perspektive21 - Heft 44

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HEFT 44 MÄRZ 2010 www.perspektive21.de

BRANDENBURGISCHE HEFTE FÜR WISSENSCHAFT UND POLITIK

DIE BRANDENBURGER LANDTAGSWAHL 2009 UND IHRE FOLGEN

Gemeinsinn und Erneuerung TOBIAS DÜRR:

Regieren für den Fortschritt

RITA MÜLLER-HILMER: THOMAS KRALINSKI: KLARA GEYWITZ:

Brandenburger Parallelwelten

Auf der Höhe der Zeit

Warum rot-rot?

MATTHIAS PLATZECK:

Gemeinsinn und Erneuerung

GÜNTER BAASKE UND HOLGER RUPPRECHT: WOLFGANG SCHROEDER: ERHARD CROME:

Gerechter, früher, besser

Arbeit für Brandenburg

Von der Staats- zur Regierungspartei


Eine persรถnliche Bestandsaufnahme

20 Jahre nach der friedlichen Revolution von 1989: Wie viel Einheit haben wir erreicht? Welchen Aufbruch braucht Deutschland jetzt?

224 Seiten, gebunden

| Hoffmann und Campe | Das will ich lesen


vorwort

Gemeinsinn und Erneuerung er 27. September 2009 hat die politische Statik in Deutschland verändert. Auf Bundesebene ist die SPD nach elf Regierungsjahren von den Wählern mit dem schlechtesten Ergebnis in ihrer Nachkriegsgeschichte in die Opposition verbannt worden. In Brandenburg hat die SPD mit Matthias Platzeck an ihrer Spitze ihr Wahlergebnis am selben Tag hingegen leicht verbessern können. Auf Bundesebene regiert seitdem die Wunschkoalition der Springer-Presse und anderer Medien, in Brandenburg entschied sich die SPD hingegen für eine Koalition mit der Linken. Die unterschiedlichen Machtkonstellationen im Bund und in Brandenburg erklären, mit welcher Aggression Politiker von FDP und CDU und Teile der Medien auf Platzecks Entscheidung, erstmals eine Koalition mit der Linken zu bilden, reagieren. Wolfgang Schäuble gab dabei mit seinem Wort von der „Koalition der Schande“ den Tenor der Auseinandersetzung der bürgerlichen Kräfte vor. Bei mir hat sich seitdem der Eindruck verstärkt, je mehr die neue Bundesregierung durch interne Streitereien und „Mövenpick-Geschenke“ Ansehen in der Bevölkerung verliert, umso aggressiver versucht insbesondere die Springer-Presse, die Brandenburger Landesregierung zu diffamieren. Diese offensichtlichen Entlastungsangriffe für Merkel/Westerwelle fruchten bei der Brandenburger Bevölkerung jedoch nicht: In der jüngsten Meinungsumfrage liegt Rot-Rot in Brandenburg 30 Prozentpunkte vor Schwarz-Gelb. In dieser Ausgabe der Perspektive 21 analysieren Thomas Kralinski und Rita Müller-Hilmer die Wahlergebnisse des 27.September in Brandenburg. Klara Geywitz erläutert die Entscheidung der Brandenburger SPD, die Koalition mit der CDU zu beenden und ein Regierungsbündnis mit der Linken zu begründen. Tobias Dürr bewertet in seinem Essay die bisherige Regierungsarbeit von Schwarz-Gelb und ordnet die Arbeit der Landesregierung in ein neues progressives Projekt ein. Matthias Platzeck, Holger Rupprecht, Günter Baaske und Wolfgang Schroeder erläutern in ihren Beiträgen Schwerpunkte künftiger Brandenburger Regierungspolitik. Die Auseinandersetzung zwischen schwarz-gelber Klientelpolitik und der Entwicklung eines alternativen progressiven Politikmodells ist eröffnet. Die Perspektive 21 wird in den nächsten Jahren ihren Beitrag leisten, die Diskussion zwischen potenziellen Bündnispartnern über eine moderne progressive Politik voranzutreiben.

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IHR KLAUS NESS

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inhalt

Gemeinsinn und Erneuerung DIE BRANDENBURGER LANDTAGSWAHL 2009 UND IHRE FOLGEN MAGAZIN

Regieren für den Fortschritt .......................................................... 7 Warum jetzt glaubwürdige progressive Alternativen zum schwarz-gelben Chaos entwickelt werden müssen – und was Brandenburgs Grosse Koalition damit zu tun hat TOBIAS DÜRR:

THEMA

Brandenburger Parallelwelten .......................................... 15 Die Bundestagswahl und die Landtagswahl in Brandenburg 2009 RITA MÜLLER-HILMER:

Auf der Höhe der Zeit ...................................................... 23 Wie die Brandenburger SPD die Landtagswahl gewann THOMAS KRALINSKI:

Warum rot-rot? ...................................................................... 29 Nach der Landtagswahl musste die SPD eine ihrer wichtigsten Entscheidungen treffen KLARA GEYWITZ:

Gemeinsinn und Erneuerung .......................................... 37 Ein Brandenburg für alle ist das Ziel der neuen Landesregierung MATTHIAS PLATZECK:

Gerechter, früher, besser ................ 49 Mit einer fortschrittlichen Lebenschancenpolitik sorgen wir für mehr sozialen Aufstieg GÜNTER BAASKE UND HOLGER RUPPRECHT:

Arbeit für Brandenburg .............................................. 55 Warum sich öffentlich geförderte Beschäftigung für den Staat rechnet, den Kommunen hilft und Langzeitarbeitslosen neue Perspektiven gibt WOLFGANG SCHROEDER:

Von der Staats- zur Regierungspartei ........................................ 61 Die Entwicklung der Linken in Brandenburg ERHARD CROME:

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Regieren für den Fortschritt WARUM JETZT GLAUBWÜRDIGE PROGRESSIVE ALTERNATIVEN ZUM SCHWARZ-GELBEN CHAOS ENTWICKELT WERDEN MÜSSEN – UND WAS BRANDENBURGS GROSSE KOALITION DAMIT ZU TUN HAT VON TOBIAS DÜRR

esellschaften politisch zu führen ist nirgendwo einfach. Das gilt erst recht in Zeiten der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Transformation, des kontinuierlichen Umbruchs fast aller Lebensbereiche, der Europäisierung und der Globalisierung, des Wandels von Demografie und Weltklima. Wie spektakulär eine Regierung daran scheitern kann, den Herausforderungen des frühen 21. Jahrhunderts gerecht zu werden, das demonstriert seit dem vergangenen Herbst fast tagtäglich auf geradezu atemberaubende Weise die neue schwarz-gelbe Bundesregierung. Die „bürgerliche“ beziehungsweise „christlich-liberale“ Koalition (so deren ziemlich schrullige Selbstcharakterisierungen) war seit Jahren das erklärte Wunschbündnis von CDU/CU und FDP; am 27. September 2009 ging das lang gehegte Sehnen endlich in Erfüllung. Seitdem wird immer klarer, dass sich hier – mitten in der größten Finanz-, Wirtschafts- und Währungskrise seit vielen Jahrzehnten – drei Parteien zusammengetan haben, die untereinander und sogar jeweils für sich offensichtlich nicht einmal ansatzweise Einigkeit darüber herstellen können, mit welchen zentralen Herausforderungen sie es eigentlich zu tun haben, welche Probleme heute in Deutschland und Europa vordringlich gelöst werden müssen und, ganz grundlegend, an welchem Leitbild für unsere Gesellschaft sie sich eigentlich orientieren wollen. Nichts wird geklärt, nichts funktioniert, nichts kommt voran; dafür agitieren alle wild durch- und gegeneinander. Und die von ihren eigenen Leuten als „Mutti“ lächerlich gemachte Kanzlerin sieht dem unwürdigen Treiben tatenlos zu. Noch etwas ist deshalb am Beispiel dieser „bürgerlichen“ Bundesregierung nachgerade lehrbuchmäßig zu besichtigen: Wie orientierungslos gewordene Politiker aus Überforderung in Panik geraten; wie daraufhin sogar erklärte „Wunschpartner“ beginnen, blindlings aufeinander einzuteufeln, statt in gemeinsamer Wahrnehmung ihrer Aufgaben kühl die Lage zu analysieren und nach produkti-

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ven Lösungen zu suchen; wie sie sich im Einsatz für Abwegiges (Beispiel Mövenpick-Steuer) verlieren oder ihr Verhältnis zueinander im ständigen Stellungskrieg um Nebensächliches (Beispiel Erika Steinbach) immer weiter zerrütten. Kurzum, weil der neuen Regierungsmehrheit von Anfang an eine übergreifende Idee für Deutschland fehlte, scheint sie mittlerweile in einem Strudel der destruktiven Autoaggression zu versinken. Wie die Regierungen den Respekt der Bürger verspielen Naturgemäß haben solche Prozesse die Tendenz, sich eigendynamisch immer weiter zu beschleunigen und zu radikalisieren. Man darf angesichts der fortgeschrittenen Selbstbeschädigung der Bundesregierung schon sehr gespannt sein, ob es der bislang erschreckend führungsschwachen Kanzlerin doch noch irgendwie gelingen wird, ihre Koalition auf einen gemeinsamen Kurs zu festzulegen. Große Zweifel daran sind am Platz. Da sich Angela Merkel bekanntermaßen jenseits des Machterhalts keine wie auch immer gearteten politischen Ziele steckt, kann sie weder Orientierung stiften noch glaubwürdig Führung ausüben; aber solange sie in der deutschen – und übrigens gerade auch europäischen – Politik keine Führung ausübt, wird sie bleiben, was sie (in der pointieren Formulierung Sigmar Gabriels) ist: die „Geschäftsführerin einer Nichtregierungsorganisation“. Solche Regierungen und ihre Frontleute büßen nicht nur die Zustimmung der Bürger ein, sondern schließlich sogar deren Respekt. Der Rest ergibt sich. In Schwierigkeiten können Regierende aber auch aus anderen, ehrenvolleren Gründen geraten. Barack Obama hat es gegenwärtig ebenfalls nicht leicht, dies aber anders als Angela Merkel keineswegs aufgrund von Unentschlossenheit, Phlegma oder Ideenlosigkeit. Im Gegenteil: Der Präsident der Vereinigten Staaten steckt exakt deshalb in großen politischen Schwierigkeiten, weil er ernsthaft etwas vorhat, weil es ihm um wirklichen Fortschritt geht, weil er ein progressiver Politiker ist, der in seinem Land bessere Lebenschancen für mehr Menschen durchsetzen will, beispielsweise indem er beharrlich für ein Gesundheitssystem kämpft, in dem zukünftig nicht mehr wie bisher viele Millionen Amerikaner ohne Versicherungsschutz leben sollen. Im Wahlkampf 2008 hat Barack Obama immer wieder einen ganz zentralen Satz ausgesprochen: „The world as it is, is not the world as it should be.“ Die Welt, wie sie ist, ist nicht so gut, dass sie keiner Verbesserung mehr bedürfte: Diese Feststellung und Grundhaltung steht am Anfang jedes progressiven Nachdenkens und jeder Politik, die auf Fortschritt und Emanzipation zielt. Sie enthält das Bekenntnis zu einem progressi8

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ven Politikverständnis, zur schrittweisen, aber fortwährenden Verbesserung der Verhältnisse als Prinzip. Es ist richtig: Obamas Schlüsselsatz enthält, für sich genommen, noch keine inhaltliche Festlegung. Was denn genau fehlt, woran es denn hapert und mangelt, wohin es denn gehen soll und überhaupt: wie die Welt sein sollte – darüber kann man schließlich ausgesprochen unterschiedlicher Auffassung sein. Aber in diesem Satz kommt der Urimpuls jeder Fortschrittspolitik zum Ausdruck: Progressive geben sich nicht zufrieden damit, wie es nun einmal ist! Sie blicken nach vorn, was zugleich heißt: Sie wünschen sich nicht irgendeine nostalgisch verklärte „gute alte Zeit“ zurück! Das unterscheidet sie von rechten wie linken Konservativen. Zugleich allerdings sehnen Progressive aber auch keinen vermeintlichen Endzustand der Geschichte herbei, den sie mit irgendeinem „geschlossenen Politikkonzept“ ein für allemal durchzusetzen hoffen. Die Wahnidee von plötzlichen Systemwechseln, von irgendwelchen „Großen Sprüngen nach vorn“ über die Köpfe der Menschen hinweg, ist Progressiven fremd. Das wiederum unterscheidet sie von revolutionären Spinnern aller Art. Ohne Aufbruch und Erneuerung wird es nicht gehen Stattdessen machen sich Progressive im Hier und Jetzt ganz praktisch und Schritt für Schritt an die Arbeit. Dabei nehmen sie die schwierige Wirklichkeit in möglichst allen ihren Facetten zur Kenntnis – um sie zu durch zupackende Arbeit zu verändern, um sie besser machen, als sie jetzt ist. Progressiven geht es um Fortschritt als Entwicklungsprozess, um den sozialen Aufstieg und die Partizipation von Menschen an der Gesellschaft. Sicherlich geht es ihnen auch um Wachstum – aber nicht um Wachstum als Selbstzweck, sondern zu allererst um ein Wachstum der Lebensqualität für alle. Ob wir die Probleme dieser Gesellschaft und der Welt im 21. Jahrhundert werden lösen können, ist heute alles andere als gewiss; Gründe zu beträchtlicher Skepsis gibt es zur Genüge. Eines aber steht jetzt schon fest: Ohne eine entschieden auf Veränderung, Umbau und Fortschritt orientierte Politik werden wir den Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte nie und nimmer gerecht werden. Dabei geht es – um Missverständnissen vorzubeugen – ausdrücklich nicht darum, einen bloß technokratischen oder sogar autoritären Fortschrittsbegriff des 19. und 20. Jahrhunderts aus der Versenkung zu holen. Manche halten den Begriff des Fortschritts nach den zivilisatorischen und ökologischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts insgesamt für verbrannt. Und tatsächlich ist der Einwand berechtigt: Es war ja zweifellos nicht zuletzt ein unterkomplexer und allzu vulgäperspektive21

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rer Fortschrittsbegriff, der uns in die vielfältigen Miseren der Gegenwart erst hineingetrieben hat – Stichwort Umwelt, Stichwort Klima, Stichwort Energie; auch religiöser Fundamentalismus und Terrorismus lassen sich mit guten Gründen als Reaktionen auf unterkomplexe Fortschrittskonzepte verstehen. „The world as it is, is not the world as it should be“ – vieles von dem, was uns heute zu schaffen macht, ist nicht zuletzt die Folge allzu unreflektierter Fortschrittsversprechen aus dem vergangenen Jahrhundert. Etwas Demut steht Progressiven also ganz gut zu Gesicht. Sollten wir aber deshalb der Idee und Praxis des Fortschritts ganz und gar abschwören und uns einem mutlosen muddling through nach dem Muster Merkel verschreiben? Auf keinen Fall! Wenn überhaupt, dann werden wir die eingetretenen und bevorstehenden Miseren des 21. Jahrhunderts nur mit dem klaren Bekenntnis zu reflektiertem Fortschritt und reflektierter Erneuerung bewältigen können. Bildung, Sozialstaat, innovative Wirtschaft, Demografie, Integration, Klima – überall kommt es heute darauf an, qualitativen Fortschritt zu organisieren, einen Fortschritt, der mehr und mehr Menschen zu besseren Lebenschancen verhilft (was keineswegs mit mehr materiellem Wohlstand gleichzusetzen ist); einen Fortschritt, der dazu beiträgt, dass möglichst alle Menschen ihre Potenziale in vollem Umfang ausschöpfen können, dass sie also die reale Chance besitzen, ihr eigenes Leben nach ihren eigenen Vorstellungen zu leben. Es muss Progressiven, anders gesagt, gerade auch darum gehen, Freiheit und Gleichheit wieder zueinander in Bezug zu setzen und damit – zum Nutzen von Menschen – egalitäre und liberale Auffassungen miteinander zu verbinden. Dringend gebraucht werden progressive Bündnisse Dass sich die neue schwarz-gelbe Regierungskoalition nicht als Kraft des Fortschritts erweisen würde, war so zu erwarten. Doch angesichts des bestürzenden Ausmaßes der schwarz-gelben Einfallslosigkeit, Handlungsschwäche und Autoaggression steht jetzt, viel eher als allseits angenommen, die Frage im Raum, wie denn – sowohl inhaltlich als auch personell – in Deutschland die progressive Alternative zu Merkels trostloser Krisenverwaltung aussehen könnte. Mit ihren kümmerlichen 23 Prozent vom 27. September 2009 (und nicht viel besseren Umfragezahlen im Frühjahr 2010) tut besonders die SPD gut daran, sich nicht kurzfristigen Machteroberungsphantasien hinzugeben. Dieses Brett ist zu dick für eine Sozialdemokratie, die ihre inneren Widersprüche noch längst nicht geklärt hat und mit mindestens einem Bein noch immer fest im vorigen Jahrhundert steht. 10

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Notwendig sind deshalb neue Bündnisse progressiver Akteure über Partei-, Organisations- und sogar Koalitionsgrenzen hinweg. Spannend (und so nicht unbedingt zu erwarten gewesen) ist daher, dass derzeit quer zu den bestehenden Parteien so etwas wie die Koalition eines neuen progressiven Denkens entsteht. Zumindest zeichnet sich diese neue informelle Koalition ab. Zu ihr zählen Wissenschaftler und Publizisten, viele Sozialdemokraten und Grüne, auch reformorientierte Mitglieder der vormaligen PDS in Ostdeutschland – und hinter Westerwelles Rücken womöglich sogar eine Handvoll frustrierter Freidemokraten, die die große progressiv-liberale Tradition ihrer Partei noch nicht völlig vergessen haben. Es war schließlich der Liberale Ralf Dahrendorf, der geschrieben hat: „Freiheit darf kein Privileg werden, und das heißt, dass es ein Gebot der Politik der Freiheit ist, mehr Menschen, prinzipiell allen Menschen die Anrechte und das Angebot zu verschaffen, die wir selber schon genießen.“ Genau darum geht es in der Tat! Auf dieses zentrale Leitmotiv moderner Fortschrittspolitik können sich Progressive verschiedenster Herkunft deshalb ohne weiteres verständigen. Progressive aller Parteien, verbündet euch! Unter den beschriebenen Umständen muss Progressive eine Frage, eine Sorge und eine Hoffnung beschäftigen. Die progressive Frage muss lauten: Kann es in Deutschland gelingen, schon in absehbarer Zeit eine Koalition derjenigen Kräfte zu organisieren und regierungsfähig zu machen, die für sozialen, für wirtschaftlichen und ökologischen Fortschritt stehen? Die progressive Sorge muss sein: Das Vorhaben könnte schiefgehen. Es könnte nämlich dann scheitern, wenn sich die fortschrittsfreudigen Akteure jeweils in ihren eigenen Parteien und Organisationen nicht gegen die verbreiteten Tendenzen eines rückwärts gewandten linken Konservatismus durchsetzen können: Left is the new conservatism. Aber auch die gedankenarmen Durchwurstler, die Politik mit der bloßen Verwaltung und Verteidigung des jeweils erreichten Status quo verwechseln, sind die natürlichen Feinde allen Fortschritts. Kurzum, der progressive Aufbruch wird dann ausfallen, wenn eine mögliche Fortschrittsmehrheit in Gesellschaft und Parteien bloß latent bleibt, statt politisch zueinander zu finden. Andererseits gibt es eben auch eine progressive Hoffnung. Sie setzt darauf, dass sich am Fortschritt interessierte Menschen verschiedenster Herkunft über die oftmals hinderlichen Begrenzungen hinwegsetzen, die ihre Parteien und Koalitionen heute noch voneinander trennen. Den Fortschritt als Idee und Prinzip hat im 21. Jahrhundert gerade nicht eine einzige politische Partei für sich gepachtet. Umso perspektive21

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wichtiger ist es, dass sich Progressive unterschiedlicher Herkunft und Verankerung konstruktiv „zusammendiskutieren“. Die Konstellation dafür ist nicht so ungünstig, denn einstweilen amtiert ja Angela Merkels schwarz-gelbe NGO, und es könnte sein, dass diese Regierung noch einige weitere Jahre lang vor sich hin werkeln wird, wie sie begonnen hat. Das wäre schlimm genug für Land und Leute, würde Progressiven aber Zeit zur ideenpolitischen Vorbereitung neuer Konstellationen verschaffen: Zeit zur Annäherung, Zeit für die produktive, konstruktive Verständigung darüber, worin die Schnittmengen unterschiedlicher Fortschrittsvorstellungen in Deutschland liegen und wie sich diese Schnittmengen noch ausweiten lassen. Notwendig ist dies allemal, denn die Lage ist ernst genug. Das komplette Versagen der schwarz-gelben Bundesregierung macht deutlich, wie dringend wir in Deutschland eine neue gesellschaftliche und schließlich auch politische Koalition des sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Fortschritts brauchen. Aber diese politische Koalition muss, wenn sie denn irgendwann zustande kommt, eine Koalition sein, die sich – bei aller ebenso unvermeidlichen wie notwendigen Pluralität – im Kern darüber einig ist, wie sie „Fortschritt“ konkret ausbuchstabieren will. Warum es jetzt auf Brandenburg ankommt Genau dies ist auch der Grund, weshalb der im Herbst 2009 gebildeten neue Regierungskoalition in Brandenburg beträchtliche Bedeutung weit hinaus über dieses bevölkerungsarme Bundesland im Osten der Republik zukommt. Gelingt es der Brandenburger Großen Koalition in den kommenden Jahren, sich als moderne, tatkräftige und nach vorne gewandte Fortschrittskonstellation auf der Höhe ihrer Zeit zu profilieren, die den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts Rechnung trägt (während ihre Widersacher etwas monomanisch darauf versessen scheinen, immerfort alte Rechnungen zu begleichen), dann dient sie nicht nur den Interessen der Brandenburgerinnen und Brandenburger, sondern dann wird sie auch kräftig dazu beitragen, den Möglichkeitsraum für progressive Politik in Deutschland zu erweitern. „Gemeinsinn und Erneuerung – ein Brandenburg für alle“, so lautet die Überschrift der Koalitionsvereinbarung zwischen den Brandenburger Sozialdemokraten und der Brandenburger Linkspartei. In allen seinen drei Einzelteilen, aber besonders in der Kombination dieser Ziele ist das ein dezidiert progressives Motto. An diesem hohen Anspruch wird (und will) die Brandenburger Regierungskoalition gemessen werden. Schwierig wird ihre Aufgabe allemal. Aber wenn es den Brandenburger Koalitionspartnern gelingen sollte, ihren 12

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Ambitionen in gemeinsamer Anstrengung gerecht zu werden, dann hätten sie Bedeutendes dafür getan, der Idee des Fortschritts in Deutschland aufs Neue einen guten Namen zu geben. Gering ist diese Verantwortung nicht, lohnend aber allemal. ■

DR. TOBIAS DÜRR ist Chefredakteur der Zeitschrift „Berliner Republik“ und Mitbegründer des Think Tanks „Das Progressive Zentrum“. perspektive21

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Brandenburger Parallelwelten DIE BUNDESTAGSWAHL UND DIE LANDTAGSWAHL IN BRANDENBURG 2009 VON RITA MÜLLER-HILMER

eitgleich zur Bundestagswahl fand am 27. September 2007 auch die Landtagswahl in Brandenburg statt. Solch eine zeitliche Überschneidung von Bundes- und Landtagswahlen ist nicht ungewöhnlich, ungewöhnlich fällt aber der Ergebnisvergleich aus. Bei allen vorhergehenden Wahlen in anderen Bundesländern, bei denen am selben Tag das Bundes- und das Landesparlament gewählt wurden, wichen die Ergebnisse auf beiden Wahlebenen nur unwesentlich voneinander ab. Anders bei den beiden Wahlen vom 27. September in Brandenburg, wobei vor allem das unterschiedliche Abschneiden der SPD auffällt: bei der Bundestagswahl kam die SPD auf einen Zweitstimmenanteil von 25,1 Prozent, womit sie hinter die Linke auf den zweiten Platz zurückfiel. Gegenüber der Bundestagswahl 2005 verlor sie 10,7 Prozentpunkte, was etwa dem Verlustniveau der SPD auf Bundesebene entsprach (-11,2). Ganz anders fiel das Ergebnis der Landtagswahl aus. Dort konnte die Brandenburger SPD gegen den Bun-

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destrend 1,1 Prozentpunkte zulegen und mit einem Zweitstimmenanteil von 33,0 Prozent ihre Position als stärkste Partei im Land sogar festigen. Eine derartige Abkoppelung des Wahlverhaltens von der Bundesebene hat es bei zeitgleich durchgeführten Landtagswahlen noch nie gegeben. Es lohnt deshalb, das unterschiedliche Abschneiden der SPD bei den beiden Wahlen etwas ausführlicher zu analysieren. Zunächst stellt sich die Frage, welche Wähler unterschiedlich votierten und welche Partei auf Bundesebene von der Schwäche der SPD profitierte. Bei der Bundestagswahl verlor die SPD besonders stark bei berufsaktiven Wählern. Junge Männer verteilten dabei ihre Gunst nahezu gleichmäßig auf 6 Parteien, SPD und CDU fanden sich auf Augenhöhe mit den Grünen, der FDP, der Linken und der Piratenpartei. Bei den jungen Frauen punktete dagegen vor allem die CDU aufgrund ihrer Familienpolitik, aber auch wegen Angela Merkel, die für junge Frauen aufgrund ihrer Biographie Vorbildcharakter hat. Generell zeigten sich Frauperspektive21

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en, die bei den Wahlen zuvor noch Rot-Grün zur Macht verhalfen und seine Wiederwahl garantierten, diesmal deutlich distanzierter gegenüber der SPD. Unter dem Strich kam die Schwäche der SPD auf Bundesebene deshalb vor allem die CDU mit einem Stimmenplus gegenüber der Landtagswahl von 3,8 Punkten zugute, aber auch der FDP mit einem Plus von 2,1 Punkten. Auf Landesebene war dieser Trend nicht feststellbar. Hier konnte die SPD ihren Vorsprung bei Frauen halten und bei Jungwählern einschließlich der jungen Frauen sogar zulegen. Wie lässt sich diese große Diskrepanz im Wahlergebnis für die SPD zwischen den beiden Wahlebenen

erklären? Warum wurde die BundesSPD vom Wähler so stark abgestraft? Aus der Analyse der Vorwahlerhebungen und der Wahltagsbefragungen lassen sich sechs Gründe dafür anführen, warum sich die Brandenburgische SPD vom Stimmungstief ihrer Partei abkoppeln und sich gegen diesen Trend behaupten konnte. 1. Positive Leistungsbilanz Die dramatischen Stimmenverluste der SPD auf Bundesebene hatten sich schon länger abgezeichnet, ihre Ursachen sind vielfältiger Art. Während einer längeren Regierungszeit zeigen sich zwangsläufig Verschleißerschei-

Ergebnis von Landtags- und Bundestagswahlen 2009 in Brandenburg

33,0 27,2

Land Bund

28,5

25,1

23,6 19,8

9,3 7,2

SPD

Linke

CDU

FDP

5,7

6,1

B90/ Grüne

Quelle: Landeswahlleiter, in % der Zweitstimmen

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nungen, Regierungshandeln bringt immer auch die Notwendigkeit von Entscheidungen und Kompromissen mit sich, die der eigenen Wählerklientel missfallen. Bei der SPD-Wählerschaft ging die Enttäuschung aber über das normale Maß hinaus, da sie ihre zentralen Erwartungen nach der Verbesserung der eigenen Lebenssituation, der Teilhabe am gesellschaftlichen Wohlstand und nach Sicherheit der eigenen Zukunft und der der Kinder in den elf Jahren SPD-Regierung als nicht erfüllt betrachten. In den neuen Bundesländern kam die Enttäuschung über die nach wie vor nicht stattgefundene Angleichung der Wirtschafts- und Lebensbedingungen hinzu. Diese Einschätzung teilten auch die Brandenburger Wähler und straften die Bundes-SPD ab. Auf Landesebene nahmen sie eine andere Perspektive ein: Im Fokus ihrer Wahrnehmung der SPD standen die Aufbauleistungen der Partei für das Land in den letzten 20 Jahren seit der Wende. Sie waren mehrheitlich der Meinung, dass die SPD richtige Entwicklungen eingeleitet und das Land voran gebracht hat – und honorierten dies mit ihrem Votum. 2. Soziale Gerechtigkeit Die Bundes-SPD hatte zudem in ihrer primären Kernkompetenz, dem Einsatz für soziale Gerechtigkeit einen großen Profilverlust zu beklagen. Ein Großteil

der Wähler verübelte der SPD, dass gerade unter ihrer Regierung die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander ging und die Mitte – der sich die meisten Wähler zuordneten – immer stärker in Gefahr geriet. Sie hatten das Gefühl, dass sozialdemokratische Regierungsbeschlüsse, wie Hartz IV oder die Rente mit 67 nicht ausreichend sozial austariert waren. Spätestens seit ihrem Einsatz für den Erhalt von Opel stand die SPD unter dem Generalverdacht, in der Krise vor allem Generationengerechtigkeit, aber auch Verteilungsgerechtigkeit zu vernachlässigen. Die Zweifel waren groß, ob die SPD noch für alte Gewissheiten stand. Auch herrschte Unklarheit über die Adressaten ihrer Politik. In der Konsequenz verlor die SPD den größten Strom an das Nichtwählerlager, aber auch enttäuschte links orientierte Wähler an die Linkspartei und an die Grünen. Die Brandenburger SPD konnte sich zwar von den Zweifeln an der Ausrichtung ihrer Politik am sozialdemokratischen Grundprinzip der sozialen Gerechtigkeit nicht völlig abkoppeln, ihr gelang es aber, deutlich mehr Wähler von ihrer sozialen Kompetenz zu überzeugen als dies 2004 der Fall war, als Hartz-IV die Gemüter der Wähler sehr erhitzte. Damit konnte sie auch die Kompetenzführerschaft der Linken in diesem Feld beenden und sie wieder auf Platz zwei verweisen. perspektive21

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3. Wirtschaftskompetenz In den Anfängen der Wirtschafts- und Finanzkrise rückten zunächst Verteilungs- und Gerechtigkeitsfragen in den Vordergrund, doch im weiteren Verlauf der Krise änderte sich das Bild. Ökonomische Fragen und die Erwartung an ökonomische Kompetenz dominierten nun die Agenda. Zwar lag die Bundes-SPD auch 2005 bei der Kompetenzzuschreibung in ökonomischen Fragen hinter der Union, doch hatte sich jetzt der Rückstand zur Union noch vergrößert, bei einer gleichzeitig stärkeren Relevanz ökonomischer Gesichtspunkte für die Wahlentscheidung. Auch bei der Zuschreibung der generellen Gestaltungskompetenz punktete die Union deutlich vor der

SPD. Als Folge wendeten sich viele eher zur Mitte neigende enttäuschte SPD-Wähler bei der Wahl zum Bundestag der CDU bzw. FDP zu. Anders in Brandenburg, wo die Wähler – wiederum völlig gegen den aktuellen Bundes-Trend – der LandesSPD auch in ökonomischer Hinsicht mehr Kompetenz zuwiesen als jeder anderen Partei. Die Ausnahmestellung der Brandenburger SPD wurde zusätzlich dadurch unterstrichen, dass ihr auch die höchste Arbeitsmarkt- und generelle Gestaltungskompetenz zugeschrieben wurde. 4. Parteiübergreifende Beliebtheit Ein weiteres Manko der Bundes-SPD bei dieser Bundestagswahl waren feh-

Parteikompetenzen: Wirtschaft voranbringen SPD CDU 37 (+13) Brandenburg

31 (-5)

21 (-8) Deutschland

47 (-4)

Quelle: Infratest; Angaben in %, Vergleich zu 2004/2005

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lende personelle Identifikationsangebote. Der rasche Verschleiß an Vorsitzenden ging nicht spurlos an der SPD vorbei, die aufgrund der strukturellen Zusammensetzung ihrer Wählerschaft stärker als andere Parteien über ihre Spitze – als Übersetzer der Politik – wahrgenommen wird. Mit jedem neuen Vorsitzenden ging ein Verlust an Profil und an Wählervertrauen einher. Frank-Walter Steinmeier hatte trotz seiner hohen Akzeptanz in der Bevölkerung als Außenminister nicht ausreichend Zeit, sich als Spitzenkandidat zu profilieren und die Herzen der Wähler, vor allem der Frauen und der Ostdeutschen zu gewinnen. Umgekehrt konnte Angela Merkel diese, früher neuralgischen, Zielgruppen für die Union erschließen. In Brandenburg dagegen herrschte seit 2002 mit Ministerpräsident Matthias Platzeck personelle Kontinuität. Die SPD stellt hier einen Regierungschef mit einem ungewöhnlich starken Amtsbonus, mit dessen politischer Arbeit die überwältigende Mehrheit der Wähler zufrieden war. Die hohe Wertschätzung des Ministerpräsidenten erstreckte sich sowohl auf Matthias Platzeck als Person, die als glaubwürdig galt und der viel Sympathie entgegengebracht wurde, als auch auf den Politiker Matthias Platzeck mit seiner Führungsstärke und wirtschaftlichen Kompetenz.

5. Gutes Erscheinungsbild Parteien werden aber nicht nur wegen ihrer Kompetenzen und ihres politischen Personals gewählt, auch das Erscheinungsbild einer Partei spielt bei der Wahlentscheidung eine bedeutsame Rolle. Bei der Bundes-SPD lag hier vieles im Argen. Der häufige Wechsel an der Parteispitze hinterließ ein Bild mangelnder Geschlossenheit der Partei. Der SPD fehlte es an Linienführung und Erkennbarkeit, es gab keine Klarheit über Kernziele und Grundorientierungen. Sie verweigerte sich den elementaren Bedürfnissen der Wähler nach Diskussionen und Begründungen ihrer Politik, vor allem dort, wo sie – wie bei Hartz IV – nach Ansicht vieler Wähler gegen bislang hochgehaltene Prinzipien verstoßen hatte. Durch die Mehrwertsteuererhöhung nach der Bundestagswahl 2005 trotz vorheriger Anprangerung dieses Vorhabens als „Merkelsteuer“ sowie zuletzt auch durch das vermeintliche Versprechen in ihrem Deutschlandplan, 4 Millionen Arbeitsplätze zu schaffen, war ihre Glaubwürdigkeit zusätzlich beschädigt worden. Viele SPD-Wähler vermissten bei ihrer Partei die ihnen so wichtige Bürgernähe. Sie hatten den Eindruck, die SPD kenne ihre Lebenswirklichkeit nicht mehr. Anders in Brandenburg. In den letzten beiden Legislaturperioden hatte die SPD daran gearbeitet, ihre perspektive21

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Politik dem Wähler besser zu erklären und hatte als Konsequenz die Abgabe von Zwischenbilanzen eingeführt. Zugute kam ihr hier auch die große Popularität ihres Ministerpräsidenten, der durch seine Glaubwürdigkeit und Bürgernähe Distanzen abzubauen vermag. Aber dennoch besteht auch hier für die Brandenburgische SPD Handlungsbedarf: vier von zehn Bürgern sind der Meinung, die brandenburgische SPD habe die Bodenhaftung verloren. 6. Realistische Machtoptionen Der Machtanspruch der Bundes-SPD scheiterte nicht zuletzt auch daran, dass sie keine Machtoptionen zu bieten hatte, hinter der sich eine Mehrheit der Wähler versammelte. Ihrem propagierten Wunschmodell einer Ampelkoalition wurde kurz vor der Wahl durch die dezidierte Ablehnung eines solchen Bündnisses durch Guido Westerwelle eine Absage erteilt. Zudem stieß dieses Bündnis zu keiner Zeit auf mehrheitliche Zustimmung bei den Anhängern der drei potenziellen Koalitionspartner. Ein Zusammengehen mit der Linken hätte große Teile der eigenen Klientel irritiert. Die Wunschkoalition ihrer Wählerschaft, die Große Koalition, wollte man nicht offensiv bewerben, wäre man doch von vornherein als Juniorpartner in die Wahl gegangen. Anders war es wiederum in Brandenburg. Hier hatte die SPD eine 20

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klare Machtperspektive, sie konnte sowohl mit der CDU – wie gehabt – die neue Regierung bilden, als auch mit der Linken ein neues Bündnis eingehen. Und ganz gleich, für welche Koalition sie sich entscheiden würde, sie konnte von einer hohen Akzeptanz bei der Mehrheit der Anhänger des potenziellen Bündnispartners ausgehen. Die eigene Anhängerschaft war ambivalent, eine knappe Mehrheit setzte auf die vertraute rot-schwarzen Koalition, vier von zehn sahen in einer rotroten Regierung die besten Chancen für das Land. Die Brandenburger SPD hatte sich also eine Art „Parallelwelt“ schaffen können, in der die negativen Entwicklungen der Bundes-SPD nicht in der Heftigkeit durchschlagen konnten. Nach der Wahl geht die SPD in Brandenburg wieder Wege, die für die Bundespartei mittelfristig richtungsweisend sein könnten. Sie hat sich gegen die CDU und für die Linke als Koalitionspartner entschieden. Auch die Ressortverteilung ist für eine rotrote Koalition ungewöhnlich: Arbeit und Soziales, Bildung und Wissenschaft, Forschung sowie das Innenressort für die SPD, Wirtschaft, Finanzen, Justiz und Umwelt für die Linke, verbunden mit einer stärkeren Einbindung in die Haushaltsdisziplin. Der Start der SPD-Linke-Koalition stand vor ganz anderen Problemen. Ihre Anlaufschwierigkeiten lagen we-


rita müller-hilmer – brandenburger parallelwelten

niger an politischen Differenzen als an der verschwiegenen Stasi-Vergangenheit, die manchen Abgeordneten der Linken einholte. Die Brandenburger SPD hat auch ihr Erscheinungsbild modernisiert, indem sie zwei junge Frauen mit wichtigen Ressorts betraute. Und sie betreibt eine offene Kom-

munikation mit dem Bürger, indem sie klar Ziele benennt, die sie in der neuen Legislative umsetzen will und an deren Erreichen sie sich messen lassen will. Von dem Gelingen dieser Vorhaben wird nicht zuletzt abhängen, über welche Machtoptionen die Bundes-SPD künftig verfügen wird. ■

RITA MÜLLER-HILMER leitet den Bereich Politikforschung bei TNS Infratest Sozialforschung. perspektive21

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Auf der Höhe der Zeit WIE DIE BRANDENBURGER SPD DIE LANDTAGSWAHL GEWANN VON THOMAS KRALINSKI

m 27. September 2009 hat die SPD die Bundestagswahlen verloren. Doch während die SPD bundesweit um 11 Prozent einbrach, gewann sie (trotzdem) am selben Tag die Landtagswahlen in Brandenburg. Dort legte die SPD sogar gut ein Prozent zu und kam am Ende auf 33 Prozent – 10 Prozent mehr als bei der Bundestagswahl. Eine größere Dehnung eines Wahlergebnisses an ein und demselben Tag ist wahrscheinlich kaum möglich. Nun kann man sich nach gewonnener Wahl immer gut hinstellen und behaupten, alles richtig gemacht zu haben. Wer tief in der Kampagne verankert ist, weiß nur zu gut, dass dem selbstredend nicht so ist. Gelungen ist gleichwohl eine ganze Menge. Und das sind wahrlich keine Geheimnisse – die zehn wichtigsten Erfolgsfaktoren seien deshalb hier kurz beschrieben.

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NACH DER WAHL IST VOR DER WAHL.

1 Die Landtagswahl von 2004 war

für die Brandenburger SPD ein einschneidendes Erlebnis. Noch drei Wochen vor der Wahl lag die Partei 9 Prozent hinter der PDS, am Wahl-

tag dann 4 Prozent vor den PostKommunisten. Vorangegangen war dem ein beispielloser Kraftakt. Auf dem Höhepunkt der Proteste gegen Hartz IV und die Agenda 2010 zog Matthias Platzeck über die Marktplätze, verteidigte die Bundesregierung und warb um Vertrauen. Am Ende gewann er die Wahl. Und trotzdem – oder gerade deshalb – änderte sich manches in der Politik der Brandenburger SPD. Die Sozialdemokraten haben kontinuierlich auf wissenschaftliche Begleitung und Beratung gesetzt, sei es durch Meinungsforscher, durch Politik- und Sozialwissenschaftler oder Unternehmer. Ein wichtiges Element war dabei auch die Zeitschrift Perspektive 21. Die Zeitschrift ist Brandenburgs zentrales politisches Debattenmagazin, in dem unterschiedliche Autoren – von Günter Jauch und Juli Zeh bis Wolfgang Schroeder und Hans Joachim Schellnhuber – in die politische Debatte eingreifen. Mit der Perspektive 21 erreicht die SPD wichtige Multiplikatoren im Umfeld der SPD, in Wissenschaft, Medien und Politik. Das Magazin dürfte bundesweit einzigartig für eine Landespartei sein. perspektive21

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thema – gemeinsinn und erneuerung

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MIT DEM GESICHT ZU DEN MEN-

SCHEN. Der Wahlkampf von 2004 hatte den bis dato erfolgsverwöhnten Sozialdemokraten die große Lücke verdeutlicht, die breite Bevölkerungsschichten zur Politik empfinden. Die Landtagsfraktion stellte ihr Konzept der Politikvermittlung unter den Slogan „Mit dem Gesicht zu den Menschen“ – dazu gehörten zahlreiche Veranstaltungsreihen, ungezählte Wahlkreisbereisungen und Infomaterialien, die streng auf die Interessen der Bürger ausgerichtet waren. Einbezogen waren alle: vom einfachen Landtagsabgeordneten über den Fraktionsvorsitzenden bis hin zu allen Ministern. Kein Volksfest war vor Sozialdemokraten sicher, keine Zuschrift blieb unbeantwortet. Dabei ließ sich auch eine einfache Erfahrung machen: Die Leute vertragen unangenehme Wahrheiten: Sagen und erklären, was geht, aber auch sagen und erklären, was nicht geht – mit diesem Konzept machte die SPD fünf Jahre lang erfolgreich Politik.

Die SPD in Ostdeutschland ist die Partei der Mitte, rechts von ihr sitzt die CDU, links von ihr ackert die Linkspartei. Diese Position erfordert einiges Geschick, um das Beste aus ihr zu machen und nicht zerrieben zu werden. Das geht nur mit einem überzeugenden Konzept und entsprechendem

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DIE PARTEI DER MITTE.

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Selbstbewusstsein. Zum Erfolgsrezept der Brandenburger SPD gehört, dass sie ihre Mitte-Position nie aufgegeben hat, dass bei ihr in Stil und Inhalt soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Vernunft immer Hand in Hand gegangen sind. Beide Komponenten bedingen einander, beides gehört zusammen. Gerhard Schröder hatte dies 1998 auf die schöne Formel von „Innovation und Gerechtigkeit“ gebracht – kürzer kann man das Brandenburger sozialdemokratische Politikkonzept kaum zusammenfassen. VERSPROCHEN & GEHALTEN.

Die

4 Grundlage für einen Wahlerfolg 2009 wurde in den vergangenen fünf Jahren gelegt. Priorität hatte die Erfüllung des Wahlprogramms – und das Reden darüber. In Gruppendiskussionen fordern die Bürger immer wieder Bilanzen und Zwischenergebnisse ein. Die sollten sie bekommen: Immer wieder berichtete die SPD darüber, was bisher geschafft wurde, ob und wieweit der Koalitionsvertrag und das Wahlprogramm abgearbeitet ist. Nach dem Prinzip „Versprochen & gehalten“ wurden die Ergebnisse der Regierungspolitik erläutert und das Regierungshandeln sozialdemokratisch aufgeladen. Am Ende stand eine beeindruckende Zahl: Etwa 90 Prozent (!) der Vorhaben aus dem Wahlprogramm (nicht der Koalitionsvereinbarung) waren am Ende der Wahlperiode abgearbeitet –


thomas kralinski – auf der höhe der zeit

ein wichtiger Baustein für neue Glaubwürdigkeit, vor allem aber für neue Kompetenz. Denn diese war 2004 für die SPD kaum noch vorhanden. Das sah im Herbst 2009 anders aus. Auf allen wichtigen Politikfeldern, von der Bildung über Arbeitsmarkt und Wirtschaft bis zu sozialer Gerechtigkeit wurde die Brandenburger SPD als die kompetenteste Partei angesehen. IT’S THE EHRENAMT, STUPID.

Wenn

5 alle Parteien zusammen gerade mal ein Prozent der Wählerschaft repräsentieren, ist es an der Zeit, neue Kommunikationswege zu suchen – damit Demokratie nicht austrocknet. Eine zunehmend wichtigere Rolle für den Zusammenhalt in der Gesellschaft spielt deshalb das ehrenamtliche Engagement jenseits von Parteien – sei es im Sport, in der Feuerwehr, in Bürgerinitiativen, Heimatvereinen oder sozialen Netzwerken. In der Staatskanzlei wurde eine Koordinierungsstelle für ehrenamtliches Engagement aufgebaut mit der der Draht von der Landespolitik in die Mitte der Gesellschaft strategisch verstärkt, eine Kultur der Anerkennung und des Engagements aufgebaut wurde. Ziel ist es, eine neue politische Kultur im Land zu etablieren – bei der die Sache des Landes die Sache aller wird. Dass dies gelingen kann, zeigen die gestiegenen Wahlbeteiligungen zu den Landtags-, Europa- und Kommunalwahlen. Auch die SPD hat in ihrer po-

litischen Kommunikation stärker als je zuvor auf Ehrenamtler gesetzt. Wichtigster Ausdruck war die Sommertour ihres Spitzenkandidaten Matthias Platzeck. Mit einem Zelt zog er durch 18 Brandenburger Orte, eingeladen waren je 150 bis 200 Gäste aus Vereinen, Initiativen, von Unternehmen oder sozialen Einrichtungen. Diese Abende wurden so zu Kommunikationstreffpunkten der Engagierten in der Region – und ein wichtiger Baustein in der Wahlkampfstrategie der SPD.

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DIE SOZIALDEMOKRATISCHE ERZÄH-

Jeder erfahrener Wahlkämpfer weiß: Programme liest eh keiner. Doch das muss nicht unbedingt so sein. Deshalb hatten die Wahlkämpfer von Anfang an das Ziel, das „Regierungsprogramm“ so stringent, kurz und knapp wie möglich zu halten. Vor allem aber sollte es darstellen, was unter sozialdemokratischer Führung geschafft wurde und welche neuen Fragen auf der Agenda standen. In klarer und verständlicher Sprache wurde eine „sozialdemokratische Erzählung“ entwickelt, die sozialdemokratische Antworten auf der Höhe der Zeit gibt. Neben der wirtschaftlichen Modernisierung beschreibt das Wahlprogramm neue Aufstiegschancen – mittels Schüler-Bafög, kleineren Gruppen in der Kita, neuen Lehrern, ohne Studiengebühren oder einem Mindestlohn- und LUNG.

perspektive21

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thema – gemeinsinn und erneuerung

Vergabegesetz. Mit dem Programm sollten wichtige Wählergruppen angesprochen werden und der sozialdemokratischen Kernanhängerschaft vermittelt werden, wie soziale Gerechtigkeit und Fortschritt im 21. Jahrhundert aussehen kann. Dass dies gut gelungen zu sein scheint, zeigen die Zuwächse bei jüngeren und „mittelalten“ Wählern sowie die stabile Unterstützung der SPD durch die Frauen.

kratischen Kernvorhaben konzentriert. „Viel geschafft, noch viel zu tun“ – war die Grundhaltung, mit der die SPD im Land auftrat. Am Ende erhielt die SPD in Brandenburg bei der Landtagswahl 33 Prozent und bei der Bundestagswahl 25 Prozent – eine größere Spreizung hat es in der bundesdeutschen Wahlgeschichte bei Wahlen am selben Tag noch nicht gegeben. DER BRANDENBURGER.

Für jeden Wahlkampf gilt: Wer gewinnen will, muss gewinnen wollen. Und dazu braucht er eine klare Botschaft und eine eindeutige Strategie, entwickelt durch ein gut vernetztes strategisches Zentrum. Nun fanden 2009 auch die Bundestagswahlen statt – die für eine politische Grundaufmerksamkeit sorgten während gleichzeitig jedoch bundespolitische Themen und Auseinandersetzungen dominerten. Für die Brandenburger SPD kam es – auch und gerade angesichts der schwächelnden Bundespartei – darauf an, eine zentrale Botschaft unters Volk zu bringen: „Es geht um Brandenburg.“ Dass damit die Entscheidung über den Brandenburger Ministerpräsidenten verbunden ist, war dann fast nur noch eine Formsache. Deshalb hat sich die Brandenburger SPD bundespolitischer Debatten weitgehend entzogen – und sich voll auf die gute Leistungsbilanz der Landesregierung und ihre sozialdemo-

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EINE KLARE BOTSCHAFT.

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Eine Wahl

8 ist immer einfacher mit einem

populären Spitzenkandidaten zu gewinnen, keine Frage. Deshalb war der kognitive Sprung von „Es geht um Brandenburg“ zu „Es geht um Matthias Platzeck“ auch nicht so schwer. Umfragen zeigten immer wieder die überragende Popularität und Kompetenz des Ministerpräsidenten – zwischen 70 und 80 Prozent der Brandenburger schätzen Matthias Platzeck als guten Ministerpräsidenten ein. Deshalb stand er in der Schlussphase auch im Zentrum der Wahlkampagne. Wohl einmalig in der Geschichte deutscher Wahlkämpfe dürfte gewesen sein, dass die Spitzenkandidatinnen von CDU und Linkspartei alles taten, um den Eindruck zu vermitteln, sie wollten gerade nicht Ministerpräsidentin werden (und so war Platzeck auch der einzige Brandenburger Spitzenkandidat, der mit einer Kundgebungstour über die Marktplätze des Landes zog und stets zwischen 300 und 2.000 Men-


thomas kralinski – auf der höhe der zeit

schen anzog). Das hohe Ansehen – und zwar über alle Parteigrenzen hinweg –, dass Platzeck genoss, machte ihn als „der Brandenburger“ nahezu unangreifbar. Und dennoch: Am Wahlabend gaben deutlich weniger Wähler als 2004 an, die SPD vor allem wegen ihres Spitzenkandidaten gewählt zu haben. So entstand eine glaubwürdige Mischung aus Persönlichkeits- und Kompetenzwahl, die ein gutes Fundament für die Arbeit in den kommenden Jahren ist. ZUKUNFT BRAUCHT HERKUNFT.

9 2009 markiert das 20. Jahr nach der friedlichen Revolution in der DDR. Dieser Jahrestag zog sich durch fast das ganze (Wahl-)Jahr. Bis zum Ende des Solidarpaktes 2019 sind jetzt zwei Drittel der Wegstrecke zurückgelegt, die Nachwendezeit ist definitiv vorbei, das dritte (und letzte) Jahrzehnt der besonderen Unterstützung der neuen durch die alten Länder beginnt. Zum ersten Mal wählten Brandenburger, die erst nach der friedlichen Revolution zur Welt gekommen sind, ihre Regierung. All das mögen Gründe sein, warum das Interesse an Aufarbeitung, Erinnerung und Selbstvergewisserung in Ostdeutschland so groß waren und sind. In diese Stimmung hinein schrieb Matthias Platzeck sein Buch „Zukunft braucht Herkunft“. Es wurde zur Folie für eine Debatte über den Aufbau Ost, die bisher viel zu sehr durch westdeut-

sche Blickwinkel geführt wurde (und wird). Seine Grundthese: Lasst uns nicht so sehr über 40 Jahre DDR sondern vor allem über die 20 Aufbaujahre nach 1989 reden – einer Zeit, in der in Ostdeutschland eine moderne Region in der Mitte Europas entstand, auf die es sich lohnt, stolz zu sein. Mit diesem gesunden ostdeutschen Selbstbewusstsein – nach innen und außen – traf Platzeck genau die Stimmung, die viele Ostdeutsche bewegt. Und in dieser Tonlage – stolz, aber noch nicht zufrieden – gestaltete Platzeck auch seine Wahlkampagne und unterstrich damit seine Stellung als gesamtdeutscher Politiker mit ostdeutscher Herkunft. EINE SPD.

Wenn es ein Geheim-

10 nis des Erfolgs der Brandenbur-

ger SPD geben sollte, dann ist es ihre große Geschlossenheit. Tief verinnerlicht haben die Genossen, dass es nach außen immer nur eine SPD geben kann. Dass die Leute „draußen im Land“ kein Interesse an innerparteilichen Gruppen und Grüppchen haben, sondern dass sie vor allem gut und konstant regiert werden wollen – und zwar von einer Partei, die sich einig ist und nicht mit hängenden Schultern durchs Land läuft. Wähler mögen sich zwischen den Wahltagen nicht sonderlich für Politik interessieren, doch sie haben ein feines Gespür dafür, ob sich Parteien hauptsächlich um sich selbst perspektive21

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thema – gemeinsinn und erneuerung

kümmern (wie beispielsweise die Brandenburger CDU, die auch prompt ein entsprechendes Wahlergebnis bekam) oder an ehrlichen Lösungen für die Probleme des Landes arbeiten. Geholfen haben mag dabei, dass die Brandenburger SPD quasi seit ihrer Geburtsstunde 1990 regiert und sich nie von ihrer eigenen Regierungspolitik distanziert hat. Deshalb hat die Brandenburger SPD 2004 die Arbeitsmarktreformen der Bundesregierung verteidigt und auch 2009 loyal den Kurs der Bundespartei mitgetragen. Nur so war eine Kommunikation ohne Friktionen möglich. Dies mag bisweilen ein schwerer Gang sein, bietet dafür aber die Voraussetzung für ein hohes Maß an Vertrauenswürdigkeit bei den Wählerinnen und Wählern.

EIN NACHTRAG: VOR DIE WAHL GESTELLT.

Das Ergebnis der Brandenburger Landtagswahl bestätigte die SPD als die prägende Partei des Landes. Die Sondierungs- und Koalitionsverhandlungen führten zu einem Bündnis mit der Linkspartei, das sich nun vor großen Herausforderungen sieht. Die neue Regierung hat sich vorgenommen, mehr Lebenschancen für mehr Brandenburger zu schaffen, die wirtschaftliche Erneuerung fortzusetzen, den Landeshaushalt zu konsolidieren und – ohne Schlussstriche – die Debatte um die DDR-Vergangenheit für die Zukunft nutzbar zu machen. Dabei hat Willy Brandts Satz uneingeschränkt Gültigkeit: „Nichts kommt von selbst und nur wenig ist von Dauer“. Der Kampf um den Wahlsieg 2014 beginnt heute. ■

THOMAS KRALINSKI

ist Geschäftsführer der Brandenburger SPD-Landtagsfraktion und Chefredakteur der Zeitschrift Perspektive 21. 28

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klara geywitz – warum rot-rot?

Warum rot-rot? NACH DER LANDTAGSWAHL MUSSTE DIE SPD EINE IHRER WICHTIGSTEN ENTSCHEIDUNGEN TREFFEN VON KLARA GEYWITZ

ach elf Jahren Regierungsverantwortung im Bund haben die Wähler die SPD auf die Oppositionsbank geschickt. Das Ergebnis in der „BRD alt“ lässt sich vielleicht noch mit der Hoffnung der Mittelschicht interpretieren, dass eine schwarz-gelbe Regierung wirtschaftsnäher durch die Krisenzeiten steuert. In Ostdeutschland wählten die Bürgerinnen und Bürger zu großen Teilen „sozial“ und „gerecht“, doch machten sie dafür ihr Kreuz lieber bei der Linkspartei als bei der SPD. In Brandenburg lag die Linke bei der Bundestagswahl mit 28,5 Prozent (+1,9) vor der SPD mit 25,1 Prozent (-10,7). Und das, obwohl der Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier auch Spitzenkandidat in Brandenburg war. Hinzu kam der Verlust einer ganzen Reihe von Direktmandaten, auch von prominenten Abgeordneten wie Steffen Reiche und Markus Meckel. In Ostbrandenburg gingen alle Direktmandate an die Linkspartei. Hatte Jörg Vogelsänger aus Oder-Spree seinen Wahlkreis 2005 noch gegen den prominenten und beliebten Lothar Bisky verteidigt, verlor

N

er 2009 gegen Thomas Nord, einen eher unbekannten Linksparteifunktionär. In Mecklenburg-Vorpommern bekam die Linke 29 Prozent (+5), die SPD 16,6 Prozent (-15,2), in SachsenAnhalt lag die Linkspartei bei 32,4 Prozent (+5), die SPD halbierte sich nahezu auf 16,9 Prozent (-15,9), in Thüringen erreicht die Linkspartei 28,8 Prozent (+2,7) und die SPD 17,6 Prozent (-12,2) und auch in Sachsen überholte die Linkspartei mit 24,5 Prozent (+1,7) die Sozialdemokratie, welche nur noch 14,9 Prozent (-9,9) aller Wähler auf sich vereinen konnte. Kampfansage an die SPD Die Ostdeutschen haben der SPD eine Abfuhr erteilt. Sehr viele sind zur Linkspartei gewechselt, nicht jedoch zu den Konservativen. Für die SPD erwächst daraus eine klare Botschaft: Das Ergebnis der Linkspartei in Ostdeutschland ist eine Kampfansage an die Sozialdemokraten. Viele taten die Wähler der PDS in den Nachwendejahren noch als Mischung aus SEDAltkadern, DDR-Nostalgikern und perspektive21

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thema – gemeinsinn und erneuerung

Modernisierungsverlierern ab. Am 27. September 2009 jedoch lag diese Partei in allen fünf ostdeutschen Bundesländern teils deutlich vor der SPD. Damit ist der Kampf um die kulturelle Hegemonie im linken Lager eröffnet. Bei wem werden die solidarisch eingestellten Ostdeutschen, und davon gibt es sehr viele, in Zukunft ihr Kreuz machen? Wird die Ost-SPD wieder stärkste Partei? Oder wird sie jenseits von Brandenburg gefangen sein in der Juniorpartnerschaft einer großen Koalition und höchstens vor die alternative Zumutung gestellt, einen Ministerpräsidenten der Linkspartei zu stützen? Die nächsten Jahre werden die Antwort bringen. Die SPD im Bund kann und muss in der Opposition, frei von den Zwängen der Regierungsverantwortung, ihre Konzepte schärfen. Die Linkspartei muss, befreit von dem obersten Populisten Lafontaine, zeigen, wie man Realpolitiker aus Ostdeutschland mit westdeutschen Salonkommunisten und Radikalverwirrten zu einer Partei formt. Ausgang offen, sowohl bei der SPD wie auch bei der Linkspartei. Ein erfreuliches Ergebnis Das Desaster der Bundestagswahl ist für die Strategie der märkischen Sozialdemokratie nicht ohne Rückwirkung geblieben. Auch bei der Landtagswahl in Brandenburg am selben Tag rangen 30

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SPD und Linkspartei um die politische Vorherrschaft. Für die SPD mit einem erfreulichen Ergebnis. Hatte die märkische SPD beim Bundestagswahlergebnis einen ähnlichen Tiefschlag wie überall in Deutschland zu verschmerzen, waren die Zahlen bei der Landtagswahl ein Pflaster auf die geschundene Parteiseele. Die SPD blieb mit 33,0 Prozent (+1,1) stärkste Kraft, deutlich vor der Linken mit 27,2 Prozent, die im Gegensatz zum Bundestrend 0,8 Prozentpunkte verlor. Die CDU steckt weiter fest im 20 Prozent-Loch, wenn auch um 0,4 Punkte leicht verbessert auf 19,8 Prozent. Für mehr Abwechslung im Landtag wollen FDP und Grüne sorgen, die beide über die fünf Prozent sprangen. Zur Freude aller Demokraten kehrte die DVU nicht mehr in den Landtag zurück. Und die NPD, die vollmundig den Lückenschluss zwischen MecklenburgVorpommern und Sachsen ausgerufen hatte, wurde vom aktiven Widerstand in Brandenburg und einer sehr wachen Bürgerschaft erfolgreich zurückgedrängt. Das Wahlergebnis zeigt nicht nur, dass brandenburgische Wähler die Rechten ablehnen, es belegt auch, wie deutlich sie bei Wahlen am selben Tag zwischen unterschiedlichen Ebenen zu unterscheiden wissen. Die märkische Sozialdemokratie kann erleichtert feststellen: Lange Regierungsverantwortung schreckt die Wählerinnen und Wähler nicht auto-


klara geywitz – warum rot-rot?

matisch ab. Auch nach 20 Jahren mit einem SPD-Ministerpräsidenten macht der Märker gerne sein Kreuz bei den heimischen Sozialdemokraten. Dies liegt natürlich zu einem hohen Maße an der Beliebtheit des Spitzenkandidaten Matthias Platzeck, der Umfragen zufolge 91 Prozent der Brandenburger sympathisch ist. Bei der Direktwahlfrage kurz vor der Wahl lag er mit 69 Prozent meilenweit vor seiner CDU-Gegenkandidatin Johanna Wanka, die nur 14 Prozent der Brandenburger direkt zur Ministerpräsidentin gewählt hätten. Zentrale Ziele der SPD Doch zum Spitzenkandidaten gesellte sich die Kompetenz. Die Wähler trauen ganz überwiegend der SPD zu, die wichtigen Probleme des Landes zu lösen (47 Prozent setzen hier auf die SPD, 20 Prozent auf die CDU, 13 Prozent auf die Linkspartei.). Diese Kompetenzführerschaft erstreckt sich in Brandenburg über ein weites Themenspektrum von der Familien- und Bildungspolitik über soziale Gerechtigkeit bis zur Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. Nur bei der Inneren Sicherheit hatte die CDU in Vorwahlumfragen eine höhere Kompetenzvermutung. Das Wahlergebnis bei den Landtagswahlen brachte der SPD den klaren Auftrag, eine Regierung zu bilden. Nur welche? Vor der Wahl hatte die SPD gesagt, dass sie nach der Wahl mit

allen demokratischen Parteien sprechen würde. Das Wahlergebnis eröffnete für die Regierungsbildung zwei Konstellationen – Rot-Rot oder weiter mit der CDU. Die SPD hatte sich zentrale Ziele gesetzt, die im Koalitionsvertrag verankert werden sollten. Dazu gehörten die Einführung eines Vergabegesetzes mit Mindestlohn, die Schaffung eines landesweiten Schüler-BaföGs und ein Ja zur weiteren Nutzung der heimischen Braunkohle in der Lausitz einschließlich der Umsetzung der CO2-armen CCS-Technologie. Neben diesen politischen Forderungen hatten sich beide möglichen Koalitionspartner zur Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung zu bekennen. Sinkende Zuschüsse aus Europa und dem Bund sowie die schrumpfende Bevölkerungszahl führen automatisch zu einem schrumpfenden Haushaltsvolumen, das selbst von einem Boom der märkischen Wirtschaft nicht ausgeglichen werden könnte. Die Entscheidung Die Sondierungsgespräche, an denen für die SPD der Landesvorsitzende Matthias Platzeck und seine beiden Stellvertreterinnen, der Generalsekretär, der damalige Finanzminister und der damalige Fraktionsvorsitzende teilnahmen, gingen schnell voran. Sowohl die CDU als auch die Linkspartei wollten eine Regierung mit der SPD bilperspektive21

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thema – gemeinsinn und erneuerung

den. In den Verhandlungen konnte die SPD sich mit beiden möglichen Partnern auf ihre wichtigsten Anliegen verständigen. Die SPD hatte eine echte Wahl – oder vielmehr: Sie musste sich entscheiden. Die Diskussionslage in der SPD Was tun? Weder in der brandenburgischen SPD noch in der kleinen Sondierungsgruppe gab es einen Koalitionspartner des Herzens. Da erging es der märkischen Sozialdemokratie wie den Wählern im Land, von denen 41 Prozent für Rot-Rot und 50 Prozent für eine Koalition mit der CDU plädierten. Nach dem Gesetz der Gewohnheit hatten sicher viele erwartet, dass die SPD weiter tun würde, was in den letzten zehn Jahren nicht schlecht funktioniert hatte: mit der CDU weiter zu regieren. Doch Gewohnheit ist selten ein guter politischer Ratgeber. Die SPD stand vor einer wirklich schwierigen Entscheidung – nicht zum ersten Mal seit der Wende. 1990 hatte die SPD mit Bürgerrechtlern, Grünen und Liberalen eine bunte Ampel-Mehrheit geschaffen. 1994, mit der absoluten Mehrheit im Rücken, war kein Koalitionspartner notwendig. Aber schon 1999 steckte die SPD in einer ähnlich aufwühlenden Debatte wie zehn Jahre darauf. Regine Hildebrandt warb intensiv für eine Koalition mit der damaligen PDS, Manfred Stolpe und übri32

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gens auch Matthias Platzeck waren dagegen. Platzeck fand es 1999 noch zu früh, die Postkommunisten an die Macht zu holen. Die Partei folgte nach heftiger Debatte ihrem Ministerpräsidenten Stolpe in eine Koalition mit dem alten Herren der brandenburgischen CDU, Jörg Schönbohm. Regine Hildebrandt verabschiedete sich aus dem Kabinett. Fünf Jahre später gestaltete sich die Koalitionsdebatte kurz und schmerzlos. Die PDS hatte in einem üblen Hartz-IV-Wahlkampf das Klima zur SPD gründlich vergiftet. Matthias Platzeck hatte seinen ersten Wahlsieg eingefahren, der alte General war deutlich gestutzt. Stabil und verlässlich Was würde die SPD jedoch 2009 machen? Die SPD stand vor einer Entscheidung, die, wie man parallel in Thüringen sehen konnte, eine Partei schnell in schweres Fahrwasser bringen konnte. Daher beschloss die Führung der märkischen Sozialdemokratie, ihre Basis so eng wie möglich in die Entscheidungsfindung einzubeziehen. Parallel zu den Sondierungen fanden vom 1. bis 11. Oktober im ganzen Land Diskussionstreffen statt, bei denen die Mitglieder der Sondierungsgruppe das Für und Wider erörterten und Stimmungen aufnahmen. Das Interesse der märkischen Genossen war riesig. Die Meinungen gingen jedoch


klara geywitz – warum rot-rot?

weit auseinander. Manche Unterbezirke äußerten eine deutliche Vorliebe für die CDU, andere unterstützten Rot-Rot. In einem Punkt war sich die SPD-Basis aber einig: Es sollte keinen Stasi-IM in der Regierung geben. Nachdem die Linkspartei auch dieser Bedingung zustimmte, empfahl die Sondierungsgruppe am 12. Oktober einstimmig dem SPD-Landesvorstand die Aufnahme von Koalitionsgesprächen mit der Linkspartei. Warum? Matthias Platzeck hat von Anfang an gesagt, er wolle eine Regierung bilden, die stabil und verlässlich die nächsten fünf Jahre unser Land voranbringt. Nach dem Abgang von Jörg Schönbohm und einer ganzen Reihe von Vorgängen, die am bürgerlichen Anstand dieser Partei zweifeln lassen, war die Stabilität der CDU mehr als fraglich. Hinzu kam, dass diese Konstellation nur über fünf Stimmen Mehrheit im Parlament verfügt hätte. Das war aus Sicht der Sondierungsgruppe – angesichts der erheblichen Zahl schneidiger Jungfunktionäre in der CDU-Landtagsfraktion – nicht viel. In der SPD-Spitze war das Vertrauen in diese Truppe nicht sonderlich ausgeprägt. Zudem hatte die rot-schwarze Regierung zuletzt einige Hausaufgaben vernachlässigt. Der Personalumbau der Polizei stockte. Stattdessen pflegte der Innenminister Liebhaberprojekte. Die Fusion der Amtsgerichte scheiterte mangels Mehr-

heit im Parlament, im Kulturbereich scheute die Regierung eine Diskussion über die Zukunft der Theater und Orchester im Land. Viel Realismus Was würde besser mit der Linkspartei? Zunächst einmal verfügte Rot-Rot über eine breitere Mehrheit im Parlament. Doch würde diese völlig regierungsunerfahrene Oppositionspartei auch harte Einschnitte, vor denen Brandenburg steht, wirklich mitgehen? Die erste Probe dafür war der Koalitionsvertrag. Von der Energiestrategie über die Personalentwicklung bis zur Haushaltskonsolidierung legten SPD und Linkspartei einen Vertrag vor, der den ernsthaften Regierungswillen beider Partner zum Ausdruck bringt. Die märkische Linkspartei geriet angesichts von so viel Realismus unter schweren Druck der Bundesparteileitung. Wie schwierig die kulturelle Akzeptanz des neuen Regierungspartners werden würde, ahnte die SPD zu diesem Zeitpunkt bereits in Ansätzen. Deshalb wurde dem Koalitionsvertrag eine Präambel vorangestellt, in der deutlich wurde, dass die Aufarbeitung der DDR-Geschichte mit dieser Zusammenarbeit nicht beendet wird. Erst diese Präambel machte den Koalitionsvertrag für den Landesvorstand und den Parteitag der SPD am 4. November zustimmungsfähig. perspektive21

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thema – gemeinsinn und erneuerung

Vielen Sozialdemokraten in Brandenburg fiel die Zustimmung zu dieser Koalition dennoch schwer. Schließlich wurde die SDP 1989 in Schwante gerade gegen die SED gegründet. Auch die folgenden zwanzig Jahre waren keine Zeit der stetigen Annäherung. Die SPD sah sich als Regierungspartei stets den Anwürfen und populistischen Parolen der oppositionellen Linken ausgesetzt. Keine Liebesheirat Rot-Rot war ganz gewiss keine Liebesheirat, allenfalls ein Bündnis der Vernunft. Der 27. September 2009 hatte gezeigt, wie erfolgreich eine populistische linke Partei sein kann. Und bis 2014 stehen viele schwere Entscheidungen an, bei der Populisten leichte Beute machen könnten: Haushaltskonsolidierung, Personalreduzierung, Braunkohle-Tagebau. Die SPD entschied sich für das Wagnis, die Linkspartei in die Mitverantwortung für diese Entscheidungen zu nehmen. Ob Rot-Rot zur gesellschaftlichen „Versöhnung“ beiträgt, ist offen. Ich bin aber sicher, dass Rot-Rot zum Verständnis beiträgt. Und zwar zum besseren Verständnis für das politische System der Bundesrepublik – das in Teilen der ostdeutschen Gesellschaft noch immer nicht vorhanden ist. Viele Menschen stellen richtige Fragen zur Gerechtigkeit: Warum gibt es Kinder34

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armut in einem der reichsten Länder der Erde? Warum ist die Arbeitslosigkeit so hoch, obwohl wir Exportweltmeister sind? Die Linke hat diese Fragen aufgegriffen und einfache Lösungen für komplexe Probleme präsentiert. Zumeist nach dem Tenor, es wäre alles bezahlbar, nur müssten andere Prioritäten gesetzt werden. Der Reformismus der SPD, die in kleinen Schritten das Machbare umsetzt, wurde dagegen als unzulänglich abgetan. Auf diese Weise erreicht die Linke in Brandenburg Wählerschichten, die für alle anderen Parteien nur schwer oder gar nicht zugänglich sind. Diese Menschen werden in Zukunft mit neuen Erkenntnissen konfrontiert. Auch mit der Einsicht regierender Linker, dass die Dinge so einfach nicht liegen. Darum ist zu hoffen, dass die real regierende Linkspartei das Verständnis für das politische System auch in diesen Teilen der ostdeutschen Gesellschaft erhöht. Was zu tun bleibt Rot-Rot hat einen Stapel an Hausaufgaben, ob beim Mindestlohn, bei der Schaffung eines solidarischen Bildungssystems oder der Haushaltskonsolidierung. Ist damit jetzt die Nachwendezeit abgeschlossen, die Koalitionsfähigkeit aller demokratischen Parteien hergestellt? Sind die ehemaligen DDR-Eliten im gemein-


klara geywitz – warum rot-rot?

samen Land angekommen, ist die Phase der Transformation beendet? Natürlich ist das nicht so. Das zeigen am Deutlichste die hitzigen Debatten um Versöhnung, Schuld und den Umgang mit der Stasi. Doch der Umgang mit der Geschichte ist nicht das einzige Indiz, das daran zweifeln lässt, ob der Transformationsprozess von der DDR zum gemeinsamen Deutschland schon beendet ist. Zwar ist nach den Wirren der Wendezeit wieder mehr Ruhe in die ostdeutsche Gesellschaft eingekehrt, neue Arbeitsplätze in Zukunftsbranchen sind entstanden, die Institutionen samt Verwaltungsapparat haben Tritt gefasst. Formal verfügt Brandenburg im Jahr 2010 über alle Institutionen, die auch im Westen Deutschlands existieren. Die Akzeptanz und teilweise das Verständnis für dieses Institutionensystem sind jedoch in der ostdeutschen Bevölkerung geringer ausgeprägt als in Westdeutschland. Das Engagement Ostdeutscher in der Zivilgesellschaft, von Vereinen über Gewerkschaften bis hin zu Parteien, ist in Ostdeutschland geringer ausgeprägt als im alten Teil der Bundesrepublik. Einfach gesagt: Zu viele Menschen fühlen sich nicht mitverantwortlich für das Gemeinwesen; sie stehen abseits und fühlen sich aufs Wohligste in ihrer Systemkritik bestätigt, sobald irgendetwas schiefläuft. Welche Folgen hat dieses Auseinanderfallen von politischer

Struktur und politischer Kultur? Wie schaffen wir es, in der ostdeutschen Gesellschaft jenes Maß an Akzeptanz und Engagement für das politische System zu schaffen, das die Voraussetzung für eine gut funktionierende Demokratie ist? Auch deshalb ist es ein Gebot der Vernunft, die Linkspartei in die Mitverantwortung für das Ganze zu nehmen. Wo Engagement fehlt Wenn sich weniger Menschen in Parteien engagieren, ist auch die Auswahl bei der Besetzung politischer Ämter geringer. Nicht immer kommen die wirklich Guten oder Besten in die Verantwortung – manchmal nur die einzigen, die sich melden. Deshalb wird auch Ostdeutschland nicht nur in manchem Kommunalparlament bisweilen unter Wert regiert. Weil sich Ostdeutsche weniger engagieren, bleiben sie auch in anderen Bereichen des Lebens im Hintertreffen. Das niedrige Lohnniveau in Ostdeutschland ist auch Folge des schwachen Organisationsgrades der Gewerkschaften. Über Jahrzehnte hatten die Gewerkschaften als starker Arm und machtvolle Organe der Arbeiterbewegung in der Bundesrepublik dafür gesorgt, dass der erarbeitete Wohlstand allen zugute kommt. Noch heute gilt: Wo Löhne niedrig sind, sind die Gewerkschaften schwach – und umgeperspektive21

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thema – gemeinsinn und erneuerung

kehrt. Doch statt Mitglied zu werden, zucken die Ostdeutschen überwiegend mit der Schulter. Nach dem Motto: Mir hilft ja eh keiner. Wenn die ostdeutsche Bevölkerung weiter in Skepsis abwartet, was der Westen sich da ausdenkt, statt ihre eigenen Interessen in Parteien, Gewerkschaften und Verbänden energisch und selbstbewusst zu vertreten, dann werden alle Hoffnungen auf ein Schließen der Wohlstandslücke zwischen Ost und West Illusion bleiben. Hier liegt eine wesentliche Aufgabe für die Linkspartei in Ostdeutschland. Ihren Mitglieder und Wählern zu erklären, dass wer verändern will, mitmachen und mitgestal-

ten muss. Zu erläutern, dass innere Ablehnung und Verweigerung nichts ändert, ganz sicher nichts verbessert. Uns Sozialdemokraten muss es um die Integration der Willigen gehen. Jener Menschen, die ihre Wurzeln in der DDR haben, die aber bereit sind, unser Deutschland zu ihrer und unserer gemeinsamen Heimat zu machen. Ich freue mich auf den Tag, an dem die Anhänger der Linkspartei mitsingen, wenn im Stadion die deutsche Nationalhymne erklingt; weil es für sie nicht mehr ein Lied der BRD ist. In einem Land, in dem sich alle dazugehörig fühlen, wäre der Osten ein stärkeres, ein selbstbewussteres Land. ■

KLARA GEYWITZ

ist stellvertretende Landesvorsitzende der Brandenburger SPD und Parlamentarische Geschäftsführerin der Landtagsfraktion. 36

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matthias platzeck – gemeinsinn und erneuerung

Gemeinsinn und Erneuerung EIN BRANDENBURG FÜR ALLE IST DAS ZIEL DER NEUEN LANDESREGIERUNG VON MATTHIAS PLATZECK

ast zwei Jahrzehnte nach der Wiedergründung unseres Landes tragen SPD und Die Linke in Brandenburg erstmals gemeinsam Verantwortung für unser Land. Gemeinsam Verantwortung tragen für Brandenburg – die Formulierung beschreibt gleichzeitig, was diese Regierungskoalition von ihrer Vorgängerin nicht unterscheidet. Die Partner der bisherigen Koalition haben gemeinsam Verantwortung getragen. Auch beide Partner der neuen Landesregierung sind sich bewusst, was Verantwortung in schwierigen Zeiten bedeutet.

F

Wer Regierungsverantwortung übernimmt, kann nicht so etwas wie eine weiße Wundersalbe verschreiben, die alle Probleme auf der Stelle löst. Wer Regierungsverantwortung übernimmt – egal, aus welcher politischen Richtung er kommt –, der muss und will zuvorderst für einen soliden Haushalt sorgen und kann nicht gleichzeitig nach Steuersenkungen, Investitionen überall und Haushaltskonsolidierung rufen. Wer Verantwortung übernimmt, muss sich

I.

für soziale Gerechtigkeit einsetzen. Er muss für gute Bildung für alle von Anfang an ebenso sorgen wie für eine sichere und zunehmend klimafreundliche Energieversorgung. Regierungsverantwortung zu tragen heißt also, Ziele zu definieren, Strategien zu entwickeln und dann für deren Verwirklichung zu kämpfen. Eine verantwortungsbewusst handelnde Regierung kann nicht, darf nicht und wird nicht allen alles zugleich versprechen. Ehrlich sagen, was geht, aber auch ehrlich sagen, was nicht geht – das ist verantwortungsbewusst, auch wenn es zuweilen als Beschränkung oder gar Belastung empfunden werden kann. Neue Fragen angehen Die bisherige Landesregierung handelte unter der Überschrift „Erneuerung aus eigener Kraft“. Das Handeln der neuen Regierung orientiert sich an dem Motto „Gemeinsinn und Erneuerung – ein Brandenburg für alle“. Damit machen beide Koalitionspartner deutlich: Wir werden Bewährtes fortsetzen, aber dort neue Akzente setzen und neue Fragen perspektive21

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thema – gemeinsinn und erneuerung

energisch anpacken, wo dies im Interesse der Bürgerinnen und Bürger nötig ist. Die Problemlagen im Lande – und nicht nur hier – verschieben sich. Wir müssen heute vor allem Wirtschaft und Soziales viel enger zusammendenken, als das bisher die Regel war. Lassen Sie mich nur zwei Beispiele mit Blick auf die Jüngsten, mit Blick auf jene, über deren Zukunft wir heute entscheiden, nennen: Erstens: Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass inzwischen gut ein Viertel der Kinder in Brandenburg aus Haushalten mit Hartz-IV-Hintergrund kommt. Gute und gut bezahlte Arbeit hat weder mit ihrer unmittelbaren Erfahrungswelt zu tun, noch können sie sicher sein, dass ihre Zukunft eine Zukunft mit guter, auskömmlicher Arbeit sein wird. Zweitens: Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass Alleinerziehende mit geringem Einkommen kaum noch daran glauben, dass der Staat sie in ihrer schwierigen Lage bei der Erziehung und der Eröffnung von Lebenschancen für ihre Kinder ernsthaft und wirksam unterstützt.

stellen und sozialen Aufstieg für alle ermöglichen – das sind Fragen, die uns bewegen und bewegen müssen. Wir wollen Aufstieg möglich machen. Wir wollen dieses Land zusammenbringen und auch zusammenhalten. Vor uns liegen dabei anstrengende Jahre. Die Finanzmittel, die uns zur Verfügung stehen, sind begrenzt. Der Landeshaushalt wird in den nächsten zehn Jahren um 25 Prozent schrumpfen. Die vor uns liegenden Herausforderungen, die wir bewältigen müssen, sind beträchtlich. Beträchtlich sind ebenfalls die Erwartungen, die die Menschen im Land an uns richten:

II.

Aufstieg für alle Wir werden Brandenburg nicht voranbringen, wenn wir solchen Problemen nicht das Gewicht beimessen, das sie im wirklichen Leben haben. Soziale Balance, echte Chancengleichheit her38

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Von ihrer Landesregierung erwarten die Menschen eine Politik, die allen Brandenburger Kindern und Jugendlichen in allen Landesteilen erstklassige Bildungs- und Lebenschancen eröffnet. Von ihrer Landesregierung erwarten die Brandenburger eine Politik, die bestehende Arbeitsplätze sichert und qualifizierte neue Jobs in zukunftsfähigen Branchen ins Land holt. Von ihrer Landesregierung erwarten die Brandenburger eine Politik, die wirtschaftliche Erfolge und soziale Gerechtigkeit auf produktive Weise miteinander verbindet und nicht gegeneinander ausspielt. Von ihrer Landesregierung erwarten die Brandenburger eine Politik, die


matthias platzeck – gemeinsinn und erneuerung

gezielt Investitionen in die Zukunft unseres Landes mit solider Haushaltsführung vereinbart. Von ihrer Landesregierung erwarten die Bürger eine Politik, die langfristige Energiesicherheit mit ökologischer Vernunft in Einklang bringt. Und sie erwarten eine Politik, die Weltoffenheit und Toleranz in unserer Gesellschaft nachhaltig befördert.

Nicht alle Erwartungen, die die Bürger an uns richten, wird die neue Landesregierung zu jeder Zeit vollständig erfüllen können. Völlig klar ist aber allen an dieser Regierung Beteiligten, dass es diese Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger sind, an denen wir unser Handeln ausrichten werden. Sie bilden die entscheidende Richtschnur unseres Handelns in den nächsten fünf Jahren. Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes haben über viele Jahre viel Kraft, Engagement und Arbeit in die Entwicklung ihrer Heimat gesteckt. Demokratische Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, Unternehmen, Initiativen, Vereine, Verbände und unzählige ehrenamtlich Engagierte haben sich dabei verdient gemacht. Brandenburg im Jahr 2009 ist ein lebendiges Land. Mit Respekt und auch mit Dankbarkeit erkennen die Koalitionspartner die vielfältigen Leistungen ungezählter gesellschaftlicher Akteure

III.

für unser Gemeinwesen an. Die Arbeit dieser Regierung fußt auf diesen Leistungen. Sie knüpft an dieses Engagement an. Es sind die Brandenburger selbst, die die Kraft unseres Landes ausmachen. Darauf setzen wir auch in Zukunft. Menschen stärken und schützen Die Menschen zu stärken, aber auch, sie zu schützen, ist Aufgabe dieser Landesregierung. Die neue Brandenburger Landesregierung ist sich bewusst: Wir handeln aus der Vielfalt der Brandenburger Gesellschaft heraus. Wir übernehmen Verantwortung für das ganze Land. Wir sind offen für gute Ideen, woher auch sie immer kommen mögen. Wir suchen die Kooperation mit allen, die zu solch einer Kooperation willens und bereit sind. Mit unserer politischen Arbeit wollen wir dazu beitragen, unser Land zusammenzuhalten und noch mehr zusammenzuführen. Orientierung am Gemeinwohl, das ist der Maßstab, an dem wir uns messen lassen werden. Es war der Zusammenbruch der DDR vor genau zwei Jahrzehnten, der das Wiedererstehen des Landes Brandenburg ermöglicht hat. Eine historische Fügung, für die wir uns bis heute glücklich schätzen können. Zugleich aber bedeutet die Hinterlassenschaft der ökonomisch und ökologisch

IV.

perspektive21

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thema – gemeinsinn und erneuerung

verschlissenen DDR eine für unser Land schwere Hypothek. Wir wissen heute, beim Neuaufbau des Landes gelang es nicht, allen Menschen eine wirkliche Zukunftsperspektive zu ermöglichen. Dafür waren die Herausforderungen in den Jahren nach 1990 zu überwältigend, zu neu und zu vielfältig. Nicht jedes Vorbild im Umbruch war tauglich. Nicht jeder gut gemeinte Rat von außen erwies sich am Ende tatsächlich als ein guter Rat. Wir haben in Brandenburg in verschiedenen Regierungskonstellationen lernen müssen, unseren eigenen Weg zu finden und zu gehen. Auf die eigene Kraft besinnen Der im Land in den vergangenen Jahren verfolgte Kurs der Erneuerung aus eigener Kraft war wirksam. Auch wenn wir jetzt unsere Politik neu ausrichten, um den neuen Herausforderungen im Land gerecht zu werden, wird es wieder um Erneuerung gehen, und es wird am Ende wieder auf unsere eigene Kraft ankommen. Im Laufe der letzten Wahlperiode haben sich die Exporte Brandenburger Unternehmen verdoppelt, die Arbeitslosigkeit konnte fast halbiert werden. An vielen Orten, in vielen Familien im Land sind Aufschwung und Aufstieg geglückt. 56 Prozent der Bürger unseres Landes sehen dieses Land gut auf die Zukunft vorbereitet. 2004 waren 40

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es nur 34 Prozent. Wir werden deshalb die Erneuerung aus eigener Kraft energisch weiterführen. Gemeinsam werden wir in der neuen Koalition dem Prinzip „Stärken stärken“ treu bleiben, also den eingeschlagenen Erfolgspfad der Wirtschaftsförderung fortsetzen. In der Förderpolitik wird man sich auf Verlässlichkeit verlassen können. Darauf kann die Wirtschaft in Brandenburg auch unter der neuen Regierung vertrauen. Zugleich geht aber – das weiß gerade jeder Unternehmer und jede Unternehmerin – das Leben weiter. Wir werden das System der Branchenschwerpunktorte und die Branchenkompetenzfelder neu ordnen und straffen. Gemeinsam werden wir die Wertschöpfung in Brandenburg stärken und streben deshalb eine dynamische, zugleich zunehmend ökologisch ausgerichtete Industrie-, Gewerbe- und Dienstleistungsstruktur mit einem breiten und gesunden Mittelstand an. Zukunftsthema Energie Gemeinsam begreifen wir das Thema Energie als ein fundamentales Zukunftsfeld für Brandenburg. Deshalb werden wir unsere Kompetenzen als Energieland systematisch ausbauen. Wir setzen zunehmend auf erneuerbare Energien. Wir setzen weiter auf die Brückentechnologie Braunkohle, die durch Kohlendioxidabscheidung und Speicherung ohne Beeinträchtigung von Sicherheit und Ei-


matthias platzeck – gemeinsinn und erneuerung

gentum der Bevölkerung klimafreundlicher werden muss. Wir setzen auf Solar- und Windenergie, auf Energiespeicherung und Energieforschung. Brandenburg soll zu einem modernen Energieland werden, das im nationalen, aber auch im internationalen Maßstab Rahmenmaßstäbe setzt. Das ist unser Ziel, und das werden wir erreichen. Wir legen in der Forschungs- und Entwicklungspolitik einen Schwerpunkt auf innovative, marktfähige Umwelt- und Energietechniken „made in Brandenburg“. Arbeit muß gut bezahlt sein Die neue Regierung setzt verstärkt auf die Verbindung von Wissenschaft und Wirtschaft, um wissensbasierte, zukunftsfeste Arbeitsplätze für hochqualifiziertes Personal am Standort zu sichern und neu zu schaffen. Deshalb werden Forschung und Technologietransfer auch in Zukunft Schwerpunkte der Landespolitik bleiben. Das Rückgrat der Brandenburger Wirtschaft werden auch in Zukunft Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sein, und zwar Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die für anständige Arbeit auch anständig bezahlt werden. Starke Gewerkschaften und kompetente Betriebsräte sind unverzichtbare Faktoren der Kraft unseres Landes. Eine gute Zukunft ohne gute Gewerkschaften kann ich mir nicht vorstellen.

Dies alles ist eine gute Perspektive, aber sie steht derzeit bei weitem noch nicht jedem offen. Die Kinder, von denen eingangs die Rede war, entbehren nicht nur materiellen Wohlstand. Diese Kinder brauchen auch dringend bessere Bildungschancen und intensivere Förderung, um später Chancen im Leben zu erhalten. Das ist mit Geld allein nicht getan. Wir müssen zum Beispiel zur Kenntnis nehmen, dass das Ansehen des für die Zukunft unseres Landes so ungeheuer wichtigen Lehrerberufs über viele Jahre – und nicht nur in Brandenburg – deutlich gesunken ist und erst allmählich wieder steigt. Diesen Trend wollen wir mit aller Kraft beschleunigen. Wir brauchen neue Handlungsansätze, auch neue Ideen, damit wirklich alle Kinder Lebenschancen bekommen, damit Alleinerziehende wirksamere Unterstützung erhalten, damit Lehrer neue Wertschätzung erlangen und zugleich – genauso wichtig – unsere Unternehmen die gut ausgebildeten Arbeitskräfte erhalten, die sie brauchen, weil sie nur so den Wohlstand schaffen können, von dem unsere Gesellschaft lebt. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftemangels ist es gerade auch ökonomisch wichtig, dass wir kein einziges Kind zurücklassen. Zugleich ist es wichtig, dass beispielsweise Alleinerziehende und Lehrer, aber auch Unternehmer jederzeit sicher sein kön-

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perspektive21

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thema – gemeinsinn und erneuerung

nen: Diese Regierung nimmt unsere Nöte ernst. Diese Regierung steht auf unserer Seite. Fragen der sozialen Balance, Fragen der Herstellung echter Chancengleichheit, Fragen der Ermöglichung von sozialem Aufstieg für alle, das sind die Fragen, die diese Regierungskoalition umtreiben müssen und auch umtreiben werden. Es sind die wichtigen Fragen, die darüber entscheiden, ob unsere Gesellschaft zusammenhält oder ob sie auseinanderfällt. Wenn sie auseinanderfällt, haben wir allesamt keine Zukunft. Wir wollen dieses Land zusammenbringen und zusammenhalten, weil beides zusammengehört und einander bedingt. Genau deshalb bekennt sich die neue Landesregierung auf der einen Seite aus tiefer Überzeugung zur großen Errungenschaft des Sozialstaates. Aber auf der anderen Seite umfasst unser politischer Auftrag, so, wie wir ihn gemeinsam begreifen, weit mehr als die Linderung vorhandener Nöte und Defizite. Wir bekennen uns zu einer nachsorgenden Sozialpolitik, wo immer sie auch nötig ist. Eine nachsorgende und regionale Nachteile mildernde Sozial- und Infrastrukturpolitik bleibt ohne Frage notwendig. Aber unser Blick richtet sich auch darauf, diese nachsorgende Sozialpolitik wo immer möglich durch eine vorsorgende Gesellschaftspolitik zunehmend überflüssig zu

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machen. Wir wollen an den Anfang, an die Ursachen, und wir wollen nicht am Ende bei der Reparatur viel Geld ausgeben, wo wir Menschen nicht mehr zufrieden und glücklich machen können. Am Anfang liegt die Quelle dessen, was wir erreichen wollen. Kinder liegen uns am Herzen Moderne Sozialstaatlichkeit bedeutet immer stärker soziale Vorsorge und damit Investition in die Fähigkeit von Menschen. Ganz im Geiste des ostdeutschen Aufbruchs von 1989 zielt der zeitgemäße Sozialstaat auf die soziale, aber eben auch die ökonomische, kulturelle und politische Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um das solidarische Miteinander wirklich freier Menschen. Das ist das Ziel auch für die Entwicklung unseres Landes. Vorsorgende Sozialgesellschaftspolitik betrifft alle Generationen, aber sie beginnt bei den Jüngsten. Zu einer solchen Politik gehört insbesondere die entschiedene Abkehr vom Prinzip des Aussortierens und der Auslese im Bildungssystem. Die frühe Aussonderung von Kindern ist und bleibt ungerecht. Sie verbaut Entwicklungschancen und ist deshalb auch aus ökonomischer Perspektive widersinnig. Es ist eben nicht so, dass die einen Kinder von Natur aus schlau sind und die anderen Kinder von Natur aus


matthias platzeck – gemeinsinn und erneuerung

doof. Warum das eine Kind pfiffig ist und das andere nicht und wie man die Bedingungen verbessern kann, damit mehr Kinder schlau werden und den Aufstieg schaffen können, das sind die Fragen, auf die wir in den kommenden Jahren Antworten geben müssen, wenn wir nicht wollen, dass dieses Land auseinanderfällt in erfolgreich Angekommene und dauerhaft Abgehängte. Deshalb legt die neue Landesregierung allerhöchsten Wert auf Bildung. Von nichts hängt die Zukunft unseres Gemeinwesens im 21. Jahrhundert so sehr ab wie von den Fähigkeiten und Kenntnissen der Menschen. Gute Bildung darf deshalb so wenig wie irgend möglich von sozialer oder regionaler Herkunft abhängen. Dabei liegen uns besonders die Kinder und Jugendlichen am Herzen; denn jeder Euro, den wir bei ihnen investieren – inzwischen Allgemeingut –, wird sich später doppelt und dreifach auszahlen. Das ist die beste Vorsorge überhaupt. Wo Vorsorge anfängt Deshalb werden wir die „Netzwerke Gesunde Kinder“ ausbauen, damit ein gesellschaftliches Klima des Hinschauens bei positiver Entwicklung von Kindern entsteht. Dabei ist uns besonders das Engagement der Ehrenamtlichen, die diese Netzwerke tragen, wichtig. Ich will mich an dieser Stelle für die vielen Initiatoren, die diesen Gedanken

geboren, in die Tat umgesetzt und in Brandenburg zu einem erfolgreichen Modell entwickelt haben, sodass es ein Exportmodell geworden ist, sehr herzlich bedanken. Sie haben für die kommende Generation etwas unschätzbar Gutes getan. Wir werden deshalb die Kita-Betreuungsrelation bei den unter Dreijährigen von eins zu sieben auf eins zu sechs verbessern. Wir werden die KitaBetreuungsrelation bei den unter Sechsjährigen von eins zu dreizehn auf eins zu zwölf verbessern. Wir wollen, dass Brandenburg nicht nur quantitativ, sondern Stück für Stück auch qualitativ eines der besten Kita-Netze Deutschlands bekommt. Wir werden dafür weitere Verbesserungen vornehmen, die Sprachförderung ausbauen und auch die Ausbildung der Kita-Erzieherinnen und hoffentlich zunehmend auch -Erzieher verbessern. Darum werden wir die Qualität unserer Schulen entscheidend verbessern. Wir werden 1.250 neue Lehrer einstellen, die Schüler-Lehrer-Relation konstant halten und den Schulen mehr Selbstständigkeit geben. Wir haben uns fest vorgenommen, die viel zu hohe Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss bis 2015 zu halbieren. An dieser Stelle besteht dringender Handlungsbedarf. Wir werden dazu neue Wege einschlagen, um wirkliche Fortschritte zu erzielen. Wir werden die individuelle Betreuung der Schüler verbessern und perspektive21

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thema – gemeinsinn und erneuerung

vor allem Schüler mit Förderbedarf weitaus stärker in die Regelschulen einbeziehen. Was in den besonders erfolgreichen Bildungsnationen möglich ist, wird in Zukunft auch in Brandenburg möglich sein, weil es ein sinnvoller und ein guter Weg für die Kinder ist. Wir werden ein Schüler-BAföG einführen, damit auch mehr Kinder aus einkommensschwachen Haushalten das Abitur machen können. Das Abitur darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen. Wir werden die Berufsvorbereitung der Schüler verbessern, das Praxislernen ausbauen und die Kooperation zwischen Schulen und Unternehmen vertiefen. Wir wollen Chancengleichheit für alle. Deshalb investieren wir in die Bildung – von der Kita über die Schule bis zur Hochschule. Aber gute Bildung erfordert, wie ein moderner, vorsorgender Sozialstaat überhaupt, mehr als nur Geld: Verantwortung und Gemeinsinn, Offenheit und Teamgeist, Kreativität und Entwicklung. Das alles entsteht nur in einer Atmosphäre des wirklichen Miteinanders. Die neue Regierungskoalition bekennt sich dezidiert zu dem Ziel, keine Region im Land abzuhängen, keine Region aufzugeben. Die Bürgerinnen und Bürger im Land Brandenburg können sich darauf verlassen: Die öffentliche Daseinsvorsorge wird überall gewährleistet, auch wenn sich viele

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Formen der Leistungserbringung allein schon durch die demografische Entwicklung verändern werden. Es wird nichts so bleiben, wie es war; aber wir werden die öffentliche Daseinsvorsorge sichern. In der Fläche des Landes ist und bleibt die Landwirtschaft ein wichtiger Wirtschaftszweig; sie ist und bleibt das Rückgrat des ländlichen Raumes. Wir setzen die Agrarwirtschaftsinitiative fort. Die Agrarförderung soll gezielt eingesetzt werden, um existenzsichernde Arbeitsplätze in der Fläche unseres Landes zu schaffen und zu erhalten und auch, um immer ökologischeres Wirtschaften zu unterstützen. Mit Armut wird sich diese neue Regierung nicht abfinden. Das beste Mittel gegen Armut sind Arbeitsplätze, von denen Frauen und Männer vernünftig leben und ihren Kindern einen guten Start ins Leben ermöglichen können. Dabei gilt die Maxime „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ für Männer wie Frauen gleichermaßen. Das wird die Richtschnur dieser Landesregierung sein und bleiben. Brandenburg will kein Billiglohnland sein, sondern ein Land, in dem gute Arbeit auch anständig entlohnt wird. Gute Arbeit schafft mehr als Kaufkraft und sichert mehr als nur den unmittelbaren Lebensunterhalt. Sie ist Basis für Selbstverwirklichung und gesellschaftliche Teilhabe. Deshalb

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matthias platzeck – gemeinsinn und erneuerung

setzen wir uns dafür ein, dass auf der Ebene des Bundes ein existenzsichernder gesetzlicher Mindestlohn eingeführt wird. Die Zeit dafür ist in Deutschland reif. In Brandenburg werden wir die Vergabe öffentlicher Aufträge an soziale Standards und die Bezahlung wenigstens an Mindestlohnniveau binden. Arbeitslosen, vor allem Langzeitarbeitslosen und älteren Arbeitslosen, wird die neue Landesregierung mithilfe neu geschaffener, öffentlich geförderter Beschäftigungsverhältnisse eine neue berufliche Perspektive ermöglichen. Wir wollen bis 2014 eine aktivere öffentliche Beschäftigungspolitik ermöglichen. Deshalb haben wir uns verpflichtet, 8 000 öffentlich geförderte Beschäftigungsverhältnisse unter Nutzung der vorhandenen Bundesmittel unter der Bedingung zu schaffen, dass diese nicht in Konkurrenz zu regulären Beschäftigungsverhältnissen stehen werden. In der Gesundheitspolitik verfolgen wir das Ziel, eine auskömmliche ambulante Versorgung in allen Regionen des Landes sicherzustellen. Die Wiederkehr der Gemeindeschwester AGnES in modernisierter Form ist nicht nur ein Gebot der Vernunft, diese Wiederkehr von AGnES ist auch ein Beleg dafür, dass gute, für die Menschen hilfreiche und passende Lösungen auch für schwierige Fragestellungen möglich sind.

Die Partner der neuen Regierungskoalition sind sich einig: Was verteilt werden soll, muss zuvor erarbeitet und erwirtschaftet werden. Niemand macht sich etwas vor: vor uns liegen Jahre, in denen die Haushaltslage des Landes äußerst angespannt sein wird. Die Konsolidierung der Brandenburger Landesfinanzen, bei der in der vergangenen Wahlperiode bemerkenswerte Ergebnisse erreicht wurden, ist mit der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise deutlich schwerer geworden. Zusätzliche Belastungen für die Kommunen und auch für das Land drohen aufgrund der schon erwähnten Steuer- und Abgabenpolitik der neuen Bundesregierung. Zugleich laufen Sonderzuweisungen des Bundes zur Bewältigung der Folgen der deutschen Teilung aus. Gegenüber dem Vorjahr müssen wir im Jahr 2010 mit weiteren Mindereinnahmen in Höhe von ungefähr 140 Millionen Euro rechnen. Durch das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz von Schwarz-Gelb werden wir mit zusätzlichen 50 Millionen Euro Mindereinnahmen im Jahr 2010 rechnen müssen, in den Folgejahren wahrscheinlich mit Mindereinnahmen in dreistelliger Millionenhöhe. Zugleich werden die Sonderzuweisungen des Bundes zur Bewältigung der Folgen der deutschen Teilung rückläufig sein. Die kumulierten Mindereinnahmen des Landes in dieser Legislatur betra-

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perspektive21

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thema – gemeinsinn und erneuerung

gen dann fast 1,5 Milliarden Euro. Dabei steigen natürlicherweise die Pensionslasten. Wir können uns auch nicht darauf verlassen, dass die Zinsen nicht steigen. Die weitere Konsolidierung unseres Haushalts wird eine der schwierigsten Aufgaben der nächsten fünf Jahre sein und bleiben. Hier ist ein schwieriger Balanceakte notwendig; denn trotz aller Belastungen darf die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes nicht abgewürgt werden. Die Kinder und Jugendlichen, für die wir uns ganz besonders einsetzen, dürfen nicht morgen unter den Kosten, die wir heute verursachen, leiden. Dabei macht sich niemand etwas vor. Es werden ausgesprochen schmerzliche Entscheidungen im Landtag zu treffen sein. Effektiv und bürgernah Das vorhandene Geld soll vordringlich für besonders zukunftswirksame Investitionen in Bildung, Wissenschaft und Innovation genutzt werden. Die Koalitionspartner sehen sich vor der großen Herausforderung, langfristig und stabil die Balance zwischen Personalstärke und finanziellen Möglichkeiten des Landes einerseits und der Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes sowie einer bürgernahen und effektiven Aufgabenerledigung andererseits zu halten. Ich sage aber hier für die öffentlich Bediensteten des Landes: Der 46

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Kurs der vergangenen zwei Jahrzehnte wird beibehalten, betriebsbedingte Kündigungen schließen wir aus. Dem vorhersehbaren Rückgang der aktiv Beschäftigten durch Altersabgänge bis 2019 auf etwa 36.000 treten wir entgegen. Wir werden dafür sorgen, dass der Personalbestand bis zum Jahr 2019 bei 40.000 gehalten wird. Besondere Bedeutung messen wir der Neueinstellung von Lehrerinnen und Lehrern sowie Kita-Erzieherinnen und -Erziehern bei. Innere Sicherheit sowie zu diesem Zweck die sichtbare Präsenz der Polizei im öffentlichen Raum bleiben wichtige Anliegen dieser Regierung. Die Ausstattung der Polizei werden wir weiter modernisieren. Gemeinsam mit den anderen demokratischen Parteien des Landes sowie innerhalb einer großen und ständig wachsenden Zahl von zivilgesellschaftlichen Akteuren setzen sich die Landesregierung und die sie tragenden Parteien für ein tolerantes, für ein weltoffenes Brandenburg ein. Allen Formen von Rassismus, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und Rechtsextremismus werden wir entschieden entgegentreten. Die Verherrlichung von Diktaturen – gleich, welcher Art – hat in unserem Gemeinwesen keinen Platz! Deshalb wird die neue Landesregierung den Kampf gegen Rechtsextremismus mit aller Kraft fortführen. Schwerpunkte bleiben dabei die Säulen Repression und Prävention.


matthias platzeck – gemeinsinn und erneuerung

Die Koalitionsbildung von SPD und Linkspartei hat in den vergangenen Wochen lebhafte Debatten ausgelöst. Darum einige klärende Worte zum Charakter dieses politischen Bündnisses: Niemand verklärt diese neue Koalition zu einem historischen Projekt. Hier haben sich zwei Parteien nüchtern auf koalitionsvertraglicher Grundlage zusammengetan, um die Probleme im Lande zu lösen und so vielen Menschen wie möglich eine bessere Zukunft zu bieten. In diesem Sinne blickt die Koalition nicht zurück, sondern sie packt an und baut auf, weil es im Hier und Jetzt genug zu tun gibt. Das ist unsere wichtigste Aufgabe. Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes erwarten, dass die Koalition Probleme löst und Zukunft möglich macht. Aber natürlich findet Politik nicht im geschichtslosen Raum statt. Wir alle kommen irgendwoher. Wir alle haben unsere Erfahrungen gemacht, und der erste Daseinsgrund der 1989 wiedergegründeten Sozialdemokratie im Osten Deutschlands war es nun einmal, das illegitime Machtmonopol der SED zu brechen, aus dem später die Partei Die Linke hervorgegangen ist. Die Koalitionspartner haben in ihren Sondierungs- und Koalitionsverhandlungen intensiv über Herkunft, Haltung und Werte gesprochen. Alle an dieser Regierungskoalition Beteiligten sind sich einig darüber, dass diese

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Koalition mit irgendwelchen Schlussstrichen nichts zu tun haben will und nichts zu tun haben wird. Keine Verklärungen Einig sind sich die Koalitionspartner weiterhin darin, dass die ostdeutsche Friedens- und Bürgerbewegung sowie die Arbeit der 1989 wiedergegründeten, seit 1946 von der SED unterdrückten und verfolgten Sozialdemokratie zur positiven Entwicklung unseres Landes entscheidend beigetragen hat. Erst die Volksbewegung des Herbstes 1989 in der DDR machte es möglich, dass auch aus der SED heraus der Aufbruch zu einer demokratischen Partei im pluralistischen Wettbewerb mit anderen Parteien erfolgen konnte. In unserem Koalitionsvertrag haben wir deshalb ganz klar und unmissverständlich festgehalten: „Eine Verklärung der SED-Diktatur wird es mit dieser Koalition nicht geben. Der offene und kritische Umgang mit früheren Fehlern ist ebenso notwendig wie die Übernahme von Verantwortung für verursachtes Unrecht. Wir werden die Lehren der Geschichte umfassend beherzigen und weitergeben. Unser Respekt und unsere Zuwendung gelten den Opfern der Diktatur, das Andenken an erlittene Repressionen werden wir wach halten.“ Diese Vereinbarung ist unmissverständlich. Vor genau 20 Jahren entperspektive21

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thema – gemeinsinn und erneuerung

standen mit dem Fall des Eisernen Vorhangs die Voraussetzungen für das neue Europa, in dem wir heute leben. In der Mitte unseres friedlich geeinten Kontinents gelegen, ist das Land Brandenburg ein besonders glücklicher Nutznießer dieser europäischen Einigung. Auch deshalb bekennt sich die neue Brandenburger Regierung ausdrücklich zur europäischen Integration und zur Europäischen Union. Lebendige Demokratie und gelebte Freiheit, eine tatkräftige Regierung und ein handlungsfähiger Staat, engagierte Bürgerinnen und Bürger, starke

Kommunen sowie eine solidarische Gesellschaft des Miteinanders in einem weltoffenen Land guter Nachbarn mitten in Europa – all dies gehört zusammen. Die Partner der Regierungskoalition wollen, dass es mehr Menschen werden, die sich an unserem demokratischen Gemeinwesen beteiligen, weil sie sich ihm zugehörig fühlen. Darauf werden wir hinarbeiten. Wer dieses Ziel teilt, ist herzlich eingeladen, mit uns zusammenzuarbeiten. So wird Brandenburg eine gute Perspektive für alle Menschen in diesem Lande bieten. ■

MATTHIAS PLATZECK

ist Landesvorsitzender der SPD und Ministerpräsident des Landes Brandenburg. Der Beitrag beruht auf der Regierungserklärung, die er am 18. November 2009 vor dem Landtag gegeben hat. 48

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günter baaske und holger rupprecht – gemeinsinn und erneuerung

Gerechter, früher, besser MIT EINER FORTSCHRITTLICHEN LEBENSCHANCENPOLITIK SORGEN WIR FÜR MEHR SOZIALEN AUFSTIEG VON GÜNTER BAASKE UND HOLGER RUPPRECHT

er Wandel zur Wissensgesellschaft bedeutet für Brandenburg einen erneuten, tiefgreifenden Strukturwandel. Die Welt, in der wir leben, befindet sich durch die neue globale Arbeitsteilung und unsere älter werdende Gesellschaft im Umbruch. Neue soziale Fragen brauchen neue Antworten: Wie lässt sich soziale Teilhabe unter diesen neuen Bedingungen für alle gewährleisten? Wie gehen wir mit dem Anstieg von relativer Armut und prekären Arbeitsbedingungen, sozialer Exklusion und sinkenden Aufstiegschancen um? Schon jetzt ist klar erkennbar, dass der Arbeitsmarkt für geringqualifizierte Beschäftigte in Deutschland rasant schrumpft. Ungelernte oder angelernte Arbeitskräfte, die noch vor wenigen Jahrzehnten auskömmliche Arbeitsplätze in der Produktion fanden, sind heute weit überdurchschnittlich von Arbeitslosigkeit betroffen. Ihre Fähigkeiten sind mittlerweile in anderen Teilen der Welt für einen Bruchteil der Lohnkosten verfügbar. Das größte Risiko heute in Deutschland arbeitslos zu werden, ist deshalb mangelnde Qualifikation.

D

Das trifft in besonderem Maße für den Osten Deutschlands zu: Allein in Brandenburg ist jeder Zweite ohne Bildungsabschluss erwerbslos. Gleichzeitig wächst der Bedarf an gut qualifizierten Fachkräften und gefährdet die ökonomische Leistungsfähigkeit unseres Landes. Damit ist klar: Wenn wir den Wandel zur Wissensgesellschaft erfolgreich gestalten wollen, müssen wir allen alle Chancen eröffnen. Unser Ziel muss sein, dass in jeder Lebensphase jeder Zugang zu bestmöglicher Bildung hat – und zwar unabhängig von den sozialen und finanziellen Voraussetzungen seiner Herkunft. Dabei wird immer klarer, dass Bildungspolitik sehr nachhaltig mit Sozial- und Familienpolitik verknüpft werden muss. Denn jede Studie über Entwicklungschancen von Kindern sagt: Je früher Kinder gefördert und angeregt werden, umso besser. Individuell fördern Eine vorsorgende Bildungs- und Sozialpolitik zielt auf frühe und wirkungsvolle Förderung, um spätere soziale Probleme gar nicht erst entstehen zu lassen. Dabei perspektive21

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thema – gemeinsinn und erneuerung

gehört Bildungspolitik ins Zentrum eines modernen vorsorgenden Sozialstaates. Dafür müssen wir die gesamte Bildungsbiographie in den Blick nehmen: Von der frühkindlichen Phase, über die Schullaufbahn und Ausbildung bis hin zu Hochschule und Weiterbildung. Individuelle Förderung von Anfang an für jeden Einzelnen muss unser Anspruch sein und bleiben. Und schließlich muss das Bildungssystem auch offen bleiben, jedem eine zweite und dritte Chance auf dem weiteren Bildungsweg anzubieten. So kann auch der späte Einstieg oder der Wiedereinstieg in das Bildungssystem und den Arbeitsmarkt gewährleistet werden.

Rückschritte und die Gefahr einer sich zunehmend polarisierenden BildungsGesellschaft: ■

Kein Kind zurücklassen Eine Generation nach dem Aufbruch der sechziger und siebziger Jahre in eine moderne und soziale Bildungspolitik, als Georg Picht die „Bildungskatastrophe“ diagnostizierte und Ralf Dahrendorf die Forderung nach „Bildung als Bürgerrecht“ stellte, fällt die Bilanz ambivalent aus. Bildung als Voraussetzung für soziale Teilhabe und ökonomischen Erfolg in der Wissensgesellschaft nimmt in Deutschland im internationalen Vergleich längst nicht den angemessenen Stellenwert ein. Nach wie vor erscheint „Bildungsarmut“ als ein zentrales soziales Risiko für unsere gesellschaftliche Entwicklung. Schlimmer noch: In wichtigen Fragen erleben wir sogar 50

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Mit der geplanten Einführung des sogenannten „Betreuungsgeldes“ wird nicht nur ein großer Rückschritt hin zu veralteten Rollenbildern und Abhängigkeiten erzeugt, sondern auch die Teilhabechancen von Kindern behindert. Gerade Kinder aus sozial schwachen Familien werden so vom Besuch einer Kindertagesstätte, der nach wie vor zu wenig als Bildungsstätte verstanden wird, abgehalten und um Lebenschancen gebracht. Trotz der Fortschritte im Bildungsbereich nach dem „PISA-Schock“ von 2001 gibt es eine große Lücke zwischen Schülern, die Spitzenleistungen bringen und jenen, denen es an Basiskompetenzen fehlt. Zudem verlassen bundesweit jährlich etwa 8 Prozent eines Altersjahrganges die Schule ohne Abschluss. Für diese Menschen wird es ein Leben lang schwer sein, dauerhaft auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Beim Übergang auf die weiterführende Schule werden die Kinder aus sozial benachteiligten Familien häufig auf jene Schulformen verteilt, die zu weniger qualifizierenden Schulabschlüssen führen. Der Ausbau der Ganztagsschulen ist ein wichtiger Schritt, der korrigierend wirken


günter baaske und holger rupprecht – gerechter, früher, besser

kann. Der Anfang wurde gemacht: innerhalb von fünf Jahren verdoppelte sich die Zahl der Ganztagsschulen im Bundesdurchschnitt auf ca. 33 Prozent. In Brandenburg arbeiten mittlerweile 40 Prozent der Grundschulen und 60 Prozent der weiterführenden Schulen in öffentlicher Trägerschaft als Ganztagsschulen. In Deutschland erreichen ein Fünftel der 30- bis 40-Jährigen, deren Eltern nicht über einen Abschluss der Sekundarstufe II verfügen, diesen Abschluss auch selbst nicht. Dagegen erwerben fast alle (96 Prozent) Kinder von Eltern mit Abschluss des Sekundarbereichs II ebenfalls mindestens diesen Abschluss. Studiengebühren wirken zudem auf potenzielle Studierende der ersten akademischen Generation abschreckender als auf Akademiker-Kinder.

Damit wird deutlich: Das deutsche Bildungssystem ist sozial selektiv. Weitgehend unabhängig von Intelligenz und Begabung werden Menschen aus sozial schwachen Verhältnissen strukturell benachteiligt. Dies ist weder sozial gerecht noch ökonomisch vertretbar: Angesichts des demografischen Wandels und der fortschreitenden Globalisierung dürfen wir weniger denn je auch nur ein Kind zurücklassen. In Brandenburg kommt etwa jedes vierte Kind aus einem Haushalt, der von Sozialtransfers lebt. Jeder dritte Bran-

denburger gibt an, dass er sich nicht in die Gesellschaft integriert fühlt. Ein Fünftel der Brandenburger verortet sich selbst im gesellschaftlichen Unten. Sozialen Aufstieg ermöglichen Die neue Brandenburger Koalition hat sich ein „Brandenburg für alle“ zum Ziel gesetzt. Wir wollen, dass alle Kinder die gleichen Lebenschancen erhalten. Wir wollen, dass der Satz „Unseren Kindern soll es einmal besser gehen“ wieder Wirklichkeit wird. Zu lange gab es an diesem Satz Zweifel – kein Wunder angesichts von Arbeitslosenzahlen, die bei 20 Prozent und mehr lagen. Unser Ziel ist, sozialen Aufstieg möglich zu machen – und zwar für alle. Wir stehen für eine fortschrittliche Brandenburger Teilhabepolitik. Dazu werden Sozial-, Familien-, Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik eng ineinander greifen. Genau das wird in den kommenden Jahren passieren. Bis 2015 werden in der Region Brandenburg-Berlin etwa 270.000 gut ausgebildete Fachkräfte gebraucht, bis 2020 sogar 360.000. Das allein zeigt: Jeder wird in unserem Land gebraucht. Entfaltungsmöglichkeiten werden reichlich vorhanden sein – wir müssen nun dafür sorgen, dass sie auch ergriffen werden können. ■

Der Sozialmediziner und fortschrittliche Politiker Rudolf Virchow hat schon im 19. Jahrhundert erkannt, perspektive21

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dass Gesundheit und Bildung eng miteinander zusammen hängen: er hat sie als die beiden „Töchter der Freiheit“ bezeichnet. Im Land Brandenburg wurde dieser Gedanke aufgegriffen und es ist mit den „Brandenburger Netzwerken Gesunde Kinder“ mit viel Engagement ein bundesweit richtungsweisendes Projekt entstanden. Dabei werden Familien bei der gesunden Entwicklung ihrer Kinder von geschulten, ehrenamtlichen Familienpaten frühzeitig unterstützt, die in einem Netzwerk mit Hebammen, Kinderärzten sowie Gesundheits-, Jugend- und Sozialämtern zusammenarbeiten. Denn nur Kinder, die gesund aufwachsen können, haben auch eine reelle Chance, gut ausgebildet zu werden. Für die Grundfinanzierung der Netzwerke wird das Land in Zukunft eine Million Euro jährlich bereitstellen. Damit soll erreicht werden, dass sich die Netzwerke flächendeckend entwickeln können. ■

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Wir werden unser schon heute beispielgebendes Kita-Netz weiter ausbauen. Bis zu 1.000 neue Erzieherinnen (und hoffentlich auch immer mehr Erzieher) werden in den nächsten Jahren eingestellt. Die Landesmittel für die Kitas werden um ein volles Drittel steigen. Wir werden eine zusätzliche Sprachstandsmessung einführen und die Sprachförderung verbessern. märz 2010 – heft 44

Wir werden alle Oberschulen und Gesamtschulen zu Ganztagsschulen ausbauen. Dabei werden wir auch die Zusammenarbeit zwischen Schulen und lokalen Unternehmen verbessern, damit Jugendliche früher berufliche Perspektiven entdecken können. Was besonders dringlich ist: Jeder Einzelne muss einen Schulabschluss erreichen können. Denn mit dem Erwerb zumindest eines Hauptschulabschlusses steigen die Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben. Deshalb war es richtig und wichtig, dass Olaf Scholz als Arbeitsminister den seit 2009 geltenden Rechtsanspruch auf den Erwerb des Hauptschulabschlusses durchgesetzt hat. Unser Ziel ist es, in den kommenden fünf Jahren die Zahl der Schulabbrecher zu halbieren – damit mehr Kinder mehr Lebenschancen haben. Dies ist aber angesichts des drohenden Fachkräfteengpasses auch eine pure ökonomische Notwendigkeit. Dazu werden wir die individuelle Förderung von Kindern verbessern. Dazu werden wir in Brandenburg auch die Ausbildung von Lehrern für Förderpädagogik etablieren. Bildung muss deshalb allen offen stehen und darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen. In Brandenburg soll das Schüler-BAföG einen Beitrag dazu leisten, Bildungs- und Lebenschancen von der sozialen Her-


günter baaske und holger rupprecht – gerechter, früher, besser

kunft abzukoppeln. Das SchülerBAföG knüpft an die Bildungspolitik von Willy Brandt an, der es 1971 in der Bundesrepublik einführte: In den Jahren danach verdreifachte sich die Zahl der Kinder aus Arbeiterhaushalten an Universitäten. Als umgekehrt unter Helmut Kohl in den achtziger Jahren das Schüler-BAföG wieder zurückgefahren wurde, sank die Zahl der studierenden Arbeiterkinder erstmals in der Nachkriegszeit. Die Brandenburgische Landesregierung wird deshalb Kinder aus einkommensschwachen Familien fördern, um das Abitur zu erreichen. Etwa jeder vierte Schüler in der 11. und 12. Klasse wird monatlich etwa 100 Euro zweckgebunden für Bücher, Computer, Fahrtkosten u.ä. erhalten können. Damit wird die schulische Entwicklung der Geförderten materiell besser flankiert. Zudem wird ein Signal gesetzt, dass es sich lohnt, den bestmöglichen Bildungsabschluss anzustreben. Und drittens wird die durch die längere Schulausbildung entgangene Ausbildungsvergütung oder der entgangene Arbeitslohn teilweise kompensiert. Wir dürfen uns aber nicht nur auf monetäre Anreize beschränken: Weitere Maßnahmen, um Kindern aus bildungsfernen Schichten höhere Bildungsabschlüsse zu erleichtern, können individuelle Förderpläne mit Angeboten zu Sprachförderung,

Ferienakademien, Seminare, Schülerpraktika und eine persönliche Betreuung durch Mentoren sein. Kein Kind darf zurückbleiben, weil es nicht die entsprechende Förderung und Ermutigung findet, den bestmöglichen Bildungsabschluss zu erreichen. Wer den Willen und das Können, aber nicht die ausreichende elterliche Unterstützung hat und deshalb unter seinen Möglichkeiten bleibt, darf nicht allein gelassen werden, sondern muss individuell gefördert und ermutigt werden. Ein leistungsfähigeres Bildungssystem wird es nicht umsonst geben, sondern es bedarf einer klaren, auch finanziellen Schwerpunktsetzung. Wer Steuersenkungen zum Dogma erhebt, kann nicht die „Bildungsrepublik“ fordern. Damit das Ziel des deutschen Bildungsgipfels von 2008, bei dem beschlossen wurde, die Bildungsausgaben auf 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen, umgesetzt werden kann, muss steuerpolitisch die Grundlage dafür geschaffen werden. Durch den Ausbau von frühzeitiger Vorsorge, Investitionen in Erziehung und Bildung können Nachsorgeaktivitäten reduziert werden. Da sich diese Ausgaben weder gleich in positiven Ergebnissen niederschlagen noch sofort Ausgaben im nachsorgenden Bereich reduzieren helfen, ist der vorsorgende Sozialstaat also zunächst keine preiswerte Lösung. Er perspektive21

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thema – gemeinsinn und erneuerung

rentiert sich mittelfristig. Allerdings muss vermieden werden, dass Teilhabe und Chancengleichheit reine Zielbegriffe bleiben. Zudem ist es nicht Anliegen, die „soziale Frage“ komplett in der Bildungspolitik aufgehen zu lassen und damit das Thema der sozialen Gerechtigkeit vollständig von der gesamtpolitischen Re-

gulierung zu entkoppeln. Vielmehr gilt es, eine Befähigung zur Selbstgestaltung oder Emanzipation zu bewirken. Die Unterstützung und auch finanzielle Hilfeleistung für Einzelne auf dem Weg zu einem höheren Bildungsabschluss und dem Nutzen eigener Qualifikationspotentiale sind dazu unabdingbar. ■

GÜNTER BAASKE

ist Minister für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie des Landes Brandenburg. HOLGER RUPPRECHT

ist Minister für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg. 54

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wolfgang schroeder – arbeit für brandenburg

Arbeit für Brandenburg WARUM SICH ÖFFENTLICH GEFÖRDERTE BESCHÄFTIGUNG FÜR DEN STAAT RECHNET, DEN KOMMUNEN HILFT UND LANGZEITARBEITSLOSEN NEUE PERSPEKTIVEN GIBT VON WOLFGANG SCHROEDER

n den vergangenen fünf Jahren ist in Brandenburg etwas passiert, was kaum einer für möglich gehalten hat. Waren im Januar 2005 noch 276.000 Menschen ohne Arbeit, sind es fünf Jahre später 171.000. Das ist ein Rückgang von sage und schreibe 40 Prozent. Vor allem aber setzte sich dieser Rückgang auch in Zeiten fort, in der in den allermeisten Bundesländern die Arbeitslosigkeit in Folge der Wirtschafts- und Finanzkrise um bis zu 30 Prozent gestiegen ist. Die Entwicklung zeigt: Brandenburgs ökonomische Basis ist mittlerweile vielschichtig und weniger krisenanfällig als noch vor ein paar Jahren. Das Berliner Umland ist ein richtiger ökonomischer Kraftraum geworden, die Politik des „Stärken stärken“ zeigt erste Erfolge.

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Arbeitsmarkt im Umbruch Gleichwohl: Seit dem Fall der Mauer hat der Arbeitsmarkt in Brandenburg gravierende Umbrüche erlebt. Hundertausende Arbeitsplätze sind durch die Umstrukturierung unserer Wirt-

schaft und angesichts neuer Wettbewerbsbedingungen in Industrie, Tagebau und Landwirtschaft zunächst verloren gegangen. Dennoch konnten in den vergangenen 20 Jahren durch die Tatkraft der Brandenburgerinnen und Brandenburger sowie eine engagierte Arbeitspolitik viele Menschen auch wieder in Arbeit gebracht werden: Doch trotz dieser positiven Entwicklung müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass der Arbeitsmarkt auch in Brandenburg nicht in der Lage ist, ein ausreichendes Maß an Beschäftigung für alle zu gewährleisten. Denn die 170.000 Menschen ohne Arbeit sind immer noch zu viele. Und was noch viel bedrückender ist: Über 40.000 von ihnen gehören zu den Langzeitarbeitslosen, sind also seit über einem Jahr arbeitslos. Damit besteht für viele von ihnen die Gefahr, dass sie auch kurzoder mittelfristig keine realistische Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt haben werden. Die Ursachen liegen dabei weniger in individuellen Unzulänglichkeiten als in den Langfristfolgen der nur teilweise perspektive21

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geglückten Transformation in Ostdeutschland. Nicht mangelnde Leistungs- und Arbeitsbereitschaft verhindern in den meisten Fällen, dass die Betroffenen eine Zugangschance in den Arbeitsmarkt erhalten. Entscheidend sind vielmehr ein struktureller Mangel an Arbeitsplätzen und die reduzierte Beschäftigungsfähigkeit von Menschen aufgrund der Entwertung einmal erworbener Qualifikationen. In der Folge sind langzeitarbeitslose Menschen nicht nur von Erwerbsarbeit, sondern in vielfacher Hinsicht auch von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen. Schrille Polemik hilft nicht Arbeitslosigkeit ist nicht nur ein individuelles und ökonomisches Problem, Arbeitslosigkeit stellt auch eine zentrale gesellschaftliche Herausforderung dar. Wir müssen dafür kämpfen, dass Erwerbsarbeit als sozialintegratives Element unsere Gesellschaft weiterhin verbindet. Einerseits wird es auch in Zukunft Marktversagen und damit strukturell weniger Arbeitsplätze als Erwerbssuchende geben. Wir müssen uns aber auch der Tatsache stellen, dass es einem substanziellen Teil der Arbeitssuchenden trotz vielfältiger arbeitsmarktpolitischer Unterstützung mittelfristig nicht gelingen wird, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Auf diese Herausforderung wollen wir mit 56

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unserem öffentlich geförderten Beschäftigungsprogramm „Arbeit für Brandenburg“ eine arbeits- und gesellschaftspolitische Antwort geben. Denn Arbeit ist mehr als die Sicherung des Lebensunterhaltes: Sie wirkt integrierend und stiftet Sinn, sie schafft Anerkennung und Gemeinwohl und verhindert so die Entstehung sozial bedingter Parallelgesellschaften. Wir beziehen deshalb Position gegen die extremen Stimmen in der aktuellen sozialpolitischen Debatte, die Erwerbslose und Niedrigverdiener gegeneinander ausspielen. Sowohl die schrille Polemik gegen einen vermeintlich überbordenden Sozialstaat, als auch die rituellen Forderungen nach höheren Transferleistungen oder gar einem bedingungslosen Grundeinkommen befördern den Weg in eine zunehmend polarisierte Gesellschaft. So unterschiedlich diese beiden Positionen sind, sie haben eines gemeinsam: In beiden Szenarien wird das Ziel, möglichst vielen Menschen Erwerbstätigkeit zu ermöglichen, aufgegeben und damit der zentrale Antrieb für gesellschaftlichen Aufstieg blockiert. Zurück in die Mitte Statt zu spalten, wollen wir zusammenführen: Arbeit zu finanzieren ist sozial verantwortlicher und ökonomisch vernünftiger als für Arbeitslosigkeit zu bezahlen. Denn Arbeitslosigkeit belas-


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tet Menschen, die sich nicht gebraucht fühlen: Ökonomische, familiäre und gesundheitliche Problemlagen, die sich wechselseitig verstärken, können die Folge sein. Darüber hinaus werden die Sozialversicherungssysteme und die öffentlichen Haushalte belastet. Und drittens belastet Arbeitslosigkeit mittelund langfristig den Zusammenhalt und die gesellschaftliche Integrationsfähigkeit weit über das unmittelbar ökonomisch Messbare hinaus. So sind beispielsweise die Startchancen von Kindern weitaus schlechter, wenn deren Eltern arbeitslos sind. Deshalb nehmen wir vor allem drei Ziele für Brandenburg in den Blick: ■

SOZIALE INTEGRATION: Mit sozialversicherungspflichtiger Arbeit und existenzsichernder Entlohnung holen wir die Menschen vom sozialen Rand zurück in die Mitte der Gesellschaft. Nicht nur materielle Stabilität und Erhalt von Qualifikation, sondern Anerkennung, gesellschaftlich-kulturelle Teilhabe sind positive Effekte für die Betroffenen. AUSBAU DER KOMMUNALEN INFRASTRUKTUR: Mit zusätzlicher gemeinwohlorientierter Beschäftigung können auf kommunaler Ebene wichtige ergänzende Leistungen erbracht werden, zum Beispiel in der Jugendarbeit, bei der Betreuung älterer Menschen, im Tourismus oder dem kulturellen Angebot vor Ort. Das bestätigen die

Erfahrungen aus dem Programm „Kommunal-Kombi“. Mit ihm werden die „weichen“ Standortfaktoren in den Kommunen gestärkt. ■

STÄRKUNG DER REGIONALEN ÖKONOMIE: Durch das Landesprogramm

für öffentliche Beschäftigung werden die Einkommenssituation und damit auch die Kaufkraft verbessert, was unmittelbar die lokale Ökonomie stärkt. Gleichzeitig werden bei Langzeitarbeitslosen Voraussetzungen für eine mögliche neue Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt erhalten. Mindestens einem Teil der Teilnehmer wird bei entsprechender Förderung eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt gebaut. Damit wird zugleich ein Beitrag geleistet, den Fachkräftebedarf der Brandenburger Wirtschaft zu sichern. Ein neuer Ansatz Die Landesregierung will vor diesem Hintergrund bis 2014 mit einem Programm „Arbeit für Brandenburg“ bis zu 8.000 öffentlich geförderte Beschäftigungsverhältnisse mit existenzsichernder Entlohnung schaffen. Dafür werden 40 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt bereitgestellt. Ergänzt werden diese Mittel durch Bundes- und kommunale Mittel. Somit werden unter Nutzung bereits bestehender und weiterer noch zu schaffender Arbeitsmarktförderinstruperspektive21

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mente im gemeinwohlorientierten Bereich öffentlich geförderte, mehrjährige Arbeitsverhältnisse geschaffen, die sozialversicherungspflichtig sind und ein existenzsicherndes Einkommen gewährleisten. Denn Arbeitsmaßnahmen von lediglich wenigen Monaten, wie sie in der Regel im Rahmen von Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung („1-Euro-Jobs“) oder beim Programm „Aktiv für Arbeit“ finanziert werden, lösen die Probleme der Menschen nicht dauerhaft. Erfahrungen nutzen Deshalb haben wir in Brandenburg wie kein anderes Bundesland das Programm „Kommunaler Kombi“ genutzt: 4.000 der bundesweit 16.000 geschaffenen Stellen sind in der Mark entstanden. Beim Kommunal-Kombi können Städte und Gemeinden vom Bund drei Jahre lang maximal 500 Euro Lohnzuschuss monatlich erhalten, wenn sie einen Langzeitarbeitslosen mit zusätzlichen Tätigkeiten beschäftigten. Dass der Kommunale Kombi bundesweit nicht flächendeckend umgesetzt wurde, ist im wesentlichen mit zwei leicht zu korrigierenden Voraussetzungen begründet: die Zugangsvoraussetzungen waren zu eng gesteckt, indem das Programm nur in einer kleinen Zahl von Regionen mit sehr hoher struktureller Arbeitslosigkeit zur Verfügung gestellt wurde. Und gerade in diesen Regionen 58

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können die finanziell gebeutelten Kommunen nicht genügend Geld für die 50-prozentige Ko-Finanzierung aufbringen. Mit einer entsprechenden Weiterentwicklung bleibt das Programm erfolgsversprechend. Mit unserem neuen Landesprogramm wollen wir vor allem ältere Langzeitarbeitslose ansprechen. Sie sind in besonderem Maße betroffen: Von den 40.000 Langzeitarbeitslosen in Brandenburg sind 17.000 älter als 50 Jahre. Sie haben es besonders schwer, Zugang zum ersten Arbeitsmarkt zu finden. Wir können es uns nicht leisten, ihre Erfahrungen und ihr Wissen brach liegen zu lassen, sondern wollen ihre Lebensleistung anerkennen und ihnen eine soziale und berufliche Perspektive bieten. Um diese Ziele zu erreichen, müssen wir Realitäten anerkennen, ohne uns mit den Verhältnissen abzufinden. Dazu gehört die Bereitschaft, neue Konzepte zu entwickeln und Arbeits- und Sozialpolitik zusammenzudenken. Völlig klar ist: Wir wollen die Perspektive auf den ersten Arbeitsmarkt für alle offen halten – wir wissen aber, dass sie realistischer Weise nicht für alle und zeitnah das primäre Ziel sein kann. Die gemachten Erfahrungen in Brandenburg zeigen uns, dass Arbeitsmarktpolitik dann nicht den wirtschaftlichen und sozialen Realitäten unseres Landes entspricht, wenn sie ausschließlich unter der Prämisse einer raschen Inte-


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gration in den ersten Arbeitsmarkt betrieben wird. Wir verfolgen deshalb weiter den Weg, Perspektiven für ein existenzsicherndes Einkommen auch für jene Menschen zu schaffen, die über längere Zeiträume keine Chance auf ein reguläres Beschäftigungsverhältnis haben. Gleichzeitig wollen wir einem Teil der Älteren mit einer überjährigen Förderung einen einfacheren Übergang in die Rente ermöglichen. Prinzip der lernenden Politik In den vergangenen 20 Jahren sind in Brandenburg verschiedene Konzepte der öffentlich geförderten Beschäftigung realisiert worden – manche mit Erfolg, andere sind hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Jede Zeit braucht deshalb ihre eigenen Antworten, denn anders als in den neunziger Jahren hat Arbeitslosigkeit heute vielfach eine ganz andere Qualität: Heute sind viele Langzeitarbeitslose nicht nur seit 12 Monaten, sondern oftmals seit 12 Jahren oder länger ohne Beschäftigung. Qualifikationen und Kenntnisse entsprechen längst nicht mehr den heutigen Ansprüchen. Realistisch ist daher eine Arbeitspolitik, die weit langfristiger konzipiert ist und ihre Instrumente auf diese Perspektive ausrichtet. Wir wollen deshalb Kompetenzen und Erfahrungen nutzen, um Fehlsteuerungen zu vermeiden: Dazu gehört die intensive Auswertung vorheriger Mo-

delle und Ansätze (u.a. Arbeitsfördergesellschaften, § 249 h AFG) und die Berücksichtigung der neuen Rahmenbedingungen der Arbeitsmarktpolitik zwischen Bund und Ländern, die sich aus dem Sozialgesetzbuch II ergibt. Ebenso werden wir die Evaluierung des Kommunal-Kombis und des Berliner Programms „Öffentlich geförderter Beschäftigungssektor“ in unser Konzept mit einbeziehen. Wichtige Impulse für eine bessere Steuerung unserer eigenen Aktivitäten versprechen wir uns von einer unabhängigen wissenschaftlichen Begleitung unseres Programms. Wir setzen auf eine langfristige, kontinuierliche und intensive individuelle Betreuung zur stufenweisen Wiedererlangung der Beschäftigungsfähigkeit. Hier wollen wir Qualitätsstandards setzen, die sowohl für die Teilnehmer am Programm „Arbeit für Brandenburg“ als auch für die Träger eine neue Herausforderung darstellen werden. Vor allem muss mehr in die individuelle Betreuung investiert werden, speziell durch verbesserte Eingliederungsvereinbarungen. Die Erfahrungen zeigen, dass die Erfolgsaussichten öffentlich geförderter Beschäftigung besonders dann hoch sind, wenn sie von möglichst allen Arbeitsmarktakteuren mitgetragen werden. Dazu werden wir die Bundesagentur für Arbeit (Regionaldirektion Berlin-Brandenburg), die Grundsicherungsstellen (ARGEn und zugelassene kommunale Träger „Optionskommuperspektive21

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nen“), die Träger der Arbeitsförderung, Verbände und Vereine sowie die Sozialpartner und Kammern mit einbeziehen. Zentral für das Gelingen öffentlich geförderter Beschäftigung sind die Kommunen und die unmittelbaren Beschäftigungsträger: Sie können durch ihre lokale Kompetenz sinnvolle Einsatzmöglichkeiten gewährleisten und dabei helfen, Verdrängungseffekte innerhalb der lokalen Ökonomie zu vermeiden. Gleichzeitig profitieren die Kommunen von diesem Programm. Nicht nur, dass sich die Zahl der erwerbsfähigen Hilfeempfänger reduziert und damit die von den Kommunen getragenen Kosten für Unterkunft und Heizung eingespart werden können. Vor allem können die Kommunen mittels öffentlich geförderter Beschäftigung Maßnahmen in die Tat umsetzen, die sie aus eigener Kraft nicht finanzieren könnten. Der Mehrwert, der sich daraus ergibt, besteht in einer verbesserten sozialen und kulturellen Situation durch kommunale Infrastruktur. Mit dem Programm „Arbeit für Brandenburg“ entwickeln wir die aktive Arbeitsmarktpolitik von Regine Hildebrandt weiter. Ihr Motto war immer: „Wir wollen Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren“. In Zeiten

hoher Langzeitarbeitslosigkeit heißt das, dass wir viel individueller fördern müssen. Und dass wir realistischer weise akzeptieren, dass es für die Teilnehmer an „Arbeit für Brandenburg“ nicht ausschließlich um einen Übergang in den ersten Arbeitsmarkt geht und deshalb vor allem ältere Arbeitslose ein mehrjähriges Jobangebot erhalten. Mit „Arbeit für Brandenburg“ setzen wir auf Integration durch Anerkennung, Aktivierung und Leistung. Es geht darum, Arbeitslose wieder in die Mitte der Gesellschaft zurückzuholen und zugleich einen nützlichen Beitrag zur Förderung der lokalen Infrastruktur zu leisten. Das ist ein anspruchsvolles Konzept. Sowohl Teilnehmerinnen und Teilnehmer, als auch die Träger und die Politik werden sich gemeinsam an diesen Ansprüchen messen lassen müssen. Dazu gehört auch, dass die Bundesregierung zeitnah ihre Pläne für ein neues Bundesprogramm zur öffentlich geförderten Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen konkretisiert und realisiert. Die Langzeitarbeitslosen brauchen jede Unterstützung. Die Politik wiederum muss dafür sorgen, dass die zur Verfügung stehenden Mittel wirksam eingesetzt werden, um Menschen qualitativ zu fördern. ■

PROF. DR. WOLFGANG SCHROEDER

ist Staatssekretär im Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie des Landes Brandenburg. 60

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Von der Staats- zur Regierungspartei DIE ENTWICKLUNG DER LINKEN IN BRANDENBURG VON ERHARD CROME

er heutige Tag ist ohne den gestrigen nicht zu verstehen. Das gilt auch für Parteien, deren Mitglieder oft ein ausgeprägtes Langzeitgedächtnis hinsichtlich dessen haben, was einst beschlossen, getan oder nicht getan wurde. Dabei ist das Erinnerte nicht notwendig die Beschlusslage, sondern die Auseinandersetzung, die knappe Abstimmung, der Streit der Antragsteller auf einem Parteitag. In diesem Sinne haben Parteien als Organisationsgefüge in vielem den Charakter lebendiger Organismen. Das heißt auch, sie entwickeln sich – bei grundsätzlich gleichem Programm – im Zusammenwirken von Organisation, Politik nach außen und innen sowie Personal in verschiedenen Regionen durchaus unterschiedlich. In diesem Sinne kann man auch von einem Gesicht der Linken in Brandenburg sprechen, das sich von dem in Mecklenburg-Vorpommern, Berlin oder Nordrhein-Westfalen unterscheidet.

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WENDEHERBST. Der Beginn liegt im

I. Herbst 1989. In der DDR, einem

Land mit 16,5 Millionen Einwohnern,

hatte die SED, die Staatspartei kommunistischen Typs, 2,3 Millionen Mitglieder. (Die vier anderen Blockparteien hatten zusammen 1989 485.000 Mitglieder.) In der schärfsten Krise der DDR war sie jedoch nicht mehr eine wirkliche politische Partei, die als Ganzes hätte politisch handeln können. Risse und Spannungen, die die DDR-Gesellschaft durchzogen, gingen auf spezifische Weise auch durch die Partei. Die wachsende Spanne zwischen propagierten Zielen und täglich spürbaren Problemen hatte den praktizierten realsozialistischen Weg in einem Maße entzaubert, dass auch innerhalb der SED die Akzeptanz der gemachten Politik immer weiter zusammenschmolz. Es wuchs die Stimmung in der Partei, für die Honecker-Führung keinen Finger mehr zu rühren, vor allem auch unter jenen, die es mit dem sozialistischen Ideal ernst meinten. Die Zeitgleichheit der Krisen- und Reformprozesse in den anderen osteuropäischen Ländern wies auf den übergreifenden, nicht DDRspezifischen Hintergrund der Krise hin. Gorbatschows Perestroika hatte Denkperspektive21

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anstöße gegeben. Die wurden auch in der SED als auf die Grundstrukturen des realsozialistischen Systems, nicht nur auf diese oder jene Variante seiner Praktizierung zielend aufgenommen. Die Hauptlinie der Auseinandersetzung innerhalb der SED verlief bis zum Herbst 1989 zwischen den Trägern des orthodoxen und verknöcherten, auf Abgrenzung gegenüber Gorbatschow und der Perestroika zielenden Kurses Erich Honeckers einerseits und den Gegnern dieses Kurses andererseits. Letztere waren verstreut, nicht organisiert, in vielem furchtsam, von falscher Loyalität oder Disziplin gegenüber der Partei und damit deren Führung geleitet, inkonsequent und unentschlossen. Der Führungsanspruch fällt Zum Sturz der Honecker-Führung gab es eine breite Übereinstimmung unter den reformwilligen Kräften in der SED und ihrem Umfeld. Die Demonstrationen der SED-Parteimitglieder im Berliner Lustgarten und vor dem ZKGebäude trugen zu dem Beschluss über die Einberufung des Außerordentlichen Parteitages der SED sowie zum Abtreten von Egon Krenz und der gesamten alten Parteiführung bei. Hier war besonders bedeutsam die Kundgebung von etwa 50.000 Parteimitgliedern vor dem ZK-Gebäude am Abend des 8. November 1989, während im 62

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Hause noch die 10. Tagung des ZK stattfand; sie forderte, endlich den Sonderparteitag der SED einzuberufen, um den schon seit längerem eine politische Auseinandersetzung geführt wurde. Es existierte jedoch kein neuer Ansatz, auf dem eine neue Politik zur Stabilisierung des Realsozialismus in der DDR hätte aufbauen können. Am 9. November fielen dann die Mauer und im Dezember 1989 die Parteiherrschaft: Am 1. Dezember 1989 wurde der Führungsanspruch der SED aus der Verfassung der DDR gestrichen, am 7. Dezember trat erstmals der Zentrale Runde Tisch zusammen. Der Außerordentliche Parteitag der SED (1. Session) tagte am 8. und 9. Dezember 1989 in Berlin; die SED wurde zur „Partei des Demokratischen Sozialismus“. Es gelang nicht mehr, eine Debatte über Wege einer moderneorientierten Gesellschaftsreform durchzusetzen. Vorstellungen eines „Dritten Weges“ stellten die Formel dar, um unterschiedliche Reformvorstellungen in der Partei miteinander zu verbinden. Für die nun tonangebenden Kräfte in der Partei wurde diese ein eigengewichtiger Wert, wie auch immer die Gesellschaft sich entwickeln mochte. Mit dem auf dem Außerordentlichen Parteitag verbreiteten Argument, man müsse die Regierungsfähigkeit der Modrow-Regierung sichern und dürfe daher nicht die „Regierungspartei“ auflösen, verneinten die SED-Reformer


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die Möglichkeit, auf die Bürgerbewegung zuzugehen, um gemeinsam die DDR auf eine andere, demokratische Grundlage zu stellen. Die anderen Blockparteien näherten sich in der Zwischenzeit ihren westdeutschen Pendants an. Die Volkskammerwahl am 18. März 1990 entschied schließlich über die rasche Herbeiführung der deutschen Einheit. Teil und Ergebnis des Umbruchs Nicht die kritischen oder reformerischen SED-Mitglieder haben die großen Wandlungen in der DDR, in Deutschland herbeigeführt, sondern die demokratische Opposition in der DDR, schließlich das Volk, gestützt auf die weltpolitischen Veränderungen im Gefolge von Gorbatschows Perestroika-Politik. Dennoch haben sie ihrerseits dazu beigetragen, dass die SED im Herbst 1989 nicht mehr als Instrument einer stalinistischen Politik verwendbar war. Die Wendung hin zum „demokratischen Sozialismus“, die aus den Reihen der SED heraus entstand und zur PDS geführt wurde, war die Konsequenz dieser Entscheidung des Herbstes 1989. Das schloss als selbstverständlich ein, das demokratische Votum der Wähler zu akzeptieren. Die PDS selbst war somit Teil und Ergebnis der Umbrüche 1989/1990. Innerhalb weniger Monate, ja Wochen

war sie von der allwissenden, befehlenden Staatspartei zu einer suchenden Partei geworden, die sich am demokratischen Parteienwettbewerb um Wählerstimmen beteiligte. So wurde sie auch hinsichtlich der Mitgliederzahl eine andere Partei, als es die SED noch bis zum Herbst 1989 war. Die einen traten aus, weil die SED früher undemokratisch Befehle gab, andere, weil sie es nicht mehr tat: 1990 hatte sie noch etwa 285.000 Mitglieder, 1991 ca. 173.000 Mitglieder, 1992 147.000, im Jahre 2000 83.000 und 2004 61.000 Mitglieder. Nach den Austrittswellen Anfang der neunziger Jahre spielte später vor allem das Altersproblem eine Rolle: Es gab zwar Neueintritte von jungen Leuten, aber die Zahl der verstorbenen Mitglieder lag höher. RICHTUNGSENTSCHEIDUNGEN. Im

II. Januar 1990 gab es innerhalb der SED/PDS noch einmal eine zugespitzte Auseinandersetzung um die Frage, die Partei aufzulösen und neu zu gründen, oder nach der Umbenennung in PDS die weitere Veränderung im Rahmen des bestehenden organisatorischen Rahmens voranzutreiben. Wolfgang Berghofer, damals Oberbürgermeister von Dresden und stellvertretender Vorsitzender der PDS, trat für die Auflösung der Partei ein und betrieb einen Übertritt (nicht nur seiner Person, sondern eines beträchtlichen Teils der Mitgliedschaft der damaligen SED/PDS) in perspektive21

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die neugegründete Sozialdemokratische Partei der DDR. Diese lehnte die Aufnahme ehemaliger SED-Mitglieder jedoch ab. Die SPD sagt nein Damit waren die unterschiedlichen Reformergruppen, wollten sie in der auslaufenden DDR oder dem sich abzeichnenden vereinigten Deutschland politisch aktiv bleiben, auf die PDS verwiesen. Die SPD mühte sich danach um ein Profil gegen die PDS und hatte bewusst auf ein zahlenmäßiges und intellektuelles Potential verzichtet, das ihr in Bezug auf die politische Meinungsführerschaft in Ostdeutschland hätte dienlich sein können. Brandenburg wurde das einzige Bundesland im Osten, in dem die Sozialdemokraten dauerhaft eine strukturelle Stärke erreichen konnten. In Sachsen und Thüringen wurden sie auf den Status einer dritten Kraft (nach CDU und PDS) marginalisiert. Bei der Bewertung dessen wird die Grundsatzentscheidung von 1990 meist ausgeblendet; wäre die Sozialdemokratie in der DDR im Winter und Frühjahr 1990 für den aus der SED kommenden Reformflügel offen gewesen, hätte die SPD eine größere Reichweite gehabt und die Rest-SED hätte einen eher nostalgischen und orthodox-programmatischen Zuschnitt gehabt und nicht den einer auf eine moderne 64

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Politikausrichtung orientierten linkssozialistischen Partei, die die PDS dann annahm. Die besondere strukturelle Stärke der SPD in Brandenburg war aber nicht mit einer dauerhaften Schwäche der PDS verbunden. Im Gegenteil, die PDS wurde langfristig die zweitstärkste politische Kraft des Landes, die im Grunde immer wieder mit der SPD um den ersten Platz konkurrierte. Hier war es die CDU, die schließlich auf den dritten Platz verwiesen wurde. Wachsende Zustimmung ab 1993 Der – auch bundesweit bedeutsame – Durchbruch erfolgte mit der Kommunalwahl am 5. Dezember 1993 in Brandenburg. Bei der Landtagswahl in Brandenburg am 14. Oktober 1990 hatte die PDS 13,4 Prozent der Wählerstimmen erreicht, bei der Bundestagswahl am 2. Dezember 1990 11 Prozent. Damals gingen nicht nur Bundeskanzler Helmut Kohl und die Bundes-CDU davon aus, die PDS sei lediglich ein nostalgischer Nachhall des DDR-Sozialismus und werde bald verschwinden. Bei der Brandenburgischen Kommunalwahl 1993 nun stieg ihr Anteil auf 21,2 Prozent und lag damit deutlich höher, als bei den vorherigen Bundestags- und Landtagswahlen – auch wenn die Wahlen der unterschiedlichen Ebenen nicht direkt vergleichbar sind und die Wahlbeteiligung niedriger


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lag. Das hatte weit über Deutschland hinaus Interesse gefunden.1 Mit den Landtagswahlen 1994 im Osten wurde deutlich, dass dies der Vorbote eines breiteren und längerfristigen Trends gewesen war: in Brandenburg erreichte die PDS bei den Landtagswahlen am 11. September 1994 18,71 Prozent der Stimmen und lag fast gleichauf mit der CDU, die 18,72 Prozent erhielt; für die SPD war es die Wahl mit der absoluten Mehrheit von 54,14 Prozent. Insofern ist Brandenburg der Beweis dafür, dass es nicht ein begrenztes „sozialistisches“ Wählerlager (so der Begriff des Politikwissenschaftlers Karl Rohe) gibt, in dem Wahlerfolge zugunsten der PDS bzw. jetzt der Linken zu Lasten der SPD gehen und umgekehrt, sondern dass es möglich ist, dass beide stark sind, und zwar auf Grund eigener Programmatik und mit jeweils eigener Stammwählerschaft. Allerdings ist dies nicht ein symbiotisches Verhältnis, sondern eines, in dem jede Seite ihr eigenes Profil pflegen muss. So regierte in MecklenburgVorpommern 1998 bis 2006 über zwei Legislaturperioden eine SPD-PDSKoalition, die von der SPD 2006 aufgekündigt wurde, nicht aus programmatischen Gründen oder weil die PDS bzw. die Linke so viele Stimmen verlo1 Die Zeitschrift German Politics in London hatte damals ausdrücklich um eine Analyse aus Brandenburg gebeten: Vgl. Erhard Crome, Jochen Franzke, The 1993 Local Elections in Brandenburg; in: German Politics, August 1994, S. 277-284.

ren hatte, sondern weil sie selbst gegenüber dem Wahlergebnis von 2002 über zehn Prozent der Stimmen verloren hatte, während die Linke prozentual etwa gleich geblieben war, aber aus der Sicht der Landes-SPD das Sitzverhältnis im Landtag zu knapp erschien, um weiter mit der PDS bzw. der Linken regieren zu können, und sich die SPD für eine Koalition mit der CDU entschied, die schwächer als die SPD, aber stärker als die Linke war. PDS.

Die Bildung der Landes-

III. verbände der PDS erfolgte parallel zur Bildung der Länder. Die Präsidien der Parteiorganisationen der Bezirksverbände Potsdam, Cottbus und Frankfurt (Oder) bildeten im April 1990 einen Koordinierungsrat, der aus je drei Vertretern der Bezirke bestand und die Zusammenführung zu einem Landesverband vorbereitete. Am 16. und 17. Juni konstituierte sich dann die Landeskonferenz zum ersten Landesparteitag der PDS für das Land Brandenburg. Er wählte einen Landesvorstand, der aus 53 Mitgliedern bestand, Vorsitzender wurde Heinz Vietze, der zuvor Bezirksvorsitzender in Potsdam war. Ende Dezember 1990 hatte der PDS-Landesverband 46.262 Mitglieder. Noch im Herbst 1990 waren zwei Wahlen zu bestreiten. Bei der Landtagswahl am 14. Oktober erreichte die „PDS-Linke Liste“ 14,3 Prozent der Erststimmen und 13,4 Prozent der perspektive21

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Zweitstimmen und damit 13 Sitze im Brandenburger Landtag. Fraktionsvorsitzender wurde Lothar Bisky, der als Spitzenkandidat angetreten war, Parlamentarischer Geschäftsführer Heinz Vietze. Bei den Bundestagswahlen am 2. Dezember erhielt die „PDS-Linke Liste“ 11,78 Prozent der Erststimmen und 11,03 Prozent der Zweitstimmen; drei brandenburger Abgeordnete zogen in den Deutschen Bundestag ein, darunter Dagmar Enkelmann, die als Spitzenkandidatin angetreten war. Die Brandenburger Troika Die Brandenburger PDS wurde in den neunziger Jahren durch das Zusammentreffen von drei Menschen besonders geprägt. Das waren der aus der SED kommende Berufspolitiker Heinz Vietze und der Rektor der Babelsberger Filmhochschule, Prof. Dr. Lothar Bisky, der zu den querdenkerischen Rednern auf der berühmten Kundgebung der 700.000 Menschen am 4. November 1989 in Berlin gehört hatte. Dritter im Bunde war Prof. Dr. Michael Schumann, ursprünglich Philosophieprofessor an der Babelsberger Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft der DDR, der auf dem Außerordentlichen Parteitag der SED im Dezember 1989 das für die gesamte weitere Entwicklung der Partei wichtige Referat: „Wir brechen unwiderruf66

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lich mit dem Stalinismus als System!“ vorgetragen hatte. Lothar Bisky war von 1990 bis 2005 Mitglied des Brandenburger Landtages, bis 2004 Vorsitzender der PDS-Landtagsfraktion und 2004-05 Vizepräsident des Landtages. Von 1993 bis 2000 und 2003 bis 2007 war Bisky Bundesvorsitzender der PDS, dann einer der beiden Vorsitzenden der Partei Die Linke. Heinz Vietze hatte die Verantwortung des Parlamentarischen Geschäftsführers der Landtagsfraktion bis 2007 inne, bis er nach seinem 60. Geburtstag alle Parteiämter abgab. Michael Schumann war bis zu seinem plötzlichen Tod am 2. Dezember 2000 nicht nur Parlamentarier in Brandenburg, sondern auch Mitglied des Parteivorstandes der PDS, einer der wirklichen Vordenker der Partei, der Arbeit an der Theorie immer auch mit politisch eingreifendem Handeln verband. Alle drei hatten dem brandenburger Landesverband der PDS ein spezifisches Gepräge gegeben. Ausgleichend und stark Lothar Bisky schreibt auf seiner Webseite, er habe als Parteivorsitzender stets von seinen „Brandenburgischen Wurzeln profitiert“. Der Weg der PDS seit Beginn der neunziger Jahre bis zur heutigen Situation der Linken war keineswegs vorgezeichnet, sondern mit vielen Auseinandersetzungen – in der


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Konkurrenz mit den anderen demokratischen Parteien und innerhalb der PDS – verbunden. Bisky übernahm erstmals den Vorsitz der Partei, als Gregor Gysi 1993 die Doppelbelastung als Partei- und Fraktionsvorsitzender im Bundestag nicht mehr tragen konnte oder wollte. Als Bisky die Verantwortung 2000 an die jüngere Gabi Zimmer abgab, hoffte er, das Feld bestellt zu haben. Nachdem die PDS jedoch im Jahre 2002 den Wiedereinzug als Fraktion in den Bundestag verpasst hatte und nach dem Parteitag in Gera im Oktober 2002 in heftige Flügelkämpfe geriet, wurde Lothar Bisky 2003 auf einem außerordentlichen Parteitag erneut zum Parteivorsitzenden gewählt. Zuvor waren es der Brandenburger Landesverband und sein damaliger Vorsitzender, Ralf Christoffers, die den Ausschlag zur Einberufung jenes außerordentlichen Parteitages und zum Rücktritt von Gabi Zimmer als Parteivorsitzende gegeben hatten. Die Brandenburger PDS hatte in den politischen Kämpfen innerhalb der PDS immer eine ausgleichende und starke Rolle, die sie bewusst zur Erhaltung der Partei, ihres Zusammenhalts und ihrer Weiterentwicklung eingesetzt hat. Lothar Bisky konnte sich innerhalb der Bundespartei immer darauf verlassen, dass die Brandenburger Partei hinter ihm stand, und Heinz Vietze, Michael

Schumann – bis zu seinem frühen Tod – und viele andere trugen dazu bei, dass das so sein konnte. Diese Rolle wirkte auf die Brandenburger PDS zurück. Zugleich war und ist sie stark in den Kommunen verankert und machte auch aus der Opposition heraus stets eine sachorientierte, zielstrebige Landespolitik. DIE LINKE. Der Fusionsprozess

IV.von Linkspartei und WASG, die Neugründung der Linken boten auch in Brandenburg die Möglichkeit, neue inhaltliche Grundlagen der Politik zu diskutieren. Es ging darum, nicht einfach die Programme von Linkspartei und WASG weiter zu verfolgen, sondern im Diskussionsprozess etwas Neues zu schaffen, das zugleich öffentlich wahrgenommen wird. Dazu hat auch die Debatte des neuen Leitbildes für Brandenburg beigetragen, die seit 2006 geführt worden ist. Dabei ging es, wie Sascha Krämer von der Politikberatung Babelconsult auf dem Landesparteitag der Linken im Januar 2008 sagte, nicht um ein Papier, das „stromlinienförmig wird und letztlich allen passt... Mit Themen wie Mindestlohn, Ökologie und Daseinsvorsorge wurde das Profil geschärft und die Idee der Teilhabe konkreter gemacht. Ein Abschnitt zum Rechtsstaat kam hinzu, die Geschichte der DDR wurde differenzierter formuliert und das Verhältnis zu Berlin aktualisiert.“ perspektive21

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Die Brandenburger Linke hatte sich systematisch und zielstrebig auf die Wahlen des Jahres 2009 vorbereitet. Bei der Bundestagswahl am 27. September 2009 wurde sie mit 28,5 Prozent der Zweitstimmen erstmals stärkste Partei im Land, vor der SPD mit 25,1 Prozent und der CDU mit 23,6 Prozent; zum ersten Mal erreichte sie auch vier der zehn Brandenburger Direktmandate. Bei der Landtagswahl, ebenfalls am 27. September, erhielt die Linke 27,2 Prozent hinter der SPD mit 33 Prozent und vor der CDU mit 19,8 Prozent. Stasi-Akten kommen ans Licht Die Bildung der rot-roten Landesregierung war damit eine logische Konsequenz des Wahlergebnisses. Die Linke hat für die vier Ministerämter Personen aufgestellt, an deren Fachkompetenz kein Zweifel bestehen konnte. Das Regieren in Brandenburg hat wieder nicht nur eine landespolitische, sondern auch eine bundespolitische Bedeutung für die Linke. Die Frage, ob es linke Regierungsbeteiligung geben kann, die trotz der obwaltenden Bedingungen mit Globalisierung, Finanzkrise und kontraproduktiver Haushaltspolitik der Bundesregierung erfolgreich ist, beantwortet sich damit nicht auf einer ideologischen oder theoretischen Ebene, sondern praktisch. 68

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Getrübt wurde der Beginn der Koalition dadurch, dass die BirthlerBehörde zeitgleich Stasi-Akten von Abgeordneten, vor allem der Linken, öffentlich gemacht hatte. Dazu hatte beigetragen, dass es in Brandenburg seit den neunziger Jahren keine Regelüberprüfung der Abgeordneten gegeben hatte. Die Partei hatte von den Mitgliedern erwartet, dass sie entsprechende Verstrickungen vor der Kandidatur öffentlich machen, diese hatten das jedoch nicht in allen Fällen getan – es schien ja folgenlos zu sein. Diese Bedingungen sind jetzt verändert worden. Zugleich haben die Auseinandersetzungen um diese Problematik gezeigt, dass Geschichte immer wieder zum Mittel aktueller politischer Auseinandersetzungen gemacht wird. Die Linke Brandenburgs hat daher die Beschlüsse der PDS von 1991 und 1993 zum offenen Umgang mit den Biographien der Kandidaten bekräftigt. In der Verantwortung Die Linke hat bundesweit – so die Zahlen des Bundesvorstandes von Ende 2009 – 75.889 Mitglieder, darunter 9.127 aus Brandenburg. Damit ist der Brandenburger Landesverband der zweitstärkste, nach Sachsen und vor Berlin und Nordrhein-Westfalen. Die Analyse der Wahlergebnisse in Brandenburg zeigt, dass es keine signifikanten Unterschiede im Wahlverhal-


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ten zwischen den Gegenden des Landes gibt, wo überwiegend „Ossis“ leben, und denen im „Speckgürtel“ Berlins, wo ein weitgehender Bevölkerungsaustausch stattgefunden hat. Das deutet darauf hin, dass wir es nicht nur partei-

politisch mit einer neuen Lage zu tun haben. Das Parteiensystem ist als Fünfparteiensystem etabliert; im Osten ist die Linke Volkspartei, und als solche trägt sie in Brandenburg jetzt auch Regierungsverantwortung. ■

DR. HABIL. ERHARD CROME

ist Politikwissenschaftler aus Berlin. perspektive21

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HERAUSGEBER

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SPD-Landesverband Brandenburg Wissenschaftsforum der Sozialdemokratie in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern e.V.

REDAKTION

Klaus Ness (V.i.S.d.P.), Thomas Kralinski (Chefredakteur), Ingo Decker, Dr. Tobias Dürr, Klaus Faber, Tina Fischer, Klara Geywitz, Lars Krumrey, Christian Maaß, Till Meyer, Dr. Manja Orlowski, John Siegel ANSCHRIFT

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märz 2010 – heft 44


DAS DEBATTENMAGAZIN Wie werden wir im 21. Jahrhundert leben? Die alten Lösungen taugen nicht mehr, die neuen kommen nicht von selbst. Die Berliner Republik ist der Ort für die wichtigen Debatten unserer Zeit: progressiv, neugierig, undogmatisch. Weil jede Zeit ihre eigenen Antworten braucht.

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Die Berliner Republik erscheint alle zwei Monate. Sie ist zum Preis von 5,- EUR zzgl. Versandkosten als Einzelheft erhältlich oder im Abonnement zu beziehen: Jahresabo 30,– EUR; Studentenjahresabo: 25,– EUR Jetzt Probeheft bestellen: Telefon 030/255 94-130 Telefax 030/255 94-199, E-Mail vertrieb@b-republik.de


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Seit 1997 erscheint „perspektive 21 – Brandenburgische Hefte für Wissenschaft & Politik“. Wenn Sie Interesse an bisher erschienenen Ausgaben haben, können Sie ältere Exemplare auf unserer Homepage www.perspektive21.de als pdf herunterladen. Einzelne Exemplare von bisher erschienenen Ausgaben schicken wir Ihnen gerne auch auf Wunsch kostenlos zu. Senden sie uns bitte eine E-Mail an perspektive-21@spd.de. Zur Zeit sind folgende Titel lieferbar: Heft 17 Ende der Nachwendezeit. PDS am Ende? Heft 18 Der Osten und die Berliner Republik Heft 19 Trampolin oder Hängematte? Die Modernisierung des Sozialstaates Heft 20 Der Letzte macht das Licht aus? Heft 21/22 Entscheidung im Osten: Innovation oder Niedriglohn? Heft 23 Kinder? Kinder! Heft 24 Von Finnland lernen?! Heft 25 Erneuerung aus eigner Kraft Heft 26 Ohne Moos nix los? Heft 27 Was nun Deutschland? Heft 28 Die neue SPD Heft 29 Zukunft: Wissen Heft 30 Chancen für Regionen Heft 31 Investitionen in Köpfe Heft 32 Auf dem Weg ins 21. Jahrhundert Heft 33 Der Vorsorgende Sozialstaat Heft 34 Brandenburg in Bewegung Heft 35 10 Jahre Perspektive 21 Heft 36 Den Rechten keine Chance Heft 37 Energie und Klima Heft 38 Das rote Preußen Heft 39 Osteuropa und wir Heft 40 Bildung für alle Heft 41 Eine neue Wirtschaftsordnung? Heft 42 1989 - 2009 Heft 43 20 Jahre SDP


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