perspektive21 - Heft 43

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HEFT 43 SEPTEMBER 2009 www.perspektive21.de

BRANDENBURGISCHE HEFTE FÜR WISSENSCHAFT UND POLITIK

S O N D E R A U S G A B E

WIE DER WIEDERANFANG DER SOZIALDEMOKRATIE IN BRANDENBURG GELANG

20 Jahre SDP THOMAS KRALINSKI:

20 sozialdemokratische Jahre MANFRED STOLPE: Die Schutzmacht der kleinen Leute STEFFEN REICHE: Wir sagen hier „Du“ REGINE HILDEBRANDT: Mit Haut und Haaren gefordert WOLFGANG BIRTHLER: Mein 9. November JES MÖLLER: „Dann nehmt doch Regine Hildebrandt“ HOLGER BARTSCH: Von Null auf Hundert ALBRECHT GERBER: Puls 180 MARTIN GORHOLT: Die Zukunft vor sich ANNE-KATHRIN OELTZEN: Die SPD in Brandenburg MATTHIAS PLATZECK: Zupackend und optimistisch


Eine persรถnliche Bestandsaufnahme

20 Jahre nach der friedlichen Revolution von 1989: Wie viel Einheit haben wir erreicht? Welchen Aufbruch braucht Deutschland jetzt?

224 Seiten, gebunden

| Hoffmann und Campe | Das will ich lesen


vorwort

20 Jahre SDP m 26. August vor genau 20 Jahren veröffentlichten Markus Meckel und Martin Gutzeit den Aufruf zur Gründung einer sozialdemokratischen Partei in der DDR. Das war der erste Appell zur Gründung einer Oppositionsbewegung in der DDR, im September folgten dann das Neue Forum, Demokratie Jetzt und andere. Ganz bewusst ging es den Initiatoren um eine neue Partei – weil sie die Machtfrage stellen wollten. Sie forderten damit ganz klar die SED heraus – denn mit einer neuen Sozialdemokratie griffen sie das Machtmonopol der SED an, zumal diese sich ja als Vereinigung von KPD und SPD verstand.

A

Die Gründung der SDP 1989 war damals ein sehr mutiger und weitsichtiger Schritt – Markus Meckel hat darüber bereits in der vergangenen Ausgabe dieser Zeitschrift berichtet. Eigentlich gebührt diesem Teil der friedlichen Revolution deutlich mehr Aufmerksamkeit. Die Perspektive 21 will dazu mit dieser Sonderausgabe einen Beitrag leisten. Zumal die wiedergegründete Sozialdemokratie eine Erfolgsgeschichte ist. Die SPD regiert heute in fünf von sechs neuen Ländern, sie hat mit Persönlichkeiten wie Manfred Stolpe, Wolfgang Thierse, Harald Ringstorff, Regine Hildebrandt oder Matthias Platzeck sehr wichtige Identifikationsfiguren und Kämpfer für die soziale Demokratie in Ostdeutschland hervorgebracht. Als einzige Parteineugründung hatte es die SPD in den neuen Ländern immer schwer – doch sie hat ganz wesentlich zum geglückten Aufbau beigetragen. Und wird dies auch in Zukunft tun. Mit diesem Heft wollen wir Geschichte in Geschichten erzählen und die Anfangszeit der SDP in der DDR und in Brandenburg beleuchten. Und am Schluss des Heftes stellen wir Matthias Platzeck die Frage, wie die SPD auch in Zukunft erfolgreich sein kann – in Brandenburg und in Deutschland. Ich wünsche Ihnen eine kurzweilige und spannende Lektüre. IHR KLAUS NESS

P.S. Ich möchte allen herzlich danken, die bei der Ausgestaltung des Heftes mitgeholfen haben und ihre „historischen Schätze“ vom Dachboden geholt haben – insbesondere gilt der Dank Albrecht Gerber, Wilma Jacobi, Rainer Karchniwy und Konny Schulz. perspektive21

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impressum


inhalt

20 Jahre SDP WIE DER WIEDERANFANG DER SOZIALDEMOKRATIE IN BRANDENBURG GELANG

Eine Chronik ................................................ 17 Zusammengestellt von Thomas Kralinski 20 SOZIALDEMOKRATISCHE JAHRE:

Die Schutzmacht der kleinen Leute ...................................... 119 Über die Gründung der SDP und seinen Eintritt in die SPD MANFRED STOLPE:

STEFFEN REICHE: Wir sagen hier „Du“

................................................................ 25

Wie die SDP den Weg zur SPD fand Mit Haut und Haaren gefordert .................................. 31 Wie ich zur SPD gekommen bin REGINE HILDEBRANDT (†):

Mein 9. November .......................................................... 35 Der Tag, an dem ich Sozialdemokrat wurde WOLFGANG BIRTHLER:

„Dann nehmt doch Regine Hildebrandt“ ........................................ 37 Stolz und selbstbewußt: Die SPD-Fraktion in der Volkskammer JES MÖLLER:

HOLGER BARTSCH:

Von Null auf Hundert .......................................................... 47

Mein Weg zur SPD Puls 180 .............................................................................. 51 Vom Anfang und Aufbruch 1990 bei der SPD in Potsdam ALBRECHT GERBER:

Die Zukunft vor sich .............................................................. 59 Wie wir 1990 die Brandenburger SPD aufbauten MARTIN GORHOLT:

Die SPD in Brandenburg ............................................ 65 Wie der Wiederaufbau der Sozialdemokratie gelang ANNE-KATHRIN OELTZEN:

Zupackend und optimistisch ............................................ 79 Über seinen Eintritt in die SPD und die Sozialdemokratie im 21. Jahrhundert MATTHIAS PLATZECK:

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thema – 20 jahre SDP

Zwanzig sozialdemokratische Jahre EINE CHRONIK ZUSAMMENGESTELLT VON THOMAS KRALINSKI

1989 Markus Meckel und Martin Gutzeit rufen in Berlin zur Gründung einer Sozialdemokratischen Partei in der DDR auf.

partner mehr für die westdeutschen Sozialdemokraten.

24. JULI +++

Markus Meckel und Martin Gutzeit stellen am 200. Jahrestag der Erklärung der Menschenund Bürgerrechte die Initiative zur Gründung der SDP öffentlich vor. 26. AUGUST +++

7. OKTOBER +++ In Schwante bei Oranienburg gründen 40 Personen die Sozialdemokratische Partei der DDR, SDP, wieder. Es ist die erste Partei, die sich in der DDR neu gründet. Gleichzeitig wird ein Aufnahmeantrag in die Sozialistische Internationale verabschiedet.

In Ost-Berlin beginnen die Gespräche zwischen DDRRegierung und Opposition. Mit am Tisch sitzen Vertreter der SDP. Es werden Volkskammerwahlen für den 6. Mai 1990 und die Auflösung der Stasi verabredet. 6. DEZEMBER +++

In West-Berlin findet der Parteitag der SPD statt, auf dem das neue Grundsatzprogramm verabschiedet wird. Markus Meckel hält auf dem Parteitag eine Rede. 18. DEZEMBER +++

25. OKTOBER +++ Einer der Mitgründer der SDP, Steffen Reiche, ist zu Gast im SPD-Parteivorstand in Bonn. Er bittet um Unterstützung der SDP. Die SPD leitet einen Kurswechsel ein: Die SED ist von nun an kein Ansprechperspektive21

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thema – 20 jahre SDP

1990

1990

12.-14. JANUAR +++ Die erste Delegiertenkonferenz der SDP findet in OstBerlin statt. Auf der Konferenz wird die Umbenennung in SPD beschlossen, Willy Brandt wird Ehrenvorsitzender der DDR-SPD. 17. JANUAR +++ Die SPD eröffnet in der heutigen Lindenstraße ihr erstes Büro in Potsdam.

PDS 16 Prozent. Im späteren Land Brandenburg erhält die SPD immerhin 30 Prozent. In die Volkskammer wurden u. a. gewählt: Steffen Reiche, Richard Schröder, Jes Möller, Emil Schnell, Konrad Elmer, Walter Romberg, Alwin Ziel, Stephan Hilsberg, Markus Meckel, Karsten Wiebke und Regine Hildebrandt.

3. FEBRUAR +++

31. MÄRZ +++ Der Bezirksparteitag Cottbus wählt Edwin Zimmermann zu seinem ersten Vorsitzenden. Der Bezirk hat ca. 2.000 Mitglieder.

Der SPD-Bezirksverband Potsdam wird gegründet, Jochen Wolf wird sein Vorsitzender. Der Bezirk hat ca. 2.300 Mitglieder.

12. APRIL +++ Lothar de Maizière wird zum (letzten) DDR-Ministerpräsidenten gewählt. Er stützt sich auf eine Koalition aus CDU, SPD und Liberalen. Markus Meckel wird Außenminister, Emil Schnell Postminister, Walter Romberg Finanzminister und Regine Hildebrandt Ministerin für Arbeit und Soziales.

Der SPD-Bezirksparteitag Frankfurt (Oder) wählt Britta Schellin (heute Stark) zu ihrer ersten Vorsitzenden. Die Mitgliederzahl wird auf ca. 1.500 geschätzt.

10. FEBRUAR +++

Der erste Parteitag der DDR-SPD findet in Leipzig statt. Er stimmt über ein Parteiprogramm ab und wählt Ibrahim Böhme zum Vorsitzenden sowie zum Spitzenkandidaten für die Volkskammerwahl. Markus Meckel wird stellvertretender Vorsitzender, Steffen Reiche in den Vorstand gewählt. 22.-25. FEBRUAR +++

18. MÄRZ +++ Bei der Volkskammerwahl erhält die CDU mit der „Allianz für Deutschland“ 48 Prozent der Stimmen, die SPD 22 Prozent, die

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Bei der Kommunalwahl wird die SPD in Brandenburg mit 28 Prozent stärkste Kraft vor der CDU mit 24 Prozent und der PDS mit 17 Prozent. Die Hochburgen der SPD liegen in Brandenburg an der Havel (41 Prozent) sowie den Kreisen Zossen (39 Prozent), Nauen (38 Prozent), Eberswalde (37 Prozent), Belzig (37 Prozent) und Seelow (35 Prozent). 6. MAI +++

26.-27. MAI +++ In Kleinmachnow findet

der erste Landesparteitag der SPD


20 sozialdemokratische jahre

Brandenburg statt. Zum ersten Vorsitzenden wird Steffen Reiche gewählt. Manfred Schulz, Siegfried von Rabenau und Edwin Zimmermann werden stellvertretende Landesvorsitzende. Auf dem zweiten Parteitag der Ost-SPD in Halle wird Wolfgang Thierse zum neuen Vorsitzenden gewählt.

9. JUNI +++

Manfred Stolpe wird von der Brandenburger SPD als Spitzenkandidat für die Landtagswahl am 14. Oktober aufgestellt.

21. JULI +++

Der erste gewählte Landesgeschäftsführer Martin Gorholt nimmt seine Arbeit auf. 1. AUGUST +++

Der 2. Landesparteitag in Cottbus bestätigt Manfred Stolpe als Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten, wählt die Landesliste und beschließt das Wahlprogramm. 1.-2. SEPTEMBER +++

Auf einem Parteitag in Berlin vereinigen sich West- und Ost-SPD. Damit gibt es erstmals seit 1933 wieder eine vereinte sozialdemokratische Partei für ganz Deutschland. Hans-Jochen Vogel ist ihr Vorsitzender. Wolfgang Thierse wird stellvertretender SPD-Vorsitzender, Regine Hildebrandt in den Vorstand der SPD gewählt.

27.-28. SEPTEMBER +++

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thema – 20 jahre SDP

14. OKTOBER +++ Die SPD gewinnt die

erste Brandenburger Landtagswahl mit 38 Prozent vor der CDU (29 Prozent), PDS (13 Prozent), FDP (7 Prozent) und Bündnis 90 (6 Prozent). 26. OKTOBER +++ Der neue Branden-

burger Landtag konstituiert sich und wählt Herbert Knoblich (SPD) zu seinem ersten Präsidenten. Die SPDFraktion wählt Wolfgang Birthler zu ihrem ersten Vorsitzenden. 1992 1. NOVEMBER +++ Manfred Stolpe wird zum Ministerpräsidenten gewählt. Er bildet eine Regierung aus SPD, FDP und Bündnis 90. 2. DEZEMBER +++ Die erste gesamtdeut-

sche Bundestagswahl gewinnen CDU/ CSU und FDP. Helmut Kohl bleibt Bundeskanzler. In Brandenburg erhält die SPD 33 Prozent und landet damit hinter der CDU mit 36 Prozent.

1991

1991

MÄRZ +++ Eine der ersten Kampagnen der

Brandenburger SPD nach dem Wahljahr wirbt für das Kaufen einheimischer Produkte. Damit soll der eigenen Wirtschaft unter die Arme gegriffen werden.

1992

30. JANUAR +++ Mit einer Unterschrif-

tenaktion „Wir Brandenburger für Manfred Stolpe“ stärkt die SPD ihrem Ministerpräsidenten den Rücken. Er wird vor allem von westdeutschen Medien wegen seiner früheren Kontakte als Kirchenjurist mit der Staatsmacht und der Stasi angegriffen. Am Ende kommen mehrere zehntausend Unterschriften zusammen. 14. APRIL +++ Die neue Verfassung des Landes Brandenburg wird im Landtag mit 72 Ja-Stimmen, bei 11 Enthaltungen angenommen. SPD, PDS, Bündnis 90 und FDP stimmen geschlossen für die Verfassung, die CDU-Fraktion ist in der Frage gespalten. 16.-17. MAI +++ Zwei Jahre nach Grün-

25. OKTOBER +++ Die neue Landeszen-

trale der SPD bezieht das Otto-WelsHaus in Potsdam. 10

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dung des Landesverbandes wird Steffen Reiche auf dem Landesparteitag in Templin als Vorsitzender wiedergewählt.


20 sozialdemokratische jahre

Seine Stellvertreter werden Heidrun Förster und Ernst Bahr. Die SPD hat in Brandenburg 6.500 Mitglieder in 350 Ortsvereinen. Der Parteitag formuliert ebenfalls einen Verhandlungsauftrag an die Landesregierung für eine mögliche Länderfusion mit Berlin.

5. DEZEMBER +++ Bei der Kommunal-

wahl wird die SPD mit 35 Prozent landesweit stärkste Kraft. Bei der Stichwahl um das Amt des Oberbürgermeisters in Potsdam zwei Wochen später siegt Horst Gramlich (SPD) mit 55 Prozent gegen Rolf Kutzmutz (PDS).

1994

1994

22. MÄRZ +++ Die Ampelkoalition schei-

tert wenige Monate vor der Landtagswahl. Die Bündnis-Fraktion kündigt den Koalitionsvertrag und begründet dies mit Differenzen bei der Bewertung von Manfred Stolpes Kontakten zur Staatssicherheit. Die Landesregierung bleibt jedoch im Amt, ebenso die Minister der Bündnis-Fraktion. 14. JUNI +++ In einem Volksentscheid

wird die neue Landesverfassung mit 94 Prozent der Stimmen angenommen. Die SPD hatte mit einer Infobus-Kampagne für die Verfassung geworben.

13. APRIL +++ Der Landtag lehnt eine Selbstauflösung ab. Manfred Stolpe stützt sich auf eine Minderheitsregierung aus SPD und FDP. Der Landtag wird wie geplant am 11. September gewählt.

1993

16. APRIL +++ Die Landesvertreterversammlung der SPD nominiert Manfred Stolpe mit 111 von 115 Stimmen erneut zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl. Ferner wird das Wahlprogramm beschlossen.

1993

31. MÄRZ +++ Der Landtag beschließt ei-

ne Kreisgebietsreform mit vier kreisfreien Städten und 14 Großkreisen, die tortenförmig von Berlin aus jeweils in die strukturschwächeren Regionen des Landes reichen. Die SPD vollzog bereits Ende 1992 ihre Strukturreform durch die Bildung von 18 Unterbezirken.

29. MAI +++ Der Abschlussbericht des

„Stolpe-Untersuchungsausschusses“ im Landtag entlastet Manfred Stolpe vom perspektive21

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thema – 20 jahre SDP

Vorwurf der Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit.

Fusion mit Berlin und den bereits ausgehandelten Staatsvertrag.

12. JUNI +++ Bei der ersten Europawahl

wird die SPD in Brandenburg stärkste Kraft. Norbert Glante wird erster direkt gewählter Europaabgeordneter der SPD. 25. JUNI +++ Auf dem Landesparteitag

in Glöwen wird Steffen Reiche zum Landesvorsitzenden wiedergewählt, Heidrun Förster und Holger Bartsch werden seine Stellvertreter.

1996

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10. FEBRUAR +++ Das „Forum Ost-

deutschland“ der SPD wird gegründet, Vorsitzender wird Manfred Stolpe. Im Forum sollen ostdeutsche Interessen organisiert und Kompetenzen gebündelt werden. 5. MAI +++ Bei der Volksabstimmung

11. SEPTEMBER +++ Bei der Landtags-

wahl gewinnt die SPD mit 54 Prozent die absolute Mehrheit. Die SPD erobert alle 44 Direktmandate.

über die Fusion mit Berlin stimmen 63 Prozent der Brandenburger mit Nein. Damit scheitert die Länderfusion. Die SPD hatte mit einer breit angelegten Kampagne für die Fusion geworben.

11. OKTOBER +++ Manfred Stolpe wird

vom Landtag als Ministerpräsident auch mit Stimmen aus der Opposition wiedergewählt. 16. OKTOBER +++ Bei der Bundestags-

wahl gewinnt die Brandenburger SPD ebenfalls alle Direktmandate und wird mit 45 Prozent stärkste Kraft. 1. DEZEMBER +++ Klaus Ness wird neuer

Landesgeschäftsführer der SPD.

1995

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22. APRIL +++ Ein Landesparteitag der SPD stimmt mit 72 Prozent für die

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16. JUNI +++ Auf einem Landesparteitag

wird Steffen Reiche erneut zum Landesvorsitzenden gewählt. Heidrun Förster und Holger Bartsch bleiben seine Stellvertreter. 10. AUGUST +++ Die

Brandenburger SPD startet eine Kampagne gegen den Sozialabbau der Regierung Kohl und sammelt dabei allein 47.000 Unterschriften. FOTO


20 sozialdemokratische jahre

1997

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OKTOBER +++ Erstmals gibt der SPD-

Landesverband die „Perspektive 21. Brandenburgische Hefte für Wissenschaft und Politik“ heraus. Die viermal im Jahr erscheinende Zeitschrift begleitet die politische Diskussion im Land und trägt zur Entwicklung sozialdemokratischer Antworten auf die Fragen der Zeit bei.

Prozent im ersten Wahlgang zum neuen Oberbürgermeister von Potsdam gewählt. 1999

1999

13. JUNI +++ Bei der Europawahl verliert die SPD Stimmen, bleibt aber stärkste Kraft vor CDU und PDS. Norbert Glante wird als Europaabgeordneter der SPD wiedergewählt.

DEZEMBER +++ Die Brandenburger SPD

26. JUNI +++ Die Landesvertreterver-

ist online. Der Landesverband stellt seine Internetseiten ins Netz, in den kommenden Monaten folgen die Unterbezirke.

sammlung der SPD wählt Manfred Stolpe zum dritten Mal zu ihrem Spitzenkandidaten für die Landtagswahl. Das Wahlprogramm trägt das Motto „… weil wir Brandenburg menschlich gestalten wollen.“

1998

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6.-7. JUNI +++ Der Landesparteitag in

5. SEPTEMBER +++ Bei der Landtagswahl

Frankfurt wählt Steffen Reiche erneut zum Landesvorsitzenden, Heidrun Förster und Holger Bartsch bleiben seine Stellvertreter.

verliert die SPD die absolute Mehrheit, bleibt mit 39 Prozent aber stärkste Kraft vor der CDU (26 Prozent) und der PDS (23 Prozent). Erstmals zieht die rechtsextreme DVU in den Landtag ein.

27. SEPTEMBER +++ Bei der Bundestagswahl holt die SPD mit knapp 44 Prozent alle Direktmandate. Gerhard Schröder wird Bundeskanzler einer rotgrünen Koalition. Bei der zeitgleich stattfindenden Kommunalwahl wird die SPD (39 Prozent) mit großem Abstand stärkste Kraft vor PDS und CDU mit jeweils 21 Prozent. Die SPD wird erstmals in allen Kreisen stärkste Fraktion. Matthias Platzeck wird mit 64

4. OKTOBER +++ Auf einem Landespar-

teitag entscheidet sich die SPD für eine Regierungskoalition mit der CDU. Regine Hildebrandt kündigt an, dass sie der neuen Regierung als Ministerin nicht mehr angehören wird. 13. OKTOBER +++ Manfred Stolpe wird

vom Landtag erneut zum Ministerpräperspektive21

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thema – 20 jahre SDP

sidenten gewählt. Neuer Vizeregierungschef und Innenminister wird Jörg Schönbohm (CDU). Neuer Fraktionsvorsitzender wird Gunter Fritsch.

2000

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2002

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22. MÄRZ +++ Die Abstimmung zum

Zuwanderungsgesetz im Bundesrat wird zu einer ernsten Krise der Großen Koalition. Ministerpräsident Stolpe stimmte mit Ja, Innenminister Schönbohm mit Nein.

18. MÄRZ +++ Auf einem Strategiepar-

teitag wertet die SPD den Verlust der absoluten Mehrheit aus. Mit den Mittenwalder Beschlüssen werden für die Themenbereiche „Soziale Gerechtigkeit im 21. Jahrhundert“, „Zukunftsregion Brandenburg“ und „Bildungs- und Erziehungsoffensive Brandenburg“ neue programmatische Akzente gesetzt.

22. JUNI +++ Auf dem Landesparteitag in Wittenberge kündigt Manfred Stolpe seinen Rücktritt als Ministerpräsident an. Matthias Platzeck wird als neuer Ministerpräsident nominiert. Er bleibt Landesvorsitzender. Auch seine Stellvertreter bleiben im Amt. 26. JUNI +++ Der Landtag wählt Matthias

8. JULI +++ Auf dem Landesparteitag in

Oranienburg kommt es erstmals zum Führungswechsel bei der Brandenburger SPD: Matthias Platzeck löst Steffen Reiche als Landesvorsitzender ab. Ab sofort gibt es vier stellvertretende Landesvorsitzende: Dagmar Ziegler, Gunter Fritsch, Katrin Molkentin und Holger Bartsch.

2001

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26. NOVEMBER +++ Mit Regine Hildebrandt stirbt eine der großen Sozialdemokratinnen der SPD. Bei einer beeindruckenden Trauerfeier verabschieden sich Tausende Wegbegleiter, Freunde und Unterstützer.

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Platzeck zum neuen Ministerpräsidenten.


20 sozialdemokratische jahre

22. SEPTEMBER +++ Bei der Bundestags-

26-28. MAI +++ Der Landesvorsitzende

wahl erreicht die SPD mit über 700.000 Stimmen ihr bisher bestes Wahlergebnis in Brandenburg. Mit Manfred Stolpe wird erstmals ein Brandenburger Bundesminister. Er ist für Verkehr, Bau und Wohnungswesen sowie den Aufbau Ost im Kabinett von Gerhard Schröder zuständig.

Matthias Platzeck informiert sich in Finnland über das positive Zusammenwirken von Bildungs-, Familien- und Wirtschaftspolitik. Anregungen, wie langes gemeinsames Lernen, der Technologiebeirat und die Netzwerke Gesunde Kinder, finden Eingang in die Programmatik der SPD.

2003

13. JUNI +++ Auch bei der Europawahl muss die SPD herbe Verluste hinnehmen. Sie kommt mit 21 Prozent nur auf den dritten Platz nach PDS (31 Prozent) und CDU (24 Prozent). Norbert Glante wird als Europaabgeordneter wiedergewählt.

2003

19. AUGUST +++ Zum ersten Mal feiert

die SPD ihr Sommerfest im Potsdamer Buga-Park. Eingeladen sind alle Brandenburger SPD-Mitglieder sowie zahlreiche Unterstützer, Partner und Gäste aus Wirtschaft, Kultur, Sport und Gesellschaft. Nach dem erfolgreichen Auftakt findet das Sommerfest jährlich statt und ist mit jeweils etwa 2.000 Gästen die größte politische Veranstaltung im Land. 26. OKTOBER +++ Bei der Kommunalwahl verliert die SPD 15 Prozentpunkte und erhält nur noch 24 Prozent der Stimmen. Erstmals wird die CDU stärkste Kraft (28 Prozent), die PDS erhält 21 Prozent.

2004

2004

9. MAI +++ Die Landesvertreterversamm-

lung wählt Matthias Platzeck zum Spitzenkandidaten der SPD für die Landtagswahl. „Erneuerung aus eigener Kraft“ ist das Leitmotiv des verabschiedeten Wahlprogramms.

14. AUGUST +++ Auf dem Landespartei-

tag in Brandenburg an der Havel wird Matthias Platzeck als Landesvorsitzender wiedergewählt. Stellvertretende Landesvorsitzende werden Dagmar Ziegler, Martina Gregor, Gunter Fritsch und Peer Giesecke. 19. SEPTEMBER +++ Nach

einem fulminanten Wahlkampf, bei dem die SPD bis zu 9 Prozent hinter der PDS lag, werden die Sozialdemokraten mit 32 Prozent der Stimmen erneut stärkste Kraft im Land. Die PDS erhält 28 Prozent, die CDU 20 Prozent. Auch die rechtsextreme DVU zieht erneut in den Landtag ein. Neuer Fraktionsvorsitzender der SPD wird Günter Baaske. perspektive21

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thema – 20 jahre SDP

tierung von Wirtschaftsförderung und Landesplanung vor. Im Mittelpunkt des neuen Leitbildes steht das Prinzip „Stärken stärken“. Es löst das Leitbild der dezentralen Konzentration ab. 20. MAI +++ Auf einem Landesparteitag

unterstützt die SPD die eingeleitete Reform von Wirtschaftsförderung und Landesplanung. 18. SEPTEMBER +++ Bei der Bundestagswahl bleibt die SPD stärkste Kraft in Brandenburg und gewinnt wieder alle zehn Direktmandate. Die CDU gelangt nur auf Platz 3, die in Linkspartei umbenannte PDS wird erstmals bei Bundestagswahlen zweitstärkste Kraft in Brandenburg. 12. NOVEMBER +++ Mit einer Großde-

13. OKTOBER +++ Der Landtag wählt

Gunter Fritsch zu seinem neuen Präsidenten. Matthias Platzeck wird vom Landtag wieder zum Ministerpräsidenten gewählt. Er stützt sich erneut auf eine Koalition aus SPD und CDU. Zuvor hatte ein Landesparteitag den Koalitionsvertrag beschlossen. 2005

2005

19. FEBRUAR +++ Auf der Klausurtagung der SPD in Michendorf stellt Matthias Platzeck seine Ideen für eine Neuorien-

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monstration, die von allen demokratischen Parteien und vielen anderen gesellschaftlichen Organisationen getragen wird, wird ein Aufmarsch der rechtsextremen NPD in Halbe verhindert. Die NPD gibt es darauf hin auf, Halbe zu einem ihrer Aufmarschgebiete zu machen. 15. NOVEMBER +++ Matthias

Platzeck wird auf dem Bundesparteitag in Karlsruhe bei nur zwei Gegenstimmen zum neuen Bundesvorsitzenden der SPD gewählt. Die SPD beschließt ferner den Koalitionsvertrag mit CDU/ CSU für die neue Bundesregierung.


20 sozialdemokratische jahre

2006

2006

10. APRIL +++ Matthias Platzeck stellt

seine Leitsätze für das neue Grundsatzprogramm der SPD vor. Er entwickelt darin den Gedanken des vorsorgenden Sozialstaates. Aus Gesundheitsgründen muss Matthias Platzeck vom Bundesvorsitz der SPD zurücktreten. Er bleibt aber Landesvorsitzender und Ministerpräsident. 11. APRIL +++

sitzenden gewählt. Seine Stellvertreter werden Günter Baaske, Martina Münch, Gunter Fritsch und Dagmar Ziegler. Der Landesparteitag wählt erstmals mit Klaus Ness auch einen Generalsekretär. 22. OKTOBER +++ Zum ersten Mal wird

mit Frank Szymanski ein Sozialdemokrat Oberbürgermeister von Cottbus. Er setzt sich in der Wahl mit 61 Prozent gegen einen gemeinsamen Kandidaten von CDU und PDS durch. 2007

2007

26. APRIL +++ Die SPD eröffnet mit dem

Regine-Hildebrandt-Haus in Potsdam ihre neue Landesgeschäftsstelle. 1. JULI +++ Matthias Platzeck wird auf dem Landesparteitag erneut zum Landesvor-

Der Landesvorsitzende Matthias Platzeck fährt nach Wien und Niederösterreich. Dort informiert er sich über die strategische Zusammenarbeit mit den osteuropäischen

10-12. APRIL 2007 +++

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thema – 20 jahre SDP

Partnerregionen und die Kooperation in der Hauptstadtregion. 30. JUNI 2007 +++ Auf ihrem Landesparteitag unterstützt die SPD den Entwurf für das neue Grundsatzprogramm der Bundespartei. Sie entwirft gleichzeitig ein Leitbild, wie die Idee des vorsorgenden Sozialstaates in praktische Politik in Brandenburg übersetzt wird.

2008

2008

23. FEBRUAR +++ Auf ihrer Vorstandsklausur beschließt die SPD ein „Sozialpaket“. Nach harten Verhandlungen mit der CDU wird ein Mobilitätsticket für sozial Schwache und der Schulsozialfonds eingeführt. Den Kreisen wird es freigestellt, Elternbeiträge für Schulbusse zu erheben. 11. MÄRZ +++ Vor 75 Jahren wurde das

Ermächtigungsgesetz von den Nazis verabschiedet. Aus diesem Anlass gedenkt die SPD-Landtagsfraktion des letzten Fraktionsvorsitzenden der SPD im Reichstag, Otto Wels, und des letzten (sozial-)demokratischen Ministerpräsidenten von Preußen, Otto Braun. 31. AUGUST +++ Der Landesparteitag

wählt Matthias Platzeck erneut zum Landesvorsitzenden. Mit einer Satzungsänderung wird die Führungsspitze gestrafft. Stellvertretende Landesvorsit-

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zendende werden Klara Geywitz und Martina Münch. Klaus Ness bleibt Generalsekretär. 28. SEPTEMBER +++ Die

SPD wird wieder stärkste Kraft bei der Kommunalwahl. In zehn Kreisen und kreisfreien Städten stellt sie die größte Fraktion, der PDS gelingt dies in vier, der CDU ebenfalls in vier Kreisen. Die Wahlbeteiligung steigt deutlich auf 50 Prozent. 2009

2009

9. MAI +++ Die Landesvertreterversamm-

lung wählt Frank-Walter Steinmeier zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl. Der Brandenburger Listenführer ist gleichzeitig Kanzlerkandidat der SPD. 7. JUNI +++ Entgegen dem Bundestrend legt die SPD bei der Europawahl zu und wird hinter der PDS zweitstärkste Kraft. Norbert Glante bleibt Europaabgeordneter für die SPD.

20. JUNI +++ Matthias Platzeck wird zum zweiten Mal Spitzenkandidat der SPD für die Landtagswahl am 27. September 2009. Der Landesparteitag beschließt ferner das Wahlprogramm unter dem Motto: „Brandenburg im neuen Jahrzehnt: Kraftvoll, sozial, gerecht“.


Die Schutzmacht der kleinen Leute ÜBER DIE GRÜNDUNG DER SDP UND SEINEN EINTRITT IN DIE SPD SPRACH THOMAS KRALINSKI MIT MANFRED STOLPE PERSPEKTIVE 21: Wann haben Sie denn zum ersten Mal von Bestrebungen gehört, die SPD in der DDR wieder zu gründen? MANFRED STOLPE: Die Sozialdemokratie war im Herzen vieler DDR-Bürger tief verankert. Das hatte viel mit Willy Brandt zu tun. Vom dem wussten die Leute, dass er immer gesagt hat: „Wir sind jetzt geteilt, aber wir werden euch nicht vergessen.“ Er war auch öfter in der DDR und eine seiner Bedingungen war stets, dass er auch mit den Kirchen reden konnte. Das waren sehr eindrucksvolle Begegnungen. Insofern hatte die SPD in der DDR immer ein sehr hohes Ansehen. Im Sommer 1987 erschien dann ein Berliner Pfarrer in meinem Kirchenbüro – er ist heute übrigens anderweitig politisch aktiv. Wir sprachen über verschiedene Themen, doch dann signalisierte er, dass es heikel würde …

Und sie kommunizierten über Zettel weiter. STOLPE: Ja, wir hatten eine Technik entwickelt, weiter zu reden und parallel etwas aufs Papier zu bringen. Er mein-

te jedenfalls, dass es an der Zeit wäre, die SPD in der DDR wieder zu beleben. Und er fragte mich, ob ich nicht über meine Kontakte in den Westen klären könnte, was die SPD dort davon halten würde. Vielleicht zu ängstlich Und wie hat die SPD in Bonn reagiert? STOLPE: Ich habe Hans-Jochen Vogel, den damaligen SPD-Vorsitzenden angefragt. Er hat abgeraten. Er befürchtete eine Konfrontation mit der SED und glaubte, dass er in einer derart zugespitzten Situation den „neuen“ Sozialdemokraten nicht würde helfen können. Ich habe das an den Berliner Pfarrer übermittelt, der nicht glücklich darüber war – und die Sache verlief im Sande. Und Ihnen blieb eine Menge Ärger erspart. STOLPE: Ehrlich gesagt, ja. Mir war klar, dass es auf jeden Fall massive Auseinandersetzungen mit der DDRFührung gegeben hätte. Die Idee war perspektive21

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thema – 20 jahre SDP

gut, aber die Zeit war noch nicht reif. Im Nachhinein kann man aber auch sagen: Vielleicht waren wir zu ängstlich. Wie haben Sie dann vom zweiten Anlauf gehört? STOLPE: Der Pfarrer der Berliner Golgatha-Gemeinde erzählte mir im Sommer 1989 von einem Treffen, das zum Jahrestag der Menschenrechtserklärung der Französischen Revolution mit Markus Meckel und Martin Gutzeit vorbereitet wurde. An diesem Tag wollten sie den Aufruf zur Gründung der Sozialdemokratie in der DDR vorstellen. Irgendwann kriegte ich auch einen Anruf vom Berliner Magistrat, ob ich denn wisse, dass da etwas läuft und ob der öffentliche Friede gestört werden solle. Die Staatsmacht wusste also Bescheid? Von der SDP-Erklärung wussten die, glaube ich, nichts. Denen war nur wichtig, dass es auf den Straßen ruhig blieb. Seit Ende der siebziger Jahre hatte die SED zähneknirschend eine gewisse Freiheit in den Räumen der Kirchen akzeptiert – solange es keine Unruhe auf den Straßen gab. STOLPE:

Deshalb fand dann die eigentliche Gründung der SDP auch in den Kirchenräumen in Schwante statt? STOLPE: Ja – und die evangelische Kirchenleitung wusste, was da am 7. 20

september 2009 – heft 43

Oktober vorgesehen war. Wir haben im Kirchenamt befürchtet, dass jetzt eine dramatische Aktion passieren würde. Aber nichts geschah. Stasi und Polizei waren zu sehr mit dem 40. Jahrestag der DDR in Berlin und der Zerschlagung einer großen Protestdemonstration beschäftigt. Kohl ließ anfragen Wann haben Sie denn selbst mit dem Gedanken gespielt, in eine Partei einzutreten? STOLPE: Bis ins Frühjahr 1990 habe ich angenommen, dass man nicht in eine Partei eintreten muss. Ich dachte, man kann mehr erreichen, wenn man viele Leute kennt, mit Menschen reden kann und Meinungen vermitteln kann. Eine Methode, die sich in der DDR ja bewährt hatte. Sie waren ja als Konsistorialpräsident der evangelischen Kirche kein Unbekannter in der DDR. Hat denn niemand bei Ihnen angeklopft, um Sie in eine Partei zu locken? STOLPE: Im Dezember 1989 war der damalige Kanzleramtschef in der DDR unterwegs, um die „Allianz für Deutschland“ vorzubereiten. Dazu sollte die Blockpartei-CDU mit dem Feigenblättchen „Demokratischer Aufbruch“ ausgestattet werden. Im DA waren interessante Leute dabei, einige von ihnen kannte ich schon länger. Aber


manfred stolpe – die schutzmacht der kleinen leute

Landtagswahlkampf 1990: Manfred Stolpe in einer Schuhfabrik in Luckenwalde

die „Allianz“ wurde machtpolitisch kalkuliert und auf die Volkskammerwahlen vorbereitet. Da ließ Kohl bei mir anfragen, ob ich bereit wäre, die „Allianz für Deutschland“ mitzugründen.

würden. Und zweitens war ich zu diesem Zeitpunkt noch der Meinung, ich muss in keine Partei. Man kann sympathisieren, unterstützen, aber man muss schon gar nicht in die „Allianz für Deutschland“.

Und das kam überhaupt nicht in Frage? STOLPE: Aus zwei Gründen nicht. Erstens war ich zögerlich, weil ich bei der CDU nicht glaubte, dass das die Partei wäre, die wir jetzt brauchen

Und warum kam es dann zum Eintritt in die SPD? STOLPE: Nach der Volkskammerwahl wurde mir klar, dass wir auf einen demokratischen Rechtsstaat nach bundesperspektive21

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thema – 20 jahre SDP

Mit dieser Postkarte trat Manfred Stolpe im Juli 1990 in die SPD ein.

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manfred stolpe – die schutzmacht der kleinen leute

republikanischem Vorbild zusteuerten – und darin Parteien unverzichtbar sind. Dass heißt, man muss Menschen finden, die ähnlich denken. Die SPD versteht die Sorgen Und wie haben Sie gedacht? STOLPE: Klar war, wir würden in Ostdeutschland schnell eine Marktwirtschaft haben. In meinen Augen war die DDR-Wirtschaft nicht wettbewerbsfähig. Ich erwartete, dass die Ostmärkte verschwinden und viele Menschen arbeitslos werden würden – und dass es darauf ankam, diesen Problemen entgegenzuwirken. In dieser Situation habe ich nur in der SPD Leute gefunden, die diese Sorgen verstanden. In der Ost- oder der West-SPD? STOLPE: Die Unterschiede waren da nicht sehr groß. Ich hatte das Glück, dass ich den Ministerpräsidenten von NRW, Johannes Rau, schon sehr lange kannte. Er hatte mir als erster einen

massiven Strukturwandel prophezeit – ähnlich wie im Ruhrgebiet. Und er hat Recht behalten. In einer solchen Ausgangslage habe ich nur die Sozialdemokraten gesehen, die die Interessen der kleinen Leute – wie Rau das immer so schön sagte – vertreten würden. Sie sind dann am 7. Juli 1990 in die SPD eingetreten. STOLPE: Auf einer Postkarte. Auf der Vorderseite war eine Karikatur, wo ein Mensch, offenbar ein DDR-Bürger, blind, weil er zwei große D-Marktstücke vor den Augen hat, in Schlaglöcher läuft, die da heißen Arbeitslosigkeit, höhere Mieten, Pleiten, § 218. Ich habe auf dieser Karte meinen Eintritt in die SPD mit den Worten „Die Gründe sehen Sie umseitig“ erklärt. Und die Mitgliedschaft haben Sie nie bereut? STOLPE: Nie. Ich sehe nur in der SPD eine Schutzmacht der kleinen Leute, bis heute.

MANFRED STOLPE

war bis 1990 Konsistorialpräsident der Evangelischen Kirche in der DDR, von 1990 bis 2003 Ministerpräsident des Landes Brandenburg und anschließend bis 2005 Bundesverkehrsminister. perspektive21

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Wir sagen hier „Du“ WIE DIE SDP DEN WEG ZUR SPD FAND VON STEFFEN REICHE

nde August 1989 beantragte ich ein Visum für die „einmalige Ausreise nach der BRD“. Ich rechnete nicht mit der Genehmigung, schon gar nicht nach der Gründung der SDP am 7. Oktober – doch ich bekam den Pass. Schon früh wies ich Freunde aus dem Vorbereitungskreis darauf hin, dass ich irgendwann im Herbst wieder in den Westen fahren würde und dann ja etwas tun könnte, um unsere Gründung bekannt zu machen. Aber wir hatten so viel zu tun, dass niemand recht darauf achtete, genaueres zu verabreden. Außerdem – was sollte schon groß möglich sein. So fand ich mich am Montag, dem 16. Oktober, früh am Bahnhof Zoo in West-Berlin, glücklich, wieder ein paar Tage „Ausgang“ aus der DDR erhalten zu haben. Ich würde bei dieser Reise nicht – wie zumindest erwogen – im Westen bleiben, sondern zurückkehren. Als erstes ging ich zu Reinhard Kraft vom Ökumenisch-missionarischen Zentrum. Voller Stolz erzählte ich ihm, dass ich mit Freunden die SDP gerade vor zehn Tagen gegründet hatte. Er war fast sprachlos und guckte mich in einer Mischung von Verwunderung und Erstaunen an. Verwunderung darüber,

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dass es mir trotzdem gelungen war hier zu sein, Erstaunen über meine Ruhe, dass ich hier saß und kopierte, anstatt etwas von dieser Gründung zu erzählen. Im Herzen des Klassenfeindes Er fragte mich, ob ich bereit wäre, dem RIAS ein Interview zu geben. Verwundert sagte ich: „Wenn das so einfach geht?“. Auf diese Weise würde man von der SDP-Gründung im Osten das erste Mal auch dort mehr hören. Sofort rief Kraft beim RIAS an und auch dort war man erstaunt. „Was, und der ist hier?“ Wenig später saß ich in der Kufsteiner Straße im „Herzen des Klassenfeindes“. Aus einem Interview wurden zwei und als ich das erste Mal in einem dieser kleinen schalldichten Räume saß, mit dem Mikrofon vor dem Gesicht, das durch Licht anzeigte, dass jetzt vielleicht Tausende zuhörten, spürte ich Aufregung, mehr aber noch Verantwortung. Im Osten hatten wir kaum Publikationsmöglichkeiten, bestenfalls die Wachsmatrizenabzüge, aber man erreichte eben meist nur die sowieso schon kritischen Geister der Opposition und nur begrenzt die wirkliche Öffentlichkeit perspektive21

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Die Gründungsmitglieder der SDP am 7. Oktober 1989 in Schwante

der DDR. Einmal beim RIAS, ging ich durch die vielen Gänge, und fand mich in dem dunklen Zimmer wieder, in dem inmitten von Büchern, Zeitungen und Papieren Manfred Rexin saß, der Politikchef beim RIAS. Er nahm sich eine Stunde Zeit und wollte alles wissen. „Und was haben sie jetzt vor?“, fragte er zum Schluss. Ich erzählte ihm von dem Wunsch, einen Verantwortlichen aus der SPD zu treffen, mit dem ich in einen offiziellen Kontakt treten könnte. Er nannte mir Tilman Fichter von der Parteischule der SPD in Bonn. Ich verließ das Zimmer und war sicher: Jetzt habe ich den Anfang eines Fadens in die Hand bekommen. 26

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Zwei Tage später, am 18. Oktober, traf ich Tilman Fichter in Bonn. Ohne jede Distanz waren wir sofort tief im Gespräch. Ich erzählte und er ordnete ein. Endlich mal wieder was in der DDR, was ihn faszinierte, da konnte man etwas draus machen. Fichter überlegte, wie man dieser Initiative zu größerer Beachtung verhelfen könnte. Unterbrochen wurden wir durch das Klingeln des Telefons. „Was“, schrie er und guckte ungläubig und begeistert zu mir. „Was? Honecker ist zurückgetreten?!“ Der WDR, bei dem ich für Freitagabend angemeldet worden war, wollte jetzt dringend wissen, wo ich bin. Honecker wäre zurückgetreten, und ob


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perspektive21

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ich nicht vielleicht heute Abend schon zum „Brennpunkt‘‘ in der ARD kommen könnte. „Ja“, ich versuchte ruhig zu bleiben. Ich wechselte zwischen Aufregung und Spannung, verbunden immer wieder mit der Frage: Darf ich das? Was passiert meiner Familie, was meinen Eltern und mir? Denn das war etwas Neues, dass über ein Ereignis in der DDR auch jemand mitsprechen konnte und mitsprach, der dazu gehörte und den es direkt betraf. Dass Honecker zurücktrat, hing ja nicht mit seinem Alter, mit seinen Leistungen oder einer Wahl zusammen, sondern mit uns, die wir protestiert hatten, mit denen, die ausgereist waren oder das Neue Forum und andere Vereinigungen gegründet hatten! Zwischen Schmidt und Seiters Es war ein wirklich ungewöhnliches Bild, das sich dem Fernsehzuschauer um Viertel nach Acht in der DDR bot: Helmut Schmidt, Kanzleramtsminister Rudolf Seiters und Oskar Lafontaine, alle im Anzug mit Schlips und Kragen, saßen mit einem Typen am Tisch in Flickenlederjacke und einer Brille, die es in ihrer Größe auch gut mit der Brille eines ZK-Mitgliedes aufnehmen konnte. Schmidt begegnete mir kühl und reserviert, er hatte wohl Sorge, zu große Nähe zu diesem nicht einzuordnenden Menschen zu zeigen, der im Osten eine sozialdemokratische Partei gegründet 28

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hatte. Lafontaine reizte es hingegen deutlich zu machen, dass man mit Sozialdemokraten im Osten gern reden würde. Gleichwohl: Niemand wusste an diesem Abend wirklich, was sich nun eigentlich verändert hatte und was jetzt kommen würde. Die weiteren Treffen im Westen der Republik gingen Schlag auf Schlag. Nach einem Besuch im „Presseclub“ am Sonntag wollte ich sehen, wie die „richtige“ SPD lebte und funktionierte. Im Parteivorstand der SPD, der Baracke, beratschlagte ich mit Tilman Fichter und Karl-Heinz Klär, Abteilungsleiter für Politik und Planung im OllenhauerHaus. Der entschuldigte sich plötzlich und verschwand. Ich glaubte, er würde einige Bücher und Material holen, die ich dann versuchen würde in die DDR zu schmuggeln. Wenig später kam er wieder: „Der Hans-Jochen würde gerne mit Dir reden“. Jetzt galt es eine Chance zu nutzen. „Ich bring Dich hin“, sagte er. „Und Sie haben die Sozialdemokratie im Osten wieder mit begründet?“ Ich erzählte ein bisschen, und noch ehe wir uns setzten, sagte Hans-Jochen Vogel: „Wir hier sagen als Genossen ,Du‘ zueinander. Also ich heiße Hans-Jochen.“ Ich vergaß zu antworten und setzte mich dankbar auf den Stuhl, der mir angeboten wurde. Hans-Jochen Vogel fasste in dem kaum fünfzehnminütigen Gespräch Vertrauen. „Ich muss ins Präsidium. Willst Du mitkommen und von Eurer


steffen reiche – wir sagen hier „du“

Steffen Reiche und Hans-Jochen Vogel im Oktober 1989 in Bonn

Gründung erzählen?“ Mir stockte der Atem, denn das war quasi eine öffentliche Anerkennung dessen, was wir gemacht hatten. Die offizielle Gegenzeichnung des fast aberwitzigen Anspruchs, eine sozialdemokratische Partei gegründet zu haben. Ein Raum gefüllt mit lauter Menschen, die ich aus dem Fernsehen kannte, die mir vorgestellt wurden und mir freundlich zunickten. Ich erzählte, was wir gemacht hatten und vor allem, was wir wollten. Berichtete, dass wir lange diskutiert hatten, ob wir uns SDP oder SPD nennen sollten,

berichtete von unserem Antrag um Aufnahme in die Sozialistische Internationale und bat darum, dass die SPD ihn befürwortete. Besonders intensiv erklärte ich, warum wir gegenüber der DDR auf Unterstützung angewiesen waren. Wir wollten Partei sein, denn die SPD fehlte ja in der Volkskammer seit der Zwangsvereinigung. Es fehlte in der DDR eine kritische, oppositionelle Partei. Bürgerinitiativen gab es, aber keine Partei, die ihre Anliegen im Parlament zur Sprache brachte. Wir wollten Mitglieder der SED gewinnen und langsam zu einer perspektive21

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ernsten politischen Größe aufwachsen. Uns war klar, dass das ohne Unterstützung der SPD nicht gelingen konnte. Die Frage der Selbständigkeit musste nicht betont werden. Das verstand sich von selbst in zwei verschiedenen Staaten, da wir in der DDR gerade nicht als Ostableger der West-SPD diskriminiert und ins politische Abseits gedrängt werden wollten. Die Fragen von Egon Bahr über Johannes Rau bis Heidemarie Wieczorek-Zeul machten deutlich, dass die Genossen uns offen gegenüberstanden. Wenn die erste Partei, die sich neu gründet, sozialdemokratisch sein will – dann war das ein gutes Zeichen. Ich sagte etwas zum SED-SPD-Papier „Streit der Kulturen“, wie es uns geholfen hatte, obwohl wir erst sehr verwundert waren, dass es ein solches Papier überhaupt geben konnte. Ich stellte unsere Position zur deutschen Einheit dar und erläuterte, dass sie ein langfristiges Ziel für uns sei, wir aber sahen, dass wegen der deutschen Teilung als Folge deutscher Schuld erst ein Prozess in Gang gesetzt werden musste. Besonders freute sich Johannes Rau, als ich erzählte, wie eng dies alles mit den Kirchen verbunden war, dass die Sozialdemo-

kratie im Osten aus der Kirche heraus neu wuchs. Die SPD – damals aus honorigen und verständlichen Gründen viel zu etatistisch eingestellt – wollte zu dem Zeitpunkt weitere Veränderungen nicht nur im deutsch-deutschen Verhältnis, sondern auch für die Ostdeutschen über die gemeinsam entwickelte Streitkultur mit der SED verändern. Doch spätestens seit dem Sturz von Honecker musste nun aber ein stärkerer offizieller Dialog mit der Opposition beginnen. Das traf sich, denn die SDP im Osten brauchte Anerkennung und Schutz für diesen im Grunde vermessenen Anfang unserer Parteigründung. Und die SPD brauchte einen Partner in der DDR-Opposition – die SDP. Am selben Abend traf ich dann Egon Bahr in seinem Abgeordnetenbüro im Bundestag. Er sagte mir im Auftrag des Parteipräsidiums die Präferenz der Kontakte der SPD zur SDP zu. Da wurde klar, dass für die größte deutsche Volkspartei von diesem Tag an nicht mehr die Kontakte zur SED im Mittelpunkt standen, sondern dass der Vorzugskontakt ab sofort den fünfzig ostdeutschen Sozialdemokraten in der SDP galt.

STEFFEN REICHE

war Mitbegründer der SDP, von 1990 bis 2000 erster Landesvorsitzender der SPD Brandenburg und ist heute Bundestagsabgeordneter. 30

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Mit Haut und Haaren gefordert WIE ICH ZUR SPD GEKOMMEN BIN VON REGINE HILDEBRANDT †

ls „Politikverweigerer“ haben meine Familie und ich die DDR überdauert: keine Mitgliedschaft in einer Jugendorganisation (nicht mal Pionier oder FDJler), Parteimitgliedschaft ohnehin nicht, keine Wahlbeteiligung, kein Wehrkundeunterricht für die Kinder usw. Unsere evangelische Kirche, deren aktive Mitglieder wir waren, half dabei. Von Ferne sympathisierten wir als OstBerliner, geprägt durch Ernst Reuter und Willy Brandt, mit der SPD. Allerdings war uns durch das DDR-Parteiensystem eine Zugehörigkeit zu Parteien grundsätzlich suspekt. Unsere Herzen schlugen für die entstehenden Bürgerbewegungen: In „Demokratie jetzt“ wurden mein Mann und ich im September 1989 aktiv. Der schnelle Fortgang der gesellschaftlichen Umwälzung machte uns klar, dass für den Fall freier Wahlen in der DDR auch neue Parteien etabliert werden mussten: Wir wollten das unterstützen. Die ersten Unterlagen zur neuen SDP, die wir erhielten, boten keinen direkten Zugang: Wir

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kannten Ibrahim Böhme nicht. Aber als sich nach der Gründung der SDP in Schwante am 7. Oktober 1989 herausstellte, dass ein Kollege meines Mannes in der Evangelischen Vertragsanstalt Berlin, Thorsten Hilse, zu den Gründungsmitgliedern gehörte, suchten wir ihn sofort auf und traten noch in der ersten Woche nach der Gründung der SDP bei – wir wollten sie finanziell unterstützen, ihren Aufbau fördern, aber eigentlich „bürgerbewegt“ weiterarbeiten! Demzufolge waren wir im Oktober 1989 intensiv für „Demokratie jetzt“ tätig. Dieser Zustand sollte allerdings nicht lange währen: Am 5. November 1989 fand nach dem Gottesdienst in der Sophienkirche in Berlin-Mitte die Gründung des SDP-Bezirksverbandes Berlin (Ost) statt (und die dauerte bis 21 Uhr – wir waren sehr basisdemokratisiert!), und es war sehr deutlich zu sehen, wie wenig Menschen bisher dabei waren. Wir mussten also in der SDP mit ran! Meine Schwägerin wurde in den Landesvorstand gewählt, mein Schwager wurde ein stellvertretender perspektive21

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Kreisvorsitzender, mein Mann ging an den Runden Tisch des Rundfunks der DDR. Ich hielt mich zurück: Ich war gerade Betriebsratsvorsitzende meiner Zentralstelle für Diabetes in Berlin geworden und wollte unbedingt als Biologin bei der Betreuung von Diabetikern weiter arbeiten, weil ich die neuen Möglichkeiten, aber auch die Systemschwierigkeiten für diese Form der Betreuung in der Umbruchzeit deutlich sah. 32

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Unsere SDP-Arbeit bestand aus improvisierten SDP-Versammlungen (in Wohnungen!), vielen Diskussionen und Demonstrationen: im November vor der CSSR-Botschaft, im Dezember vor der Rumänischen Botschaft in OstBerlin für die Demokratisierung in diesen Ländern. Und dann kamen die Nominierungen für die erste freigewählte Volkskammer im Frühjahr 1990 – und ich war fällig! Ich wollte eigentlich keine hauptamtliche politische Arbeit machen und kandidierte aus Einsicht in die Notwendigkeit und in dem Glauben, ich würde beides miteinander kombinieren können: Fachberuf und Abgeordnetentätigkeit. Das erwies sich bald als Illusion. Der Wahlkampf war improvisiert – allerdings mit einer tollen Veranstaltung mit Hans-Jochen Vogel im Colosseum in Berlin, bei der außer mir auch Wolfgang Thierse und Tino Schwirzina erstmalig in größerer Öffentlichkeit auftraten. Trotz der für uns niederschmetternden SPD-Ergebnisse zog ich als Zweitplazierte der Bezirksliste am 18. März 1990 in die Volkskammer ein. Die schwere Entscheidung der SPDFraktion, eine Koalition einzugehen, führte dazu, dass in der Regierung de Maizière auch Ministerposten zu besetzen waren – und innerhalb weniger Tage war ich „Minister für Arbeit und Soziales“ für die SPD – und damit von einem Tag zum anderen weg von meiner Facharbeit – und voll in der Politik.


regine hildebrandt – mit haut und haaren gefordert

Beim Kampf gegen das Oder-Hochwasser 1997: Steffen Reiche, Matthias Platzeck und Regine Hildebrandt (v. r.)

Die schnelle Entwicklung und die großen Probleme des Jahres 1990 in der DDR haben mich dann mit Haut und Haaren gefordert – und als die Koalition zerbrach, war ich geradezu verzweifelt, dass wir als SPD den Einigungsvertrag nicht intensiver beeinflussen konnten. Hier entstand bei mir der dringende Wunsch, die wichtigen

Erfahrungen der ersten Monate zugunsten der Ostler einzusetzen – und zwar im Osten und nicht in Berlin, nicht im Bundestag! Das Ergebnis der Landtagswahlen 1990 in Brandenburg machte es möglich – für mich als Landtagsabgeordnete und Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen.

REGINE HILDEBRANDT (1941-2001)

war 1990 Ministerin für Arbeit und Soziales in der Regierung de Maizière und von 1990 bis 1999 Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen des Landes Brandenburg. Der Text entstand 1999. perspektive21

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Mein 9. November DER TAG, AN DEM ICH SOZIALDEMOKRAT WURDE VON WOLFGANG BIRTHLER

ür die meisten Leute ist der 9. November 1989 mit den gleichen Erinnerungen verbunden: Ungläubig hörte man in den Abendnachrichten die Meldungen über neue Ausreiseregelungen und lag sich kurze Zeit später mit Bekannten und Unbekannten vor Freude in den Armen. Die Mauer war gefallen! Wer konnte, machte seine ersten Schritte hinüber nach West-Berlin. Mein Rückblick auf diesen 9. November fällt etwas anders aus. Für mich bleibt es der Tag, an dem ich Sozialdemokrat wurde. Natürlich begann mein politisches Leben nicht erst mit dem Eintritt in die SPD, die sich damals noch SDP nannte. Meine Kirchengemeinde und die Evangelische Kirche boten mir den Raum für die Auseinandersetzung mit der Gesellschaft und dem politischen System der DDR – Reibungsflächen gab es ja genug. Unsere Themen hießen Umweltschutz, Frieden und Menschenrechte. Wie so viele Menschen hatte ich gegen Ender der achtziger Jahre Hoffnung geschöpft, dass sich im Zuge der Perestroika Freiheit und Demokratie auch in der DDR durchsetzen ließen – notfalls auch gegen die SED. Mit Interesse erfuhr ich im Sommer 1989 durch Ma-

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rianne Birthler von den Plänen, eine sozialdemokratische Partei zu gründen. Meine Teilnahme an der SDP-Gründungsveranstaltung am 7. Oktober in Schwante war fest verabredet, doch am Kommen hinderte mich ein profaner Grund: Ich hatte tierärztlichen Bereitschaftsdienst im Kreis Angermünde und konnte Menschen und Vieh in der Uckermark schwerlich im Stich lassen. Doch mein Eintritt in die SPD war nur aufgeschoben. Zwischenzeitlich auch Mitglied im „Neuen Forum“ hatte ich für Anfang November geplant, einer (Ost-)Berliner Ortsgruppe der SPD beizutreten, um anschließend eine Angermünder Ortsgruppe ins Leben zu rufen. Und so fuhr ich mich mit meiner Frau Petra am 9. November nach Berlin. Wir halfen dort zunächst meiner Tochter beim Umzug und besuchten dann – so war es vorher verabredet – eine von Konrad Elmer geleitete SPD-Versammlung. Sie fand unter fast konspirativen Umständen in der Karower Kleingartensiedlung statt. Nachdem ich dort meinen Eintritt in die SPD erklärt hatte, war ich stolz und erleichtert. Später auf der Heimfahrt in die Uckermark schalteten wir das Autoradio ein und hörten perspektive21

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fassungslos die Neuigkeiten. Zur Umkehr nach Berlin war es mittlerweile zu spät – aber den eigentlich wichtigen Schritt hatte ich ja schon getan! In den folgenden Wochen und Monaten überschlugen sich die Ereignisse. Noch im Dezember 1989 gründeten wir die Angermünder Ortsgruppe der SPD und hatten unsere erste Bewährungsprobe im Volkskammerwahlkampf. Die DDR verschwand, und das Land Brandenburg erlebte seine Wiederauferstehung. Ich entschloss mich im Sommer 1990, in die Landespolitik zu gehen – um das

aktiv zu verwirklichen, was ich unter einer sozial gerechten und ökologisch orientierten Politik verstand. Heute sehe ich viele der Dinge erreicht, die wir im Herbst 1989 auf die Tagesordnung gesetzt haben. Daneben steht allerdings auch die Erkenntnis, dass sich in einer offenen Gesellschaft das scheinbar Notwendige und Vernünftige äußerst langsam und oft nur auf Umwegen durchsetzt. Am Ende freue ich mich über diesen Zufall, der mein SPD-Eintrittsdatum mit dem historischen Ereignis des Mauerfalls zusammengeführt hat. WOLFGANG BIRTHLER

war von 1990 bis 1999 Fraktionsvorsitzender der SPD im Landtag und anschließend bis 2004 Minister für Umwelt und Landwirtschaft des Landes Brandenburg. 36

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„Dann nehmt doch Regine Hildebrandt“ STOLZ UND SELBSTBEWUSST: DIE SPD-FRAKTION IN DER VOLKSKAMMER VON JES MÖLLER

enn ich nach fast 20 Jahren – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – an die Zeit in der Volkskammer zurückdenke, kommt sie mir wie ein Marathonlauf vor, bei dem die Läufer bei Kilometer 32 aus lauter Erschöpfung beschließen, das Rennen schon nach 35 Kilometern enden zu lassen. Und doch sind alle hoch zufrieden. Aber der Reihe nach. Freie Wahlen. Jedem war klar: Sie bedeuteten das Ende der DDR. Ende 1989 zunächst auf den 6. Mai 1990 angesetzt, wurden die Wahlen Ende Januar 1990 wegen der sich überschlagenden Entwicklung auf den symbolträchtigen 18. März 1990 vorgezogen. Die Regeln waren einfach: In jedem DDR-Bezirk gab es eigene Listen, jeder Wähler hatte eine Stimme und das Ergebnis entschied, wie viele Mandate in dem Bezirk auf die jeweilige Partei respektive Listenverbindung entfielen. Auf einer Delegiertenversammlung der SPD des Bezirkes Potsdam wurde ich auf Platz 4 der Liste gesetzt und am 18. März

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1990 zum Abgeordneten der Volkskammer gewählt. Das Rennen begann gewissermaßen schon vor dem Startschuss. Denn vor der Wahl hatte der Vorsitzende der SPD in der DDR, Ibrahim Böhme – offenbar im Gefühl, bald für die Geschicke des Landes verantwortlich zu sein – eine größere Anzahl der Mandatsbewerber zum 7. März 1990 nach Berlin geladen, um wenigsten einen ersten Eindruck von der späteren Fraktion zu bekommen. Viele der Teilnehmer des Treffens, das irgendwo in der Nähe der Jannowitzbrücke stattfand, habe ich später nie wieder gesehen – Platz 4 der Liste reichte längst nicht in allen Bezirken zum Einzug ins Parlament. Wie Böhme verschwand

Ibrahim Böhme wurde dann am Mittwoch nach der Wahl, als sich die SPD-Fraktion konstituierte, Fraktionsvorsitzender. Ich kannte ihn nicht weiter, im Fernsehen wirkte er eloquent und besonnen. Nun überperspektive21

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raschte er mich mit der Vorstellung, wir sollten uns nicht an der Regierung beteiligen und gemeinsam mit der PDS das soziale Gewissen der Einheit spielen. Das wäre ein Treppenwitz der Weltgeschichte gewesen: Aus der alten Einheitspartei wäre die Einheitsopposition geworden! Er übte das Amt zum Glück nur zwei Tage aus – zu eindeutig waren die Enthüllungen des Schriftstellers Rainer Kunze am Ende jener ereignisreichen Woche. Böhme, der am 17. März noch als der kommende Ministerpräsident galt, verschwand nur eine Woche später in der Versenkung der Geschichte. Mehrere Monate nahm er nicht mehr am parlamentarischen Leben teil. Plötzlich, im August 1990, erschien er noch einmal wie selbstverständlich zu den Debatten um Beitritt und Einigungsvertrag in der SPD-Fraktion, ohne sich, nach meiner Erinnerung, zu den Stasi-Vorwürfen auch nur zu äußern. Ein Spieler, der offensichtlich meinte, nach wenigen Monaten wäre Gras über seine Spitzeleien gewachsen. Inhaltlich lag er übrigens ganz auf der Linie des damaligen Kanzlerkandidaten der SPD, sprach sich dafür aus, den Einigungsvertrag abzulehnen und der Bundesrepublik nicht beizutreten (jedenfalls nicht zu den ausgehandelten Konditionen). Der saarländische Ministerpräsident wollte 38

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seinerzeit ähnliches, nämlich den Einigungsvertrag im Bundesrat ablehnen, um im Vermittlungsausschuss die deutsche Einigung nachzuverhandeln. Als ginge es bei der Einigung Deutschlands um saarländische Steinkohlesubventionen ... Die Angst vor den Unruhen

Aber zurück in den März. Zur Regierungsbeteiligung gab es keine ernsthafte Alternative, obwohl der Parteivorstand der DDR-SPD dies anders sah. Neben Böhme als Vorsitzendem waren seinerzeit Karl-August Kamilli (später Schill-Partei), Angelika Barbe (später CDU) und Markus Meckel dort vertreten. Aber die Fraktion ließ sich die Sache nicht aus der Hand nehmen. Diskutiert wurde freilich sehr intensiv über die Verteilung der Ministerien. Ich erinnere mich noch genau, dass viele in der Fraktion für die SPD das Innenressort gefordert hatten, und Wolfgang Thierse darauf entgegnete: Wenn es zu sozialen Unruhen kommt, kann sich die SPD nach 1919 einen zweiten Noske, der als Wehrminister 1919 den Spartakusaufstand niederschlagen ließ, nicht mehr leisten. Von der Verteilung der Ministerposten abgesehen, verdeutlicht die Bemerkung zugleich prägnant den damaligen Zeitgeist: Wir verglichen uns zwanglos mit der Revolution 1918/1919 und wir woll-


jes möller – „dann nehmt doch regine hildebrandt“

Volkskammer-Wahlplakat 1990

ten es besser machen als 1919. Übrigens hätte es zu den sozialen Unruhen, die Thierse fürchtete, durchaus kommen können. Irgendwann im Sommer 1990 etwa hatten Ost-Berliner Müllmänner mit ihren Fahrzeugen den Palast der Republik komplett abgeriegelt, der Weg ins Haus ähnelte einem Spießrutenlauf. Ministerinnen gesucht

Die Fraktion, selbstbewusst und mit Realitätssinn ausgestattet, nahm für sich in Anspruch, bei der Auswahl der Minister zumindest einbezogen

zu werden; auch Frauen, so wurde gefordert, sollten zum Zuge kommen. Als Richard Schröder, inzwischen neuer Fraktionsvorsitzender, einwarf, das wolle man schon gerne tun, es sei aber gar nicht so einfach, geeignete Frauen zu finden, wurde spontan dazwischengerufen: „Dann nehmt doch Regine Hildebrandt“. Eine denkwürdige politische Karriere begann. Zunächst mussten aber noch DDR-typische Schwierigkeiten überwunden werden. Nach der Fraktionssitzung hatte nämlich die Fraktionsführung entschieden, mit der Hildebrandt könne man es perspektive21

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ja tatsächlich versuchen, doch war sie nicht zu erreichen. So wurden Wolfgang Thierse und Alwin Ziel losgeschickt, Regine in Berlin zu finden. Alwin Ziel hat mir später erzählt, sie seien einige Stunden durch Berlin geirrt und hätten die vermisste Abgeordnete dann schließlich gefunden – in der Domkantorei. Sie ließen die Sängerin aus der Chorprobe rufen und fragten sie, ob sie Arbeits- und Sozialministerin werden wolle. Ohne Pause bis zum Schluß

Die Volkskammer war ein Parlament, das mit anderen Parlamenten kaum verglichen werden kann. Nahezu ohne Pause bis zum Abend des 2. Oktober 1990 wurde gearbeitet. In den Sitzungswochen – und es gab praktisch nur Sitzungswochen – fanden in der Regel donnerstags und freitags Plenarberatungen statt. Freitags begannen die Tagungen zumeist schon um 8:00 Uhr morgens; Ende September 1990 sogar einmal zu unchristlich früher Stunde um 7:00 Uhr! Das mit dem frühen Beginn angestrebte Ziel – Heimfahrt der Abgeordneten nach Rostock, Leipzig oder Suhl „schon“ am späten Nachmittag – wurde freilich selten erreicht, nur zu oft zog sich auch am Freitag die Tagung bis zum frühen Abend hin, manchmal sogar bis gegen Mitternacht oder in die frühen 40

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Morgenstunden. Ich erinnere mich, dass Richard Schröder in einer solchen Situation den Geschäftsordnungsantrag stellte, die Sitzung „wegen allgemeiner Erschöpfung“ abzubrechen – der Antrag wurde sofort angenommen. Hinzu kamen Sondersitzungen an den Wochenenden. Dass die Treuhandanstalt die Eigentümerbefugnisse für die gesamte ostdeutsche Wirtschaft ausüben kann – beschlossen an einem Sonntag in einer Sondersitzung kurz vor der Währungsunion. Die Bildung der neuen Länder – beschlossen an einem Sonntag Ende Juli 1990. Der Beitritt dieser neugebildeten neuen Länder nach Artikel 23 des Grundgesetzes – beschlossen in einer Sondersitzung. Verkehrte Welt

Die Arbeit in den Ausschüssen war nicht weniger zeitraubend. Dem Sonderausschuss zur Kontrolle der Auflösung des MfS, dem ich angehörte (Vorsitzender war Joachim Gauck), wurde irgendwann im Frühsommer eine Liste der Offiziere des MfS im besonderen Einsatz zugespielt. Die meist kurz OibE genannten Stasi-Offiziere seien nach wie vor tätig. Da dem Innenminister Diestel in dieser Hinsicht nicht zu trauen war, verabredeten sich die Ausschussmitglieder, die Sache selbst in die


jes möller – „dann nehmt doch regine hildebrandt“

Hand zu nehmen. Jeder sollte in seinem Bezirk die Dienstvorgesetzten der Stasi-Offiziere vom Doppelleben der Mitarbeiter informieren. So fuhr ich dann mit meinem Lada nach Potsdam in die Bezirksdirektion der Deutschen Volkspolizei, zum VEB Spezialbau Potsdam etc. und sprach mit den jeweiligen Chefs. Die gewissermaßen spätrevolutionäre, nach heutigen Maßstäben rein exekutive Tätigkeit, wurde immer wieder behindert. Nicht von der Stasi, sondern durch die Tatsache, dass mein Auto die Angewohnheit hatte, bei stärkerem Regen einfach liegen zu blieben. Als ich nach Brandenburg an der Havel in die Strafvollzugsanstalt fuhr, um einen „OibE“ zu enttarnen, hal-

fen mir sowjetische Soldaten, mein Auto wieder flott zu bekommen. Auch die sonstigen äußeren Umstände der parlamentarischen Arbeit waren katastrophal, zumindest nach heutigen Maßstäben. Die Fraktionssitzungen fanden in den ersten Wochen auf den Fluren des Palastes der Republik statt. Büros besaßen die Abgeordneten zunächst gar nicht. Später wurde irgendwann das alte Reichsbank- bzw. ZK-Gebäude leer gezogen, doch damit besserte sich wenig. Zwar gab es nun viele kleine Büroräume, aber für Gespräche oder Treffen kleinerer Gruppen gab es praktisch keine Möglichkeiten. Für Gespräche oder Besprechungen schien es zu Zeiten des „sozialistischen Zentralismus“ in dem ZK-Gebäude mit seinen riesigen Fluren keinen Bedarf gegeben zu haben. Die Umbenennung in „Haus der Parlamentarier“ machte die Sache auch nicht besser. Noch bedrückender war das Gebäude, in dem die Abgeordneten in den Sitzungswochen wohnten: das Wohnheim des Ministeriums für Staatssicherheit in Lichtenberg mit seinen schäbigen Sprelacartmöbeln atmete ganz den Geist der Bauherren. Immer das letzte Wort

Das immense Arbeitsprogramm der Volkskammer war erforderlich, damit der Beitritt nach Artikel 23 überperspektive21

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haupt erst erfolgen konnte. Beitreten sollte nämlich nicht die DDR, sondern die einzelnen Bundesländer, die es freilich zunächst noch gar nicht gab. In aller Eile gegründet, befanden sie sich zunächst noch „in statu nascendi“ und bis sie nach dem Beitritt arbeitsfähig sein würden, konnten Monate vergehen. Für diese Übergangszeit mussten die Länder mit einer nach dem Beitritt als Landesrecht fortgeltenden rechtlichen „Grundausstattung“ versehen werden. Andere Bestimmungen sollten möglichst schnell beschlossen werden, damit sie im Einigungsvertrag als Bundsrecht weitergelten konnten. Manchmal ist dies gelungen, bei dem Vermögensgesetz etwa. Andere hastig beratene Gesetze traten, kaum beschlossen, am 3. Oktober 1990 schon wieder außer Kraft, weil sie nicht in den Einigungsvertrag gelangt waren (beispielsweise das Gesetz über den Umgang mit den Stasi-Akten). Ein Grund für die Länge der Sitzungen waren die oft ausufernden Geschäftsordnungsdebatten. Zu unfreiwilliger Komik trug bei diesen Debatten nicht selten die Präsidentin der Volkskammer, Sabine BergmannPohl, bei. Gleich in der zweiten Sitzung musste die immer ein wenig überfordert wirkende Ärztin (ich hatte zunächst vermutet, sie sei Kaufhallenleiterin) bei einem brisanten Geschäftsordnungsantrag feststellen,

die Zahl der anwesenden Abgeordneten sei größer als die der abgegebenen Stimmen, es „fehlten“ einige Stimmen. Es war kein Spott, als Lothar de Maizière sie vor allen Abgeordneten fragte, ob die Präsidentin, äh, also auch, äh, die Stimmenthaltungen...? Frau Bergmann-Pohl, die immer das letzte Wort haben musste, erwiderte kurz, im Rechnen sei sie ganz gut, und löste das Problem auf ihre Art: Sie ließ Reinhard Höppner (SPD), später Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt, die Leitung übernehmen. Später verfeinerte Frau Bergmann-Pohl ihre Methode, brenzlige Situationen zu lösen: Wurde es kritisch, gab es eine fünfminütige Kaffeepause, und danach leitete die Sitzung wie selbstverständlich (und stets souverän) Reinhard Höppner. Ostpakete werden gespart

Gut erinnere ich mich auch an ein Abendessen, bei dem ich mich lange mit CDU-Bundestagsabgeordneten unterhielt. Diese waren auch in vertraulicher Runde nicht davon abzubringen, dass die deutsche Einheit mit der Verteilung der Zuwachsraten des wirtschaftlichen Wachstums zu bezahlen sei. Auf Einwände wurde mir launig entgegengehalten, die Sozis verstünden doch ohnehin nichts von Wirtschaft, es sei seltsam, dass sich dies schon auf die Ost-Sozialperspektive21

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demokraten übertragen habe. Ob ich denn nicht wisse, dass die deutsche Teilung auch immense Summen gekostet habe, die jetzt alle eingespart werden könnten: Mit der Wiedervereinigung entfielen 1. Transitpauschale, 2. Berlin-Förderung, 3. Zonenrand-Förderung, 4. Begrüßungsgeld, 5. steuerliche Absetzbarkeit der Ostpakete und 6. ganz sicher noch viel mehr, von dem ich als Ostdeutscher noch gar keine Vorstellung hätte. Und wenn die Treuhand erst mal das Volkseigentum verkauft habe... Wer’s glaubt, wird selig, dachte ich damals bei mir. Heute würde ich das anders sehen: Wer’s glaubt, gewinnt Wahlen. Auch Wähler-Placebos wirken am besten, wenn der, der sie überreicht, von ihrer Wirksamkeit überzeugt ist. Der Bruch der Koalition

Nach der Gründung der neuen Länder am 22. Juli 1990 brach die Große DDR-Koalition Anfang August 1990 auseinander. Der CDUFraktionsvorsitzende Günther Krause hatte in der Sitzung der Volkskammer mehrere Minister der SPD scharf persönlich angegriffen, zunächst den aus Paulinenaue im Havelland stammenden Landwirtschaftsminister Polack und seinen Staatssekretär Kauffold, dann den Finanzminister, der „zur Katastro44

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phenstimmung beitrage“, und schließlich Regine Hildebrandt. Als er in seiner hochfahrenden, arroganten Art die Minister seines eigenen Koalitionspartners als „sogenannte hochrangige Politiker“ bezeichnete, verließen ich und die meisten SPDAbgeordneten den Plenarsaal. Ziel der Aktion war offenkundig, die Koalitionsregierung auseinanderbrechen zu lassen, was prompt gelang. Äußerte sich Krause gegenüber der ostdeutschen SPD in der Regel herablassend, biederte er sich Helmut Kohl förmlich an. „Der Herr Bundeskanzler“ haben dieses und jenes gesagt, ließ er häufig in seine Volks-


jes möller – „dann nehmt doch regine hildebrandt“

kammerreden einfließen (der eigene Ministerpräsident, so irgendwann später in einem Halbsatz, stimme dem auch zu). Hochmut kommt vor dem Fall, und mancher Fall ist sogar tiefer als der Aufstieg zuvor. Abstimmung um 2 Uhr

Der Beitritt der neuen Länder erfolgte in der Nacht von Mittwoch, dem 22. August 1990, auf Donnerstag, dem 23. August 1990. Nach dem Auseinanderbrechen der Koalitionsregierung sollte der Beitritt nach dem Willen der SPD-Fraktion zwar so schnell wie möglich erfolgen, bei der Diskussion in der Fraktion am Abend des 22. August gab es indessen starke Vorbehalte, den Beitritt schon vor der Zustimmung zum Einigungsvertrag zu erklären. Mit dem Beitritt hätte die SPD-Fraktion ihr letztes (schwaches) Druckmittel aus der Hand gegeben. Als Lösung schlug jemand vor, dass man den Beitritt ja bedingt erklären könne, bedingt durch das wirksame Zustandekommen des Einigungsvertrages. Ob dies allerdings staatsrechtlich möglich sei, konnte niemand sagen. Hektisch wurde Martin Gutzeit losgeschickt, der als einer der wenigen ein Mobiltelefon hatte (das paketförmige, schwere Gerät symbolisierte äußerste Bedeutsamkeit). Er sollte Hans-Jochen Vogel fragen, ob es ge-

Jes Möller

gen eine solche Lösung staatsrechtliche Bedenken gebe. Irgendwann kam der immer etwas verschmitzt blickende Gutzeit wieder. Vogel, seinerzeit Vorsitzender der SPD (West) und als „Einser-Jurist“ hochangesehen, hatte sein Plazet gegeben. Die genaue Fassung des Antrages ergab sich dann aber erst in der Plenardebatte, wobei von einer Bedingung im technischen Sinne gar nicht gesprochen werden kann, wie ich rückblickend feststellen muss. Um derlei Fragen nachzugehen, war es bei der Abstimmung mitten in der Nacht, gegen 2:00 Uhr, im wahrsten Sinne des Wortes aber zu spät. Obwohl 40 Jahre eines schweren Weges nun zu Ende gingen, wollten die meisten nur noch perspektive21

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abstimmen und nach Hause. Es kennzeichnet das Gespür für die große Geste, dass Gregor Gysi die historische Stunde nutzte, um unter großem Beifall schlicht und einfach festzuhalten: „Das Parlament hat soeben nicht mehr und nicht weniger als den Untergang der Deutschen Demokratischen Republik zum 3. Oktober 1990 beschlossen.“ Und wieder wirkte es unfreiwillig komisch, als Frau Bergmann-Pohl nach diesen Worten „eine angenehme Nachtruhe“ wünschte. Ja, ruhe sanft, seltsame Republik, und quäle uns und die weitere deutsche Geschichte nicht mit Albträumen und Schreckgespenstern! Für mich hatte die Volkskammerzeit übrigens noch ein Nachspiel. Während der eine oder andere

Richter heutzutage den Weg vom Gericht in das Parlament findet, ist der umgekehrte Weg, den ich gegangen bin, doch eher selten. Er führt zu der seltenen Konstellation, dass ich in manchen Fällen auf objektive Gesetzesauslegung gänzlich verzichten und ganz subjektiv an die Sache herangehen kann: Bei Klagen nach dem Vermögensgesetz etwa, im Kern altes Volkskammergesetz (es geht um die Abwicklung der traurigen Hinterlassenschaften der DDR), kann ich mit einer gewissen Berechtigung sagen, wie der historische Gesetzgeber einmal eine Regelung gemeint hat. Ganz genau weiß ich’s natürlich auch nicht, aber im Zweifel ist eine Bestimmung so zu verstehen, wie ich sie verstehe – schließlich habe ich sie selbst einmal mit beschlossen.

JES MÖLLER

war Mitbegründer der SDP in Potsdam und Volkskammerabgeordneter 1990. Heute ist er Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) und Richter am Verfassungsgericht des Landes Brandenburg. 46

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Von Null auf Hundert MEIN WEG ZUR SPD VON HOLGER BARTSCH

m Januar 1990 trat ich in die sich damals noch SDP nennende „Sozialdemokratische Partei in der DDR“ in meiner Heimatstadt Lübbenau ein. Äußerer Anlass war eine kurze Notiz auf der Lokalseite der Lausitzer Rundschau: „Ortsgruppe der SDP in Lübbenau gegründet, Interessenten melden sich bitte unter Telefon …“. Auf meinen Anruf sagte mir eine helle, junge Männerstimme, dass die nächste Versammlung Donnerstagabend in der POS IV (Polytechnische Oberschule) stattfinde und ich solle doch einmal vorbeikommen. Das tat ich und drei oder vier Stunden später war ich Mitglied der SDP in Lübbenau, obwohl der teilweise chaotische Verlauf der Versammlung nicht gerade zum Mitmachen einlud. Ich erinnere mich an irgendwelche Querelen mit einem ehemaligen Vorstand, der schon bald aus der Partei wieder austrat, weil er nicht Bürgermeisterkandidat wurde. Das war Ende Januar 1990, vier Monate später war ich Fraktionsvorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion Calau und ein Jahr später saß ich für die SPD Brandenburg im 12. Deutschen Bundestag – sozusagen von

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Null auf Hundert in der Politik in wenig mehr als einem Jahr! Warum bin ich zu dieser Versammlung gegangen und trotz des ersten eher negativen Eindruckes SPD-Mitglied geworden? Zwei Ereignisse sind es wohl gewesen, die diesen Schritt entscheidend vorgeprägt haben. Da war erstens die Ostpolitik Willy Brandts, die für mich, wie für viele im Osten, große Hoffnungen auf mehr Freiheit, vor allem mehr geistige und mehr Bewegungsfreiheit weckte. Auch wenn diese Hoffnungen sich kaum erfüllten, sieht man einmal von einer gewissen Lockerung im Bereich Kunst und Kultur ab, so waren Willy Brandt und Helmut Schmidt für meine politische Grundeinstellung prägend. Es war klar für mich, dass „meine“ Partei in der Bundesrepublik nur die SPD sein konnte. Am 9. Okober in Leipzig Und da war zweitens der 9. Oktober 1989 in Leipzig! Ich arbeitete damals mit einem Kollegen an einer wissenschaftlichen Arbeit und wir trafen uns regelmäßig bei ihm in Leipzig, um in perspektive21

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der Deutschen Bibliothek Literatur zu studieren und an unserem Thema zu arbeiten. Schon seit Mai fanden in Leipzig regelmäßig die sogenannten „Montagsdemos“ statt – ausgelöst zunächst durch die offensichtlichen Wahlfälschungen bei der „Kommunalwahl“ 1989, in der Folge vor allem initiiert von Ausreisewilligen. Im Verlauf des Sommers nahm die Zahl der Demonstranten aber stetig zu, und so hatten wir verabredet, uns diesmal am 9. Oktober zu treffen. Wie die Hoffnung keimte An jenem Montag, dem ersten nach dem 40. Jahrestag der DDR, bei dem in Berlin zahlreiche Demonstranten verhaftet worden waren, bot Leipzigs Innenstadt ein beängstigendes Bild. Überall waren Hundertschaften der Bereitschaftspolizei und der Kampfgruppen mit Räumschilden und Hundestaffeln aufmarschiert (solche Bilder kannte man sonst nur aus dem Fernsehen), es lag eine ungeheure Spannung in der Luft, vor der Nikolaikirche standen mehrere Hundert Menschen, in den Seitenstraßen waren ebenfalls Polizeieinheiten und Kampfgruppen aufmarschiert, sogar in der Innenstadt war die Polizei präsent und auf den Messehäusern rund um die Nikolaikirche waren Beobachter der Stasi stationiert. Gegen Ende der Andacht stimmten einige in der Menge vor der Kirche auf 48

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einmal die Internationale an, andere riefen „auf dem Ring kommen sie!“ Während die Menge in Richtung Hauptbahnhof strömte, brachte der Stadtfunk den bekannten Aufruf von Kurt Masur, Peter Zimmermann, Bernd-Lutz Lange und drei SEDSekretären, in dem von Verhandlungen mit der Staatsmacht die Rede war. Damals war das ein unglaublicher Vorgang, weshalb mein Kollege es nicht glauben wollte und es für eine Finte oder eine Provokation hielt. Und dann kam dieser riesige Zug den Ring entlang und die Menge rief nur „Keine Gewalt!“, „Gorbi, Gorbi!“, „Wir sind das Volk!“ Wir reihten uns ein, gingen


holger bartsch – von null auf hundert

ein Stück mit und es war ein unbeschreibliches Gefühl. Man hatte auf einmal wieder die Hoffnung, dass es doch möglich sein sollte, das System zu zwingen, nicht länger dem Veränderungsdruck zu widerstehen. Es war dieser Abend, als ich für mich den Entschluss fasste, an den Veränderungen, die nun unausweichlich schienen, beteiligt sein zu wollen, sie nicht passiv zu erdulden, sondern aktiv mit zu gestalten. Mitgestalten und Verantwortung übernehmen aber konnte ich, das war mir klar, nur in einer politischen Gemeinschaft – eben der SDP bzw. SPD. Voller Ideen und Vorsätze Die ersten Tage und Wochen meiner Parteizugehörigkeit waren turbulent – fast wöchentlich trafen wir uns. Die Volkskammerwahl war vorzubereiten – auch wenn die Träume vom „großen Sieg“ der SPD bei uns in der „Provinz“ sehr abgehoben schienen. Unmittelbar danach gingen wir an die Vorbereitung der Kommunalwahl vom 6. Mai 1990. Kandidaten mussten gefunden werden, was nicht immer einfach war. Die Maßstäbe, die wir damals vor allem an die politische Vergangenheit anlegten, waren streng. Ich will aus heutiger Sicht nicht richten, ob zu streng – immerhin lag die Wende erst ein halbes Jahr zurück! Guter Wille war zwar bei vielen vorhanden, doch so mancher

schreckte auch vor der möglichen Verantwortung zurück – vielleicht ein Grund dafür, dass meine Heimatstadt bis heute keinen SPD-Bürgermeister hat, obwohl die SPD in Lübbenau schon 1990 stärkste Kraft wurde – für den sogenannten „schwarzen Süden“ damals eher untypisch! Die Tage und Wochen vor und nach der Kommunalwahl 1990 waren mindestens so turbulent, wie die Wendezeit zwischen November 1989 und März 1990, aber doppelt so arbeitsreich. Im Kreistag Calau wurden wir nur zweitstärkste Fraktion nach der CDU. Eine geplante Koalition kam perspektive21

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nicht zustande, weil wir den Landratskandidaten der CDU nicht akzeptieren wollten (er war ehemaliges „Ratsmitglied“) und so durfte ich dann die Opposition im Kreistag führen. Täglich lernte jeder von uns dazu, kommunale Selbstverwaltung gab es in der DDR ja vorher nicht. Alle waren Neulinge in der Kommunalpolitik – ausgestattet mit viel gutem Willen, noch mehr Ideen und Vorsätzen aber wenig oder gar keinen Kenntnissen über die öffentliche Verwaltung. Blicke ich heute auf diese Zeit zurück, so stellt sie sich mir in der Erinnerung als eine Abfolge von Parteiversammlungen, Fraktions- und Ausschusssitzungen sowie Kreistagen dar, wobei auf jeder Sitzung, jeder Beratung neue, bisher unbekannte und noch nie

gehörte Themen und Probleme auf der Tagesordnung standen. Am „Tag der Deutschen Einheit“ fragten mich meine Parteifreunde dann, ob ich nicht für unsere Region für den ersten gesamtdeutschen Bundestag kandidieren wolle. Ich hatte faktisch keine Bedenkzeit, brauchte auch keine, denn ich sagte sofort zu. Dank eines zweiten Listenplatzes war ich drei Monate später Mitglied der SPD-Fraktion im 12. Deutschen Bundestag, erlebte die konstituierende Sitzung im Reichstag, eröffnet von Willy Brandt als Alterspräsident, und erlernte in den folgenden vier Jahren das politische Handwerk in Bonn und in Brandenburg, um es schließlich, getreu meinem Anfang, wieder in der Kommunalpolitik umzusetzen.

HOLGER BARTSCH

war von 1994 bis 2004 stellvertretender Landesvorsitzender der SPD und von 1994 bis 2006 Landrat des Kreises Oberspreewald-Lausitz. 50

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Puls 180 VOM ANFANG UND AUFBRUCH 1990 IN POTSDAM VON ALBRECHT GERBER

as Jahr 1990 wirbelte mein Leben komplett durcheinander. Am 1. Januar 1990 studierte ich Politikwissenschaften in Bonn, die Mauer war zwar gefallen, aber es gab noch zwei deutsche Staaten. Am 31. Dezember desselben Jahres arbeitete ich als Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion im wiedererstandenen Land Brandenburg und im vereinigten Deutschland. Meine Eltern stammen aus Pommern bzw. Thüringen, und ich habe meinen Vater, einen Kirchenmusiker, in den achtziger Jahren mehrmals zu Konzertreisen in die damalige DDR begleitet; daher hatte ich zumindest eine ungefähre Vorstellung vom „anderen Deutschland“. Mein Weg nach Potsdam kam gleichwohl eher zufällig zustande. Im Januar 1990 saßen wir in meinem Bonner SPD-Ortsverein zusammen und überlegten, wie wir die Potsdamer SDP, so hieß sie damals noch, unterstützen könnten. Wir beschlossen, bei Bonner Firmen Büromaterial zu „erbetteln“, ich meldete mich als Fahrer. So traf ich am 29. Januar 1990 zum ersten Mal in Potsdam ein und steuerte das „Lindenhotel“ an, das erst wenige Tage zuvor

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von den neuen Parteien und Gruppierungen übernommen worden war und bis kurz zuvor Stasi-Untersuchungsgefängnis war. Die SDP saß im Erdgeschoß hinter vergitterten Fenstern. In den 1. Stock zogen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Amtes für Denkmalpflege der Stadt Potsdam ein, darunter auch eine Frau, mit der ich heute verheiratet bin. Zu tun gab es genug Im „Lindenhotel“ traf ich u.a. auf Emil Schnell, Jes Möller und Rainer Speer. Abends beim Bier fragten sie mich, ob ich nicht Lust hätte, bis zu den Volkskammerwahlen mitzuhelfen – zu tun gäbe es genug. Nun hatte ich nach Abschluss meines Grundstudiums in Bonn sowieso gerade einen Durchhänger, „der Osten“ war für mich nicht vollkommen fremd, und ich wollte mich politisch engagieren. Nach einer Nacht im Kinderzimmer bei Schnells fuhr ich nach Bonn zurück, packte einen Koffer mit Klamotten und fuhr wieder nach Potsdam, wo ich zunächst bei einem Babelsberger Genossen (wieder im Kinderzimmer) wohnen konnte. perspektive21

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thema – 20 jahre SDP

Oskar Lafontaine, Manfred Stolpe und Albrecht Gerber (v. l.) nach der Landtagswahl im Oktober 1990

Anfang 1990 war die SDP eine Partei im Aufbau und im Aufbruch. Wir befanden uns in einer geradezu irrsinnig ereignisreichen Zeit – und wir befanden uns in einem absolut rudimentären organisatorischen Zustand, den wir mit einem umso engagierteren und leidenschaftlicheren Einsatz einigermaßen wettzumachen versuchten. SED/PDS und die Blockparteien besaßen nach wie vor einen riesigen hauptamtlichen Apparat, Büros, Kommunikationsstrukturen und beste Verbindungen zu den staatlichen Einrichtungen. Wir hingegen, eine Handvoll Leute im Bezirksbüro, versuchten mühsam, auf der Kreis- und Bezirksebene überhaupt eine Mitgliederliste 52

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zu erstellen, zu aktualisieren und zu klären, an wen vor Ort denn überhaupt die Wahlkampfmaterialien vom DDR-Vorstand weitergeleitet werden können. Die politische Entwicklung in diesen Wochen beschleunigte sich von Tag zu Tag: Volkskammerwahlen standen an, die gefälschten Kommunalwahlen von 1989 sollten wiederholt werden, die Rolle der Bezirke musste geklärt werden. Auf den Demonstrationen und Veranstaltungen tauchten die ersten Brandenburg-Fahnen und der Ruf nach einer Länder(wieder)gründung auf; international liefen die Gespräche mit der Sowjetunion und den westlichen Siegermächten über die deutsche Wieder-


albrecht gerber – puls 180

vereinigung; die Abwanderung in den Westen ging ungebremst weiter; viele Betriebe kamen in ernste Schwierigkeiten, und und und. Mittendrin wir, die eine Partei aufbauten und gleichzeitig einen Wahlkampf führten. Wir planten und organisierten Wahlkampfseminare und schrieben Programme, auch mit vieler und guter Hilfe der SPD aus Nordrhein-Westfalen und Berlin. Wir organisierten Demos, wir schrieben und verteilten Flugblätter, wir hielten Vorstandssitzungen ab und klebten Plakate – es war eine rasend schnelle Zeit, eine Zeit, in der ich schneller und mehr lernte als ich mir hätte vorstellen können, in der ich neue Leute kennenlernte und gute Freunde fand – und die einfach auch richtig Spaß machte. Was willst Du in Bonn? Das alles sollte so bleiben, aber am 18. März 1990, dem Tag der Volkskammerwahlen, erfasste uns erst einmal das ganz großes Entsetzen. Die SPD hatte in Umfragen gut ausgesehen, aber das Wahlergebnis war ein Desaster. Ganze 22 Prozent gaben der SPD – nach einem stark von „West-Politikern“ geprägten Wahlkampf (kaum einer kannte de Maizière oder Ibrahim Böhme) – DDRweit ihre Stimme, während die CDU einen grandiosen Sieg einfahren konnte. Offenbar wirkte, was Helmut Kohl versprach, während die SPD als unent-

schieden wahrgenommen wurde und ihr Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine als einer, dem die Wiedervereinigung eigentlich nicht ins Konzept passte. Frustriert fuhr ich zunächst nach Bonn zurück, doch einige Tage später traf ich auf einer Veranstaltung der Bonner SPD wieder auf Rainer Speer, der fragte: „Was willst Du eigentlich in diesem verschnarchten Bonn, da wird die Uni auch in 100 Jahren noch stehen, aber in Potsdam machen wir jetzt Kommunal- und Landtagswahlen, gründen einen Landesverband und können jeden brauchen, der sich richtig reinhängen will.“ Ich fand immer noch, dass praktische Mithilfe in einer einmaligen historischen Ausnahmesituation ungleich spannender und besser ist, als in Bonn in Seminaren herumzusitzen. Und so brach ich Anfang April wieder nach Potsdam auf, nachdem ich einen Nachmieter für mein Zimmerchen gefunden und meine Möbel bei meinen Eltern untergestellt hatte. Ich arbeitete wieder beim Bezirksverband Potsdam mit; und in diese Zeit fielen nicht nur die Kommunalwahlen, sondern im März/April fand auch eine spannende Debatte statt, die für das Selbstverständnis der Brandenburger SPD eine prägende Rolle spielte. Die Volkskammer war frei gewählt und die Kommunalparlamente würden Mitte Mai folgen, doch die Bezirksverwaltungen und Bezirkstage besaßen keine perspektive21

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demokratische Legitimation, sondern wurden „nur“ vom „Runden Tisch“ kontrolliert. Die Zukunft der DDRBezirke war ungewiss, denn die Länderneugründung stand bevor. Die Regierung de Maizière plante eine Umwandlung, nach der die Spitze der Bezirksverwaltung auf Vorschlag derjenigen Partei besetzt werden sollte, die bei den Volkskammerwahlen im Bezirk jeweils die meisten Stimmen erhalten hatte. Die SPD hatte das lediglich in den Bezirken Potsdam und Frankfurt (Oder) geschafft. Und plötzlich Pressesprecher In der innerparteilichen Debatte ging es nun darum, ob wir schon vor der offiziellen Entscheidung der DDR-Regierung Vertreter in die Bezirksverwaltung entsenden sollten. Die einen meinten, man dürfe ohne eine Legitimation durch Wahlen keine Verwaltungs- bzw. Regierungspositionen besetzen und außerdem sei es besser, wenn die alten Regenten der Bezirke, also SED/PDS und die Blockparteien, den „Karren“ richtig in den Dreck fahren würden und die neuen, demokratischen Kräfte dann einen kompletten Neuaufbau machen könnten. Die anderen argumentierten, eine Legitimation des Runden Tisches würde zumindest vorläufig ausreichen und es komme unbedingt darauf an, so schnell und so konsequent wie nur möglich in die alten 54

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Apparate reinzukommen, um praktisch und handfest Einfluss zu nehmen, den alten Kadern auf die Finger zu schauen und den Neuanfang voranzutreiben. Diese Position setzte sich letztlich (glücklicherweise) durch und der Runde Tisch beschloss Mitte April, Jochen Wolf als Ratsmitglied in die Bezirksverwaltung zu entsenden. Ich bin sicher, diese Haltung des zupackenden und pragmatischen Machens sowie die Bereitschaft, ein Risiko einzugehen, waren gewissermaßen charakterprägende Momente der Brandenburger SPD. Wertvoller für die Entwicklung der SPD in Brandenburg war gleichwohl, dass Manfred Stolpe in unsere Partei eintrat und bereit war, als MinisterpräsidentenKandidat den Wahlkampf zu führen. Stolpe verkörperte die zupackende Grundhaltung geradezu ideal, er kannte Land und Leute wie kein anderer, hatte Erfahrungen und verstand mehr von politischer Kommunikation als irgend jemand sonst in der immer noch kleinen Brandenburger SPD. In Potsdam betraute man mich im Frühling 1990 u. a. damit, die Bildung des SPD-Landesverbandes Brandenburg organisatorisch vorzubereiten. Von Satzungs- und Geschäftsordnungsfragen hatte ich herzlich wenig Ahnung und noch weniger Erfahrung, und einen Landesparteitag hatte ich natürlich noch nie vorbereitet. Aber da das den anderen genauso ging, fiel das nicht


albrecht gerber – puls 180

Albrecht Gerber und Manfred Stolpe 1990

weiter auf. Nachdem wir dann im Juni 1990 ein „ordentlicher“ Landesverband geworden waren, brauchte die SPD natürlich auch einen ordentlichen Pressesprecher. Steffen Reiche, der erste Vorsitzende der SPD Brandenburg, fragte mich in einer der ersten Vorstandssitzungen, ob ich diese Funktion übernehmen wolle. Ich antwortete, ich sei ein gerade 23 Jahre alt gewordener Student der Politikwissenschaften und intensiver Zeitungsleser, aber das sei auch schon alles, was ich von Pressearbeit verstünde. Egal, meinte Reiche, und ob der Vorstand einverstanden wäre, wenn ich das mache. Der Vorstand war einverstanden – ich fühlte mich geehrt, hatte aber im Grunde keine wirkliche Ahnung davon, was von da an auf mich zukommen würde.

Als erstes stellte ich mich bei allen damals in Potsdam tätigen Journalisten vor, baute den Presseverteiler weiter aus, textete Pressemitteilungen und half bei Veranstaltungen. Ich lernte, was im Gespräch mit Journalisten „unter zwei“ (anonym zitierbar) und „unter drei“ (nicht zitierbar) heißt, aber erst nachdem ich bei einem Gespräch mit einem Journalisten diese Formel einmal vergaß, wurde mir so richtig klar, was auch schiefgehen kann. Denn der Spiegel zitierte mich kurz vor den Landtagswahlen im Oktober in einem Artikel, der sich mit den organisatorischen Schwierigkeiten der SPD im Osten beschäftigte, so: „In den vergleichsweise vielen und großen Kommunalparlamenten waren so viele Sitze zu vergeben, dass ,beinahe jedes Parteimitglied ein Mandat haben konnte‘, wie der brandenburgische SPDSprecher Albrecht Gerber lästert“. Das war überhaupt nicht lustig und ich habe dafür im Wahlkampfteam eine gehörige Abreibung verpasst bekommen. Doch auch zu meinem Glück war das natürlich kein wahlentscheidender Schnitzer, sondern Manfred Stolpe ist trotz meiner im Rückblick sicherlich völlig laienhaften Sprecherarbeit der erste Ministerpräsident Brandenburgs geworden. Daneben arbeitete ich im Sommer und Herbst 1990 als einer der Brandenburger Vertreter in einer Koordinierungsgruppe mit, die die fünf perspektive21

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Landtagswahlkampf 1990: Manfred Stolpe in Nauen

Landtagswahlkämpfe im Osten und die für den Winter angesetzte gesamtdeutsche Bundestagswahl aufeinander abstimmen sollte. Wir trafen uns regelmäßig in Berlin. Beim Nachlesen der Sitzungsprotokolle ist mir wieder deutlich geworden, wie konfliktreich schon damals das Verhältnis der Ost-SPD besonders gegenüber Oskar Lafontaine gewesen ist: Wir wollten nicht, dass sein Konterfei auf den Rückseiten unserer Spitzenkandidaten-Faltblätter prangen sollte, hatten aber das Problem, dass diese Faltblätter vom Ollenhauer-Haus finanziert wurden. Auch gab es Streit darüber, ob die Ost-Spit56

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zenkandidaten bei einem Termin in Leipzig ein gemeinsames Foto mit Lafontaine überhaupt machen wollten. Heute ist schwer vorstellbar, wie intensiv diese Zeit gewesen ist – in einem Monat des Jahres 1990 passierte mehr als heutzutage in einem ganzen Jahr. Wir hatten Erlebnisse und Begegnungen, die nur in diesem Jahr möglich und denkbar waren, etwa einen Nachmittag mit dem von mir verehrten Willy Brandt und einer Handvoll SPD-Leuten bei Kaffee und Kuchen im Pfarrhaus von Schwante – niemals hätte ich mir so was träumen lassen. Und noch heute habe ich Brandts


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innere Bewegtheit bei diesem Treffen ebenso frisch im Gedächtnis wie seine tiefsinnigen und weitsichtigen Worte an diesem Tag. Ebenso ungewöhnlich, wenn auch eher skurril, war eine andere Begebenheit. Im Sommer sollten hohe Offiziere der Polizei aus den drei Bezirken nach Düsseldorf reisen, um sich zwei oder drei Tage lang mit Strukturen, Arbeitsweisen und Methoden der dortigen Polizei und des Innenministeriums vertraut zu machen. Rainer Speer, der zu dieser Zeit der sogenannte Verwaltungsdirektor der Bezirksverwaltungsbehörde Potsdam war, bat mich mitzufahren, um eigene Eindrücke zu sammeln und um mitzubekommen, wie sich die Polizeioffiziere verhalten. Und so reiste ich dann mit drei gestandenen und altgedienten Polizeiführern nach NRW, die mich skeptisch beäugten und wie ein rohes Ei behandelten. Sie hatten keine Ahnung, wen sie da vor sich hatten, sondern wussten lediglich, dass ich auf Bitten der „neuen Obrigkeit“ – so sahen sie das wohl – dabei war. Sicherheitshalber waren sie also mir gegenüber kollegial und zuvorkommend. Ich beäugte sie ebenso skeptisch, denn auch ich hatte keine Ahnung, wen ich da eigentlich vor mir hatte. Und von den fachlichen Fragen und Themen, die uns erwarteten, verstand ich natürlich auch so gut wie nichts. Also ging ich so kollegial wie möglich mit den „Kollegen“ um und

prägte mir während der Reise so viel wie möglich ein, um hinterher etwas einigermaßen Sinnvolles über die kommende Umstrukturierung der Polizei sagen zu können. Die NRWler wiederum hielten mich für einen Polizeioffizier und verwickelten mich in Struktur- und Einsatzführungsdebatten, bis ich klar machen konnte, dass ich quasi nur ein Beobachter des Ganzen war. Im Tagesgeschäft arbeiteten alle Aktiven mit unglaublichem Einsatz und oft genug buchstäblich bis zum Umfallen.

So viel war zu tun, dass es oftmals richtig eng wurde. Anfang September 1990 sollte Manfred Stolpe offiziell auf einem Landesparteitag zum Spitzenkandidaten perspektive21

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gewählt werden. Kurz vor Beginn des Konvents drückte er mir und einem Genossen einen Stapel Papier in die Hand. Das war sein vorbereiteter Redetext. Stolpe meinte ganz entspannt, er habe da noch ein paar Änderungen und ob wir wohl so nett sein könnten, die in den Text einzuarbeiten. Beim Blick auf die Blätter wurde uns jedoch richtig mulmig, denn Stolpe hatte eine wirklich große Menge an Änderungen und ganze Passagen mit der Hand neu geschrieben. Wir stürzten an den Computer, Stolpes Rede stand nämlich unmittelbar bevor. Kurz vor Beginn seiner Rede drückten wir ihm die Seiten, die wir bis dahin fertig hatten, in die Hand und machten uns fieberhaft an den zweiten Teil. Währenddessen begann Stolpe im Saal mit seiner auch heute noch absolut lesenswerten Rede. Als wir den restlichen Teil des Manuskripts endlich fertig hatten (es kam uns trotz 180er Puls wie eine Ewigkeit vor), bin ich so unauffällig wie möglich zum Rednerpult gegangen und habe ihm die restlichen Blätter auf das Pult gelegt. Dabei konnte ich mit halbem Auge sehen, dass wir uns auch nicht mehr Zeit hätten lassen dürfen, denn Stolpe hatte den größten Teil

Willy Brandt zu Gast im Otto-Wels-Haus in Potsdam 1991

des ihm vorliegenden Textes bereits gesprochen. Mir war inzwischen klar, dass ich in Potsdam und Brandenburg bleiben würde. Man konnte sich nicht nur engagieren, sondern auch wirklich etwas bewegen und viel Sinnvolles erreichen. Für einen politischen Menschen war es großartig, am Aufbau einer demokratischen und selbstbewussten Partei und eines alten neuen Landes mitzuwirken. Ich bin froh und dankbar, dabei gewesen und dabei geblieben zu sein.

ALBRECHT GERBER

ist Politikwissenschaftler, kam 1990 nach Potsdam und ist heute Abteilungsleiter in der Staatskanzlei. 58

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Die Zukunft vor sich WIE WIR 1990 DIE BRANDENBURGER SPD AUFBAUTEN VON MARTIN GORHOLT

m 7. Oktober 1989 war die SDP in Schwante, in der Nähe von Oranienburg, gegründet worden. Von der West-Sozialdemokratie wurde die neue Partei zunächst mit gemischten Gefühlen betrachtet. Nur wenige Tage später war Steffen Reiche, einer der Mitgründer, auf Verwandtenbesuch in Köln. Sein Besuch wurde für ihn und seine Freunde überraschenderweise zu einer Werbereise für die ostdeutsche „SPD“. Medien und Politik empfingen Reiche als offiziellen Vertreter der wieder gegründeten Sozialdemokratie in der DDR. Auch Doris Ahnen, Matthias Kollatz und ich vom Juso-Bundesvorstand trafen uns mit ihm in einer Bonner Pizzeria in der Nähe des Hofgartens. Für uns war die Unterstützung des Aufbaus der Ost SPD eine Selbstverständlichkeit – während andere Teile der Jusos und der SPD sich noch im diplomatischen Hakenschlagen übten. So erinnere ich mich auch noch an das Schmuggeln von Wachsmatrizengeräten in die DDR. Im Erich-OllenhauerHaus, der SPD-Parteizentrale, gab es einige kluge Menschen wie Tilman Fichter, für die die deutsche Frage im-

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mer auf der Tagesordnung geblieben war und als eine strategische Frage auch für die Linken galt. Es war kein Zufall, dass der Bundesgeschäftsführer Peter Glotz ihn in die „Baracke“ geholt hatte. Und natürlich riss Willy Brandts Gabe mit, geschichtliche Ereignisse in Formeln zu prägen. Er hatte ganz andere Emotionen zu Deutschland und zu den Menschen in Ostdeutschland als viele Enkel oder Urenkel in seiner Partei – und vor allem zeigte er sie auch. Aufbruch überall Nach dem 9. November wurde dann alles einfacher. Bei keinem Kongress durften Vertreter der DDR-SPD oder der Bürgerbewegung fehlen, man reiste in der DDR von Ort zu Ort, selten habe ich als Referent in meinem Leben noch mal so gut besuchte und von Aufbruchstimmung geprägte Veranstaltungen vorgefunden. Die Jungen Sozialdemokraten wurden aufgebaut, regionale Partnerschaften gegründet, die Wahlkämpfe unterstützt. Bei den ersten und einzigen freien Volkskammerwahlen am 18. März 1990 rechnete sich die perspektive21

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Sozialdemokratie große Chancen aus, führende Kraft zu werden. Doch es kam anders. Die „Allianz für Deutschland“ wurde klarer Wahlsieger, die SPD Juniorpartner in der Großen DDR-Koalition. Schon bei diesen Wahlen zeigte sich, dass die SPD gerade nicht in den sozialdemokratischen „Stammländern“ Sachsen und Thüringen mithalten konnte, sondern dass das Ergebnis in Brandenburg das Beste für die SPD war. Dasselbe Bild zeigten die Kommunalwahlen im Mai, wo die SPD in Brandenburg in vielen wichtigen Städten und Landkreisen stärkste Partei wurde und viele Oberbürgermeister und Landräte stellen konnte, so in Potsdam, Brandenburg und Frankfurt (Oder). Die CDU war nur im Süden Brandenburgs stark, stellte dort den Oberbürgermeister in Cottbus. Ein neuer Landesverband Die SPD-Organisation hatte sich entsprechend der kommunalen Gliederung in Kreisverbänden aufgestellt. So gab es im späteren Brandenburg 44 Kreisverbände. Die HauptamtlichenStruktur war ein wenig urwüchsig von der SPD-Zentrale in der Rungestraße in Berlin errichtet worden. Entsprechend den DDR-Bezirken gab es in Brandenburg drei SPD Bezirksverbände: in Potsdam unter Führung von Jochen Wolf, in Cottbus mit Edwin 60

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Zimmermann an der Spitze, in Frankfurt mit Britta Schellin, heute Stark. Der Landesverband gründete sich am 26./27. Mai in Kleinmachnow, wo der 30-jährige Steffen Reiche als Landesvorsitzender gewählt wurde. Er hatte als einziger Kandidat eine Ministerpräsidentenkandidatur für sich ausgeschlossen. Mit Manfred Stolpe wurden danach die entscheidenden Gespräche geführt. Mit den besten Chancen Die Bezirksverbände waren schnell überholt und lösten sich sukzessive auf, der Bezirksverband Cottbus am zögerlichsten; bis Ende 1990 verfügte er über eine Bezirksgeschäftsstelle. Im Landesausschuss waren alle Kreisverbände vertreten, allerdings bleibt seine politische Legitimation ähnlich wie beim Bundesparteirat bis heute umstritten. Die erste Aufgabe der Landespartei war 1990 Wahlkampf zu führen – und dass, obwohl schon zwei Wahlen, Volkskammer- und Kommunalwahlen, stattgefunden hatten. Für den 14. Oktober waren die Landtagswahlen in den fünf neuen Ländern anberaumt. Und schließlich standen die ersten gesamtdeutschen Bundestagswahlen am 2. Dezember 1990 bereits vor der Tür. Ich hatte mich als Mitarbeiter des Parteivorstandes im Erich-OllenhauerHaus für eine der fünf Geschäftsführerstellen in den neuen Landesverbänden


martin gorholt – die zukunft vor sich

beworben. Sachsen oder Brandenburg hatte ich als Wunsch geäußert. In Vorstellungsgesprächen deutete sich eine Entsendung nach Brandenburg an. Hans-Jochen Vogel, der damalige Parteivorsitzende, entsandte uns persönlich. Ich erinnere mich noch gut, wie er sagte, in Brandenburg gäbe es mit Manfred Stolpe die besten Chancen. Am 1. August 1990 trat ich meine Arbeit beim Landesverband Brandenburg an. Ende Juli stand in Bad Münstereifel beim Willy-Eichler-Bildungswerk ein Wahlkampfseminar an. Der Landesvorstand und Vertreter aus den Regionen nahmen an dem Seminar teil. Es wurde aus Wahlkämpfen aus dem Westen berichtet. So war Bodo Hombach Gast und referierte über die

erfolgreichen Wahlkämpfe in NRW. Slogans wurden gesucht, die sich an diese erfolgreichen Kampagnen anlehnten. Aus „Wir in NRW“ wurde „Wir in Brandenburg“. Einige der Genossin-

nen und Genossen kannte ich schon aus anderen Zusammenhängen, so natürlich Steffen Reiche oder den damaligen Juso Andreas Klemund. Der Name Matthias Platzeck fiel bei einer geheimen, merk- und denkwürdigen Landesvorstandssitzung. Kabinettslisten wurden gehandelt, Steffen Reiche brachte Matthias Platzeck für die SPD als Umweltminister ins Gespräch, was auf scharfen Widerstand stieß; die SPD habe genug ministrable Menschen in den eigenen Reihen. Professioneller Wahlkampf Die Landesgeschäftsstelle der SPD war in der Potsdamer Otto-NuschkeStraße, heute Lindenstraße, in ehemaligen Gefängnis-Räumen der Staatssicherheit eingerichtet. (Otto Nuschke war erster Vorsitzender der Blockpartei-CDU in der DDR.) Ende August 1990 erfolgte der Umzug in die Friedrich-Ebert-Straße 61. Immerhin: Diese Straße brauchte später nicht umbenannt zu werden. Die Straße wurde einfach nicht mehr nach dem Oberbürgermeister der Hauptstadt der DDR, sondern nach seinem gleichnamigen Vater benannt, dem sozialdemokratischen Reichspräsidenten. In unseren Räumen war früher die Nationale Front untergebracht. Die Wahlkampfleitung lag für die Landtagswahlen bei Rainer Speer, die Agentur war Schäfer Bellot in Berlin, perspektive21

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thema – 20 jahre SDP

ein schnell gegründeter Ost-Ableger der Düsseldorfer Agentur Butter. Die Wahlkampfmaterialien waren in den fünf neuen Ländern ähnlich angelegt. Es gab die Großflächen-Tafeln, Mastaufhänger mit dem Spitzenkandidaten, Flyer mit den Wahlkreiskandidaten, Landkarten mit den Grenzen der neuen Länder. Alles durchaus professionelles Material. Die Landesgeschäftsstelle war aufgeteilt in den Partei-Teil und das Büro Stolpe. Das Büro Stolpe war mit Kollegen aus den SPD-Bezirken in NRW und dem Leiter des Büros von Helmut Schmidt, Jens Fischer, besetzt. Im Partei-Teil arbeiteten u. a. der Pressesprecher Albrecht Gerber, Wilma Jakobi und Olaf Engels. Alle zusammen organisierten wir die Stolpe-Tour, bereiteten Unterstützungstermine mit Johannes Rau, Willy Brandt, Helmut Schmidt, Hertha Däubler-Gmelin und vielen anderen vor. Auch Regine Hildebrandt spielte mit ihren Auftritten schon eine besondere Rolle. Funkgeräte statt Telefon Kontakte mit der Partei im Westen und in Berlin liefen über Großfunkgeräte, denn in Brandenburg konnten wir damals zunächst nur zwischen 6 und 8 morgens telefonieren, dann waren die Leitungen belegt. Also fuhr man zur Abstimmung zumeist raus oder verschickte Briefe. 62

september 2009 – heft 43

Unsere Strategie war, Brandenburg als neuen Identitätsanker und Manfred Stolpe als „einen von uns“, Kenner Ostdeutschlands und Vertrauensmann für die Menschen herauszustellen. Damit erreichte die SPD am Wahlabend 38,2 Prozent und bildete keine große Koalition, sondern die Ampel aus SPD, Bürgerbündnis und FDP – ein Dreierbündnis, das heute aufgrund der Schwäche der beiden großen Volksparteien wieder in Mode kommen könnte. Erst nach den Landtagswahlen begannen wir die Partei systematisch organisationspolitisch aufzustellen, bauten Arbeitsgemeinschaften und die Sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik auf und redeten mit


martin gorholt – die zukunft vor sich

befreundeten Organisationen. Ende 1990 kamen Kreisvorsitzende und Landräte zu Regionalgesprächen zusammen, in denen die Parteistruktur mit Regionalgeschäftstellen festgelegt wurde. Der Parteivorstand wollte 12 Regionalgeschäftsführer mit 12 halben Bürokräften. Daraus machten wir am Ende 18 Geschäftsführer in Bürogemeinschaften mit den Abgeordneten und sieben Mitarbeiter in der Landesgeschäftsstelle. Kurz vor Weihnachten bestätigte auch der Landesvorstand diese Struktur, genauso wie den Landesgeschäftsführer. Anfang des Jahres 1991 standen die Gründung des OttoWels-Werkes als Bildungsträger der SPD und der Bürgerberatung Brandenburg mit 10 ABM-Kräften an. Frauen wie Andrea Wicklein oder Konny Schulz haben so zur SPD gefunden. Und der Verein zeigte die SPD als Kümmerpartei. Volkspartei ist der Anspruch Der Erfolg der SPD in den folgenden Jahren bis hin zu den historischen 54 Prozent bei der Landtagswahl von 1994 war gekennzeichnet durch die Identitätsfigur Manfred Stolpe, durch die unkonventionell engagierte Regine Hildebrandt und durch starke kommunale Träger sozialdemokratischer Politik, vor allem den Landräten. Stolpe und Hildebrandt vermittelten den Menschen das Gefühl, sich für das

Land und für die Menschen aufzureiben. Und es gab Themen, die die Menschen überzeugten und mit dem Land identifizierten, zum Beispiel die Landesverfassung. Auf dem Landesparteitag am 4. Mai 1991 gab sich die Partei eine neue Satzung und eine Beitragsordnung. Auf dem Parteitag 1992 in Templin wurde ein systematisch neu gedachter Landesvorstand gewählt, in dem zum Beispiel die Landräte eine stärkere Stellung hatten. Bis zu den Kommunalwahlen im Dezember 1993 wurden dann aus den 44 Kreisverbänden 18 Unterbezirke. 1993 schrieb Steffen Reiche in einem Artikel im Buch „SPD 2000“ von perspektive21

63


thema – 20 jahre SDP

Karl-Heinz Blessing, die „West-SPD“ habe in der „Ost-SPD“ ihre Zukunft vor sich, nämlich eine Partei mit all

ihren Aufgaben zu sein, aber mit – im Vergleich zu den Hochzeiten der Mitgliederparteien im Westen Anfang der siebziger Jahre – wenig Mitgliedern. Heute wird diese These immer mehr von der Realität belegt. Die Brandenburger SPD zeigt im Übrigen, dass Volkspartei zu sein, also volksnah, in unterschiedlichen Milieus und Schichten verankert, nicht von der Mitgliederzahl abhängig ist, sondern von der inhaltlichen und personellen Aufstellung der Partei. Heute gibt es eigentlich nur drei Landesverbände der SPD, die derart „volksparteilich“ aufgestellt sind: Bremen, Rheinland-Pfalz und Brandenburg.

MARTIN GORHOLT

war von 1990 bis 1994 erster Landesgeschäftsführer der SPD Brandenburg und ist heute Landtagskandidat. 64

september 2009 – heft 43


Die SPD in Brandenburg WIE DER WIEDERAUFBAU DER SOZIALDEMOKRATIE GELANG VON ANNE-KATHRIN OELTZEN

randenburg ist das einzige ostdeutsche Bundesland, in dem die SPD seit 1990 bei Landtagswahlen stets stärkste Partei wurde. Damit ist die Brandenburger SPD nicht nur die erfolgreichste Partei im Bundesland, sondern im Vergleich der ostdeutschen Landesverbände auch die erfolgreichste Landes-SPD in den fünf ostdeutschen Bundesländern. In diesem Beitrag wird die Entwicklung der SPD in Brandenburg seit 1990 nachgezeichnet und der Frage nach den spezifischen Problemen und Perspektiven der SPD im Bundesland nachgegangen.

B

Aufbruch und Gründung Die Sozialdemokratie in Ostdeutschland gründete sich am 7. Oktober 1989 unter dem Namen Sozialdemokratische Partei in der DDR (SDP). An diesem Tag waren auf Initiative eines kleinen Gründerkreises um die beiden protestantischen Pfarrer Markus Meckel und Martin Gutzeit rund 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in dem märkischen Ort Schwante bei Berlin zusammengekommen, um den in der DDR zu diesem Zeitpunkt

noch illegalen Akt einer Parteigründung zu vollziehen. Die SPD in Ostdeutschland zählt folglich wie Bündnis 90/Die Grünen zu den im Herbst 1989 neu gegründeten Parteien. Diese „Neuparteien“ mussten ihren Parteiaufbau von Null an leisten und konnten nicht – wie CDU oder PDS – auf bestehende Organisationsstrukturen, Parteiangestellte oder andere Ressourcen aus DDR-Zeiten zurückgreifen. Zu Beginn des Jahres 1990 gab es in fast allen Kreisstädten des späteren Bundeslandes Brandenburg Ortsverbände und Basisgruppen der SDP. Bereits am 8. November 1989 hatte sich in der Stadt Potsdam ein provisorischer Bezirksverband der SDP für den DDR-Bezirk Potsdam gebildet. Darüber hinaus ist die Gründung von SDP-Gruppen in verschiedenen Orten und Städten überliefert, beispielsweise die Gründung der SDP in Guben am 23. November 1989 oder die Gründung des Kreisverbandes Rathenow am 28. November 1989. Der Landesverband der Partei wurde auf dem ersten Landesparteitag der SPD am 26. Mai 1990 in Kleinmachperspektive21

65


thema – 20 jahre SDP

SPD-Mitglieder der Landesregierung 1990-1994 Ministerpräsident

Manfred Stolpe

Innenminister

Alwin Ziel

Ministerin für Arbeit, Soziales und Gesundheit

Regine Hildebrandt

Finanzminister

Klaus-Dieter Kühbacher

Justizminister

Hans Otto Bräutigam (parteilos)

Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

Edwin Zimmermann

Minister für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr

Jochen Wolf, ab 1993 Hartmut Meyer

Chef der Staatskanzlei

Jürgen Linde

now ins Leben gerufen. Die Delegierten wählten Steffen Reiche zum ersten Landesvorsitzenden. Reiche, seit 1988 protestantischer Pfarrer in dem südlich von Berlin gelegenen Christinendorf, hatte zum Kreis der SDP-Parteigründer in Schwante gehört. Auf dem „Brandenburger Weg“ Mit der Landtagswahl vom 14. Oktober 1990 waren insgesamt fünf Parteien in den Brandenburger Landtag eingezogen, neben SPD, CDU und PDS auch FDP und „Bündnis 90“. Anders als in den anderen vier neuen Bundesländern war in Brandenburg nicht die CDU stärkste Partei geworden sondern die SPD. Bereits bei der ersten freien Volkskammerwahl in der DDR am 18. März 1990 hatte die SPD außer im DDR-Bezirk Berlin (35,2 Prozent) nur in den Bezirken Frankfurt (Oder) (31,9 66

september 2009 – heft 43

Prozent) und Potsdam (34,3 Prozent) Wahlergebnisse über 30 Prozent erreichen können. Ihr gutes Landtagswahlergebnis und damit die Chance, in Brandenburg zu regieren, verdankte die SPD unter anderem ihrer klugen Personalpolitik: Ihr Spitzenkandidat war Manfred Stolpe, auf Platz zwei der Landesliste stand Regine Hildebrandt. Manfred Stolpe war erst seit kurzem SPD-Mitglied und genoss als „Kirchenpolitiker“ eine DDR-weite Bekanntheit. Seit 1982 war er Konsistorialpräsident des Evangelischen Konsistoriums BerlinBrandenburg. In dieser Funktion war Stolpe zu DDR-Zeiten Verhandlungsführer der evangelischen Kirche im Verhältnis zu den staatlichen Stellen der DDR. Er nahm die Rolle eines „Krisenmanagers“ wahr, der als Unterhändler der Kirche unter anderem bei Reisebehinderungen und Ausreiseanträgen zwischen Bürgerrechtlern und dem


anne-kathrin oeltzen – die SPD in brandenburg

Landtagswahlen 1990-2004 SPD

CDU

PDS/L

FDP

B90/G

DVU/NPD

54,1%

39,3%

38,2%

31,9%

29,4%

26,5%

19,4%

18,7% 13,4% 6,6% 6,4% 1,1%

1990

28,0%

23,3%

18,7% 2,9%

5,3% 2,2%

1,1%

1994

SED-Staat zu vermitteln suchte. Die Frage, wie eng Stolpes Kontakte mit dem SED-Staat und vor allem mit der Staatssicherheit der DDR waren, und ob er dabei immer auf Seiten der Kirche gestanden hatte, versuchte später ein Untersuchungsausschuss des Brandenburger Landtages zu klären. Auch Regine Hildebrandt, auf Platz zwei der SPD-Liste zur Landtagswahl, besaß landesweite Bekanntheit: Sie war Ministerin für Arbeit und Soziales in der aus der Volkskammerwahl vom März 1990 hervorgegangenen DDRRegierung unter Lothar de Maizière. Hildebrandt übernahm in der Landes-

1,9%

1,9%

1999

6,1% 3,6% 3,3%

2004

regierung das Amt der Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen. Streitbar hatte Hildebrandt ihre Stimme gegen die ihrer Ansicht nach vorhandenen Ungerechtigkeiten des Einigungsvertrages und den Zusammenbruch der ostdeutschen Wirtschaft erhoben; lauthals stritt sie für Beschäftigungsprogramme zugunsten der rasch wachsenden Zahl an Arbeitslosen. Besonders gegen die Zurückdrängung der Frauen aus dem Arbeitsleben in den neuen Bundesländern und für den Erhalt der Fristenlösung in der Frage des Schwangerschaftsabbruchs ergriff sie Partei. Aufgrund ihrer ganz perspektive21

67


thema – 20 jahre SDP

Bundestagswahlen 1990-2005 SPD

CDU

45,1%

PDS/L

FDP 46,4%

43,5% 35,8%

36,3%

32,9%

B90/G

28,1%

19,3%

26,6% 20,8%

22,3% 17,2%

20,3%

20,6%

11,0% 5,8%

9,7%

2,9% 6,6%

1990

2,6%

1994

eigenen Ausstrahlung und energischen Art des Auftretens erfuhr sie von vielen Menschen nicht nur in Ostdeutschland, sondern auch in den alten Bundesländern eine besondere Art der Verehrung. Daher wurde ihr später in den Medien zugeschrieben, die Stimme des Ostens zu sein. Im November 1990 ging die SPD eine Regierungskoalition mit Bündnis 90 und der FDP ein. Der Regierungsstil des Ministerpräsidenten Manfred Stolpe war vom Willen zum politischen Ausgleich geprägt. Auf Stolpe geht die Rede vom „Brandenburger Weg der Toleranz“ zurück, der die Zusammenarbeit mit 68

september 2009 – heft 43

6,9%

3,6% 2,8%

1998

4,5%

5,1%

2002

2005

allen im Landtag vertretenen Parteien umfasste und einen Ausgrenzungskurs gegenüber der PDS ausschloss. Die „Ampelkoalition“ wurde durch die unterschiedliche Bewertung des „Fall Stolpe“ mehrmals erschüttert. Bereits im Oktober 1992 war Marianne Birthler (Bündnis 90) aus Protest gegen die ihrer Meinung nach unzureichende Aufarbeitung der früheren Stasi-Kontakte Stolpes als Bildungsministerin zurückgetreten. Nachdem der Vorsitzende der Fraktion „Bündnis“ im Landtag, Günter Nooke, Anfang März 1994 den Vorwurf erhoben hatte, der Ministerpräsident habe im Untersuchungsausschuss nicht die


anne-kathrin oeltzen – die SPD in brandenburg

Wahrheit gesagt, zerbrach die Regierungskoalition an der Bewertung der Intensität von Stolpes Kontakten zu SED und Staatssicherheit am 22. März 1994 endgültig. Bis zum Ende der Legislaturperiode im September 1994 führte Stolpe eine Minderheitenregierung mit der FDP. Der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses entlastete Stolpe: Eine Verpflichtung zu einer Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit sei nicht nachzuweisen. Die SPD-Alleinregierung In den Wahlkampf zur Landtagswahl am 11. September 1994 zog die SPD mit ihrem Doppelgespann aus dem Ministerpräsidenten Manfred Stolpe und der populären Sozialministerin Regine Hildebrandt. Der Landtagswahlkampf bildete den Schlusspunkt in der Auseinandersetzung über den „Fall Stolpe“. Trotz – oder gerade wegen – der Stasi-Vorwürfe hatte sich der Ministerpräsident bei den Brandenburgerinnen und Brandenburgern ein hohes Ansehen erworben. Stolpe stand beispielhaft für den verbreiteten Eindruck, dass ostdeutsche Biografien im wiedervereinigten Deutschland entwertet wurden. Mit 54,1 Prozent gewann die SPD die absolute Mehrheit der Stimmen. Das zentrale Projekt der SPD-Alleinregierung war die Fusion von Berlin und Brandenburg zu einem gemeinsamen Bundesland. Es nahm bis 1996 nahezu

die gesamte Aufmerksamkeit der Landesregierung in Beschlag. Nach langem Ringen und lebhafter Diskussion erreichte Stolpe zwar die Zustimmung sowohl seiner Landespartei als auch der Landtagsfraktion für die Länderfusion. Das Fusionsprojekt scheiterte jedoch am 5. Mai 1996 im Volksentscheid: Fast 63 Prozent der Brandenburgerinnen und Brandenburger stimmten gegen die Fusion. Im Landtagswahlkampf 1999 geriet die SPD unter Druck, da es der bis dahin chronisch schwachen CDU gelungen war, sich mit der Wahl des früheren Berliner Innensenators Jörg Schönbohm zum Landesvorsitzenden neu aufzustellen. Dass die SPD die CDU als politischen Gegner ernst nahm, zeigte unter anderem ihre programmatische Neuausrichtung in der Bildungspolitik: Bei der Verabschiedung ihres Wahlprogramms sprach sich die SPD im Juni 1999 für die Einführung eines Zentralabiturs und eine auf 12 Jahre verkürzte Abitur-Zeit aus. Bei der Landtagswahl im September 1999 blieb die SPD zwar stärkste Partei, musste aber Verluste von knapp 15 Prozentpunkten hinnehmen. Stabwechsel an der Spitze Mit dem Verlust der absoluten Mehrheit war die Stolpe-SPD zur Regierungsbildung auf einen Koalitionspartner angewiesen. Am 4. Oktober 1999 votierte ein SPD-Landesparteitag perspektive21

69


thema – 20 jahre SDP

Kommunalwahlen 1993-2008 SPD

CDU

PDS/L

FDP

B90/G

39,0% 34,5%

27,8% 21,3%

20,6%

21,6%

21,4%

7,1% 4,1% 4,2%

1993

4,1%

1998

nach leidenschaftlicher Debatte mit großer Mehrheit für die Annahme des Koalitionsvertrags mit der CDU. Regine Hildebrandt, die sich nachdrücklich für ein Zusammengehen mit der PDS und gegen die CDU stark gemacht hatte, zog daraufhin die Konsequenzen und stand als Landesministerin nicht mehr zur Verfügung. Mit dem Koalitionsbeschluss ging die SPD jedoch nicht von der herben Wahlschlappe direkt zur Tagesordnung über: Der Landesparteitag nahm einen Initiativantrag an, der die Einberufung eines Sonderparteitags zur Aufarbeitung der Wahlschlappe für März 2000 gefordert hatte. Dort sollte die zukünf70

september 2009 – heft 43

23,5%

25,8% 24,7%

21,3%

6,3%

19,8%

7,3%

4,2%

4,6%

2003

2008

tige inhaltliche Parteiarbeit sowie die innerparteiliche Struktur und Kommunikation eingehend diskutiert werden. Doch auch dieser Strategie-Parteitag ließ die Unruhe in der SPD nicht verstummen. Erst die Wahl von Matthias Platzeck zum neuen Landesvorsitzenden der SPD auf dem Landesparteitag in Oranienburg am 8. Juli 2000 befriedete die Partei. Platzeck führte die Landespartei aus dem Amt des Oberbürgermeisters von Potsdam heraus. Für einen Landesvorsitzenden eine durchaus ungewöhnliche Konstellation. Auf dem Landesparteitag am 22. Juni 2002 verkündete Manfred Stolpe vollkommen überra-


anne-kathrin oeltzen – die SPD in brandenburg

SPD-Mitglieder der Landesregierung 1994-1999 Ministerpräsident

Manfred Stolpe

Innenminister

Alwin Ziel

Ministerin für Arbeit, Soziales und Gesundheit

Regine Hildebrandt

Finanzminister

Klaus-Dieter Kühbacher, ab 1995 Wilma Simon

Justiz- und Europaminister

Hans Otto Bräutigam (parteilos)

Wirtschaftsminister

Burkhard Dreher

Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

Edwin Zimmermann, ab 1997 Gunter Fritsch

Minister für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr

Hartmut Meyer

Minister für Wissenschaft, Forschung, Kultur

Steffen Reiche

Ministerin für Bildung, Jugend und Sport

Angelika Peter

Minister für Umwelt, Naturschutz, Raumordnung

Matthias Platzeck, ab 1995 Eberhard Henne

Chef der Staatskanzlei

Jürgen Linde

schend, dass er bereits in der darauffolgenden Woche als Ministerpräsident zurücktreten werde. Damit war der Weg für einen Generationswechsel im Regierungsamt hin zu Matthias Platzeck frei. Als Ministerpräsident trat Platzeck ein schwieriges politisches Erbe an. Bereits im Herbst 2002 tat sich aufgrund von Steuerausfällen ein dramatisches Loch im Landeshaushalt auf. Die ernste Finanzlage zwang die Regierung zu einem harten Sparkurs. Die Verhandlungen über den Nachtragshaushalt für das Jahr 2003 führten im Februar 2003 zu einer handfesten Koalitionskrise. Hinzu ka-

men ernsthafte Irritationen zwischen den Koalitionspartnern, nachdem mehrere CDU-Landtagsabgeordnete und der CDU-Innenminister Jörg Schönbohm eine Solidaritätsadresse unterschrieben hatten, die den Irak-Krieg des amerikanischen Präsidenten Georg W. Bush vorbehaltlos unterstützte. Im November 2003 führte die ungelöste Finanzierungsfrage der im Bau befindlichen „Chipfabrik“ in Frankfurt (Oder) zu negativen Schlagzeilen. Schließlich musste Platzeck erklären, dass das Land keine Bürgschaft zugunsten der Betreiberfirma aufbringen werde, womit das Projekt scheiterte. perspektive21

71


thema – 20 jahre SDP

SPD-Mitglieder der Landesregierung 1999-2004 Ministerpräsident

Manfred Stolpe, ab 2002 Matthias Platzeck

Minister für Arbeit, Soziales und Gesundheit

Alwin Ziel, ab 2002 Günter Baaske

Finanzministerin

Wilma Simon, ab 2000 Dagmar Ziegler

Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Raumordnung

Wolfgang Birthler

Minister für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr

Hartmut Meyer, ab 2003 Frank Szymanski

Minister für Bildung, Jugend und Sport

Steffen Reiche

Chef der Staatskanzlei

Rainer Speer

Bereits in seiner ersten Regierungserklärung im November 2002 hatte Platzeck auf die sich verändernden Rahmenbedingungen für die Landespolitik angesichts der sinkenden Finanzmittel reagiert, indem er für Brandenburg das Ende der NachWende-Zeit ausrief. Zunächst blieb jedoch undeutlich, wie die von ihm ausgerufene Modernisierung mit märkischer Prägung in der praktischen Landespolitik verwirklicht werden sollte. Im September 2003 formulierte Platzeck dann unter dem Leitmotiv „Zukunft braucht Herkunft“ seinen Entwurf für die zukünftige Landesentwicklung Brandenburgs. Die Schwierigkeit bestand darin, angesichts von Sparzwang, abnehmenden Landesmitteln und demografischem Wandel im Bundesland Kriterien für die zukünftigen Prioritäten in der Landes72

september 2009 – heft 43

entwicklung zu finden. Unter Verweis auf die erfolgreichen skandinavischen Länder und besonders Finnlands formulierte Platzeck seine Vision von Brandenburg als einem modernen Gemeinwesen mit effizienter Wirtschaft, mit hochwertiger Infrastruktur und mit hervorragenden Bildungs- und Forschungseinrichtungen. Mit dem Wechsel im Ministerpräsidentenamt von Stolpe zu Platzeck hatte die Landes-SPD nicht nur eine personelle Erneuerung vollzogen, sondern sie leitete auch eine inhaltliche und strategische Neuausrichtung ein. Erneuerung aus eigener Kraft Im Jahr 2004 führte Matthias Platzeck die SPD zum ersten Mal als Spitzenkandidat in die Wahl. Im Wahlkampf setzte die brandenburgische SPD auf


anne-kathrin oeltzen – die SPD in brandenburg

eine stark personalisierte, ganz auf den Ministerpräsidenten zugeschnittene Kampagne. Der Wahlkampf gewann an Härte, als die von der PDS geschürte politische Auseinandersetzung um die Reformpolitik der rot-grünen Bundesregierung den Landeswahlkampf mit Wucht zu überrollen begann. Als die SPD dann in der heißen Wahlkampfphase auf den insgesamt 32 Kundgebungen massiv die Proteste der HartzIV-Gegner und der PDS zu spüren bekam, retteten die SPD die Führungsqualitäten ihres Spitzenkandidaten: Platzeck hielt dem Hartz-IV-Protest auf den Marktplätzen stand, er thematisierte in seinen Wahlkampfreden offen die Notwendigkeit der Arbeitsmarktreformen. Dafür ließ er sich gegebenenfalls auch vom zum Teil aufgebrachten Publikum niederbrüllen – doch zugleich wuchs der Respekt vor seinen Steher-Qualitäten. Am Ende ging die SPD aus der „Brandenburgwahl“ als stärkste Partei hervor. Nach der Landtagswahl ging die SPD schließlich erneut eine Koalition mit der CDU ein, unter anderem weil durch den populistischen Anti-HartzIV-Wahlkampf der PDS die Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der SPD mit der PDS gestört war. Die von Ministerpräsident Platzeck in der vergangenen Legislaturperiode eingeleitete inhaltliche Neuausrichtung der Landespolitik mit ihrer Fokussierung auf Bildung, Wissenschaft und Wirt-

schaft wurde nun Grundlage der Regierungspolitik; bereits die Präambel des Koalitionsvertrages nahm diesen neuen Geist in dem Leitmotiv der „Erneuerung aus eigener Kraft“ auf. Mit dem „Michendorfer Thesenpapier“ stieß Platzeck im Februar 2005 eine breite Debatte über die Neuausrichtung der Wirtschaftsförderung und Landesentwicklung an. Auf ihrem Landesparteitag am 20. Mai 2005 machte sich die Landes-SPD mit der „Ludwigsfelder Erklärung“ diese inhaltliche Neuausrichtung zu Eigen. Als zentrales Projekt folgte für die Landesregierung aus der Brandenburger Zukunftsdebatte der Umbau der Wirtschafts- und Regionalförderung auf Branchenschwerpunkte und Wachstumskerne. Diese Abkehr vom „Prinzip Gießkanne“ hat beträchtliche positive Mobilisierungseffekte bei den regionalen und lokalen Akteuren ausgelöst. Der vorsorgende Sozialstaat Besonderen Einfluss gewannen Programmatik und Regierungspolitik der Brandenburger SPD während der Zeit von Matthias Platzeck als Bundesvorsitzender seiner Partei. Nach dem überraschenden Rücktritt des Parteivorsitzenden Franz Müntefering im Oktober 2005 übernahm Platzeck die Parteiführung. Von ihm gingen wichtige inhaltliche Programm-Impulse aus, mit denen er zur Wiederbelebung der perspektive21

73


thema – 20 jahre SDP

innerparteilichen Programmdebatte beitrug. Auf Platzeck geht das Leitbild des „vorsorgenden Sozialstaats“ zurück, mit dem er eine wesentliche Neuausrichtung der SPD-Programmatik vornahm. Platzeck brachte die in seinem Bundesland in den vergangenen 16 Jahren gewonnenen Erfahrungen mit dem Strukturwandel und seinen Folgen für eine Transformationsgesellschaft – die seine Landes-SPD in ihrer Programm- und Politikentwicklung bereits verarbeitet hat – als direkten Impuls in die Programmdebatte der Gesamt-SPD ein. Die Mandatsträger In der Brandenburger SPD sind Sozialdemokraten der ersten Stunde noch immer zahlreich vertreten. Der heutige Finanzminister Rainer Speer etwa hatte im Winter 1989/90 die Potsdamer SDP/SPD mit aufgebaut. Die Sozialministerin Dagmar Ziegler hatte 1990 den SPD-Ortsverein Lenzen mit gegründet. Und Günter Baaske, der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, war 1989 Gründungsmitglied sowohl des Neuen Forums als auch der SDP in Belzig. Bereits seit 1989 engagieren sich für die SDP/SPD mindestens acht der 33 heutigen Landtagsabgeordneten, und mindestens neun weitere Abgeordnete sind seit 1990 SPD-Mitglieder. Nach wie vor ist der Brandenburger SPD die starke Prägung durch die Bür74

september 2009 – heft 43

gerbewegung der DDR anzumerken, ihre Parteielite speist sich in hohem Maße aus dem Kreis der Aktiven aus der Zeit des Parteiaufbaus des Jahres 1989/90. Dass die Gründergeneration der SDP/SPD auch nach knapp 20 Jahren noch relativ stark in Spitzenpositionen der SPD vertreten ist, liegt daran, dass viele von ihnen zu Beginn ihrer politischen Karrieren im Jahr 1990 noch recht jung waren, mit Geburtsjahrgängen zwischen 1955 bis 1965. Mit der Landtagswahl 2004 hat jedoch ein Generationswechsel eingesetzt, der sich in den kommenden Jahren auch auf der kommunalen Ebene fortsetzen wird. Viele Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker der Gründer- und Aufbaugeneration der Jahre 1989/90 stellten sich zur Kommunalwahl 2008 nicht mehr der Wahl. Die Suche nach neuen Kandidatinnen und Kandidaten bedeutet für die Brandenburger SPD eine große Herausforderung, da sie als Rekrutierungsbasis nur aus einer kleinen Zahl an Parteimitgliedern schöpfen kann. Wie bei den Kommunalwahlen 2008 wird die SPD auch in Zukunft verstärkt parteilose Kandidaten gewinnen müssen. Auf ihre Regierungstätigkeit seit 1990 und ihre breite Mandatsträgerbasis – sowohl der Landtagsabgeordneten und Minister auf der Landesebene als auch der Bürgermeister,


anne-kathrin oeltzen – die SPD in brandenburg

SPD-Mitglieder der Landesregierung 2004-2009 Ministerpräsident

Matthias Platzeck

Ministerin für Arbeit, Soziales und Gesundheit

Dagmar Ziegler

Finanzminister

Rainer Speer

Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz

Dietmar Woidke

Minister für Infrastruktur und Raumordnung

Frank Szymanski, ab 2006 Reinhold Dellmann

Minister für Bildung, Jugend und Sport

Holger Rupprecht

Chef der Staatskanzlei

Clemens Appel

Landräte und vielen hundert Kommunalpolitiker in den Landkreisen und Kommunen – stützt sich der selbstbewusst erhobene Anspruch der Brandenburger SPD, die eigentliche „Brandenburgpartei“ zu sein. Eine einzigartige Zeitschrift Mit der „Perspektive 21 – Brandenburgische Hefte für Wissenschaft und Politik“ besitzt der Landesverband der SPD seit 1997 eine eigene Zeitschrift, die jährlich in vier Ausgaben erscheint. Zunächst richtete sich die Zeitschrift als Diskussionsforum zwischen Wissenschaft und Politik in erster Linie an Angehörige der Hochschulen in Brandenburg. Nach und nach hat sich die „Perspektive 21“ jedoch zu dem zentralen Debattenorgan der Landes-SPD entwickelt, das in der Partei auch über Brandenburg hinaus Beachtung findet. Unter den Landesparteien sowohl in

Brandenburg als auch in Deutschland ist ein derart ambitioniertes Zeitschriftenprojekt bisher einzigartig. Die Mitglieder Im Vergleich zu den westdeutschen Landesverbänden und Bezirken der SPD verfügt die Partei in Ostdeutschland nur über eine sehr kleine Mitgliederbasis. Im Vergleich der fünf ostdeutschen SPD-Landesverbände besitzt die Brandenburger SPD seit 1990 durchgängig die höchste Mitgliederzahl. Die Zahl ihrer Parteimitglieder beträgt zurzeit etwa 6.770 Mitglieder. Auch in der Rekrutierungsfähigkeit schneidet die Brandenburger SPD am besten ab: Im Jahr 2007 waren in Brandenburg knapp drei von 1.000 Einwohnern ab 14 Jahren Mitglied der SPD. In Thüringen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern lag die Rekrutierungsfähigkeit der SPD perspektive21

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thema – 20 jahre SDP

Parteimitglieder in Brandenburg 1990-2008 SPD

CDU

PDS/Linke

1990

1992

1994

1996

1998

nur bei zwei, in Sachsen bei nur einem von 1.000 beitrittsberechtigten Einwohnern. Die Wähler der SPD Die Zusammensetzung der Wählerschaft der SPD in Brandenburg weist einige besondere Merkmale auf, die im Vergleich zu anderen ostdeutschen Bundesländern ins Auge fallen. Die SPD stützt sich bei bei Landtagswahlen auf eine breite Wählerkoalition, zu der Arbeiter, Angestellte und Arbeitslose ebenso gehören wie an die evangelische Kirche gebundene Wähler und Konfessionslose. Bereits 1990 hatte die 76

september 2009 – heft 43

2000

2002

2004

2006

9.127

6.771

6.573

9.710

6.731

6.691

10.428

7.148

6.785

7.472

7.315

11.597

13.427 7.609

7.518

7.858

7.575

14.950

16.962 7.927

6.778

9.505

6.750

5.721

6.815

11.292

18.258

22.864

42.662

Quelle: Oskar Niedermayer, FU Berlin 2009

2008

Mehrheit der Arbeiterschaft für die SPD gestimmt – anders als in den anderen Ländern, in denen sich die Arbeiter mehrheitlich für die CDU entschieden. Diese breite Wählerkoalition konnte die SPD auch 1994 und 1999 an sich binden. Bei der Landtagswahl 2004 jedoch ist sie erstmals ins Wanken geraten. Die SPD erzielt seit 1990 bei Frauen stets bessere Wahlergebnisse als bei Männern. Bei der Wahl 2004 schnitt sie bei den Wählerinnen mit 36 Prozent weit besser ab als bei den Wählern mit nur 28 Prozent. Deutlich treten in der Wählerschaft der SPD auch Unterschiede in der Alters-


anne-kathrin oeltzen – die SPD in brandenburg

zusammensetzung ihrer Wähler hervor: 2004 erzielte die SPD bei den über 60-jährigen Wählerinnen und Wählern mit 43 Prozent ein überdurchschnittlich gutes Ergebnis. Probleme und Perspektiven Seit 1990 hat sich an dem zentralen Problem der SPD in Brandenburg nicht viel geändert: an ihrer sehr kleinen Mitgliederbasis. Diese hat Auswirkungen auf die Fähigkeit der Partei zur Rekrutierung ihres politischen Personals, und zwar sowohl für die Landesebene als auch für die Kommunalpolitik. Weil sie so wenige Mitglieder hat, ist die SPD bei den Kommunalwahlen darauf angewiesen, Parteilose als Kandidaten zu gewinnen. Zudem werden in den nächsten Jahren viele Kommunalpolitiker, die seit 1990 aktiv sind, ihre Ämter niederlegen. Die besondere Herausforderung für die Brandenburger SPD besteht also darin, neue Kandidatinnen und Kandidaten für sich zu gewinnen. Vor allem auf der Ebene der Gemeinden und der ehrenamtlichen Bürgermeister ist es für die Partei von Bedeutung, eigene Listen und Kandidaten aufzustellen. Täte sie dies nicht, vergäbe sie von vornherein ihre Chancen, dass in diesen Gemeinden Kandidatinnen und Kandidaten der SPD gewählt werden. Ihren Erfolg seit 1990 verdankte die Brandenburger SPD zum einen ihren

populären Spitzenpolitikern Manfred Stolpe und Regine Hildebrandt. Mit diesen starken Zugpferden besaß die Landes-SPD über Jahre hinweg ein attraktives Personalangebot. Zum anderen konnte sich die SPD in Brandenburg – anders als in den anderen ostdeutschen Bundesländern – seit 1990 auf eine starke kommunale Verankerung stützen. Zudem hat es die Brandenburger SPD mehrfach verstanden, notwendige Erneuerungsprozesse in Gang zu setzen und erfolgreich zu bewältigen. Dies gelang in personalpolitischer Hinsicht nach der Wahlschlappe von 1999, auf die der Generationenwechsel von Manfred Stolpe zu Matthias Platzeck erfolgte. Und es gelang in konzeptioneller Hinsicht, indem sich die Brandenburger SPD mehrfach im Zuge inhaltlicher Zukunftsdebatten auf Vordermann brachte und ihre neuen Ideen mit einer pragmatischen Regierungspolitik in die Tat umsetzte. Für die zukünftige Entwicklung des Parteiensystems in Brandenburg wird die nächste Landtagswahl eine wichtige Rolle spielen: Der Ausgang der im Herbst 2009 parallel zur Bundestagswahl stattfindenden Landtagswahl wird darüber entscheiden, ob sich die SPD in Brandenburg eher auf den Typus einer „Mittelpartei“ zubewegt, die sich mit Ergebnissen von rund 30 Prozent der Stimmen auf gleicher Höhe mit PDS und CDU einrichten muss, aber perspektive21

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in beide Richtungen koalitionsfähig ist; oder ob es der SPD wieder gelingen wird, ihre Vormachtstellung als Volkspartei mit einem Ergebnis von über 40 Prozent der Wählerstimmen auszubauen. Die Chance dazu hat die SPD mit der von Ministerpräsident Matthias Platzeck eingeschlagenen neuen Linie der Reformpolitik für Brandenburg.

Über die geleistete Regierungsarbeit werden die Brandenburgerinnen und Brandenburger bei der kommenden Landtagswahl zu entscheiden haben. Die Chancen der SPD, ihre herausgehobene Stellung als „natürliche“ Regierungspartei in Brandenburg zu konsolidieren und wieder auszubauen, stehen nicht schlecht.

ANNE-KATHRIN OELTZEN ist Politikwissenschaftlerin und promoviert über die Geschichte der sächsischen und brandenburgischen SPD.

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Zupackend und optimistisch ÜBER SEINEN EINTRITT IN DIE SPD UND DIE SOZIALDEMOKRATIE IM 21. JAHRHUNDERT SPRACH TOBIAS DÜRR MIT MATTHIAS PLATZECK PERSPEKTIVE 21: Am 7. Oktober 1989, also dem 40. Jahrestag der DDR, wurde in Schwante die Sozialdemokratische Partei gegründet. Was haben Sie an dem Tag gemacht? MATTHIAS PLATZECK: Ich war zu der Zeit in der Umweltbewegung aktiv. In Potsdam hatte ich im Jahr davor die „Arbeitsgemeinschaft für Umweltschutz und Stadtgestaltung“ (ARGUS) mit gegründet, und ganz bewusst für den 7. Oktober 1989 hatten wir zum zweiten Mal ein landesweites Treffen der DDRUmweltgruppen organisiert, das dann – formal unter dem Dach des Kulturbundes – bei uns in Potsdam stattfand. Das ganze Land war schon nahezu in Aufruhr, es gab brutale Übergriffe der Sicherheitsorgane. Kein Mensch wusste, wie es mit der DDR weitergehen würde. Auf unserer Umweltgruppenkonferenz haben wir dann eine Resolution verabschiedet, in der es hieß: „Wir sind am Tage des 40. Geburtstages unserer Republik betroffen, traurig und wütend über den Zustand unseres Landes.“ Und weiter: „Wir wollen als selbstbewusste Bürger unseres sozialistischen Staates endlich

glaubhaft in den Entscheidungsmechanismus im Lande einbezogen werden, statt ein Leben in privater Zurückgezogenheit zu führen.“ Darum ging es den Sozialdemokraten doch auch, die sich am selben Tag in Schwante formierten. Hätten Sie nicht damals schon dorthin gepasst? PLATZECK: Vielleicht nicht ganz. Ich stammte ja aus der Umweltbewegung der DDR, das war sozusagen meine Traditionslinie. Für uns in der Umweltbewegung war kennzeichnend, dass wir vor allem bessere Lebensbedingungen für die Bürger forderten. Es ging uns zunächst nicht um die Beendigung der SED-Herrschaft. So ähnlich tickten auch die anderen Bürgerbewegungen in der DDR. Die völlige Abschaffung der bestehenden Ordnung zugunsten einer parlamentarischen Demokratie stand nicht auf unserem Programm. Und genau das war der Unterschied zu den Sozialdemokraten um Markus Meckel und Martin Gutzeit, die sich in Schwante versammelten. Die wollten von Anfang an nicht bloß als „Arbeitsgemeinschaft“, „Forum“ oder perspektive21

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1. Mai 1998: Manfred Stolpe, Gerhard Schröder, Matthias Platzeck und Steffen Reiche (v. r.)

„Initiative“ irgendwie mitreden und mitbestimmen. Die wollten eine richtige Partei sein und nach freien Wahlen möglichst regieren. Das war für die SED natürlich viel bedrohlicher und gefährlicher, weil die Sozialdemokraten den historischen Wahrheitsanspruch der Kommunisten fundamental bestritten. Für die SED gab es ja nichts Schlimmeres als Sozialdemokratismus. Und damit stellten sie die Machtfrage. Die Sozialdemokraten waren auch nicht wie die anderen Oppositionsgruppen permanent mit Selbstfindungsdebatten beschäftigt, sondern konnten Punkt für Punkt benennen, was sie wollten: Rechtsstaatlichkeit, 80

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Gewaltenteilung, soziale Marktwirtschaft, Freiheit der Gewerkschaften, Streikrecht. Und diese Ziele wollten sie im Rahmen einer parlamentarischen Demokratie erreichen, in der verschiedene Parteien miteinander konkurrieren. Dass einer einzelnen Partei von vornherein eine „führende Rolle“ zugeschrieben werden könnte, war mit diesen Prinzipien natürlich völlig unvereinbar. Darin bestand sozusagen der Frontalangriff der Sozialdemokratie auf den DDR-Sozialismus. Darum hatte die SED vor Leuten wie Meckel und Gutzeit viel mehr Angst als vor uns etwas machtvergessenen Bürgerrechtlern.


matthias platzeck – zupackend und optimistisch

Haben Sie diese Unterschiede damals auch schon so genau verstanden und analysiert? PLATZECK: Nein. Mir hat zwar die Klarheit und Zielstrebigkeit der SDP imponiert, aber selbst war ich noch nicht so weit. Wir Bürgerrechtler träumten ja damals von der Rätedemokratie und solchen Dingen. Vor allem wollten wir die DDR behalten: lebendiger, bunter und freier als unter der SED, aber eben doch als eigenen Staat. Ich weiß noch, wie es war, als ich zum ersten Mal Willy Brandt erlebte. Das war Ende Januar 1990 auf einer Tagung der Evangelischen Akademie Tutzing bei München. Alle in meiner Familie bewunderten Brandt. Und der sagte da in seiner Rede ganz klipp und klar: „Die Sache ist gelaufen, die von Deutschland handelt.“ Das hieß: Für ihn stand damals schon fest, dass die Einheit kommen würde. Und er sagte auch: „Wer noch von einem ‚Dritten Weg‘ träumt, sollte erkennen, dass die DDR gegenwärtig nicht die Option hat, ein schwedischer Wohlfahrtsstaat zu werden, womöglich mit jugoslawischer Selbstverwaltung und ökologischem Spitzenniveau, jedenfalls nicht aus eigener Kraft.“ Damit traf Brandt meinen wunden Punkt. Mir hat das damals jedenfalls sehr zu denken gegeben, aber überzeugt war ich noch nicht. Die Einsicht kam erst nach und nach, nämlich als ich begriff, wie vollständig marode und bankrott die DDR in Wirklichkeit war. Brandt hatte ganz einfach recht.

Oktober 2004: Günter Baaske gratuliert dem wiedergewählten Ministerpräsidenten Matthias Platzeck

Und im Spätsommer 1990 hat Joachim Gauck dann zu Ihnen gesagt: „Warum gehst du eigentlich nicht zu den Sozialdemokraten? Du bist doch einer.“ Wie meinte er das? PLATZECK: Das habe ich ihn damals auch gefragt. Gauck und ich kannten uns zu der Zeit ungefähr ein halbes Jahr. Wir hatten zusammen für das Bündnis 90 in perspektive21

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der ersten frei gewählten Volkskammer gesessen. Und er hatte damals wohl schon etwas über mich begriffen, was mir selbst noch gar nicht so klar war. Er sagte: „Von der Art und Weise, wie du agierst, wie du redest, wie du denkst, bist du eigentlich ein Sozialdemokrat.“ Trotzdem hat es dann noch fünf Jahre gedauert, bis Sie tatsächlich in die SPD eingetreten sind. PLATZECK: Stimmt, aber das hatte natürlich mit bestimmten anderen Vorprägungen zu tun. Zum einen stammte ich nun einmal aus der Umweltbewegung der DDR. Damit landete ich fast automatisch beim Bündnis 90, das sich wiederum den westdeutschen Grünen verwandt fühlte. Und zum anderen hatte ich – wie Millionen andere ehemalige DDR-Bürger – ziemlich tief sitzende Vorbehalte gegen Parteien an sich. In der DDR war „Partei“ nun einmal mehr oder weniger mit „SED“ gleichgesetzt gewesen. Das hat viele ehemalige DDR-Bürger abgeschreckt, auch wenn Parteien in der parlamentarischen Demokratie natürlich etwas völlig anderes sind. Viele von uns haben eine ganze Weile gebraucht, um diese Skepsis zu überwinden. Ich auch. Heute ist mir klar, dass Demokratie ohne Parteien, die nach innen integrieren und nach außen Kompromisse schließen können, schlicht nicht funktioniert. Seit Ihrem Eintritt in die SPD sind fast anderthalb Jahrzehnte vergangen. Zwi82

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schenzeitlich waren Sie sogar Bundesvorsitzender der Partei. Wie muss sich die Sozialdemokratie verändern, damit sie wieder richtig erfolgreich werden kann? PLATZECK: Also, Vorsitzender musste ich ja deshalb werden, weil mir mein Vater 1995 bei meinem Eintritt in die SPD auf den Weg gegeben hatte: „Junge, wenn du schon in eine Partei eintrittst, dann versuch wenigstens, ihr Vorsitzender zu werden.“ Daran habe ich mich gehalten. Aber im Ernst: Die Menschen in Deutschland wollen und brauchen keine Parteien, die bloß Nabelschau betreiben und ihr eigenes Schicksal bedauern. Die Leute können nur mit solchen Parteien etwas anfangen, die auf sie zugehen. Um jeden Preis müssen wir deshalb Selbstabkapselung und Binnenorientierung vermeiden. Wir müssen uns neuen Wählerschichten zuwenden, immer bereit sein zur Öffnung und Erneuerung. In Brandenburg gelingt uns das ganz gut, glaube ich. Wir waren zum Beispiel 2004 der erste Landesverband der SPD überhaupt, der mit Landesbauernpräsident Udo Folgart einen parteilosen Listenkandidaten aufstellte. Das war ein Signal der Öffnung, und davon brauchen wir noch viel mehr. Wir können nicht erwarten, dass die Bürger in Massen bei uns eintreten wollen wie in den siebziger Jahren in Westdeutschland. Die Zeiten sind ein für allemal vorbei. Also müssen wir uns umso mehr den Bürgern zuwenden und zwar jeden Tag aufs Neue.


matthias platzeck – zupackend und optimistisch

Im Landtagswahlkampf 2009

Und welchen Weg sollte die SPD inhaltlich einschlagen? PLATZECK: Dazu lässt sich natürlich manches sagen, aber eines ist mir besonders wichtig. Ich zitiere noch einmal Willy Brandt: „Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands gilt nach Meinung eines großen Teils unseres Volkes als Partei des Fortschritts.“ Brandt sagte das 1969. Als Partei des Fortschritts feierte die SPD ihre größten Erfolge, als Partei des Fortschritts überzeugte sie die Menschen. Ich sage nicht, dass die SPD seitdem zu einer konservativen Partei geworden ist. Aber manchmal geht es bei uns ein bisschen zu sehr um die Ergebnissicherung, statt um Offensive und Aufbruch. Darum finde ich, wir soll-

ten wieder mutiger werden und uns klipp und klar zum Fortschritt bekennen. Natürlich bleibt soziale Gerechtigkeit unser Markenzeichen. Aber wenn sich die SPD im 21. Jahrhundert treu bleiben will, dann muss sie in ihrer ganzen Grundhaltung unbedingt wieder als die Partei des Fortschritts, der Experimentierfreude und des Vorwärtsdrangs erkennbar werden. Neugier auf die bessere und intelligentere Lösung, weil sich Lebenschancen und Gerechtigkeit überhaupt nur so schaffen lassen – das muss unser Antrieb sein. Übrigens finde ich, dass FrankWalter Steinmeiers Deutschlandplan „Die Arbeit von morgen“ genau diesen Geist atmet. Das gefällt mir gut. perspektive21

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Aber ist nicht im vorigen Jahrhundert im Namen des Fortschritts jede Menge Unheil angerichtet worden? PLATZECK: Das bestreite ich überhaupt nicht. „Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf“, hieß das bei Erich Honecker. So einen naiven und unreflektierten Fortschrittsbegriff meine ich ausdrücklich nicht. Fortschritt kommt nicht von selbst, es gibt keine zwangsläufige Entwicklung zum Besseren. Aber: Das Bessere ist möglich, wenn sich Menschen entschieden dafür einsetzen. „Auf uns selbst kommt es an, lasst es uns einfach ausprobieren“, mit dieser zupackenden Grundhaltung haben wir 1989 die SED-Herrschaft beendet und seitdem unser Land neu aufgebaut und erneuert. Diese zupackende, optimistische Grundhaltung werden wir auch brauchen, um die Probleme des 21. Jahrhunderts zu lösen. In diesem Sinne sollte sich die SPD wieder klar und

deutlich als Partei des Fortschritts verstehen. Zumindest hier bei uns in Brandenburg klappt das schon ziemlich gut, finde ich.

MATTHIAS PLATZECK

trat 1995 in die SPD ein, war 2005-2006 ihr Bundesvorsitzender und ist seit 2000 Landesvorsitzender sowie seit 2002 Ministerpräsident des Landes Brandenburg. 84

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