht werden für alle Führungspositionen, bis das Wissen über Gleichstellungspolitik Allgemeingut ist. 3. Statistiken mit geschlechtsspezifischen Daten, sowohl quantitative als auch qualitative, sind fundamental für die Entscheidungen auf allen Politikebenen. Das gilt von der Planung bis zur Implementation, Überwachung und Evaluation von Programmen. 5. Ein Gleichstellungsindex muß entwickelt werden. Damit ist eine Anzahl von zentralen empirischen Daten gemeint, die ermittelt, kalkuliert und zusammengefasst werden zu einem Index. Dieser Index drückt dann den Grad der Gleichstellung in dem jeweiligen relevanten Forschungsfeld aus. 7. Gleiche Bezahlung für gleichwertige Arbeit muß sich durchsetzen. Im Durchschnitt erhalten Frauen in der EU 30% weniger Lohn als Männer, obwohl seit dem Vertrag von Rom der Europäischen Gemeinschaft 1958 der Grundsatz der gleichen Bezahlung als erstes Recht garantiert wird. Vor diesem Hintergrund sind neue Bewertungssysteme für Erwerbsarbeit zu entwickeln. 9. Statistiken, Indices und Untersuchung von Diskriminierungsfällen, zusammen mit der Auswahl der „best practise“-Modelle bilden die Basis für feldspezifische Gleichstellungspläne mit Quoten und Zeitvorgaben. Dieses Benchmarking scheint eine sehr erfolgreiche

3.3 Andere EU-Institutionen: Geschlechtsspezifische Diskrepanz bei Entscheidungspositionen Der Vollständigkeit halber ein Blick auf die weiteren EU-Institutionen. Das Generalsekretariat des Rates stellte einen Ausschuß für gleiche Chancen (COPECV) 1992 auf. Daten über die Personalstruktur von 1997 zeigen, daß der Frauenanteil, der über 50 % des Personals ausmacht, erneut gestiegen ist: der Frauenanteil ist jedoch stark konzentriert in der Kategorie C, der Sekretariatskategorie. Der Frauenanteil in der Kategorie A und auf Ministerniveau liegt unter 20 %. Der Europäische Rechnungshof hat keinen Ausschuß für Gleichstellung und keine formale Förderpolitik. Von 15 Mitgliedern ist nur ein einziges weiblich, von sieben Direktoren ist keine eine Frau und es gibt nur eine Abteilungsleiterin von 20. Der Europäische Gerichtshof vereint 15 Richter, darunter eine Frau. Die Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin hat zum 15. Juli die zweite Richterin in der 40jährigen Geschichte dieser Institution ernannt. Die Europäische Zentralbank hat keinen formalen Gleichstellungsplan, unter acht Mitgliedern des Zentralbankrates ist eine Frau. 4. Die Zukunftsperspektive: Instrumente um Gender-Mainstreming in der EU zu überprüfen Gender-Mainstreaming als innovative Strategie kann den Durchbruch einer Gleichstellungspolitik 56


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Gerechtigkeit und der demokratischen Gesellschaft. Sozialdemokratinnen haben es so formuliert:

Methode für Gender-Mainstreaming zu sein. Sie kann benutzt werden um die Resultate der besten drei Länder in der Union als Messlatte für alle 15 Mitgliedstaaten zu verwenden. 11. Alle internationalen Vereinbarungen müssen auf ihren Gleichstellungsgehalt, besonders auf die Berücksichtigung der Frauenrechte und Auswirkung auf die Frauen überprüft werden. Das EP fordert die Beteilugung von weiblichen Verhandlungspartnern. 13. Nicht zuletzt beinhaltet Gleichstellung auch Solidarität: Solidarität zwischen reich und arm, zwischen Männern und Frauen, zwischen alt und jung, zwischen Nord und Süd, Ost und West, das ist der Anspruch des Europäischen Sozialmodells.

Wer die menschliche Gesellschaft will, muß die männliche überwinden. Wir wollen die Hälfte des Himmels, die Hälfte der Erde und die Hälfte der Macht für Frauen.

Lissy Gröner ist frauenpolitische Sprecherin der SPE-Fraktion im Europäischen Parlament, Vizepräsidentin der Sozialistischen Fraueninternationale (SIW) und seit 1989 Mitglied im Ausschuss für die Rechte der Frau.

5. Zu einem neuen europäischen Geschlechtervertrag für Frauen und Männer Gleichheit und Solidarität sind fundamentale Elemente der Menschenrechte und Basis der sozialen

www.europarl.eu.int/pes/

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THEMA

SCHUTZ VON FRAUENRECHTEN IM RAHMEN DER VEREINTEN NATIONEN Insbesondere durch das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW)

von Dr. Norman Weiß, Universität Potsdam schen Menschenrechte der sogenannten Ersten Generation favorisierten. Die frauenpolitische Arbeit der Vereinten Nationen fand damals wie heute vorrangig in der Kommission zur Rechtsstellung der Frau (Commission on the Status of Women) statt. Diese wurde im Februar 1946 zunächst als Unterausschuß der Menschenrechtskommission und kurz darauf als eigenständiges, ihr formal gleichgeordnetes Gremium eingerichtet. Die Kommission blieb bis Mitte der siebziger Jahre das einzige frauenspezifische Gremium in den Vereinten Nationen. Inzwischen setzt sie sich bei ihren jährlichen Tagungen aus 45 Regierungsdelegationen zusammen. Ermöglichte es das ursprüngliche Mandat der Kommission, Berichte und Empfehlungen an den Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) zur Förderung der Rechte von Frauen in den politischen,

I. Einleitung Als erstes internationales Dokument anerkannte die Satzung der Vereinten Nationen von 1945 die Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Da damals nur in dreißig der einundfünfzig Gründungsstaaten Frauen das aktive und passive Wahlrecht innehatten, stand die Schaffung der rechtlichen Gleichstellung von Frauen im Bereich der bürgerlichen und politischen Rechte im Kern der UN-Frauenpolitik bis Mitte der sechziger Jahre. Widerspiegelte die Konzentration der UN-Aktivitäten auf die klassischen Freiheitsrechte auch die tatsächliche weltweite Diskriminierung von Frauen in diesen Bereichen, so kam in ihr doch auch die politische Überzeugung der damals zahlenmäßig dominierenden westlichen Staatengruppe zum Ausdruck, die gemeinsam mit den lateinamerikanischen Staaten die Förderung der klassi58


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wirtschaften und sozialen Bereichen zu erarbeiten, so ist es 1998 dahingehend erweitert worden, dass sie auch die Umsetzung der Beschlüsse der Weltfrauenkonferenzen in den Mitgliedstaaten und den UN-Institutionen überwachen soll. Die Kommission war maßgeblich am frauenspezifischen Standard Setting der Vereinten Nationen beteiligt. Das wichtigste und umfassendste frauenrechtliche völkerrechtliche Übereinkommen, das die Kommission erarbeitet hat, ist das „Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW)“. Darüber hinaus war die Kommission auch bei der Erarbeitung von Konventionen gegen Diskriminierung von Frauen durch die internationale Arbeitsorganisation (ILO) und die UNESCO beteiligt. Als sich Ende der sechziger Jahre das Scheitern der Modernisierungsstrategie im Bereich der Entwicklungspolitik abzeichnete, waren neue entwicklungspolitische Lösungskonzepte gefragt. In diesem Zusammenhang wurde deutlich, daß Frauen von der Verschlechterung in den Ländern des Südens – Zunahme von Hunger, Armut und Krankheiten – besonders betroffen waren. Deshalb erklärte die Generalversammlung der Vereinten Nationen 1975 zum „Internationalen Jahr der Frau“ und berief die erste Weltfrauenkonferenz zu diesem Jahr nach Mexiko ein. Damit anerkannten die Vereinten Nationen erstmals die weltweite Benachteiligung von Frauen als umfassendes politisches Aufgabenfeld. Die frauenorientierten Bemühungen der Vereinten Nationen auf dem Bereich der Familienplanung einerseits sowie die Zunahme der Organisation von Frauenrechtsbewegungen in den nationalen Zivilgesellschaften andererseits taten ein übriges, um die frauenpolitische Arbeit der Organisation voranzutreiben. Das Frauenjahr und die Konferenz in Mexiko soll-

ten drei Zielbereiche abdecken: Gleichberechtigung von Männern und Frauen, die Integration von Frauen in den Entwicklungsprozeß und die Beteiligung von Frauen an der Schaffung des Weltfriedens. Auf der Konferenz verabschiedeten die Teilnehmerstaaten einstimmig einen Aktionsplan, in dem eine frauenpolitische Agenda formuliert wurde, deren Schwerpunkt zunächst die Entwicklungspolitik bildete. Das „Internationale Jahr der Frau“ wurde zu einer von 1976 bis 1985 reichenden Dekade ausgeweitet, in deren Verlauf weitere Weltfrauenkonferenzen (Kopenhagen 1980 und Nairobi 1985) stattfanden. Obwohl 1981 die Frauenrechtskonvention (CEDAW) in Kraft getreten war, überwogen in den Vereinten Nationen die entwicklungs- und sozialpolitischen Strategien zur Bekämpfung der Diskriminierung von Frauen. Erst Ende der achtziger Jahre kam es zu dem bedeutsamen Paradigmenwechsel, demzufolge Frauenrechte Menschenrechte sind und in den allgemeinen Menschenrechtsdiskurs und die Verwirklichung aller Politikfelder der Vereinten Nationen integriert sind. Dies geht maßgeblich auf Ideen der internationalen Frauen-NGOs zurück, die seit Beginn der neunziger Jahre auch auf anderen Weltkonferenzen, die sich nicht ausschließlich frauenspezifischen Themen widmen, als Interessenvertretungen aufgetreten sind. Entsprechend wurde auf der Weltmenschenrechtskonferenz 1993 in Wien von der Staatengemeinschaft offiziell bekräftigt: „Die Menschenrechte der Frauen und der minderjährigen Mädchen sind ein unveräußerlicher, integraler und unabtrennbarer Bestandteil der allgemeinen Menschenrechte. […] Geschlechtsspezifische Gewalt und alle Formen sexueller Belästigung und Ausbeutung […] sind mit der Würde und dem Wert der menschlichen Person unvereinbar.“ (Wiener Erklärung 59


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und Aktionsprogramm, Kapitel 1, Ziffer 18). Zum Abschluß dieses einleitenden Überblicks kann festgehalten werden, daß - ausgehend von der frauenspezifischen Entwicklungsarbeit - die gesamte frauenpolitische Tätigkeit der Vereinten Nationen heute vom Begriff des „Empowerment„ geprägt ist. Dies gilt insbesondere für die vierte Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 und ihr Abschlußdokument, die Pekinger Aktionsplattform. Diese Aktionsplattform stellt einen programmatischen Leitfaden für die globale Frauenpolitik auf allen Ebenen dar. Sie formuliert Aufgaben für das UN-System, die Mitgliedstaaten und die betroffenen Nichtregierungsorganisationen. Wichtig ist der Nachfolgeprozeß, mit dem die Aktionsplattform Wirksamkeit erlangen soll. Die Staaten sind aufgefordert, nationale Umsetzungsstrategien vorzulegen, die im Rahmen der Vereinten Nationen im Juni 2000 diskutiert und ausgewertet worden sind. Ebenfalls neu in der gesamtfrauenpolitischen Arbeit der Vereinten Nationen ist die Strategie des sog. „Gender mainstreaming“. Mit dem GenderBegriff wird auf die unterschiedlichen sozialen Rollenzuweisungen an Männer und Frauen in einem Geschlechterverhältnis, welches Unterordnungsbeziehungen errichtet, zurückgegriffen. Anders als beim rein frauenspezifischen Ansatz kommen so beide Geschlechter, die Strukturen, ihre Beziehungen und auch die gesellschaftlich definierten Rollen von Männern in den Blick. Bereits auf dem Wiener Gipfel 1993 wurde „Gender mainstreaming„ in die allgemeine UN-Menschenrechtsarbeit eingeführt. Ziel eines institutionalisierten „Gender mainstreaming“ ist es, die Verantwortung für die Umsetzung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen auf alle Beschäftigten einer Organisation zu übertragen.

Wichtige Instrumente hierfür sind das sog. „Gender training“, um Veränderungen in den Einstellungen, Verhaltensweisen und Motivationen zu erreichen, sowie Leitlinien zur Anwendung der Gender-Perspektive für die spezifischen Sektoren und Arbeitsaufgaben. II. Das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) Das Übereinkommen wurde am 18. Dezember 1979 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet; es trat am 3. September 1981 in Kraft. Das Übereinkommen gilt heute in 165 Staaten (Stand Juni 2000). Zwölf Jahre nach der Erklärung zur Beseitigung der Diskriminierung von Frauen verabschiedete die Generalversammlung schließlich CEDAW, das erste internationale Rechtsdokument, das die Diskriminierung von Frauen definiert. Die Präambel des Übereinkommens betont die Verpflichtung der Vereinten Nationen und der Staaten auf die Gleichberechtigung von Mann und Frau und auf die Würde des Menschen, stellt aber fest, daß es trotz vielfältiger Bemühungen zur Beseitigung von Ungleichbehandlung weiterhin Diskriminierungen von Frauen gebe. Mit CEDAW werden Grundsätze zur Beseitigung der Diskriminierungen formuliert, zu deren Verwirklichung sich die Vertragsstaaten verpflichten. 1. Aufbau und Inhalte Das Übereinkommen gliedert sich in sechs Teile. Die ersten vier Teile enthalten die materiellen Regelungen, der fünfte beschäftigt sich mit Errichtung, Organisation und Aufgaben des Kontrollgremiums, der abschließende Teil umfaßt vertragstechnische Vorschriften. Die materiellen Vor60


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schriften stellen in sechzehn Artikeln substantielle Diskriminierungsverbote auf, die beinahe den gesamten Lebensbereich von Frauen abdecken. Das Übereinkommen verbietet direkte und indirekte Diskriminierungen. Dieses Verbot richtet sich vernünftigerweise nicht nur gegen den Vertragsstaat und seine Einrichtungen, vielmehr muß der Staat mittels aller geeigneten Maßnahmen auch dafür Sorge tragen, daß Diskriminierungen durch Personen, Organisationen oder Unternehmen verhindert werden. Das Übereinkommen etabliert ein Kontrollgremium, den „Ausschuß zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau“ (im folgenden: Ausschuß). Dieser ist in Anlehnung an ältere Vertragsorgane anderer Menschenrechtsübereinkommen als unabhängiges Expertengremium konzipiert. Ihm gehören 23 Sachverständige „von hohem sittlichen Rang und großer Sachkenntnis auf dem von dem Übereinkommen erfaßten Gebiet“ (Art. 17 Abs. 1 S. 1) an. Seit 1988 ist die deutsche Amerikanistin und ehemalige Abteilungsleiterin (1987-1992) im heutigen Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Hanna Beate Schöpp-Schilling, Mitglied des Ausschusses. Bedauerlicherweise wird der Ausschuß im Übereinkommen nicht reich bedacht. Die ihm ursprünglich zuerkannte Beratungszeit lag mit „höchstens 2 Wochen“ jährlich (Art. 20 Abs. 1) deutlich unter der vergleichbarer Vertragsorgane. Bald jedoch erwies sie sich als unzureichend und wurde auf entsprechende Forderung des Ausschusses hin immer wieder durch Beschluß der Vertragsstaaten ausgeweitet. Inzwischen wurde Art. 20 Abs. 1 abgeändert und die Tagungszeit auf zweimal 3 Wochen verlängert. Bis heute haben allerdings erst 21 Vertragsstaaten diese Änderung

ratifiziert; für ihre Wirksamkeit sind zwei Drittel der 165 Vertragsstaaten erforderlich. Der bedeutsamste Unterschied zu den anderen Vertragsorganen liegt jedoch darin, daß bislang Individualbeschwerden zum Ausschuß nicht möglich sind. Obwohl diese eher ungünstigen Ausgangsbedingung sich nur allmählich verbessert haben, konnte der Ausschuß wichtige Impulse geben. Einerseits hat er von Anfang an die eigenen Arbeitsbedingungen und Einwirkungsmöglichkeiten zu verbessern gesucht und ist hierbei immerhin mit einigen Erfolgen bedacht worden. Weiterhin hat er sich die Anerkennung einiger Vertragsstaaten, aber auch nicht weniger Rechtswissenschaftler zäh erringen müssen, die das Thema Frauenrechte als weiches Thema angesehen und den Ausschuß mitunter nicht ernst genommen haben. Bis zur 20. Sitzungsperiode im Februar 1999 hatte der Ausschuß vierundzwanzig „Allgemeine Empfehlungen“ verabschiedet, in denen er einzelne Vorschriften des Übereinkommens kommentiert, das Staatenberichtsverfahren strukturiert und Hinweise zur innerstaatlichen Umsetzung des Übereinkommens gegeben hat. Neben den abschließenden Bemerkungen zu den jeweiligen Staatenberichten bilden diese Empfehlungen das Kernstück seiner Arbeit. Kehren wir zu den materiellen Inhalten des Übereinkommens zurück, so stellen wir fest, daß sich das Frauenrechtsübereinkommen auf alle Lebensbereiche von Frauen erstreckt und sämtliche Diskriminierungsformen erfaßt, denen sie ausgesetzt sind. Der Tatbestand der Diskriminierung wird in Art. 1 als sowohl direkte oder beabsichtigte (Ziel) sowie als unbeabsichtigte oder indirekte (Folge) Vereitelung oder Beeinträchtigung der Anerkennung, Inanspruchnahme oder Ausübung der Menschen61


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rechte und Grundfreiheiten durch die Frau aufgrund einer mit ihrem Geschlecht begründeten Unterscheidung, Ausschließung oder Beschränkung definiert. Die Einschließung der unbeabsichtigten oder indirekten Diskriminierung ist deshalb besonders wichtig, weil dieser Tatbestand in vielen Ländern nicht bekannt ist oder nicht verstanden wird. Insofern erweist sich das Übereinkommen als ein wichtiges Instrument, um das Bewußtsein bei den Regierungen der Vertragsstaaten und ihren Zivilgesellschaften über diese häufige Form der Diskriminierung von Frauen zu schaffen und so darauf hinzuwirken, daß diese in ihren vielfältigen Erscheinungsformen erkannt, verboten und beseitigt wird. Da die Diskriminierung auch auf Grund des Familienstandes von Frauen verboten ist, wird - in Verbindung mit Art. 16 - das herkömmliche Menschenrechtsverständnis erweitert, weil Menschenrechtsverletzungen an Frauen auch im privaten Bereich verboten werden. In Art. 2 verpflichten sich die Vertragsstaaten zu einem Bündel gesetzgeberischer und sonstiger Maßnahmen, die unverzüglich einzusetzen sind, um die rechtliche und tatsächliche Diskriminierung von Frauen zu beseitigen. Diese können auf Handlungen der Exekutive, Legislative und Rechtsprechung sowie von Privatpersonen, privaten Organisationen und Unternehmen beruhen. Der Vertragsstaat ist für deren Verhalten verantwortlich, wenn er durch einen Mangel an Sorgfalt diskriminierende Handlungen nichtöffentlicher Hoheitsträger nicht kontrolliert, korrigiert, verhindert oder bestraft. Gemäß Art. 3 sind gesetzgeberische und sonstige Maßnahmen für alle Lebensbereiche von Frauen erforderlich, um ihre volle Entfaltung und Förderung zu sichern. Dies wird durch Art. 24 ergänzt.

Eine besondere Rolle nimmt Art. 4 ein: er läßt zeitweilige frauenspezifische Sondermaßnahmen zu, um die De facto-Gleichberechtigung von Mann und Frau beschleunigt herbeizuführen. Außerdem erlaubt die Vorschrift eine Garantie des Mutterschutzes. Beides gilt nicht als Diskriminierung von Männern. Die nach Art. 4 Abs. 1 zugelassenen zeitlich begrenzten Förderungen von Frauen, die von Sonderprogrammen in Bildung und Ausbildung über die bevorzugte Einstellung und Beförderung im Berufsleben bis hin zur Erlangung politische Positionen auf der Grundlage von Zielvorgaben oder Quoten reichen können, werden in vielen Vertragsstaaten nicht akzeptiert oder nur sehr zögerlich angewendet. Nach Art. 5 ist der Vertragsstaat zu allen geeigneten Maßnahmen verpflichtet, die zu einer Änderung der sozialen und kulturellen Verhaltensmuster und der stereotypen Rollenverteilung zwischen Mann und Frau sowie einer Änderung der diesen zugrunde liegenden Vorurteile und aus diesen resultierenden diskriminierenden Praktiken führen. Ziel dieser Verpflichtung ist es, eine der Wurzeln von Frauendiskriminierungen anzugehen. Diese hält sich in einigen Ländern in sehr krassen Formen, wie etwa Genitalverstümmelung oder Witwenverbrennung. Anderenorts stellen sich diese Phänomene subtiler dar, etwa was die Darstellung von Frauen in Schulbüchern oder Medien angeht. Ein weiteres Ziel des Wandels der stereotypen Rollenverteilung ist es, Männer und Frauen für die Übernahme der gemeinsamen Verantwortung im Bereich der Kindererziehung zu gewinnen. Die Abschaffung des Frauenhandels sowie der Ausbeutung der Frauen durch Prostitution wird in Art. 6 gefordert. Beide Erscheinungsformen haben in den vergangenen Jahren aufgrund der 62


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politischen und wirtschaftlichen Transformationsprozesse in Mittel- und Osteuropa, aber auch in Mittel- und Lateinamerika sowie in Asien ein vorher nicht gekanntes Ausmaß angenommen. Nach Art. 7 und 8 ist die Diskriminierung der Frau im politischen und öffentlichen Leben ebenso wie in der Vertretung des Vertragsstaates auch internationaler Ebene verboten. In Verbindung mit der gleichzeitig durch Art. 4 Abs. 1 ermöglichten besonderen Förderung von Frauen im politischen Bereich eröffnet diese Verpflichtung die Chance, durch stärkere politische Präsenz, Mitwirkung und Teilhabe von Frauen eine tatsächlich frauenfreundlichere Politik im jeweiligen Vertragsstaat zu erreichen. Die gleichen Rechte wie Männer hinsichtlich des Erwerbs, des Wechsels oder der Beibehaltung der Staatsangehörigkeit garantiert Art. 9 den Frauen für sich selbst und für ihre Kinder. In vielen Ländern ist dieses Recht auch heute noch nicht selbstverständlich, so daß die Teilhabe von Frauen, die zum Beispiel mit einem Ausländer verheiratet sind, besonders aber von ihren Kindern, am Rechts- und Sozialsystems des jeweiligen Landes stark eingeschränkt ist. Detaillierte Maßnahmen, mit denen Diskriminierungsformen und Tatbestände im Bildungs- und Erwerbsbereich zu beseitigen sind, enthalten die Art. 10 und 11. Weiterhin erlegt Art. 12 dem Vertragsstaat sämtliche geeigneten Maßnahmen auf, mit denen die Diskriminierung von Frauen im Gesundheitsbereich zu verhindern ist und ihnen ein gleichberechtigter Zugang zum Gesundheitswesen und eine angemessene gesundheitliche Betreuung vor während und nach der Schwangerschaft zu ermöglichen ist. Diskriminierungsverbote von Frauen im wirt-

schaftlichen, sozialen und kulturellen Leben werden in Art. 13 definiert; die Gleichstellung mit dem Mann vor dem Gesetz statuiert Art. 15. Sämtliche Diskriminierungsverbote werden für Frauen auf dem Lande noch einmal gesondert in Art. 14 gebündelt. Damit werden die sich kumulierenden Diskriminierungsformen und -tatbestände zur Kenntnis genommen, denen Frauen in diesem gesellschaftlichen Sektor ausgesetzt sind, der die Wirtschafts- und Sozialstrukturen nach wie vor in vielen Ländern der Welt bestimmt. Als das Übereinkommen verabschiedet wurde, waren bestimmte Diskriminierungsformen noch nicht in das politische Bewußtsein gedrungen. Deshalb wird öffentliche und private Gewalt gegen Frauen im Übereinkommen nicht ausdrücklich benannt. Diese Diskriminierungsformen und -tatbestände sind von CEDAW jedoch rechtlich erfaßt, da es jede Form der Diskriminierung verbietet und Maßnahmen auf allen Gebieten ergriffen werden müssen. Der Ausschuss hat in seinen allgemeinen Empfehlungen Nr. 12, 14, 19 und 21 die vielfältigen Erscheinungsformen von Gewalt gegen Frauen in allen Lebensbereichen beschrieben und diejenigen gesetzgeberischen und anderen Maßnahmen formuliert, zu denen sich ein Vertragsstaat verpflichtet, um Gewalt gegen Frauen zu verhindern, ihnen als Opfern zu helfen und die Täter zu bestrafen oder zu resozialisieren. Diese allgemeinen Empfehlungen des Ausschusses dienen der ergänzenden Auslegung des Übereinkommens; sie haben keinen „harten“ Rechtscharakter. Ergänzend sei auf weitere, wichtige Empfehlungen des Ausschusses hingewiesen: Nr. 23 interpretiert die Art. 7 und 8 (Frauen im politischen und öffentlichen Leben und in der Vertretung ihres Landes auf internationaler Ebene) sehr ausführlich, Empfehlung Nr. 24 erläutert den im 63


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Übereinkommen sehr kurz gehaltenen Art. 12 (Frauen und Gesundheit). Die in Art. 16 benannten Diskriminierungsformen und -tatbestände von Frauen in Ehe und Familie werden durch Empfehlung Nr. 21 interpretiert. Vorgesehen ist eine weitere Empfehlung zu Art. 4 Abs. 1 (zeitweilige Sondermaßnahmen) da es hier an einer hinreichenden Umsetzung in vielen Vertragsstaaten fehlt. Besondere Bedeutung wird der gleichfalls noch zu erarbeitenden Empfehlung zu Art. 2 zukommen, mit der Verpflichtungscharakter des Übereinkommens genauer verdeutlicht werden soll.

ne Gleichbehandlung) und § 612 Abs. 3 BGB (gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit) aufgenommen. Gegenüber solchen, sehr konkreten Vorgaben der regionalen Ebene haben es Regelungsgehalte des Frauenrechtsübereinkommens schwer, konkreten Niederschlag in der Rechtsordnung und -wirklichkeit der Bundesrepublik Deutschland zu finden. Hinzu treten bedeutende innergesellschaftliche Impulse, wie beispielsweise die Frauenbewegung, die manche Forderungen bereits erhoben hat, bevor diese auf der Ebene der Vereinten Nationen relevant geworden sind. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß die völkerrechtlichen Menschenrechtsverträge – anders als EG-Recht – keinen Vorrang gegenüber nationalem Recht genießen, sondern vielmehr – wie die Konvention selbst – den Rang einfachen Bundesrechts haben. Die Stellungnahmen und Entscheidungspraxis des CEDAW-Auschusses selbst ist für die jeweiligen Vertragsstaaten nicht rechtsverbindlich. Trotz dieser grundlegenden Einschränkungen ist festzuhalten, daß der Arbeit des Ausschusses – wie auch die anderer Vertragsorgane, die mit der Überwachung der Verpflichtungen aus völkerrechtlichen Menschenrechtsverträgen betraut sind – eine nicht zu unterschätzende Rolle zukommt. Diese wird vor allem in den Staatenberichtsverfahren, die sämtlichen dieser Ausschüsse gemein sind, deutlich. Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, nach Inkrafttreten einer Menschenrechtsvereinbarung für sie in regelmäßigen Abschnitten über die Fortschritte bei der Umsetzung der Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen an das jeweilige Vertragsorgan – hier den CEDAW-Ausschuß – zu berichten. Diese Berichtsverfahren fordern eine umfassende Darlegung derjenigen Maßnahmen, die getroffen wurden, um die jeweiligen Verpflichtungen im

2. Wirkungen Das Frauenrechtsübereinkommen teilt das Schicksal anderer Menschenrechtsverträge, insbesondere solche auf der Ebene der Vereinten Nationen, daß seine Auswirkungen auf Rechtsordnung und -wirklichkeit der Bundesrepublik Deutschland nur schwer meßbar erscheinen. Dies liegt zum einen daran, daß die Bundesrepublik Deutschland Mitglied des Europarates und Vertragsstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention ist. Dies bedeutet, daß wesentliche menschenrechtliche Impulse von dieser Ebene ausgehen. Auf dem Gebiet der Frauenrechte, insbesondere der Gleichstellung von Mann und Frau kommt hinzu, daß dieser Bereich in deutlichem Maße durch das Recht der Europäischen Gemeinschaften geprägt wird. Zu erinnern ist hier – neben Art. 137 und 141 EGV - an die diversen Gleichstellungsrichtlinien wie Richtlinie 75/117/EWG und Richtlinie 76/207/EWG. Diese europarechtlichen Vorgaben haben zum sogenannten arbeitsrechtlichen EG-Anpassungsgesetz vom 13. August 1980 geführt, das entsprechende Umsetzungsvorschriften enthält. So wurden in das Recht des Dienstvertrages § 611a BGB (allgemei64


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nationalen Recht und bei dessen Anwendung zu beachten und ihnen Wirksamkeit zu verschaffen. Die Ausschüsse begnügen sich dabei nicht damit, eine Aufzählung von Verfassungs- und Gesetzesbestimmungen entgegenzunehmen, mit deren Inkraftsetzen die Mitgliedsstaaten mitunter meinen, ihren Verpflichtungen genüge getan zu haben. Vielmehr ist es erforderlich, daß die Regierungen auf konkrete Maßnahmen im einzelnen eingehen und deren Auswirkungen auf die betroffenen Rechte darlegen. Die Ausschüsse sind bemüht, im Rahmen eines sogenannten konstruktiven Dialogs mit den Delegationen der Vertragsstaaten kritische Punkte bei der Umsetzung zu erörtern und gemeinsame Wege für eine Verbesserung der Situation zu finden. In den abschließenden Bemerkungen, mit denen der Ausschuß den Bericht des Staates kommentiert, werden nach einem bestimmten Muster die sogenannten positiven Aspekte angesprochen. Hieran schließt sich eine Darstellung der kritischen Punkte und Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Verpflichtungen aus dem Übereinkommen an, gefolgt von konkreten Aufforderungen oder Vorgaben des Ausschusses, wie der Staat den erkannten Problemen noch besser begegnen und die übernommenen Verpflichtungen wirksamer erfüllen kann. Im Laufe der Zeit entwickelt sich idealerweise ein aufeinander abgestimmtes Zusammenwirken von Ausschuß und Vertragsstaat, das zu einer vernünftigen Realisierung der übernommenen Verpflichtung führen kann. Gegenüber der Bundesrepublik Deutschland zeigte sich der Ausschuß beispielsweise darüber besorgt, daß trotz zwischenzeitlicher Anstrengungen die Umsetzung des Übereinkommens für Frauen in den neuen Bundesländern nach wie vor hinter dem Standard in den alten Ländern zurück-

falle. Außerdem drückte er etwa seine Betroffenheit über die fortdauernden Benachteiligungen aus, die Frauen in vielen Bereichen des Arbeitslebens und der Wirtschaft erführen und weist in diesem Zusammenhang auf das Fortbestehen von Lohndifferenzen zwischen Frauen und Männern hin. Außerdem weist er beispielsweise daraufhin, daß Prostituierte noch immer nicht im Schutz des Arbeits- und Sozialrechts unterliegen, obwohl sie gesetzlich zur Zahlung von Steuern verpflichtet sind. Besondere Bedeutung kommt dem Staatenberichtsverfahren auch dabei zu, die innergesellschaftliche Diskussion im jeweiligen Vertragsstaat anzuregen. Dies kann, unbeschadet der Tatsache, daß die Berichte von den jeweiligen Regierungen erstellt werden, sowohl im Vorfeld der Berichterstellung als auch nach dem Vorliegen der abschließenden Bemerkungen des Ausschusses geschehen. Während die Regierung die Staatenberichte in eigener Verantwortung, gegebenenfalls unter Einbeziehung der Bundesländer, erstellt, sind die Zivilgesellschaft und insbesondere auf dem jeweiligen Gebiet tätige Nichtregierungsorganisationen aufgefordert, den Gegenstand des Berichts aus ihrer Sicht darzustellen und so dem Ausschuß ein möglichst komplettes Bild durch die Zusammenschau amtlicher und nichtamtlicher Stellungnahmen zu ermöglichen. Die Ausschüsse nehmen entsprechendes NGO-Material stets zur Kenntnis, gerade auch um den Regierungsdelegationen in konstruktiven Dialogen die anderen Sichtweisen auf bestimmte Problemlagen vorhalten zu können. Beinahe noch wichtiger jedoch ist die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen nach der Stellungnahme des Ausschusses. Denn häufig ist die Rückwirkung von der Ebene der Vereinten Nationen in den jeweiligen Vertragsstaat problema65


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tisch: das Interesse der Medien an entsprechender Berichterstattung ist erlahmt, die Diskussion hat sich längst anderen Fragen zugewendet und die Regierungen sind häufig nicht daran interessiert, eventuell kritische Berichte einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Hier schlägt nun die Stunde der Zivilgesellschaft, deren Aufgabe es sein sollte, die Stellungnahmen des Ausschusses publik zu machen. In diesem Sinne äußert sich gerade auch CEDAW: „So fordert der Ausschuß die weite Verbreitung der vorliegenden abschließenden Bemerkungen in Deutschland, um die Bevölkerung, insbesondere Regierungsbeamte und Politiker auf die Schritte hinzuweisen, die unternommen wurden um die Gleichstellung der Frauen de-jure und de-facto zu sichern und die zukünftigen Schritte, die in dieser Hinsicht erforderlich sind. Er fordert die Regierung außerdem dazu auf, das Übereinkommen und das Fakultativprotokoll dazu zu nutzen, die allgemeinen Empfehlungen des Ausschusses, die Pekinger Erklärung und die Aktionsplattform weiterhin zu verbreiten, insbesondere an Frauen und Menschenrechtsorganisationen.“

Zusatzprotokoll wurde von der Generalversammlung am 6. Oktober 1999 verabschiedet. Es wird drei Monate nach der Ratifikation durch den zehnten Staat in Kraft treten. Bislang haben vierundzwanzig Staaten unterzeichnet; es liegen vier Ratifikationen (Dänemark, Frankreich, Namibia und Senegal; Stand 12. Juni 2000) vor. 1. Die Individualbeschwerde Diejenigen Staaten, die das Protokoll ratifizieren, unterwerfen sich gemäß Art. 1 dem Individualbeschwerdeverfahren. Die in Anlehnung an das Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte sogenannte Mitteilung kann von betroffenen einzelnen, einer Gruppe von betroffenen Individuen oder im Namen von Betroffenen (dann allerdings nur mit deren Zustimmung) an den Ausschuß gerichtet werden (Art. 2 FP). Eine solche Mitteilung muß schriftlich und darf nicht anonym eingelegt werden. Sie kann nur gegen Staaten gerichtet werden, die das Fakultativprotokoll ratifiziert haben. Vor der Einlegung muß der innerstaatliche Rechtsweg ausgeschöpft sein. Eine Beschwerde darf auch nicht bei einem anderen Überwachungsmechanismus anhänglich oder dort bereits entschieden worden sein. Weiterhin sind rechtsmißbräuchliche Beschwerden unzulässig. Die vorgebrachten Behauptungen müssen substantiiert dargelegt werden. Gegenstand einer Beschwerde können nur Vorkommnisse sein, die nach der Ratifikation des Fakultativprotokolls durch den betroffenen Staat eingetreten sind, es sei denn, die Diskriminierungstatbestände bestehen auch danach noch fort (Art. 4 FP). Dem Ausschuß ist es nach Art. 5 FP möglich, sich mit der dringenden Bitte an den betroffenen Ver-

III. Das Fakultativprotokoll Nach bereits früher unternommenen, aber fehlgeschlagenen Versuchen, auch das Frauenrechtsübereinkommen mit einem Individualbeschwerdeverfahren zu versehen, wurden konkrete Vorarbeiten für ein Zusatzprotokoll 1995 aufgenommen. Oberste Zielsetzungen dieses Zusatzprotokolls sind es, einerseits betroffenen Frauen ein Beschwerdeverfahren vor dem Ausschuß zu ermöglichen, andererseits dem Ausschuß selbst ein Untersuchungsverfahren in denjenigen Staaten zu erlauben, in denen schwere und systematische Diskriminierungen an Frauen vorliegen. Das 66


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tragsstaat zu wenden, sofortige Maßnahmen zu ergreifen, um irreparable Schäden für die Beschwerdeführerin zu vermeiden. Nachdem der Ausschuß die Mitteilung für zulässig erklärt hat, leitet er sie zur Stellungnahme an die Regierung weiter. Diese muß binnen sechs Monaten erfolgen. Der Ausschuß erörtert den Fall in Kamera und übermittelt seine Entscheidungen („View“) dem Vertragsstaat. Dieser soll binnen sechs Monaten eine schriftliche Stellungnahme formulieren und darin insbesondere über die Maßnahmen berichten die er zur Abhilfe und Wiedergutmachung getroffen hat (Art. 7 FP).

che oder erniedrigende Behandlung oder Strafe nachempfunden ist, werden dem Vertragsstaat zur Kenntnis gebracht, damit dieser hierzu Stellung nehmen kann. Nach Ablauf einer 6-Monatsfrist ist es dem Ausschuß möglich, vom Vertragsstaat Informationen über die von ihm eingeleiteten Abhilfemaßnahmen zu verlangen (Art. 9 FP). Ein Staat kann jedoch bei der Ratifikation (wie auch im Fall der Anti-Folter-Konvention) das Untersuchungsverfahren gemäß Art. 10 für sich ausschließen. Diese „obting out“-Möglichkeit kann jedoch nur gleichzeitig mit der Ratifizierung in Anspruch genommen werden. Ein Widerruf dieser Erklärung ist jederzeit möglich. Das Fakultativprotokoll wird dazu dienen, die Kenntnis über CEDAW zu verbreitern und die dort garantierten Rechte effektiver zu schützen. Die im Vergleich mit dem älteren Fakultativprotokoll des Zivilpakts fortschrittlichen Regelungen über die Individualbeschwerde und das Untersuchungsverfahren sind ein spätes, aber sicher nicht verspätetes Zeichen für die heute gewachsene Akzeptanz von Frauenrechten.

2. Das Untersuchungsverfahren Eine besondere Neuerung stellt die in Art. 8 FP vorgesehene Kompetenz des Ausschusses dar, ein vertrauliches Untersuchungsverfahren in einem Vertragsstaat einzuleiten. Voraussetzung hierfür ist lediglich, daß ihm verläßliche Informationen über schwere und systematische Menschenrechtsverletzungen in einem Vertragsstaat in bezug auf die im Übereinkommen garantierten Rechte vorliegen. Ein oder mehrere Ausschußmitglieder dürfen nach Ankündigung und mit Zustimmung des Vertragsstaates dann einreisen, um die Angelegenheit zu prüfen. Die Ergebnisse dieses Verfahrens, das demjenigen nach Art. 20 des Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschli-

Dr. Norman Weiß ist wissenschaftlicher Assistent im MenschenRechtsZentrum der Universität Potsdam. http://enterprise.rz.uni-potsdam.de/ u/mrz/index.htm

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THEMA

„UNS KRIEGEN SIE NICHT KLEIN“ Zur Lage der Frauen in Afrika, Asien und Lateinamerika

von Christa Randzio-Plath, Mitglied des Europäischen Parlamentes eigenen Weg zu gehen und zur Entwicklung ihres Landes beizutragen. Frauen geben Normen und Verhaltensweisen weiter. Die Versorgung der Bevölkerung im Süden hängt von ihnen ab, Kindererziehung, Haushalt, Hygiene, Gesundheit und die Sorge um den Alltag sind nach wie vor Frauendomäne. Dabei sind die Frauen im Süden auch weiterhin bei Bildung und Ausbildung, Ernährung und Gesundheitsvorsorge benachteiligt. Die Schuldenkrise hat ihre Lage verschärft, weil die Streichungen von Subventionen für Grundnahrungsmittel oder Personenbeförderung, die Kürzungen für Erziehung, Soziales und Gesundheitswesen aufgrund der Strukturanpassungsprogramme vor allem sie treffen.

Jeden Tag geschieht ein kleines Wunder: In den Frauenprojekten des Marie-Schlei-Vereins verarbeiten Frauen Gemüse und Fisch, Baumwolle und Früchte, fischen, stellen Salz her, verbessern Bewässerung und Boden oder züchten Hühner und Schweine, zimmern und schreinern. Die Frauen in Afrika, Asien und Lateinamerika - Sie haben sehr unterschiedliche Lebensbedingungen. Sie alle aber wissen: „Wir tragen eine schwere Last. Wer sollte sie denn tragen, wenn nicht wir Frauen (Lied aus Simbabwe)?“ Frauen haben eine von Land zu Land unterschiedliche Rolle, Funktion und Situation im Entwicklungsprozess. Sie brauchen Unterstützung bei einem von ihnen bestimmten Entwicklungsweg. Die Frauen im Süden kämpfen ums Überleben. Der Marie-Schlei-Verein hilft den Frauen, ihren

Der Frauenalltag ist mühselig und hart. Die Feminisierung der Armut im Süden hat zugenommen. 68


„UNS KRIEGEN SIE NICHT KLEIN“ Christa Randzio-Plath

Die Zahl der Frauen, die in absoluter Armut leben, ist in den letzten 20 Jahren um 50% gestiegen, die Zahl der Männer um 30%. Noch immer sind 2/3 aller Analphabeten Frauen. Mädchen besuchen die Schule seltener und kürzer als Jungen. An Berufsausbildung haben Frauen einen geringen Anteil. Trotzdem verzweifeln sie nicht. Frauen organisieren sich - ihren Alltag und ihr Überleben. Sie wissen, was sie wollen und brauchen. Der Marie-Schlei-Verein hilft ihnen, ihre eigenen Projektideen umzusetzen.

ven, die der Ausbeutung der Umwelt ein Ende setzen wollen. Beispiele sind Wiederaufforstungs-, Tierhaltungs-, Gemüse-, Obst- und Salzprojekte. Ohne die Leistungen der Frauen im Süden werden Hunger, Armut, Unwissenheit und Gewalt nicht überwunden werden können. Deswegen stellen die UNO-Konferenzen von Rio, Kairo, Kopenhagen und Peking die Stärkung der Rolle der Frau als Schlüssel zur Entwicklung heraus. Frauen können allerdings nur dann zur umweltgerechten Entwicklung beitragen, wenn sie und ihre Pläne unterstützt werden und ihren eigenständigen Entwicklungsweg gehen können. Die Förderung ihrer Ausbildungsprojekte ist ein Schritt zur Armutsbekämpfung. Die Projekte und die Art der Ausbildung sind so vielseitig wie die Frauen, die sie planen und durchführen, und zeigen, dass Mut und Engagement Veränderungen herbeiführen können. Allen ist gemeinsam, dass die Frauen sich selbst helfen, für eine bessere Zukunft für sich und ihre Familien. Dafür setzen sie sich ein. Wir müssen ihnen dabei Partnerinnen sein. Denn – ohne Frauen geht es nicht.

Frauen sind Opfer, aber auch Täterinnen der Umweltzerstörung in den Ländern des Südens. Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung weist Frauen eine zentrale Rolle im Umweltschutz zu: Sie sind zu über 50% in allen Ländern des Südens, im südlichen Afrika zu 80% für die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln, mit Wasser und Brennholz, für die Feldarbeit, aber auch für Groß- und Kleintierhaltung zuständig. Um zu überleben, müssen Frauen oftmals die Natur ausbeuten, obwohl sie wissen, dass sie sich damit ihre Existenzgrundlage zerstören. Die Wege zu Wasserquellen und Brennholz werden länger, die Anlage von Gemüsebeeten wird beschwerlicher. In den Städten sinkt die Luftqualität und steigen die Erkrankungen der Atemwege. Doch die Frauen müssen an heute denken, obwohl ihnen das Aufwachen am Morgen die Umweltvernichtung bewusst macht. Sie wollen aufforsten und Boden schonen, aber ihnen fehlen Macht, Geld und technisches Wissen. Die sachgerechte Verwaltung der Umwelt, der Schutz ihrer lebenserhaltenden Systeme und der biologischen Vielfalt sind Teil der Frauenalltagsarbeit im Süden, weil sie die wichtigen Bewirtschafterinnen der Umwelt sind. Darum unterstützt der Marie-Schlei-Verein Fraueninitiati-

Frauenpolitische Bilanz 2000 Fünf Jahre nach der UNO-Weltfrauenkonferenz in Peking zeigte die frauenpolitische Bilanz der Sondervollversammlung der Vereinten Nation nur wenige positive Zeichen: Die Gleichstellung von Frau und Mann wurde im Jahr 2000 nicht erreicht. Allerdings haben sich in mehr als 100 Staaten die rechtlichen Rahmenbedingungen verbessert. Frauenförderung ist angesagt. Ihre Durchsetzung müssen Frauennetzwerke weltweit erzwingen.

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„UNS KRIEGEN SIE NICHT KLEIN“ Christa Randzio-Plath

Weltweit wird jede fünfte Frau Opfer von Gewalt. Zwei Millionen Mädchen werden jährlich beschnitten. Frauenhandel und Zwangsprostitution sind Teil einer globalisierten Sexindustrie. Jedes Jahr sterben mehr als eine halbe Million Frauen an den Folgen fehlender medizinischer Betreuung bei der Geburt. 99% der Todesfälle bei einer Schwangerschaft und 50% der Aids-Erkrankungen treffen Frauen in Afrika, Asien und Lateinamerika. Wirksamen Mutterschutz gibt es nur in 29 Staaten Afrikas und Asiens. Zwei von drei Analphabeten sind Frauen. Frauen verdienen nur 50% der Männerlöhne. Zweidrittel der Menschen, die an der Armutsgrenze leben, sind Frauen. Frauen machen die Mehrheit der 1,5 Milliarden Menschen aus, die nur über einen US-Dollar pro Tag für ihren Lebensunterhalt verfügen. Die Feminisierung der Armut im vergangenen Jahrhundert konnte also nicht aufgebrochen werden. Verbote, zu erben, Land zu besitzen oder zu nutzen, tragen zur Armut bei, weil Frauen weder Zugang zu Krediten oder technischem Know-how bekommen. Sie können keine Sicherheiten bieten.

lassen den Frauen die Verantwortung für die Familie. In den Entwicklungsländern sind die Ärmsten der Armen die ländlichen und städtischen Haushalte, die einen weiblichen Hausvorstand haben, gefolgt von denen, die von dem Einkommen der Frau abhängen - sie liegen unter dem Existenzminimum. Insbesondere im südlichen Teil Afrikas sind alleinerziehende Frauen als Folge der Migration der Männer und der Neuaufteilung von Grund und Boden ein neues Phänomen. Die Globalisierung hat die Erwerbstätigkeit der Frauen gefördert, mehr Frauen denn je gehen einer bezahlten Erwerbstätigkeit nach, vor allem im Dienstleistungssektor. Während es in Afrika und Asien keine geschlechtsspezifische Beschäftigungszunahme gibt, ist die Zuwachsrate bei den weiblichen Erwerbstätigen in Lateinamerika mehr als dreimal so hoch wie die der Männer. In den Entwicklungsländern sind vergleichbare Angaben nur schwer möglich, weil die Hauptzahl der Arbeitsplätze der Frauen im informellen Sektor angesiedelt ist. Sie stellen 60 bis 80% der Beschäftigten. Frauen sind besonders von den Veränderungen und Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt betroffen. Neue typische Frauenarbeitsplätze entstanden im Zeichen der Globalisierung in den Exportzonen einiger Entwicklungsländer mit ihren niedrigen Löhnen für arbeitsintensive Produktionen oder Datenverarbeitung. Globalisierungswirkungen sowie die Kommunikationstechnologien haben Frauen zu neuen Arbeitsplätzen verholfen, jedoch häufig in prekären Arbeitsverhältnissen ohne soziale Absicherung und Ansehen. So wird die Frau als Arbeitskraft zum Standortvorteil einer Region oder eines Landes, wenn es um Unternehmensansiedlungen

35% aller Haushalte weltweit haben einen weiblichen Haushaltsvorstand. In Mittel- und Südamerika sind Ein-Eltern-Familien aus finanziellen und kulturellen Gründen Tradition. In Afrika haben wirtschaftliche Entwicklungen und Abwanderungen aus den Städten zu mehr weiblichen Haushaltsvorständen geführt. Frauen geraten auch wegen der Strukturanpassungsprobleme der internationalen Finanzinstitutionen, der Sparmaßnahmen in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Verkehr und anderen unzureichenden sozialen Leistungen in die Armutsfalle. Auch Armutsmigration, Umweltkatastrophen und Flüchtlingsströme verändern die Familienstrukturen und über70


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oder die Auslagerung von Produktionen und Dienstleistungen geht. Im Textilbereich liegt der Frauenanteil an den Beschäftigten bei fast 90%, in den freien Produktionszonen bei rund 70%. Andererseits führt die fortschreitende Technologisierung auch zu einem Verlust von Frauenarbeitsplätzen, weil die Rationalisierungsinvestitionen rentabler wurden als der Einsatz weiblicher Arbeitskräfte. So sank in den frauentypischen Berufen der Industriebetriebe in Mexiko und Singapur der Frauenanteil seit dem Ende der 80er Jahre von 80 auf 60%. Die Asienkrise hat nach Schätzungen zu mindestens 10 Millionen zusätzlichen Arbeitslosen geführt, betroffen waren vor allem Frauen. In allen Staaten besteht die Lohndiskriminierung fort. Frauenlöhne für gleiche und gleichwertige Arbeit betragen rund 75% der Männerlöhne. Allerdings gibt es auch Ausnahmen: In Tansania, Vietnam und Sri Lanka verdienen die Frauen 90% oder mehr der Männerlöhne.

cherheit geprägt ist. Für Indien wird geschätzt, dass 94% der Frauen nicht im formellen Sektor beschäftigt sind. Vielfach hängen sie von Heimarbeit als Geldquelle ab. 80% der erwerbstätigen indischen Frauen sind in der Landwirtschaft tätig, die ihnen keinen Zugang zu Geldeinkommen vermittelt. Hinzu kommen gesellschaftliche Diskriminierungen und die Familienpflichten als Frau. Auch deswegen arbeiten Frauen durchschnittlich mehr Stunden am Tag als Männer. In den Entwicklungsländern entfällt auf Frauen ein Arbeitsanteil von durchschnittlich 53% der Arbeitszeit. Das Recht der Frauen auf Bildung wurde im 20. Jahrhundert in vielen Staaten durchgesetzt. Dennoch sind immer noch zwei von drei Analphabeten Frauen. 1995 besuchten weltweit 24,5% aller Mädchen keine Schule. In Südostasien ist es für ein Drittel und in Afrika sogar für mehr als die Hälfte der Mädchen unwahrscheinlich, dass sie eine Schule besuchen werden. Die Analphabetenrate der Frauen ist in 40 UN-Mitgliedstaaten um 20%, in 66 UN-Mitgliedstaaten um 10% höher als die der Männer. Dennoch ist weltweit der Bildungsstand der Frauen insgesamt gestiegen, der Trend geht überall nach oben. Dabei korrelieren der Entwicklungsstand von Staaten und Regionen insgesamt und der Alphabetisierungsgrad der Frauen in einem starken Maße. Auffällig ist der Zusammenhang zwischen den Schulbesuchen der Mädchen im Sekundarbereich und dem Pro-KopfBruttosozialprodukt. Die Weltwirtschafts- und Finanzkrisen verlangsamen den Trend, können aber das Aufholen der Mädchen und Frauen in der Bildung nicht aufhalten. Schließlich haben Investitionen in die Bildung von Mädchen durch ihre Auswirkung auf Entwicklung, Familienplanung und Modernisierung eine höhere volkswirt-

Zunehmend mehr Frauen werden Unternehmerinnen als Alternative zur Arbeitslosigkeit. Die Selbständigkeit als Händlerin hat in vielen Staaten Tradition. In allen Entwicklungsländern gab und gibt es erfolgreiche Unternehmerinnen. Heute sind 10% aller Unternehmensgründungen in Nordafrika Existenzgründungen von Frauen. In den Entwicklungsländern sind weibliche Selbständige stark verbreitet. Sie machen in Afrika rund 50% aller Selbständigen aus. Für sie sind Mikrokredite ein guter Förderansatz. Er muss aber mit Beratung und beruflicher Qualifizierung einhergehen. Immer mehr Frauen in verschiedenen Kontinenten arbeiten jedoch im informellen Sektor, der durch schlechte Arbeitsbedingungen, extrem schlechte Einkommenschancen und soziale Unsi71


„UNS KRIEGEN SIE NICHT KLEIN“ Christa Randzio-Plath

schaftliche Rendite als Bildungsinvestitionen in Jungen. Für Kenia beispielsweise ergaben Berechnungen, dass mit Ertragssteigerungen in der Landwirtschaft um 7 bis 22% zu rechnen wäre, wenn Frauen und Männer gleich gut ausgebildet wären. Wenn in 72 Entwicklungsländern doppelt so viele Frauen eine höhere Schulausbildung bekommen würden, könnte nach Berechnungen der UN-Organisationen die Kindersterblichkeit in diesen Ländern um über 60% sinken.

die Situation der Frauen in vielen Ländern immer noch kritisch. Zwar hat es Fortschritte im Bereich der nationalen Gesetzgebung gegeben. Doch die Anerkennung der fundamentalen Rechte der Frauen und ihr Schutz sind noch nicht in allen Staaten durchgesetzt. Für die Frauen im Süden steht die Armutsbekämpfung an erster Stelle. Die geringen Fortschritte insbesondere in Südasien und in Afrika südlich der Sahara müssen zu verstärkter Entwicklungszusammenarbeit im Interesse der Frauen führen. 0,7% des Bruttosozialprodukts sind wenig genug. Aber müssen sie jedenfalls von Europa geleistet werden. In die deutsche und europäische Entwicklungsarbeit muss die Gleichstellung der Geschlechter in alle Entwicklungsvorhaben integriert werden. Umfangreiche Mittel müssen nicht nur für die rechts- und sozialpolitische Beratung, sondern auch für das berufliche und ökonomische Empowerment der Frauen zur Verfügung gestellt werden.

Dennoch sind Geldknappheit der Eltern und Familienpflichten der Mädchen immer noch Ursache für vorzeitigen Schulabbruch. Ausserdem bleibt Mädchenbildung in vielen Ländern immer noch von Geschlechtsstereotypen geprägt. Die meisten Berufsausbildungsangebote wenden sich an Männer. Selbst zu nicht-formaler Ausbildung in der Landwirtschaft haben nur 15% der Frauen Zugang. Staaten, die mehr in Mädchen investieren und höhere Einschulungsquoten haben als andere, haben bessere Entwicklungsperspektiven als andere. Nur 4% der weltweiten Militärausgaben wären erforderlich, um die Analphabetenrate zu halbieren und die Chancengleichheit durchzusetzen.

Die Sicht der Frauen-Forderungen an die Entwicklungszusammenarbeit Die Sicht der Frauen muss noch stärker als bisher in die Entwicklungszusammenarbeit einbezogen werden. Folgende Forderungen sind von Bedeutung: 1) Die Frauen haben das Recht, den Entwicklungsprozess ihres Landes mitzubestimmen und an der Entwicklung des Landes teilzuhaben, weil sie die gleichen Rechte wie Männer haben. Dieser Anspruch ergibt sich nicht nur aus der UNO-Charta und internationalen Konventionen, sondern auch aus der Mehrzahl der nationalen Verfassungen der Länder. 2) Die Interessen und Bedürfnisse der Frauen sind in den Entwicklungsprozess wie schon in die Entwicklungsplanung und die Entwick-

Frauenpolitische Perspektiven Auf der Peking+5-Konferenz im Juni 2000 in New York wurde die Wichtigkeit der Ziele, die bereits 1995 auf der IV. Weltfrauenkonferenz in Peking festgelegt wurden, nochmals bestätigt. Gleichstellung der Männer und Frauen, Gleichberechtigung in der Gesellschaft, im Beruf, in der Ausbildung und in der Familie stehen dabei an oberster Stelle neben der Verhütung von Gewalt und der Anerkennung der Menschenrechte der Frauen. Fünf Jahre nach der Schaffung der Aktionsplattform ist 72


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Der Marie-Schlei-Verein e.V. ist eine gemeinnützige Nichtregierungsorganisation, die 1984 in Erinnerung an die frühere Entwicklungshilfeministerin Marie Schlei gegründet wurde. Der Verein fördert Frauenausbildungsprojekte, informiert über die Rolle der Frau in Afrika, Asien und Lateinamerika und baut partnerschaftliche Beziehungen zu einheimischen Frauengruppen und -organisationen auf. Adresse: Hadermannsweg 23 · 22459 Hamburg Tel.: 040/5518364 · Fax.: 040/5553986 Bankverbindung: SPARDA Hamburg · Kto. 602 035 · BLZ 206 905 00 Homepage: http://home.-t-online.de/home/marie-schlei-verein/ e-mail: Marie-Schlei-Verein@t-online.de

stens 0,7% des Bruttosozialproduktes müssen für Entwicklungszusammenarbeit stehen. Trotz aller notwendigen Anstrengungen im geeinten Deutschland sowie für Europa und insbesondere Osteuropa wäre es fatal, wenn im Sinne eines Euro-Egoismus die Lösung des Nord-Süd-Konfliktes nur nachrangige Aufmerksamkeit bei uns finden würde. Die Qualität der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit muss verbessert und die Mittel erhöht werden.

lungsprozesse über Entwicklungszusammenarbeit einzubeziehen. Frauen sind nicht als integrationsbedürftige Objekte zur Produktivitätssteigerung und Steuerung der Familienplanung, sondern als handelnde Subjekte zu betrachten. 3) Strukturveränderungen der Gesellschaft müssen im Mittelpunkt von Entscheidungen stehen. Daher müssen alle entwicklungspolitischen Maßnahmen dahingehend geprüft werden, inwieweit sie negativ oder positiv die Interessen und Bedürfnisse der Frauen beeinflussen und inwieweit sie positiv zu von Frauen vorgeschlagenen Strukturveränderungen beitragen oder diese möglich machen. 4) Wir wissen, dass Kapitalismus und Patriachat überall eine gelungene Verbindung eingegangen sind, die Frauen in der sogenannten Dritten Welt zu Ausbeutungsobjekten macht. Die Weltwirtschaftsordnung und internationale Arbeitsteilung sind das Ergebnis, die weltweite Verteilungsungerechtigkeit ihre Folge. 5) Die Industrieländer müssen endlich die NordSüd-Frage als die große internationale Herausforderung der Zukunft anerkennen. Minde-

Christa Randzio-Plath ist seit 1989 SPD-Abgeordnete im Europäischen Parlament. Sie ist Mitbegründerin und Vorsitzende des seit 1984 existierenden Marie-Schlei-Vereins e.V., einer gemeinnützigen Nichtregierungsorganoisation für die Hilfe für Frauen in Afrika, Asien und Lateinamerika. www.home.t-online.de/home/ C.Randzio-Plath.MdEP/msv-hol.htm 73


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„AUGEN ZU UND DURCH“ Sozialdemokratische Politik in Zeiten knapper Kassen am Beispiel der Kita-Kürzungen

von Uta Reichel

erinnert, um alle Einwände gegen überzogene Sparmaßnahmen zu erledigen. Am Beispiel der geplanten drastischen Mittelkürzungen und Gesetzesänderungen bei den Kindertagesstätten (Kita) lässt sich dieser Politikstil sehr anschaulich nachvollziehen. Die Argumentation von Minister Steffen Reiche ist scheinbar einleuchtend: Um den Kindern nicht die Last einer immensen Staatsverschuldung aufzubürden, müsse jetzt gespart werden – natürlich auch bei den Kindern und zwar kräftig. Schlichte „Wahrheiten” haben sicher den großen Vorteil, für jedermann verständlich zu sein, aber den komplexen Problemen unserer Gesellschaft werden sie oft nicht gerecht. Wenn sich Politik in ihnen erschöpft werden sie schnell zum Vorwand, auch berechtigte und fundierte Kritiken zu ignorieren, um eigene falsche Positionen nicht revidieren zu müssen. Der darin durch-

Haushaltspolitische Notwendigkeiten (?) Das Primat der Politik in Land und Bund besitzt gegenwärtig die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte. Angesichts des aufgehäuften Schuldenberges ist eiserne Sparsamkeit das Gebot der Stunde. Wer will schon die Verantwortung dafür übernehmen, dass der finanzielle Spielraum des Staates in ein paar Jahren unter Null liegt und die pro-Kopf-Verschuldung die Bürgerinnen und Bürger zu erdrücken droht?! Das wäre Raubbau an der Zukunft, an den Lebenschancen der nächsten Generationen – unserer Kinder also. Gelegentlich gewinnt man den Eindruck, dass hinter dieser Prämisse alle „übrigen” Themen zu verschwinden drohen. Konkrete Politik orientiert sich zu allererst an den Haushaltsvorgaben, noch bevor eine sachlich-inhaltliche Konzeption überhaupt vorliegt. Im Zweifel wird an das o.g. Primat 74


AUGEN ZU UND DURCH Uta Reichel

scheinende Anspruch, unfehlbar zu sein, wirkt wie aus einer anderen Welt und sollte dem Papst vorbehalten bleiben. (Es gab hierzulande auch mal eine Partei, die sich in diesem Wahn-Sinne besingen ließ ...) Woher kommt der Schuldenberg, auf dem wir Brandenburger jetzt sitzen? Er ist im Laufe eines Jahrzehnts entstanden, aus der unabweislichen Notwendigkeit, hohe Investitionen vor allem in die „wirtschaftsnahe und soziale Infrastruktur” des Landes zu pumpen, als Voraussetzung für eine gesunde wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung. Diese Rechtfertigung der (SPD-) Finanzpolitik während der 90er Jahre durch die Ministerin Wilma Simon ist im Grundsatz nachvollziehbar – ebenso wie ihre Feststellung, dass der damit bezweckte, erhoffte wirtschaftliche Aufschwung bislang leider viel zu schwach war und mit ihm auch die geplanten Steuermehreinnahmen weit unter den Erwartungen liegen. Weniger plausibel ist hingegen die von der Landesregierung daraus gezogene Schlussfolgerung, nun das Ruder entschieden herumreißen zu müssen, indem beispielsweise in einem sensiblen und komplexen Bereich der sozialen Infrastruktur – den Kitas – massiv die Sparkeule geschwungen wird. In diesem Beitrag soll nicht mit dem Slogan „an den Kinder darf (gar) nicht gespart werden” das Aufspüren und Ausnützen von Einsparpotentialen auch in diesem Bereich grundsätzlich abgelehnt werden, aber derart blindlings, wie es nun geschieht, geht es nicht. Wenn man jetzt mit der Brechstange ansetzt, hätte man sich die von Frau Simon als notwendig gerechtfertigten Ausgaben auch in diesem wichtigen Segment der sozialen Infrastruktur in der Vergangenheit sparen können. Im übrigen ist es ja keineswegs so, dass in den letzten Jahren die Kita-Ausgaben nicht konti-

nuierlich verringert worden wären. Hauptsächlich bedingt durch den dramatischen Geburtenknick von 1990/91 wurden die Landeszuschüsse in diesem Bereich seit 1993 (527 Mio. DM) um 40 Prozent (1999: 318 Mio. DM) gesenkt und dabei 16.000 Stellen von Erzieherinnen abgebaut. Sparen – auf Biegen und Brechen Die neu gebildete Landesregierung aus SPD und CDU war – wie der zuständige Minister – noch keine zwei Monate im Amt, als Anfang Dezember im Kabinett der Haushaltsansatz für 2000/2001 beschlossen wurde. Obwohl diesem Beschluss zufolge die Gesamtausgaben (gegenüber 1999) in diesem Jahr um ein Prozent steigen und 2001 nur um knapp zwei Prozent sinken sollen, gehört das Ressort Bildung, Jugend und Sport zu denen, die am stärksten „bluten” müssen. Zwar wurde im Koalitionsvertrag genau das Gegenteil festgelegt, nämlich dass „das relative Gewicht des Bildungshaushaltes im Rahmen des Gesamthaushaltes zu erhöhen” ist. Man darf jedoch sicher sein, dass die verantwortlichen Politiker von SPD und CDU diesen faktischen Widerspruch mehr oder weniger gekonnt rhetorisch „auflösen” werden. Besonders drastisch fällt die Reduzierung der Landeszuschüsse für die Kitas mit mehr als 20 Prozent (68 Millionen DM) im Jahr 2001 aus. Damit war Steffen Reiche vermutlich der „Primus” unter den Ministern – wohl, weil er sich als Parteivorsitzender zu besonderer Spardisziplin verpflichtet fühlte. Problematisch ist eine solche Vorgehensweise allerdings, wenn man den Musterschüler herauskehrt, ohne tatsächlich seine „Hausaufgaben” gemacht zu haben. Eine fundierte, d.h. vor allem durchgerechnete, Konzeption wie und mit welchen konkreten Konsequenzen dieses enorme Einsparvolumen erzielt werden 75


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kann, lag nämlich zu diesem Zeitpunkt nicht einmal ansatzweise vor. Aber der einmal gefasste Beschluss musste im Folgenden um jeden Preis realisiert werden, denn ein Ausbrechen aus der strikten Haushaltsdisziplin käme einem Sakrileg gleich – und wäre ein faktisches Eingeständnis, überaus voreilig „aus der Hüfte geschossen” zu haben. Ob dieses sture Durchpauken sich nicht im Endeffekt als der schwerwiegendere Fehler herausstellt, wird sich noch erweisen. Erst im Januar diesen Jahres lag im Reiche-Ministerium ein grobes Konzept vor, wie das vorgegebene Sparziel erreicht werden könnte. Die abschließende Feststellung dieses Papiers, dass sich „mit Sicherheit (...) die Gesamtkosten für Kindertagesstättenbetreuung auch ohne die vorgesehenen gesetzlichen Einschnitte vermindern”, wurde durch den Nachsatz quasi entwertet, dass dann allerdings „das Einsparvolumen nicht vorher exakt zu quantifizieren” sei. Ein Alptraum für jeden Haushaltspolitiker, den Herr Reiche seiner Kabinettskollegin Simon unmöglich anbieten mochte. Also “nicht kleckern, sondern klotzen” und die Rosskur für Kinder, Eltern und Erzieherinnen rasch ins Werk gesetzt: Reduzierung des „Kern-Rechtsanspruches” auf die Kinder von 2 bis 10 Jahren mit einer Betreuungszeit von 6 bzw. 4 Stunden (Kita/Hort) täglich. Alles was darüber hinausgeht, wird angeblich mit der Zauberformel vom “bedarfsgerechten Rechtsanspruch” abgegolten. Das heißt, Eltern die einen normalen 8Stunden-Arbeitstag (plus z.T. sehr lange Wegezeiten) haben, dürfen diesen “Mehrbedarf” beantragen, bei ihrer jeweiligen Gemeinde. Die Kriterien dafür sind weder eindeutig noch einheitlich festgelegt worden. Das Ministerium “empfiehlt” den Gemeinden sich diesbezüglich auf Kreisebene abzustimmen. Diese „Abstimmung” wird sich

allerdings nicht vorrangig an den Interessen der Kinder und ihrer Eltern orientieren können, sondern von dem mehr oder weniger großen Haushaltsdefizit der Kommunen diktiert werden, dass durch die unverhältnismäßig und pauschal verringerten Zuweisungen aus dem Landeshaushalt verursacht wird. In der ablehnenden Stellungnahme des Städte- und Gemeindebundes zu diesen Plänen heißt es deshalb zutreffend: „… das Land [nimmt sich] in beträchtlichem Maße aus der politischen und finanziellen Verantwortung zurück und wälzt diese auf die Städte- und Gemeinden ab“ – die Kinder und Eltern sind hier zweifellos als letztlich Leidtragende mit anzufügen. Die vom Land in diesem Zusammenhang verschärfte Finanznot der meisten Kommunen wird außerdem in Form von teils drastisch steigenden Elternbeiträgen an selbige weitergereicht werden, wofür es in einigen Städten bereits konkrete Ankündigungen gibt. Die so erzwungene „geringere Inanspruchnahme” von Kita- und Hortplätzen ist die Voraussetzung für eine deutliche Reduzierung der Personalkosten – sprich (erneut) Entlassung von hunderten Erzieherinnen. Das zweite “Einsparpotential” wird mit der Umwandlung regulärer (sozial abgesicherter) Arbeitsplätze von Krippen- und Horterzieherinnen in sogenannte „alternative Betreuungsformen” von deutlich schlechter bezahlten und sozial nicht abgesicherten Tagesmüttern und Honorarkräften erschlossen. Für Ministerial-Technokraten und manche Politiker mag dies ein „ganz normaler” Vorgang sein, aber das Leben der “Betroffenen” verläuft danach nicht mehr „ganz normal”. Die Frage, welche Auswirkungen das auf deren Arbeit mit unseren Kindern hat, werden vorbildliche Sparpolitiker wohl kaum stellen – was deutlich im Widerspruch zu zentralen Postulaten der Landes76


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regierung und besonders der SPD steht, wie im Folgenden gezeigt wird.

kann man sogar in einem Papier des Arbeitskreises seiner eigenen Fraktion nachlesen, dass die forcierte Einführung von Tagespflege lediglich aus haushaltspolitischen Gründen gebilligt, im übrigen aber detailliert als die deutlich schlechtere Alternative charakterisiert wird. In einschlägigen aktuellen Programmen und Statements der SPD, auf Bundes- wie auf Landesebene, ist der Slogan von einer notwendigen „Bildungsoffensive” allgegenwärtig. Verwiesen sei an dieser Stelle nur auf das Heft Nummer 9 von „perspektive 21”, auf dessen Titelbild übrigens (irrtümlich?) zwei Kindergartenkinder abgebildet waren. Steffen Reiche wird darin mit der Äußerung zitiert, dass von der Bildungspolitik die wichtigsten Voraussetzungen dafür geschaffen werden müssten, um als Individuen und als Gesellschaft in der „globalisierten” Welt bestehen zu können. Stichworte seien hierbei „höhere Qualifikationsanforderungen”, beispielsweise (Fremd-) Sprachenkompetenz und Teamfähigkeit (soziale Kompetenz). Selbstverständlich findet man auch im Koalitionsvertrag entsprechende Willensbekundungen: „Die Landesregierung wird eine umfassende Bildungsreform durchführen und zu deren Vorbereitung eine Bildungskommission” einsetzen. Ziel der „Bildungs- und Wissensoffensive” sei es “auch eine umfassende Persönlichkeitsbildung” zu erreichen, wozu „neben dem Fachwissen auch personale und soziale Kompetenzen” gehören. Es dürfte schwierig sein, kompetente Fachleute zu finden, die eine höchstens haushaltspolitisch, aber keineswegs inhaltlich „begründete” Bildungsreform konzipieren, in der die Erziehung und Bildung im Vorschulalter völlig ausgeklammert wird. In einem (ebenfalls in „perspektive 21”, Heft 9 abgedruckten) „Zukunftspapier” wird die Not-

„Bildungsoffensive“, soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit? Eine Presseerklärung des Bildungsministeriums (MBJS) vom Juni 1999 verwies unter der Überschrift „Es gibt eine Bildung vor der Schule” auf eine gerade von eben diesem Ministerium herausgegebene Broschüre, die mit dem „landläufigen Mißverständnis”, dass „Bildung unvermittelt in der Schule beginnt” aufräume. Den gleichen Tenor hatte der Vortrag eines Erziehungswissenschaftlers bei der öffentlichen Anhörung vor dem zuständigen Landtagsausschuss Ende Mai diesen Jahres. Der Professor verwies u.a. auf wissenschaftliche Studien, die eindeutig belegen, dass Länder, deren Schüler in internationalen Leistungsvergleichen auf den vorderen Plätzen zu finden sind, über ein gut ausgebautes System der Betreuung, Bildung und Erziehung der Kinder im Vorschulalter verfügen. Die Bundesrepublik belegt in dieser Hinsicht den vorletzten Platz unter den (west-)europäischen Staaten. Wer den Anspruch hat, eine moderne Bildungspolitik zu betreiben, tut ganz sicher gut daran, derartige wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse nicht zu ignorieren. Die Bundesrepublik – insbesondere die „alten” Bundesländer – sollte(n) also diesen seit Jahrzehnten andauernden beschämenden Zustand endlich grundlegend verbessern und nicht auch in den östlichen Bundesländern das diesbezüglich deutlich schlechtere Niveau des Westens zur Norm erklären. Anders Minister Reiche, der sich lediglich auf Studien beruft, die angeblich belegen, um wie vieles besser die Betreuung von Kleinkindern durch Tagesmütter als in der Kinderkrippe sei. Dabei 77


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wendigkeit differenzierter Förderung und der Wahrung von Chancengleichheit gerade im Bildungswesen unterstrichen. Dabei geht es nicht um Gleichmacherei, bei der im Zweifel besonders begabte Kinder gebremst und (aus welchen Gründen auch immer) benachteiligte Mädchen und Jungen um jeden Preis zum Abitur geführt werden müssen. Aber es gehört wohl unbestritten zu den sozialdemokratischen Grundüberzeugungen, dass Kinder nicht allein deshalb schlechtere Lebenschancen haben sollen, weil sie in „sozial schwachen” Familien aufwachsen. Dass diese Kinder bereits bei der Einschulung durchschnittlich über deutlich schlechtere Ausgangsbedingungen verfügen und die Zahl solcher „Problem-Kinder” in den letzten Jahren bereits dramatisch angestiegen ist, wird eindrücklich in einer vom brandenburgischen Sozialministerium herausgegebenen aktuellen Studie („Einschüler in Brandenburg: Soziale Lage und Gesundheit 1999”) belegt. Die eindeutige Schlussfolgerung aus diesem Befund lautet, dass Staat und Gesellschaft sich dieser Gruppe benachteiligter und (potentiell) gefährdeter Kinder verstärkt zuwenden müssen. Die Gefahr, andernfalls mittel- und langfristig eine zunehmende Zahl leistungsschwacher bzw. -unwilliger junger Menschen zu „produzieren”, die sich am Rande der Gesellschaft bewegen und als Kleinkriminelle, rechtsradikale Schläger oder hoffnungslose Sozialhilfe-„Fälle” einen kostspieligen „Mehrbedarf” an staatlicher „Zuwendung” geltend machen, kann man zwar leugnen, aber nicht „wegzaubern”. Die Tatsache, dass solche “Folgekosten” in der Regel viel höher sind, als die Summen, die man zunächst glaubt unbedingt einsparen zu müssen, dürfte bekannt sein – und wird doch immer wieder leichtfertig ignoriert. Das „beste” Beispiel für eine solche – alles ande-

re als nachhaltige – Politik stellen die nun beschlossenen Kita-Kürzungen dar. Fragen von Bildung und Erziehung haben in der ganzen Debatte auf Seiten der Landespolitik nie eine Rolle gespielt. Im Gegenteil: Inzwischen wird unumwunden eingestanden, dass Qualitätsstandards wissentlich reduziert und Kinder aus „sozial schwachen” Familien, die eigentlich besonderer Förderung von Seiten des Staates bedürften, ganz bewusst (zumindest teilweise) ausgegrenzt werden. Eine so einfallslose, kurzsichtige, nur aufs Sparen fixierte Politik ist ein Armutszeugnis für die Verantwortlichen und keineswegs geeignet, das Land Brandenburg und die hier lebenden Menschen „zukunftsfähig” zu machen. Die finanziellen Spielräume, die im Bildungswesen aufgrund des inzwischen mitten in der Grundschule angekommenen Geburtenknicks bestehen, sollten als Chance zur Konzipierung und Umsetzung einer modernen Bildungspolitik von der Kita bis zur Hochschulreife (und darüber hinaus) genutzt und nicht durch stupide Sparmaßnahmen auf ihren monetären Aspekt reduziert werden. Man sollte meinen, die SPD hätte – zumal in Ostdeutschland – begriffen, dass ihre Einbrüche bei Landtagswahlen nach der Machtübernahme im Bund essentiell mit der Wahrnehmung vieler Menschen zu tun hatten, sie würde ihr Wahlversprechen, für (mehr) soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit zu sorgen, brechen. (Vgl. die entsprechende Diskussion in den Heften 9 und 10 von „perspektive 21”). Man kann Steffen Reiche nur zustimmen, wenn er als „sozialdemokratisches Ziel” formuliert, dass „niemand aus der modernen Gesellschaft herausgedrängt wird und deshalb [...] Bildung für alle ein ganz aktuelles Postulat” sei, weil sonst „die Chancen für das ganze Leben verbaut” würden. Bedauerlicherwei78


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se stimmt seine konkrete Politik in diesem Falle aber nicht mit solchen Bekenntnissen überein, sondern konterkariert sie ganz eindeutig. Auch frauen- und familienpolitische Themen stehen weit oben auf der sozialdemokratischen Agenda. Zu den zentralen Forderungen eines aktuellen Zukunftspapiers der Brandenburger SPD zählt eine kinderfreundliche Politik, die u.a. notwendig ist, um den negativen Trend in der demographischen Entwicklung des Landes zu stoppen. Angesichts der Kita-Kürzungen verkommt auch dieses Postulat zur hohlen Phrase, denn die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird – entgegen allen Beteuerungen – deutlich erschwert, vor allem Frauen werden davon vorrangig betroffen sein, wie es auch wieder einige hundert Frauen sind, deren Arbeitsplätze als Erzieherinnen „eingespart” werden. Zu befürchten ist außerdem, dass die zuletzt leicht angestiegene Geburtenrate erneut stagnieren bzw. abnehmen wird, weil die Politik jungen Paaren die Entscheidung für (ein) Kind/er immer schwerer macht. Unverständlich ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Sozialdemokratie zu einer vernünftigen Abstimmung ihrer diesbezüglichen Politik zwischen Bund und Ländern nicht in der Lage zu sein scheint. Wie anders soll man sich erklären, dass die brandenburgische Kita-Gesetzesnovelle bei der Beschränkung des Rechtsanspruchs beispielsweise mit der (leicht verbesserten) Neuregelung des Bundeserziehungsgeldes überhaupt nicht korrespondiert. So hätte man z.B. darüber nachdenken können, wegen des im ersten Lebensjahr des Kindes gewährten höheren Erziehungsgeldes (900 DM statt 600 DM monatlich bei gleichzeitigem Verzicht auf Erziehungsgeldleistungen im zweiten Lebensjahr) den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für alle ab

dem vollendetem ersten Lebensjahr einzuführen und statt dessen auf die höchst fragwürdige soziale Differenzierung bei den 0- bis 2-Jährigen zu verzichten. Aber nichts dergleichen ist geschehen. Dass Frauen und Männer es sich in vielen Berufen immer weniger leisten können, über mehrere Jahre auszusteigen oder deutlich kürzer zu treten ist zwar bekannt, bleibt aber scheinbar unberücksichtigt. Ebenso ignorant verhalten sich verantwortliche Landespolitiker gegenüber der Tatsache, dass die Einkommen und Vermögen der Familien in Ostdeutschland noch immer erheblich niedriger sind als im Westen und sie es sich also gar nicht leisten können, wegen der Betreuung ihrer Klein(st)kinder über längere Zeit mit nur einem Einkommen haushalten zu müssen. Dass die Elternbeiträge (für die Kita-Plätze) aufgrund der deutlich geringeren Landeszuschüsse teils drastisch ansteigen werden, ist zwar bisher von Minister Reiche und Co. immer geleugnet worden. Erste entsprechende Berechnungen und Briefe an die Eltern liegen in einigen Städten und Gemeinden aber bereits vor und belegen, dass diese Beteuerungen nichts wert sind. Freilich kann die Landesregierung ihre Hände in Unschuld waschen, denn es sind ja die Kommunen, die nun die „Drecksarbeit” werden machen müssen. Die Lebensqualität von jungen Familien, die wohl unbestritten zu den Leistungsträgern unserer Gesellschaft in den kommenden Jahren und Jahrzehnten gehören, wird durch diese Politik der Landesregierung nicht gesteigert, sondern beeinträchtigt. Wer sich der – zur Regeneration unserer Gesellschaft notwendigen – Aufgabe stellt, Kinder in die Welt zu setzen und groß zu ziehen, sieht sich, allen anders lautenden „Sonntagsreden” zum Trotz, mit einer Verschlechterung der dazu 79


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notwendigen Rahmenbedingungen konfrontiert. „Bildungsoffensive”? Kinder-, frauen- und familienfreundliche Politik? Soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit? Insofern die Menschen im Land diese Postulate überhaupt wahrnehmen, achten sie gewiss darauf, was sich an praktischer Politik in ihrem alltäglich Leben davon niederschlägt. Das Gespür dafür, ob „Sonntagsreden” und Alltagspraxis zusammen passen, ist bei den meisten Leuten sehr wohl vorhanden. Klafft die Schere zwischen beidem zu weit auseinander – wie in dem hier diskutierten Fall – ist wachsende Skepsis und Distanz gegenüber der politischen Klasse die Folge.

schen unterschrieben. Im Februar und erneut am 17. Mai demonstrierten mehrere Zehntausend vor dem Landtag gegen die Sparbeschlüsse. Aber ungeachtet all dessen hat eine offene, ernsthafte Diskussion der Zukunft von Kita-Betreuung im Kontext von „Bildungsoffensive” und „sozialer Gerechtigkeit” praktisch nicht stattgefunden – zumindest nicht in der Landesregierung und im Parlament. Die jüngste Anhörung vor dem zuständigen Landtagsausschuss (Ende Mai) war nur ein weiterer Beleg für die schier unglaubliche Ignoranz der verantwortlichen Politiker. Unbeeindruckt davon, dass mindestens zwei Drittel der angehörten Sachverständigen und Betroffenen eine Vielzahl triftiger Gründe gegen die beabsichtigten Kürzungen und Gesetzesänderungen vorgebracht haben, hält Minister Reiche an diesen Plänen fest. Wenn Experten und Betroffene in solchen Anhörungen wie in diesem Fall nur als Staffage dienen, verkommt dieses wichtige parlamentarische Verfahren zur Farce, leidet das Ansehen der beteiligten Institutionen und Personen darunter. Der ursprünglichen Intention, Gesetzentwürfe auf diesem Wege zu qualifizieren, wird damit in keiner Weise entsprochen, sondern lediglich Frustration bei den derart respektlos Ignorierten erzeugt. Und die Landtagsabgeordneten (von SPD und CDU) – unsere „Volksvertreter”?! Die im Zusammenhang des oben geschilderten Falls stattgefundenen Begegnungen mit einer ganzen Reihe von Parlamentariern waren ganz überwiegend ernüchternd bis enttäuschend. Denn die allermeisten von ihnen fühlen sich offenbar in erster Linie der Landesregierung und ihren jeweiligen Parteiführungen verpflichtet. Dass dies nicht nur in der Frage der Kita-Gesetzesnovellierung, sondern generell der Fall ist, wie eine aktuelle Studie

Politische Kultur: Transparenz und Bürgerbeteiligung Nicht unterschätzt werden sollten die negativen Folgen für die politische Kultur in Brandenburg, die ein unbeirrtes Festhalten an den überzogenen Sparbeschlüssen und der sehr fragwürdigen KitaGesetzesnovelle nach sich ziehen könnte. Viele Tausend Eltern haben seit Monaten gegen diese Pläne protestiert. Im ganzen Land haben sich Elterninitiativen gebildet, deren Tätigkeit in einem ebenfalls neu gegründeten Landeselternbeirat (LEB) koordiniert wird. Es haben unzählige öffentliche Diskussionsrunden und Informationsveranstaltungen stattgefunden; Landtagsabgeordnete, Stadtverordnetenversammlungen und Gemeindevertretungen wurden aufgesucht und – wenn nötig – zu Stellungnahmen gedrängt. Eine wachsende Zahl von Kommunalvertretungen und Bürgermeistern hat sich klar gegen die Pläne der Landesregierung ausgesprochen. Die entsprechende Volksinitiative des Aktionsbündnisses „Für unsere Kinder” haben mehr als 150.000 Men80


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besagt, hat nichts Tröstliches. Im Gegenteil: Wenn die Abgeordneten der Regierungskoalition, zumal bei einer so komfortablen Landtagsmehrheit, ihr Mandat als von der Exekutive unabhängige Legislative nicht oder nur ungenügend wahrnehmen, wird damit die Gewaltenteilung, eine Grundsäule der parlamentarischen Demokratie, untergraben. Nimmt man hinzu, dass ein nicht unwesentlicher Teil der „4. Gewalt” unserer modernen Gesellschaft – die Medien (das ORB-Fernsehen, die „Potsdamer Neuesten Nachrichten” und die „Märkische Oderzeitung” beispielsweise) – im Streit um die geplanten Einschnitte teilweise eindeutig tendenziöse „Hofberichterstattung” betrieben hat, muss daraus für „NormalbürgerInnen” ein fataler Gesamteindruck entstehen: Die „checks and balances” zwischen den verschiedenen Institutionen des demokratischen Staates drohen zur Fassade zu verkommen, hinter der eben diese Institutionen in einer Art Kartell derer „da oben” die deutlich artikulierten Interessen und sachlichen Einwände jener „unten” weitgehend ignorieren. Wenn man nun den Blick von diesem ganz konkreten Fall etwas löst und das politische System als Ganzes in den Blick nimmt, erhebt sich die Frage, ob die hier konstatierten erheblichen Defizite eine Ausnahme darstellen oder zu befürchten ist, dass ähnlich gravierende Unzulänglichkeiten für das politische Alltagsgeschäft im Lande Brandenburg eher typisch sind. Dies zu analysieren und zu beantworten ist an dieser Stelle nicht möglich, aber das Problem sollten sich die Verantwortlichen bewusst machen und es sehr ernst nehmen. Verstärken und verfestigen sich die genannten negativen Tendenzen, wird dadurch mittel- und langfristig die demokratische politische Kultur beschädigt.

Nun sieht die Verfassung unseres Landes eine Bürgerbeteiligung in Form von Volksinitiative/begehren und -entscheid vor, in diesem Fall vielleicht eine Art Notbremse. Das Aktionsbündnis „Für unsere Kinder” hat bekanntlich in einer Volksinitiative über 150.000 Unterschriften gegen die überzogenen Einsparungen und die Beschneidung des Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz gesammelt. Damit sind die Aussichten, dass erstmals in einem Volksbegehren die erforderlichen 80.000 Stimmen zusammenkommen, durchaus gut. Die Umsetzung der Gesetzesnovelle mit all ihren negativen Folgen wird für viele Eltern im Lande mit Sicherheit eine zusätzliche Motivation darstellen, ihre Unterschrift in den Ämtern zu leisten, wodurch es dann zum Volksentscheid kommen würde. Die Rechnung, sich darauf zu verlassen, dass Landesregierung und Parlament dieses langwierige Verfahren – quasi in Kohlscher Manier – „aussitzen” könnten, weil sich die Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger resigniert in ihr “Schicksal” fügt, ist im Grundsatz äußerst fragwürdig und könnte im doppelten Sinn „ins Auge” gehen: eventuell könnte die Landesregierung per Volksentscheid doch zum Einlenken gezwungen werden und auch wenn dieser scheitert, wäre dies letztlich ein Pyrrhussieg für Minister Reiche und die große Koalition in Potsdam. Sollten die Koalitionäre auf die „Hintertür”-Lösung setzen, dass die Volksinitiative gar nicht statthaft, weil angeblich gegen ein Haushalts(struktur)gesetz gerichtet sei, würden SPD und CDU damit die in der brandenburgischen Verfassung verankerte Bürgerbeteiligung faktisch zur Farce erklären. Das Risiko, damit vor dem Verfassungsgericht Schiffbruch zu erleiden und schließlich in einem noch trüberen Licht dazustehen, wird von den Sozialdemokraten hoffentlich bedacht werden. Freilich besäße diese 81


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Variante auch im „Erfolgsfall” einen äußerst faden Beigeschmack. Ein vernünftiges Verfahren, das von vornherein transparent und unter ernsthafter Einbeziehung von Experten (die ganz bestimmt nicht nur im zuständigen Ministerium bzw. Landtagsausschuss sitzen) und Betroffenen, auf eine tragfähige Gesetzesnovelle abzielt, die sowohl Einsparungen ermöglicht als auch Paradigmen wie „Bildungsoffensive”, soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit gerecht wird, wäre der eindeutig bessere Weg gewesen. Dieser ist durch die Verabschiedung der entsprechenden Vorlagen durch die Landtagsmehrheit zwar erst einmal versperrt, aber bereits in Reaktion auf die Volksinitiative besteht die Möglichkeit, diesen schwerwiegenden Fehler – im Verfahren und in der Sache – zu korrigieren. Diese Chance sollte nicht leichtfertig vertan werden.

ganze Zeit hin, so dass noch bei den nächsten Landtagswahlen die SPD diese Fehlleistung angekreidet bekommen wird. Ob der neue Parteivorsitzende, Matthias Platzeck, diese Hypothek kompensieren kann, bleibt abzuwarten. Da er aber als Potsdamer Oberbürgermeister die geplanten Kürzungen und Änderungen im Kitabereich abgelehnt hat, erweist die Mehrheit der märkischen Sozialdemokraten sich und ihrem neuen Hoffnungsträger mit ihrem bisherigen Verhalten in dieser Auseinandersetzung einen Bärendienst. Die CDU steht zwar voll hinter den Plänen von Minister Reiche und ist in gewisser Hinsicht auch die treibende Kraft in dieser Frage, aber damit erfüllt sie – anders als die SPD – nur die „Erwartungen”, die ohnehin in sie gesetzt werden. Deshalb wird sie von den WählerInnen vermutlich kaum wegen dieser Sache „bestraft” werden. Ob die PDS in der Wählergunst aufgrund dieser Auseinandersetzung wird profitieren können, ist schwer vorauszusagen, weil dies natürlich auch von einer ganzen Reihe weiterer Faktoren abhängt. Wünschenswert kann dies für die Sozialdemokratie aber kaum sein, ebensowenig wie eine weitere Zunahme der „Politikverdrossenheit”, des „Protestwähler”-Potentials und der Nichtwähler. Dass die Volkspartei SPD, die eine personelle Auffrischung sehr gut vertragen könnte, viele jüngere Leute im Land mit der hier kritisierten Politik vor den Kopf stößt, anstatt sie durch eine kompetente, transparente und bürgernahe Politik zu integrieren, kann auch nicht als sonderlich intelligent und weitsichtig bezeichnet werden. Man darf gespannt sein, wie lernfähig die Sozialdemokraten sich in den hier angesprochenen Punkten zeigen werden. Da so manche von ihnen – auch ihr langjähriger Vorsitzender und

Parteipolitische Aspekte Inwieweit die hier behandelte Auseinandersetzung und ihr Ausgang für die eine oder andere politische Partei in Brandenburg positive bzw. negative Folgen haben wird, berührt die (parteilose) Autorin persönlich zwar weniger, aber ein paar Überlegungen dazu sollen abschließend dennoch angestellt werden. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird die Frustration und der Ärger vieler Eltern und Kommunalvertreter im Land primär auf die SPD zurückfallen. Da der verantwortliche Minister gleichzeitig Landesvorsitzender der Sozialdemokraten war und weder die Parteigremien noch die Landtagsfraktion ihn von seinem Irrweg abgebracht haben, ist dies sicher weitgehend gerechtfertigt. Falls es tatsächlich zu Volksbegehren und Volksentscheid kommt, zieht sich dieses Verfahren noch eine 82


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(unrühmlicher) Protagonist in der hier besprochenen Auseinandersetzung, Steffen Reiche – vor mehr als 10 Jahren aufgebrochen sind, um Gesellschaft und Staat aus der von einer lernunfähigen Partei erzwungenen Apathie zu befreien, besteht Grund, vorsichtig optimistisch zu sein.

Uta Reichel ist 28 Jahre alt. Sie hat eine vierjährige Tochter und arbeitet als Lehrerin in Brandenburg an der Havel.

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MAGAZIN Wissenschaftsforum Nordost

sich dabei mit der schwierigen Aufbausituation im Wissenschaftsbereich der drei Länder Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern befassen. Das Forum nimmt, wie andere regionale Wissenschaftsforen der Sozialdemokratie, eine unabhängige Stellung ein. Es versteht sich als Impulsgeber und kritischer Begleiter der Wissenschaftspolitik in den drei Ländern und auf der Bundesebene. Die Veranstaltungen des Forums werden aktuelle wissenschaftspolitische Fragestellungen aufnehmen, wie etwa die Debatte um die Reform der Hochschulpersonalstruktur, die Hochschulgesetzgebung der Länder oder die Finanzausstattung von Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Der Aufbau einer leistungsfähigen Hochschul- und Forschungslandschaft, die Zusammenarbeit mit Technologie- und anderen Wissenschaftsunternehmen sowie Wechselwirkungen zwischen der Wissenschafts- und Wirtschaftsentwicklung werden Schwerpunktthemen der künftigen Arbeit sein. Die Tätigkeit des Wissenschaftsforums wird durch ein Kuratorium und Arbeitsgruppen unterstützt. Vorsitzender des Kuratoriums des Wissenschaftsforums ist Prof. Dr. Günther Rüdiger aus Potsdam. Es bestehen drei Arbeitsgruppen, die sich mit dem Infrastrukturausbau sowie dem Wissens- und Technologietransfer, mit der Hochschulreform und der Entwicklung der Wissenschaft befassen.

Die Wissenschaftsregionen in Nordostdeutschland vor strukturpolitischen Herausforderungen Am 21.Februar 2000 ist in Berlin das Wissenschaftsforum der Sozialdemokratie in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern (kurz: Wissenschaftsforum Nordost der Sozialdemokratie) gegründet worden. Für das Forum wurde die Rechtsform eines eingetragenen Vereins gewählt. Als Vorsitzender wurde der Bevollmächtigte des Landes Mecklenburg-Vorpommern beim Bund und frühere Bundestagsabgeordnete Staatssekretär Tilo Braune gewählt. Zum Vorstand gehören als Geschäftsführender Vorsitzender Klaus Faber, vom 1994 bis 1999 Staatssekretär in Sachsen-Anhalt, zuvor lange Jahre in der Wissenschaftsadministration Brandenburgs und des Bundes tätig, Dr. Klaus-Dietrich Krüger, von 1990 bis 1999 Vorsitzender des Wissenschaftsausschusses im Brandenburger Landtag, sowie die Berliner Studentin der Politikwissenschaft Julia Müller als stellvertretende Vorsitzende. Weitere Mitglieder des Vorstands sind Prof. Dr. Clemens Burrichter und Dr. Klaus Lommatzsch aus Berlin sowie die Greifswalder Anglistin Priv. Doz. Dr. Andela Zander. Das Wissenschaftsforum hat seinen Sitz in Potsdam (c/o Klaus Faber, An der Parforceheide 22, 14480 Potsdam; Tel.: 0331 624551, Fax: 0331 6004035; e-mail: Klaus_Faber @t-online.de).

Eine wesentliche Rolle spielen in der Debatte die nach wie vor in Ostdeutschland bestehenden Strukturdefizite im Wissenschaftsbereich, die vor allem auf den Zusammenbruch der ostdeutschen Industrieforschung zurückzuführen sind. Von etwa 86 000 in der ostdeutschen industrienahen Forschung und Entwicklung Beschäftigten sind 1997 rund 16.000 übriggeblieben. Die Zahlen

Ziel des regionalen Wissenschaftsforums sind die Förderung und Entwicklung von Wissenschaft und Forschung, von Hochschulen und Forschungseinrichtungen durch Veranstaltungen, Publikationen und auf andere Weise mit einem Schwerpunkt in der Nordostregion Deutschlands. Das Forum wird 84


MAGAZIN Strukturpolitische Herausforderungen

haben sich seitdem nicht durchgreifend verbessert. Der Zusammenbruch der Industrieforschung wird auch in anderen Relationen deutlich: Annähernd 20% der gesamtdeutschen Bevölkerung leben in Ostdeutschland, das etwa ein Drittel des deutschen Territoriums umfaßt. Ostdeutschland verfügt aber nur über ca. 5% der gesamtdeutschen Kapazitäten in der Wirtschaft und nur über 2% des entsprechenden Forschungs- und Entwicklungspotentials. In Betrieben, die von der früheren Treuhand betreut wurden, ging die Zahl derjenigen Arbeitsplätze, die der Forschung und Entwicklung zugeordnet waren, schneller zurück als diejenige der übrigen Arbeitsplätze. Es gibt dafür einen strukturellen Grund, der auch bei der drastischen Reduzierung der gesamten ostdeutschen Industrieforschung eine wichtige Rolle spielt. Unternehmen, die größere ostdeutsche Betriebe erwerben wollen oder erworben haben, verfügen an ihren Standorten in Westdeutschland oder im westlichen Ausland oft bereits über Forschungs- und Entwicklungspotentiale. Kleinere und mittlere Unternehmen weisen in vielen Fällen noch nicht die erforderliche Betriebsgröße auf oder sind wirtschaftlich noch nicht ausreichend gesichert, um sich die dauerhafte Einrichtung von Forschungspotentialen leisten zu können.

Industrieforschung gerissen hat, können sie aber nicht füllen. Hier kommt dem Ausbau der öffentlich geförderten oder öffentlich getragenen Wissenschaftseinrichtungen – der Hochschulen und der Forschungsinstitute – eine strategische Auffangfunktion zu. Es ist eine wesentliche Aufgabe des Wissenschaftsforums der Sozialdemokratie in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, die sich daraus ergebenden Handlungsansätze zu schildern und voranzubringen. In zwei Veranstaltungen (im Juli und im Herbst) wird sich das Wissenschaftsforum an die Öffentlichkeit wenden. Ohne Wissenschaft kein Aufschwung Ost – diese Feststellung und die damit formulierte Forderung werden ein verbindendes Thema der Diskussion sein. Tilo Braune

Klaus Faber

Klaus Faber An der Parforceheide 22 14480 Potsdam Tel. 03 31 - 624 551 Fax 03 31 - 600 40 35 Mail: Klaus_Faber @t-online.de

An diesen Strukturbedingungen kann die beste staatliche Föderung der Industrieforschung jedenfalls kurzfristig nichts ändern. Staatliche und andere Förderprogramme für den Aufbau von Forschung und Entwicklung in den ostdeutschen Betrieben verhindern zwar einen weiteren Rückgang der ostdeutschen Potentiale und unterstützen – im besten Fall – von einem niedrigen Ausgangspunkt aus ein langsames Wachstum. Die Lücke, die der Zusammenbruch der ostdeutschen 85


NOTIZEN

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KONTAKTADRESSEN

Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen des Landes Brandenburg Abteilung 2: Gleichstellung, Frauen, Familie Heinrich-Mann-Allee 103 14473 Potsdam Telefon: 0331/ 866 59 50 http://www.brandenburg.de/land/masgf

Demokratischer Frauenbund e.V. Landesverband Brandenburg Mangerstraße 41 14467 Potsdam Telefon: 0331/ 29 31 48 Brandenburgisches Mädchen- und Frauennetzwerk Madchenzukunftswerkstatt Teltow Potsdamer Straße 8 14513 Teltow

Gleichstellungsbeauftragte der kreisfreien Städte im Land Brandenburg

Juso-Hochschulgruppen

Landeshauptstadt Potsdam Frau Susanne Melior Friedrich-Ebert-Straße 79-81 14469 Potsdam Telefon: 0331/ 289 10 80

Juso-HSG Universität Potsdam Ansprechpartnerin: Kathrin Veh e-mail: vehk@rz.uni-potsdam.de http://www.uni-potsdam/u/vereine/jusos.de Juso-HSG Universität Frankfurt/Oder Ansprechpartner: Moritz Karg Mühlenweg 34a/404 15232 Frankfurt/Oder Telefon: 0335/ 52 22 30 e-mail: juso-hsg@euv-frankfurt-o.de http://www.viadrina.euv-frankfurt-o.de~~juso-hsg/

Stadt Frankfurt Frau Sabine Hieckel Neumarkt 5 03046 Cottbus Stadt Brandenburg an der Havel Frau Karin Augustin Neuendorfer Straße 90 14770 Brandenburg an der Havel Telefon: 03381/ 581 60 00

Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen AsF-Landesverband Brandenburg Kontakt: Birgit Gorholt Friedrich-Ebert-Straße 61 14469 Potsdam Telefon: 03 31 / 270 85 34 Telefax: 03 31 / 270 85 35

Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen (Caritas) Plantagenstraße 23-24 14482 Potsdam Telefon: 0331/ 71 02 987

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IMPRESSUM

Herausgeber SPD-Landesverband Brandenburg Redaktion Klaus Ness (v.i.S.d.P.), Andreas Büchner, Madeleine Jakob, Lars Krumrey Anschrift Friedrich-Ebert-Straße 61 14469 Potsdam Telefon 03 31 – 29 20 30 Telefax 03 31 – 2 70 85 35 Mail Perspektive-21@spd.de Internet www.spd-brandenburg.de Druck Druck- und Medienhaus Hans Gieselmann, Bergholz-Rehbrücke Satz kai weber medienproduktionen

Bezug Bestellen Sie Ihr kostenloses Abonnement direkt beim Herausgeber. Nutzen Sie dazu die beigeheftete Postkarte oder senden Sie uns eine Mail. 88


Zeitgeschichte

Gabriele Schnell Ende und Anfang Chronik der Potsdamer Sozialdemokratie 1945/46 – 1989/90 200 Seiten, Paperback, 19,80 DM ISBN 3-933909-05-8 Gabriele Schnell schreibt die spannungsvolle Geschichte der Potsdamer Sozialdemokratie in den Jahren des Umbruchs: Der Kampf gegen die Zwangsvereinigung 1945/46 und der mutige Neubeginn 1989/90. Eine umfangreiche Material- und Dokumentensammlung ergänzt ihre Darstellung.

Benjamin Ehlers Wer, wenn nicht wir! 10 Jahre Junge Sozialdemokraten in der DDR mit einem Vorwort von Manfred Stolpe 208 Seiten, Paperback, 19,80 DM ISBN 3-933909-07-4 »Die ostdeutsche SPD kann es sich langfristig nicht erlauben, junge Menschen ausschließlich für Handlangerdienste zu verwenden. Sie müssen Freiräume für ihre eigenen politischen Themen erhalten. Nicht zuletzt muß ihnen auch institutionell eine Chance eingeräumt werden. ... Insofern können es sich junge Menschen erlauben, etliche Jahre auf ihre Chance in der Politik zu warten; ob sich die SPD dieses Abwarten leisten kann, ist mehr als fraglich.«

kai weber medienproduktionen schlaatzstrasse 6 · 14473 potsdam f o n 0 3 31 - 2 8 0 0 5 0 9 · f a x 2 8 0 0 5 1 7 e-mail: info@weber-medien.de


SPD-Landesverband Brandenburg, Friedrich-Ebert-Straße 61, 14469 Potsdam PVSt, DPAG, Entgelt bezahlt, A47550

Interview mit Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Beiträge Frauenförderpolitik in Brandenburg von Susanne Melior Migrantinnen im Land Brandenburg von Magdolna Grasnick Geschlechterverhältnisse in Veränderung von Prof. Dr. Irene Dölling Andere Frauen – andere Themen von Katrin Rohnstock Können Frauen nicht kampfschwimmen? von Anne Mangold und Sylka Scholz Frauen gestalten Europa von Lissy Gröner Schutz von Frauenrechten im Rahmen der Vereinten Nationen von Dr. Norman Weiß „Uns kriegen sie nicht klein“ von Christa Randzio-Plath „Augen zu und durch“ von Uta Reichel


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