Die totale Privatisierung . Ein gescheiterter Wahn/ La privatizzazione totale. Una pazzia fallita

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Oskar Peterlini

Die totale Privatisierung La privatizzazione totale

Ein gescheiterter Wahn Una pazzia fallita Prokopp & Hechensteiner




Oskar Peterlini

Die totale Privatisierung La privatizzazione totale Ein gescheiterter Wahn Una pazzia fallita

Prokopp & Hechensteiner


Vortrag, gehalten am 9. April 2010 am Landeskongress der Autonomen Gewerkschaftsorganisation der Gebietskörperschaften AGO Relazione, tenuta il 9. aprile 2010 al congresso provinciale dell‘organizzazione Sindacale Autonoma degli enti locali AGO

© 2012 Oskar Peterlini und Prokopp & Hechensteiner KG St. Pauls bei Bozen www.prokopp-hechensteiner.com Alle Rechte vorbehalten Gesetzt aus der Strada von Albert Pinggera und der Marat von Ludwig Übele ISBN: 978-88-6069-010-4 Printed in Italy


Das Spannungsfeld zwischen öffentlich und privat 10 Die Suche nach dem richtigen Weg 10 Keine Beleidigungen, Herr Minister 10 La speranza di una mano invisibile 11 Laissez faire, laissez passer 12 Panik an der Börse 12 La necessità dell’ intervento pubblico 13 Die soziale Marktwirtschaft 14 Die Krise des Wohlfahrtstaates 15 La bolla speculativa e le patologie dei mercati finanziari 16 Der Zusammenbruch der ›new economy‹ 18 Schon 2003 Neuordnung der Finanzmärkte gefordert 18

Die Entwicklung der Bevölkerung und die Rentenfalle 21 Zuerst die schlechte Nachricht: Immer weniger junge Menschen 21 Le nascite sono crollate 21 Die gute Nachricht: Wir leben immer länger 21 Il peso demografico 22 Südtirol hat vorgebaut 23 Zweites Standbein ja, aber nicht ohne öffentliche Vorsorge 23 Obamas Mondlandung 24 Eine neue Politik notwendig 25 Staat und Sozialpartner werden zurückgedrängt 26 Die Neoliberale Welle 26 Zusammengebrochen wie ein Kartenhaus 28

Die Privatisierung der öffentlichen Dienste 29 Von Europa kommt die Privatisierung, aber nicht fürs Wasser 29 Was sagt Europa? 29


Il Parlamento Europeo insiste anche nel 2006: l acqua un bene comune 31 Das EU-Parlament erneut: Wasser soll öffentlich bleiben 31 Il Parlamento europeo nel 2009: l’acqua un bene pubblico 33 Le direttive UE 34 In Italia – passo dopo passo verso la privatizzazione 35 I punti chiave della legge del 2008 36 La legge del 2009 rafforza il carattere privatistico 36 In sintesi la nuova normativa prevede: 37 Liberalisierung öffentlicher Dienste: Regierung stellte Vertrauensfrage 38 Protest in Südtirol 39 Sogar Zivilschutz sollte privatisiert werden. 40 Der Angriff auf den öffentlichen Dienst 41 Die Ursachen sind vielfältig 42 Vorwurf der mangelnden Effizienz 43

In Rom: Geht’s nur um die Autonomie? 46 Die Arbeit in Rom – Grundsätze notwendig 46 Aushöhlung der Demokratie 46 Südtirol sollte auf der Hut sein 50 Berührt uns die staatliche Politik nicht? 52 Schule – die Gelmini Reform und die Berufsmatura 53 Vorbildliche Schule und Berufsausbildung in Südtirol 53 Aber die Fach- und Berufsschulen waren eine Sackgasse 53 Die Stromautonomie in Rom 54 Zurück zur Berufsmatura 55 Matura für Landesschulen 56 Keine Euphorie für Schulreform 57

Sozialleistungen nicht abbauen 58 Diese Regierung stellt soziale Errungenschaften in Frage 58 Sozial engagiert aber nicht Linksaußen 59


Nicht kriechen – sachlich arbeiten 60 Partnerschaft statt Kommunismus 61 Die Unzufriedenheit im Lande 62 Zum Neoliberalismus in Südtirol 63 Rationalisieren ja, soziale Sicherheiten abbauen nein 64 Sozialverbände müssen sich neu aufstellen 64 Die Armut im Lande 65 Die vielen Sonderausgaben 65 Die Armut im Alter 66 Einkommen erhöhen, Steuern senken 67 Gerechte Einkommens- und Vermögensbewertung 68 Soziale Mittel an jene, die sie wirklich brauchen 68 Autonomie braucht Subsidiarität 69 Autonomie braucht Garantien für die Bürger 69 Steuerkontrollen mit Vernunft, aber Toleranz Null für Hinterziehung 70 Öffentlicher Informationsdienst: Keine Hofberichterstattung 71 Sozialer Aufbruch notwendig 72

Zusammenfassung 74



Sehr geehrter Herr Vorsitzender Robert Holzer, sehr verehrte Ehrengäste! Gentili ospiti e delegati! Un cordiale saluto a tutti. Una parte della mia relazione la svolgerò in lingua tedesca e una parte in lingua italiana, per venire incontro alle esigenze un po’ di tutti, senza dover tradurre ogni parte, come mi è anche stato chiesto dagli organizzatori. Una seconda precisazione. Ci tenevo ha lasciarvi la mia relazione che ho preparato su questo tema delicato per iscritto in modo completo. Ma niente paura: non leggerò tutta la relazione ma mi concentrerò sui punti essenziali. Liebe Delegierte! Ich freue mich bei Euch zu Gast zu sein und zu diesem herausfordernden Thema Stellung nehmen zu können. Es gibt mir nämlich Gelegenheit, zu Grundsätzen der Politik und der Sozialpolitik im Besonderen Stellung zu nehmen. Ich hatte das Thema ursprünglich ›Die totale Privatisierung – eine gescheiterte Hoffnung‹ genannt. Bei der Ausarbeitung habe ich schließlich beschlossen es umzubenennen in ›Die totale Privatisierung – ein gescheiterter Wahn‹, weil aus der totalen Privatisierung leider ein Wahn geworden ist.

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Das Spannungsfeld zwischen öffentlich und privat Die Suche nach dem richtigen Weg Wir wollen aber auch nicht eine Schwarz-Weiß Malerei betreiben, das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Es gibt durchwegs Bereiche, in denen die Privatinitiative bessere Erfolge erzielt, und die sollen dann auch privat bleiben. Und es gibt Bereiche wo der Staat oder das Land nichts, aber schon gar nichts zu suchen haben, wie beispielsweise das Thermenhotel in Meran. Der öffentliche Dienst wurde auch in Misskredit gebracht. Es gibt auch Ursachen dafür, weil nicht alles, was öffentlich war und ist, auch vorbildlich funktioniert. Manchmal fehlen die Kontrollmechanismen, der Leistungsbezug, die Effizienz, die Kostenkontrolle. Das sollten wir offen zugeben, um den richtigen Weg des Ausgleiches zwischen öffentlich und privat zu finden. Aber es gibt öffentliche Dienste, die vorbildlich funktionieren, die den Bedürfnissen der Bürger entsprechen, die kostengünstig sind und vor allem, nicht den reinen Profit, sondern das Allgemeinwohl im Auge haben. Keine Beleidigungen, Herr Minister Minister Renato Brunetta hat neulich die öffentlich Bediensteten, als Faulenzer (fannulloni) bezeichnet und hat zu Recht eine Welle des Protestes geerntet. Wie kommt schon eine Minister dazu, der selbst ein Staatsdiener sein sollte, wenn auch auf höchstem Niveau, alle zu beleidigen, die sich in öffentlichen Betrieben, in Schule, Gemeinde Land oder Staat für die Allgemeinheit einsetzen und pflichtbewusst ihren Dienst erfüllen? Ich sage deshalb hier allen Bediensteten, Beamten und Lehrern meinen Dank und meine Anerkennung, ganz persönlich und im Namen der Bevölkerung, die ich die Ehre habe zu vertreten.

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Brunetta hätte vielmehr sagen müssen, 97 Prozent arbeiten fleißig und mit Einsatz. Und die zwei, drei Prozent, die sich drücken, die sich ungerechtfertigt krank schreiben lassen, die nur Kaffee trinken gehen und keine Leistung erbringen, tun dies zu Lasten der anderen, und deshalb wird das nicht mehr geduldet. So hätte er glaubwürdig bleiben können und er hätte den Nagel auf den Kopf getroffen. Schwarze Schafe gibt es überall, aber deshalb darf man nicht alle anderen beleidigen. Aber die schwarzen Schafe haben vielfach auch dazu beigetragen, den gesamten öffentlichen Dienst, bei dem man sich vielleicht besser als in privaten Betrieben verstecken konnte (die Italiener sagen imboscare) in Misskredit zu bringen. Sie haben damit auch die Welle der Privatisierung gefördert. Il pubblico impiego, nel quale migliaia di persone lavorano con tanto impegno, serietà e diligenza non può essere offeso in questo modo volgare. Sono poche le pecore nere, e sarebbero da chiamare nome per nome, perché danneggiano gli altri e l immagine di tutto il settore pubblico. Chi lo ritiene un rifugio nel quale imboscarsi per non fare niente, ha contribuito – come tanti altri fattori all’ ondata della privatizzazione. La speranza di una mano invisibile La tensione tra il pubblico e il privato non è nuova. Ma la storia purtroppo, spesso si ripete senza che l’umanità ne avesse tratto la lezione. Era nel 1776, oltre 230 anni fa, quando il grande economista scozzese Adam Smith pubblicò la sua indagine più importante, sulla Ricchezza delle nazioni. Uno dei suoi concetti più equivocati è quello della mano invisibile. Nella vulgata si è imposta l’idea che Adam Smith con la mano invisibile abbia inteso dire che il mercato deve essere lasciato a se stesso perché raggiunge automaticamente un equilibrio virtuoso. La mano invisibile è diventato l’argomento principe in favore di politiche di laissez-faire, fino ai neoliberisti.

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Laissez faire, laissez passer La locuzione francese significa ‹ lasciate fare, lasciate passare ›. Espressione del liberismo economico, venne ripresa da Adam Smith a sostegno della teoria secondo la quale la partecipazione dello Stato nell’economia privata ottiene effetti dannosi. Il laissez-faire è un principio proprio del liberismo economico, contro ogni intervento dello Stato. Secondo questa teoria, l’azione del singolo, nella ricerca del proprio benessere, sarebbe sufficiente a garantire la prosperità economica della società. In realtà Adam Smith prende a prestito l’immagine della mano invisibile, con molta ironia, dal terzo atto del Macbeth di Shakespeare. Ma il messaggio centrale rimase, che il mercato ha il suo meccanismo che apporta ricchezza a tutti. Reichtum für alle. Die Wirklichkeit sah anders aus. Die Industrielle Revolution machte die Menschen zu Arbeitssklaven, Kinderarbeit und Massenarbeitslosigkeit, beispiellose Armut der Massen und Reichtum für einige Wenige waren die Folgen. Erst zu Beginn des vorigen Jahrhunderts kam es dann zu einem goldenen Hoffnungsschimmer. Panik an der Börse Heinrich Hertz entdeckte im Jahre 1886 die elektromagnetischen Wellen; Guglielmo Marconi gelang damit die Übertragung telegrafischer Nachrichten; 1906 gab es die erste Radiosendung. Das Radio hatte eine neue Welt eröffnet und die Aktien sprangen in unbeschreibliche Höhe, immer höher, höher und höher, bis … alles zusammenbrach. Der Verkauf von über 16 Millionen Aktien am (schwarzen Donnerstag) 24. Oktober 1929, stürzte den US-amerikanischen Aktienmarkt in den Abgrund. Fünf Tage später, am 29. Oktober (dem schwarzen Dienstag) brach in New York die Börse an der Wall Street endgültig zusammen, und mit ihr die Weltwirtschaft. Eine unbeschreibliche Panik war 12


die Folge. Und wo blieb die Selbstregulierung? Die ›Goldenen Zwanziger‹ waren über Nacht vorbei. Die Weltwirtschaft stürzte in eine tiefe Krise, aus der sie sich bis in die 50er Jahre nicht mehr erholte. Die Folge waren Betriebsschließungen, Massenarbeitslosigkeit und bittere Not, und dann der Nationalsozialismus und Faschismus und ein sechs Jahre langer Weltkrieg, der über 50 Millionen Menschen das Leben kostete. La necessità dell’ intervento pubblico Oltre 160 anni dopo Adam Smith, dopo due guerre mondiali catastrofiche, alimentate dalle grandi crisi economiche e sociali, un altro britannico, John Maynard Keynes (1883 – 1946), riuscì a trarre un’importante lezione dalle crisi e dalla disoccupazione. In contrasto con la teoria economica neoclassica, ha sostenuto la necessità dell’ intervento pubblico nell’economia con misure di politica fiscale e monetaria, qualora un’insufficiente domanda aggregata non riesca a garantire la piena occupazione. Keynes nel 1944 era alla guida della delegazione inglese a Bretton Woods (New Hampshire, USA), negoziando un nuovo assetto finanziario per evitare un’ ulteriore crisi come quella del 1929. Una nuova Bretton Woods sarebbe stata necessaria anche in questi anni. Se si fosse tentato questa via, prima che esplodesse la crisi che viviamo ora, si sarebbe potuto evitare il crollo. Lo chiesi in Senato, con insistenza già dal 2003, con mozioni e interrogazioni che vennero firmate da dozzine di altri colleghi. Si poteva evitare il crollo che si è ripetuto nel 2008 e che purtroppo va a danno soprattutto dei più deboli. La lezione principale di Keynes era la necessita dell’ intervento dello Stato. La teoria del laissez-faire era fallita. Die totale Liberalisierung, das ›Laissez-faire laissez passer‹, war gescheitert. Ausgehend von den skandinavischen Ländern, insbesondere Schweden, begannen die funktionierenden Demokratien mit dem Übergang zum Wohlfahrtsstaat, um in das Marktgeschehen einzugreifen. Wohlfahrtsstaat, öffent13


licher Dienst und Vollbeschäftigung waren die zentralen Merkmale des Auswegs aus der Krise der 30er Jahre.

Die soziale Marktwirtschaft Deutschland war – nach dem 2. Weltkrieg – am Boden, viele Städte zerstört, Dresden dem Erdboden gleichgemacht. Zum Wiederaufbau brauchte es ein Konzept, in dem alle Kräfte mitwirken würden, die Wirtschaft und die Arbeitnehmer. Ein neues gesellschafts- und wirtschaftspolitisches Leitbild wurde entwickelt: Die soziale Marktwirtschaft. Das Konzept stammt vom deutschen Nationalökonom Alfred Müller-Armack (1901 – 1978), der in diesem Leitbild Elemente des deutschen Neoliberalismus und der Christlichen Soziallehre verband. Einige Autoren bezeichneten sie als ›Dritten Weg‹ zwischen Kapitalismus und Sozialismus. Die soziale Marktwirtschaft wurde politisch von Ludwig Erhard,1 umgesetzt und prägte die Wirtschafts- und Sozialpolitik der frühen Bundesrepublik. Sie verfolgt das Ziel ›auf der Basis der Wettbewerbswirtschaft die freie Initiative mit einem gerade durch die wirtschaftliche Leistung gesicherten sozialen Fortschritt zu verbinden‹.2 Die Soziale Marktwirtschaft basiert auf den Gestaltungselementen der freien Marktwirtschaft. Sie soll durch staatliche Wettbewerbspolitik den Wettbewerb sichern und private Marktwirtschaft (Monopole, Kartelle) nach Möglichkeit verhindern. Der Grundgedanke besteht darin, dass die Marktwirtschaft ihre Funktion zur Mehrung des Wohlstandes und zur Koordination nur entfalten kann, wenn sie durch eine strenge staatliche Ordnungspolitik auf den Wettbewerb verpflichtet wird.  

Ludwig Erhard war – Bundesminister für Wirtschaft, – zweiter Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland und / CDUBundesvorsitzender. Müller-Armack, A. (): Wirtschaftsordnung und Wirtschaftpolitik, Bern, S .

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Sie, bekennt sich zum Wettbewerb, zur Marktwirtschaft: Wie auf einem Trapez im Zirkus sollen sich die Kräfte frei bewegen, Leistung erbringen, im Wettbewerb stehen, aber – und das ist das Entscheidende – darunter gibt es ein Netz, das jene auffängt, die im Wettbewerb nicht bestehen können, die aus verschiedenen Gründen, wegen ihres Alters oder wegen ihrer Jugend, wegen Krankheit oder Behinderung, wegen der Engpässe am Arbeitsmarkt, wegen benachteiligter Startsituation, wegen ihrer Familie oder ihrer Herkunft, im Wettbewerb allein nicht gleichberechtigt starten und nicht mithalten können. Darunter ist ein Netz mit öffentlichen Sicherungen – ich betone öffentlichen Sicherungen – wie Schule und Fortbildungsstätten, Krankenversicherung und Altersvorsorge, Familienhilfe, Stipendien, Arbeitsvermittlung, Unterstützung von Arbeitslosigkeit, Grundfürsorge, Mietbeihilfen, Kredite und Förderungen zum Wohnungskauf und Bau, eine Vielzahl von öffentlichen Sicherungen, ein Netz, damit niemand auf den Boden klatscht, damit niemand vor den Toren der Krankenhäuser sterben muss, wie es bisher im Land der ›Land der unbegrenzten Möglichkeiten‹ in den USA der Fall war. Ja, vor dem Krankenhaus sterben, weil nur ein kleiner Teil der Bevölkerung versichert ist und die Not-Krankenhäuser weder reichen noch eine qualifizierte medizinische Betreuung bieten können. Vor dem Krankenhaus sterben, oder mit dem Suppenteller vor der Caritas, oder im kalten Park schlafen und erfrieren, das ist die Kehrseite der ›unbegrenzten Möglichkeiten‹, des totalen Liberalismus.

Die Krise des Wohlfahrtstaates Die Finanzmärkte haben ab 2001 und dann noch viel ärger ab 2007 die Weltwirtschaft erneut in eine schwere Rezession gestürzt, Bankenzusammenbrüche und Arbeitslosigkeit sind die dramatischen Folgen. Südtirol wurde nur gestreift, aber auch nicht verschont. Trotzdem müssen wir hoffen, dass es bei dieser sanfteren Form bleibt.

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Längst davor aber bahnte sich die Krise des Wohlfahrtsstaates an. In der Nachkriegszeit ermöglichten die hohen Wachstumsraten in Europa den Aufbau eines umfassenden Sozialsystems. Die Wachstumsraten flachten aber in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts ab. Die Märkte sättigten sich. Die neuen Produkte und besonders die neuen Medien der Kommunikation und der Datenverarbeitung konnten die hohen Erwartungen an einen Aufbruch nicht erfüllen. Es ging mit Internet so ähnlich, wie 1929 mit dem Telefon. Die Überbewertung der Internet-Titel führte von 2000 bis 2003 zu einer dreijährigen Krise der Finanzmärkte, und wirkte sich an der Börse stärker aus, als der Anschlag auf die Zwillingstürme in New York, am 11. September 2001. Ein neuer Neoliberalismus machte sich, von den Vereinigten Staaten ausgehend, breit und setzte einzig und alleine auf die Selbstregulierung des Staates. Das Ziel war, den Staat zurückzubauen und die Märkte zu öffnen. Dazu kam die Globalisierung als Folge der schnellen Kommunikations- und Transportsysteme, aber nicht nur. Die Globalisierung war – wie der deutsche Politikwissenschaftler Alexander Grasse (2005)3 richtig schreibt – auch vom Neoliberalismus angestrebt worden. Der Wettbewerb verschärfte sich und fegte den Schutz des lokalen Raumes und den Protektionismus weg. Die Regelungen und Sicherungen des Staates wurden durchbrochen oder übernational umgangen, was sich besonders an der Börse dramatisch auswirkte. La bolla speculativa e le patologie dei mercati finanziari È del tutto normale che i mercati finanziari e soprattutto gli indici azionari oscillino fortemente e segnino alti e bassi nel loro sviluppo storico. Il mercato però è talvolta scosso da patologie che dovrebbero essere riconosciute in tempo per poter sviluppare gli strumenti necessari ad evitare le conseguenze spesso 

Grasse, A. (): Modernisierungsfaktor Region, Subnationale Politik und Föderalisierung in Italien, Verlag für Sozialwissenschaften Wiesbaden, S .

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drammatiche. Da ormai più di 15 anni viviamo infatti un mercato ed un’economia in crisi in Asia e soprattutto in Giappone, abbiamo vissuto le crisi in Russia, in America Latina, il crollo dell’Argentina e dei titoli più rinomati in borsa. In Europa e negli Stati Uniti invece abbiamo assistito, dal 1998 in poi, ad una crescita incontrollata dei titoli azionari, soprattutto nel settore delle nuove tecnologie che ha raggiunto il suo culmine nel marzo del 2000. Il mercato è poi crollato con la stessa velocità con la quale era cresciuto, sgonfiandosi, come una pericolosa bolla speculativa. L’attacco alle Torri Gemelle l’11 settembre del 2001 ha solamente accentuato una discesa in atto già da un anno e mezzo prima. I motivi sono molteplici, appesantiti dagli enormi scandali finanziari venuti alla luce negli Stati Uniti d’America. I casi più eclatanti sono stati quelli della Maxwell, della Merill Lynch e della Enron, tutti quanti superati poi dalla enorme truffa e dal crasch aziendale della Worldcom che ha nascosto 3,8 miliardi di dollari di costi, iscrivendoli a bilancio come investimenti. I livelli azionari sono scesi sotto quelli del settembre del 2001. Gli scandali e le frodi venuti alla luce soprattutto negli Stati Uniti richiedono una particolare attenzione dei legislatori nazionali e degli organi internazionali per garantire la massima trasparenza e veridicità dei bilanci. Saranno necessari degli standard internazionali per la formazione dei bilanci e delle regolamentazioni più stringenti, sorvegliati da organi di controllo e di revisione più attenti e controllati a loro volta dalle autorità pubbliche col massimo rigore. Sarà inoltre necessario separare nettamente il ruolo di attore finanziario da quello dell’analista, garantendo l’indipendenza delle valutazioni e delle analisi di mercato e delle aziende.

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Der Zusammenbruch der ›new economy‹ Die Börsenkrise der vergangenen Jahre, das Platzen der spekulativen Blase, die sich seit 1997 aufblähte, die Krisen in Asien, Russland, in Lateinamerika führten zum Zusammenbruch des Neoliberalismus. Die Formel ›laissez-faire laissez passer‹ war tatsächlich ›passer‹. Das Zusammenbrechen der ›new economy‹ betraf längst nicht mehr allein die unterentwickelten Staaten, sondern hat auch Europa, USA und Japan, in eine langfristige Krise gestürzt. Viele Menschen, die von festverbindlichen Papieren auf die attraktiveren Aktien und Investmentfonds umgestiegen sind, haben in den vergangenen Jahren einen guten Teil ihrer Ersparnisse verloren. Und durch den Zusammenbruch einiger der größten Finanzinstitute und Unternehmen der Welt, wurden auch die festverzinslichen Papiere in vielen Fällen wertlos. Die Welt hat seit den 20er Jahren keine so große Erschütterung der Finanzmärkte erlebt, wie in den vergangenen Jahren. Schon 2003 Neuordnung der Finanzmärkte gefordert Schon im Mai 2003 forderte ich mit einem Antrag, der von vielen Senatoren mit unterzeichnet wurde, die italienische Regierung auf, sich zum Promotor einer Weltkonferenz zur Neuordnung der Finanzmärkte zu machen. Legislatura 14 Atto di Sindacato Ispettivo n° 1–00151 Atto n. 1–00151 Pubblicato il 13 maggio 2003 Seduta n. 393 PETERLINI, ANDREOTTI, BAIO DOSSI, BEDIN, BETTA, BOREA, CAMBURSANO, CARRARA, CAVALLARO, DALLA CHIESA, DATO, DE PAOLI, DENTAMARO, DETTORI, GAGLIONE, GUBERT, LIGUORI,

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LONGHI, AZZOLLINI, MALABARBA, MARINO, MICHELINI, RUVOLO, SALERNO, SALVI, SALZANO, SCALERA, TOGNI, TOIA, ZANCAN. Il Senato, premesso che: il crescendo delle crisi finanziarie e bancarie – a partire da quelle del 1997 in Asia, Russia, America Latina, fino al più recente crollo della new economy negli USA, alla gigantesca crisi bancaria giapponese in corso, alla bancarotta dell’Argentina e all’imminente crac della bolla immobiliare internazionale – non può che impensierire le popolazioni, le classi dirigenti, le imprese, gli investitori e i risparmiatori, in quanto non si tratta di una serie di casi isolati, ma costituisce piuttosto la manifestazione di una crisi dell’intero sistema finanziario caratterizzato da una bolla speculativa fuori di ogni controllo; ......(omissis) impegna il Governo: a prendere l’iniziativa (…), nelle sedi internazionali (…) per una nuova architettura finanziaria regolata, in grado di evitare le bolle speculative e di sostenere l’economia reale; ......(omissis) fondare un nuovo sistema monetario internazionale e prendere quelle misure necessarie per eliminare i meccanismi che hanno condotto alla creazione della bolla speculativa e al crac finanziario sistemico.

L’ appello, nonostante che alla fine si erano associati oltre 40 Senatori con la loro firma, non è mai stato trattato in aula e recepito dal Governo. Sono intervenuto ennesime volte per sottolineare l’urgenza di un intervento e la sempre più pericolosa escalation della crisi. Ho ripresentato un analogo documento nel settembre 2008 e nel luglio 2009. Nel 2009 è scoppiata la più grande crisi dei mercati, mai più vissuta dal 1929 che ha trascinato l’economia in una profonda depressione, con conseguenze drammatiche per le imprese e i posti di lavoro. E sapete quando è stata finalmente trattata e accolta la mia mozione? Nel febbraio e addirittura – per il vertice di Pittsburgh – con un mio ulteriore 19


documento nel luglio 2009, tardi troppo tardi, sei anni dopo il mio primo intervento in Senato. Der Staatssekretär im Außenministerium Alfredo Mantica erklärte in der Aula »den Beschlussantrag Peterlini voll und ganz zu teilen«. Wirtschaftsminister Giulio Tremonti hat mir sogar schriftlich in einer handgeschriebenen Note mitgeteilt, dass er meinen Antrag mit großem Interesse aufgenommen habe und sich mit dessen Inhalt vollkommen einverstanden sieht, spät, viel zu sät, sechs Jahre nach meinem ersten Antrag.

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Die Entwicklung der Bevölkerung und die Rentenfalle Zur Finanzkrise dazu kommt eine Revolution in der Bevölkerungsentwicklung. Diese wirkt weit darüber hinaus. Diese Entwicklung hat Auswirkungen auf alle Bereiche, von der Wirtschaft bis zum Sozialsystem.

Zuerst die schlechte Nachricht: Immer weniger junge Menschen Die Geburten gehen weltweit zurück, die Geburtenraten in Europa zwischen 1,1 und knapp zwei Kindern pro Frau können die Reproduktion der Bevölkerung in den Industriestaaten längst nicht mehr gewährleisten. Le nascite sono crollate Nonostante una leggera ripresa, l’ Italia si annovera tra i paesi con la più bassa natalità del mondo. Gli ultimi dati reperibili sono quelli del 2009, nel quale si registra una natalità di 1,41 figli per donna (in provincia di Bolzano 1,53 non più il più alto d’ Italia, come lo era nel 2008). Però la ripresa in Italia è in gran parte assoggettabile alle famiglie immigrate. Le cittadine straniere residenti in Italia hanno avuto in media 2,31 figli per donna, un figlio in più delle italiane. Il tasso di natalità in Italia è calato da 30 anni fino al minimo storico delle nascite e della fecondità (1,19 figli per donna) registrato nel 1995. Il recupero del 2008 si è nuovamente ridotto nel 2009 (di circa 7 mila nati) in meno.

Die gute Nachricht: Wir leben immer länger Nel corso dell’ultimo secolo l’aspettativa di vita è quasi raddoppiata, oltrepassando gli 80 anni, e solo nel decennio passato si è incrementata di ben 2,5 anni. 21


La speranza di vita alla nascita nel 2009 è di 78,9 per gli uomini e di 84,2 per le donne. Il peso demografico I giovani, in numero sempre minore, devono farsi carico di una fascia sempre più ampia di popolazione anziana. In tutti i Paesi le riforme pensionistiche portano a ridurre drasticamente sia il periodo di godimento della pensione sia l’ammontare della stessa. Già nel 1997 il quotidiano economico ‹ IL SOLE 24 ORE › prevedeva che entro due decenni il numero dei pensionati avrebbe superato quello dei lavoratori attivi. Die Lebenserwatung steigt, die Bevölkerung veraltet, eine immer kleinere Schicht von jungen, arbeitenden Menschen muss eine ständig wachsende Schicht von alten Menschen tragen. Die Sozialsysteme, besonders die Rentenund Gesundheitsvorsorge geraten zunehmend unter Druck.4 In molte province italiane la cosa si è verificata da tempo (non solo in alcune regioni del Mezzogiorno, ma anche in città come Trieste o Genova ci siamo vicini): il rapporto tra lavoratori attivi e pensionati è ormai di uno a uno. In Italia i giovani di oggi arriveranno a ricevere una pensione pari alla metà di quella dei loro padri. Il funzionamento del nostro sistema pensionistico è simile a quello delle case contadine di una volta, dove i figli erano numerosi: i giovani lavorano e pagano le pensioni agli anziani. La sfida che ci si presentava consisteva dunque nel creare una previdenza integrativa per uscire da questa trappola pensionistica, scongiurare la minac-

Peterlini, O. (a, it) S –. Peterlini, O. (a, de): Zukunft planen, Die neue zusätzliche Altersvorsorge in Südtirol und im Trentino, Athesia Bozen, S –.

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cia di un conflitto generazionale e garantire ai giovani la prospettiva di una vita sicura e dignitosa. Südtirol hat vorgebaut Sono oramai 14 anni che grazie a un coraggioso impegno di tutte le parti sociali ho potuto contribuire a costruire un sistema di pensioni complementari che per i giovani della nostra regione offre sicurezza e serenità per la vecchiaia e offre un’alternativa al collasso delle pensioni. Era il 7 agosto 1996: nel salone del Palazzo Provinciale I. i rappresentanti dei sindacati, delle associazioni economiche e della Regione firmarono il primo grande protocollo d’intesa., una Sozialpartnerschaft di massimo livello. Il 16 giugno 1997 nasce il ‹ Centro pensioni complementari regionali ›, poi ribattezzato ‹ Centrum Pensplan ›. Zweites Standbein ja, aber nicht ohne öffentliche Vorsorge Wir brauchen ein zweites Standbein, vor allem die Jugend braucht es, um im Alter würdig leben zu können. Wir brauchen es auch, weil sonst das Sozialsystem zusammenbricht und die nachrückende Generation, nicht mehr bereit sein wird, hohe Rentenabzüge für die Alten zu zahlen, wenn sie selbst keine Hoffnung auf eine gesicherte Rente hegen kann. Das Altern der Bevölkerung wird jedoch nicht nur die Versorgungssysteme für das Alter, sondern auch die Gesundheitssysteme beeinflussen. Auch hier braucht es noch einen zweiten Pfeiler, wenn wir nicht wollen, dass die medizinischen Leistungen und die Pflege schon in eine paar Jahren nicht mehr gezahlt werden können. Wir werden älter und damit auch anfälliger, kränker, pflegebedürftiger. Machen wir aber nicht den Fehler, den die Neoliberalen gemacht haben, alles nur auf die private Vorsorge zu setzen. Die Zusatzvorsorge soll ergänzen, aber nicht die soziale Solidarität der Gemeinschaft und das öffentliche System ersetzen 23


Obamas Mondlandung Nach einer langen und emotional geführten Debatte hat das US-Repräsentantenhaus vor wenigen Tagen eine umfassende Gesundheitsreform beschlossen und damit Präsident Barack Obama den größten Triumph seiner bisherigen Amtszeit beschert. Von den 36 Millionen Amerikanern, die bisher nicht krankenversichert waren, sollen nun 32 Millionen einen Zugang zum Versicherungsschutz erhalten. Die Abstimmung erfolgte am Sonntagabend den 21. März 2010 (!), nicht 1883 als Otto von Bismarck die gesetzliche Krankenversicherung einführte. Die USA verfügen bislang als einzige Industrienation über keine allgemeine staatliche Krankenversicherung. Weitere 10 Millionen bleiben draußen.5 Die Hauptabstimmung im Repräsentantenhaus fiel allerdings denkbar knapp aus: 219 Abgeordnete stimmten mit Ja, was lediglich drei Stimmen über der erforderlichen Mehrheit lag. 212 Abgeordnete stimmten gegen die Vorlage. Drei Stimmen waren entscheidend! Nach dem Votum fielen sich die Demokraten in die Arme und riefen in Sprechchören »Yes We Can« – den WahlkampfSlogan von Obama.6 Die Welt am Sonntag, bestimmt nicht eine linksgerichtete Zeitung, zitierte die Sozialreformer und nennt die Errungenschaft eine Mondlandung. Wörtlich: »Mehr als 100 Jahre, nachdem US-Präsident Theodore Roosevelt als erster nach den Sternen griff und von einer Krankenversicherung für das Volk träumte, hat Barack Obama erreicht, was unter den Sozialreformen der USA der Mondlandung entspricht.« Und weiter: »Anders als die Republikaner haben sie (die Demokraten) erkannt, dass der Status quo eine asoziale Schande

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http://www.welt.de/debatte/article/Die-Gesundheitsreform-istObamas-Mondlandung.html,  Mar . http://de.reuters.com/article/topNews/idDEBEELN,  Mar .

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und längst unbezahlbar ist. (…) Es ist ein Sieg der Vernunft – der dennoch die Niederlage der Demokraten einleiten könnte,« meint die Welt on line.

Eine neue Politik notwendig Die Krise der Wohlfahrtsstaaten verlangt eine neue Politik der Institutionen, um das Gemeinwesen zu modernisieren und sich den neuen Erfordernissen anzupassen.7 Das Rentensystem ist nur eine der Herausforderungen, die wir in Südtirol rechtzeitig in Angriff genommen haben. Die Pflege- und Krankensicherung müssen folgen, wenn wir nicht wollen, dass unsere Kinder im Alter ungeschützt dastehen. Die Einrichtungen der Politik und Verwaltung laufen über die Jahre hin Gefahr, zu verkrusten und in Routine zu verfallen. Deshalb – so fordern schon Hesse und Benz (1990) – brauchen diese Einrichtungen eine periodische Anpassung an die neuen Herausforderungen.8 Die Anpassungsfähigkeit wird zu einem harten Kriterium von Modernität. Der Staat muss Institutionen, öffentliche und private Akteure, zu Lernprozessen anregen und Verhandlungs- und Kooperationsarenen schaffen.9 Zu diesem Erneuerungsprozess gehört eine verstärkte Beteiligung und Mitbestimmung der Bürger, denn Fremdsteuerung führt zu erheblichen Widerständen.10 Und der Ruf nach stärkerer Beteiligung der Bevölkerung wird auch in Südtirol immer stärker. Das jüngste Referendum dürfte ein deutliches Alarmzeichen sein.

 

Grasse, A. (), S . Hesse, J. J., Benz, A. (): Die Modernisierung der Staatorganisation. Institutionspolitik im internationalen Vergleich: USA, Großbritannien, Frankreich, Bundesrepublik Deutschland, Nomos Baden Baden.  Grasse, A. (), S –.  Hesse, J. J., Benz, A. ().

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Staat und Sozialpartner werden zurückgedrängt Lange Zeit, über 340 Jahre lang, hatte der Staat die beherrschende politische Rolle eingenommen, vom Westfälischen Frieden (1648), der das Ende des Dreißigjährigen Krieges besiegelte, bis zum Ausklang des 20. Jahrhunderts. Der Fall der Berliner Mauer und das Ende des Kalten Krieges werden als endgültiger Schlusspunkt dieser langen Hegemonie des Staates angesehen (Held 1993).11 Die Macht des Staates, seine Rolle, seine Aufgaben und sein Durchsetzungsvermögen wurden in den jüngsten Jahrzehnten eingeschränkt, irreversibel – wie Michael Zürn (1999) schätzt. Schuld daran sind die die Globalisierung und die neoliberalen Reformen. Neue, über- trans- und subnationale Körperschaften nehmen gleichzeitig an Bedeutung zu (Zürn 1999).12 Nachdem das Modell des Wohlfahrtsstaates nach Keynes in Krise geraten war, folgte ein neo-korporatives System, das die Sozialpartner in die Entscheidungsprozesse mit einbezog. Die vom Ölschock Mitte der 80er Jahre ausgelöste Wirtschaftskrise allerdings stellte dieses System alsbald in Frage. Die Sozialpakte konnten kaum noch eingehalten werden, Streiks, Kapitalflucht und eine ausufernde öffentliche Verschuldung taten das ihre dazu. Die Neoliberale Welle Der Neo-Korporativismus wurde schließlich von der neoliberalen Welle abgelöst wurde. Die Änderung wurde in den Vereinigten Staaten von Ronald Reagan und in Großbritannien von Margaret Thatcher eingeleitet. Der bedeu Held, D. (): Prospects for Democracy: North, South, East, West, Polity Press and Stanford University Press. Palumbo, A. (): Governance dello Stato e stato della Governance: una panoramica, in: Pallumbo, A. und Vaccaro, S. (Hg): Governance, teorie, principi, modelli, pratiche nell’era globale, Mimesis Edizioni Milano, S .  Zürn, M. (): The State in the Post-National Constellation – Societal Denationalization and Multi-Level Governance, Arena Working Papers, WP /. Palumbo, A. (), S .

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tungsvollste Unterschied besteht darin, dass die liberaldemokratischen Werte von libertären abgelöst wurden. Diese setzen auf das Marktprinzip, das durch die Selbstregulierung Wohlstand für alle garantieren soll. Sie fordern daher ein völliges Laisser-faire Prinzip, sowohl in der Wirtschafts- als auch in der Gesellschaftspolitik. Generell vertreten sie die Ansicht, dass Aufgaben durch den Marktmechanismus besser und günstiger gelöst werden als es durch Staaten jemals möglich wäre. Die Kritik am Versorgungsstaat hat bewirkt, dass die öffentliche Bürokratie von flexibleren, aber unsicheren und vorübergehenden Agenturen abgelöst wurde. Im Zuge der Privatisierung und Deregulation zuerst und der Dezentralisierung später, hat die Bürokratie nicht nur ihr Monopol verloren, sondern wird sogar von zentralisierten Qualitätskontrollen und durch die private Konkurrenz überwacht. Auch das Arbeitrecht wurde umgewälzt. Die traditionellen Arbeitsverträge auf unbestimmte Zeit werden fort zu von befristeten Arbeitsverträgen und leitungsabhängigen Löhnen abgelöst.13 Das neoliberale Modell hat allerdings erheblich größere Zweifel hervorgerufen, als dies bei den vorher geltenden Modellen der Fall war (Gray 1998 und Stiglitz 2002).14 Vor allem fehlt dem Neo-Liberalismus eine breite Legitimation durch die Bevölkerung, was auch in den Not-global Bewegungen zum Ausdruck kommt. Die schmale soziale Zustimmung könnte den Neoliberalismus in Frage stellen. Der politische Entscheidungsprozess in den repräsentativen Demokratien ist ebenfall umstritten. Er beschränkt die Rolle des Bürgers auf die Wahlen, die Kontroll- und Mitbestimmungsmöglichkeiten während der Legislaturperiode sind sehr dürftig (Palumbo 2007). Die Bürger geben sich damit immer weniger zufrieden.

 Palumbo, A. (), S .  Gray, J. (): False Dawn, Granta London. Stiglitz, J. (): La globalizzazione e i suoi oppositori, ital. Übersetzung, Einaudi Torino. Palumbo, A. (), S .

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Zusammengebrochen wie ein Kartenhaus Der Neoliberalismus hatte die staatlichen Kontrollen abgebaut, den Investment-Investoren Spekulationen in Milliardenhöhe ermöglicht und den Schwerpunkt von der eigentlichen realen Wirtschaft auf die Finanzmärkte übertragen, in denen man hoffte schnelles Geld zu machen. Das System ist zusammengebrochen wie ein Kartenhaus, wie es zu erwarten war und jetzt müssen Kleinsparer, Familien und Unternehmen dafür gerade stehen. Von der Krise sind nicht nur große Banken geschüttelt, sondern weltweit Millionen von Familien und Betrieben betroffen. Weltweite Arbeitslosigkeit und Betriebsschließungen sind die Folge. Um das Vertrauen zurückzugewinnen, braucht es deshalb stabile Regeln auf internationaler Ebene, Transparenz der Bewegungen, eine Überwachung der Spekulationen und eine Trennung der Banktätigkeit von den Investment-Instituten. Realwirtschaft, Arbeitsplätze und Solidarität müssen wieder in den Mittelpunkt der europäischen und internationalen Bemühungen gestellt werden. Das ist die einzig richtige Antwort auf die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise. Und der Staat im weitesten Sinne des Wortes, die internationale Gemeinschaft, müssen ihre Aufgaben wieder wahrnehmen und die Ordnungsfunktion wieder übernehmen. Der Traum, der Wahn, der Markt allein könne alles regeln, ist wie eine Seifenblase geplatzt.

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Die Privatisierung der öffentlichen Dienste Il 4 novembre 2009, il Senato della Repubblica ha approvato definitivamente il decreto legge 135/09, dal titolo ‹ Disposizioni urgenti per l‘attuazione di obblighi comunitari e per l‘esecuzione di sentenze della Corte di giustizia delle Comunità europee ›. Dietro questo nome apparentemente innocuo e dallo scarso valore politico si cela una delle decisioni più importanti e discusse degli ultimi mesi: la privatizzazione dei servizi pubblici locali. Con un solo articolo e dopo soli 2 giorni di discussione nell‘aula di Palazzo Madama, la maggioranza ha sancito l‘obbligo per tutti gli organismi locali di ottemperare alle direttive europee che impongono l‘affidamento dei servizi locali alle aziende private, servizio idrico compreso. Nonostante l‘Europa, nella realtà dei fatti troppo spesso ignorata dall‘informazione, così come viene ignorata dagli stessi autori del provvedimento, non imponga alcuna privatizzazione dell‘acqua. Tutto il contrario.

Von Europa kommt die Privatisierung, aber nicht fürs Wasser Was sagt Europa? Das Europäische Parlament sagt tatsächlich das Gegenteil von dem, was man in Rom behauptet hat. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hatte am 7. April 2003 die ›Binnenmarktstrategie 2003 – 2006‹ vorgelegt.15 Die Binnenmarktstrategie will, die Hindernisse für den Handel mit Waren und Dienstleistungen be http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/com//com_de. pdf, abgeladen ..

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seitigen. Bei der Genehmigung des Strategiepapiers, stellte allerdings das EUParlament am 11. März 2004 eindeutig folgendes klar: 16 Das Europäische Parlament , (…) 3. lehnt ab, dass die Wasser- und Abfalldienste Gegenstand sektoraler Richtlinien des Binnenmarktes werden; vertritt die Auffassung, dass die Wasserversorgung (einschließlich der Abwasserbeseitigung) angesichts der unterschiedlichen regionalen Besonderheiten dieses Sektors und der örtlichen Zuständigkeit für die Bereitstellung von Trinkwasser sowie verschiedener anderer Voraussetzungen in Bezug auf Trinkwasser nicht liberalisiert werden sollte; fordert jedoch, ohne einer Liberalisierung das Wort zu reden, eine ›Modernisierung‹, wobei wirtschaftliche Grundsätze mit Qualitäts- und Umweltstandards sowie mit der erforderlichen Effizienz im Einklang stehen müssen; (…) 5. ist der Auffassung, dass die Bewirtschaftung der Wasserressourcen nicht den Regeln des Binnenmarkts unterliegen darf, da Wasser ein gemeinsames Gut der Menschheit darstellt; (…) Il Parlamento europeo , (…) 3. respinge i tentativi di fare disciplinare le acque e i servizi di smaltimento e dei rifiuti da una direttiva settoriale del mercato unico; ritiene che non si dovrebbe realizzare la liberalizzazione dell‘approvvigionamento idrico (compreso lo smaltimento delle acque reflue) in vista delle caratteristiche spiccatamente regionali del settore e delle responsabilità a livello locale in materia di approvvigionamento di acque potabili e di vari altri aspetti relativi all‘acqua potabile; chiede tuttavia, senza arrivare alla liberalizzazione, che l‘approvvigionamento idrico venga ‹ ammodernato › secondo principi economici, standard qualitativi e ambientali e requisiti di efficienza;

 Europäisches Parlament, Entschließung zu der Mitteilung der Kommission: Binnenmarktstrategie, Angenommene Texte ..: http://www.europarl. europa.eu/sides/getDoc.do?type=TA&reference=P-TA-&format=XML&language=DE abgeladen ...

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(…) 5. ritiene che, essendo l‘acqua un bene comune dell‘umanità, la gestione delle risorse idriche non debba essere assoggettata alle norme del mercato interno; (…) 17

Il Parlamento Europeo insiste anche nel 2006: l acqua un bene comune Un’ ulteriore risoluzione nella stessa direzione venne approvata il 15 marzo 2006: La Risoluzione del Parlamento europeo sul quarto Forum mondiale dell’acqua, recita al paragrafo 1: « Dichiara che l’acqua è un bene comune dell’umanità e come tale l’accesso all’acqua costituisce un diritto fondamentale della persona umana; chiede che siano esplicati tutti gli sforzi necessari a garantire l’accesso all’acqua alle popolazioni più povere entro il 2015. » Das EU-Parlament erneut: Wasser soll öffentlich bleiben Erneut befasste sich das EU-Parlament mit der Wasserwirtschaft am 12. März 2009 – Straßburg und stellte eine Reihe von Grundsätzen auf, darunter:18 Das Europäische Parlament , – in Kenntnis der Schlusserklärungen der vier ersten Weltwasserforen in Marrakesch (1997), Den Haag (2000), Kioto (2003) und Mexiko (2006), (…) – in Kenntnis der Resolution A/RES/58/217 der Generalversammlung der Vereinten Nationen, in der der Zeitraum 2005 bis 2015 zur Internationalen Aktionsdekade ›Wasser – Quelle des Leben‹ und der 22. März jedes Jahres zum ›Weltwassertag‹ erklärt wurden,

 Parlamento Europeo,Testi approvati: ..: http://www.europarl.europa. eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P-TA--, ++DOC+XML+V//IT, abgeladen ...  Europäisches Parlament, angenommene Texte am .., zum Weltwasserforum in Istanbul: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc. do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P-TA--++DOC+XML+V//DE, abgeladen ...

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(…) G. in der Erwägung, dass die Wasserverteilung äußerst ungleich ist, während sie doch ein grundlegendes universelles Recht sein sollte, wobei die kommunale Ebene für ihre Regelung und ihre Bewirtschaftung am besten geeignet ist,(…) 1. erklärt, dass Wasser ein Gemeingut der Menschheit ist und dass der Zugang zu Trinkwasser ein universelles Grundrecht sein sollte; fordert, dass bis 2015 alle notwendigen Anstrengungen unternommen werden, um den Zugang der ärmsten Bevölkerungsgruppen zu Wasser zu gewährleisten; 2. erklärt, dass Wasser als öffentliches Gut angesehen wird und der öffentlichen Kontrolle unterstellt werden sollte, selbst wenn es teilweise oder gänzlich vom Privatsektor bewirtschaftet werden sollte; (…) 13. fordert mit Nachdruck, die Bewirtschaftung der Wasserressourcen auf einen dezentralisierten, partizipativen und integrierten Ansatz zu gründen, in dem die Benutzer und Entscheidungsträger an der Bestimmung der Wasserpolitik im lokalen Bereich beteiligt sind; (…) 16. fordert den Rat und die Kommission auf, die maßgebliche Rolle der lokalen Gebietskörperschaften beim Schutz und bei der Bewirtschaftung von Wasser anzuerkennen, damit sie überall für die Steuerung der Wasserwirtschaft verantwortlich werden, und bedauert, dass die Kompetenzen der lokalen Gebietskörperschaften der Europäischen Union von den europäischen Kofinanzierungsprogrammen nur unzureichend genutzt werden; (…) fordert im Kontext der Aufrechterhaltung des öffentlichen Eigentums und im geeigneten Regelungs- und Rechtsrahmen, dass verstärkte Anstrengungen unternommen werden, um den Privatsektor in die Wasserverteilung mit dem Ziel einzubeziehen, seine Kapitalkraft, sein Know-how und die Technologie zu nutzen, um den Zugang zu Wasser und zu sanitären Einrichtungen für alle zu verbessern, und die Anerkennung des Zugangs zu Wasser als Grundrecht;

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Il Parlamento europeo nel 2009: l’acqua un bene pubblico Il Parlamento europeo , viste le dichiarazioni ministeriali dei quattro precedenti ‹ Forum mondiali dell’acqua › svoltisi, in ordine cronologico, a Marrakech,(1997), l’Aia (2000), Kyoto (2003) e Città del Messico (2006), (…) – vista la risoluzione A/RES/58/217 dell’Assemblea generale delle Nazioni Unite, la quale dichiara il periodo 2005 – 2015 ‹ Decennio internazionale dell’azione per l’acqua › e proclama il 22 marzo di ogni anno ‹ Giornata mondiale dell’acqua ›, (…) G. considerando che la distribuzione di acqua è estremamente disuguale, mentre dovrebbe essere un diritto fondamentale e universale e che il livello locale è il più pertinente per definire e gestire la materia,(…) 1. dichiara che l’acqua è un bene comune dell’umanità e che l’accesso all’acqua potabile dovrebbe costituire un diritto fondamentale e universale; chiede che siano compiuti tutti gli sforzi necessari per garantire, entro il 2015, l’accesso all’acqua potabile alle popolazioni più povere; 2. dichiara che l’acqua va proclamata un bene pubblico e dovrebbe essere posta sotto controllo pubblico, a prescindere dal fatto che sia gestita, interamente o parzialmente, dal settore privato; (…) 13. ribadisce che la gestione delle risorse idriche deve basarsi su un approccio decentrato, partecipativo e integrato, con la partecipazione degli utenti e dei responsabili decisionali nella definizione delle politiche locali nel settore idrico; (…) 14. chiede alla Commissione di sviluppare programmi di sensibilizzazione sull’acqua sia 16. chiede al Consiglio e alla Commissione di riconoscere il ruolo fondamentale degli enti locali nella protezione e gestione dell’acqua, affinché essi diventino ovunque responsabili della gestione del settore idrico, e deplora che le competenze degli enti locali nell’Unione europea siano poco valorizzate dai programmi di cofinanziamento europeo;

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(…) 18. chiede, nel contesto del mantenimento della proprietà pubblica e in un quadro regolamentare e giuridico adeguato, che siano permessi sforzi maggiori per coinvolgere il settore privato nella distribuzione dell’acqua, onde fare tesoro dei suoi capitali, delle sue competenze e delle sua tecnologia, al fine di migliorare l’accesso all’acqua e alle strutture igienico-sanitarie per tutti e il riconoscimento dell’accesso all’acqua in quanto diritto fondamentale;19

Das Eu-Parlament sieht zwar den Einbezug von Privaten für die Erschließung von Wasserressourcen vor, betont aber deutlich, das öffentliche Eigentum und die Rolle der Lokalkörperschaften. Deutlich wird auch unterstrichen, dass das Wasser nicht den Ausschreibungsregeln der sonstigen Dienste unterliegt. Le direttive UE Le due direttive europee 92/50/CEE e 93/38/CEE, punto di partenza per l’apertura alla concorrenza dei servizi pubblici nazionali e locali, vengono spesso prese a riferimento dai fautori della privatizzazione, eppure entrambe escludono il servizio idrico dagli obblighi di mercato e consentono, in tutti gli altri casi, gli affidamenti ‹ in house ›. Un concetto ribadito da una celebre direttiva europea, datata 12 dicembre 2006, nota con il nome di ‹ Bolkestein ›, al cui articolo 17 esclude esplicitamente dalla regola della ‹ libera circolazione dei servizi › (ovvero l’apertura al mercato comunitario) proprio il servizio idrico, e dalle due direttive dell’11 marzo 2004 e del 15 marzo 2006.

 Parlamento Europeo, Testi approvati il  marzo , Strasburgo, sul Quinto Forum della qua a Istanbul, http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc. do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P-TA--++DOC+XML+V//IT , abgeladen ...

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« Essendo l’acqua un bene comune dell’umanità, la gestione delle risorse idriche non deve essere assoggettata alle norme del mercato interno » è il comandamento dell’Unione Europea. Le norme approvate, invece, negli ultimi tempi in Italia sono chiare: apertura ai privati per tutte le tipologie di servizio locale e affidamento al pubblico solo in via eccezionale, un requisito che l’Europa non ha mai chiesto. Al contrario, nelle ripetute direttive emanate ha sempre indirettamente invitato a definire determinati servizi come di interesse pubblico e non commerciale, mettendoli di conseguenza al riparo dagli sguardi vogliosi del mercato.20 In Italia – passo dopo passo verso la privatizzazione Nonostante le due chiare risoluzioni europee, l Italia, in una evidente condizione di anomalia, procede spedito verso la piena privatizzazione del servizio idrico integrato. L’apertura ai privati per il servizio di distribuzione dell’acqua potabile ebbe il proprio inizio con la Legge Galli, del 1994, che, dividendo il territorio nazionale in Ambiti Territoriali Ottimali (ATO), inaugurava l’opzione dell’affidamento a privati o a società con capitale misto pubblico-privato. Una scelta, questa, immediatamente raccolta da Toscana ed Emilia-Romagna in primis, che dall’ orientamento politico sarebbero ‹ Regioni rosse ›.21 A seguire, dopo 14 anni, nel 2008 il Parlamento approvò la legge 133/08 che regolamenta il funzionamento dei servizi locali.22 Tra i punti del provvedimento emergeva il 23–bis, l‘articolo che riguardante il settore dei servizi pubblici locali a rilevanza economica, servizio idrico compreso, imponendo l‘affidamento tramite gara ai privati e consentendo la prosecuzione del servizio

 Abruzzoore, //: http://www.abruzzoore.tv/articolo/Laprivatizzazione-dei-servizi-idrici-in-Italia/.htm, abgeladen ...  http://www.oltrelacoltre.com/?p=, abgeladen ...  Decreto Legge  giugno , no , convertito, con modificazioni, dalla L  agosto , no , articolo  bis.

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pubblico (il cosiddetto ‹ affidamento in house ›) solo in casi eccezionali e ben motivati.23 I punti chiave della legge del 2008 • Affidamento dei servizi a privati attraverso gare pubbliche d’appalto; • Possibilità di affidamento ad aziende pubbliche previa dimostrazione delle ‹ peculiari caratteristiche economiche, sociali, ambientali e geomorfologiche che impediscono il ricorso al mercato › e previa approvazione dell’ Autorità per le Garanzie; • Riconoscimento della proprietà pubblica delle infrastrutture all’interno di una distribuzione privata.24 La legge del 2009 rafforza il carattere privatistico L’articolo 15 della nuova legge25 del 2009 apporta alcune modifiche all‘articolo 23–bis della legge del 2008, rafforzandone ulteriormente lo spirito privatizzatore. 2. Il conferimento della gestione dei servizi pubblici locali avviene, in via ordinaria: a) a favore di imprenditori o di società in qualunque forma costituite individuati mediante procedure competitive ad evidenza pubblica, nel rispetto dei principi del Trattato che istituisce la Comunità europea e dei principi generali relativi ai contratti pubblici e,  Abruzzoore, //: http://www.abruzzoore.tv/articolo/Laprivatizzazione-dei-servizi-idrici-in-Italia/.htm, abgeladen ...  Decreto Legge  giugno , no , convertito, con modificazioni, dalla L  agosto , no , articolo  bis.  Decreto-legge  settembre , n.  (in Gazzetta Ufficiale – serie generale – n.  del  settembre ) , coordinato con la legge di conversione  novembre , n.  (in questo stesso supplemento ordinario alla pag. ) , recante: «Disposizioni urgenti per l’attuazione di obblighi comunitari e per l’esecuzione di sentenze della Corte di giustizia delle Comunità europee».

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in particolare, dei principi di economicità, efficacia, imparzialità, trasparenza, adeguata pubblicità, non discriminazione, parità di trattamento, mutuo riconoscimento e proporzionalità; b) a società a partecipazione mista pubblica e privata, a condizione che la selezione del socio avvenga mediante procedure competitive ad evidenza pubblica, nel rispetto dei principi di cui alla lettera a) , le quali abbiano ad oggetto, al tempo stesso, la qualità di socio e l’attribuzione di specifici compiti operativi connessi alla gestione del servizio e che al socio sia attribuita una partecipazione non inferiore al 40 per cento. 3. In deroga alle modalità di affidamento ordinario di cui al comma 2, per situazioni eccezionali che, a causa di peculiari caratteristiche economiche, sociali, ambientali e geomorfologiche del contesto territoriale di riferimento, non permettono un efficace e utile ricorso al mercato, l’affidamento può avvenire a favore di società a capitale interamente pubblico, partecipata dall’ente locale, che abbia i requisiti richiesti dall’ordinamento comunitario per la gestione cosiddetta ‹ in house › e, comunque, nel rispetto dei principi della disciplina comunitaria in materia di controllo analogo sulla società e di prevalenza dell’attività svolta dalla stessa con l’ente o gli enti pubblici che la controllano. 4. Nei casi di cui al comma 3, l’ente affidante deve dare adeguata pubblicità alla scelta, motivandola in base ad un’analisi del mercato e contestualmente trasmettere una relazione, contenente gli esiti della predetta verifica all’Autorità garante della concorrenza e del mercato per l’espressione di un parere preventivo, da rendere entro sessanta giorni dalla ricezione della predetta relazione. Decorso il termine, il parere, se non reso, si intende espresso in senso favorevole. 26

In sintesi la nuova normativa prevede: • L’affidamento dei servizi pubblici locali di regola avviene tramite una gara alla quale partecipano imprenditori o società di qualsiasi forma.  Art , comma , lettera b, del DL .., no , convertito con L ..., no ., che sostituisce i commi ,  e  dell’articolo  –bis del DL .., no , convertito con L .., no .

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• Rimane la possibilità di concessione del servizio in via esclusiva a società con capitale misto anche senza gara d’appalto, ma con semplice scelta mediante procedure competitive sul libero mercato del socio privato, che dovrà detenere almeno il 40% della partecipazione aziendale. • Annullamento dei contratti di affidamento alle ditte pubbliche in tutto il territorio nazionale entro il 31 dicembre 2011; • Annullamento dei contratti alla naturale scadenza solo in caso di affidamento a ditte con capitale misto a condizione che la quota pubblica possegga non oltre il 30% del capitale complessivo.27 Liberalisierung öffentlicher Dienste: Regierung stellte Vertrauensfrage Die Regierung peitschte das umstrittene Liberalisierungsgesetz für öffentliche Dienste, das ua vorsieht, dass die Wasserversorgung künftig EU-weit ausgeschrieben werden muss, am 18.11. 2009 in der Kammer mit der Vertrauensfrage durch – die 28. Vertrauensfrage (inzwischen sind es 30) in dieser Regierungsperiode von nicht einmal 20 Monaten. Der Senat hatte dem umstrittenen Gesetzentwurf, bereits zugestimmt. Genaue Fristen schreiben den Verfall der bisherigen Verträge vor, die bis zum 31.12.2011 durch die neue Regelung ersetzt werden müssen. Ab dem 31. Dezember 2011 müssen jene öffentlichen Dienste, die nicht über einen Wettbewerb vergeben wurden, EU-weit ausgeschrieben werden. Das Gesetz betrifft alle öffentlichen Dienste mit der Ausnahme von Strom, Gas, den regionalen Zugverkehr sowie städtische Apotheken.

 http://alessandrotauro.blogspot.com///lapprovazione-dellaprivatizzazione-dei.html http://www.oltrelacoltre.com/?p=, abgeladen am ...

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Protest in Südtirol Auch in Südtirol, wo man aufgrund der Autonomie, das Geschen in Rom nur aus der Ferne betrachtet, hagelte es heftige Proteste: »In Rom hat die Mitterechtsregierung mit einem beispiellosen Arroganzakt (mit gestellter Vertrauensfrage und damit völliger Unterbindung einer parlamentarischen Diskussion!) die Liberalisierung und Marktöffnung der TrinkWasserversorgung in Italien ab dem Jahr 2011 beschlossen! Damit wurde dem neoliberalen Ungeist auf EU- und Weltebene trotz der von diesem verursachten Finanzpolitikdesaster in großen Teilen der Welt im Interesse einer mächtigen multinationalen Wirtschaftslobby völlig entsprochen« – so kommentierte beispielsweise Christian Troger von der UIL-SGK, das neue Gesetz.28 »Wasser ist ein öffentliches Gut, das allen Bürgern Südtirols gemeinsam gehört. Deshalb muss sowohl die Versorgung der Haushalte mit Trinkwasser als auch die Stromgewinnung in öffentlicher Hand bleiben.« Das schrieben die SVP-Arbeitnehmer, die eine Vergabe von Kraftwerkskonzessionen und die Übertragung der Trinkwasserversorgung an Private strikt ablehnen.29 Auch der Südtiroler Landtag befasste sich mit den öffentlichen Diensten. Es ist eine politische Allianz, die nicht unbedingt alltäglich ist, schrieb die Südtiroler TZ. 30 Die Südtiroler Freiheitlichen und die Grünen zogen im Südtiroler Landtag gemeinsam an einem Strang. Beide Parteien brachten zur Haushaltsdebatte Beschlussanträge gegen die Privatisierung des Wassers ein. Beide Parteien forderten die Landesregierung auf, alles zu unternehmen, um die drohende Privatisierung des Wassers abzuwenden und sich dafür einzusetzen, dass die Grunddienste der Wasserver- und -entsorgung in öffentlicher Hand bleiben. »Es ist zu befürchten, dass die großen Firmen das Wasser kaufen und für sich behalten wollen«, meinte Pius Leitner. Die Frage sei, ob man diese Ent Rundschreiben im November .  Dolomiten /..  Südtiroler Tageszeitung TZ, ..

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wicklung mit der Südtiroler Autonomie aufhalten könne. In dieselbe Kerbe schlug auch Riccardo Dello Sbarba: »Wo man das Wasser privatisiert hat, etwa in Gegenden Südamerikas, hat es keine Verbesserung in der Versorgung gegeben, im Gegenteil.« »Die Mehrheit ist mit beiden Anträgen grundsätzlich einverstanden«, erklärte SVP-Fraktionssprecher Elmar Pichler Rolle, »die Wasserversorgung ist beim öffentlichen Dienst in guten Händen.« Im Haushalt sei deshalb ein entsprechender Artikel eingebaut worden, damit die Autonomie auch in diesem Bereich Bestand habe. Auch der zuständige Landesrat Michl Laimer erinnerte daran, dass das Wasser öffentliches Gut bleibe. Was sich ändern könne, sei die Versorgung. Laimer verteidigte die öffentliche Wasserversorgung. »Südtirol hat ausreichend gutes und kühles Trinkwasser, und das gilt es zu schützen«; meinte Laimer. Beide Beschlussanträge wurden bei drei Gegenstimmen angenommen. Sogar Zivilschutz sollte privatisiert werden. Der Trend zur Privatisierung in Italien geht sogar soweit, dass man auch den Zivilschutz privatisieren wollte. Wäre nicht der Skandal um den Wiederaufbau von L’Aquila ausgebrochen, dann wären sogar die Sicherheit und der bei Katastrophen lukrative Wiederaufbau der Privatisierung zum Opfer gefallen. Es ist eine Schande für unsere Gesellschaft, in den Protokollen der abgehörten Telefongespräche nachlesen zu müssen, wie sich diese Gauner nach dem Erdbeben die Hände rieben und sich auf die Aufträge freuten. Der Chef des Zivilschutzes, dem man für sein Zuvorkommen mit einer Masseuse (bleiben wir bei seiner Verteidigung) bedient hatte, wurde zum Minister ernannt, sein Rücktritt wurde abgelehnt. In der Provinz L’Aquila gewann Mitte rechts die Wahlen. Die scheidende Präsidentin des PD musste gehen. Antonio Del Corvo è il nuovo presidente della Provincia de L‘Aquila. Il candidato del centrodestra ha sconfitto Stefania Pezzopane, presidente uscente. 40


Del Corvo, 50 anni, commercialista di Celano e consigliere regionale del Pdl, ha vinto l‘elezione con il 53,42% dei voti. Für Herrn B hat es sich also doch ausgezahlt mit den Fertighäusern aus dem Trentino zu prahlen und eine ganze Fernsehsendung zu gestalten. Manchmal frage ich mich schon: In welchem Staat leben wir denn? Der Angriff auf den öffentlichen Dienst Weltweit geht es dem öffentlichen Dienst an den Kragen schreibt der französische Statistiker und Ökonom, Michel Husson. Dabei gehe es nicht nur um die Infragestellung des öffentlichen Eigentums, sondern grundlegender noch um die Art und Weise der Befriedigung sozialer Bedürfnisse. Die Arbeiterbewegung tut sich schwer, auf die Offensive zu antworten. 31 Im öffentlichen Dienst muss man zwischen folgenden Bereichen unterscheiden: • Den sozialen Dienstleistungen (Gesundheit, Fürsorge, Bildung usw.), • der Bereitstellung von Infrastrukturen (Energie, Verkehr, Post, Telekommunikation) und • Industrie- und Dienstleistungsbetrieben im staatlichen Besitz (Stahl, Energie, Banken usw). Wohlfahrtsstaat, öffentlicher Dienst und Vollbeschäftigung haben nach dem Zweiten Weltkrieg eine Periode außerordentlich dynamischer Entwicklung getragen. Die staatliche Reglementierung hielt die Marktmechanismen in Grenzen und festigte gleichzeitig auch die Marktwirtschaft und ihre Berechtigung. Der öffentliche Dienst hatte somit eine wirtschaftliche Funktion, die den Anforderungen entsprach. Ma konnte zu Recht hoffen, dass mit dem Modell der  Michel Husson, M. (): Der Angriff auf den öffentlichen Dienst, SoZ Sozialistische Zeitung Nr , S .

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sozialen Marktwirtschaft, die Krisen vermieden werden und jedem Menschen Arbeit, ausreichende soziale Sicherheit sowie eine rasch wachsende Kaufkraft garantiert werden könnte. Die neoliberale Offensive hat diese Hoffnung auf den Markt allein beschränkt. Das System wurde auf den Kopf gestellt. In Frankreich wird die Zeit um fünfzig Jahre zurückgedreht und alle Errungenschaften seit der Befreiung vom Faschismus in Frage gestellt: Mindestlohn, Sozialversicherung, Tarifverträge, Verstaatlichungen. Die Ursachen sind vielfältig • Auf wirtschaftlicher Ebene sind die hohen Zuwachsraten des Wiederaufbaus nach dem Krieg verklungen. Die Sozialausgaben werden nicht mehr als nützliche Faktoren eingeschätzt, um die Nachfrage zu stützen, sondern als Belastung der Rentabilität. Doch gerade die Wirtschaftskrise zeigt uns, wie notwendig es ist, den Menschen Kaufkraft zurückzugeben, um die Nachfrage und damit auch die Produktion wieder anzuheizen, und das ganz unabhängig von christlichen, sozialen Überlegungen. • Durch das abgeflaute Wirtschaftswachstum werden die Öffentlichen Haushalte immer knapper, Sparen ist angesagt. Die neoliberale Welle führt das zu Lasten des sozialen Sektors durch. Bestärkt fühlt man sich auch durch den Zusammenbruch des Kommunismus und verkennt dabei, dass beide Extreme gescheitert sind. Was es bräuchte ist der Ausgleich, aber das Pendel schlägt lieber nach beiden Extremen aus. Der Kommunismus ist gescheitert, Gott sei Dank muss man sagen, weil die Sowjetunion daraus ein übles totalitäres System gemacht hat, das Unfreiheit und Armut gebracht hat. Aber auch der Glaube an den unbeschränkten Markt ist gescheitert und hat uns, zuerst 1929 und jetzt

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schon wieder, die Illusion des Marktes als ewigen Wohlstandsspender zerstört. • Die Globalisierung hat die staatlichen regeln außer Kraft gesetzt. Die Finanzwelt lässt sich schon lange nicht mehr durch staatliche Gesetze eingrenzen. Internationale Sicherheiten hat man vermieden und die Katastrophe war unaufhaltsam. Den Ruf nach einem neuen Weltgipfel nach dem Muster von Bretton Woods, wie ich und viele andere sie schon seit Jahren gefordert haben, blieb ungehört. Im Bereich des öffentlichen Dienstes agieren heute große multinationale Konzerne, die eine starke Autonomie gegenüber den Nationalstaaten erlangen und eine Öffnung für das Privatkapital durchsetzen können. Vorwurf der mangelnden Effizienz Ein Hauptargument der Liberalen für die Privatisierung der öffentlichen Dienste ist ihre mangelnde Effizienz. Dort wo der öffentliche Dienst besonders schlecht arbeitet, ist es sehr schwer, gegen eine Privatisierung zu argumentieren, die angeblich alle Übel beseitigt. Oft wird mit Effizienz aber nichts anderes als die soziale Funktion öffentlicher Dienste bezeichnet, die eben beseitigt werden soll. Ein öffentlicher Betrieb muss auch jene Leistungen garantieren, die sich für einen Privaten nicht rentieren, denken wir nur an die Versorgung entlegener Gebiete mit Gas, Strom oder Internet, die Post oder die Nahversorgung, die deshalb auch bei uns immer mehr unter Druck kommt. Ein privates Unternehmen, das sich auf die rentablen Bereiche konzentriert, gilt dann als effizienter als ein öffentlicher Dienst, der die Gesamtheit der Leistungen abdeckt. Trotzdem müssen wir den Mut haben zu prüfen, was Private tatsächlich besser machen können, ohne die Grundbedürfnisse jener zu vernachlässigen, für die es sich nicht auszahlt. Auch müssen wir neue Maßstäbe an den öffentlichen Dienst anlegen, der seine Effizienz steigert, die Leistung misst, die Qua43


lität auf höchstem Niveau gewährleistet. In vielen Bereichen ist das der Fall. Denken wir beispielsweise an viele unserer Gemeindebetriebe, die gesundes Trinkwasser für alle und eine einwandfreie Entsorgung gewährleisten. Aus meiner Sicht eignet sich die Dreiteilung der Dienste sehr gut, das Spreu vom Weizen zu trennen. • Die sozialen Dienstleistungen und Gemeinschaftsdienste (Gesundheit, Fürsorge, Bildung, Sicherheit, Wasser, Entsorgung usw.), müssen dem öffentlichen Dienst vorbehalten bleiben. Die Privaten können ergänzend wirken, aber unter der öffentlichen Aufsicht. Zwei Klassengesellschaften, wo die einen im Luxus leben und die anderen vor dem Krankenhaustüren sterben, wollen wir keine. • Die Bereitstellung von Infrastrukturen (Energie, Verkehr, Post, Telekommunikation,). Die Grund-Versorgung muss allen gewährleistet werden, aber nicht der Luxus. Private Konkurrenz kann es in diesem Bereich ruhig geben, aber die Aufteilung kann nicht jene sein, wie es derzeit im Mobilfunk praktiziert wird: Die teueren Infrastrukturen (Umsetzer usw) zahlt ›Pantalone‹, wie die Italiener den Steuerzahler so schön nennen, und die profitablen Geschäfte machen die Privaten. • Normale Industrie- und Dienstleistungsbetriebe (die keine Grundversorgung besorgen): In diesem Beeich wäre ich hingegen für eine radikale Privatisierung, aber nicht nur bei jenen, die schwarze Zahlen schreiben. Industrie- und Dienstleistungsbetriebe sind vielfach deshalb im staatlichen Besitz (Stahl, Banken usw), weil sie bei Wirtschaftskrisen vom Staat gerettet und übernommen wurden. Das geschah auch jetzt wieder. Solange die Börsen- und Bankgeschäfte florierten, werden die satten Gewinne eingestrichen. Beim Zusammenbruch, wird von denselben Verfechtern der reinen Marktwirtschaft, nach dem Staat gerufen und die Hand aufgehalten. Der Bürger wurde doppelt zur Kassa gebeten. Zum einen hat man seine Ersparnisse entwertet, die er im guten Glauben angelegt hat, zum anderen muss er jetzt erhöhte 44


Steuern und einen neue Inflation in Kauf nehmen, um die Löcher der großen Player auf dem Weltmarkt zu stopfen. Armer ›Pantalone‹. Deshalb gehören Tätigkeiten, die keine soziale Funktion erfüllen oder eine strategische Infrastruktur darstellen, in die Hand der Privaten. Das muss auch in Südtirol erfolgen, weil niemand verstehen kann, warum die Steuerzahler für ein Thermenhotel oder eine Gokartbahn zahlen und die Defizite abdecken müssen. Das Land ist an Dutzenden Betrieben beteiligt, schauen wir bitte nach, ob alle gerechtfertigt sind und der arme Pantalone zahlen muss. Und dafür verteidigen wir, mit den eingesparten Mitteln die sozialen Leistungen.

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In Rom: Geht’s nur um die Autonomie? Die Arbeit in Rom – Grundsätze notwendig Wir Parlamentarier in Rom werden oft als Wächter der Autonomie bezeichnet. Sicherlich ist das auch die Hauptrolle, die wir zu erfüllen haben, um die Autonomie in unserem Lande zu wahren und möglichst weiter auszubauen. Trotzdem darf es uns nicht gleichgültig sein, welche Haltung die Regierung zur Wirtschafts- Sozial- Kultur- und Umweltpolitik einnimmt und wie sie sich den großen Herausforderungen dieser Zeit stellt. Diesbezüglich müssen wir leider enttäuscht feststellen, dass die Regierungsarbeit mehr von den persönlichen Problemen des Ministerpräsidenten als von der Sorge um die Menschen im Staate geprägt ist. Aushöhlung der Demokratie Die Gewaltenteilung ist eine grundsätzliche Voraussetzung einer parlamentarischen Demokratie. Die drei Staatsgewalten, Gesetzgebung, Regierung und Gerichtswesen, zu denen sich in einer modernen Gesellschaft noch als vierte Kraft die Medienwelt dazugesellt, müssen im Gleichgewicht stehen. Wenn eine Kraft Überhand bekommt, dann ist das demokratische Leben in Gefahr. Was derzeit diesbezüglich abläuft, ist sehr bedenklich: die Gesetzgebung wird zunehmend von der Regierung übernommen, durch • Notstandsdekrete (in Bereichen, für die es Reformgesetze bräuchte, wie z. B. die Schulreform, Justiz, Eluana, Miolchquoten, Landwirtschaft, Sicherheit).

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• Laufende Vertrauensfragen ( 31 bisher in einem Jahr und 10 Monaten) 32, bei denen die Abänderungsanträge verfallen und die parlamentarische Debatte unterbunden wird (scuola e università, Alitalia, sanità milleproroghe, Justiz ua.). • Ermächtigungsgesetze (L. Delega: legge produttività del lavoro pubblico, Riforma scuola, federalismo fiscale, riforma pubblica amministrazione, processo civile, collegato sviluppo etc). • Übergehen der Gesetzgebungs-Kommissionen (Biologisches Testament, Gelmini-Dekret, Abkommen mit Lybien), Damit wird die Gesetzgebungsgewalt der Kammern zunehmend ausgehöhlt, was jeden Demokraten wachrütteln muss. Besonders wachrütteln müssten sie aber die Südtiroler Minderheit, weil ein demokratisches System die beste Garantie auch für den Schutz von kleinen Gruppen darstellt, während wir leider Gottes erleben mussten, wie totalitäre Regime als erste gegen die Minderheiten vorgehen. Die Haltung der Regierung zur Gerichtsbarkeit Diese stimmt uns ebenfalls sehr nachdenklich. Aufgrund der vielen anhängenden Prozesse und immer neuer Skandale, wehrt sich der Ministerpräsident mit groben Angriffen gegen die Justiz, den obersten Richterrat und die Richterkammer. Seine Verteidigung besteht einfach darin, der Justiz vorzuwerfen, dass man ihn persönlich verfolgen möchte und die Richter alles Kommunisten seien. Wenn das eine Privatperson sagt, ist das an und für sich schon bedenklich genug. Wenn es aber der Chef einer der Staatsgewalten sagt, nämlich der Regierung, dann ist das demokratiepolitisch total aus dem Gleis.  Con la doppia fiducia del Senato il .. sul “Legittimo impedimento”, il governo Berlusconi passa a  voti di fiducia. Il Berlusconi IV nel suo anno e dieci mesi di vita „stacca“ così il Berlusconi II che nella XIV legislatura in quasi quattro anni aveva fatto ricorso alla questione di fiducia  volte.

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Die maßgeschneiderten Gesetze für den Ministerpräsidenten Des Weiteren verteidigt sich der Ministerpräsident mit laufenden Gesetzen, um sich den Straf-Verfahren zu entziehen. Jeder Bürger dieses Staates muss sich vor dem Gesetz rechtfertigen und wird beim kleinsten Vergehen, ja sogar bei zu hoher Geschwindigkeit zur Rechenschaft gezogen, der Ministerpräsident nicht. Bei den Kleinen ist man streng, bei den Großen das Gegenteil. Ich bin seit 2001 im Parlament und kann schon fast nicht mehr die Gesetze zählen, die zum Schutz vor den rechtlichen Folgen für den Ministerpräsidenten verabschiedet wurden. Le leggi ad personam • Legge sulle rogatorie internazionali (L. 367/2001): limitazione dell‘utilizzabilità delle prove acquisite attraverso una rogatoria (trova applicazione anche al processo ‹ Sme-Ariosto 1 › per corruzione in atti giudiziari)33 – Unterbindung von Beweismitteln • Depenalizzazione del falso in bilancio (L. 61/2002): modifica della disciplina del falso in bilancio (nei processi ‹ All Iberian 2 › e ‹ SmeAriosto2 › Berlusconi viene assolto perché ‹ il fatto non è più previsto

 Il procuratore generale di Ginevra, Bernard Bertossa, boccia con parole severe la nuova legge italiana sulle rogatorie svizzere e sulla collaborazione giudiziaria internazionale. “Questa legge è una catastrofe per la giustizia internazionale. In dodici anni di collaborazione giudiziaria con Paesi di tutto il mondo, non ho mai visto norme del genere. Prima d’ora, mai. Queste vostre nuove regole sulle rogatorie sono in contrasto con tutti gli accordi tra Stati sulla validità delle prove raccolte all’estero: si tratta chiaramente di disposizioni politiche dirette a far cadere le indagini e i processi più delicati. Ma anche per il futuro, per noi magistrati svizzeri diventerà molto più difficile, anzi praticamente impossibile, continuare a collaborare con l’Italia nelle indagini sulla corruzione, sul riciclaggio dei patrimoni mafiosi e sulle organizzazioni che finanziano il terrorismo. Non resta che sperare in un intervento di Bush sul vostro premier Berlusconi: Osama Bin Laden ha soldi in Italia?” (Dal Corriere della sera, .. )

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dalla legge come reato ›)34 Bilanzfälschungen aus den Strafvergehen genommen • ‹ Legge Cirami › (L. 248/2002): introduzione fra le cause di ricusazione e trasferimento del processo del ‹ legittimo sospetto sull‘imparzialità del giudice › (la norma è sistematicamente invocata dagli avvocati di Berlusconi e Previti nei processi che li vedono imputati) Wechsel des Richters und Unterbrechung des Prozesses. • ‹ Lodo Schifani › (L. 140/2003): introduzione del divieto di sottoposizione a processo delle cinque più alte cariche dello Stato tra le quali il Presidente del Consiglio in carica, dichiarata incostituzionale dopo pochi mesi, con sentenza della Corte costituzionale n. 13 del 2004, Immunität für höchste Spitzen des Staates. • Decreto-salva Rete 4 (D.L. 352/2003): introduzione di una norma ‚ad hoc‘ per consentire a Rete 4 di continuare a trasmettere in analogico • ‹ Legge Gasparri › (L. 112/2004): introduzione del SIC (‹ Sistema Integrato delle Comunicazioni ›) che ha per effetto di estendere il numero di canali televisivi che un singolo soggetto può avere in concessione (la norma consente di evitare la riduzione del numero di concessioni del gruppo Mediaset) • Condono edilizio nelle aree protette (L. 308/2004): estensione del condono edilizio alle zone protette (comprensiva la villa ‹ La Certosa › di proprietà di Berlusconi) • ‹ Legge ex Cirielli › (L. 251/2005): riduzione dei termini prescrizione (la norma porta all‘estinzione per prescrizione dei reati di corruzione in atti giudiziari e falso in bilancio nei processi ‹ Lodo Mondadori ›,  Il falso in bilancio è un reato, contemplato in Italia agli art  e  (e, in passato, anche il , poi abrogato) del Codice civile. Il governo Berlusconi, con una riforma del , ha inserito alcuni limiti di punibilità: al di sotto di una certa soglia, il reato viene derubricato a illecito amministrativo.

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‹ Lentini ›, ‹ Diritti tv Mediaset › nei quali era imputato Berlusconi), 35 die Herabsetzung der Verjährungsfristen bei Strafgesetzen, Ex-Cirielli, 2005, • ‹ Legge Pecorella › (L. 46/2006): introduzione dell‘inappellabilità da parte del PM delle sentenze di proscioglimento, dichiarata incostituzionale dopo pochi mesi, con sentenza della Corte costituzionale n. 26 del 2007 • ‹ Lodo Alfano › (L. 124/2008): introduzione di un nuovo divieto di sottoposizione a processo delle cinque più alte cariche dello Stato tra le quali il Presidente del Consiglio in carica, dichiarata incostituzionale dopo un anno, con sentenza della Corte costituzionale n. 262 del 2009. Immunität für höchste Spitzen des Staates. • Il processo breve, e‘ alla Camera, dopo l‘approvazione al Senato 19.1.2010. Einstellung der Prozesse nach wenigen Jahren mit dem Drama von hunderttausenden von Strafvergehen, die ungestraft bleiben, nur um eine Person zu schützen • Il legittimo impedimento, approvato definitivamente il 10 marzo e all’attenzione del Presidente della Repubblica per la firma. Die entschuldigte Abwesenheit der Regierungsmitglieder bei Prozessen, die sich praktisch nicht stellen müssen, am 10. März mit zweifacher Vertrauensabstimmung Südtirol sollte auf der Hut sein Eines der unbestrittenen, heiligen Prinzipien der Gerichtsbarkeit ist, dass jeder Bürger vor dem Gesetz gleich ist. Geschieht das hiermit in Italien?  La legge n.  del  dicembre  (c.d. ex Cirielli) comporta modifiche al Codice penale ed alla legge n. / in materia di attenuanti generiche, di recidiva, di giudizio di comparazione delle circostanze di reato per i recidivi, di usura e di prescrizione. In particolare, diminuiscono i termini di prescrizione ed aumentano le pene per i recidivi e per i delitti di associazione mafiosa ed usura.

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Und die neue, vierte Gewalt, die Medien? Hier sind wir in einer Lage, über die das ganze Ausland nur den Kopf schüttelt. Mit der Hilfe des damaligen Ministerpräsidenten Craxi, der ihm auch erlaubt hat, billige Gründe in Mailand zu teuren Bauzonen umzuwidmen und damit reich zu werden, hat Herr B. aus dem Urteil des Verfassungsgerichtshofes aus dem Jahre 1975, das das Staatsmonopol im Rundfunk- und Fernsehwesen gebrochen hat, ein privates, fast monopolartiges Fernsehimperium aufgebaut. Der Verfassungsgerichtshof wollte damals mit Berufung auf den Artikel 21 der Verfassung die Meinungsvielfalt wahren und viele kleine Sender zulassen. In Wirklichkeit hat man den kleinen Sendern erst heuer den Geldhahn zugedreht, während Herr B ebenfalls mit Sondergesetz ermöglicht hat, ein privates Imperium im Fernsehwesen aufzubauen und damals die Meinungsvielfalt eindeutig zu beschneiden. Als Ministerpräsident nimmt er zusätzlich Einfluss auf die Rai, die im ersten und zweiten Kanal deutlich davon geprägt ist. Für uns Südtiroler stellt sich folgende Frage: Bleiben wir von wir von all diesen Themen unberührt oder könnten nicht möglicherweise wir die ersten Opfer werden? Nach dem Ersten Weltkrieg, als die Faschisten schon mit Knüppeln vorgingen, stand Südtirol vor einer ähnlichen Situation. Ich habe die Parlamentsakte durchgestöbert, um zu schauen, wie die Südtiroler Parlamentarier beim sich abzeichnenden Zentralismus reagiert hatten: Und wisst ihr wie? Man hat in Rom gute Miene zum bösen Spiel gemacht, sich wohlwollend zur Regierung gestellt hat, ja sogar die internationale Frage Südtirols geleugnet hat, um sich bei den immer stärker werdenden Faschisten beliebt zu machen. Bei der Änderung des Wahlgesetzes 1923 hat der Abgeordnete von Walther noch verzweifelt darauf hingewiesen, wie nett die Südtiroler doch mit der Regierung gewesen wären. In einem verzweifelten Aufruf und einem Beschlussantrag bat man um Verständnis. Die Rechnung wurde bald präsentiert. Die vier Abgeordneten wurden mit dem Acerbo-Gesetz von vier auf zwei reduziert und der Deutsche Verband wurde verboten. 51


Berührt uns die staatliche Politik nicht? Weiters stellt sich die Frage, wie weit die Sachfragen Südtirol nicht betreffen und deshalb eine Enthaltung in Rom rechtfertigen könnten. Schauen wir uns einige Bereiche an. Einsatz in Kriegsgebieten: ich wurde als ›Roter‹ Außenseiter hinter vorgehaltener Hand bezeichnet, weil ich damals gegen den Einsatz im Irak und später in Afghanistan gestimmt habe. Was ist daraus geworden? Tony Blair und George Bush allen voran haben Hunderttausende von Menschenleben auf dem Gewissen und haben ihren Einsatz mit einer Lüge begründet, die damals von den Kriegseifrigen bestritten wurde, sich aber heute international als solche erwiesen hat. Irak hatte keine Atomwaffen. Italien hat die Kriegseinsätze immer unterstützt. Konnte ich das mit ehrlichem und sauberen Gewissen auch tun? Anderes Beispiel Umweltschutz: mit verschiedenen, sogenannten ›Condoni‹ wurde dem Wildwuchs im Bausektor Tür und Tor geöffnet. Wer Gelegenheit hat, schaue sich einmal die Küsten von Sizilien oder sonst wo in Süditalien an. Bis an den Strand wurden Villen gebaut, ohne Baugenehmigung und ohne Bauleitplan. Aber wenn man darauf vertrauen kann, dass früher oder später eh ein Condono kommt, dann kann man ja so weiter machen. Atomkraft: Nicht nur wir setzen auf saubere Energie, auch für Merkel und Obama sind das die Herausforderungen für die Zukunft. Italien beschloss den Wiedereinstieg in die Atomkraft. Zur Schulreform: Ich habe mit Überzeugung gegen diese Reform gestimmt. Unter dem Deckmantel der Reform, wurden erhebliche Mittel von der Schule abgewackt, um sie in anderen Sektoren einzusetzen, so beispielsweise für den Mammutplan einer Brücke über die Meerenge von Messina. Und es ist nicht so, dass uns die Reform nicht betrifft. Leider haben wir im Schul- und Lehrerbereich nur sekundäre, d.h. konkurrierende Zuständigkeit, sodass sich Südtirol an die Grundsätze halten muss. 52


Schule – die Gelmini Reform und die Berufsmatura Vorbildliche Schule und Berufsausbildung in Südtirol Mit Genugtuung kann gesagt werden: Die Schule in Südtirol funktioniert gut. Unsere Schüler erbrachten bei den Pisa-Bewertungen glänzende Ergebnisse. Die Lehrer setzen sich mit viel Begeisterung, Kraft und Aufwand ein. Südtirols Jugend ist generell an schulischer Ausbildung sehr interessiert. Die Besuchszahlen sind trotz fast gleich bleibender Geburtenzahlen von Jahr zu Jahr gestiegen, und dies sicher nicht nur, weil die Bildungspflicht angehoben worden ist. Unsere Familien schätzen eine gediegene Grundbildung ihrer Jugendlichen hoch ein. Auch die Berufsausbildung ist vorbildlich. Das Land Südtirol hat seit den 50er Jahren die Berufsausbildung nach dem im deutschen Kulturraum verankerten dualen System aufgebaut. Das Hauptziel dabei war und ist, Jugendliche für Berufe des Handwerks, später auch der Industrie und der Dienstleistungen gründlich auszubilden und dabei Praxis und Fachtheorie zu verbinden. Der Aufbau der schulischen Ausbildung in den Bereichen Land- und Hauswirtschaft hat entscheidend zur Entwicklung des Agrarsektors in Südtirol beigetragen und den Jugendlichen eine entsprechende berufliche Identität vermittelt. Aus den Anfängen der ersten Berufsschulen für Lehrlinge ist heute ein breit gefächertes Berufsbildungssystem entstanden. Aber die Fach- und Berufsschulen waren eine Sackgasse Das Problem der Berufs- und Landesschulen aber war, dass sie in eine Sackgasse führten. Wer fleißig und zielstrebig weiterstudieren wollte, fand keinen Weg, außer von vorne anzufangen und mühselig auf die staatlichen Schulen umzusteigen. Das widerspricht dem Prinzip eines modernen Bildungssystems, das auf lebenslanges Lernen setzt. Daher die jahrelangen Bemühungen, 53


in Südtirol nach bewährtem deutschem Muster die Berufsmatura einzuführen. Sie wurden bis dahin allesamt abgewiesen. Ein eigenes Landesgesetz wurde vom Verfassungsgerichtshof annulliert. Ich habe deshalb in der Gesetzgebungs-Kommission für Schule und Kultur zunächst mit Überzeugungsarbeit begonnen und versucht zu erklären, wie effizient unsere Berufsausbildung und unsere Fachschulen wirken. Zum Unterschied von dem, was manche in Südtirol verbreiten, habe ich in Rom, besonders in den Ausschüssen (Verfassungsausschuss sowie Schul- und Kulturausschuss) ein sehr gutes Verhältnis mit allen aufgebaut, auch mit den Vertretern der Mehrheit. Sobald der Boden vorbereitet war, habe ich bei der erst besten Gelegenheit im November 2009 die Regierung mit einem Beschlussantrag in der Aula des Senates zu verpflichten versucht. Staatssekretär, der die Arbeiten in der Kommission verfolgt, und der Berichterstatter Bevilacqua gaben mir ihr Einvernehmen, die Regierung nahm meinen Antrag an und verpflichtete sich, die Berufsmatura (zunächst nur für Südtirol) zu ermöglichen. Das war ein schöner Durchbruch. Undankbar –wie es leider eine Untugend der Südtiroler zu werden scheint – hieß es in der Zeitung »Ja gut, aber das sei noch nichts, wir brauchen das Dekret.« Im Ärger, musste ich fast darüber lachen. Da kriege ich – nicht von einem Minister in einem privaten Gespräch, die oft als große Erfolge gefeiert werden – nein von der Regierung vor versammeltem Senat eine offizielle Zusage und einen einsprechenden Beschluss zu einem Thema, das vorher immer abgelehnt wurde, und dann heißt es, ja das sei noch nichts Besonderes. Die Stromautonomie in Rom Lassen Sie mich bei der Gelegenheit ein Steinchen aus dem Schuh herausholen. Ähnlich ist es mir schon einmal ergangen, als ich noch unter Prodi, den Verfall der Elektrokonzessionen und damit die Stromautonomie im Senat mit 54


meinen Kollegen durchsetzten konnte (Umwandlung des Gesetzes-Dekretes 300/2006 am 14. Februar 2007). Der Antrag war vorher in der Kammer, sei es im Verfassungsausschuss, als im Plenum abgelehnt worden, ebenso im Verfassungs-Ausschuss des Senates. Wir mussten es in der Aula mit einem Abänderungsantrag versuchen. Es gab eine knallharte Polemik gegen mich, bei der man mir sogar vorwarf, ich würde die Börsenwerte der Enel zum Einsturz bringen. Aber unser Antrag (6.44 Peterlini, Thaler, Pinzger u.a.) ging schließlich durch. Sicherlich war es ein gemeinsamer Erfolg, zu dem das Land, der Landeshauptmann und alle Parlamentarier beigetragen hatten. Genehmigt aber wurde er aber im Senat, und ich musste ihn als Fraktionsführer der Autonomiegruppe erkämpfen. Am nächsten Tag meldeten sich alle möglichen Väter des Erfolges zu Wort, ich war am Rande erwähnt. Ich danke der Elektro-Gewerkschaft (FLAEI) der CISL-SGB, dass sie neulich auf ihrem Landeskongress (am 27.11.2009) die Ereignisse nachgezeichnet und eine Dokumentation dazu aufgelegt hat (Anlage zur PM vom 5.12.209). Zumindest der Geschichte bleibt die Wahrheit vorbehalten. Zurück zur Berufsmatura Ich habe meine Anträge (erweitert auf Trient, auf Wunsch von Landeshauptmann Dellai) für das Gutachten der Schul- und Kulturkommission zu den Gelmini-Dekreten vorgelegt und – mit dem Beschluss und der Zusage im Rücken – auch durchgekriegt. Der Ministerrat hat die Dekrete zur Reform der Lyzeen, der technischen Oberschulen und der Berufsschulen am 4. Februar 2010 erlassen, die von Südtirol mit großer Spannung erwartet wurden. Mit großer Genugtuung konnten wir feststellen, dass die Berufsschulmatura tatsächlich Eingang in die vielerwartete Reform gefunden hat. Die Bestimmung wird im Artikel 6, Absatz 5 des Dekrets vorgesehen. Das war ein ent-

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scheidender Durchbruch, zumal ja der Verfassungsgerichtshof die bisherigen Bemühungen des Landes in diese Richtung abgelehnt hatte. Südtirols Berufsschulen sind nun berechtigt, ein fünftes abschließendes Schuljahr vorzusehen und mit einer Maturaprüfung abzuschließen. Es handelt sich um eine vollwertige Reifeprüfung wie sie für die Oberschulen vorgesehen ist. Dies entspricht einem langfristigen Konzept, das die Südtiroler Landesregierung, allen voran Landesrat Otto Saurer und seine Nachfolgerin, Landesrätin Sabine Kasslatter Mur und ihr Berufschulinspektor Peter Duregger, seit Jahren verfolgt haben. Matura für Landesschulen Diese sogenannte Berufsmatura, die weit mehr als die Berufsschulen umfasst, sollte deshalb Matura für Landesschulen heißen. Sie öffnet die bisherige Sackgasse und ermöglicht den Schülern den Bildungsweg auch auf universitärer Ebene fortzusetzen. Autonomiepolitisch bedeutet sie weit mehr. Das Land kann nun all seine Berufs- und Fachschulen mit einer staatlich anerkannten Matura krönen, was ganz neue Möglichkeiten und neue Bildungswege öffnet. Eine wahre Revolution: Auf diesem Erfolg sollten wir aufbauen und stolz sein weil – von Landesrat Saurer angefangen bis zur Landerätin Kasslatter Mur – Südtirol jahrelang daraufhin gearbeitet hat. Nach vielen Rückschlägen ist der Durchbruch in Rom gelungen, nicht zuletzt wegen eines Antrages im Senat mit dem sich die Regierung bereits im November dazu verpflichtet hatte. Während sich die Sozial- und Wirtschaftsverbände zu Recht darüber freuen, scheint dieser Erfolg in der Öffentlichkeit von einer Euphorie über die neue Oberschulreform überdeckt zu werden.

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Keine Euphorie für Schulreform Vor einer Euphorie über die neue Reform der Oberschule von Ministerin Gelmini muss ich allerdings warnen. Die einzige große Errungenschaft für Südtirol ist die Möglichkeit, die Berufs- und Fachschulen des Landes mit einer staatlichen Reifeprüfung abschließen zu können. Aber vom Rest der Reform haben wir nichts zu erwarten. Sie wurde unter dem Zwang der deutlichen Kürzungen der Finanzmitten verabschiedet: • Das Haushaltsgesetz hat dem Bildungswesen über 8 Milliarden Euro entzogen. • Unter dem Deckmantel der Vereinfachungen werden nun Lehrfächer und Unterrichtsstunden gestrichen (zB Recht und Wirtschaft in den Lyzeen) • 87.000 Lehrerstellen und 44.500 Verwaltungsstellen werden innerhalb der nächsten drei Jahre abgebaut. • Der Staat erspart sich 7 Prozent der jährlichen Ausgaben für die Schulen. Die Vereinfachung der Oberschul-Typen mag durchwegs interessant sein, was sich dahinter verbirgt allerdings weniger. Die Verantwortlichen Südtirols im Schulbereich tun deshalb gut daran, die Umsetzung in Südtirol zu verschieben. Die Autonomie und ihre Finanzierung geben uns die Möglichkeit, den Stellenabbau und die Reduzierung der Schulstunden so weit als möglich zu vermeiden und einen autonomen Weg einzuschlagen. Italiens Bildungssystem gehört zu den Schlechtesten Europas. Die vielen Reformen, die bei jedem Regierungswechsel erfolgten, haben bisher weinig daran geändert. Zum Unterschied vom Staat, hat Südtirols Schul- und Bildungsmodell Vorbildcharakter und zeichnet sich durch hohe Qualität und entsprechende Ergebnisse bei den Pisa-Studien aus, wofür ich allen Verantwortlichen und den Lehrern herzlich danke. Ich wiederhole es noch einmal, von diesem Bildungssystem in Italien brauchen wir uns nichts abzuschauen, es ist das Schlechteste ganz Europas. 57


Sozialleistungen nicht abbauen Diese Regierung stellt soziale Errungenschaften in Frage Statt in dieser wirtschaftlich schwierigen Zeit Sicherheiten und Hilfen für die Arbeitnehmer einzuführen, werden soziale Errungenschaften Schritt für Schritt abgebaut. Das jüngste Beispiel war der Versuch, den Kündigungsschutz des Arbeitnehmerstatutes zu umgehen, den der Staatspräsident durch die Verweigerung der Unterschrift zumindest zeitweise verhindert hat. Und das bedeutet viel, weil der Präsident in seiner Ausgewogenheit schon alles Mögliche unterschrieben hat, was dann das Verfassungsgereicht als verfassungswidrig erklärt hat. Kann und soll man in einer so schwierigen Lage sich in Rom einfach generell der Stimme enthalten, um der Regierung zu gefallen? Ich kann das nicht tun und ich bewege mich im Prinzip linear mit dem Beschluss der Parteileitung zu Beginn der Legislaturperiode. In der Öffentlichkeit wird das so dargestellt, als ob Oskar Peterlini eine Sondertour reiten würde, wenn die anderen sich enthalten. Ich muss daran erinnern, dass zu Beginn der Legislaturperiode, noch unter der Führung von Elmar Pichler Rolle eine sehr schwierige Sitzung stattgefunden hatte. Dank dem Druck der Jungen Generation, der Frauen, der Senioren und nicht zuletzt des Forum Heimat, hatte die Parteileitung damals entschieden, dieser Regierung nicht das Vertrauen zu geben. Aber breit gemacht hat sich die sogenannte Blockfreiheit von den beiden Polen. Was bedeutet das? Wir haben jahrzehntelang mit Mitte-Links zusammen gearbeitet und von Mitte-Links-Regierungen auch die Zusicherungen für unsere Autonomie erhalten. Es war die entscheidende Stimme des Partito Comunista Italiano in Kammer und Senat, der 1971 mit seiner Zustimmung verhindert hat, dass das Autonomiestatut einem Referendum unterzogen werden könnte. Inzwischen 58


gibt es Gott sei dank keine Kommunisten mehr, weil diese Lehre genauso fehlgeschlagen hat wie der totale Liberalismus. Wegen der Zusammenarbeit mit der Südtiroler Volkspartei haben unsere Koalitionspartner von Mitte-Links in Südtirol sehr viel Blut verloren, weil die Zustimmung zu den Autonomierechten, den Abbau von Privilegien für die Italiener bedeutet hat: Zweisprachigkeits-Prüfung, Proporz, Gleichstellung der deutsche Sprache usw., Privilegien die niemand so gerne aufgibt. Trotzdem ist man zu uns gestanden. Ich persönlich bin gewählt worden, dank der Zusammenarbeit der SVP mit den Mitte-Links-Kräften, hauptsächlich dem damaligen Ulivo und dem heutigen Partito Democratico. Vorher war dieser Sitz jahrzehntelang Domäne der extremen Rechten, wenn man von einer kurzen, erfolgreichen Klammer von Senator Karl Ferrari absieht. Sozial engagiert aber nicht Linksaußen Da ich immer wieder und erst neulich als Linksaußen, oder roter Oskar bezeichnet werde, möchte ich euch über meine wahre Haltung aufklären. Ich bin weder das Eine, noch das Andere. Ich bin seit meinen politischen Jugendjahren sozial engagiert und dazu stehe ich. Ich habe mich für Jugendförderung zuerst, für das Familienpaket später und schließlich für das Rentenprojekt eingesetzt. In meinem Wahlkreis Bozen Überetsch Unterland kämpfe ich für die Lebensqualität und gegen allzu große Belastungen. Ich weiß, dass das nicht allen passt, dass manche einen größeren Flughafen und eine dritte Spur wollen. Es ist auch nicht immer leicht für mich, aber es sind die Anliegen meiner Leute, die ich nach bestem Wissen und Gewissen vertrete. Um in diesem Wahlkreis des Senats, der mit Bozen mehrheitlich italienisch ist, die nationalistische Rechte abzulösen, hat die SVP (nicht ich) schon drei Mal ein Abkommen mit den Mitte-Links Parteien geschlossen, die mich solidarisch unterstützt haben. Solange Prodi am Ruder war, haben die SVP und das 59


Land das reichlich ausgenützt und gut befunden. Auch die Energiekompetenz (Verfall der alten Konzessionen) wurde im Senat durchgesetzt, um nur ein Beispiel zu nennen, an das ich erinnert habe. Nun hat sich der Wind in Italien gedreht und mit dem Wind auch andere. Ich habe mich nicht gedreht. Ich bleibe, allen Angriffen zum Trotz, meinen Grundsätzen treu: Im christlichen Glauben verwurzelt, werde ich mich weiterhin für Gerechtigkeit und Solidarität, für den Frieden in der Welt, für Lebensqualität und Umweltschutz einsetzen, so wie ich eine vernünftige Wirtschaftspolitik auf der Grundlage der sozialen Marktwirtschaft voll unterstütze: Ja zu Markt und Leistung, aber mit sozialer Abfederung und Partnerschaft und einem respektvollen Umgang mit unseren Ressourcen. Nicht kriechen – sachlich arbeiten Die Grundlage meines Handelns bildet die christliche Soziallehre und die Werte die darauf aufbauen. In Rom bin ich für eine sachbezogene Beziehung zur Regierung, niemandem verpflichtet (weder Links noch Rechts) sondern meinem Gewissen, meinen Grundsätzen und meiner Heimat. Insofern bin ich freier als andere, mehr als ›blockfrei‹, ein Wort, das nur erfunden wurde, um sich Schritt für Schritt von den bisherigen Partnern zu verabschieden und nach rechts zu rücken. Kriechen mag ich nicht, das steht uns Südtirolern schlecht an und damit machen wir auch in Rom nur schlechte Figur. Aber ich arbeite auch mit Regierungsvertretern gut zusammen, habe ein gutes Klima in meinen Kommissionen und wichtige Angelegenheiten auch durchgebracht, soweit sie mit dieser Regierung und mit dem leeren Geldbeutel des Staates möglich sind: Sonderklauseln für die Autonomie, Berufsmatura, Beschlussanträge zur Querfinanzierung der Eisenbahn, zur Rente für Frauen, zum Föderalismus ua. Mein Text zur Schaffung einer Länderkammer wurde im Verfassungsausschuss zum Basistext für die Reform des Staates. Aber gegen die Atomenergie, die Kriegseinsätze, die Personen-Gesetze in der Justiz und die Kürzungen im Schul- und 60


Kulturbereich werde ich weiterhin stimmen. Wenn die Gesetze Kopf und Fuß haben, so beispielsweise neulich gegen das organisierte Verbrechen oder demnächst die Universitätsreform, stimme ich dafür. Partnerschaft statt Kommunismus Der langjährige und verdiente Parlamentarier Hans Widmann hat neuerdings in einem seiner hochinteressanten Kommentare in der Tageszeitung vor dem Abbau von Sozialleistungen gewarnt.36 Er hat darauf hingewiesen, wie sich die Sozialpolitik in den verschiedenen Ländern unterschiedlich entwickelt hat und dann betont: »Die Stärke und die Schwäche der Sozialpolitik hing vielfach davon ab, welche Parteien das jeweilige Land regierten und wie stark die Gewerkschaften waren. Er erinnert weiteres daran, dass die christlich-sozialen Parteien und die sozial-demokratischen für die Stärkung der Sozialpolitik eingetreten sind und um sozialen Ausgleich bemüht waren.« Tatsächlich haben die kommunistischen Parteien haben mit ihrer Ideologie, der Macht des Proletariates, nicht verstanden, dass es für den Erfolg – neben der sozialen Komponente – auch Leistung und Wettbewerb braucht, den Markt und die Unternehmer. Sie haben auch nicht verstanden, dass ein solches System auf der sozialen Partnerschaft und auf den Ausgleich beruhen muss. Zu dieser sozialen Marktwirtschaft bekenne wir uns, mehr noch: Heute müssen wir sie verteidigen. Aber es darf uns auch nicht gleichgültig sein, welche Parteien in Rom regieren und wie sie zur sozialen Marktwirtschaft und den schwer erkämpften Rechten der Arbeitnehmer stehen.

 Tz ...

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Die Unzufriedenheit im Lande In Südtirol hat die Politik der Mehrheitspartei zunehmend Federn lassen müssen. Bei den jüngsten Landtagswahlen hat die SVP erstmals nicht die absolute Mehrheit der Stimmen erreicht. Nur durch die Wahlarithmetik konnte sie die knappe Mehrheit im Landtag erhaschen. Die Kritik wird immer stärker und sie wurde auch laut artikuliert. Man konnte es in den Leserbriefen nachlesen: Postenschacher, Großprojekte wie Flughafen und Fahrsicherheits-Zentrum, Arroganz der Macht, und dergleichen mehr. Es müsste schon ein rot leuchtendes Warnzeichen für eine jahrzehntelang erfolgreiche Partei sein, dass bei den vergangenen Landtagswahlen nur mehr ein Drittel der Jugendlichen die SVP gewählt hat, während zwei Drittel dieser Partei die kalte Schulter gezeigt haben. Immer mehr muss man sich die Frage stellen, welche Gruppen und Personen in der Mehrheitspartei tatsächlich die Musik machen. Wer zieht die Strippen hinter den Kulissen? Ich meine dabei nicht den jetzigen oder den vorhergehenden Obmann, die ihr Bestes tun und selbst die ersten Opfer der Machtund Interessensspiele sind. Analysieren wir einmal wirklich genauer, wer in Südtirol die Musik macht und die Machtfäden zieht. Sind es etwa die Arbeitnehmer, die das große Sagen haben? Die Schwäche der SVP-Arbeitnehmer besorgt mich, auch wenn ich dem neuen Vorsitzenden Christof Gufler bestätige, dass er neuen Schwung hineinzublasen versucht. In Südtirol bestimmen aber ganz andere. Es sind nur wenige Personen, die die Strippen ziehen. Die Interessen, die dahinterstehen, sind nicht so weiß wie das Edelweiß. Die Menschen merken das. Die Folge davon ist, dass die Protestwelle den Freiheitlichen einen großen Zulauf gebracht hat. Sie haben es verstanden, als frische, jugendliche, moderne Partei aufzutreten und mit leider oft populistischen Slogans Stimmen zu fangen. Aber die Freiheitlichen müssen sich die Frage gefallen lassen, in wieweit die freiheitliche, dh liberale Ideologie den berechtigten Anliegen der sozial engagierten Personen, der Arbeiter und 62


Arbeitnehmer, Angestellten, aber auch der kleinen, selbständig Wirtschaftstreibenden entspricht. Pius Leitner muss sagen, ob er eine ideologisch breite Oppositionspartei sein will, oder sich der freiheitlichen Ideologie verschreiben will, wie es der Name vermuten ließe, die sicherlich nicht sozial ist. Ich sehe ihn mehr als Oppositionspartei, der den Protest gegen die Politik im Lande auffängt. Aber der Frage nach der sozialen Ausrichtung und dem dazu im Widerspruch stehenden Namen der Partei, wird er auf kurz oder lang nicht ausweichen können. Zum Neoliberalismus in Südtirol Der Neoliberalismus macht sich auch in Südtirol immer mehr bemerkbar. Das hat nun nichts mehr mit den Freiheitlichen zu tun, sondern mit einem Trend, den weit darüber hinaus manche unverhohlen verfolgen. Es ist eine Tatsache, manchmal eine positive, manchmal eine negative, dass bei uns jede neue Welle (ob Krisen oder Trends) etwas verzögert überschwappt, oft erst dann, wenn der Spuk anderswo schon wieder vorbei ist. So scheint es mir auch mit dem Neo-Liberalismus und dem damit verbundenen Abbau des Sozialstaates zu sein. Wollen wir wirklich, • nachdem der Liberalismus in der ganzen Welt gescheitert ist, • nachdem in diesem Zug versucht worden ist, den Sozialstaat abzubauen und den Markt als obersten Gott einzusetzen, • nachdem das ›Laissez faire, laissez passer‹ zum Zusammenbruch der Börsen geführt hat • nachdem wir jetzt die Suppe, die Arbeitslosigkeit und die Betriebskrisen, auslöffeln müssen, Wollen wir jetzt auf einen freiheitlich-liberalen Zug aufsteigen? Das war die Sorge, die mich und andere bewogen hat, den Sozialtisch in Südtirol zu gründen, um alle jenen ein Auffangbecken zu bieten, die eine mo-

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derne, gerechte Gesellschaft anstreben und sich dafür einsetzen wollen, für all jene, die kritisch, offen und demokratisch mitgestalten wollen. Rationalisieren ja, soziale Sicherheiten abbauen nein Das neue Finanzabkommen mit dem Staat hat Gott sei Dank nicht zu jenen Finanzkürzungen geführt, die man befürchten hätte können. Italien hat eine Staatsverschuldung von über 1.700 Milliarden Euro. Die jährlich zu zahlende Zinslast auf diese Schuld beläuft sich auf ca 80 Milliarden Euro. Bei fast genau 60 Millionen Einwohnern macht die Zinslast pro Kopf 1.300 Euro aus. Allein eine Beteiligung an den Zinsausgaben des Staates hätte uns schon 650 Millionen Euro gekostet. Das Land ist besser weggekommen. Im Staatshaushalt und im Abkommen mit dem Land steht zwar die Ziffer von 1.000 Millionen als Einsparung (zwischen Bozen und Trient), in Wirklichkeit dürfte es aber rund 200 Millionen ausmachen, die Südtirol verliert, ein Verlust, der zT mit neuen Kompetenzen versüßt wird. Aber trotzdem ist Sparen angesagt. Bis jetzt wurde der Haushalt von Jahr zu Jahr erhöht. Erstmals gibt es 2010 keinen Nachtragshaushalt mehr, mit dem man da oder dort nachfüttern konnte. Diesbezüglich gilt es jetzt, die ›Ohren steif zu halten‹ und wiederum die Frage stellen: Wer zieht die Fäden im Lande und wer macht die Musik? Es geht nicht darum irgend welche Geheimnisse zu liften, sondern um ein Gegengewicht. Sozialverbände müssen sich neu aufstellen Wir müssen dazu ein Gegengewicht schaffen, eine Plattform zu, damit berechtigte Sicherheiten nicht geopfert werden. Es ist ohne Zweifel notwendig in verschiedenen Bereichen zu sparen und Rationalisierungen vorzunehmen. Aber das Gesamtbudget für soziale Leistungen darf nicht umgewidmet werden und anderen Sektoren zugefügt wer64


den. Wir haben in den letzten Jahren und Monaten hören müssen, wie vor allem folgende Bereiche rationalisiert werden sollen: • Gesundheitswesen • Mietgeld • Pendlergeld • Behindertenfürsorge. Wenn es darum geht, das Geld gezielter und besser einzusetzen, dann sind wir voll mit dabei, wenn die Folge der Abbau von sozialen Leistungen bei den Schwächsten ist, dann müssen wir stark, stärker, vereinter als bisher dagegen auftreten. Und diesbezüglich sind die Sozialverbände aufgerufen, sich, wie es Hans Widmann kürzlich ausgedrückt hat, neu aufzustellen. Die sozial engagierten Kräfte müssen sich untereinander stärker absprechen, zusammenschließen zu einer schlagfertigen Dachorganisation, die politisch (nicht parteipolitisch) ihr Gewicht einbringt. Sie müssen zusammenarbeiten, anstatt sich in vielen kleinen Kirchtürmen zu verlieren. Auch das war ein Grund, warum wir im Sozialtisch engagiert weiterarbeiten wollen.

Die Armut im Lande Die vielen Sonderausgaben Wie weit sich die Krise der Betriebe weiter auf den Arbeitsmarkt auswirkt, ist noch nicht abzusehen. Zu Ende ist das leider noch nicht. Zunehmend dramatisch gestaltet sich leider auch die Verschuldung vieler Familien, wenn man mit dem eh schon knappen Einkommen mit vielen Opfern und Sparen grad noch über die Runden kommt, bleiben die Sonderausgaben, beispielsweise die Erneuerung des Autos, des Computers für die Kinder, der in der Schule unbedingt gebraucht wird, oder die sündteuren Zahnreparaturen, die bis zu 30.000 oder 65


40.000 Euro kosten können und viele ins Ausland zur Zahnpflege treiben. Hier muss man sagen, Gott sei Dank gibt es den Markt. Die Armut im Alter »Das Rentensystem steht vor dem Kollaps und die neuen Armen sind unsere Alten!« Diese Feststellung stand auf der Einladung zum Kolloquium 2010, das der Kiwanis- Club Meran kürzlich veranstaltete.37 Jedes Jahr – so Christian Klotzner von der Caritas Schuldnerberatung – betreut diese Beratungsstelle 1200 Südtiroler, die ver- oder überschuldet sind. »Etwa zehn bis 15 Prozent der Schuldner, die sich an uns wenden, sind älter als 65 Jahre. Und der Grund dafür, dass diese Senioren in der Schuldenfalle stecken, ist meistens, dass sie über ein zu niedriges Einkommen verfügen. Das Einkommen aus der Rente kann kaum verändert werden und Möglichkeiten des Zusatzverdienstes sind im Alter schwierig.« Aus diesen und ähnlichen Gründen hätte auch die Anzahl der Rentenpfändungen in Südtirol zugenommen, ergänzt Helmut Renzler: »Kamen früher zwei bis drei Renten pro Monat zur Pfändung, so sind es heute rund 15 monatlich. Die älteren Menschen sind oft nicht mehr in der Lage, Stromrechnungen oder Strafzettel zu bezahlen.« Das liege nicht nur daran, dass die Renten der Empfänger höheren Alters niedriger sind als die Durchschnittsrenten im Land; zu berücksichtigen sei auch, dass Renten aufgrund der Inflationsentwicklung in zehn Jahren etwa 15 Prozent ihrer Kaufkraft einbüßen. »Vor einigen Jahren waren zwei Millionen Lire noch eine gute Rente; heute hat ein älterer Mensch mit 1000 Euro Pension fast kein Auskommen mehr.« Das besonderes Problem sind nicht nur die »Alten von heute, sondern die Alten von morgen«. Das sind jene Menschen, die heute erst 20 oder 30 Jahre alt sind. Die rentenrechtliche Absicherung dieser Generation sei schlecht.

 . März , Meran, Kurhaus.

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Seit der italienischen Rentenreform der Neunzigerjahre erhalten die Rentner der Zukunft, die erst in den Neunzigerjahren erwerbstätig geworden sind, künftig nur mehr die Beiträge an Rente ausbezahlt, die sie im Laufe ihres Erwerbslebens eingezahlt haben. Dann wird es keine gesetzlich festgelegten Mindestrenten mehr geben; und wer sich dann nicht mit einer Zusatzrente abgesichert hat, dem droht wirklich die Altersarmut. Deshalb ist es für junge Menschen heute von grundlegender Bedeutung, sich rechtzeitig zu überlegen, wovon sie im Alter leben werden. Beginnt die Jugend zu spät mit diesen Überlegungen, läuft die Gesellschaft Gefahr, dass die Jungen von heute die armen Alten von morgen werden. Einkommen erhöhen, Steuern senken Jede Maßnahme, vor allem in diesen Zeiten der Krise, die Kaufkraft zu stärkt, muss genützt werden. Die Forderung der Gewerkschaften und der Sozialverbände, den IRPEF- Zuschlag zu beseitigen, ist eine der Möglichkeiten. Immer mehr Familien geraten in große finanzielle Schwierigkeiten und kommen in diesen Zeiten der Krise mit ihrem knappen Einkommen nicht zurecht. Eine Streichung des IRPEF- Zuschlages würde es vielen Familien ermöglichen, den sozialen Wettbewerb zu bestehen und gleichzeitig mit der Kaufkraft den Konsum fördern, was wiederum dem Wirtschaftsaufschwung zugute kommen würde. Das Argument, dass durch eine Streichung des Zuschlages auch Besserverdienende profitieren würden, darf nicht dafür verwendet werden, nichts zu unternehmen. Um dieser Kritik des Landeshauptmannes Rechnung zu tragen, sollte sich die Landesregierung mit den Gewerkschaften und Sozialverbänden an einen gemeinsam Tisch setzen und einen Lösungsvorschlag ausarbeiten, der vor allem denjenigen zugute kommen soll, die es auch tatsächlich brauchen. Es darf jedoch auf keinen Fall geschehen, dass eine eventuelle Reduzierung der Einkommenssteuer, durch die Streichung von anderen Sozialmaßnahmen ausgeglichen wird. 67


Das Land, das finanziell großzügig ausgestattet ist, kann sehr wohl auf einige Groß- und Prestigeprojekte verzichten, die sowieso nur Ärger bereiten und Stimmen kosten, und mit einem kleinen Nachlass die Einkommen der Arbeitnehmer verbessern. Gerechte Einkommens- und Vermögensbewertung Zu Recht rufen deshalb die Sozialverbände dazu auf, endlich eine gerechte Einkommens- und Vermögensbewertung vorzunehmen. Man ist bisher nicht weitergekommen. Gewisse Kreise möchten die Vermögensgüter, die zur Einkommenserzielung notwendig sind, ausklammern. Das würde bedeuten, dass millionenschwere Hotels und Fabriken nicht berechnet werden, sehr wohl aber jeder Cent von besteuerbaren Einkommen der Arbeiter und Angestellten. Ich bin an vorderster Front mit dabei, wenn es darum geht, die vielen Familienbetriebe, die kleineren und mittleren Selbständigen zu verteidigen. Wir müssen die Schwierigkeiten erkennen und entsprechende Förderungen vorzusehen, um diesen Betrieben die Existenz und Fortentwicklung zu ermöglichen. Ich bin aber nicht dafür, groß und klein über den gleichen Kamm zu scheren, um dann bei einem ungerechten System zu landen, bei dem die reiche Kaufmannstochter das Stipendium kriegt und der Arbeitersohn nicht, weil beide Eltern arbeiten müssen. Soziale Mittel an jene, die sie wirklich brauchen Das ist DIE Herausforderung an die Gerechtigkeit in unserem Lande und die Herausforderung an den sozialen Frieden. Wenn wir sparen müssen, ist das Land gut beraten, wenn es die sozialen Mittel jenen vorbehält, die sie wirklich brauchen und nicht jenen, die sie nicht brauchen und sich trotzdem nicht schämen, den Hut aufzuhalten. Ansonsten werden wir eine wirkungsvolle Sozialpolitik nicht finanzieren können. Wer es sich leisten kann, soll sein Studi68


um selber bezahlen, ebenso sein Ticket für den Zug und den Autobus und seine Wohnung selber kaufen. Wir müssen mit der Einkommens- und Vermögensbewertung wissen, wer es am notwendigsten braucht und wer somit Sozialleistungen besonderer Art bekommen soll, wer zum Mittelstand gehört, der auch noch beim Wohnungskauf unterstützt werden soll, und wer es alleine schaffen soll. Autonomie braucht Subsidiarität Wir sind ein kleines Land, wo jeder jeden kennt und das Beziehungsgeflecht sehr eng ist. Dieses Land hat dank Magnago, Benedikter und einer ganzen Generation von Politikern in Südtirol und in Österreich eine großzügige Autonomie bekommen und kann etwa 90 Prozent der Sachbereiche selbst regeln. Wenn wir wollen, dass diese Autonomie auch in Zukunft noch die Unterstützung der Bevölkerung genießt, dann müssen wir dafür sorgen, dass alle Bevölkerungsschichten Vorteile davon haben und dass alle sich gerecht und in demokratischer Weise am Gemeinwesen beteiligen können. Viel von dieser neuen Macht ist bei der Landesregierung stecken geblieben. Es ist eine Herausforderung an das demokratische Verständnis, diese Macht nach dem Prinzip der Subsidiarität weiter zu geben. Autonomie braucht Garantien für die Bürger Besonders braucht diese Autonomie Garantien und Sicherheiten für die Bürger. Gerade der öffentliche Dienst muss Vorbereitung, Effizienz und Leistung belohnen. Wir möchten, dass das Prinzip der Leistung, des Wettbewerbes und der Qualität auch bei der Auswahl und Besetzung der höchsten Stellen im Lande steht. Bei den bisherigen Berufungen mag es wohl so gewesen sein, dass fähige Leute zum Zuge kommen. Nur fehlt den Menschen im Lande die Begründung für die Auswahl und die notwendige Transparenz der Kriterien. 69


Das gilt in vielen Bereichen. So fragt man sich, warum wurde die Uni-Führung unisono entlassen wurde, undankbar, wie man in Südtirol mit vielen Führungspersonen umgegangen ist (Königsreiner, Steinherr, Bruce, Franceschini, Pechlaner und und …), ob bei der Uni, im Krankenhaus oder der SMG. Zuerst werden sie gerufen und als Genies vorgestellt, dann in Undank, oft in blamabler Form in die Wüste geschickt. So fragt man sich, nach welchen Kriterien die Personen ausgewählt worden sind, ohne die Qualifikation deshalb in Frage stellen zu wollen. Dasselbe gilt beim Brennerbasistunnel, bei der Autobahn und bei den vielen Duzenden Gesellschaften, an denen das Land beteiligt ist. Es muss jungen Leuten in Südtirol möglich sein, aufgrund ihrer Leistung, aufgrund ihres Einsatzes, aufgrund ihrer Fähigkeiten und Qualitäten zum Zuge zu kommen und nicht, weil sie bei irgendeiner Tür anklopfen, sich anpassen und sich jeder Kritik enthalten. Die Führungspositionen müssen deshalb gerade in diesem kleinen Land mit offen gelegten Kriterien, in einem offenen Wettbewerb und offenen Chancen für alle zugänglich gemacht werden. Die Auswahl darf nicht politischer Natur sein, wie es in vielen Fällen bereits in die Gesetze hineingeschrieben worden ist (ich verwende jetzt mit Absicht diesen linguistisch unguten Ausdruck), wie beispielsweise bei den Verwaltungsrichtern, beim Staatsrat, beim Volksanwalt und beim Jugendanwalt. Man weiß allzu genau, wie klein das Land ist und wie man was wird oder nicht wird. Steuerkontrollen mit Vernunft, aber Toleranz Null für Hinterziehung Wenn das Land stärker in die Steuerkontrollen mit eingebunden wird, dann ist das sicherlich positiv. Ich habe selbst im Parlament beklagt, dass man so keine Steuerkontrollen vornimmt, wie es in Italien der Fall ist: Mit den Maschinengewehren in der Hand ein Unternehmen praktisch lahmlegt. Das sind faschistische Methoden, die in die Mottenkiste der Geschichte gehören. Man sollte von anderen modernen Staaten lernen, wie man Betriebe begleitet, sie berät und erst dann, bei nachhaltigen Fehlern oder Vergehen bestraft. Aber eines dürfte 70


bei der Übernahme der Kontrollen nicht passieren: dass man plötzlich großzügiger wird gegenüber Steuervergehen und damit die Steuerhinterziehung fördert. Ich möchte das nicht unterstellen, sondern nur auf die Gefahr aufmerksam machen, weil es in einem gerechten Sozialstaat nicht sein kann, dass nur jene die Steuern zahlen, die sie schwarz auf weiß, aufgrund ihres Lohnzettels, nachweisen müssen. Es ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit und des sozialen Friedens im Lande, wenn alle ihre Steuer gerecht zahlen. Dann wird es auch möglich sein, in Zukunft, bei einem stärkeren Steuerföderalismus, diese Steuern herabzusetzen. Öffentlicher Informationsdienst: Keine Hofberichterstattung Dieselben Sicherheiten und Garantien für die Bürger brauchen wir auch, sollte die RAI Bozen an das Land übergehen. Da das Land sie laut dem Finanzabkommen bezahlen muss, ist es naheliegend, dass man darauf Einfluss nimmt. Wer zahlt der schafft, sagt ein bewährtes Sprichwort. Der Landeshauptmann hat zu Recht darauf hingewiesen, dass er keinen Regime-Sender daraus machen will, aber allein schon die Angst und die Sorge darum, sollten uns hellhörig machen. Und diese Angst gibt es und deshalb wird es möglicherweise nicht dazu kommen. In allen fortschrittlichen Demokratien sind die Rundfunk- und Fernsehanstalten unabhängig und frei von der Politik. Es muss einen unabhängigen Beirat geben, der nicht politisch besetzt werden darf. Die Nominierungen sollen transparent und aufgrund gesetzlicher Bestimmungen erfolgen, mit Personen aus dem Kultur- Wirtschafts- Sozial- und Umweltbereich, um von vorne herein jede Beeinflussung ausschließen zu können. Das gilt natürlicherweise besonders für die Führungspositionen im verstärkten Maße, was ich mir erlaubt habe allgemein für den öffentlichen Dienst und die öffentlichen Gesellschaften oben auszuführen, wie auch immer diese genannt werden, Koordinator oder Chefredakteur. Sie sollten frei und unabhängig Journalismus betreiben, weil 71


die Meinungsfreiheit eine der Säulen der Demokratie und die Medien die vierte Macht im demokratischen System darstellen. Wenn diese in die Kontrolle der politischen Macht abrutschen, wie es in Italien der Fall ist, dann braucht man sich nicht über die Ergebnisse zu wundern, über die man im Ausland nur den Kopf schüttelt. Gute Politik soll überzeugen und braucht keine Hofberichterstattung

Sozialer Aufbruch notwendig Wir müssen gemeinsam, wir, alle sozial und politisch eingestellten Personen, die wir vielfach auch in politischen Bewegungen, Gewerkschaften und Verbänden engagiert sind, müssen zusammenzuwirken, um den Stellenwert der Sozialpolitik zu stärken und einen neuen sozialen Aufbruch in Südtirol einzuleiten. Ein Netzwerk bilden: • In einem engen Netzwerk aller sozialen Kräfte in Südtirol zusammenarbeiten. • Einen Rechtsruck der Politik und das Abtriften der Wähler zu Rechtsparteien auffangen. • In der politischen Vertretung und in der Medienarbeit zusammenwirken, um die sozialen Themen aufzuwerten. • Alle sozial- engagierten Personen einbeziehen, nicht nur Arbeitnehmer, sondern alle, die sich zu christlich-sozialen und sozial-demokratischen Werten bekennen. Werte vertreten: • Glaubwürdigkeit und Geradlinigkeit in der Politik, Solidarität, echte demokratische Mitgestaltung der Bürger, Eigenverantwortung der Gemeinden, Gerechtigkeit und Sozialpartnerschaft fördern.

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• Verantwortung für die Umwelt und für die Schöpfung, Verantwortung für die zukünftigen Generationen tragen. • Fenster aufmachen, in der Kultur und mit der Jugend, Liebe zur Heimat ohne Nationalismus, in der Achtung der Kulturen, im Zusammenleben entfalten. Sozialen Aufbruch einleiten: • Sozialen Themen und sozialer Gerechtigkeit mehr Gewicht verleihen. • Konkrete soziale Anliegen aufgreifen: Innovative Arbeitplätze (Energie, Umwelt, Informatik etc.), Einkommen und Kaufkraft, Ausbildung, Steuergerechtigkeit, Familienförderung, Alter und Renten, Wohnung, Gesundheit, Kriterien für Sozialbeiträge. • Interessen vertreten, der Arbeitnehmer, der kleinen und mittleren Selbständigen, aller die Solidarität und Hilfe brauchen. Die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung zu gehört diesen Schichten. Deshalb muss die soziale Vertretung so gestärkt werden, dass sie auf gleicher Augenhöhe mit den Wirtschaftspartnern reden kann. Der Sozialtisch will auch in öffentlichen Begegnungen ein Speicher von Ideen werden, dem sich alle Interessierten individuell oder durch die Bildung von kleinen Netzwerken anschließen können: demokratisch – kritisch – offen! Das sind auch die Grundsätze, die wir uns im Sozialtisch zum Ziele gesetzt haben.

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Zusammenfassung In den letzten Jahrzehnten konnte man klar feststellen, wie die Politik auf der ganzen Welt die soziale Marktwirtschaft in Frage gestellt hat und auf das goldene Kalb des total freien Marktes gesetzt hat. Der Markt sollte sich selbst regeln und damit auch den notwendigen Wohlstand produzieren, damit es allen gut geht. Die Ordnungs- und Kontrollmechanismen des Staates wurden, ausgehend von England und Amerika, zunehmend abgebaut. Die Folge war der Zusammenbruch der Weltbörsen und die größte Wirtschaftskrise, die wir seit 1929 erlebt haben. Das ›Laissez faire, laissez passer‹ hat versagt. In Amerika hat man bereits das Steuer herumgerissen. Obama ist es, (wenn auch nur mit drei Stimmen Mehrheit) gelungen, eine Gesundheitsreform durchzusetzen, die endlich einen Schandfleck dieses modernen, liberalen Staates mindert, ich sage mindert, weil immerhin noch 10 Millionen Amerikaner ohne Krankenversicherung bleiben werden. Auch in der Finanz- und Bankenwelt, die an diesem dramatischen Unheil Schuld ist, hat sich die Meinung durchgesetzt, dass es Regeln, in diesem Falle internationale, braucht, diese sogar notwendig sind, um die Institute selbst zu schützen. Das Sozialprodukt wächst nicht mehr wie in den Nachkriegsjahren des Wiederaufbaus. Wir werden deshalb alle gemeinsam sparsamer mit den öffentlichen Gütern umgehen müssen. Rationalisierungen sind notwendig, gezielter Einsatz auch der Sozialmittel sinnvoll. Diese Rationalisierungen dürfen aber nicht zu einem Abbau der Sozialleistungen führen. Die Herausforderung besteht deshalb darin, die Kräfte zu sammeln, um das gemeinsam zu verhindern. Was damals in Deutschland als Wahlschlager benutzt worden war und von Ludwig Erhard als umgesetzt wurde, das brauchen wir auch in Zukunft: Die soziale Marktwirtschaft! • Einerseits den Markt, der sich frei entfalten sollte. Ich habe vor vielen Jahren im Landtag einmal gesagt, dass man nicht jedem Wässerchen vorschreiben 74


darf, wo und wie es zu plätschern hat. Nicht für alles braucht es ein Gesetz. Es braucht aber ein Flussbett, in dem der Strom sich bewegen und entfalten kann, ohne aber über die Ufer zu treten. Dieses Ufer sind die Rahmenbedingungen, die der Staat zu setzen hat. Der Wettbewerb soll sich frei entfalten können, die Leistung muss zählen, wer besser ist, soll auch dafür prämiert werden und dieser Grundsatz sollte sich auch in Südtirol verstärkt durchsetzen. Man muss sich in einer immer mehr fordernden Gesellschaft auf einem Trapez bewegen, um zu überleben und um weiterkommen zu können. • Es braucht aber auch die andere Komponente der sozialen Marktwirtschaft. Die Gesellschaft muss dafür sorgen, dass unter diesem Trapez auch ein Netz gespannt wird für jene, die es nicht schaffen, für jene, die krank sind, die zu alt oder zu jung sind, oder die einfach bei diesem Leistungsstress nicht mithalten können. Und sie muss dafür sorgen, dass die Start-Bedingungen für alle gleich sind, damit die soziale Herkunft nicht zum Hemmschuh wird. Der öffentliche Dienst hat dafür große Aufgaben wahrzunehmen und dafür zu sorgen, dass dieses Netz allen zu Gute kommt, die es brauchen und dass dieses Netz nicht privatisiert wird, sondern Allgemeingut bleibt. Dabei geht es um Güter, die uns allen gehören, wie das Wasser, die Luft, die Umwelt, die Gesundheit, die Sicherheit, die Möglichkeit sich auszubilden, die Chancengleichheit, die Sicherung der Lebensqualität, die Organisation des Gemeinwesens, das Flussbett, um ein Ausufern zu verhindern. All das darf nicht vermarktet werden und sollte weiterhin öffentlich bleiben.





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