WIESBADENER, Ausgabe III / 2018

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Wiesbadener Ausgabe III / 2018

Magazin für Kunst, KulTouren und Lebensfreude

Preisgekrönt:

20 Jahre Trickfilmfestival

Exground Filmfest: Focus Philippinen

Am Wendepunkt: Tatorte Kunst

Jubiläum für Genießer: kulinart in Frankfurt

Anna Bieler:

Begegnungen im Märchenland

Noche Magica:

Keine falschen Tricks!

Rhine River Rhinos:

Eine erstaunliche Erfolgsgeschichte

Preis: 6,50 €



Inhalt

...... Nach dem höllisch heißen Sommer folgt ein Energie geladener Herbst, der es wirklich in sich hat. Die kommenden Monate servieren frische Nahrung für Hirn, Herz und Gaumen. Willkommen im Reich der Künste!

Sie begeistern die Jugend mit „Fake”: Ballettdirektor Tim Plegge, Flurin Borg Madsen (Bühne), Janine Werthmann (Kostüm) und Dramaturgin Esther Dreesen-Schaback (von links).

MENSCHEN

& MEINUNGEN

MEETING OF STYLES KEINE FALSCHEN TRICKS!

GAUMENKITZELEIEN

2018 INTERWHISKY KULINART

KULTUR

& KREATIVES

DER DUFT DER BILDER TARBUT TATORTE KUNST EXGROUND FILMFEST TRICKFILM FESTIVAL KULTURFONDS RGZM ANNA BIELER THEATERDONNER SUSANNE HAKE FRAUENFILMFESTIVAL BIENENFESTIVAL FEILGOLD

MAGAZIN

KULTOUREN I KULTOUREN II

S. 4 S. 6 S. 8 S. 10 S. 12 S. 14 S. 16 S. 19 S. 22 S. 25 S. 26 S. 28 S. 34 S. 37 S. 42 S. 44 S. 45 S. 30 S. 38

ZUSAMMEN LEBEN

MAINZER HERZBALL CAFÉ KRÄNZCHEN RHINE RIVER RHINOS WE HAVE A DREAM

S. 46 S. 48 S. 49 S. 51

Maximale (Film-)Kunst zu minimalem Budget ist das Markenzeichen des Internationalen Trickfilm-Festivals Wiesbaden. Die internationale Werkschau feiert vom 31. Oktober bis 4. November 2018 sein 20jähriges Jubiläum mit rund 100 Werken aus 25 Ländern, darunter drei spektakuläre Langfilme (S. 22). Und noch ein Jubiläum: Seit zehn Jahren gibt es in Wiesbaden eine außergewöhnliche Zaubershow auf Weltniveau. Die beiden Zauberkünstler Hannes Freytag und Vicente Noguera sind Vize-Weltmeister der Kartenzauberkunst. Drei Mal im Monat laden sie in ihr kleines, intimes Theater hinter dem Restaurant „Sombrero Latino” ein (S. 6). Ebenfalls zum 10. Mal finden dieses Jahr die „Tatorte Kunst” statt – am 28. Oktober zeigen knapp 50 Künstlerinnen und Künstler an rund 30 Ateliersstandorten ihre Kunstwerke – für Kunstinteressierte, Sonntagsflaneure und neugierige Schatzsucher die ideale Gelegenheit, sich einen Überblick zu verschaffen (S. 16). Bereits zum 15. Mal lädt die kulinart alle Genießer des Besonderen nach Frankfurt. Am 27. und 28. Oktober 2018 gastiert die Genussmesse wieder im Bockenheimer Depot. Da ist für jeden besonderen Geschmack etwas dabei, von regionalen bis zu internationalen Spezialitäten, von bewährten Klassikern bis zu aktuellen Foodtrends (S. 8). Drei tolle Whiskytage am ersten Adventswochenende verspricht die „Interwhisky”, Europas größte Veranstaltung dieser Art. Vom 30. November bis 2. Dezember verwandelt sich das Gesellschaftshaus des Palmengarten in ein einzigartiges Visitor Centre (S. 10).

Anna Bieler: Louise und Ann-Kathrin, 2018, Öl auf Leinwand, 170x90 cm

Susanne Hake aus Wiesbaden singt Beethovens Neunte in Naruto mit

Am 29.September startet für die Rhine River Rhinos die dritte Bundesligasaison im Rollstuhlbasketball in Folge - dabei gibt es den Club erst seit 2013. Über eine erstaunliche Erfolgsgeschichte in der Wiesbadener Sportswelt und die inklusivste Sportart der Welt berichten wir in dieser Ausgabe. (S. 49). Das und vieles mehr bietet das vorliegende Magazin. Da wünschen wir Ihnen wie immer viel Vergnügen mit Kunst, Kultur und Kulinarik in dieser Ausgabe. Impressionen der Theatergruppe „Zeitlos“ zum Pressegespräch

IMPRESSUM: Herausgeberin, Gesamtkoordination & Gestaltung: media futura • Inh. Petra Esser • Balduinstraße 28 • 56856 Zell/Mosel • Tel. 06542.954.00.80 • Fax: 06542.954.00.79 • www.media–futura.de • mail@media–futura.de • Gestaltung: Petra Esser • Redaktion: Petra Esser, Tobias Mahlow, Gesine Werner, Konstantin Mahlow • Anzeigenleitung: Tobias Mahlow • Titelbild: Ohne Worte, 2018, Öl auf Leinwand, 140x120 cm, Anna Bieler, www.annabieler.de • Vignetten: Bernd Schneider • Druck: Printgroup GmbH & Co. KG, 97526 Sennefeld • Redaktionsschluss für die Ausgabe IV/2018: 20.11.2018 • Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages • alle Fotos und Logos wurden uns – wenn nicht anders dokumentiert – von den porträtierten Personen/Institutionen zur Verfügung gestellt. WIESBADENER

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MENSCHEN

&

MEINUNGEN

Meeting of st yles Between the Lines

Vom 14. Bis 17 Juni fand „Meeting of Styles-Festival 2018: von Graffiti-Künstlern fen Tref das internationale, weltweite kenkopf statt unter dem in Wiesbaden Mainz-Kastel am Brüc Motto: „Between des Lines”. 26 Ländern bearbeiteten mit 130 Künstlerinnen und Künstler aus und viel Farbe rund 4.000 Spraydosen, Klebebändern, Pinseln rführungen, Mauern und Quadratmeter Wandflächen von Unte Festival mit einem RahmenHauswänden. Abgerundet wurde das und Skate-Sessions, Programm mit Rap-, Breakdance-, d, Bar und Ständen. stan Opening- und Main-Party, Grill gesamte Programm jedem Mit Ausnahme der Parties wurde das . Die „Allgemeine Zeioten Interessierten frei von Eintritt geb ll „ein Sehnsuchtsort für tsvo urch tung” nannte das Festival ehrf Publikumsmagnet und der Spraykünstler, ein Freiluftatelier, ein die ganze Welt geht”. Ursprung einer Festivalserie, die um Kulturpreis der 2017 wurde Meeting of Styles mit dem chnet. Den Preis nahm ezei ausg en sbad Wie Landeshauptstadt weit bekannten Graffitifestivals der Begründer des inzwischen welt egen, diesen Preis stellverManuel Gerullis mit den Worten entg zu haben, die Meeting of en tretend für alle entgegen genomm es heute ist: Unter anderem Styles zu dem gemacht haben, was Länder weltweit. Er und seine ein kultureller Exportschlager in 30 , dass Wiesbaden einmal zu Mitstreiter hätten niemals gedacht Sprayer-Szene und Hip-Hopeiner internationalen Brutstätte der Kultur würde. Gerullis weitere Flächen, Für die nächsten Jahre wünscht sich rführungen in der Berliner- und konkret liebäugelt er mit den Unte en. in der Mainzer Straße in Wiesbad Fotos: Michaela Tsolaki 4

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MENSCHEN

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MEINUNGEN

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MENSCHEN

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MEINUNGEN

Verzaubern ihr Publiku: Hannes Freytag und Vincente Noguera (v.l.n.r.)

Keine falschen Tricks! B

ereits seit zehn Jahren begeistern die amtierenden deutschen Meister und Vizeweltmeister der Kartenkunst, Vicente Noguera und Hannes Freytag, mit der Show Noche Mágica ihre Zuschauer. Nun erweitern sie ihr Programm im Sombrero Latino – höchste Zeit für eine Begegnung in Wiesbaden. „Hast du eine Lieblingskarte?” Vermeintlich beiläufig nimmt Hannes Freytag den Stapel Karten in die Hand, der zuvor zu seiner Rechten lag, und lässt dabei so unauffällig die unterste Karte liegen, als ob es ein Versehen wäre. Klassischer Beginn eines Kartentricks, aber noch kann er ja nicht wissen, welche Zahl ich im Kopf habe. „Kreuz neun!”, antworte ich – sofort verändern sich Freytags Gesichtszüge zu einem erstaunten Blick. „Bist du dir sicher? Das wäre jetzt schon komisch…”, und tatsächlich, die eine liegengebliebene Karte zeigt die Kreuz neun. Sein langjähriger Partner Vicente Noguera, in diesem Moment per Skype dazu geschaltet, lächelt zufrieden in die Webcam: „Der Trick macht eigentlich nur 10% der Vorführung aus, der Rest ist Psychologie!” Hört sich einfacher 6

als es vermutlich ist, und ihren Trick verraten die beiden mir natürlich trotzdem nicht. Aber sofort wird klar – die Jungs verstehen ihr Handwerk. Wir sitzen im hinteren Bereich des argentinischen Restaurants Sombrero Latino in der Wiesbadener Adolfstraße, das nicht nur für seine Speisen geschätzt wird, sondern nun schon seit zehn Jahren in seinem rustikal-gemütlichen Hinterzimmer die Show Noche Mágica beherbergt. In kleinem Rahmen von höchstens 45 Zuschauern präsentiert das Duo an Donnerstagen ihre beindruckenden Fähigkeiten, mit denen sie es immerhin zur Vizeweltmeisterschaft in der Kartenkunst geschafft haben. Das Publikum ist dabei immer voll involviert, aber ohne, wie aus anderen Shows bekannt, in irgendeiner Form bloßgestellt zu werden. Vielmehr soll mit Charme und Humor ein besonderes Erlebnis für alle Beteiligten geschaffen werden, wie die beiden im Laufe des Gesprächs immer wieder betonen. Überhaupt wirken sie angenehm zurückhaltend und sympathisch, ohne dabei jene erhabene Aus-

strahlung einzubüßen, mit der der wortgewandte Zauberer mit Anzug und Zylinder seit jeher auf sein staunendes Publikum einwirkt. Auch die Teilnahmen an den Meisterschaften entsprangen keinem Gefühl der Eitelkeit, sondern dienten in erster Linie dem Zweck, den Wiesbadener Zauberzirkel, indem sie sich einst kennenlernten, angemessen zu repräsentieren. Wiesbadener Zauberzirkel? Was sich im ersten Moment wie ein Harry Potter-Fantreffen im Waschkeller der gnädigen Mutter eines Beteiligten anhört, ist in Wahrheit ein gut strukturierter Zusammenschluss ortsansässiger Zauberer. Er stellt einen von insgesamt 85 Ortszirkeln in Deutschland dar, die im Magischen Zirkel von Deutschland e.V. vertreten sind. Der Verein existiert bereits seit 1912 und zählt zu den größten weltweit. Offizielles Ziel ist die allgemeine Förderung der Zauberkunst in Deutschland, doch sind die Ortsbezirke vor allem auch wichtige Treffpunkte der örtlichen Szene. Untereinander hilft und unterstützt man sich gegenseiWIESBADENER

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MENSCHEN

&

MEINUNGEN

tig, tauscht Zaubertricks aus und entwickelt gemeinsam neue Methoden. Ein strenges Schweigegelübte verhindert, dass die Geheimnisse der Zauberei in die ahnungslose Außenwelt gelangen. Dabei drängt sich mir die Frage auf, woher Freytag und Noguera eigentlich ihre Tricks hernehmen, die sie beinahe zur Weltspitze gebracht haben: „Vor allem aus unserer Sammlung an Büchern. Wir versuchen uns inspirieren zu lassen und dann eigene Tricks für unsere Show zu entwickeln.” Eine Arbeit, die enorm viel Zeit in Anspruch nimmt. Zu der Zauberkunst sind die beiden erst relativ spät, im jungen Erwachsenenalter gekommen, und obwohl sie von ihrer Show und den regelmäßigen Auftritten auf verschiedenen Veranstaltungen gut leben könnten, haben beide ihre Jobs als Bankangestellter und Lehrer behalten. Die Zauberkunst ist dennoch die große Leidenschaft in ihrem Leben: „Ich hatte immer den Wunsch nach einer besonderen Tätigkeit. Als ich mit 19 Jahren in einem englischen Kinderladen auf die Magieabteilung gestoßen bin, ist der Stein ins Rollen gekommen”, erzählt Noguera. Auch für Freytag war die Zauberei eher eine zufällige Entdeckung: „Mein Vater hatte einen dieser typischen Zauberkästen, mit denen er immer auf Geburtstagen seine Tricks vorgeführt hat. Irgendwann habe ich den dann beim Ausmisten wiederentdeckt”. Nun haben sie sich mittlerweile in der Szene etabliert und stehen wiederum im Austausch mit der weltweiten Gemeinschaft, die untereinander erstaunlich gut vernetzt ist. Zauberer, so scheint es, halten ziemlich gut zusammen. Was den Zuschauer in der Show erwartet? „Auf jeden Fall etwas Unbekanntes. Die Show ist auch für diejenigen etwas Neues, die schon öfter auf solchen Abenden waren.” Es wird viel gelacht im Hinterstübchen des Sombrero Latino, wenn die beiden sich gegenseitig veräppeln und dabei ihre ganz besondere Chemie untereinander zum Vorschein kommen lassen. Waren die Rollen anfangs noch weites gehend getrennt, stehen sie nun den größten Teil der Zeit gemeinsam auf der Bühne und präsentieren mit viel Nähe dem kleinen Publikum ihre Tricks. WIESBADENER

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Die begrenzte Anzahl an Plätzen hat es in letzter Zeit schwierig gemacht, auf Verlass noch eine Karte zu bekommen, doch die Chancen haben sich jetzt deutlich verbessert: Zusätzlich zu der donnerstags stattfindenden Show Noche Mágica (nächster Termin: 13. September) startet nun freitags ihr neues Showformat Viernes Mágico (14.September), das die kulinarischen Vorzüge des Veranstaltungsorts mit der im Anschluss stattfindenden Show verbindet – man darf gespannt sein. Wer Interesse hat oder Freytag und Noguera sogar einmal für seine Festivität buchen möchte, findet dazu alle Informationen auf www.nochemagica.de Konstantin Mahlow

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GAUMENKITZELEIEN

Jubiläum für Genießer: kulinart 2018 in Frankfurt

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ereits zum 15. Mal lädt die kulinart alle Genießer des Besonderen nach Frankfurt. Am 27. und 28. Oktober 2018 gastiert die Genussmesse wieder im Bockenheimer Depot. Rund 80 Aussteller werden Ende Oktober mit zahlreichen Besuchern im schönen Ambiente des Bockenheimer Depots die 15. Ausgabe der Genussmesse feiern. Wie jedes Jahr ist auch bei der Jubiläumsausgabe der kulinart für jeden besonderen Geschmack etwas dabei, von regionalen bis zu internationalen Spezialitäten, von bewährten Klassikern bis zu aktuellen 8

Foodtrends und vom exklusiven Tafeldesign bis zum exquisiten Reiseziel. So lädt beispielsweise die spanische Gastregion Galicien zur kulinarischen Entdeckungsreise ein und das thailändische Fremdenverkehrsamt will den Besuchern mit Hilfe von Pim Ampikitpanichs Firma Konkrua die Küche Zentralthailands nahebringen. Die schönen handgefertigten Konkrua Kochboxen bringen nun Spezialitäten wie Pad Thai, Tom Yam Kung und das leckere grüne Curry Kaeng Khiao Wan zum Nachkochen in die heimische Küche. WIESBADENER

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GAUMENKITZELEIEN

Dass Gewürze glücklich machen, weiß man nicht nur in Thailand, sondern auch in Wiesenbronn nahe Würzburg: von dort kommt Gewürzglück, die mit ihren spannenden Gewürzmischungen jeden Hobbykoch zu neuen und neuentdeckten Gerichten inspirieren wollen. Die pure Würzkraft der vollreifen Tomate hat Tomami für sich entdeckt, deren Name vom japanischen Begriff für den „fünften Geschmackssinn“ – Umami – abgeleitet ist. Wie es schmeckt, wenn es nicht süß, sauer, salzig oder bitter ist, lässt sich jetzt auf der kulinart erfahren. Und was würzt man am liebsten? Fleisch zum Beispiel. Mit Gourmetfleisch.de hat die Messe einen Pionier im Online-Fleischhandel als Aussteller gewonnen. Das Mönchengladbacher Familienunternehmen setzt seit über 100 Jahren auf echtes Handwerk durch Metzgermeister und eine fundierte Expertise. Inzwischen ergänzen sogar zwei zertifizierte Fleischsommeliers das Know-how der Online-Fleischmanufaktur. Offline zu erleben exklusiv auf der kulinart in Frankfurt. Selbstverständlich ist auf der kulinart auch für den fleischlosen Genuss gesorgt: So bringt Sandner Früchte die große Auswahl und die tolle Qualität italienischer Obstund Gemüsemärkte auf die Messe und auch der Obsthof Schneider serviert erntefrisches Obst und Gemüse sowie hausgemachte Marmeladen und Gelees. Insbesondere der Apfel darf natürlich in Frankfurt nicht fehlen. Deshalb sind auch dieses Jahr die klassischen feinfruchtigen Apfelessige Dr. Höhl’s Bioess aus vollreifen Bio-Äpfeln von deutschen Streuobstwiesen wieder mit dabei. Ganz neu im Programm sind dagegen die flüssigen Apfelspezialitäten von Born in the Wetterau aus Butzbach-Ostheim. Vom Apfelschnaps über puren oder gespritzen Apfelwein bis zum „Local Stöffche“ wird hier eine schöne Tradition modernisiert. Und auch der Gin-Hype macht nicht vor dem Apfel halt: Der Bembel Gin erfrischt mit Apfel- und Zitrusnoten und kommt in der stilechten blumenverzierten Tonflasche auf die kulinart. Gin-Fans werden auch vom Stand der Rosebottel Bar begeistert sein: Auf der Messe zeigt sie ihre feinen WIESBADENER

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Limonaden- und Tonic-Essenzen sowie die Mixkünste ihres Barpersonals. Hochprozentigen Genuss versprechen auch Dr. Jaglas Elixiere. Die erlesenen Kräuterbitter der ehemaligen Klosterapotheke werden nach altem Familienrezept per Hand „mazeriert“. Beste Tropfen aus der Region von Weingütern wie Sandwiese und Beyer sowie feine Weine aus Übersee von Vinovossum lassen zudem keine Wünsche und auch keine Lücke in Hausbar und Weinkeller offen. Für Naschkatzen hat dann die Pâtisserie Anna Reckmann noch einige Köstlichkeiten in petto. Ihre Philosophie: „Die Pâtisserie ähnelt der Alchemie: es ist die Kunst, Stoffe zu etwas Neuem zusammenzuführen und in etwas Wunderbares zu verwandeln.“. Was ihr dabei so alles gelungen ist, können die Besucher auf der kulinart vor Ort probieren. Ebenso wie die süßen Küchlein von Kuchenstil – wie der Name schon sagt, auch am Sti(e)l. Beliebte Highlights der Messe werden auch 2018 wieder die frisch gezapften Biere von Meckatzer Löwenbräu sowie die Miele Kocharena sein. Ausgesuchte Aussteller werden in der Kocharena ihre Spezialitäten zubereiten und die Besucher verwöhnen, darunter auch die beiden Gastregionen Galicien und Thailand. Und das Schönste: Alle Leckereien lassen sich hier nicht nur verkosten, sondern auch mit nach Hause nehmen – meist direkt vom Erzeuger verkauft und oftmals noch zum günstigeren Messepreis. So bringt man nicht nur schöne Eindrücke von der Messe mit, sondern kann auch noch lange danach weitergenießen. Weitere Informationen unter www.kulinart-messe.de kulinart 2018 Messe für Genuss und Stil 27. und 28. Oktober 2018 Frankfurt im Bockenheimer Depot Öffnungszeiten: Samstag 12-22 Uhr und Sonntag 10-19 Uhr Eintritt für Besucher: 12,-- € Alle Fotos. Katharina Bauer 9


GAUMENKITZELEIEN

20. InterWhisky in Frankfurt

Deutschlands älteste Whiskymesse zelebriert ihr Jubiläum

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ie InterWhisky ruft und sie kommen alle: Fans, Liebhaber, Einsteiger, Profis, Wissbegierige, nur mal so Probierer und viele mehr. Immer wieder sind so die drei Tage der InterWhisky, die inzwischen ihre Heimat im Gesellschaftshaus des Frankfurter Palmengartens gefunden haben, ein großes Familienfest. Und das wiederholt sich nun zum 20. Mal. Anlass genug, das Jubiläum mit etlichen Highlights zu begehen. Eine kleine Vorschau auf drei tolle Whiskytage am ersten Adventswochenende. Deutschlands älteste Whiskymesse ist längst für über 8.000 Besucher ein fester Bestandteil im Terminkalender. 10

Auch in diesem Jahr dürfen sich whiskybegeisterte Kenner und Genießer somit wieder auf eine große Auswahl internationaler Aussteller und Marken freuen. Die namhaftesten Größen der Whiskybranche, aber auch immer mehr kleinere, unabhängige Destillerien aus dem In- und Ausland kommen nach Frankfurt zum alljährlichen Familientreff, der in diesem Jahr zum 20. Mal stattfindet.

Großes Programm für jeden Das Rahmenprogramm ist dabei immer so komponiert, dass WhiskyEinsteiger und -Profis gleichermaßen Wissenswertes über das „Wasser des Lebens” erfahren können. Besucher können Whiskys aus Schottland, Irland, Kanada, Japan, WIESBADENER

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GAUMENKITZELEIEN

Belgien, Deutschland, der Schweiz und den USA verkosten. In kostenlosen Whisky-Seminaren („Whisky Forum”) sowie weiterführenden „Master Classes” und „GRAND Master Classes” haben sie die Möglichkeit, noch tiefer in die Welt des Whiskys einzutauchen. Abgerundet wird das Programm durch schottisches und irisches Food mit passender musikalischer Unterhaltung. Anlässlich des Branchenevents wird auch der neue „Whisky Guide Deutschland 2019” vorgestellt und die begehrten „Germany’s Best Whisky Awards” verliehen.

Viele Highlights Ein besonderes Highlight der Messe ist dabei das „Whisky Talk & Dinner” am 30. November, das Whiskybegeisterte zu einem exklusiven Vier-Gänge-Menü einlädt. Dazu werden diverse „Whisky-Raritäten” verkostet und von internationalen Top-Referenten (Destillerie-Manager, Masterblender, etc.) kenntnisreich vorgestellt. Ort der Veranstaltung wird aus dem besonderen Anlass des Jubiläums in diesem Jahr das 5 Sterne-Grandhotel Hessischer Hof sein.

Veranstaltungsort

Öffnungszeiten

Gesellschaftshaus Palmengarten Palmengartenstr. 11 60325 Frankfurt am Main

Freitag, 30. November 2018: 14 – 21 Uhr Samstag, 01. Dezember 2017: 12 – 21 Uhr

www.interwhisky.com www.facebook.com/InterWhisky

Vorfreude garantiert

Sonntag, 02. Dezember 2017: 12 – 19 Uhr

Der Gründer und Ideengeber der InterWhisky, Christian H. Rosenberg, der unter anderem auch der Herausgeber des Magazins „Der Whisky-Botschafter” ist, sieht mit großer Vorfreude dem stolzen Jubiläum entgegen, denn es gibt ihm die Möglichkeit, viele Weggefährten der ersten Stunde nach Frankfurt zu locken. Auch das, so darf man vermuten, verspricht ein kleines Stelldichein. Denn auch in diesem Jahr übernimmt der Bundesverband der Deutschen Spirituosen-Industrie und -Importeure e.V. (BSI) wieder die Schirmherrschaft über die InterWhisky.

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KULTUR

&

KREATIVES

Carlos Pazos, Mon Manège à Moi, 1996

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er in Barcelona beheimatete Ernesto Ventós Omedes ist von Beruf Parfümeur und seit Langem leidenschaftlicher Sammler. Vor vierzig Jahren begann er seine Sammlung zeitgenössischer Kunst nach einem ganz persönlichen Leitfaden aufzubauen: Für Ventós duften Kunstwerke.

Damit ist nicht der tatsächliche Geruch eines Werkes gemeint, sondern dass für ihn beim Betrachten eines Werks davon eine Erinnerung an einen besonderen Duft ausgehen kann. Auslöser seiner Sammlertätigkeit waren eine thematische Ausstellung zur möglichen Beziehung von

Der Duft der Bilder

Werke der colección olorVISUAL, Barcelona Federico Herrero, S-T

Geruch und Farbe in der Fundació Joan Miró 1978 und das Gemälde Lavanda (Lavendel) von Albert Ràfols-Casamada, das er im Entstehungsjahr 1979 erwarb. Beim Anblick des violett-grünen Bildes erinnerte sich Ventós an das besondere Aroma jener Lavendelfelder, die er in Frankreich als Parfümeur-Student kennenlernte. Es folgten Ankäufe von Werken verschiedener Künstlerinnen und Künstler, die Ventós zunächst in Auftrag gab oder die aus Begegnungen entstanden. Den Grundstock seiner einzigartigen Kollektion bilden aber nicht nur Werke spanischer Kunstschaffender. Bald nahm er auch internationale Künstlerinnen und Künstler und Fotografie-, Objekt- und Videokunst in die Sammlung auf, immer mit dem Ziel, Menschen mithilfe der Kunst das Riechen zu lehren und zugleich Kunst durch eine Duftnote verständlicher zu machen. Dafür entwickelte Ventós für jedes seiner erworbenen Kunstwerke eine eigene Essenz. Nach seinem Verständnis erlaubt uns der Geruchssinn nach der Geburt die erste Wahrnehmung, um unsere Umgebung zu entdecken, doch mit zunehmendem Alter gehe er verloren. Sein origineller Ansatz, nicht nur sehend, sondern auch

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KULTUR

&

KREATIVES

Alex Jasch, Der kleine Kreischer, 2009

riechend beim Bilderbetrachten zu Sinneseindrücken, Emotionen oder Empfindungen zu gelangen, ist in der Kunstszene alles andere als gängig. Bislang spielte der Geruchssinn auf dem Gebiet der Kunst und deren Vermittlung kaum eine Rolle. Der Katalane verfolgt mit großem Enthusiasmus sein Ziel, durch spezifisch kreierte Essenzen den Geruchssinn des Betrachters zu aktivieren und auf ungeahnte Art und Weise ein zusätzliches Element zur Vermittlung von zeitgenössischer Kunst zu schaffen. Enorme Sammelleidenschaft und passionierte Freude an Bildung treiben ihn zu gleichen Teilen an. Nach dem Erwerb eines Kunstwerks beginnt Ventós nicht nur über die Essenz nachzudenken, sondern er erfragt bei jedem Künstler einen Text zu dem Werk, das in die colección olorVISUAL aufgenommen wurde. Wie viele Werke Ernesto Ventós in den vergangenen Jahrzehnten zusammentragen konnte, verdeutlicht er nicht. Ihm geht es in erster Linie um sein Anliegen, die Sinne miteinander zu verbinden und zu aktivieren. In der Ausstellung Der Duft der Bilder in den Opelvillen Rüsselsheim werden 55 Werke seiner Sammlung präsentiert.

mengefunden, da die Kunst- und Kulturstiftung immer wieder neue außerordentliche Vermittlungsprogramme entwickelt, die sich an alle Altersstufen richten. Ventós’ Anliegen, Kunst zu riechen, birgt in Rüsselsheim erneute Chance, manchen Noch-nicht-Kunstfreund anzulocken und für die zeitgenössische Kunst zu begeistern. Im Anschluss übernimmt die Städtische Galerie Delmenhorst die Schau vom 1. Februar bis 22. April 2019. Zur Ausstellung erscheint ein dreisprachiger Katalog in Deutsch, Englisch und Spanisch mit 175 Seiten, 64 Abbildungen und 55 Künstlertexten sowie Vorworten von Beate Kemfert mit Annett Reckert (Städtische Galerie Delmenhorst), dem Sammler Ernesto Ventós und der Direktorin der Sammlung Cristina Agàpito.

Der Duft der Bilder Werke der colección olorVISUAL, Barcelona 19. September 2018 bis 6. Januar 2019 www.opelvillen.de

Albert Rafols-Casamada, Lavanda, 1979

Kunst- und Kulturstiftung Opelvillen Rüsselsheim Ludwig-Dörfler-Allee 9 65428 Rüsselsheim Öffnungszeiten: Mi. 10-18 Uhr, Do. 10-21 Uhr Fr. bis So. 10-18 Uhr

Die colección olorVISUAL und die Opelvillen haben auch zusamWIESBADENER

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KULTUR

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KREATIVES

Amos Oz führt ihre Schicksale, ihre Hoffnungen und Enttäuschungen zwischen Liebe und Finsternis vor Augen, traurig und ironisch, heiter und bitter – und macht so eindringlich begreifbar, wie sehr Israel durch die Lebenswege der Menschen, die es gründeten, untrennbar mit der europäischen Geschichte verknüpft war und ist. Am 7. Oktober tritt das LadinoEnsemble Nani im Kulturforum auf und mischt Musik aus Nordafrika und dem Nahen Osten und verjazzt sie auf warme und vielfältige Weise. Die einzigartige Melange aus Gitarrenmusik, Percussions und Noam Vazanas hypnotischer Stimmgewalt haucht dem alten Ladino neues Leben ein und macht die Musik durch das Nebeneinander von Vergangenheit und Gegenwart für uns heute spannend und aktuell. Ladino geht zurück auf das mittelalterliche Spanien und die Vertreibung der Juden 1492. Noam Vazanas Vorfahren mütterlicherseits fanden Zuflucht in Marokko. Ladino – als Geheimnis der Vergangenheit – nur zuhause und zunehmend auch weniger gesprochen. Aber Noam hat das Ladino noch aus ihrer Kindheit im Ohr, als ihre Großmutter mit viel Liebe für sie sang.

Yemen Blues, © Zohar Ron

2018, anlässlich des 70-jährigen Bestehens des Staates Israel präsentiert sich die Veranstaltungsreihe „Tarbut – Zeit für jüdische Kultur” zum elften Mal als wichtiger Teil der Wiesbadener Kulturlandschaft und legt dabei das Augenmerk auf „70 Jahre Israel”. Den Anfang machte am 23. August die Ausstellung „70 Jahre Israel in 70 Plakaten” von Henrietta Singer und Sara Neumann im Wiesbadener Rathaus. 14

Am 20. September liest der Schauspieler Gottfried Herbe in der Jüdischen Gemeinde Wiesbaden aus dem Roman „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis” von Amos Oz. Der 2004 erschienene Roman beginnt im Jerusalem der vierziger Jahre, dem Ziel jener, denen es gelungen war, den Verfolgungen durch den Nazis zu entkommen und die entschlossen waren, sich nie wieder demütigen zu lassen. Es sind die Jahre kurz vor und kurz nach der Gründung des Staates Israel.

Am 17. Oktober liest Lena Gorelik aus ihrem Buch „Mehr schwarz als Lila”. Mit siebzehn ist das Leben kompliziert. Alex trägt lieber Schwarz als Lila, ihr Vater schweigt die meiste Zeit und ein Papagei soll ihr die Mutter ersetzen. Die besondere Freundschaft mit Paul und Ratte ist das, was Alex an ihrem Leben liebt. Die gefühlte Eintönigkeit lassen die drei in Mutspielen hinter sich, bei denen es keine Grenzen gibt. Auf der Klassenfahrt nach Polen küsst Alex Paul – am dafür unpassendsten Ort der Welt, in Auschwitz. Jemand fotografiert, das Bild, es geistert durchs Netz und plötzlich reden alle über Alex und die Jugend von heute. Am 24. Oktober tritt die Gruppe Jemen Blues aus Israel und New York im Schlachthof auf. Könnte Musik Funken schlagen, würden Ravid Kahalani und seine Band Yemen Blues regelmäßig Flächenbrände auslösen. Aus einer jüdisch-jemenitischen Familie stammend, verbindet der charismatische Sänger jüdische, arabischmuslimische und westafrikanische Musikrichtungen mit rockigem Groove, funkigen Bläsern und gefühlWIESBADENER

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KULTUR

vollem Soul. „Insaniya” – „Menschlichkeit” heißt das aktuelle Album, mit dem Yemen Blues einmal mehr nationale, ethnische, religiöse und musikalische Grenzen überwindet.

&

KREATIVES

Noam Vazana, Foto: © Asaf Lewkowitz

Am 28. Oktober wird im Haus an der Marktkirsche das Theaterstück „Scherben” von Arthur Miller aufgeführt. Miller setzt sich in diesem späten Stück mit den inneren Konflikten der Juden in den USA auseinander, die die Judenverfolgung durch die Nationalsozialisten in Europa aus der Ferne miterleben. Sie stellen sich Fragen und reflektieren die Ereignisse in Deutschland vor dem Hintergrund ihres Lebens in Amerika. Das KZ-Theresienstadt, nördlich von Prag, war eine Zwischenstation zur Deportation in die Vernichtungslager. Schwer vorstellbar, aber es gab dort über zwei Jahre eine Fußballiga auf hohem Niveau und mit großen Zuschauerzahlen, organisiert von der jüdischen Selbstverwaltung. Überlebende betonten, dass Fußballspielen oder zumindest Zuschauen einen „Augenblick der Menschlichkeit” darstellte, in dem man sich als Individuum habe fühlen können. Darüber verfasste Frantisek Steiner, sowohl in der Zeit des Sozialismus als auch nach der Wende einer der bekanntesten tschechischen Sportjournalisten, unter Mitarbeit von Zeitzeugen eine berührende Geschichte. Der Historiker Dr. Stefan Zwicker wird das Buch „Fußball unterm gelben Stern” am 31. Oktober in der Jüdischen Gemeinde vorstellen. Zum Abschluß spielt am 2. Dezember im Kulturforum die Ginsburg Dynastie – Jiddish Swing Orchestra. Die Familie Ginzburg ist eine Klezmer Band in der sechsten Generation. Nach 150 Jahren musikalischer Weltreise durch vier Kontinente ist die Familie jetzt wieder in der historischen Heimat. Parallel zu „Tarbut” zeigt das Stadtmuseum am Markt die Ausstellung „Industrie und Holocaust: Topf & Söhne – die Ofenbauer von Auschwitz” bis zum 27. Januar 2019. Darüber hinaus gibt es im Rahmen von „Trabut” ein umfangreiches Filmangebot mit gleich sechs Filmen in der Caligari FilmBühne. Nähere Informationen unter: www.jg-wi.de WIESBADENER

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KULTUR

&

KREATIVES

Wegen der enorm gestiegenen Nachfrage mussten zudem Teilnahmekriterien erstellt und neue Bewerber einer Jurierung unterzogen werden.

Das „Komitee“ der Tatörtler*innen, Foto: © Markus Tönnessen

Am Wendepunkt

10 Jahre Tatorte Kunst

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m Sonntag, dem 28. Oktober ist es wieder soweit: Dann zeigen knapp 50 Künstlerinnen und Künstler an rund 30 Atelierstandorten in Wiesbaden-Mitte und im Bezirk Rheingauviertel-Hollerborn von 12 – 18 Uhr ihre Kunstwerke – für Kunstinteressierte, Sonntagsflaneure und neugierige Schatzsucher die ideale Gelegenheit, sich einen Überblick zu verschaffen, mit den Kunst-Tätern ins Gespräch zu kommen, erste und zweite Hinterhöfe zu entdecken und vielleicht ein Objekt käuflich zu erwerben. Dabei ist das Spektrum vielfältig und reicht von Zeichnungen, Malerei, Fotografie und Film über Bildhauerei und Objektkunst bis zu Aktionskunst, Druckgraphiken und Installationen. Mittlerweile erfreuen sich die Tatorte auch überregional großer Be16

liebtheit, was natürlich nicht immer so war. 2009 wurde in kleinem Kreis erdacht und konzipiert, was sich im Laufe von 10 Jahren zu einer großen Publikumsveranstaltung entwickelt hat. Bei der damaligen Gründungsversammlung nahmen neun Künstlerinnen und ein Künstler teil – aus der Wörthstraße, aus der Stadtmitte und aus Biebrich – und erfanden den Namen „Tatorte Kunst”. Außer einer Einladungskarte wurde keine weitere Öffentlichkeitsarbeit gemacht. Im darauf folgenden Jahr kam ein weiteres Atelier aus der Wörthstraße auf „Tatorte Kunst” zu, um die Idee aufzugreifen und den Kreis zu erweitern. Die Veranstaltung bekam mit Logo, Flyer und Homepage ein Gesicht und einen fixen Termin: der letzte Sonntag im Oktober. Ab nun gab es außerdem eine jährliche Broschüre, Fördermittel, Sponsoren und ein festes Team, das die Tatorte organisierte.

Ab 2012 war die Litfaßsäulenplakatierung finanzierbar, renommierte Wiesbadener Magazine interessierten sich für das Projekt, dem 2013 die „Bild am Sonntag” sogar eine ganze Seite widmete. Auch die Finanzlage wurde spürbar stabiler: Es gab Zuschüsse vom Land Hessen, der NASPA, der SV Sparkassenversicherung und Kulturamt Wiesbaden sowie von den Ortsbeiräten Wiesbaden-Mitte und WiesbadenRheigauviertel/Hollerborn. 2011 wurde ein Tag vor dem Publikumstermin ein exklusiver Rundgang durch die Ateliers eingeführt. Sponsoren, Geldgeber und Presse konnten sich hierbei einen ersten Einblick verschaffen, sich die künstlerischen Positionen erläutern lassen und so direkt erleben, wie die finanzielle Unterstützung umgesetzt wurde. Dies führte auf der anderen Seite zu einer enormen Qualitätssteigerung der Ateliers. Im Laufe der Jahre ist es dem Team mit großem Erfolg gelungen, die selbst gesteckten Ziele umzusetzen: eine Plattform zu errichten, auf der sich Künstlerinnen und Künstler in ihren Ateliers präsentieren können sowie die Vielfalt der vorhandenen künstlerischen Positionen in Wiesbaden-Mitte sichtbar zu machen und somit die Besucher für Kunst und Kultur vor Ort zu sensibilisieren. Zugleich füllte „Tatorte Kunst” auch eine vorhandene Leerstelle in der Landeshauptstadt aus, stehen öffentliche Räume wie z.B. NKV, Landesmuseum und andere den Wiesbadener Künstlern nicht zur Verfügung. „Tatorte Kunst” hat, da ist sich das Team sicher, viele künstlerische Flyer/Plakat/Logo/Webseite: Iris Kaczmarczyk WIESBADENER

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Was nun in Zukunft geschehen wird, ist im Team noch nicht ausdiskutiert. Es ist von neuem Zuschnitt die Rede, von einem „Tatorte Kunst” in einem anderen Wiesbadener Stadtteil oder von einer kreativen einjährigen Pause. Vieles ist möglich, da darf man gespannt sein. Und genau deswegen sollte man dieses Jahr die „Tatorte Kunst” auf keinen Fall verpassen, wird es sie mit großer Wahrscheinlichkeit in dieser Form nicht mehr geben. Weitere Infos, die Künstlerliste und einen Wegweiser findet man auf www.tatorte-kunst.de

Petra von Breitenbach: blu(€)ten, 100 x 100 x 18cm, Acrylglasplatten, Lichterketten, Vierkantholz, 2018, Foto: © Iris Kaczmarczyk

Schätze gehoben, die andere (noch) gar nicht gesehen haben. Dabei war und ist es immer dieser spezielle Vielklang aus Kunst, Protagonist, Atelier und Hinterhofatmosphäre, der so fasziniert und die Besucher begeistert. Wurden beispielsweise im Frauenmuseum zu Beginn der „Tatorte” etwas über 100 Besucher gezählt, waren es die letzten Male weit über 600. Und nebenbei haben die Täter nicht nur ihre Kunst präsentiert, sondern auch zum Teil gute Verkäufe gemacht. Wen wundert es da, dass der Erfolg auch Probleme schuf. Trotz klarer Teilnahmebedingungen gelang es 2017 aus unterschiedlichen Gründen nicht, die Anzahl auf 25 Standorte zu begrenzen. Zudem versuchten Start-ups und andere Initiativen, mit ins Boot zu kommen, obwohl sie mit Bildender Kunst nur am Rande etwas zu tun hatten. Es drohte eine Verwässerung der ursprünglichen Idee. Und 2018? 18

Dieses Jahr sind rund 50 Künstlerinnen und Künstler mit dabei, der exklusive Atelierrundgang am 27. Oktober wird diesmal vier statt drei Stunden dauern und die Protagonisten gerade mal fünf Minuten Zeit haben, über ihre Kunst zu sprechen. Rekordzahlen, die für das Team zugleich einen Wendepunkt bedeuten. „Es hat eine Grenze erreicht” sagt Gisela Grosshaus, zuständig für das Sponsoring. 10 Jahre sei eine lange Zeit und vielleicht der richtige Moment, über einen neuen Zuschnitt der Veranstaltung nachzudenken. Schließlich habe man ja erreicht, dass unter den Künstlern im Areal eine Art Netzwerk entstanden sei, dass durchaus neue Projekte initiieren könne. Für das Team ist die Arbeit an den „Tatorten” mittlerweile zur Gewohnheit geworden, doch „Routine ist Gift für die Kreativität” ist die Mitstreiterin der ersten Stunde Petra von Breitenbach überzeugt und darunter leide schließlich die Qualität. WIESBADENER

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Foto aus: „RAUS“

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itte November verwandelt die 31. Ausgabe des exground filmfest die hessische Landeshauptstadt und Umgebung erneut in eine cineastische Hochburg. In den Wiesbadener Spielstätten Caligari FilmBühne, Murnau Filmtheater und Kulturpalast sowie in ausgewählten Programmkinos in Frankfurt am Main und Darmstadt erwartet die Zuschauer ein spannendes Festivalprogramm. Zahlreiche internationale Filmgäste präsentieren über 200 unabhängig produzierte Lang- und Kurzfilme, darunter internationale, deutsche und Weltpremieren sowie exklusive Vorführungen von Filmen, die in Deutschland nicht im Kino zu sehen sein werden. Daneben gibt es Rahmenveranstaltungen mit Work-

shops, Ausstellungen, Partys und Podiumsdiskussionen. Der Länderschwerpunkt beim diesjährigen exground filmfest ist der künstlerischen Film- und Kulturvielfalt auf den Philippinen gewidmet. Filmland Philippinen: 100 Jahre Tradition Die mit zu den ältesten Filmnationen gehörenden Philippinen blicken auf eine lange Tradition zurück: Seit mehr als 100 Jahren werden dort Filme produziert. Die preisgekrönten Werke von Lav Diaz, Brillante Mendoza und Khavn Della Cruz laufen auf den großen, internationalen Filmfestivals und sind einem breiten Publikum bekannt. Neben diesen Regie-Altmeistern bringt die Region auch junge Talente hervor, die zu einem

spannenden und dynamischen Kulturschaffen beitragen. „Unser Fokus Philippinen soll breiten Einblick gewähren in das philippinische Film- und Kulturschaffen und die aktuellen gesellschaftspolitischen Diskurse des Landes abseits des offiziell propagierten staatlichen Selbstverständnisses dokumentieren“, erklärt Axel Estein, der Kurator des Fokus-Programms. Mit Estein kann das Festivalteam auf einzigartiges Know-how zurückgreifen. „Unser Mitarbeiter auf den Philippinen beobachtet kontinuierlich die neuesten kulturellen und gesellschaftlichen Entwicklungen und sammelt auf zahlreichen Filmfestivals die neuesten Eindrücke“, beschreibt Andrea Wink vom Festival-Organisationsteam die Arbeit.

Fokus Philippinen beim exground filmfest 31 vom 16. bis 25. November 2018 in Wiesbaden WIESBADENER

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ON THE JOB (2013) und HONOR THY FATHER (2015) zum Aushängeschild des philippinischen Kinos. Zudem wird eine Ausstellung zur philippinischen Videokunst und Fotografie im Nassauischen Kunstverein präsentiert und ein Konzert mit philippinischen Künstlern ist in Planung. exground youth days

Foto aus: „GIRL“

„So entdeckt das exground filmfest vor Ort jene künstlerisch und gesellschaftspolitisch bemerkenswerten Beiträge, die mutig Stellung beziehen zu aktuellen Themen wie Zensur, Unterdrückung und Korruption.“ Präsentiert werden im Fokus ca. zehn Langfilme und zwei Kurzfilmprogramme, darunter sowohl aktuelle Produktionen als auch herausragende Werke aus den vergangenen vier Jahrzehnten des philippinischen Filmschaffens.

Das exground filmfest hat sich seit seinen Anfängen 1990 vom experimentellen Underground zum international anerkannten Filmfestival entwickelt, das unabhängig produzierte Spiel-, Dokumentar- und Experimentalfilme auf die große Leinwand bringt. Veranstaltet wird das Festival vom Verein Wiesbadener Kinofestival e. V. – ausschließlich in ehrenamtlicher Arbeit. 14.000 filmbegeisterte Besucher im Jahr 2017 zeugen von der großen Beliebtheit des Festivals. www.exground.com 20

MADE IN WIESBADEN

Ein besonderes Highlight ist die Zusage von Raymond Red, dem Pionier des alternativen philippinischen Kinos, der als erster philippinischer Regisseur in Cannes die Goldene Palme für seinen Kurzfilm ANINO (2000) erhielt. In Wiesbaden stellt er seinen Film HIMPAPAWID (MANILA SKIES, 2009) vor, der durch den Einsatz der digitalen Red-Kamera einen Wendepunkt in der Qualität digitaler Filme einleitete. In einer Nebenrolle ist Ausnahmeregisseur Lav Diaz zu sehen, der ebenfalls zum exground filmfest eingeladen ist. Diaz’ knapp vierstündige Rockoper ANG PANAHON NG HALIMAW (SEASON OF THE DEVIL, 2018) über Unterdrückung und Opposition wird im Programm von exground filmfest zu sehen sein. Begleitend zu den Filmen bieten die beiden Panels „Philippine Film History“ und „Human Rights“, jeweils mit hochkarätigen philippinischen Experten besetzt, interessierten Zuschauern einen breiten Diskussionsrahmen. Als Panel-Gäste zugesagt haben bereits unter anderem der internationale Fotojournalist Raffy Lerma und der Regisseur Erik Matti, der mit seinem neuesten Actionfilm BUYBUST im Filmprogramm vertreten ist. Nach einer langen Karriere als Regisseur von Genrefilmen auf den Philippinen avancierte Matti mit international anerkannten Produktionen wie

Die 15. Ausgabe der exground youth days wird mit dem belgischen Debüt GIRL von Lukas Dhont (Kinostart 18.10.) eröffnet, in dem die 15-jährige Transgender Lara hart trainiert, um eine Ballerina zu werden. In einer atemberaubenden Performance verkörpert Tänzer und Schauspieler Victor Polster die aufstrebende Tänzerin. Als weiterer Film ist der deutsche Spielfilm RAUS von Philipp Hirsch zu den exground youth days eingeladen und läuft dort außer Konkurrenz in einer Schulvorstellung. Der junge Glocke hat Scheiße gebaut und flieht mit einer Gruppe Gleichaltriger in die Natur. Tage der Freiheit und des Glücks werden getrübt von einem dunklen Geheimnis, das den Gruppenführer Friedrich umgibt. Regisseur Philipp Hirsch hat sein Kommen zugesagt. Die Auswahlkommission muss bis zur Programmverkündung im Oktober aus 2.500 eingereichten Beiträgen und den Fundstücken aus diversen internationalen Festivalbesuchen eine Auswahl treffen.

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ie Fans scharren schon mit den Hufen und warten auf die trickreich flimmernden Hochkaräter. Maximale (Film-)Kunst zu minimalem Budget ist das Markenzeichen des Internationalen Trickfilm-Festivals Wiesbaden. Gratulation zum 20. Geburtstag! Das lange Jubiläums-Wochenende lädt vom 31. Oktober bis 4. November ein. Schirmherr ist Volker Bouffier. Der Ministerpräsident steuert 2000 Euro bei für junge Filmschaffende aus London, Berlin, Ludwigsburg, Potsdam und Mainz, die ihre Filme zeigen. Aus Hamburg kommt Mariola Brillowska mit ihrer „Schwarzen Welle“. Die Jubiläums-Version des erfolgreichen Dauerbrenners der kulturpreisgekrönten „Freunde der Filme im Schloss“ Joachim Kreck, Detelina Grigorova-Kreck und Michael Fechner zeigt rund 100 Werke aus 25 Ländern, drei spektakuläre Langfilme inklusive. Experte Joachim Kreck, sechs Mal in Folge mit dem Hessischen Filmpreis geehrt, kündigt „echte Schmankerl“ an: „Who framed Roger Rabbit“ („Falsches Spiel mit Roger Rabbit“) von Robert Zemeckis und dem weltbestem Animations-Lehrer Richard „Dick“ Williams kostete Zeit, Geld und Nerven „Der dreifache Oscarsieger war schwer zu bekommen und läuft am 30. Jahrestag der deutschen Erstaufführung am 3. November 1988.“ Oscarnominiert und vielfach preisgekrönt, ist Nora Twomeys „The Breadwinner“ (deutsch: „Die Sonne im Gesicht“) über ein tapferes Mädchen in Afghanistan „ein brisanter Film für alle Generationen“, urteilt Joachim Kreck. „In zivilisierten Ländern wird dieser Film in den Kinos gezeigt. In Frankreich, Italien und England gibt es mehrere Trickfilm-Festivals, in Deutschland gibt es neben Stuttgart nur uns.

Jubiläum der trickreich flimmernden Hochkaräter 22

20. Internationales Trickfilm-Festival im Filmschloß Biebrich vom 31. Oktober bis 4. November 2018 / Opening in der CaligariFilmBühne / Schirmherr ist Ministerpräsident Volker Bouffier

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KULTUR

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Der Trickfilm hat inzwischen mittlerweile den internationalen Markt erobert.“ Angelina Jolie schrieb als geschäftsführende Produzentin am Script mit. „Wir zeigen traditionell nach Möglichkeit einen Animé. Der berühmte Film „Mutafukaz“ von Shojiro Nishmi basiert auf dem Comic von Jim Mahfood und läuft als Wiesbadener Erstaufführung. Unser Postermotiv stammt aus dem Original-Comic.“ Dem qualitätsbewußten Publikum wird ein exzellentes Programm geboten mit vier „Best of international Animation-Sektionen“, mit „Best of Young Animation“ und dem zweiten „Best of German Animation.“

Die vielfach preisgekrönten Trickfilmer Georges Schwizgebel und Vuk Jevremovic als Festivalgäste im Schloß mit Gastgeberin Detelina Grigorova-Kreck (von links). Foto: Gesine Werner

Zum Jubiläum steigt die Eröffnung in der Caligari-Filmbühne mit Kulturdezernent Axel Imholz und funkelnden Edelsteinen der letzten 10 Jahre. Oscarpreisträger Alexandre Espigares („Mr. Hublot“) und Nikita Diakurs Kater „Ugly“ (Großer Preis in Ottawa 2017) zeigen ihre Werke persönlich. Auf Steven Woloshens „Casino“ folgen drei „Trump Bites“. Bill Plympton ist ein guter Freund des TriFiFestivals und war zweimal im Schloß. Die genialen Shorties mit Originalton (!) schuf der „King of Animation“ exklusiv für die New York Times. Auch „Oscar“-Preisträger „Logorama“, Hiroshima-Spezialpreisträger „Sonámbulo“, „Ein Krötenlied“ und „This way up“ (beide Siggraph- Best of Show) sowie das César-nominierte „Café Froid“ laufen zum Auftakt.

Kulturpreisgekrönt und bestens vernetzt, zeigen Detelina Grigorova-Kreck und Joachim Kreck in der Bildmitte das Originalposter des ersten TriFi-Festivals. Foto: Gesine Werner

Auch Ruth Lingford war schon Gast im Schloß und zeigt beim Festival die deutsche Erstaufführung ihrer „Trump Dreams“. Detelina Grigorova-Kreck liegt das Nachwuchsprogramm „Tricks for Kids“ am Herzen. In der SonntagsMatinée läuft das BBC-ZDF Weihnachts-Special „Räuber Ratte“ als Vorpremiere. Der mit 1000 Euro dotierte „Preis des Kulturamts“ geht an die freie Filmschule „Animation workshop“ in Viborg/ Dänemark. Das Festival zeigt Filme wie „Cream“ und „TED-ED“ sowie „The evolution of Animal Genitale“. WIESBADENER

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Als die Celluloidstreifen noch von der Filmspule “liefen”: Festivalgründer Joachim Kreck mit dem nostalgischen Filmprojektor in der FBWVorführkabine. Archivfoto: Freunde der Filme im Schloß.

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KREATIVES

“Trump & Putin - A love story”. Bill Plymptons Drillinge “Trump Bites” für die New York-Times werden beim TriFi-Wochenende gezeigt. Foto: Freunde der Filme im Schloß.

Das Publikum vergibt die Preise, bei „Young Animation“ sind es 500 Euro. Bei „Best of International Animation 2017/18“ sind die Hauptpreisträger der wichtigsten TriFi-Festivals und Wettbewerbe von Annecy, Zagreb, Ottawa, Krakau, Stuttgart, Ziggraph Computer Animation und Hiroshima bis zum Oscar an Bord. Rückblende: Vom 21. – 24. Oktober 1999 luden die „Freunde der Filme im Schloß“ zum ersten Internationalen Trickfilm-Wochenende. „1999 hat die Stadt Wiesbaden die Trägerschaft der „Filme im Schloß“ abgegeben und uns überlassen, in eigener Regie weiterzumachen. Wir hatten schon häufig Trickfilme gezeigt und Gäste von weit her eingeladen, finanziert vom Kulturamt. Jetzt wollten wir die Filmabende in einem Wochenende konzentrieren“, erinnert sich das Festival-„Elternpaar“, das im Oral history-Projekt „Erlebte Geschichte & Geschichten“ des Fördervereins Stadtarchiv Wiesbaden eingebunden ist.

Das international etablierte Lowbudget- Festival basiert auf Zusammenarbeit mit dem Kulturamt der Landeshauptstadt Wiesbaden , dem Ortsbeirat Wiesbaden-Biebrich, der FBW und der Omnimago GmbH Ingelheim. „Ohne den hohen Einsatz der Omnimago, die uns die Programme aufbereitet zur Vorführung, gäbe es das Festival nicht mehr“, betont der Festivalgründer. Das Kulturamt Wiesbaden hat von 1999 bis heute den Löwenanteil des Budgets sichergestellt

und fördert das Jubiläum mit einem speziellen Betrag. Die hessische Filmförderung unterstützt mit wechselnden Beträgen. Die sehr moderaten Eintrittspreise werden auch im Jubiläumsjahr beibehalten. www.filme-im-schloss.de

Text: Gesine Werner

Kulturpreis der LH Wiesbaden 2011 an die „Freunde der Filme im Schloß“. Joachim Kreck, Detelina Grigorova-Kreck, Anne und Michael O. Fechner im Rathaus (von links). Archivfoto: Freunde der Filme im Schloß.

Ihr weltweites Renommé und ihr langjährig geknüpftes Netzwerk helfen rund um den Globus, die gewünschten Filme zu bekommen. „Wir besorgen die Filme mit großem Aufwand über Verleiher und Archive.“ 24

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KULTUR

Die HyperMOODbox” machte im Hauptbahnhof Wiesbaden Station. Kulturfonds-Geschäftsführer Dr. Helmut Müller und Kuratorin Dr. Julia Cloot sind ganz Ohr und Auge.

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ie „HyperMOODbox“, realisiert durch Annesley Black, Marc Behrens und Julia Mihály, bringt in einem „kleinen Häuschen vier Leute gleichzeitig dazu, sich aus Tönen, Szenen und Sound die vielfältige Soundkulisse eines Bahnhofs als interaktive Klanginsel selbst zu gestalten“. Die SoundBox, „klingendes“ Kooperationsprojekt von Kulturfonds und Deutscher Bahn, kam im Hauptbahnhof Wiesbaden wie ein leicht angeschrägtes Eisenbahnabteil daher. „Reisende“ saßen sich gegenüber, stellten sich per Knopfdruck die eigene Collage zusammen mit Geräuschen und pfiffigen Kurzfilmen. Das mobile Projekt machte auch Station auf einem Fest: Der Kulturfonds hatte Grund zum Feiern. Er zelebrierte dies mit „großem Bahnhof“ und viel Kultur im Theater Willy Praml. Ende 2007 gegründet, ist der Fonds 2008 gestartet und ein bundesweit einzigartiges Erfolgsmodell.

In der Naxoshalle war Kunstminister Boris Rhein ebenso angetan wie Landrat Ulrich Krebs als Kulturausschuß-Vorsitzender und Kuratoriums-Chef Professor Klaus-Dieter Lehmann. In einer Gesprächrunde tauschten sich Kulturfonds-Gründer Roland Koch, die Wiesbadener NKV-Chefin Elke Gruhn, Mousonturm-Chef Matthias Pees und Susanne Pfeffer aus, FAZ-Chef Werner D`Inka moderierte gekonnt. Das Anke Helfrich-Trio demonstrierte klangvoll die Devise „Jazz geht´s los!“ Performance traf auf Installation und Kino Varieté. „Studie Nr. 7“ und Oscar Fischingers „Komposition in Blau“ wurden von Elsa Scheidig, Andrew Digby, Jan-Philip Tupa & Despina Apostolou live begleitet. Das Jubiläumsfest war die Dernière des Langzeitprojektes „Transit“ in der Region. „Das Thema, wenn Menschen sich begegnen, wurde durch die unerwarteten Flüchtlingsbewegungen von der Wirklichkeit überholt“, erinnert Dr. Helmut

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KREATIVES

Müller an den Start 2014. „Das himmlische Reich der Musik im Sinn...“ Klingt nach Goethe und stammt auch von dem Frankforder Bub. Der kurte 1814 und 1815 in Wiesbaden, schrieb größere Teile seines West-Östlichen Divans hier – mit freundlicher Unterstützung der Frankfurterin Marianne von Willemer – und feierte seinen 65. Geburtstag in Alt-Nassau bei Herzogs auf Schloß Biebrich. „Der Fonds fördert seit einiger Zeit die Ausweitung des Literatur-Festivals literaTurm und die Lyriktage über Frankfurt hinaus. Die bestens eingeführte GoetheFestwoche findet erstmals auch im Rhein-Main-Gebiet statt“, ist Kulturfonds-Geschäftsführer Dr. Müller erfreut. Das Thema „Goethe und die Musik“ führt zu den Brentanos im Rheingau und nach Bad Homburg. Das Stadtmuseum Wiesbaden wandelt „auf Goethes Spuren“ (24. 9.). Im Frankfurter GoetheMuseum wird die Festwoche am 6. September eröffnet. Auch personell ist der Fonds auf der Höhe der Zeit. Claudia Dillmann, bis vor kurzem Direktorin des Deutschen Filminstituts DIF Frankfurt und Erfinderin von „Go East“, wurde für das Kuratorium gewonnen. „Die aus dem Rheingau stammende Expertin kennt die Szene und die Rhein-Main-Region wie ihre Westentasche“, kommentiert Dr. Müller diesen Coup. Der Kunsthistoriker Professor Klaus Honnef gehört jetzt auch dem Gremium an. www.kulturfonds-frm.de Text und Foto: Gesine Werner

Schräger Sound, ein Jubiläum und ein musikalischer Goethe Kulturfonds Frankfurt Rhein-Main wirkt seit zehn Jahren als bundesweit einzigartiges Erfolgsmodell WIESBADENER

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Der großformatige Neubau wird auf 3000 Quadratmetern eine neu konzipierte Dauerausstellung präsentieren.

Ein Stück Zukunft mit starker Bedeutung Römisch-Germanisches Zentralmuseum in Mainz feiert Richtfest / Themenwochen „Restaurierung am RGZM”, Familiensonntag und „After Work im Museum”

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ufbruchstimmung auf dem Platz vor der Neutorschule in Mainz. Die Sonne strahlt, als bekäme sie es bezahlt über den gewaltigen, viergeschossigen Rohbau in L-Form mit Riesenfenstern. Seit Grundsteinlegung vor 15 Monaten ging es stracks in die Höhe mit dem Neubau des Römisch-Germanischen Zentralmuseums (RGZM) und Leibniz-Forschungsinstitut der Archäologie. Der Richtkranz wird am Kran gehißt und schwebt über dem 95 Meter langen Gebäuderiegel entlang der Rheinstraße. Im rechtwinklig angesetzten Flügel mit Aussicht auf den Platz mit den alten Platanen bietet das RGZM künftig auf drei Etagen und 3000 Quadratmetern Fläche eine neu konzipierte Dauerausstellung. Rund 10.000 Quadratmeter Nutzfläche werden dem RGZM im Foto links: Das Richtkranz-Hissen am neuen RGZM beobachtet das Quintett mit Freude: Oberbürgermeister Michael Ebling, Leibniz-Vizepräsidentin Dr. Katrin BöhningGaese, RGZM-Direktorin Dr. Alexandra Busch, Minister Professor Dr. Konrad Wolf und Ministerin Doris Ahnen (von links).

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Neubau zur Verfügung stehen für archäologische Spitzenforschung, für Dauer-Ausstellung, Sonderschau und Vortragssaal. Forschungslabore und Werkstätten sowie die wissenschaftliche Bibliothek finden Raum. Das Publikum bekommt neben dem Museums-Shop ein Bistro. Das Richtfest des 51,4 MillionenLeuchtturm-Projekts mit internationaler Strahlkraft wird als „Meilenstein“ für Stadt und Land, für Wissenschaft, Forschung und die Museumskultur gefeiert. Für Finanz- und Bauministerin Doris Ahnen entspricht der „repräsentative Ort“ dem weltweiten Ansehen des RGZM. „Ein Stück Zukunft wird hier gebaut mit starker Bedeutung“, sieht Professor Dr. Konrad Wolf als Wissenschaftsminister neue Perspektiven für Forschung und Wissensvermittlung. Das „Schaufenster archäologischer Forschung“ suche „den Dialog mit der Gesellschaft“; kündigte Dr. Katrin Böhning-Gaese als Vizepräsidentin der Leibniz-Gesellschaft an. RGZMDirektorin Dr. Alexandra Busch sieht den Neubau als „Quantensprung“ mit „optimalen Bedingungen für Forschung und die internationale Positionierung“ an. „Erfahrungsräume“ bieten an, „kulturelles Erbe als Ressource für das Leben in der Gegenwart zu begreifen.“ OB Michael Ebling zeigte sich stolz auf die neue Heimstatt des Museums, das Mainz als einen der bedeutendsten Standorte in Rhein-Main zeige.

Der Raumplan an der noch unverputzten Wand machte neugierig auf das neue RGZM-Domizil, das voraussichtlich 2020 eingeweiht wird.

15 Personen eine Führung durch die RGZM-Werkstätten geboten. Anmeldung unter service@rgzm.de Um den „Tassilo-Kelch“ geht es am 16. September im Vortragssaal des RGZM im Kurfürstlichen Schloß. Mitten in der ersten Themenwoche startet die Reihe „After work im Museum“ (jeweils 18 bis 21 Uhr) mit Kurzführungen. Der Auftakt am 13. September befaßt sich unter dem Titel „Federleicht und doch robust“ mit der Konservierung archäologischer Holzobjekte. Am 4. Oktober geht es um „zarte

Spuren vom großen Ganzen“ der Mainzer Schiffs-Wracks. „Eine Hand wäscht die andere“ heißt es am 8. November, wenn es um Spuren geht an einem römischen Handwaschgeschirr. Am Nikolaustag (6. Dezember) wird ein römischer Frachter virtuell „wiederbelebt“. Das Mainzer Weinhaus Michel steuert edle Tropfen im Glas bei und „Rheinhessen-Tapas“. www.rgzm.de Text und Fotos: Gesine Werner

Ein Blick hinter die Kulissen zeigt die diffizile Arbeit in der „Scherbenwerkstatt”.

Themenwochen im RGZM Neben der „Zukunftsmusik“ hat das RGZM selbstredend auch in der Gegenwart viel Interessantes zu bieten. „Was erzählt uns Kulturgut?“ ist der vielsagende Titel der aktuellen Themenwochen „Restaurierung am RGZM“, mit denen sich das LeibnizForschungszentrum am Europäischen Kulturerbejahr 2018 beteiligt. Die Themenwochen vom 10. bis 16. September und vom 5. bis 11. November bieten neben Vorträgen einen Familiensonntag mit Kinderwerkstatt („Von Holzwürmern und Bohrlöchern“ am 11. November) und den spannenden Blick „hinter die Kulissen“. Um die „Schöninger Speere“ als älteste Langwaffen der Menschheit geht es am 10. September im Kurfürstlichen Schloß. „Der Blick in die Fibel“ wird am 11. September mittels 3-D-Röntgentechnik geworfen. Am 12. September wird WIESBADENER

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KULTUR

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BEGEGNUNGEN IM MÄRCHENLAND

Museum im Weheoch bis zum 14. Oktober zeigt das Wiesbadener Künstner Schloß Taunusstein Bilder der , Kurator der Auslerin Anna Bieler. Harald Lubasch nicht nur Regionalgeschichte stellung, möchte in seinem Haus aktuelle Kunst aus der im oberen Stockwerk, sondern auch ling und Mireille Jautz Feh Region präsentieren. Nach Nicole glied, das mit seinen -Mit BBK te ist Anna Bieler nun das drit st anregen möchte. Werken zum Nachdenken über Kun

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m Miteinander, vom MenschDie Ausstellung trägt den Titel „Vo Dr.Jennifer John (KunsthisSein” – ein Zitat aus einer Rede, die seröffnung von Anna Bieler ung torikerin) anlässlich einer Ausstell geht ums Werden und Verin Schierstein 2013 gehalten hat. Es das Leben, die Liebe, Erotik gehen, Wünsche, Freuden, Ängste, Ölbilder… zeigen Figuren und den Tod: „Ihre großformatigen den Farben und Formen. und Fantasiewesen in klaren, leuchten st. Diese Begegnungen selb sich Sie begegnen uns, einander und von unserenIII/2018 sch-Sein undWIESBADENER erzählen vom Miteinander, vom Men Doch wie die Bilder über die Wünschen, Freuden und Ängsten.


KULTUR

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KREATIVES

tvoll, zärtlich und heiter.” Liebe sind auch die über den Tod kraf ihre persönliche Einschätzung, Das Thema wird die Künstlerin, so ihr an dem Titel gut gefällt, ist die auch in Zukunft beschäftigen. Was natürlich auch negativ besetzt, positive Aussage – Mensch-Sein ist h eher etwas Aufbauendes. Geaber das Miteinander impliziert doc diesen, in denen wir von so viel wie nau daran ist ihr gerade in Zeiten n (Nationalismus, Rassismus, abstoßendem menschlichem Verhalte n sind, sehr gelegen. Dabei beKrieg, Diskriminierung etc.) umgebe wie vor mit dem eher hintergrünschäftigt sie sich in ihrer Kunst nach Dunkles, aber auch Helles und digen Mensch-Sein, dort, wo etwas Liebevolles zu finden ist. Kraft der Farben und die faDas Geheimnis ihrer Kunstwerke: die ern in Erscheinung treten. „Ich belhaften Wesen, welche in den Bild ste Weise wahr”: In Anna Bielers nehme die Realität auf verschieden erer und innerer Welt real. Auf Bildern wird der Bezug zwischen äuß chiedene Figuren – Menschen, vers so der Bildfläche begegnen sich chenhaften Handlung zu stamTiere, Mischwesen, die aus einer mär bleibt in einer traumhaften Schwemen scheinen. Doch alle und alles wenige Anknüpfungspunkte be, so dass es für den Betrachter nur sseln. Aber gibt es überhaupt gibt, um die Geschichte zu entschlü mehr den Betrachter dazu viel t eine, oder sollen die Szenen nich Der Kurator der Ausstellung sen? ulas einz verführen, sich auf Neues fest: „in gewisser Weise und stellt am Ende seiner Eröffnungsrede immt, das Unbestimmte eben.” irgendwie ist hier wohl nur eins best Foto, links oben: Meine schöne Kugel cm 2018, Öl auf Leinwand, 110×140 Foto, rechts oben: Wenn ich fliege, sehe ich mehr! cm 2018, Öl auf Leinwand, 100×130

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e ich an etwas „Wenn ich ein Bild male, versuch s zu komielle ganz Ursprüngliches, Existenz men.” niki (GrieAnna Bieler wurde 1968 in Thessalo fünf Jahre en erst die sie wo , oren chenland) geb m Aufenthalt ihrer Kindheit verbrachte. Nach eine 1982 in bis in Deutschland lebte sie von 1977 chst für zunä st Kun sie Lissabon. Später studierte n und nne en/A Witt in itut ein Jahr am Waldorf-Inst uten es-G ann Joh der an ung zieh danach Kunster an sie te hsel berg-Universität in Mainz. Dort wec ihr Studium sie der an , mie ade stak Kun e die Frei hloss. Heute absc om im Jahre 1997 mit einem Dipl in in Wiesstler Kün e fend arbeitet sie als freischaf m Mann ihre mit lebt und l uga baden und Südport nprojekt in und ihren zwei Kindern in einem Woh www.annabieler.de Wiesbaden. WIESBADENER 29


KULTOUREN

So bleibt der unnachahmliche Universalkünstler in Erinnerung – das „Spielkind“ Zygmunt Apostol beim Fest des Stadtarchivs Wiesbaden in Aktion.

Die Bronzeplakette der Good Neighbors Wiesbaden erinnert am Eckhaus Taunusstraße / Geisberg an das Hauptquartier der Berliner Luftbrücke von General William Tunner in der ersten Etage.

Ein vielsaitiges „Spielkind” und universalkünstlerisches Urgestein hat die Bühne gewechselt...

Wiesbaden bei der Berliner Luftbrücke „das Herz Deutschlands”

Zygmunt Apostol, der geniale Allrounder der buchstäblich „guten alten Schule” von Qualität hat die Bühne gewechselt. Jetzt treffen sich die beiden unvergeßlichen „Sunnyboys” Wolfgang Ziemssen & Zyggi Apostol bestimmt auf Wolke 13 und baldowern himmlische Auftritte aus... „Ihr naht Euch wieder, schwankende Gestalten...” Mit seiner hinreißend und fast szenisch gesprochenen „Zueignung” von Goethes Faust I zog Zyggi bei der „theatralen Reise” von Regisseur Tilman Gersch im Generationen überschreitenden Gesamtkunstwerk „faust2beckmann” im Museum Wiesbaden in den Bann. Nicht zu zählen sind die Erfolge des beliebten Allrounders, der seit 1980 am Wiesbadener Musentempel brillierte, auch in Italien und am Aalto Theater Essen (!) in Ben van Couwenberghs Dauerbrenner „La vie en rose”. Das universalkünstlerische und preisgekrönte „Spielkind” aus Kattowitz war ein einzigartiger Musiker, Komponist, Schauspieler, Entertainer und Maler. Die Theaterlegende Apostol hatte, eingebunden in das Oral history-Projekt „Erlebte Geschichte & Geschichten”, beim Stadtarchiv-Fest mit Loriot und seinen unnachahmlich charmanten „Kreuzberger Nächten” von den Stühlen gerissen. Zum 85. Wiegenfest war der begnadete Künstler mit einem „Künstlerkaffee” vom Ensemble und Publikum ausdauernd gefeiert worden. Kulturdezernentin Rose-Lore Scholz gratulierte für den Magistrat. Der kollegiale „Zeremonienmeister” Uwe Kraus überraschte das Geburtstagskind mit einer Depesche des polnischen Künstlerverbandes. Historische Filmschnipsel und Kompositionen aus Zyggis Feder sorgten für Begeisterung. Aus dem Opernensemble brachten Aldomir Mollov, Marek Markisz, Slawomir Wielgus & Michaela Wielgus ein polnisches Ständchen. Kollegin Rosi Schubert gratulierte mit Willem Busch. Kollege Gottfried Herbe zelebrierte noch einmal ein Insider-Ritual mit dem Jubilar. Eine „angeschickerte” Sopranistin Annette Luig betörte, von Tastenlöwe Benjamin Schneider „wohltemperiert” unterstützt, das Geburtstagskind. Zyggi Apostol kam nicht ohne heftig erklatschte Zugaben von der Bühne. Mit gebührend „großem Bahnhof” wurde der Unvergeßliche auf dem Nordfriedhof zur letzten Ruhe begleitet. Text und Foto: Gesine Werner 30

Stell Dir vor, es ist 70. Jahrestag der Berliner Luftbrücke und in Wiesbaden – damals Drehscheibe der gigantischen Hilfsaktion – ist von dem Jubiläum nichts zu sehen. Das Goldjubiläum der „Operation Vittles” war in Wiesbaden am 4. Juli 1998 mit einem deutsch-amerikanischen Freundschaftsfest auf dem Airfield Erbenheim mit „großem Bahnhof” und einer Riege vitaler Big-Lift-Legenden gefeiert worden. Die Wiesbaden Association of good neighbours enthüllte am Haus Taunusstraße 11, früher Hotel Hamburger Hof, eine Ehrentafel. Die Bronzeplatte erinnert an das Hauptquartier des Big Lift unter US-General William „Tonnage” Tunner vom Juni 1948 – September 1949. „Willie the whip“ (die Peitsche) trimmte die gigantische Hilfsaktion auf Erfolg. Die „Lastesel der Lüfte“ versorgten in 277.364 gefährlichen Flügen - zeitweise im Minutentakt – mehr als 2 Millionen Menschen tonnenweise mit Lebensmitteln und Kohlen. „Unsere wichtigste Ladung war die Hoffnung“, betonte Oberst i. R. Gail S. Halvorsen, der legendäre „Candy-Pilot“. Zum 60. Jahrestag des Luftbrücke-Starts hatte die Stadt in ihrer Ausstellung „60 Jahre Berliner Luftbrücke – Wiesbaden als Zentrale des „Big Lift“ (im Kurhaus und im Rathaus) die Bedeutung der „Combined Airlift Task Force“ gewürdigt. Auf den Tag genau 45 Jahre nach US-Präsident Kennedy trugen sich die rüstigen „Helden der Humanität“ in das Goldene Buch ein. OB Dr. Helmut Müller hatte zu ihren Ehren die Amtskette angelegt. Am 29. Juni 2008 konnte die Bevölkerung beim „Tag der offenen Tür“ der US-Garnison Wiesbaden auf dem Airfield Erbenheim (dem historischen Ort) historische „Rosinenbomber“ wie das fliegende Museum „Spirit of Freedom“ (Douglas C-54E) und modernes Fluggerät bestaunen. Noch einmal waren Big Lift-Veteranen wie Bill Morrissey und Johnny Macia in schwarzer Pilotenjacke mit dem Aufdruck „Big Airlift – Blockade-Buster“ begehrte Helden zum Anfassen. Allen voran natürlich der legendäre „Onkel Wackelflügel“ Gail S. Halvorsen, Bundesverdienstkreuzträger und mit dem hessischen Verdienstorden gewürdigt. Dr. Earl Moore betonte als Präsident der Veteranenvereinigung Big Lift, Wiesbaden sei „Herz und Seele Deutschlands“. Er bekannte wie einst JFK: „Ich bin ein Wiesbadener!“ Auch 70 Jahre nach der Berliner Luftbrücke ist die heroische Hilfsaktion in Wiesbaden fernab „offizieller“ Feiern nicht vergessen. Text und Foto: Gesine Werner WIESBADENER

III/2018


KULTOUREN

Beim Biebricher Höfefest ging es im Lilien-Palais mit „JazzConnection” tüchtig zur Sache: Meisterpianist Jo Flinner, Profidrummer Wahan Cherbettchian und Samtstimme Jill Gaylord frönten der Devise: „Jazz geht´s los!”

Jazziges Sternstündlein im Lilien-Palais Jazz geht´s los! Eine prima Devise, die sich LilienPalais-Chef Harald Kauth beim Biebricher Höfefest erfolgreich auf´s Panier geschrieben hatte. Der neue Pächter im denkmalgeschützten TVB-Gebäude setzt auf Qualität. Die ist dem Teamplayer wichtig – ob bei seinem versierten Koch Hans-Martin Kaiser, dem charmanten Service-Duo Anett Maiwald & Jaqueline Golz oder bei den Gastspielen. Wer bei der „Jazz Connection“ nicht mitgroovt, muß noch geboren werden, der Mitwipp-Faktor ist enorm. Schon in den Neunzigern wurde ein Gastspiel bei „Jazz im Hof“ von den Fans bejubelt. Der Sound von Jazz Connection mit gekonnten Versionen von Gospel, Swing, Latin bis zu Filmmusik & Musical schmeichelt sich in die Gehörgänge und läßt an klanglicher Delikatesse keinen Wunsch offen. Mal sind sie ganz Swing, mal verführt ihr hinreißendes Cantalupe Island zum Träumen. Die frische Spiellust läßt den Funken überspringen. Das Publikum spendiert Szenenapplaus. Die Vier-Oktaven-Röhre Jill Gaylord hat die Stimmbänder frisch geölt und betörte mit samtigem Soul, Scatgesang oder dem verjazztem Musical „Old devil moon“. Und die „Route 66“ führt „von Frankfurt nach Rüdesheim“. Mit dem renommierten Tastenkneter Jo Flinner am Piano gab sich ein bestens disponierter Hochkaräter die Ehre, der souverän auch als Solist brilliert. Der Vielseitigkeits-Maestro komplettierte über lange Jahre das Emil Mangelsdorff-Quartett und ist mit Jill Gaylord auch in der Formation „JazzIQBeats“ verbunden. Als unverzichtbarer Mann am Baß ist Tobias Jung perfekt besetzt. Woher der Trommelwirbel seinen Namen hat, läßt Wahan Cherbettchian als Herr der fliegenden Schlägel auf Trommeln und Becken hören. Der Armenier aus Bulgarien ist als Zeitzeuge in das Oral historyProjekt „Erlebte Geschichte & Geschichten“ des Stadtarchiv-Fördervereins eingebunden. Die spürbar gut aufeinander eingepegelte Combo ist am 30. September wieder im Lilien-Palais zu erleben.

Text und Foto: Gesine Werner

III/2018

Mit „Fiddle and Feet” Morsezeichen an Mutter Erde klackern „Klicke-di-klack“. Wenn Natalie Westerdale mit wirbelnden Füßen „Morsezeichen an die Erde“ gibt, bebt die Bühne. „Irish Coffee“ mit geschwungenen Hufen. Die Augen kommen beim Stakkato der Schrittkombinationen kaum noch mit. Graziöse Haltung und kraftvolle Beinarbeit, so schnell die Füße schlagen sind Markenzeichen der stilistisch vielseitigen Step-Tänzerin aus Leidenschaft. „Fiddle & Feet“, die School of Dancing von Natalie Westerdale & Tanja Cibuski, begeistert am Standort in der Dantestraße 1, wo im Studio für Steptanz die Kurse ihren furiosen Auftritt bei der 43. Rheingauer Weinwoche auf der Rathausbühne vorbereitet haben. Jetzt steht „Wiesbaden tanzt“ vor der Tür. Am 22. September heißt es bei „Wiesbaden tanzt“ im LuisenForum „Stepdance querbeet“ zu Musik von Annie Lennox, Herbie Hancock oder Queen. Steppen ist was für Junge und Junggebliebene. Immer schön locker aus den Knöcheln heraus - auch im historischer Stil „Sean nos“ und Jazz-Tap. Mit Lovis Hauck bildet Nat Westerdale jetzt ein Stepdance-Duo. „Shufflescuff“ feiert Premiere bei „Wiesbaden tanzt“ am 21. 9. mit „Scotch 4“. Die Lifeband von Fiddler Edward Westerdale & Bassist Martin Bauer fliegt Craig Herbertson aus Edinburgh ein. Am 22.9. lädt „Scotch4“ zum fröhlich bunten Céili-Evening ins Stepdancestudio ein. Am 30.November gastiert „Scotch4“ auf der Whiskymesse im Frankfurter Palmengarten und mischt das Jubiläums-Galadinner der 20. Inter-Whisky auf. Im Tanzstudio „Fiddle & Feet“ hat das Nesthäkchen mit 3 Jahren angefangen, die Grand Dame schultert 70 Lenze. Zu den rund 90 Steptänzerinnen haben sich einige Tänzer getraut. Nat Westerdale hat bei Legenden wie Ira Bernstein, Chuck Green und Regan Wick studiert, schult als Senior Instructor der Irish National Folk Company Dublin in der hohen Kunst der Percussion. „Heute wird beim Stepdance über den Tellerrand geguckt und Elemente von Hiphop, Ballett, Bollywood und Modern Dance sind kein Tabu mehr.“ www.fiddle-and-feet.de

www.wahan.de www.jazziq.de

WIESBADENER

„Fiddle & Feet”: Stepdance-Virtuosin Natalie Westerdale klackert rasant mit den Hufen, es können geschnürte Softshoes, Hard Shoes, English Clogs oder American Softshoes sein.

Text und Foto: Gesine Werner

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KULTOUREN

Ungewöhnliche An-Sichten: Wie der Fotografenmeister Michael Lebed aus St. Petersburg die hessische Landeshauptstadt sieht, zeigte der Wahlwiesbadener im Rathaus-Foyer.

Fotogräfliche Ansichten der Stadt auf die kreative Tour Michael Lebeds Bilder strahlen Seele aus. Ob Porträt oder Alltagsimpression, ob „der Schweiger“ vor dem Nassauer Landesdom, Bahnhofsvorplatz oder Sitzbänke in der Kurparkmuschel - ein nostalgischer Hauch umweht jedes Motiv. Seine Werke waren schon in der „Galerie Vitkovsky Art“ San Francisco zu sehen. Beim russischen Künstlermarkt auf dem Neroberg war der Fotografenmeister mehrmals prominent vertreten. Gerade hat der Semi-Finalist der Hasselblad-Masters mit einer Soloschau unter dem schlichten Titel „Wiesbaden“ die beiden Flügel des Rathaus-Foyers bespielt. Edle Schwarzweißfotografie wie sein geheimnisvoll wirkendes Bildnis der nebelverhangenen Marktsäule traf in Farbe auf die ungewöhnliche Perspektive der russischen Goldkuppelkapelle auf dem Neroberg. Der Wahlwiesbadener hat einen ganz eigenen Blick auf Motive der hessischen Landeshauptstadt, die so viele Verbindungen zu Russland hat. Michael Lebed, der „Schwan-Fotograf“, ist die personifizierte Brücke St. Petersburg – Wiesbaden und konnte beim Interkulturellen Salon am Samowar „Hessischer Löwe trifft Russischen Bär“ ebensolchen Publikumserfolg feiern wie beim Theatrium. Der sensible Künstler mit dem Faible für „Antiquarisches“ – wie sein Studio in einer früheren Backstube in der Müllerstraße zeigt - ist ein buchstäblich „ausgezeichneter“ Fotografenmeister der alten Schule. Der Ingenieurssohn wollte Maler werden, seinen märchenhaft verwunschenen „Fotogemälden“ ist es anzusehen. Der ausgebildete Röntgen-Assistent sattelte eine fotografische Lehre drauf samt höchstmöglichem Abschluß mit dem „roten“ Diplom. Dreißig Jahre lange Tätigkeit im renommierten Studio Nr. 1, dem heutigen Karl Bulla-Fotostudio und Museum am Newskij Prospekt, brachten dem Chef von 30 Fachleuten Anerkennung. Für antikommunistische Äußerungen bestraft, siedelte Michael Lebed nach Deutschland über. Sogar eine zweite, deutsche Ausbildung absolvierte der Lichtbild-Meister, der die klassische Studio-Fotografie in schwarz-weiß bevorzugt und ein exzellentes Auge für das Ungewöhnliche im Gewöhnlichen hat. Die hohe Kunst der exquisiten Momentaufnahme. www.lebed-fotografie.de 32

Text und Foto: Gesine Werner

Hausherrin Mary-Lou Sullivan-Delcroix und Konzertpianist Wolfgang Stifter im HinterhofPalazzo, dem Domizil der „Werkstatt für Gesang, Spiel und Sprache“ im Westend.

Ein feuerspeiender Hermelinbär und der mozärtliche Gottfried von Einem im HinterhofPalazzo Der „feuerspeiende Hermelinbär” kommt ins Westend. Wenn ein mozärtlicher Puccini auf Verdi und Schubert und Alma Mahler trifft, wird eine spartenverbindende Serenade für Gottfried von Einem zum 100. Geburtstag daraus. Am 10. und am 11. November geht ein Sternstündlein mit Musik und Lesung über die Bühne des HinterhofPalazzos. Konzertpianistin Sigrid Jennes-Müller und Mary Lou Sullivan-Delcroix präsentieren Lieder des Geburtstagskindes „und von Komponisten, die er schätzte“, kündigt Hausherrin Mary Lou an. „Alma Mahler schenkte ihm in New York die Partitur von Mahlers 10. Sinfonie.“ Auch Publikumsliebling Gottfried Herbe ist mit von der Partie. Der Theaterschauspieler wird aus der Autobiographie seines Vornamensvetters lesen:„Ich habe viel erlebt“. Mit dem Jubilieren der beliebten Vielsaitigkeits-Sopranistin Sullivan-Delcroix geht es bis zum Jahresende munter weiter. Ihre 1983 gegründete „Werkstatt für Gesang, Spiel und Sprache“ im Hinterhof-Palazzo ist eine bundesweit einzigartige „Instution“ und besteht Anno 2018 runde 35 Jahre. Bei der Musical-Time im gut besuchten HinterhofPalazzo hieß es „Operette sich, wer kann.“ Bei den Kulturtagen Westend kletterte das geneigte Publikum voll Begeisterung „A stairway to paradise“ empor. Ein besonderes Hörvergnügen bereitete Konzertpianist Wolfgang Stifter. „Carmen geht zum Maskenball“, als in der Regie von Michael Delcroix die neue Produktion der Opernklasse Premiere feierte. In der kleinen Sonntags-Gala zum Jubiläum am 30. September (17 Uhr) geht es um „love-duets and other songs“, wenn die Hausherrin Mary-Lou Sullivan mit dem Tenor Christopher Patrick Ryan und Konzertpianist Wolfgang Stifter im HinterhofPalazzo das Publikum wie gehabt mit glockenhell ausdruckstarker Stimme und charismatischer Präsenz bezaubern wird. Zum Vormerken: Am 18. Dezember wird die beliebte Tradition des „Chrismas Caroling“ wieder gepflegt. Rentier Rudolf mit der roten Nase ist auch dabei. Info: www.hinterhof-palazzo.de Text und Foto: Gesine Werner WIESBADENER

III/2018


KULTOUREN

Der US-Künstler Joseph Marioni (rechts) erklärt Kurator Dr. Jörg Daur (links) im Museum Wiesbaden das Konzept des „radical paintings”.

Wie das Licht die Farbe zum Leuchten bringt - Museum Wiesbaden zeigt „Liguid Light” und weiht die neue Treppe ein Das Museum Wiesbaden lädt mit frei gelegten Kolonnaden und verbreiterter Freitreppe ein. Goethe hat auf seinem alten Stammplatz direkt vor dem Eingangsportal alles im Auge. Drinnen geht es um das „fließende Licht” der Farbe: Eine große Fläche in dunkelblau, oder doch eher dunkelgrün, die wie ein Sog in ihr Zentrum hineinzieht und mehrere Farbschichten offenbart. Ausgefranste Ränder, dicke Schlieren und satte Farbnasen im Wechsel mit kleinen Inseln durchscheinender Leinwand. „Spezial Effekte” lohnen genaues Hinsehen und variieren je nach Tageszeit und Lichteinfall. Der US-Künstler Joseph Marioni zeigt „Liquid Light” und bietet einen speziellen Bezug zum Wiesbadener Haus. Der international renommierte führende Vertreter des „radical paintings” widmet die Schau seinem Patenonkel Walter I. Farmer. Captain Farmer war Gründungsdirektor des Central Collection Points CCP der „Monuments Men” und verhinderte mit dem „Wiesbadener Manifest” die Reparation durch Beutekunst! Hat das Bild nun einen Rahmen oder ist der „Rahmen” in das Bild selbst gemalt? Jedenfalls liegt „in der Architektur der gemalten Farbschichten” wie „eingeschlossen das Licht.” Für den international renommierten Maler aus Cincinnati ist es die erste Retrospektive in Europa. Die Zeitreise führt in die Siebziger Jahre und befragt die eigene Zunft: „Wo steht der Maler nach Erfindung der Fotografie? Die Antwort darauf findet sich im intimen Verhältnis zur Farbe, das im Prozeß des Malens... das Geheimnis ergründet, wie Farbe das Licht zum Leuchten bringen kann.” Der 75Jährige Vertreter des „radical paintigs” hat die ausgefeilte Hängung der Bilder persönlich konzipiert. Das „Fließende Licht” ist bis zum 14. Oktober zu sehen. Text und Foto: Gesine Werner

Jubiläum der Freimaurerloge Plato im Schloß Biebrich mit Ortsvorsteher Wolfgang Nickel, Staatsminister Professor Alexander Lorz, Altstuhlmeister Dieter Börgers, Plato-Stuhlmeister Richard F. Lewinsky, Parlaments-Chefin Christa Gabriel, Stadtrat Axel Imholz, MdL Horst Klee, Professor Klaus Horneffer und Dr. Lutz Hausberg (von links).

Freimaurer-Loge Plato feierte als ältester Verein 240. Geburtstag sein Jubiläum im Schloß Was heißt hier „Geheimbund“?. Goethe, Heine, Lessing, Mozart, Puschkin und US-Präsident Washington gehörten zu einer „Bauhütte“, auch Kaiser Wilhelm I. und Badearzt Dr. Wilhelm Zais. Mehr als 50 Freimaurer ehrt Wiesbaden mit Straßennamen. Mit dem hochkarätig besetzten Neujahrsempfang am Johannistag feierte die Freimaurerloge „Plato zur beständigen Einigkeit“ als ältester aktiver Verein in Wiesbaden ihren 240. Geburtstag im Schloß Biebrich. ParlamentsVorsteherin Christa Gabriel war zu Gast. Professor Klaus Horneffer, Alt-Großmeister der Vereinigten Großlogen von Deutschland, kam ebenso wie Michael Volkwein, Distriktmeister Hessen-Thüringen, nach Wiesbaden. Brüder aus Amersfoort, Wien, Airdrie und der Partnerstadt Görlitz reisten an. Der Magistrat wurde von Stadtrat Axel Imholz vertreten, Kultusminister Professor Dr. Alexander Lorz widmete sich der Festrede. Alt-Distriktmeister Dr. Lutz Hausberg skizzierte die Logenhistorie der Wiesbadener Mutterloge Plato, die soziales Engagement mit hanseatischer Noblesse eher im Verborgenen pflegt. Die Hempelstiftung wird als älteste Wiesbadener Stiftung vom Stuhlmeister und dem jeweils amtierenden OB mit geleitet. Sie fördert die WMK seit Jahrzehnten mit hohen Beträgen. Angehörige der Weltreligionen sind unter den 63 Brüdern. Ob Handwerker, Akademiker, Künstler, Hotelier, Kaufmann oder Bauunternehmer. Sie bauen am „Tempel der Humanität“ getreu der Devise „Erkenne Dich selbst“. Die Geschichte der „brüderlich verbunden Menschen“ in Wiesbaden begann am 6. August 1778 auf Schloß Biebrich mit Gründung der Loge „Zur beständigen Einigkeit“. Mitbegründer war Carl Wilhelm, Regierender Fürst zu Nassau-Saarbrücken-Usingen, der fünf Jahre als Stuhlmeister amtierte. Im Jubiläumsjahr 2018 wurde Richard F. Lewinsky Meister vom Stuhl. Altstuhlmeister Dieter Börgers übergab den Hammer und versichert: „Wir sind eine Freimaurerloge mit Zukunft.“ www.plato-wiesbaden.de Text und Foto: Gesine Werner

WIESBADENER

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KULTUR

&

KREATIVES

Das Hessische Staatsballett punktet mit dem Doppel-Abend „Kreationen” von Alejandro Cerrudo und Jeroen Verbruggen auf höchstem Niveau.

Der triadische Impetus von Don Carlo bei Romeo & Julia auf Kloster Eberbach Theaterdonner auf den Brettern in Wiesbaden, Darmstadt und Mainz „Wie Shakespeare zu Romeo & Julia kam“ legte ein Kabinettstückchen in Wiesbaden offen. Schauspielerin Chris Pichler betörte mit szenischer Rezitation und erntete vom Premierenpublikum ihres „Making of“ standing ovations. Mit brillantem Spiel erntete das Bläserensemble des Hessischen Staatsorchesters Szenenapplaus. Das Sternstündlein ruft nach Wiederholung. „Es eifre Jeder seiner unbestochnen von Vorurteilen freien Liebe nach!“ Von wegen. In Nicolas Briegers Sicht ist aus Lessings zeitlos brisanter Toleranzforderung ein „Nathan der Laute“ geworden. Im Parkett raunt es „ziemlich laut und hektisch“ - nicht gemünzt auf den arg langen Einstieg mit Gebärdensprache, Detonation, Schlachtenrauch, Trümmerfeld. Tom „Nathan“ Gerber, „Sultan“ Hanno Friedrich, „Recha“ Mira Benser „Sittah“ Evelyn Faber und „Tempelherr“ Maximilian Pulst überzeugen als 34 In Nicolas Briegers lautstark

inszeniertem „Nathan der Weise” demonstriert Uwe Kraus als Patriarch auf speziellem Thron sein Diktum: „Religion ist auch Partei”.

Ensemble. „Patriarch“ Uwe Kraus thront auf der Latrine und eifert „Religion ist auch Partei“. Das Hessische Staatsballett ist in Wiesbaden und Darmstadt zum Niederknien. Mit „Fake“ als „Tanzstück für Jugendliche & ihre Fans“, legte Ballettchef Tim Plegge eine umjubelte Punktlandung hin. Jungs und Mädels als Pubertiere. Rollen-Spiele auf die pfiffige Tour. „Too real to be fake!“ Klara ist elf, will „in jede Vorstellung gehen”. Frido ist neun: „Es fehlt die Zugabe!” Hochkarätig sehenswert ist der doppelte Ballettabend „Kreationen” mit szenisch relevanten Luftballons vor und um eine riesige Wand. Alejandro Cerrudo findet für „Now and Then” eindrückliche Bilder mit LED-Leuchten, zerplatzten Ballons und Chaplins „Great Dictator”, der zum „Kampf für eine freie Welt” aufruft. „Eigentlich sind wir alle Clowns.” Poetische WIESBADENER

III/2018


KULTUR

&

KREATIVES

Miknevicute zur Seite, exzellent auch Brett Carter, Derrick Ballard und Stephan Bootz.

„Wie Shakespeare zu Romeo & Julia kam” führte Schauspielerin Chris Pichler mit dem Bläserensemble des hessischen Staatsorchesters vor. Ein Sternstündlein mit Suchtfaktor.

Sinnlichkeit, Plüschbär und Marilyn Monroe. Der „Neo-Klassiker” Jeroen Verbruggens provoziert zu genauem Hinsehen mit „The great Trust” in einer abgeranzten Manege. Faszinierend. Knallvolles Großes Haus, endlose standing ovations und strahlende Gesichter auf beiden Seiten des Vorhangs: Mit dem „Triadischen Ballett” von Oskar Schlemmer in der Choreographie von Gerhard Bohner aus dem Jahr 1977 und neuer Musik von Hans-Joachim Hespos gastierte ein spektakulärer

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III/2018

Geniestreich in Wiesbaden. Metall, Pappe, Gummi, Kugelhände und „der Abstrakte”. Suggestion pur.

Blick nach Mainz

Mainz hat die Zeichen der Zeit erkannt und setzt auf Frauenpower in der Opernregie. Elisabeth Stöppler findet packende Bilder (Bühne Hermann Feuchter, Kostüme Su Sigmund) für Giuseppe Verdis „Don Carlo“, von GMD Hermann Bäumer und dem Orchester klangvoll unterstützt. Titelheld Philippe Do (etwas höhenunsicher) hat die glockenhelle Sopranistin Vida

Katrin Sedlbauer punktet mit ihrer Sicht von Mozarts „La clemenza di Tito“ (vom Stamme Bürohengst) weniger szenisch als musikalisch. Dirigent Samuel Hogarth und das brillierende Orchester (Klarinette!) sind die halbe Miete. Nadja Stefanoff, Steven Ebel, Alexandra Samouilidou, Stefan Boost überzeugen, Geneviéve Kings „Sesto“ wirkt in Maske und Kostüm wie eine Karikatur. „Bella ciao“, Partisanenhymne und neuer Popsong, irritiert. Ungezogener Jesusbub, vielbrüstige Hexe von Ensor, Popcorn knabbernde Teufel, Prophet im Zottelpelz: Ein Farbenrausch für Auge und Ohr ist Lydia Steiers „Faust“-nominiertes Händel-Oratorium „Saul“. Ein Opernkrimi mit barocker Pracht (Katharina Schlipf & Ursula Kudma) als „OldenburgImport“. Dirigent Andreas Sperling setzt auf historische Praxis und den Klasse-Chor. Marie-Christine

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KULTUR

&

KREATIVES

Wie Sisyphos am Berg mäandernd zieht das Ensemble mit „Impetus” von Guy Nader & Maria Campos magisch in den Bann.

Haase, Dorin Rahardja, Alin Deleanu, Steven Ebel und Alexander Spemann begeistern. Große Oper, großer Applaus. Mainz kann spektakulären Tanz. „Soul Chain“ von Sharon Eyal & Ori Lichtik packt von der ersten Sekunde, macht 55 Minuten auf Zehenspitzen im „Releve“ atemlos, wirkt nach. Intendant Müller bekennt nach der Derniére „einen Kloß im Hals“. Für das Tanzprojekt „small places“ von Guy Weizman & Roni Haver hat Tanzmainz die (Rhein-)Seiten gewechselt, um „neuen Tanz in al-

ten Mauern“ auf Kloster Eberbach im Rheingau zu zeigen. Da capo! Hypnotisierend, meditativ, akrobatisch fesselt „Impetus“ von Guy Nader & Maria Campos. Entkommen aus dem magischen Sog is nich. Für „Fall Seven Times“ FAUST-preisgekrönt, setzt die Truppe die Schwerkraft außer Gefecht, wird Sisyphos & EndlosPendel. Grandios! Chapeau! Hebbels „Nibelungen“ als faszinierender Gauklerstreich von Jan-Christoph Gockel mit den (Riesen-)Puppen von Michael Pietsch als Erzähler – schon auf

Berührende (Tanz-)Installationen des Ensembles gingen bei „small places” im Kloster Eberbach unter die Haut.

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dem Platz. Henner Momann, Sebastian Brandes, Leonie Schulz, Monika Dortschy, Anika Baumann, die Nornen Armin Dillenberger, Martin Herrmann, Johannes Schmidt & „Siegfried“ Nicolas Fethi Türksever kriegen Riesenbeifall und ein verirrtes „Buh“. Commedia, Pantomime Stummfilmpathos, Slapstick & Nicolas Fethi Türksever als „King of Treppensturz“ amüsieren in Christoph Fricks Tempo-Version von Moliéres „Tartuffe“, bei Murat Yeginer ein köstliches Schlitzohr. Herrlich. Text und Fotos: Gesine Werner

Jan Christoph Gockels furioses Spektakel um die „Nibelungen” zieht mit den Puppen von Michael Pietsch schon auf dem Mainzer Theaterplatz in den Bann.

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III/2018


KULTUR

&

KREATIVES

„Für mich ist 2018 das Jahr der Ahnen.“ Susanne Hake, Maestra of Fine Arts, hervorragend qualifizierte TV-Regisseurin („Callboy“/„Der Dicke“) und Drehbuchautorin, die mit ihrem Sachbuch „Selbstmarketing für Schüchterne“ Furore macht und ein ganzheitliches Beratungsund Coaching-Programm entwickelt hat, spürt ihren Vorfahren nach. Susanne Hake ist die Urenkelin von August Kortheuer, dem letzten nassauischen Landesbischof aus dem Kolonialwarenladen in der Nerostraße, der in der Bekennenden Kirche wirkte und von den Nazis aus dem Amt gedrängt wurde (wir berichteten). Wegen Großvaters nach Japan – wie Beethovens Neunte nach Naruto kam. In Japan dient Beethovens „Ode an die Freude“ als „rituelle Identifikation“ und „Symbol für nationale Einheit, Tenno und Tugend Stärke, Mut und Kraft“, war der FAZ einmal zu entnehmen. Die Neunte heißt in Japan „Dai Ku“, ist Kulturgut und wird zu Neujahr auf deutsch (!) von Chören mit bis zu 10.000 Mitgliedern gesungen. Ende Mai reiste Susanne Hake als Chor-Sopran mit einem runden Dutzend Gleichgesinnter aus Lüneburg, deutsche Partnerstadt von Naruto, nach Japan. Opa Hermann Hake, Ehemann von Else Kortheuer, war einer von 1000 deutschen Soldaten, die 1914 im Lager Bando bei Naruto auf der kleinsten Hauptinsel Shikoku interniert waren. „Sie hatten Glück“, sagt die Enkelin. Der liberale Lagerkommandant Matsue Toyohisa gewährte Freiheiten wie Brot backen oder Gaststätten für japanische Gäste. „Mein Opa gab Kurse in Buchhaltung, lernte Violine und spielte die zweite Geige im Lager-Orchester. Er hat viel geübt“, weiß die Enkelin aus Opas Briefen an seine Mutter. Am 1. Juni 1918 führte das Lagerorchester Beethovens Neunte erstmals in Japan auf - vor dem Lagerkommandanten-Ehepaar. „Die Aufführung glückte gut“, schrieb der zweite Geiger nach Hause. Opas Briefe waren 2017 in der Ausstellung „Begegnungen hinter Stacheldraht“ in Lüneburg zu sehen und könnten auf die Liste des immateriellen UNESCO-Weltkulturerbes gesetzt werden. WIESBADENER

III/2018

„Seid umschlungen, Millionen – diesen Kuss der ganzen Welt...“, aus der Zeitung „Tokushima Shimbun“ Susanne Hake, die aus Wiesbaden stammende Enkelin des Soldaten Hermann Hake, sang als einzige deutsche Nachfahrin Beethovens Neunte in Naruto mit. Foto: aus der japanischen Zeitung

Mit Beethovens Neunter auf Opas Spuren in Japan Regisseurin Susanne Hake, ihr „Jahr der Ahnen” und die Götterfunken Susanne Hake hat noch in Erinnerung, daß Lehrer Hayashi als Sohn des Briefträgers, der den Gefangenen die Briefe ins Lager Bando gebacht hatte, ihren Opa in Wiesbaden besuchte. „Uns Kindern brachte Mr. Hayashi Fächer und Süßigkeiten mit“. Opas Geschichte zählte nicht. Erst der Spielfilm „Ode an die Freude“ beim Japan-Filmfestival Hamburg 2007 weckte Interesse bei der Enkelin, die seit den Neunziger Jahren Zen-Meditation praktiziert. Zum 100. Jahrestag der Asienpremiere am 1. Juni 2018 wurde die „Ode an die Freude“ von rund 1000 Sängerinnen und Sängern am historischen Ort wieder aufgeführt. Aus London war Cousin Bernd Hake mit Frau Kathrin und Urenkelin Lily (10) angereist. „Ich habe als einzige Nachfahrin aus Deutschland mitgesungen.“ Was die deutschen „Tages-

themen“ in einem Beitrag am 2. Juni mit einem Statement von Susanne Hake zu würdigen wußten. Japanische Printmedien berichteten in umfangreichen Foto-Beiträgen über das historische Konzert. Der Clou: Ein Team des öffentlichrechtlichen Senders Japan begleitete die Sopranistin drei Tage für eine TVDokumentation. Susanne Hake lernte die Witwe von Mr. Hayashi und seine Tochter Yoshiko Inoue kennen: „Die Enkelin des Briefschreibers Hake traf auf die Enkelin des Briefträgers Hayashi.“ Fotoalben mit Bildern, die Mr. Hayashi von Familie Hake in Wiesbaden aufgenommen hatte, wurden der Enkelin in Naruto gezeigt und berührte sie sehr. Aber das ist eine andere Geschichte. Text: Gesine Werner 37


KULTOUREN

Konzertpianistin Sigrid Jennes-Müller, Vizevorsitzende der BrahmsGesellschaft, lädt mit ihrer Tochter Tabea Rotter zur Matinée für Ethel Smyth.

Ein „weißer Rabe” als Hommage an Komponistin Ethel Smyth George Bernard Shaw befand: „Ihre Musik ist männlicher als die von Händel!” Mit Edward Grieg und Tschaikowsky stand Ethel Smyth auf freundschaftlichem Fuß, war mit Clara Schumann bekannt. Mit Brahms, der weibliche Kreativität als Konkurrenz ablehnte, diskutierte sie über komponierende Frauen. Vier ihrer sechs Opern wurden in Deutschland uraufgeführt. Zu ihrem 160. Geburtstag widmet die Brahms-Gesellschaft der hochkarätigen viktorianischen Komponistin, Autorin, Dirigentin und Suffragette eine Matinée. Am 28. Oktober beginnt um 11 Uhr im Festsaal der Loge Plato (Friedrichstrasse 35) die klingende Hommage „Weißer Rabe – die Komponistin und Schriftstellerin Ethel Smyth”. Mit ihrer spannenden Zeitreise widmen sich KonzertPianistin Sigrid Jennes-Müller und Violoncellistin Tabea Rotter in Klang und Wort der zu Unrecht verkannten Musikdramatikerin. Neben Smyth-Kompositionen kommen Werke von Brahms, Grieg, Tschaikowsky und des mit ihr befreundeten Heinrich von Herzogenrath zu Gehör. Pianistin Jennes-Müller ist Vizevorsitzende der BrahmsGesellschaft. Mit Blick auf das Jahres-Thema „FamilienBande” und das Jubiläum „100 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland” ist die Matinee ein Coup: Der gemeinsame Auftritt von Mutter Sigrid und Tochter Tabea ist eine Premiere. Das Duo kommentiert: „Ethel Smyth sah sich als `weißen Raben` unter den schwarzen Raben Komponisten. Sie wurde aufgrund ihres Geschlechts zurückgewiesen, engagierte sich für das Frauenwahlrecht und saß sogar im Knast. Seltsam – sie war in Deutschland erfolgreicher als in England.” Sein 185. Geburtstag wurde in der Villa Schnitzler gefeiert. Den „musikalischen Advent mit Brahms” begeht die rührige Gesellschaft in familiärem Rahmen am 9. Dezember an einem historischen Ort. Interessierte sind nach Anmeldung willkommen. info@brahms-gesellschaft.de oder: Dr. Frieder Schwitzgebel Telefon 06133 – 509541

Die Arche 2.2 ging vor Anker im Haus an der Marktkirche und zeigte Menschen zwischen den Polen „Fremd und vertraut” auf der roten Stoffbahn, die Grenze war und Bahnsteig, Markierung und Orientierung.

Die Arche 2.2 ging vor Anker Brechts „Bitten der Kinder“ standen Pate. „Die Häuser sollen nicht brennen. Bomber sollt man nicht kennen. Die Nacht soll für den Schlaf sein. Leben soll keine Straf sein...“ Personen aus aller Welt und aller Altersstufen kommen näher. Sie trennen sich wieder, barfüßeln wieder zueinander, bilden einen Pulk, folgen einem Tambourin, bilden wechselnde Paare, balancieren auf einem roten Band oder versuchen sich im „Platz nehmen“ auf einem wackeligen Stuhl. Den Koffer packen mit Freundschaft, Sehnsucht, Heimweh und Glück. In den Koffer reinkrabbeln und wieder raus. Ankommen, da sein, um Rat bitten, Streit auslösen, plötzlich Hilfe finden. Sand, Trommeln, Streit, Stühle, Schattengeschichten, Märchen, zwei Clownsfrauen und „the Lions sleep tonight“. Ein Wollfaden ver-bindet. „Ich mag keine Grenzen.“ Fliegende Blätter segeln von der Empore mit guten Wünschen „Gesundheit und Liebe“. Das Publikum ist berührt und applaudiert lange. Die „Arche 2.2“ als „Theater-Kunst-Projekt mit Menschen aus der Nachbarschaft und der ganzen Welt“ in der Nachfolge der interkulturellen „Arche“ in der katholischen Jugendkirche Kana ging erfolgreich vor Anker im Haus an der Marktkirche. Kulturpreisträgerin Priska Janssens, Tänzerin Valerie Sauer und Musiker Cornelius Hummel haben kundig navigiert. Der evangelische Stadtdekan Dr. Martin Mencke als „Hausherr“ und Kulturstadträtin a. D. Rose-Lore Scholz hießen die vollbesetzte Arche „an der Kaimauer“ willkommen. Ökumenepfarrer Andreas Günther, Dr. Simone Husemann (KEB) und Bonifatius-Gemeindereferent Heiko Litz waren äußerst angetan von der Gemeinschafts-Inszenierung. Schade, daß die Premiere die einzige Vorstellung war. Eine weitere „Arche“ wünschte sich das Publikum.

Text und Foto: Gesine Werner

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WIESBADENER

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KULTOUREN

Sabine Philipp, seit Januar 2018 Direktorin der Stiftung Stadtmuseum Wiesbaden, setzt auch bei der Ausstellung zu „Industrie & Holocaust” auf breite Vernetzung mit lokalen Institutionen und verstärkte Zusammenarbeit mit Schulen.

Aus dem Areal der maroden Citypassage soll das aufgelockerte „Quartier Fünf Gassen” entwickelt werden. Das Konzept stellten Sven Bayer (DP), Architekt Jens Siegfried, Ralf Niggemann (DP) und SEG-Geschäftsführer Andreas Guntrum (von links) vor.

„Stets gern für Sie beschäftigt...”

Fünf Gassen, zwei Plätze und ein Brunnen im Herzen der Stadt

„Stets gern für Sie beschäftigt...“ war der Slogan von „Topf & Söhne“. Ein „ganz normaler“ Familienbetrieb diente sich der Kundschaft an. Ab 1939 war der Handwerksbetrieb der SS eng verbunden und bestückte das Vernichtungslager Auschwitz mit ausgefeilten „Spezialöfen“. Nach dem Krieg versuchte Ernst Wolfgang Topf vergeblich, seine Firma in Wiesbaden Gewinn bringend zu etablieren.

SEG und Development Partner mit Plänen für die City-Passage

Internationale Schau im sam zeigt „Industrie und Holocaust”

Die preisgekrönte Wanderschau „Industrie und Holocaust: Topf & Söhne - die Ofenbauer von Auschwitz“ ist im sam - Stadtmuseum am Markt zu sehen. Die internationale Sonderschau präsentiert Dokumente, technische Zeichnungen, Briefe und Fotografien auf Zeichentischen. Objekte in Vitrinen und Filme auf Monitoren machen „die Rolle der Privatwirtschaft in der Tötungsmaschinerie Holocaust“ deutlich. Von der Sekretärin bis zum Ingenieur waren Angestellte „ganz ohne Zwang und Drangsalierung“ aktiv beteiligt am „alltäglichen“ Geschäft des Tötens. Sabine Philipp, seit Januar Direktorin der Stiftung Stadtmuseum Wiesbaden, ist das breit gefächerte Begleitprogramm in Vernetzung mit vielen lokalen Institutionen, unterstützt vom sam-Förderverein und der Wiesbaden-Stiftung, wichtig. Besonderes Anliegen ist ihr die verstärkte Zusammenarbeit mit Schulen und die bis Januar 2019 erweiterte Laufzeit der Schau. Die Museumspädagogik bietet Führungen und Workshops für Schulklassen an. Höhepunkt des Begleitprogramms: Am 27. September wird in der Caligari-FilmBühne Michael Verhoevens Verfilmung von George Taboris autobiografischer Erzählung „Mutters Courage“ gezeigt mit Ulrich Tukur, Pauline Collins und George Tabori. Der Regisseur ist angefragt. Die Betreuungsstelle für politisch, rassisch und religiös Verfolgte in Wiesbaden ist Thema von StadtarchivDirektorin Dr. Brigitte Streich (20.11.). Dem Schicksal des letzten Wiesbadener Rabbiners Paul Lazarus geht Dr. Rolf Faber nach (27. November). Info: www.stadtmuseum-wiesbaden.de Text und Foto: Gesine Werner WIESBADENER

III/2018

Marode City-Passage und in sich geschlossenes Einkaufszentrum war gestern. Ein rund um die Uhr offenes „Quartier Fünf Gassen” parallel zur Fußgängerzone soll das Herz der Innenstadt beleben. „Stadtentwicklung im Zeitraffer” will der neue Kiez zeigen. Das aufgelockerte Areal punktet mit vier Blöcken und neuen Wegebeziehungen, mit fünf Gassen für Einkauf und Gastronomie inklusive einer „Marktgasse”, zwei Quartiers-Plätzen und einem Brunnen. Die Schwalbacher Straße wird mit der Kirchgasse verbunden. Faulbrunnenstraße und Kleine Schwalbacher Straße verbindet eine weitere Achse. SEG und der erfahrene Düsseldorfer Projektentwickler Development Partner, Wiesbaden schon verbunden durch das Douglas-Haus und ein Bürogebäude der Lincoln-Straße, präsentieren das „Quartier Fünf Gassen”. Dem Trend der Verhaltensänderung im Konsum begegnet die Öffnung des Quartiers. „Die Nutzungen befruchten sich wechselseitig im Austausch mit dem gewachsenen Umfeld”, weiß Ralf Niggemann als Vorstands-Chef von Development Partner. Die städtische Immobilienholding WVV hatte vor zwei Jahren die City-Passage vom erfolglosen irischen Investor zurückgekauft. Stimmt das Stadtparlament dem Verkauf an Development Partner zu, werden rund 150 Millionen Euro für 23.000 Quadratmeter Grundfläche auf fünf bis sechs Etagen investiert. Die Pläne des Architekturbüros Chapman Taylor Düsseldorf-London zeigen einen Mix: 30 Einzelhandelsläden (inhabergeführt und Filialen), außenbestuhlte Gastronomie, 200-Zimmer-Busineßhotel mit Dachbegrünung, rund 50 Wohnungen, Fitneßstudio. Abstimmung folgt mit Stadtplanung, Denkmalschutz und Gestaltungsbeirat. „Positive Kopplungseffekte mit der bestehenden Nachbarschaft und nahtloses Einfügen in das bestehende städtebauliche Gefüge” sieht SEG-Geschäftsführer Andreas Guntrum. 2022 könnte der Einkaufsbummel in den Fünf Gassen starten. Text und Foto: Gesine Werner 39


KULTOUREN

Beim MUTHEA-Jahrestreffen im Wiesbadener Musentempel wurde ein neuer Vorstand gewählt: Helmut Nehrbaß, Jürgen Bandte, Vorsitzende Katrin Lorbeer, Dr. Michael Jungrichter, Renate Winkler und Michael Werner präsentieren sich im Foyer (von links).

Ein großes Herz für die Theaterszene in Rhein-Main Die altehrwürdige „Gesellschaft der Freunde des Staatstheaters Wiesbaden“ hat ein großes Herz. Der 1300 Mitglieder starke Förderverband ist einer der größten in Deutschland und machte dem Musentempel ein honoriges Geschenk: Ein 30.000 Euro teurer Yamaha-Konzertflügel wurde übergeben. Das gute Stück feierte beim Maifestlichen Gastspiel von Michael Quast klangvolle Premiere. GMD Patrick Lange sieht das hervorragende Instrument als „Basis für optimale musikalische Arbeit“ an. Als junges Mitglied des Dachverbands MUTHEA, dem Netzwerk der deutschen Musik- und Theaterfördergesellschaften, war die Wiesbadener Gesellschaft erstmals Gastgeberin des Jahrestreffens. Aus 12 Bundesländern kamen Mitglieder der rund 40 Mitglieds-Vereine zur Tagung ins Staatstheater, derweil sich „draußen vor der Tür“ das „Theatrium“ abspielte. Das Treffen widmet sich formalen Regularien und dem fachlichen Austausch. Turnusmäßig stand die Wahl des Leitungsgremiums an, das vier Jahre amtiert. MUTHEA ist im 21. Jahrhundert angekommen und punktet an der Spitze des neuen Vorstandes mit Frauenpower: Katrin Lorbeer aus Karlsruhe wurde zur Vorsitzenden gewählt, ihr Stellvertreter ist Dr. Michael Jungrichter aus Schwerin. Schatzmeister wurde Michael Werner. Beisitzerin Renate Winkler aus Wiesbadens Partnerstadt Görlitz wurde im Amt bestätigt. Helmut Nehrbaß, Wiesbaden, ist der Neue im Vorstand, dem auch Jürgen Bandte aus Marburg und Christina Limbourg angehören. Um „die Bedeutung der Theaterszene für die Region Rhein-Main“ ging es dem öffentlichen Forum mit Staatssekretär Patrick Burghardt, Stadtrat Axel Imholz, Kulturfonds-Chef Dr. Helmut Müller und Intendant Uwe-Eric Laufenberg. Theater-Förderverein-Kooperationen wie in Kiel (Opernball, Ballett-Gala & Co.) stünden Wiesbaden gut zu Gesichte.

Text und Foto: Gesine Werner

Bundesweit einzigartig, lassen „die Velvets” Bedrich Hanys, Tochter Barbara Naughton und Dana Bufkova auch zum Jubiläum die Puppen tanzen. Ihr „Kleiner Prinz” geht seit 40 Jahren zu Herzen.

Einzigartig zauberhafte Puppenspiel-Pantomime feiert Doppel-Jubiläum Wenn der Kleine Prinz der Zauberflöte poetische Töne entlockt, klingt das nach den „Velvets”. Die „Samtenen” feiern Jubiläum – und diesmal gleich im Doppelpack. Sie sind einfach puppenspiel pantomimisch zauberhaft und überraschten die Ehrengäste ihrer Kulturpreisverleihung im Rathausfestsaal mit der live gespielten Schlüsselszene aus dem „kleinen Prinzen”. Der lernte vom Fuchs: „Man sieht nur mit dem Herzen gut.” Der blaublütige Klassiker, der schon als Handpuppe Seele ausstrahlt, erblickte vor 40 Jahren das Bühnenlicht. Bedrich Hanys und Dana Bufkova, Puppenbauerin Marianne Fink und Bühnenbildnerin Ursula Gielnik schufen die unschlagbare Originalversion (Bühne, Kostüm, Maske), die von den Velvets bis heute gespielt wird (23. September). Weltweit mit Auszeichnungen gewürdigt, bittet das deutschlandweit singuläre Schwarze Theater am 15. September zur Spielzeiteröffnung „Ein Blick in die Zukunft”. Szenen aus aktuellen Eigen-Produktionen und Appetithäppchen aus Gastspielen machen Lust auf die Saison. Die Velvets können auch Oper. Ihr unnachahmliches „Spiel in Schwarz” adelt ihre Bühnenfassung der mozärtlichen „Zauberflöte” mit den Berliner Philharmonikern unter Karl Böhm und dem legendären Dietrich Fischer-Dieskau als Tamino. Ihren 30. Geburtstag feiert die Velvets-Version am 30. September im Theater an der Schwarzenbergstraße. „Wir schlagen in unseren Inszenierungen immer die Brücke vom Herzen zum Kopf und von der Bühne zum Publikum.” Die Lebens- und Auftritts-Geschichte(n) der 1967 gegründeten „Samtenen” aus dem Goldenen Prag bieten jede Menge Stoff. Nicht von ungefähr sind die Velvets eingebunden in das Oral history-Projekt „Erlebte Geschichte & Geschichten“ des StadtarchivFördervereins. Ihre spannende autobiografische Revue „Grenzen-Los“ mit Schwarzem Theater, Schauspiel, Stepdance, Dokumentarfilm und Gesang steht auf dem Spielplan (29. September). www.velvets-theater.de Text und Foto: Gesine Werner

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KULTOUREN

„Erstklassiger Aufschlag” im neuen VCW-Fanshop: Laura Rodwald, Holly Toliver, Nynke Oud (Spielerinnen), Parlaments-Chefin Christa Gabriel, Dennis Volk-Borowski und OB Sven Gerich (von links), Christoph Fetting und Vorsitzender Sascha Mertes (sitzend).

Ein „funkelnder Edelstein” landet „erstklassigen Aufschlag” im Herzen der Stadt Die Innenstadt hat sportlichen Zuwachs bekommen. Dem VCW ist ein „erstklassiger Aufschlag“ im Herzen der City gelungen. Der Volleyball-Bundesligist hat in den SEG-Räumlichkeiten an der Kleinen Schwalbacher Straße 7 sein neues Domizil bezogen. Die Geschäftsstelle in der zuvor gastronomisch genutzten Beletage ist auf knapp 100 Quadratmetern mit zehn ergonomisch gerüsteten Arbeitsplätzen in Vereins-Türkisblau ausgestattet. Der VCW-Ticket- und Fanshop offeriert sein Angebot von Kaffeetasse bis Schal nebenan. Gefeiert wurde mit ziemlich „großem Bahnhof“, dem Dezernenten-Duo Detlev Bendel und Hans-Martin Keßler, Sportkreis-Chef Helmut Fritz, Stahlbauer Günther Huhle und Ortsbeirat Theo Baumstark. Thomas Petigk lobte als Vizepräsident des deutschen Volleyball-Verbandes den VCW als „Aushängeschild des Jugendspielbetriebes“ und den „Motivationsschub“

„Der Menschheit Würde ist in Eure Hand gegeben, wahret sie!” Ob Schiller die hölzerne Rampe zum Autokino auf der Bühne und den Popup-Supermarkt im Prunkfoyer gemeint hat?

Parkplatz, Porno, Popcorn als “Nachnutzung” im Theater Schöne neue Welt der „Nachnutzung“. Babylon zu Gast bei Freunden mit „neuen Stücken aus Europa“ war gestern. Jetzt sind moderne Zeiten angesagt mit „Wies-Bad News“, die das „Undenkbare“ illustrieren wollen. Im barocken Musentempel gab es ein Autokino und Oldtimer wurden über die riesige Holzrampe zur Bühne bugsiert. „Undenkbar“?: Die Endzeit-Vision ist im Michigan Theatre Detroit längst Realität und - mit Verlaub - in Wiesbaden nicht neu. In der Beilharz-Ära hatte David Mouchtar-Samorai 2004 „Purcells Traum von König Artus“ uraufgeführt. Das Stück von „Biennale“Gründer Tankred Dorst spielt im stillgelegten Opernhaus, das zum Kaufhaus werden soll... „Kino“ ohne Auto gab es im Keller, wo im unterirdischen Studio ein „performatives Pornokino“ einlud. Marketing-Coup? Kultur-Auswuchs? Das neobarocke Prunkfoyer gab die prachtvolle Kulisse ab für den Popup-Discounter, der – von Azubis geführt – das Theaterpublikum zur Kundschaft definierte in der „schönen neuen Konsumwelt“. Subventioniertes Theater als „Erfüllungsgehilfe“ erhitzte manches Gemüt.

Christa Gabriel sieht den VCW als „Pluspunkt in der Innenstadt“. Die Parlaments-Chefin lobte die „angenehme Atmosphäre“ und den „direkten Fan-Kontakt“. Für Sven Gerich ist mit dem Umzug der Halle als „VCW-Herz“ „folgerichtig der Kopf, also die Verwaltung, in die City nachgefolgt.“ Auf den Kiez „Fünf Gassen“ freut sich der Oberbürgermeister, „wann immer auch die Einweihung ist.“

Kein „Sängerkrieg“ in der Wartburg, aber der „Migrantenstadl“ von Bloggerin Tunay Önder lud wie Martin Luther zu „Tischgesprächen“ ein mit „Parallelgesellschaften“. Die „Donnerstagspredigt“ kam zur Prime Time.

SEG-Geschäftsführer Andreas Guntrum als Vermieter würdigte den VCW im „Leuchtturmprojekt Kleine Schwalbacher Straße“ als „neuen funkelnden Edelstein“ und stellte mit Blick auf die City-Passage „Aufbruchstimmung“ fest. „Eine Stadt muß Einfluß nehmen auf die Entwicklung.“

Die marode Citypassage als Herzstück im neuen Kiez „Fünf Gassen“ mutierte im „Hinterland“ zu einer Art Geisterbahn und versperrtem Galerie-Raum mit den Insassen Thomas Bo Nielsen & Julian Eicke. Im Kunstschnee agierte der Tänzer des Jahres Trajal Harrell als „Bhu Bhu“. Markus Öhrn stieg von „Molotow-Oper“ auf häusliche Gewalt um. Was von „künstlerischen Interventionen“ des Duos Maria Magdalena Ludewig & Martin Hammer übrig bleibt, wird sich zeigen. Im 1,5 Millionen-Budget von Land und Kommune (770.000 Euro und 400.000 Euro) sowie Kulturfonds Frankfurt Rhein-Main und Bundes-Kulturstiftung war der Kunstsommer integriert. Wo der sich zeigte, blieb dem Publikum verborgen.

Der „Schritt ins Herz der Stadt“ freute Sascha Mertes. Der VCW-Chef dankte für das Anpacken. Am 31. Oktober kommt der SC Potsdam in die nur einen Steinwurf entfernte Halle. Im VCW-Shop gibt es Fan-Artikel und Tickets. Der Shop öffnet Dienstag & Freitag von 10 bis 14 Uhr, Donnerstag 16 bis 18 Uhr.

Der Spanier Santiago Serra bescherte Wiesbaden eine „Mauer“ durch die Reisinger-Anlagen.

Text und Foto: Gesine Werner Text und Foto: Gesine Werner WIESBADENER

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KULTUR

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KREATIVES

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ie Kinothek Asta Nielsen e.V. veranstaltet im November dieses Jahres in Frankfurt am Main erstmals das Festival Remake. Frankfurter Frauen Film Tage. Es soll in Zukunft regelmäßig stattfinden. Das Veranstaltungsformat gibt der Arbeit der Kinothek Asta Nielsen einen neuen Rahmen, um weibliche Filmarbeit aus Gegenwart und Geschichte zu mehr Sichtbarkeit zu verhelfen und die Aufführung von Filmen in ihren Originalformaten zu fördern.

Thematisch geht Remake 2018 von dem Doppeljubiläum „100 Jahre Frauenwahlrecht” und „50 Jahre Feministische Filmarbeit” aus. Das Festival findet vom 2.-11. November 2018 statt und steht im Zusammenhang mit der Ausstellung und Veranstaltungsreihe „Damenwahl! 100 Jahre Frauenwahlrecht” des Historischen Museums Frankfurt. Ein historisch aufgebautes Programm wird von den Suffragettenfilmen zu Beginn des 20. Jahrhunderts bis hin zu Filmen der Gegen-

der Werke einer Filmemacherin aus dem Rhein-Main-Gebiet widmet. Dieses Jahr wird das filmische Werk von Recha Jungmann zu sehen sein. Mit „Remake. Frankfurter Frauen Film Tage” entsteht ein Frauenfilmfestival, das es so bisher nicht gibt. Denn es ist der Vergegenwärtigung der historischen und aktuellen Vielfalt des Films, der Verschränkung von Vergangenheit und Gegenwart gewidmet. Dazu Karola Gramann, neben Gaby Babić und Heide Schlüpmann Kuratorin von Die Kinothek Asta Nielsen e.V. wurde 1999 in Frankfurt am Main gegründet. Sie widmet sich insbesondere der Filmarbeit von Frauen in Geschichte und Gegenwart und deren Sichtbarmachung im Kino sowie der Aufführung von Filmen in ihren Originalformaten. 2017 wurde der Verein mit dem Binding-Kulturpreis ausgezeichnet, einem der renommiertesten Kunstpreise Deutschlands. Der Verein wird gefördert vom Frauenreferat der Stadt Frankfurt am Main und finanziert sich durch Zuwendungen weiterer Institutionen und Sponsorenmittel.

Frauenfilmfestival Filme existieren nur in der Aufführung. Daher ist auch das Zeigen selbst eine Form des Filme-Machens: Re-Make. Die Kinothek Asta Nielsen e.V. hat es sich im Besonderen zur Aufgabe gemachte, Filme von Frauen sowie Filme von Relevanz für die Wahrnehmung und Reflexion der Geschlechterverhältnisse einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. In diesem Sinne wird sie ihre bisherige Arbeit in ein neues Veranstaltungsformat bringen: Remake. Frankfurter Frauen Film Tage geht von einem Themenschwerpunkt aus und entfaltet sich in einer Mischung aus Festival und Symposion. 42

wart die Entwicklung des Rechtssystems in Bezug auf Frauen, den damit einhergehenden Wandel im weiblichen Selbstbild und die bis heute andauernde Sexualpolitikdebatte filmisch beleuchten. Themen, die in Zeiten von #MeToo und Paragraf 219a nichts an Aktualität eingebüßt haben. Neben diesem umfangreichen Programm beginnt Remake 2018 eine Rückschau auf die Entwicklung Feministischer Filmfestivals: Den Auftakt macht das Women’s Event des Internationalen Filmfestivals Edinburgh 1972. Ein drittes Element des Festivals ist eine Personale, die sich der Wiederentdeckung und Sicherung

Remake: „Geschichte bildet ein wesentliches Moment des Festivals. Alte Filme sind ja nicht einfach alt, sondern durch sie wird Vergangenheit als Bestandteil der Gegenwart erfahrbar – sofern die Filme denn in einem Kontext gezeigt werden, in dem sich ihre spezifische Aussagekraft entfalten kann. Nicht zuletzt um solcher Zusammenhänge willen laufen alte mit jüngst entstandenen Filmen zusammen, werden Projektionen von Einführungen, Kommentaren, Gesprächen und Diskussionen begleitet.” Die Orte der Aufführung und deren Gestaltung erfahren dabei besondere Aufmerksamkeit. Alle Filme laufen (soweit möglich) im Originalformat – sei es 35mm, 16mm, Super 8 mit analogem Ton oder eben ein digitales Format. WIESBADENER

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KULTUR

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KREATIVES

„Remake. Frankfurter Frauen Film Tage” wird gefördert von HessenFilm und Medien GmbH und dem Frauenreferat der Stadt Frankfurt am Main. „2018 feiern wir 100 Jahre Frauenwahlrecht: Das richtige Jahr für den Start von „Remake. Frankfurter Frauen Film Tage.” Wir freuen uns sehr, dass wir als Landesregierung ein Festival fördern können, das ein derart einzigartiges Profil hat, indem es seinen Fokus auf die Filmgeschichte von Frauen im Wechselspiel mit aktuellen Themen und Filmen legt”, so der hessische Minister für Wissenschaft und Kunst Boris Rhein. „Das Filmland Hessen gewinnt nicht nur eine bedeutende filmkulturelle Veranstaltung; es leistet auch einen Beitrag zur aktuellen gesellschaftlichen Debatte um Geschlechtergerechtigkeit im Film.” „Frankfurt bekommt das erste Frauenfilmfestival in Hessen”, freut sich die Frauendezernentin Rosemarie Heilig. „Das wird ein Highlight für alle Menschen, die Filme lieben. Die Macherinnen der von der Stadt Frankfurt geförderten Kinothek Asta Nielsen werden ein hochkarätiges Programm auf die Beine stellen. Das Frauenfilmfestival wird die Filmarbeit von Frauen in Geschichte und Gegenwart zeigen und öffentlich zugänglich machen. Damit setzen wir in Frankfurt ein klares Zeichen: Wir machen die Filmarbeit von Frauen sichtbar und würdigen sie.” Partner sind Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen, Deutsches Filminstitut – DIF e.V. / Kino im Deutschen Filmmuseum, Schauspiel Frankfurt, Historisches Museum Frankfurt und Pupille e. V. – Kino in der Uni. Weitere Infos unter: www.remake-festival.de

Bildunterschriften: Foto oben, aus: „Etwas tut weh“ Foto Mitte, aus: „Mass Meeting of Suffragettes“ Foto unten, aus: „Die Börsenkönigin“ WIESBADENER

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KULTUR

&

KREATIVES

ter, die neue Wege in der Imkerei beschreiten möchten. Alle in der Hoffnung, die gegenwärtigen Probleme zu bewältigen. Das Motto in diesem Jahr lautet daher „Gemeinsam für die Bienen” Begrüßt werden am 29.09.2018 im Botanischen Garten wieder über 20 Vereine, Organisationen und zahlreiche Imker zu einem kurzweiligen und informativen Nachmittag rund um das Thema Bienen. Um 12 Uhr wird das Bienenfestival von der Frankfurter Dezernentin für Umwelt und Frauen, Frau Rosemarie Heilig gemeinsam mit dem Leiter des Botanischen Gartens Herrn Manfred Wessel eröffnet. Neben den zahlreichen Infoständen gibt es die Möglichkeit Honige aus der Region, sowie allerlei Bienenprodukte zu erwerben. Die Besucher können an Vorträgen und Führungen durch den Garten oder zum Bienenhaus und den Klotzbeuten im Botanischen Garten teilnehmen. Das Frankfurter Bienenfestival wird durchgeführt von der Initiative »Frankfurter Bienenfestival. Ziel ist es, die Bandbreite der Frankfurter Imkerei der Öffentlichkeit vorzustellen und untereinander den Austausch zu stärken. Die Veranstaltung ist eine rein private, nichtkommerziell und ehrenamtlich von Imkern aus Frankfurt organisiert. Der Eintritt ist frei.

Bienenfestival 2018

Um Spenden wird gebeten, weitere Informationen auf www.frankfurter-bienenfestival.de

Das große Summen - zum vierten!

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n diesem Jahr findet das Frankfurter Bienenfestival schon zum 4. Mal statt. Nach wie vor ist das Interesse an der Bienenhaltung ungebrochen. Organisationen, Initiativen, Vereine und Naturschutzverbände können sich und ihre wichtige Arbeit einem interessierten Publikum präsentieren. Der Austausch untereinander wird gestärkt, können Kooperationen angeregt, sowie Mitstreiter gewonnen werden. Die Imkerei und Bienenhaltung befinden sich im Wandel. Engagierte Bienenzüchter treffen auf „urban beekeeper” und Bienenhal44

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KULTUR

&

KREATIVES

gerne von den wunderbaren Erkenntnissen von Renate Sperling, Buchautorin von „Edelstein. Magie und Heilkraft“ oder „Vom Wesen der Edelsteine“, inspirieren. Die Goldschmiedemeisterin gibt ihr professionelles Wissen um Edelsteine nun auch in Vorträgen weiter. Das erste „Edelsteingespräch” findet am Donnerstag, den 20. September 2018 im Volksbildungswerk WiesbadenBierstadt statt. Am 27. Oktober 2018 lädt Susanne Geiger wieder zur Jahresausstellung in ihrer Werkstatt in Wiesbaden-Biebrich, wieder mit Musik und Feuer ein. Hier sind die eingangs erwähnten Schmuckstücke (und viele andere) auch live zu bewundern.

S

usanne Geiger – Goldschmiedin aus Leidenschaft – ist bekannt für kraftvolles Design und präsente Schmuckstücke, die ihre Trägerinnen (und auch Träger) nochmals besonders zur Geltung bringen. In diesem Herbst möchte sich die Goldschmiedemeisterin mal von ihrer „zarten” Seite zeigen. Feine Schmuckstücke wurden in Komposition mit verschiedenen Edelsteinen gestaltet. Eine Kette im Arrangement mit einem blauen, in Gold gefassten Boulderopal und feinen handgeschliffenen afghanischen Lapislazuli-Perlen gehören ebenso zu den neuen Kompositionen, wie die goldenen Creolen, die sich

einmal mit einem blauen Opal und einmal mit einem goldenen Blatt zeigen. Die Ohrringe können auch ohne Anhänger getragen werden und werden nach Wunsch der Träger(in) in allen Größen sowohl in Gold als auch in Silber oder in Materialkompositionen geschmiedet.

feilgold me. Susanne Geiger Am Schlosspark 103 65203 Wiesbaden 0171-3134456 0611-4503286 info@feilgold.de www.feilgold.de

Susanne Geiger, seit 30 Jahren Goldschmiedin hat die besondere Schönheit und Wirkung von Edelsteinen erst sehr spät entdeckt. Lange Zeit waren sie lediglich als Gestaltungselemente interessant; hier wurde ein bisschen Rot, dort ein Blau oder Grün eingesetzt. Inzwischen aber schätzt sie die Wirkung der Steine ebenso, wie ihre Schönheit und lässt sich

feilgold

Edelsteine in Komposition mit Gold und Silber WIESBADENER

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ZUSAMMEN LEBEN

Herz zum „Herzball“ in das Kurfürstliche Schloß der Domstadt. Am 17. November „verzaubert“ der beliebte Magier Thimon von Berlepsch die Ballgäste. „Jammin Cool“ spielt zum Tanz auf. ZDFModeratorin Sandra Maria Gronewald führt durch das Programm. Ein Kardiologe bekommt den mit 100.000 Euro dotierten Wissenschaftspreis der Stiftung Mainzer Herz.

„Stop! Pollution!” Wiederholungstäter Udo Lindenberg unterstützt die Herzstiftung mit dem originellen Bild „Feindstaub”. Daß der Erlös der Feinstaubforschung zugute kommt, freut Professor Dr. Andreas Daiber (Leiter Molekulare Kardiologie Mainz) und Herzstiftungsgründer Professor Dr. Thomas Münzel als Direktor des Zentrums für Kardiologie Mainz.

„Stop! Pollution!“ Er ist ein Wiederholungstäter, uns Udo, der unkaputtbare Ausnahmerocker Udo Lindenberg. Die Rocklegende „wirbelt“ mit ihrem gespendeten Bild unter dem pfiffigen Slogan „Feindstaub“ eben diese Mikroteilchen auf. Mit dem Erlös aus der Versteigerung werden medizinische Studien zu Feinstaub und Lärm unterstützt.

Professor Dr. Thomas Münzel, Direktor am Zentrum für Kardiologie, Kardiologie I der Unimedizin Mainz und Initiator der Herzstiftung. Dem Experten ist es „extrem wichtig, nachzuweisen, daß die Umwelt Einfluß auf unsere Gesundheit hat.“ Der speziell für Mainz entwickelte Apparat ist „hochkomplex“ und ermöglicht auch Lärmbeschallung.

„Mit dem Spendenerlös des Herzballs werden die Leuchtturmprojekte der Stiftung – „Kinderakademie Gesundheit“ und „Gutenberg Gesundheitsstudie“ als weltweit größte Präventionsstudie – gefördert.“ Vorstandsmitglied Professor Münzel berichtet: „Für die Kinderakademie haben sich 2018 mehr als 80 Schulklassen aus RLP, dem Saarland & Hessen beworben. 1300 Kinder kommen zum Gesundheitsunterricht.“ Die Kinder erfahren, warum Rauchen schädlich ist und was es mit dem Herz-Kreislauf-Systems auf sich hat. Die 23 Schulkinder der

„Staub aufwirbeln“ mit dem CharityEvent Mainzer Herzball

Stiftung Mainzer Herz bittet zum 9. „Herzball“ ins Kurfürstliche Schloß / Zentrum für Kardiologie steigt in die Feinstaubforschung ein Das „Feindstaub“-Bild kommt gerade recht: Das Zentrum für Kardiologie intensiviert seine Lärmforschung und steigt aktuell in die Feinstaub-Forschung ein. Kürzlich erwarben die Stiftung Mainzer Herz und die Universitätsmedizin Mainz einen 300.000 Euro teuren Apparat, um die Gesundheitsrisiken von industriellem Fein(d)staub und Verkehrslärm zu erforschen. „Mit diesem Gerät können wir alle Feinstaubgrößen bis zum Ultrafeinstaub künstlich produzieren und die negativen Aspekte für die Gefäßfunktion und vor allem für das Gehirn untersuchen“, erläuterte 46

„Wir werden weltweit die Einzigen sein, die diese Art kombinierter Forschung durchführen können“, betonte Professor Dr. Andreas Daiber als Leiter der Molekularen Kardiologie Mainz. Rund 300.000 Deutsche erleiden jährlich einen Herzinfarkt, 65.000 Erkrankte sterben. Der 2007 gegründeten Stiftung liegt die Präventionsarbeit bei Kindern und Jugendlichen buchstäblich „am Herzen“, betont Gründervater Professor Dr. Münzel.

St. Katharina Realschule Landstuhl nahmen mit ihren Lehrerinnen Cordula Wagner und Madeleine Hector teil und durften Dr. Michael Molitor „Löcher in den Bauch fragen“. Die Schulkinder waren begeistert – die Lehrerinnen auch. . www.herzstiftung-mainzer-herz.de Bei Interesse am Herzball info@herzstiftung-mainzer-herz.de

Text und Foto: Gesine Werner

Feiern für den Guten Zweck: Zum 9. Mal lädt die Stiftung Mainzer WIESBADENER

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ZUSAMMEN LEBEN

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in kleines und feines Café gibt es jetzt an der Hauptstraße 161 in Kostheim. Das „Café Kränzchen“ im dortigen Seniorenzentrum wird von Ehrenamtlichen betrieben und ist für alle Gäste aus dem Haus und aus der Nachbarschaft da. Eröffnet wurde es Mitte Juni im Beisein vieler Gäste. „Das neue Café ist eine ganz zentrale Einrichtung, weil es Gemeinschaft fördert”, lobte Rudolf Stein, der den Einrichtungsbeirat im Seniorenzentrum

Ecke konnte dank Sachspenden eingerichtet werden. In einer Nostalgie-Ecke sitzen die Gäste auf einer anheimelnden Couch und lassen sich den Kuchen und die Eiskreationen schmecken. Zum Beispiel das „Hupf-Duo“, eine Kugel Himbeer Sahnemousse mit Mini Gugelhupf oder den Zitronentraum, ein Citronen Sorbet mit sizilianischer Zitrone und exotischen Früchten. An drei Tagen in der Woche ist das Café mit 25 Plätzen drinnen und 25 Plätzen draußen nachmittags geöffnet. Betrieben wird es von engagierten Ehrenamtlichen und einer jungen Studentin

Café Kränzchen ist ein wahres Kleinod vertritt. Immer wieder erlebe er, wie schwierig es ist, einen barrierefreien Gastraum zu finden, um sich mit der Familie und mit Freunden zu treffen. Das Café mit seinem direkten Zugang von der Straße und zur schönen Terrasse erfüllt genau diese Voraussetzung, die es braucht, damit Geselligkeit und Miteinander im Stadtteil für die ältere Generation möglich sind. Einmal mehr präsentiere sich die Einrichtung als ‚offenes Haus‘, das Nachbarn und Gäste aus dem Ort herzlich willkommen heißt. Dafür dankte er ganz besonders Petra Hund und ihrem Team. Die Chefin des Hauses habe einfach ein „Händchen“ für geschmackvolle Innengestaltung.

auch dem Vermieter der Einrichtung, Franz Schollmayer, der mit seinem „Ja“ zum Projekt die Voraussetzung dafür geschaffen habe, worauf Petra Hund zu Recht heute stolz sei. Sein Dank galt ebenso allen Planern, Handwerkern und Architekten, die diesen Weg mit begleitet haben. „Das neue Café ist wirklich sehenswert“, freute sich auch die Stadtverordnetenvorsteherin Christa Gabriel. „So etwas kleines, gemütliches fehlte uns hier“, meinte sie anerkennend. Neben den Grüßen brachte sie einen Spendenscheck mit, über den sich die Macherinnen und Macher sehr freuten. Wer das Café Kränzchen kennenlernen möchte, hat dazu auch bei Events Gelegenheit: Am 16. September steigt die erste Ü-65-Party ab 15 Uhr mit verlängerter Öffnungszeit bis 20 Uhr. Und ab 5. Oktober ist freitags immer bis 22 Uhr offen.

im Studiengang Soziale Arbeit, die ihr Praxissemester in der Einrichtung absolviert hat.

Öffnungszeiten: mittwochs, freitags und sonntags von 15 – 18 Uhr. Ab 5. Oktober freitags bis 22 Uhr.

Jörg Wiegand, Kaufmännischer Vorstand von EVIM, dankte zur Eröffnung

Ort: Hauptstraße 161 in Kostheim

Mit viel Sinn für Ästhetik wurde das Café gestaltet, warme Rot-Töne dominieren. Die gemütliche 50-er-Jahre48

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m 29.September startet für die Rhine River Rhinos die dritte Bundesligasaison im Rollstuhlbasketball in Folge - dabei gibt es den Club erst seit 2013. Über eine erstaunliche Erfolgsgeschichte in der Wiesbadener Sportswelt. „Um halb vier ist das Halbfinale der Mädels, das kann ich mir auf keinen Fall entgehen lassen!” Mirko Korder, zuständig für Management und Sponsoring der Rhine River Rhinos, ist gerade erst am Vortag aus Hamburg gekommen, wo aktuell die Weltmeisterschaft im Rollstuhlbasketball stattfindet. Den deutschen Frauen rechnet er gar nicht mal so schlechte Chancen aus. Dass es später, so viel sei vorweg genommen, leider nicht ganz reichen wird, trübt den Stolz auf das starke Turnier nicht im geringsten. Vor allem die Leistungen der beiden Nationalspieler im Kader der Rhinos, Marina Mohnen und Nachwuchstalent Svenja Mayer, lassen ihn halbwegs entspannt auf die kommende Saison blicken. Erst 2013 nahm der Club in der Regionalliga den Spielbetrieb auf, nun konnte sich man bereits zum zweiten Mal hintereinander für die Play-Offs der ersten Bundesliga qualifizieren. Anders als in den Nationalmannschaften spielen auf Clubebene Männer und Frauen übrigens gemeinsam im Team, und um ein „starkes Team zusammen zu stellen, ist es auch immer gut, WIESBADENER

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starke Frauen dabei zu haben”, wie mir Korder später erklärt. Es ist bei weitem nicht die einzige Besonderheit dieser außergewöhnlichen Sportart. Die Initiative, ein konkurrenzfähiges Rollstuhlbasketball-Team in Wiesbaden zu gründen, ging damals von der IFB-Stiftung aus, und Korder schien mit seiner langjährigen Erfahrung in diesem Sport genau der Richtige dafür zu sein. Seine Ambitionen waren bekannt, am Ende ging es von der Regional- in die Bundesliga dann aber wohl doch schneller als die meisten erwartet hätten. Zwar musste

Bis auf ein paar Ausreißer nach oben ist das Niveau relativ ausgeglichen, und letzte Saison war letztendlich die Tordifferenz der entscheidende Punkt für die positive Platzierung. Korder hält sich daher auch latent zurück, als es um das vorgenommene Saisonziel für die kommende Saison geht, zumal es zu diesem Zeitpunkt auch intern noch nicht ganz festgelegt ist. Mit dem Abstiegskampf sollte man aber im Idealfall nichts zu tun haben. Doch was ist Rollstuhlbasketball überhaupt? Ganz sicher nicht die behindertengerechte Version einer

Der inklusivste Sport der Welt man in diesem Jahr schon vor der neuen Saison finanzielle Einbußen hinnehmen, doch die Umstrukturierung lief erfolgreich und mit Phillip Schorp konnte sogar ein weiterer Topspieler unter Vertrag genommen werden. Auch ein neuer Trainer wird Ende September an der Seitenlinie stehen: Sven Eckhardt soll dafür sorgen, dass das Team noch stärker zusammen wächst, dann ist in der engen Bundesliga einiges möglich.

‚echten‘ Sportart, wie Korder klarstellt: „Wir wollen weg vom Image einer Nischen- oder Behindertensportart, den Rollstuhlbasketball ist so viel mehr. Ich bin sicher, dass jeder sportaffine Mensch, der einmal bei uns in der Halle gestanden hat, auch wiederkommen wird.” Tatsächlich wissen die meisten nicht einmal, dass in den Teams behinderte und nicht-behinderte Spieler zusammen auf dem Platz stehen. 49


Der gemeinsame Nenner ist also nicht die Behinderung, sondern der Einsatz des Rollstuhls, der aus dem Sport Basketball eine völlig eigene Disziplin macht. Um das Spielgeschehen dennoch so fair wie möglich zu gestalten, kommt ein ausgetüfteltes Klassifizierungssystem zum Einsatz: Spieler ohne jede Behinderung machen 4,5 Punkte aus, je nach Grad der Behinderung fällt die Bewertung immer in 0,5Schritten bis auf minimal einem Punkt herunter. Um die körperlichen Unterschiede zwischen Männern und Frauen etwas auszugleichen, bekommen die Damen noch einmal einen 1,5 Punktebonus, eine nicht-behinderte Spielerin startet bei 3,0 Punkten – nicht ganz unpraktisch also, gleich zwei Nationalspielerinnen im Kader zu haben. Wer aber auch immer auf dem Platz steht, am Ende dürfen bei fünf Feldspielern höchstens 14,5 Punkte zusammenkommen. So muss immer darauf geachtete werden, eine gewisse Balance innerhalb des Teams zu bewahren. Ein faires Spielsystem, in dem Männer und Frauen, behinderte und nicht-behinderte Spieler gemeinsam in einem Team auflaufen – Rollstuhlbasketball dürfte damit

wohl die inklusivste Sportart der Welt sein. Der nächste Schritt ist es, sie vor allem auch in Wiesbaden noch bekannter werden zu lassen. „In der Gesellschaft gibt es einfach zu wenige starke Behindertensportarten, die die Leute dazu bringen würden, Die Heimspiele der Rhine River Rhinos 2018 29.9.18, 17 Uhr: Rhine River Rhinos – RSB Thuringia Bulls 13.10.18, 17 Uhr: Rhine River Rhinos – Doneck Dolphins Trier 27.10,.18, 17 Uhr: Rhine River Rhinos – BSC Rollers Zwickau 11.11.18, 17 Uhr: Rhine River Rhinos – BG Baskets Hamburg 1.12.18, 17 Uhr: Rhine River Rhinos – RSV Lahn-Dill 22.12.18, 17 Uhr: Rhine River Rhinos – Hannover United sich in der Materie mal genauer umzusehen, und das kann ich ehrlich gesagt auch verstehen. Wir haben alle unsere Vorurteile und leben nach ihnen. Aber wer sich einfach mal ein Spiel anguckt wird selber schnell merken, dass Rollstuhlbasketball nicht nur die billige Version vom eigentlichen Basket-

ball ist.” Der Einsatz des Rollstuhls verlangt ganz andere taktische Spielzüge und Raffinessen, um an den Gegenspieler vorbei zu kommen, oft fliegen die Spieler samt Gefährt nach einem Zusammenstoß meterweit über die Außenlinie hinaus. So scheinen sich tatsächlich viele Menschen nicht bewusst zu sein, wie attraktiv die Spiele auf diesen hohen Niveau tatsächlich sein können. Das nun nach und nach auch in der Landeshauptstadt zu ändern, ist für den Verein noch einmal ein zusätzliches Saisonziel. Aber natürlich ist Rollstuhlbasketball für viele eben auch ein wichtiger Mutmacher, um nach einem Schicksalsschlag wie etwa einem schweren Unfall wieder Hoffnung schöpfen und weitermachen zu können. In Wiesbadener Krankenhäusern werden Betroffene zum Teil direkt angesprochen, ob sie nicht mal Interesse hätten beim Training vorbei zu schauen, auch um zu sehen, wie andere vor ihnen dadurch wieder einen optimistischen Weg im Leben einschlagen konnten. ‚You Can´t Stop A Running Rhino‘ steht auf Korders Oberarm geschrieben – es ist eben auch eine der Botschaften, die dieser Sport nach außen trägt. Wer Interesse hat, die Rhinos in ihrer dritten Bundesligasaison live zu sehen und zu unterstützen, sollte zu den Heimspielen in der Klarenthaler Sporthalle in der Geschwister-Scholl-Straße 10 vorbei schauen. Die Saison beginnt am 29.September zu Hause gegen die RSB Thuringia Bulls – der WIESBADER wünscht schon mal viel Erfolg! Weiter Infos unter: www.rhine-river-rhinos.de Konstantin Mahlow

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We have a dream” Das neue Stück der Theatergruppe ZEITLOS

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ür ihre neue Performance hat sich die Theatergruppe ZEITLOS der EVIM Behindertenhilfe auf die Suche nach Vorbildern begeben, jenen Menschen, die zu ihren Überzeugungen stehen und die sich durch Widerstände nicht aufhalten lassen. Entstanden sind daraus szenische Collagen unter dem Titel „We have a dream”, die im Rahmen von „Wiesbaden tanzt” am 21. September auf der thalhaus-Bühne in Wiesbaden aufgeführt werden. Die Theatergruppe ZEITLOS besteht seit über 15 Jahren und ist vielfach mit Bühnenprojekten in Wiesbaden und der Region erfolgreich aufgetreten. Bedingt durch die unterschiedlichen Beeinträchtigungen der Akteure kristallisierte sich als gemeinsames Lebensthema das Thema Zeit heraus – Lebenszeit, Wartezeit, Ruhezeit, Zeit zum Aufbruch. ZEITLOS wird von Hauptamtlichen, Freiwilligen und externen Professionals in der Umsetzung ihrer Themen unterstützt und begleitet. Eine Gruppe von 12 theaterbegeisterten Menschen mit Beeinträchtigungen hat sich im vergangenen Jahr unter anderem mit dem Leben der Geschwister Scholl und des amerikanischen Bürgerrechtlers Martin Luther King vertraut gemacht. Die Akteure haben gemeinsam Filme angeschaut, Biografien und Reden gesichtet und besprochen. Sie haben sich inspirieren lassen von der Haltung und Vision der Vorbilder, für eine bessere Welt zu kämpfen. Und sie haben ihre persönlichen Gedanken zu den Kernthemen Freiheit und Gerechtigkeit aufgeschrieben. All das fließt in das neue Stück - in Tanz, Bewegung, Musik und Sprache - mit ein. Katharina Weil, Tanztherapeutin und Desiree Schwarz leiten im Rahmen der EVIM Kulturarbeit das Projekt. Diszipliniert und mit großer Ernsthaftigkeit sind sie alle bei der Sache. Das neue Stück ist nicht nur inhaltlich und choreografisch anspruchsvoll, WIESBADENER

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sondern erfordert auch stimmliche Präsenz in vielen Szenen. „Fast alle Texte haben die Akteure selbst geschrieben”, sagt Tanztherapeutin Katharina Weil. Mit dabei sind auch Passagen aus der berühmten Rede von Martin Luther King oder aus Briefen von Sophie Scholl. Beeindruckt hat alle, wie diese berühmten Vorbilder für ihre Überzeugungen gekämpft haben, ungeachtet aller Gefahr für Leib und Leben. Diese Hoffnung und diesen Mut übertragen die Akteure in szenische Dialoge und versuchen darüber, Antworten für unsere Zeit zu finden. „Ist es gut sich aufzulehnen? - Manchmal muss man gegen den Strom schwimmen!” Die Akteure der Gruppe wollen Mut machen mit ihren Texten, ihrer Theaterarbeit, die auch Symbol dafür ist, sich persönlichen Herausforderungen zu stellen, Widerstände zu überwinden und daran zu wachsen. Vorbildlich ist somit auch das Engagement der Gruppe ZEITLOS, sich erneut den drängenden Fragen der Zeit zu stellen und in einer weiteren spannenden Theaterproduktion Position zu beziehen. Die Aufführung der Theatergruppe ZEITLOS der EVIM Behindertenhilfe findet statt am 21. September um 20 Uhr im thalhaus Wiesbaden, Nerotal 18. Kartenvorverkauf unter Tel.: 0611-1851267 oder über die Website: www.thalhaus.de. Für 2019 steht dann mal wieder im Rahmen der EVIM Kulturarbeit ein Großprojekt an. In ähnlichen Dimensionen, wie das großartige Tanz- und Theaterprojekt „Die Schöpfung” aus 2015, ist für das kommende Jahr das neue Großprojekt „Arche” in Planung, wieder unter choreografischer Leitung von Miguel Angel Zermeño. Neben den Akteuren der Theatergruppe ZEITLOS wird sicher auch die Tanzgruppe der Schlocker-Stiftung dabei sein und sowie Schülergruppen aus Frankfurter Schulen, die alle durch professionelle Tänzerinnen und Tänzer begleitet werden. Unterstützt wird das aktuelle Projekt wieder von der Frankfurter LORENZStiftung. Wir sind gespannt!

Extra zum Pressetermin gab ein Teil des Aktionsteams einen kleinen Einblick in das bevorstehene Theaterstück! 51



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