WIESBADENER, Ausgabe III/2019

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Wiesbadener Ausgabe III / 2019

Preis: 6,50 €

Magazin für Kunst, KulTouren und Lebensfreude

Führen und folgen –

21. InterWhisky:

Sophisticated and exciting:

exground filmfest 32 –

Tango für die Manager

TAROT! Von AR Lonz

Das 21. Trickfilmfestival: Maximale Filmkunst im Schloss

Die Kunst ist nah:

TatOrte Kunst Wiesbaden

ZEITGLEICH-ZEITZEICHEN “postdigital – von a nach b nach a”

Genuss braucht Entspannung:

Die kulinart 2019 in Frankfurt.

Spannender Start ins dritte Jahrzehnt

Fokus Brasilien



Inhalt

...... Der Sommer verabschiedet sich, ein ereignisreicher Herbst wird uns in seinen Bann ziehen. Die kommenden Monate servieren frische Nahrung für Hirn, Herz und Gaumen. Willkommen im Reich der Künste! 70 Jahre „In Frieden und Freiheit”: Im Zuge der Feierlichkeiten im Jahre 2019 zum historischen Jubiläum von “70 Jahre Bundesrepublik” schuf der Konzeptkünstler Prof. EnnoIlka Uhde ein 74 Exponate umfassendes Gesamtkunstwerk. Und nur ein einziges Mal ist es als Ganzes zu sehen - am 24. September im Kurhaus Wiesbaden. Und einige Tage zuvor gibt es eine „Preview” mit ausgewählten Exponaten im Wiesbadener LOFTWERK (S. 20). Um die Wiesbadener „Tatorte Kunst” gab es zahlreiche Gerüchte und Diskussionen – mittlerweile hat sich ein neues Orga-Team formiert, das intensiv mit der Vorbereitung der 11. Tatorte beschäftigt ist. Es geht also weiter: am 27. Oktober zeigen zahlreiche Künstlerinnen und Künstler in ihren Ateliers ihre Kunstwerke (S. 44).

FlicFlac

MENSCHEN

TANGO AR LONZ

& MEINUNGEN

GAUMENKITZELEIEN

2019 INTERWHISKY GENUSSWERKSTATT KULINART

KULTUR

& KREATIVES

KUNST KÜSST FACHWERK KULTURFONDS 21. TRICKFILMFESTIVAL EXGROUND FILMFEST 32 IN FRIEDEN UND FREIHEIT THEATERDONNER JETZT! BBK – ZEITGLEICH WEINLESE 2019 KONKRETE POESIE CSILLA SZILI-SCHWEER PINK LADIES JUGENDSTIL WIESBADEN CLAUDIA KUTZERA MUSEUM WIESBADEN FILMMUSIKFESTIVAL 2019 TARBUT TATORTE KUNST B3 MEDIENKUNST FLICFLAC MAGAZIN

KULTOUREN I KULTOUREN II

S. 4 S. 6 S. 8 S. 10 S. 12 S. 13 S. 14 S. 15 S. 18 S. 20 S. 27 S. 30 S. 32 S. 34 S. 35 S. 36 S. 37 S. 38 S. 40 S. 41 S. 42 S. 43 S. 44 S. 46 S. 47 S. 22 S. 48

Am 26. und 27.10.2019 verwöhnt die kulinArt – Messe Genuss und Stil wieder ihre Besucher auf „Deutschlands schönstem Campus” in Frankfurt. Die rund 70 Händler und Erzeuger servieren im Oktober wieder ein höchst abwechslungsreiches Programm im denkmalgeschützen Casinogebäude am Campus Westend der Goethe-Universität Frankfurt. (S. 8). Drei spannende und genussvolle Whiskytage verspricht die „Interwhisky”, Europas größte Veranstaltung dieser Art. Vom 22. bis 24. November verwandelt sich das Gesellschaftshaus des Palmengarten in ein einzigartiges Visitor Centre (S. 10). Lange haben wir nichts mehr von Angela Fischer und Rolf Lonz gehört, aber die beiden kongenialen Musiker haben die Zeit genutzt und im Verborgenen getüftelt und gefeilt. Nun präsentieren sie stolz ihr neues Album „TAROT!” mit 13 magisch-rockigen Songs am 9. November im Walhalla im Exil. Zu sehen ist dann auch ihr Musikvideo zum Song „Space in Between” (S. 6).

Doris Bardong In allen vier Ecken soll Liebe drin stecken-I

Mitte November lockt das exground filmfest in seiner 32. Ausgabe Fans des unabhängigen Weltkinos in die hessische Landeshauptstadt. Die Spielstätten Caligari FilmBühne, Murnau-Filmtheater und Kulturpalast sowie ausgewählte Programmkinos in Frankfurt am Main und Darmstadt öffnen ihre Tore für ein spannendes Festivalprogramm. (S. 18). Das und vieles mehr bietet das vorliegende Magazin. Da wünschen wir Ihnen wir immer viel Vergnügen mit Kunst, Kultur und Kulinarik in dieser Ausgabe und einen entspannten Herbst!

IMPRESSUM: Herausgeberin, Gesamtkoordination & Gestaltung: media futura • Inh. Petra Esser • Balduinstraße 28 • 56856 Zell/Mosel • Tel. 06542.954.00.80 • Fax: 06542.954.00.79 • www.media–futura.de • mail@media–futura.de • Gestaltung: Petra Esser • Redaktion: Petra Esser, Tobias Mahlow, Gesine Werner, Konstantin Mahlow • Anzeigenleitung: Tobias Mahlow • Titelbild: Reiner Strasser, catchthefuture • Vignetten: Bernd Schneider • Druck: Printgroup GmbH & Co. KG, 97526 Sennefeld • Redaktionsschluss für die Ausgabe IV/2019: 20.11.2019 • Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages • alle Fotos und Logos wurden uns – wenn nicht anders dokumentiert – von den porträtierten Personen/Institutionen zur Verfügung gestellt. WIESBADENER

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MENSCHEN

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MEINUNGEN

Tango für die Manager „Nur wer sich hingibt, kann führen; und nur wer die Impulse aktiv empfängt und umsetzt, ist im Tango auch fähig zu folgen.” Eine Abendveranstaltung im Wiesbadener „Loftwerk”, dem aktuellen Hotspot für genussvolle Erfahrungen und kunstvolle Werke. Es geht um Kommunikation und Kultur, um (Führungs-)Kultur in Unternehmen und darum, was wir vom Tango über Führen, Führung und Führungskräfte lernen können. Referent Ricardo, „El holandés”, weiß, wovon er spricht – schließlich hat der Tango den Lauf seines Lebens bestimmt. Eigentlich war der Holländer Bauingenieur in einem Architekturbüro und anschließend im Auswärtigen Amt seines Landes tätig. Dann entdeckte er den Tanz der europäischen Immigranten, die auf der Suche nach einem besseren Leben in Rio de la Plata und Buenos Aires oftmals als Tagelöhner strandeten. Fasziniert von der enor4

men Vielfalt der Ausdrucksmöglichkeiten von Gefühlen zwischen den Tanzenden, lernte er zunächst bei Wouter Brave in Amsterdam, bevor er nach Buenos Aires ging, um bei großen Meistern wie Rodolfo Dinzel, Antonio Todaro, Pepito Avellaneda, Eduardo Arquimbau und Milongueros wie Cacho Montegassa und Roberto “El alemán” Thonet zu tanzen und als Tango-Tänzer und TangoLehrer berühmt zu werden. Fasziniert hat Ricardo, mit bürgerlichem Namen Ricardo Klapwijk, dass der Tango ein improvisierter Tanz ist, jedes Mal anders und ohne feste Schrittabläufe: „Ich kenne keinen anderen Tanz, der so viele Möglichkeiten und Figuren hat wie der Tango. Hier kann ich all meine Gefühle zeigen”. Dabei entsteht für ihn ein Körper mit vier Beinen, der sich im Spanungsfeld von Nähe und Abstand, Ruhe und Dynamik, Mann und Frau bewegt.

Zusammen mit Nicole Nau, seiner Tanzpartnerin von 1988 bis 2002, lebte und tanzte er fast 14 Jahre in Buenos Aires – gemeinsam traten sie auf in Tangoshows, bereisten viele Länder der Welt, choreografierten mehrere Shows und produzierten 2002 im Rahmen des Intern. Welt-, Musik- und Theater Festivals Holland, die Tango Oper “Orestes’ last tango” Es war die weltweit erste Tangooper überhaupt, basierend auf dem griechischen Drama „Elektra” von Sophokles. Ein Jahr zuvor fand sich das Tanzpaar als Motiv auf einer Tango-Briefmarke der argentinischen Post wieder und wurde so zum Symbol für den internationalen Durchbruch dieses Tanzes. Presse und Publikum des Landes waren begeistert von den zwei Europäern, die dem Tango einen ganz eigenen Ausdruck verliehen hatten. Anders die Reaktion der KollegInnen: Viele waren neidisch und mieden sie WIESBADENER

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fortan. Die beiden wurden isoliert, konnten aber gerade dadurch ihren eigenen Stil weiterentwickeln.

golehrer, verbreitet sein Wissen in Seminaren und auf eigenen DVDs und bietet diverse Tangoreisen an.

Heute ist für Ricardo das Kapitel Argentinien abgeschlossen. 14 Jahre als Ausländer in Buenos Aires zu leben waren für ihn genug. Er ging zurück nach Europa, nach Deutschland, und arbeitet seitdem als Tan-

Und dann das: Ein Schüler fragte ihn, ob er nicht Interesse hätte, Seminare zum Thema „Führen und Folgen” bei Führungskräften in Unternehmen zu geben. Folgen und Führen – als analytischer Beobachter sah Ricardo sehr deutlich die Verbindung zwischen den Gesetzen des Tanzes und den Umgangsformen in einem Unternehmen. Zunächst musste er aber Hemmschwellen überwinden: „Als große Firmen von dem Thema und Tango hörten, da rannten die Manager erstmal weg. Sich bewegen und vielleicht mit der Sekretärin tanzen, das war für sie nicht vorstellbar”. Führen und folgen: Beim Tango setzt der Mann einen Impuls, den die Frau in Aktivität umsetzt, den Schritt macht und dabei vom Mann begleitet wird. Der Mann gibt den Impuls, sie aber bestimmt, wohin es geht. Es gibt keine Hierarchie, da der Folgende immer wieder zum Führenden wird und umgekehrt. Im Unternehmen gibt der Manager Impulse und schaut, wie das umgesetzt wird. Die Kunst besteht darin zu sehen, wie er die Mitarbeiter dabei begleiten muss. Im Team hat man unterschiedliche Rollen, in diesem Sinne gibt es keine Hierarchie. Und der Arbeitnehmer sollte das Gefühl haben, dass er gesehen wird und eine gute Arbeit macht. Es sollte nicht so sein, dass er sich unterdrückt fühlt und nur fürs Geld arbeitet. Diesen Ansatz zu vermitteln, ist heute schwierig, weil sich fast alles um das Produkt dreht. Doch das steht in

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MEINUNGEN

Wirklichkeit zwischen den Menschen. „Wir müssen Raum geben, dass sich jemand entwickeln und lernen kann. Es ist nicht wichtig zu verstehen, aus welchen Impulsen heraus jemand etwas macht – es ist wichtig, dass wir miteinander umgehen können und uns respektieren.” Und so geht es in seinen Seminaren um Freiheit in Bewegung, Aufmerksamkeit in verschiedene Richtungen, das Zusammenspiel von Denken Fühlen; Kontrolle und Fluss, Improvisation – und natürlich um Tango. Über Anfragen und Einladungen freut sich der heute 67jährige, rührt aber nicht mehr die Werbetrommel. Menschen, die suchen, was er anbietet, finden ihn, da ist er sich sicher. Und immer gilt sein Lebensmotto: Folge deiner Leidenschaft, dann kommt alles andere von alleine. www.tango-argentino.info 5


MENSCHEN

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MEINUNGEN

Sophisticated and exciting

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m 6.September veröffentlichte das Wiesbadener Musiker-Duo AR Lonz sophisticated rock ihr neues Album „Tarot“. Nach einem kurzen Ausflug in die Wiener Kaffeehaus Musik widmen sich die Violinistin und der Gitarrist diesmal einem „magisch-rockigen“ Sound und überzeugen wie schon zuvor mit individueller Klasse und unkonventionellen Kompositionen – der WIESBADENER hat vorab reingehört. Glaubt man dem Spiegel-OnlineRedakteur Björn Rohwer und seiner Analyse von Musikstreaming in Deutschland, erschienen in dem Artikel „Sie sind Schwabe? Dann hören Sie bestimmt Hip-Hop“, ist Wiesbaden wie auch Mainz eine absolute Hochburg des Rap. Dahinter folgen Pop, Sonstiges und Elektro, bevor abgeschlagen mit jeweils nur einem Prozent der gestreamten Musik der gute alte Rock kommt. Für jeden Freund der instrumentellen Musik, der vor den 90igern auf die Welt gekommen ist, ein eher weniger nachzuvollziehbares Ergebnis. Doch zum Glück lassen sich selbst in einer offensichtlich vom Mainstream beherrschten Stadt wie Wiesbaden 6

immer noch erfrischende Ausnahmen finden, in denen Originalität und individuelle Qualität wichtiger sind als hohe Klickzahlen. Das Duo AR Lonz sophisticated rock, das seine Musik über das eigene Label „Ar Lonz + Fischer musicedition + production“ veröffentlicht, gehört mit Sicherheit zu diesen. Der aufmerksame Leser dieser Zeitschrift durfte der Name noch bekannt sein, für alle anderen zunächst ein kleiner Überblick: AR Lonz + Fischer sind ein kleiner Musikverlag am Wiesbadener Loreleiring, geführt von dem Gitarristen und Komponisten Rolf Lonz und der Violinistin Angela Fischer, die fernab der plattgetrampelten Pfaden an interessanten und progressiven Produktionen mit und ohne Gastmusikern arbeiten. Vor zwei Jahren stellten wir bereits an selber Stelle das Album „Mit Herz gegeigt, mit Lust geschrammelt“ vor, eine Hommage an die klassische Wiener Kaffeehausmusik, in dem Lonz und Fischer zum wiederholten Male ihr gekonntes Zusammenspiel präsentierten. Nun also ist die neue Platte (oder CD) „Tarot“ erschienen. Das kongeniale Duo, deren Virtuosität an den Instrumenten in den aktuellen Charts kaum noch

zu finden sein dürfte, liefert dabei eine neue, aufregende Produktion aus den Federn von Lonz ab, in der Elemente der klassischen Rockmusik dominieren – wieder einmal geprägt von der eher untypischen wie aufregenden Kombination von Gitarre und Violine. Schon das erste Stück „Sense Of Delivery“ macht deutlich, wohin die Reise geht. Auf ein hartes, treibendes Gitarrenpicking steigt eine energische, kraftvoll gespielte und dennoch melodische Violine ein, die schon früh klar macht, dass man das Kaffeehaus mittlerweile verlassen hat. Die Gitarre bleibt in diesem wie in den meisten anderen Songs geheimnisvoll und innovativ, verspielt zwischen strumming und picking und weit entfernt von simplen Lagerfeuerakkorden, die Violine neigt in perfekter Ergänzung oft zu einer Mischung aus süßer Melancholie und wachrüttelnden Rhythmen. Harmlose „diner music“ für ruhige Nachmittage darf hier nicht erwartet werden, im Gegenteil: Das Album rockt von vorne bis hinten. Songs wie „Spiderweb“, „Schwebeteilchen“ und „Brise D Occitane“, komponiert im Stile von Rockballaden, drücken zwischendurch etwas auf die Bremse, um WIESBADENER

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einen Moment lang Luft holen zu können und ein wenig treiben zu lassen, bevor man bei „Eclipse“ und dem sensationellen „Sword“ wieder alle Muskeln zucken spürt. Und irgendwo dazwischen nehmen einen „Space In Between“ und „Orakel“ auf eine verträumte Entdeckungsreise mit. Stellt man sich einen Long Player vor, auf dem nur eine Gitarre, ein Gitarren-Kontrabass (beides gespielt von Lonz) und eine Violine zu hören sind, kommt einem womöglich der Gedanke, die perfekte Musik für „den Hintergrund“ gefunden zu haben. Es lässt sich kaum in Worte fassen, wie weit man mit dieser Einschätzung danebenliegt. Der Sound dieses Albums ist so dicht und komplex, jeder Song so voll mit überraschenden Höhepunkten in Melodie und Rhythmus, dass man einfach genauer zuhören muss. Die indiviWIESBADENER

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duellen Qualitäten von Lonz, der die akustische Gitarre, die 12-Saiten-Gitarre und den kaum gespielten Gitarren-Kontrabass nahezu in Perfektion beherrscht, und Fischer, die mit ihrer Exzentrik und Energie ein für allemal den berechtigten Platz der Violine in der Rockmusik unterstreicht, verschmelzen hier zu einem kleinen Meisterwerk, das alle Beachtung verdient hat. Auch wenn Ar Lonz sophisticated rock auf den großen Bühnen noch vergeblich zu suchen ist, bietet sich interessierten Lesern mehr als eine Möglichkeit die Fühler auszustrecken. Einen tollen Einblick bekommt man auf youtube beim Video zu „space in between“, einem der stärksten Stücke auf dem Album. Oder man organisiert sich gleich Karten für eines der anstehenden Konzerte in der Region, nämlich am 26.Oktober im Gerberhaus in Idstein oder, zum

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MEINUNGEN

ersehnten Auftritt in der Heimatstadt, am 9.November in Wiesbaden im ‚Walhalla im Exil‘. Das Album und viele andere Schätze jenseits der Spiegel-Charts können auf der verlagseigenen Homepage www.arlonz-edition.de erworben werden. Ob dann aus der Hip-Hopund Rap-Hochburg Wiesbaden doch noch ein kleines gallisches Dorf innovativer Rockmusik wird, bleibt abzuwarten. Wir empfehlen so oder so allen Musikfans wärmstens, „Tarot“ in die Plattensammlung aufzunehmen. Konstantin Mahlow

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GAUMENKITZELEIEN

Genuss braucht Entspannung: Die kulinart 2019 in Frankfurt

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m 26. und 27. Oktober 2019 verwöhnt die Messe ifür Genuss und Stil wieder ihre Besucher auf „Deutschlands schönstem Campus“ in Frankfurt.

probiert, verkostet, geschlemmt und geshoppt. Dazu gibt es dieses Jahr Spezialitäten der Gastregion Galicien, präsentiert vom Spanischen Fremdenverkehrsamt.

Wo kann man heute noch ganz entspannt genießen und shoppen? Für Kenner der kulinart eine rein rhetorische Frage, denn das ist seit vielen Jahren das Konzept der kleinen feinen Genussmesse: Besucher und Aussteller begegnen sich hier zum persönlichen Austausch, es wird

Die rund 70 Händler und Erzeuger servieren im Oktober wieder ein höchst abwechslungsreiches Programm im denkmalgeschützen Casinogebäude am Campus Westend der Goethe-Universität Frankfurt. Wer gerne die neuesten Foodtrends aufspürt, wird hier eben-

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so fündig, wie die Liebhaber von klassischen kulinarischen Genüssen. Der Marktplatz der kulinart hat für jeden Geschmack das passende Angebot und genau das richtige Ambiente für entspannten Genuss. Das merkt man schon beim Eintritt in die Messe: Da empfängt einen gleich der würzige Kaffeeduft des Frankfurter „Röstsalons“ bohnerie. Das Café lädt nicht nur zu entspanntem Ankommen und späterem Pausieren ein, sondern auch zu Fragen und WIESBADENER

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Austausch mit dem Barista rund um Röstvorgang, Herkunft der Bohnen und Aromen. Seit der ersten kulinart im Jahr 2004 ist Nachhaltigkeit ein zentrales Thema der Genussmesse. Gleich zwei neue Anbieter haben sich hierbei dem Lebenselement Wasser verschrieben: Das Startup Peak Aqua hat nach eigenen Angaben das beste Wasser der Welt gefunden und liefert nun reinstes basisches HochgebirgsQuellwasser zu durstigen Genießern nach Hause. Die Firma LUQEL will zu einem bewussteren Umgang mit der Ressource beitragen und bietet dazu ein komplettes Ökosystem aus stylischem Trinkwasserfilter, Thermoflasche und digitalem „Water Coach“ fürs Smartphone. „Plastic is over“ ist auch das Motto von Wildwax Tuch aus Frankfurt. Ihre Bio-zertifizierten Bienenwachs-Tücher zum Frischhalten, Einfrieren, Abdecken und Mitnehmen von Lebensmitteln sind eine sinnvolle und intelligente Alternative zu Cellophan, Aluminium und Co. Bewusste Genießer fragen bei Fleisch, Obst und Gemüse bereits nach der Herkunft. Doch wie steht es bei Kräutern und Gewürzen? Roots Natural bietet eine köstliche Vielfalt u. a. aus Afrika, Asien, Europa und dem Orient und gewährleistet bei jedem einzelnen Produkt einen nachhaltigen Umgang mit der Natur, faire Bezahlung für die harte Erntearbeit sowie Transparenz über die (hohe) Qualität. Entsprechend exklusiv und geschmacksintensiv sind dann auch ihre Nelken aus Pemba, die Chili aus Kreta, der Schokoladenpfeffer aus Nepal oder der Safran aus Mashad. Auf der kulinart kann man nun viele dieser natürlichen Geschmackserlebnisse ausprobieren – Premiere auf der Messe. Herkunft und Wertschöpfung der feinen Edelkakao-Schokoladen von RedCat sind ebenfalls komplett WIESBADENER

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transparent. Sie werden von der Bohne bis zur Kuvertüre komplett im Ursprungsland Kolumbien produziert und in Pforzheim per Hand in wunderschön designte Banderolen aus 100 % FSC zertifiziertem Papier gehüllt. Eine Schokolade, die Naschkatzen und Bauern gleichermaßen erfreut. Mehr „fair food“ gefällig? Die österreichische Schalkmühle versorgt die Besucher der kulinart mit leckerem Bio Superfood aus Saaten & Kernen, darunter pflanzliche Proteinpulver und Brotaufstriche sowie Klassiker wie das original Steirische Kürbiskernöl. Dazu bieten sich die herzhaften Spezialitäten von Mein Speck aus Südtirol an: Mit RosmarinSchüttelbrot, Bergsalami und gut gereiftem Speck lässt sich eine traditionelle Südtiroler Brotzeit auch am Main hervorragend genießen.

der kulinart zur Verkostung bereit. Wer es im Glas etwas konservativer mag, der wird von Design Bubbles mit einer feinen Champagnerauswahl bedient oder lässt sich von stilvol. traditionell erzeugte Liköre und Schnäpse in zeitgemäßem Design servieren. Wie man aus den erlesenen Zutaten der kulinart zu Hause selbst feine Gerichte zubereitet, zeigt der langjährige Messepartner Miele. Miele Tafelkünstler Marcus Schneider von der Kochschule cooking concept präsentiert dieses Jahr sogar eine echte Weltneuheit – den Miele „Dialoggarer“. Man darf – ganz entspannt – gespannt sein.

Von Königstein im Taunus aus hat das Team von TOMAMI seinen Erfolgszug um die Welt der Kulinarik angetreten: Seit ihrem ersten Mal auf der kulinart im letzten Jahr sind die Hersteller der rein pflanzlichen Würzsaucen aus 100 % Tomaten so richtig durchgestartet und konnten zahlreiche Sterneköche und Foodprofis für ihre „Umami“-Würze begeistern. Vom Gemüse zum Obst: Was man alles Tolles aus der Kirsche machen kann, führt die Mainzer Kirschmanufaktur Amorello vor. Ob Wein, Sekt, Likör oder sogar Gin – die vielen Sonnentage in Rheinhessen und der integriert-kontrollierte Obstanbau in den Kirschgärten ergeben in jeder Darreichungsart ein hervorragendes Aroma. In Hessen darf natürlich auch der „Ebbel“ nicht zu kurz kommen. Dafür sorgen beispielsweise Born in the Wetterau mit ihren ApfelweinErfrischungen und Dr. Höhl‘s mit dem klassischen BIOESS Apfelessig, ja sogar ein Bembel Gin und der Gin Sieben der Brennerei Henrich auf Basis der Grünen-Soße-Kräuter stehen für Experimentierfreudige auf

kulinart 2019 – Messe für Genuss und Stil 26. und 27. Oktober 2019 in Frankfurt, Casinogebäude am Campus Westend der Goethe-Universität Öffnungszeiten: Samstag 12 – 22 Uhr und Sonntag 11 – 19 Uhr Eintritt für Besucher: 12,– € www.kulinart-messe.de Alle Fotos: Katharina Bauer 9


GAUMENKITZELEIEN

21. InterWhisky in Frankfurt am Main

Spannender Start ins dritte Jahrzehnt

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ie Kopie sei die beste Form des Kompliments, wird gesagt. Die mit den Jahren gestiegene Zahl der Whiskymessen allein im deutschsprachigen Raum ist demzufolge der beste Beweis dafür, dass Christian H. Rosenberg den richtigen Weg eingeschlagen hatte, als er 1997 in Frankfurt am Main die InterWhisky als erste Messe dieser Art in Deutschland organisierte. Im November startet diese etablierte Messe, die weit mehr ist als nur eine bloße Ausstellung, in ihr drittes Jahrzehnt – und auch diese 21. Veranstaltung bietet wieder für jeden etwas. Wer eine Fachmesse besucht, will sehen, welche Neuheiten es gibt auf seinem Interessengebiet. Diese Neuheiten wollen probiert oder erprobt werden und – wenn der Preis stimmt – eventuell auch gekauft. 10

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Messebesucher sind Gleichgesinnte, ganz egal, was Gegenstand einer solchen Ausstellung ist. Das ist erst recht der Fall, wenn der Whisky im Mittelpunkt steht: Diese Spirituosengattung wird ständig um Neuheiten und Varianten aus aller Welt ergänzt und stößt auf immer größeres Interesse. Eine Whiskymesse, die auch diese Bezeichnung verdient, muss folglich mehr sein als eine Ausstellung – sie muss Forum sein für alle Interessierten, ob das nun Einsteiger sind oder erfahrene Kenner. Genau das war und ist die InterWhisky – ein Forum. Als solches bietet diese 21. InterWhisky wieder für jeden Besucher etwas: Im zentral gelegenen, barrierefrei ausgestatteten Gesellschaftshaus Palmengarten sind Brennereien aus vielen Ländern mit neuen wie auch etablierten Abfüllungen vertreten. Jeder verfügbare Whiskey und auch manch andere Spirituose wie Rum kann an Ort und Stelle probiert werden. Fachleute aus den Hersteller- und/oder Importfirmen stehen bereit, um Fragen zu den Produkten und deren Herstellern zu beantworten. Doch das ist beileibe nicht alles, was Interessierte an Wissenswertem über Whisky erfahren können: In kostenfreien, 30minütigen Whisky-Foren gibt es von Fachleuten Vorträge über Marken, die jeweils verbunden sind mit einer kleinen Verkostung. Mehr zu lernen und zu probieren gibt es in den allerdings kostenpflichtigen Master Classes. Diese dauern jeweils 45 Minuten, in denen zudem maximal fünf Degustationen durchgeführt werden. Da die Plätze für die Seminare begrenzt sind, empfiehlt es sich, die Tickets für die gewünschte Master Class gleich mit der Eintrittskarte zu erwerben. Das gilt natürlich auch – oder: erst recht – für die Grand Master Classes. Das sind Vorträge mit einer Verkostung von maximal acht ganz besonderen Raritäten, die alles in allem volle 90 Minuten dauern – eineinhalb Stunden voller Höhepunkte …

sondern zudem ein Feinschmecker, der sollte sich unbedingt einen Platz beim exklusiven „Whisky Talk & Dinner“ sichern: Zwischen den einzelnen Gängen des optimal auf die dazu servierten Whiskys abgestimmten Menüs halten Repräsentanten der Brennereien interessante Vorträge. Wer es nicht zu diesem Termin schafft, braucht freilich nicht auf vielerlei Leckeres zu verzichten: Das gastronomische Angebot vor Ort entspricht dem Niveau von Ausstellung und Rahmenprogramm. Und weil für nicht wenige Freunde von Whisky erst eine passende, feine Zigarre den Genuss rund macht, ist auch für diese Zielgruppe mit einer Cigar Lounge gesorgt. Die zahlreichen Stände der renommierten Aussteller und das vielschichtige Rahmenprogramm summieren sich zu einem erlebenswerten Festival für die wahren Genießer. Fazit: Frankfurt ist auch zum 21. Mal eine Reise wert!

21. INTERWHISKY VOM 22. BIS 24. NOVEMBER 2019 Veranstaltungsort

Öffnungszeiten

Gesellschaftshaus Palmengarten Palmengartenstr. 11 60325 Frankfurt am Main

Freitag: Samstag: Sonntag:

14 – 21 Uhr 12 – 21 Uhr 12 – 18 Uhr

Aktuellste Infos/Tickets, Tipps & mehr: www.interwhisky.com www.facebook.com/InterWhisky

Ein Highlight ist zweifellos auch die alljährliche Verleihung der „Germany´s Best Whisky Awards“, die in den Kategorien „Whisky Motion“, „Whisky Bar“, „Whisky Shop“, „Whisky International“ sowie „Whisky National“ verliehen werden. So erfahren InterWhisky-Besucher aus erster Hand, was in diesem Jahr wirklich empfehlenswert ist. Und wer nicht nur ein Whiskygenießer ist, WIESBADENER

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Das neue Restaurant im Atrium Hotel Mainz: Nachhaltig, unverfälscht und einzigartig Nachhaltigkeit und Ehrlichkeit, Purismus und Perfektion, unverfälschter Genuss und handwerkliche Kreativität - das sind die Erlebnisfaktoren, die das Konzept des Restaurants „GenussWerkstatt” im Atrium Hotel Mainz ausmachen, das im April dieses Jahres eröffnet wurde und sich seitdem einer regen Nachfrage erfreut. Dies liegt an dem in Mainz bisher einzigartigen Konzept: Gerade einmal 20 Personen finden hier Platz Die Atmosphäre ist ungezwungen, der Service nah dran am Gast. Man legt Wert auf Einfühlsamkeit, die es braucht, um sich rundum wohl zu fühlen – Essen und genießen mit Freunden „wie bei Freunden”. Auf das à la carte Geschäft wird bewusst verzichtet, serviert wird ein einheitliches Menu-Erlebnis mit bis zu 10 Genuss-Abfolgen. Dabei werden vorab bei der Reservierung die Details der kulinarischen Entdeckungsreise abgesprochen, um die Wünsche der Gäste berücksichtigen zu können. Was dann auf die handgefertigten Unikatteller kommt, ist Einfachheit bei höchster Bio-Qualität mit Lebensmitteln, 12

die überwiegend aus der Region kommen. Gehoben aber nie abgehoben Diese Vision setzen Carl Grünewald, sein Sous-Chef Sebastian Schmidt und sein Team in einem regional-saisonal geprägten Menü um. Dazu wird natürlich aufbereitetes Wasser in Karaffen gereicht, und die von Sommelier Oliver Habig ausgeschenkten Weine lassen keine Wünsche offen. Jeder Gang ist einzigartig und auf das Wesentliche reduziert. Es geht um gemeinsame Zeit mit Freunden, puren Genuss und großartige Weine. Das neue Genusskonzept in der „GenussWerkstatt” ist ganzheitlich und schließt auch die Präsentation der Speisen sowie die Gestaltung des Gastraums mit ein. Handgemachtes Steingut, individuelle Töpferware, schlichtes Besteck, Servietten und Deko aus Naturmaterialien – all das soll zeigen: Hier weht ein frischer Wind. Das sorgt für Wohlfühl-Atmosphäre und ein klares, stimmiges Gesamtbild.

Angebot des Atrium Hotel Mainz und lädt mit immer neuen, kreativen Speisefolgen zum ungezwungenen Genießen ein. “Unser Ziel ist es, die besten Produkte, die die Region, die Natur und das Land uns bieten, in geschmacklich und optisch überzeugende Gerichte umzusetzen. Mit klassischem Handwerk und innovativen Ideen schaffen wir ungewöhnliche Kombinationen, die neugierig auf mehr machen”, so Carl Grünewald. Die GenussWerkstatt öffnet nach der Sommerpause wieder ab 5. September, jeweils Donnerstag bis Samstag ab 18 Uhr. Für Gruppen ab 8 Personen auf Anfrage auch an anderen Tagen buchbar. Reservierungen unter: Tel. 06131 491-0 oder per E-mail unter info@atrium-mainz.de

Das Restaurant “GenussWerkstatt” ergänzt das gastronomische WIESBADENER

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KULTUR

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KREATIVES

Kunst küsst Fachwerk

Wiesbadener Künstler Bernd Schneider in Osterrode

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iner Initiative von über 30 engagierten Osteroder Bürgerinnen und Bürgern im Harz ist es gelungen, 2019 ein erfolgreiches Kulturevent unter dem Namen DenkmalKunstKunstDenkmal neu aufzulegen. Über 20 Fachwerkhäuser, Locations und Denkmäler verwandelten sich vom 17. Bis 24. August in Ateliers und Galerien von etwa 60 bildenden Künstlern. Die Künstler empfingen ihre Besucher in außergewöhnlichen Gebäuden mit z.B. Malerei, Bildhauerei, Fotografie und verschiedenstem Kunsthandwerk. Leerstehende Häuser wurden erlebbar und konnten einmal aus einer völlig neuen Perspektive betrachtet werden.

Nach Abriss des mittelalterlichen Johannistores um 1799 befand sich hier eine Polizeiwache mit Arrestzelle bis 1945. Auf dem Rückzug in den Harz sprengte die Wehrmacht am 11.4.45 alle Sösebrücken, und am schlimmsten getroffen hatte es die Gegend um die Johannistorbrücke: alle Gebäude in Brückennähe wurden zerstört, so auch die Polizeiwache. Durch mangelndes Baumaterial konnte der Bau erst Jahre später endgültig repariert werden. Auf dem Platz der ursprünglichen Polizeiwache wurde 1949 ein Pavillon erbaut. Nach Schließung des Modegeschäfts 1977 hat man hier „Spielwaren-Lenz” eingerichtet. –

Den Großbrand 1979 hat Nr. 10 als einziges Haus der Straßenseite heil überstanden. Nachdem „Spielwaren-Lenz” 2011 geschlossen wurde, wird das jetzt städtische Gebäude saniert für neue Nutzungspläne. Acht Tage lang hat Bernd Schneider das leer stehende Haus mit seinen phantastischen Figuren bestückt – und dem Gebäude so eine neue, künstlerische Dimension verliehen. Dankenswerterweise hat uns der Künstler einige Fotos seiner Ausstellung zukommen lassen, die wir hier zeigen, nachdem das Kunstwerk mittlerweile längst abgebaut und leider nicht mehr erlebbar ist.

Weitere Gebäude und Plätze wurden mit Konzerten verschiedenster Musikgenre, Lesungen, Theater und Kleinkunst zu lebendigen und außergewöhnlichen Veranstaltungsorten. Der Wiesbadener Künstler Bernd Schneider aus der Ateliergemeinschaft Jahnstraße war mit dabei – zum zweiten Mal. Einquartiert wurden er und seine Installationen im sog. Lenzhaus, das eine bewegte Geschichte hat. WIESBADENER

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„Jazz geht´s los“ in Südhessen. Mit der 12.500 Euro-Spritze ist das 16. Darmstädter Jazzforum gesichert. „Godot - Die Kulturwerkstatt e.V.“ in der Westendstraße bespielte mit „einer Art Festival“ und „Poesie im Park“ das idyllische Naturambiente am Schloß Biebrich. Der Fonds machte 10.000 Euro locker für „Parktraktionen“, die mit dem Sprungturmfestival des Theaters Quarantäne in Darmstadt kooperierten.

Zum 10. Geburtstag wird das MADE.Festival von laPROF die Stadt Wiesbaden „100 % ERGREIFEN”. Am Schlachthof kam das Team mit Dr. Helmut Müller (rechts), Angelika Sieburg (2. von rechts) und Schauspielerin Cornelia Niemann (4. von rechts) zusammen.

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in Dauerbrenner mit Breitenwirkung. Der Kulturfonds Frankfurt Rhein-Main ist ein erfolgreiches Unikat. „Kultur für Alle“ ist die Devise und auch die Freie Szene kommt nicht zu kurz.

von Gudrun Winter mit ihrem Team als „Shorts at Moonlight“ immer an idyllischen Orten (auch schon in Mainz und Wiesbaden) Open Air präsentiert, flimmerten zum zweiten Mal im Schloßhof Reichartshausen – vom Kulturfonds Rhein-Main ermöglicht – über die Lein-

Norwegens Ikone, Trickfilm-Juwelen, Shorties, Tourette und 100prozentiges Ergreifen Kulturfonds Frankfurt Rhein-Main ist so frei in seiner Förderung von Klassikern und schrägen Innovationen Das biennale MADE.Festival der Freien Darstellenden Künste Hessen führt die hessische Theatergastspiel-Kultur zu neuer Blüte. LaPROF, der Landesverband Professionelle Freie Darstellende Künste Hessen e.V., feiert 10. Geburtstag und mischt mit drei tollen Tagen den öffentlichen Raum auf. „Wir wollen 100 % ergreifen“ ist das Motto der Jubiläums-Edition, von laPROF-Chefin Angelika Sieburg, Katja Hergenhahn und Steffen Lars Popp kuratiert, Vom Konzept des „reisenden Festivals“ und dessen Vernetzung überzeugt, ist der Kulturfonds so frei und fördert das „regionale Ergreifen“ mit 20.000 Euro. Die in der Region beliebten „Shorties“,

wand. „Die zwei Abende in OestrichWinkel sind der krönende Abschluß“, ist Dr. Müller begeistert vom Gastspiel auf dem Campus der EBS Universität für Wirtschaft & Recht im Rheingau. Und dem Rheingau Musikfestival wird auch ein Highlight ermöglicht. Der Kulturfonds Frankfurt Rhein-Main förderte das furiose Konzert „Gezi Park 1“ von Fazil Say mit Klängen von Steve Reich, Tan Dun und Say. Der Starpianist und Komponist aus Ankara brachte mit dem Klavierduo Ferhan & Ferzan Önder das Kurhaus zum Erbeben. Martin Grubinger Junior und Senior (!) waren dabei mit Alexander Georgiev die Herren der tanzenden Schlägel.

Dem Landesmuseum Wiesbaden wurde im Vorfeld der Buchmesse – Gastland Norwegen – durch ansehnliche Förderung die erste europäische Retrospektive des skandinavischen Landschaftsmalers Harald Sohlberg ermöglicht. Das Sohlberg-Gemälde „Mittsommernacht“ ist Norwegens Ikone. Schirmherr der gexzellenten Schau ist MP Volker Bouffier. Die 21. Literaturtage Wiesbaden mit Gastgeberin Eva Menasse werden mit rund 20.000 Euro Förderung finanziert. Die kulturpreisgekrönten „Freunde der Filme im Schloss“- Joachim Kreck, Detelina Grigorova-Kreck und Michael Fechner laden vom 23. bis 27. Oktober 2019 zum 21. Internationalen TrickfilmWochenende. „Wer einen Oscarpreisträger treffen will, ist beim Festival goldrichtig“, weiß Dr. Müller. „Wir wollen auf das Kleinod im RheinMain-Gebiet hinweisen, das im Schloß Biebrich beheimatet ist.“ Das einzigartige Juwel wird mit 10.000 Euro gestützt. „Das Festival mit herausragender Stellung bietet die Chance, cineastische Kultur vom Feinsten und ein sträflich unterschätztes Genre zu erleben.“ Auch die Tanzplattform als innovative Kooperation von Freier Szene und staatlicher Institution wird unterstützt. Das Frankfurter Künstlerhaus Mousonturm und das Hessische Staatsballett bespielen mit dem Tanzfestival RheinMain im Oktober und November Darmstadt, Frankfurt, Wiesbaden. Offenbach hat Premiere. „Chinchilla Arschloch, waswas“. Förderung ging auch an diese „Nachrichten aus dem Zwischenhirn“ von Rimini Protokoll, die als MousonturmProduktion im Bockenheimer Depot irritierten und beim Festival „Grenzenlos Kultur“ im Staatstheater Mainz zu Gast waren. Protagonist Christian Hempel erklärt: „Keine Absicht – nur Tourette.“ Und wenn Anno 2020 der B3-Parcours im Nassauischen Kunstverein Wiesbaden Station macht mit Rachel MacLean, ist auch KulturfondsFörderung im Spiel. www.kulturonds-frm.de Text und Foto: Gesine Werner

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„Eine Art Festival” mit „Parktraktionen” wird besprochen. Kulturfonds-Geschäftsführer Dr. WIESBADENER III/2019 Helmut Müller mit Mario Krichbaum und Ludmila Lorenz vom Verein Godot e. V. im Westend (von links).


KULTUR

&

KREATIVES

White Snake

Das El Dorado der trickreich animierten Hochkaräter 21. Internationales Trickfilm-Festival im Filmschloß Biebrich vom 23. bis 27.Oktober 2019 / Opening in der Caligari-FilmBühne / Schirmherr ist Ministerpräsident Volker Bouffier

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lle Jahre wieder zeigt sich Wiesbaden als El Dorado der flimmernden Preziosen. Die Fans scharren mit den Hufen in Vorfreude auf „trickreich“ animierte Hochkaräter. Maximale Film-Kunst, minimales Budget und äußerst moderate Eintrittspreise - Markenzeichen des Internationalen TrickfilmFestivals Wiesbaden. Im „Filmschloß“ Biebrich geht vom 23. bis 27. Oktober 2019 der erfolgreiche Dauerbrenner in die 21. Spielzeit. Schirmherr ist Ministerpräsident Volker Bouffier. Das ziemlich lange Wochenende startet wie im Jubiläumsjahr 2018 am Mittwoch abend mit Kulturdezernent Axel Imholz. Könnte eine neue Tradition werden. Zum zweiten Mal geht der Auftakt im Caligari über die FilmBühne. Englisch untertitelt, führt der in Annecy gefeierte Langfilm „White Snake“ (China/USA) in die Volkssage der WIESBADENER

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späten Tang-Dynastie - „visuell prächtig und vollgepackt mit Actionszenen.“ Als kulturpreisgekrönte „Freunde der Filme im Schloss“ zeigen

Joachim Kreck & Detelina Grigorova-Kreck im Trio mit dem unverzichtbaren „Dritten Mann“ Michael Fechner wieder rund 100 Werke aus diversen Ländern, zwei spektakuläre Langfilme inklusive.

Bestens vernetzt, bereiten Detelina Grigorova-Kreck und Joachim Kreck das 21. Internationale Trickfilm-Festival vor mit Poster-Entwürfen des Langfilms „White Snake”. Foto: Gesine Werner

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KULTUR

&

KREATIVES

Das Gründungs-Paar ist eingebunden in das Oral history-Projekt „Erlebte Geschichte & Geschichten“ des Fördervereins Stadtarchiv Wiesbaden. Dem qualitätsbewußten Publikum wird exzellentes Programm geboten, absolute Unikate in vier „Best of international Animation“-Sektionen. Der Freitag gehört den „New Talents“. Aus Weißrußland kommt Play for today“ von Daria Dedok, aus Japan stammen „Keep forgetting“ von Takahiro Shibata und „Bath House of Wales“ von Koji Yamamura. In Ottawa prämiiert, zeigen Pepi Lorelei & Chris Strickler ihr Experiment „Bird Milk“. In Stuttgart preisgekrönt wurde „Sounds Good“ von Sander Joon aus Estland. Supervisor Priit Pärn, gut befreundet mit Familie Kreck, ist ein nicht nur im Baltikum renommierter Experte. Das international etablierte Festival basiert auf Zusammenarbeit mit dem Kulturamt der Landeshauptstadt Wiesbaden, der FBW und der Omnimago GmbH Ingelheim. Zum Etat von rund 45.000 Euro steuert neben der Stadt Wiesbaden und Hessen-Film der Kulturfonds Rhein-Main 10.000 Euro Förderung bei. Dr. Helmut Müller hatte einst als Oberbürgermeister den Kulturpreis der Landeshauptstadt überreicht. Der KulturfondsGeschäftsführer schätzt die Qualitäten des „Leuchtturm-Festivals“ außerordentlich und rät. „Wer hervorragende Animationsfilme sehen und einem Oscar-Preisträger wie Thomas Stellmach begegnen will, muß zum Trickfilm-Festival im Schloß Biebrich gehen.“ Nicht nur der mit 1000 Euro dotierte Preis des Kulturamtes der LH Wiesbaden wird vergeben. In guter Tradition ist das Publikum wieder die Jury und gibt nach jeder Vorstellung das Votum für die Preise ab. Die „Filmsortiment GmbH Hamburg“ (Publikumspreis) und die Sparkassen-Versicherung (New Talents) sind Sponsoren. Fachfrau Detelina Grigorova-Kreck und Experte Joachim Kreck, sechs 16

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KULTUR

&

KREATIVES

ZOGG

Mal in Folge mit dem Hessischen Filmpreis geehrt, haben ein Programm mit „echten Schmankerln“ kuratiert.

Psychothriller „Acid Rain“ eingeladen. Aus Offenbach kommt Merlin Flügel mit seinem Diplomfilm „Rules of Play“.

Als zweiter Langfilm wird „Funan“ gezeigt, in Annecy preisgekrönt und eine multinationale Coproduktion (Frankreich, Kambodscha etc.). Regiedebütant und Co-Autor Denis Do erzählt, inspiriert von Erinnerungen seiner Mutter, die Geschichte einer Familie in der Terrorzeit der Roten Khmer.

Die Hochschule Rhein-Main (Kommunikationsdesign) ist auch mit an Bord - in Person von Isabell Laue und dem Musikvideo „Glorious Games“, die Band kommt mit nach Biebrich.

Als spezieller Clou gilt „Spike & Mike`s Sick Twisted Festival of Animation“, das noch nie in Deutschland lief. Im Schloß bietet sich die „einmalige Gelegenheit“ der Sichtung: Craig „Spike“ Decker & Mike Gribble waren in den 70ern Rockkonzert-Promoter, zeigten alte Trickfilme im Vorprogramm und wurden Festivalgründer. Mit „Sex and Violence“ und „Tupelo“ ist Bill Plympton hier vertreten. Drei brandneue „Trump Bites“ von. Bill, ein guter Freund des Gründerpaares und zweimal zu Gast im Schloß, sind auch zu sehen. Die genialen Shorties mit Trump-Originalton(!) schuf der „King of Animation“ weltexklusiv für die New York Times. Bill gab sie für Wiesbaden frei. Auch sein kultverdächtiges Musikvideo „Wicked world“ (mit Matt Jaffe) wird in Biebrich gezeigt.

Ein Herz für Kinder Detelina Grigorova-Kreck liegt das Nachwuchsprogramm „Tricks for Kids“ am Herzen. In der SonntagsMatinée mit sieben hervorragen-

den Kurztrickfilmen läuft das BBCZDF Weihnachts-Special „ZOGG“ als deutsche Vorpremiere. Berührend ist der doppelt ausgezeichnete Berlinale-Beitrag „Drachensteigen“. Infos: www.filme-im-schloss.de Kartenvorbestellung: info@filme-im-schloss.de Telefon: 0611 – 84 07 66 Gesine Werner

Trump Bites

Tomasz Popakul, Preisträger beim Animafest Zagreb, ist mit seinem WIESBADENER

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KULTUR

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KREATIVES

aus: Bacurau

Fokus Brasilien exground filmfest 32 vom 15. bis 24. November 2019 in Wiesbaden

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itte November lockt das exground filmfest in seiner 32. Ausgabe Fans des unabhängigen Weltkinos in die hessische Landeshauptstadt. Die Spielstätten Caligari FilmBühne, Murnau- Filmtheater und Kulturpalast sowie ausgewählte Programmkinos in Frankfurt am Main und Darmstadt öffnen ihre Tore für ein spannendes Festivalprogramm. Zahlreiche internationale Filmgäste präsentieren über 200 unabhängig produzierte Lang- und Kurzfilme, darunter internationale, deutsche und Weltpremieren sowie exklusive Vorführungen von Filmen, die in Deutschland nicht im Kino zu sehen sein werden. Daneben gibt es Rahmenveranstaltungen mit Workshops, Ausstellungen, Konzerten, Partys und Podiumsdiskussionen. 18

Der Länderschwerpunkt beim diesjährigen exground filmfest ist dem vielfältigen Filmschaffen in Brasilien gewidmet. „Besonders interessant ist der Fokus als Momentaufnahme vor einschneidenden gesellschaftlichen und kulturpolitischen Umwälzungen, die – ausgelöst durch den Amtsantritt Jair Bolsonaros im Januar 2019 – das brasilianische Kino grundlegend beeinflussen dürften“, erklärt Kurator Amos Borchert die Wahl des diejährigen Länderschwerpunktes.

Preisgekröntes Kino aus Brasilien

Präsentiert werden im Fokus ca. zehn aktuelle Langfilme, ein historischer Langfilm und ein von Carsten Spicher (Internationale Kurzfilmtage Oberhausen) kuratiertes Kurzfilmprogramm auf

16 und 35mm, das eine Zeitreise durch die brasilianische Politik und Gesellschaft unternimmt. Ein besonderes Highlight im Programm ist BACURAU von Kleber Mendonça Filho und Juliano Dornelles. Angesiedelt in naher Zukunft in dem Dorf Bacurau, spiegelt dieses dystopische Mystery-Science-Fiction-Drama aktuelle Konflikte einer zutiefst gespaltenen brasilianischen Gesellschaft wider und zeigt überspitzt die Unmenschlichkeit in einer Welt, die von kapitalistischen und faschistischen Regeln geprägt ist. Bei den Filmfestspielen in Cannes erhielten die Regisseure dafür den Preis der Jury. Ebenfalls in Cannes ausgezeichnet wurde Karim Aïnouz’ neues Werk A VIDA INVISÍVEL DE EURÍDICE GUSMÃO (DIE SEHNSUCHT DER SCHWESTERN GUSMÃO). Im Rio de Janeiro der 1950er-Jahre sind die beiden Schwestern Gusmão trotz ihrer großen Unterschiede unzertrennlich. Die zurückhaltende Eurídice hält auch über Jahre den Kontakt zur extrovertierten Guida, als diese mit einem Seemann durchbrennt. Doch alle Versuche der Schwestern, sich wiederzusehen, werden von der Familie unterWIESBADENER

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KULTUR

&

KREATIVES

aus: The fathers shadow

bunden. Karim Aïnouz’ Romanverfilmung ist ein ebenso berührendes wie scharfsinniges Melodram über die Mechanismen einer patriarchalen Gesellschaft.

gelingt Gabriela Amaral Almeida ein wohltemperierter Mix aus Drama, Horror und Fantasy. exground filmfest zeigt den Film als Deutschlandpremiere.

von Krieg aus weiblicher Perspektive wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Preis für den besten Dokumentarfilm in Cannes.

Ein Plädoyer für ein queeres, generationsübergreifendes Brasilien ist der Debütfilm von Armando Praça. In GRETA nimmt der 70-jährige, schwule Krankenpfleger Pedro einen jungen Patienten, Jean, bei sich zu Hause auf, um das freigewordene Bett im Krankenhaus seiner Freundin, der erkrankten Transfrau Daniela, zu geben. Zwischen Pedro und Jean entsteht eine zärtliche, körperliche Beziehung – trotz Jeans krimineller Vergangenheit.

Starke Dokumentarfilme im exground-Programm

Weitere Infos unter: www.exground.com

Nach dieser berührenden Erzählung über Liebe, Freundschaft, Sex und Alter sieht sich der Zuschauer in A SOMBRA DO PAI (THE FATHER’S SHADOW) von Gabriela Amaral Almeida mit einer ungewöhnlichen Familiengeschichte konfrontiert. Nach dem Tod ihrer Mutter lebt die neunjährige Dalva mit ihrer Tante und ihrem Vater zusammen. Als dieser Geister sieht und immer mehr in Depressionen versinkt, versucht Dalva, ihre Mutter zum Leben zu erwecken. Mit überzeugenden Schauspielern, allen voran Nina Medeiros als Dalva, WIESBADENER

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Bis zur Bekanntgabe des finalen Programms im Oktober muss die Auswahlkommission des exground filmfest aus über 2.500 eingereichten Beiträgen und den Fundstücken für die Festivalreihen abseits des Länderfokus eine endgültige Auswahl treffen. Zwei Filme stehen bereits fest: AMAZING GRACE dokumentiert die Live-Aufnahme des gleichnamigen Albums von Aretha Franklin aus dem Jahr 1972, das zur erfolgreichsten GospelPlatte aller Zeiten avancierte. Der zutiefst ergreifende Dokumentarfilm FOR SAMA von Waad alKateab und Edward Watts führt in die zerbombten Straßen von Aleppo. Mit einer Kamera begleitete die junge Filmemacherin Waad al-Kateab über fünf Jahre das Leben in der syrischen Stadt, in der sie trotz aller Warnungen ihre Tochter Sama zur Welt brachte und blieb. Diese zugleich intime und monumentale Reise, das Erleben 19


KULTUR

&

KREATIVES

In Frieden und Freiheit Die Kunst der Erinnerung 70 Jahre „In Frieden und Freiheit”: Im Zuge der Feierlichkeiten im Jahre 2019 zum historischen Jubiläum von “70 Jahre Bundesrepublik” schuf der Konzeptkünstler Prof. Enno-Ilka Uhde ein 1,8 Tonnen schweres Kunstwerk, in welchem er die Geschichte der letzten 70 Jahre hinter der Patina des Vergessens hervorholt und künstlerisch bearbeitet. Für jedes der 70 Jahre ist von Uhde ein serielles und doch von 20

ihm jeweils individuell gestaltetes Bild kreiert worden. Die 74 nummerierten Kunstwerke (1949-2019) geben in ihrer Gesamtheit die gesellschaftspolitische Dimension des teils geteilten, teils vereinten Deutschlands ästhetisch wieder. Dem Künstler ist es ein Anliegen, Geschichte wieder ins kollektive Gedächtnis bringen. Die 1,40 x 1,40 Meter großen Bildexponate konservieren für das jeweilige Jahr die Errungenschaften, Erlebnisse und Herausforderungen der bundes-

deutschen Geschichte. Diese sind in allen Bereichen der deutschen Geschichte angesiedelt und umfassen neben Politik und Wissenschaft, auch Philosophie, Kunst und Kultur. So findet sich auf der Tafel des Jahres 1966 die Bemerkung „ein gewisses Flattern” – Anspielung auf den SPIEGEL-Bericht zur damaligen Starfighter-Affäre. Und auf dem Exponat von 2017 steht „Ehe für alle” – was an die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe am 30. Juni dieses Jahres erinnert. WIESBADENER

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KULTUR

Einige der Jahres-Unikate stehen sowohl bei den offiziellen Feierlichkeiten zu „30 Jahre Mauerfall” in Kiel im Flandernbunker und im Rathaus, beim Festakt zu „70 Jahre Bundesrepublik” in Frankfurt in der Paulskirche, sowie an vielen weiteren Orten in Deutschland im gesamten Jubiläumsjahr 2019/2020.

Einige Exponate sind schon im Vorfeld ab 20.09.2019 im Loftwerk Wiesbaden zu sehen - hier werden ca. 15 Exponate dieses insgesamt 74 Exponate umfassenden Gesamtwerkes zu sehen sein. Bei dieser Preview hat man auch Gelegenheit, mit dem Künstler selbst zu sprechen.

Einmal nur wird das Werk als Ganzes zusammenstehen, bevor es in alle Winde verteilt an die letzten 70Jahre in Frieden und Freiheit erinnert: Am 24. September wird es feierlich im Kurhaus Wiesbaden offiziell vorgestellt. Also Save the Date. Dies war der absolute Wunschort des Künstlers zur Ausstellung all dieser Exponate.

Identität schaffen durch Erinnerung an Geschehenes. Konrad Adenauer, Mauerfall, die 68er, RAF, Fußball Weltmeister 74, Radikalenerlass, Nato-Doppelbeschluss, Kniefall, Helmut Kohl u.v.m. – die Geschichte unserer Republik ist so einzigartige wie das Kunstwerk von Enno-Ilka Uhde.

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&

KREATIVES

Vernissage im Loftwerk Wiesbaden am 20.09.2019 um 19 Uhr. Vernissage im Kurhaus Wiesbaden am 24.09.2019 um 19 Uhr Mehr unter: www.in-frieden-und-freiheit.de www.enno-uhde.com www.loftwerk-roethele.de

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KULTOUREN

Konzertpianistin Julia Palmova, Baßbariton Aldomir Mollov und Musikwissenschaftlerin Christine Mollov widmeten im Jüdischen Lehrhaus dem bulgarischen Komponisten Pancho Vladigerov eine Hommage in Wort und Klang.

Ein bulgarischer Chopin Hommage zum 120. Geburtstag von Pancho Vladigerov in Wort und Klang Kennen Sie Pancho Vladigerov? Eingeweihten gilt der vielseitige Komponist als „bulgarischer Chopin“. Aus der Familie Pasternak in Odessa stammend und „eine Art Cousin“ des berühmten Boris Pasternak (Autor des „Doktor Schiwago“), ist der jüdische Komponist in Bulgarien eine bedeutende Persönlichkeit. Am 1. September, dem Europäischen Tag der Jüdischen Kultur, widmet sich die Hommage „Rückkehr und Schaffensjahren in Bulgarien“. Enkel Pancho Vladigerov Junior erzählt persönliche Episoden, Pianistin Simona Natu und Igor Mishurisman (Violine) stehen Baßbariton Aldomir Mollov und Christine Eberlein-Mollov zur Seite. Aldomir Mollov, aus vielen Partien bekannter und beliebter Opernsänger im Ensemble des Hessischen Staatstheaters, hatte mit Musikwissenschaftlerin Eberlein-Mollov und Pianistin Julia Palmova dem Komponisten in Wort und Klang eine berührende Hommage zum 120. Geburtstag. Mit samtweichem Timbre lebte Opernsänger Mollov geradezu die Kompositionen - ob Soldatenlied oder beschwingt temperamentvolles „Liebeslied des Narren“. Konzertpianistin Palmova machte mit feinfühligem Tastenspiel die Hommage zum anrührenden Erlebnis. Steve Landau, der Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde, freute sich über ein prallvolles Haus. Das Publikum wurde bekannt gemacht mit „Kindheit und Jugend“ sowie den Berliner Jahren bis 1932 und hörte als „Ouvertüre“ des Vortrags Vladigerovs 1922 komponierte „Herbstelegie“, von dessen Enkel auf CD eingespielt. Pancho Vladigerov, als Neunzehnjähriger mit dem Mendelssohn-Preis ausgezeichnet und erfreut über eine Karajan-Widmung, hatte seit 1912 an der Berliner Musikhochschule studiert. In Deutschland lebend, habe er „bei den Russen“ gelernt und sah Tschaikowski, Rimski-Korsakow als Vorbilder an. Spree Athen blieb er in den Goldenen Zwanziger treu. Am Deutschen Theater bei Max Reinhardt schuf er ausdruckstarke Bühnenmusiken (Shakespeare, Strindberg). Der aufkommende NS-Faschismus trieb ihn mit seiner Familie nach Bulgarien zurück, wo neben zahlreichen wichtigen Werken auch die Nationaloper „Zar Kalojan“ und das „jüdische Poem“ (1951) entstanden. Anmeldung: Lehrhaus@jgw-wi.de Telefon: 0611 – 93 33 03 19 Text und Foto: Gesine Werner 22

„Liebe Kitty”: Neben der Ausstellung „Deine Anne” war der 90. Geburtstag von Anne Frank in Wiesbaden dem frisch publizierten Romanfragment in Briefen aus dem Hinterhaus gewidmet.

„Papier ist geduldiger als Menschen” Anne Franks Romanentwurf in Briefen zu ihrem 90. Geburtstag erschienen „Liebe Kitty. Stell Dir mal vor, wie interessant es wäre, wenn ich einen Roman über das Hinterhaus herausbringen würde; allein vom Titel her würden die Leute denken, es sei ein Detektivroman....Es muß zehn Jahre nach dem Krieg schon komisch wirken, wenn wir erzählen, wie wir als Juden hier gelebt, gegessen und geredet haben. Auch wenn ich Dir viel erzähle, weißt Du nur ein ganz kleines bißchen von unserem Leben.“ Es hat bis zu Anne Franks 90. Geburtstag am 12. Juni 2019 gedauert, bis ihr Wunsch nach 75 Jahren in Erfüllung ging. Als unschätzbar wertvolles Zeitzeugnis hat der Secession Verlag für Literatur Zürich in enger Zusammenarbeit mit dem Anne Frank-Haus in Amsterdam „Liebe Kitty“ ihren „Romanentwurf in Briefen“ herausgebracht. Die von Anne selbst überarbeiteten Passagen zeigen die Nachwuchsautorin als enormes Talent mit Klarsicht und selbstironischem Humor. Professor Dr. Laureen Nußbaum, die im Essay „Denn schreiben will ich!“ Hintergründe offenlegt, kennt die Familie Frank aus Frankfurt und Amsterdam, Vater Otto war 1947 ihr Trauzeuge. Sie kämpfte 25 Jahre für die Publikation. Otto Franks Tagebuch-Version nimmt sie übel und moniert „daß er die beiden Texte recht willkürlich gemischt hat.“ Anne strich etliche Passagen „und der Vater hat sie stellenweise wieder eingefügt.“ Sie lobt die Übersetzung von Waltraud Hüsmer und korrigierte Details: „Wir haben keine Jacken getragen, sondern Mäntel. Anne war in der Realschulabteilung des Lyceums“, also nicht im Gymnasium. Der Anne Frank-Aktionstag des Trägerkreises „Wir in Wiesbaden“ war auch der neuen Publikation gewidmet. Gesine Werner (Frauen Schwarz Kreatief) und Christa Leiffheidt (Wiesbadener Burgfestspiele) stellten das Romanfragment in berührender Lesung vor und wünschen Anne Frank die ihr gebührende Anerkennung als Autorin. www.wir-in-wiesbaden.de Text und Foto: Gesine Werner

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KULTOUREN

Zum Silberjubiläum lässt Stipendiatin Christine Biehler, von Vorstandsmitglied Thomas Roth assistiert, den rustikal eichenen Parkettboden des Bellevue-Saals ansehnliche Wellen schlagen.

Die Bergkirche lädt ein als Klangraum – zum Englischsprachigen Gottesdienst und in der Nacht der Kirchen am 6. September ab 18 Uhr.

Ein AUFWALL zum Silberjubiläum

Himmel und Horizonte, Brot des Lebens und „Cool Britannia”

Stipendiatin Christine Biehler bringt Bewegung in den Bellevuesaal

Englischsprachiger Gottesdienst und Nacht der Kirchen am 6. September

Jetzt nicht erschrecken. Naturkatastrophe? Baustelle? Bodenerosion? Mitnichten. Alles so schön „bewegt“ hier. Nein, kein Pixelfehler. Der edle Boden aus fünffach verschieden gemaserten Parkett-Stäben im einstigen Speisesaal des noblen Kurhotels Bellevue ist auf den grünen Trittschall-Matten schräg verlegt. Augenscheinlich schwingt sich eine Riesenwelle mitsamt ihrer seitlichen Vorwelle in Richtung Decke. Der Stuck hat die Anmutung von Wasserringen. Ein Naturphänomen wird Kunst - die sozialen Anspruch haben darf und von „gesellschaftlicher Relevanz“ sein sollte. „Wellen schlagen“ darf sie im piekfeinen Ambiente des BellevueSaals auch. Der Kunstverein Bellevue-Saal, 1986 als „Verein zur Förderung künstlerischer Projekte mit gesellschaftlicher Relevanz e.V.“ gegründet und Ende Mai 1994 als Ausstellungsraum etabliert, ist Kulturpreisträger der Landeshauptstadt Wiesbaden. Ihr Silberjubiläum veredelt die rührige Institution mit Christine Biehler als hochkarätiger Stipendiatin und ihrer spektakulären Rauminstallation „AUFWALL – Eiche rustikal“. Die sinnlich plastische „Aufwallung“ mit aufspritzender Gischt und einer Art „Schokoladenzunge“ backstage „umspült“ den 120 Quadratmeter-Raum. Von Christine Biehler in wochenlanger, kleinteiliger Handarbeit auf Nut und Feder verlegt, bleibt die ausgefeilte Konstruktion sichtbar. Die europaweit vielfach preisgekrönte Bildhauerin hatte 1998 zum fünften Geburtstag der Ausstellungsstätte den Kurhotel-Speisesaal mit der kunstvollen Hommage „Büffet“ bespielt. Es gab Tomatensuppe aus einem großen Topf im Fellblock, über dem eine Traube von 200 Baguettebroten schwebte - zum „Abpflücken“ und baldigen Verzehr gedacht. Die aus Landau stammende Künstlerin arbeitet Sparten übergreifend und ortsspezifisch. „Es ist immer der Raum. Das Material verselbständigt sich und bekommt Leben eingehaucht.“

„Wer gut singt, betet zweimal“ wird als Ausspruch dem heiligen Augustinus zugeschrieben. Berglirchen-Pastorin Rosalind Gnatt, die ausgebildete Sopranistin, ist für kreative Ideen gut. Das Sternstündlein mit Lieblingssongs von Bernstein sollte wiederholt werden.

Der AUFWALL ist bis zum 22. September 2019 zu sehen. www.kunstverein-bellevue-saal.de

Ein Gottesdienst des English Community Outreach Projects, Protestant Deanery of Wiesbaden ist ein berührendes Erlebnis. Die erfrischende Musikwahl von Bach bis Purcell (Pfarrer Nett als Flötist mit Organist Dirk Putzek am Cembalo) und ein Gebet der Maori bringt Wohlfühlatmosphäre. Wer kein Englisch versteht, liest auf Deutsch mit. Dem „Brot des Lebens“ war die Predigt gewidmet, in der die „zweimal getaufte“ Pastorin Gnatt ihre Theologie in drei Worten beschrieb:„Jesus liebt mich.“ In der „Nacht der Kirchen“ am 6. September beginnt um 18 Uhr die Kirchen- und Orgelführung mit Küster Volker Seip, Kantor Christian Pfeifer und Pfarrer Markus Nett. Hochkarätig wird es um 19 Uhr. Der baritonale Australia-Opera Grant-Gewinner Daniel Carison brillierte beim Opern Air, steht in der aktuellen „Carmen“ auf der Staatstheater-Bühne. Jetzt stellt er mit dem preisgekrönten Pianisten Rhodri Britton am Flügel Lieder von Arthur Sommervell („Maud“) vor und ShakespeareSongs von Gerald Finzi. Nach dem Cembalokonzert mit Fora Fábri bringt der Kammerchor Rhein-Main „ Himmel und Horizonte“ zum Klingen. Das English Community Outreach Project feiert am 1 September um 11 Uhr Gottesdienst mit dem Trio „The Pullies.“ Pastorin Gnatt widmet Hiob die Predigt und seiner Klage: „Wo ist Gott, wenn guten Menschen Schlimmes widerfährt?“ . Am 15. September (17 Uh) spielt Meister-Organist Hans Uwe Hielscher Stummfilmmusik und eine eigene Rhapsodie über schottische Folklore: „Cool Britannia!“ r.gnatt@bergkirche.de Text und Foto: Gesine Werner

Text und Foto: Gesine Werner WIESBADENER

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KULTOUREN

Ein historischer Moment auf dem Airfield Erbenheim: Der 99jährige „Onkel Wackelflügel”, Oberst i. R. Gail S. Halvorsen, erinnert an die Berliner Luftbrücke. Die „Candy Drops” hatte er spontan mit zwei Chewing-Gums erfunden.

Jubiläum mit dem legendären Candy-Pilot Gail S. Halvorsen „70 Jahre Berliner Luftbrücke“ auf dem Airfield Erbenheim gefeiert „Wiesbaden ist meine zweite Heimat. Ich mag die Deutschen“, lächelt der Candy-Pilot. Gail Seymore Halvorsen, der 99jährige Oberst i. R. der US-Streitkräfte, berichtet von der Operation Vittles der „Combined Airlift Task Force“, die als „Berliner Luftbrücke“ in die Historie einging. „Wir sind Tag und Nacht geflogen.“ An die Augen der Kinder erinnert sich „Onkel Wackelflügel“ ganz plastisch: „It changes my life.“ Mit einem ehrenvollen Watersalut war die Big Lift-Ikone auf dem Airfield begrüßt worden. Der mit dem Hessischen Verdienstorden gewürdigte Träger des Bundesverdienstkreuzträges hatte zur Feier des Tages die Orden angelegt und stand den internationalen Medien offenherzig Rede und Antwort. Wiesbaden war während der Berliner Luftbrücke von 1948/49 „das Herz Deutschlands“ als Drehscheibe der gigantischen Hilfsaktion. Zum Jubiläum „70 Jahren Luftbrücke“ war am Pfingstmontag auf das Airfield der Clay Kaserne in Erbenheim eingeladen worden. Colonel Noah C. Cloud, Garnisonskommandeur der US-Streitkräfte Wiesbaden, hieß alle Jubiläumsgäste „mit offenen Armen und Herzen“ willkommen und erinnerte an das „Unvorstellbare“ der „einzigartigen historischen Meisterleistung“. Bei sonnig heißen Temperaturen und vor Wolken verhangenem Himmel bot die perfekt in Ehren-Formation über das Airfiled donnernden historischen Maschinen einen überaus beeindruckenden Anblick. Rund 40.000 deutsche „Nachbarn“ feierten mit den gastfreundlichen Amerikanern. Funktionstüchtige „Rosinenbomber“ (C-47 und T6) kehrten noch einmal nach Wiesbaden zurück und standen auf dem Airfield zur Besichtigung bereit. Für musikalischen Pfiff sorgten USO Show Troupe Bob Hope-style und USAFE Band, Fallschirmspringer landeten mit ihren Gleitflugschirmen auf dem Zielpunkt und bekamen tüchtig Applaus. Symbolische Abwürfe von Candy Drops an Minifallschirmen wir für die Berliner Gören damals sorgten für Begeisterung bei Klein und Groß. Ein Gedenkgottesdienst würdigte die Gefallenen der Luftbrücke. US-General William „Tonnage“ Tunner hatte im Hauptquartier Taunusstraße den Big Lift auf Erfolg getrimmt. Die „Lastesel der Lüfte“ versorgten als „Rosinenbomber“ in 277.364 Flügen zwei Millionen Menschen. Gail S. Halvorsen weiß:„Unsere wichtigste Ladung war die Hoffnung.“ Text und Foto: Gesine Werner 24

Die Museumsmeile Wiesbaden bekommt Zuwachs. An der Prachtstraße wird auf diesem Areal das „reinhard ernst-museum” als Museum für abstrakte Kunst” nach dem Entwurf von Stararchitekt Fumihiko Maki gebaut.

Ein echter Maki für die Wiesbadener Museumsmeile Baueröffnungsfest für das Museum Reinhard Ernst Die „Wiesbadener Museumsmeile“ bekommt hochkarätigen Zuwachs. Auf dem Filetstück an der Wilhelmstraße 1 wird der Entwurf des vielfach preisgekrönten Stararchitekten Fumihiko Maki aus Japan (Aga Khan Museum Toronto, Tower 4 World Trade Center, Mildred Lane Kemper Art Museum St. Louis) in die Tat umgesetzt. Zum Baueröffnungsfest des viergeschossigen Gebäudes, für das sich Museumsdirektor Dr. Alexander Klar (jetzt Kunsthalle Hamburg) engagiert hatte, war auch der neue Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende eingeladen. Das „museum reinhard ernst“ wird ein Museum für abstrakte Kunst. Die Reinhard & Sonja Ernst-Stiftung will das neue Schmuckstück an der Prachtstraße zwischen Museum Wiesbaden und Nassauischem Kunstverein als „ein Museum für Alle“ verstanden wissen Das Haus mit dem gläsernen Innenhof bekommt neben einem Terrain für Kinder, das dem Mäzen sehr wichtig ist, ein auch abends geöffnetes Café, einen Museumsshop und ein Public Forum. Der Gestaltungsbeirat war „sehr beeindruckt“, lobte den Entwurf des eigens angereisten Stararchitekten Maki als „beautiful“. Beirats-Vorsitzende Professor Gesine Weinmiller forderte: „Go ahead!“ Die gemeinnützige Reinhard & Sonja Ernst-Stiftung errichtet den Bau für das Portfolio „von Weltgeltung“ im Wert von rund 80 Millionen Euro. Die Baukosten von geschätzten 50 Mio Euro sowie jährliche Betriebkosten trägt Reinhard Ernst. Die Kommune kommt der Stiftung entgegen, stellt das wertvolle Grundstück im Erbbaurecht für eine symbolische Pacht zur Verfügung und „wird das Umfeld des Museums aufwerten“. Das Portfolio basiert auf Informel, abstraktem Expressionismus und Werken der japanischen Gutai-Gruppe. Die Werke von Größen wie Karl Otto Götz, Emil Schumacher, Helen Frankenthaler, Kazuo Shiraga, Günther Uecker und Jackson Pollock werden dem internationalen Leihverkehr zur Verfügung stehen. Text und Foto: Gesine Werner WIESBADENER

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KULTOUREN

In der Rotunde von Schloß Biebrich wurde das Jubiläum der 70 Jahre jungen FSK mit „großem Bahnhof” zelebriert. Von 1949 bis 2009 wurden im Westflügel Filme geprüft und in fünf Altersklassen freigegeben.

Kompetenzzentrum und Kraftwerk des Jugendschutzes Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft FSK feiert 70. Geburtstag im Schloß Biebrich Mit „Intimitäten“ fing es an. Die Komödie von Paul Martin mit Victor de Kowa als „gehörntem“ Ehemann war der erste geprüfte Film, der im deutschen Nachkriegs-Kintopp zu sehen war. Die Filmprüfung durch Vertretungen der Filmwirtschaft, der Länder und der Kirchen am 18. Juli 1949 ist die Geburtsstunde Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft. Der 70. Geburtstag wurde am Original-„Tatort“ Schloß Biebrich gefeiert. Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende und die Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium kamen in die Rotunde. Caren Marks lobte die „verläßlichen Antworten der FSK“. In der Ära von Youtube & Co. sei FSK-online unverzichtbar. Die neue Jugendschutznovellierung nehme Anbieter stärker in Haft. Bis 2009 sichtete die FSK im Schloß, jetzt im Deutschen Filmhaus. Rund 12.000 Freigaben für Kino-Filme, DVD, Serien, Trailer werden von 130 Ehrenamtlichen („Herzstück der FSK“) erteilt. Bis jetzt wurden in 228.000 Stunden Prüfung 250.000 Filme freigegeben ab 0, 6, 12, 16 oder 18 Jahren. Nach den US- „Production Codes“ konzipiert, ist der „Beitrag der FSK zur Demokratisierung der Bundesrepublik“ nicht hoch genug einzuschätzen. Mit Blick auf „Skandalfilme“ wie Willy Forsts „Sünderin“ mit Hildegard Knef (1951) und Smart-TV, Netflix & Co. zeige sich: „Die FSK steht mit hoher Anpassungsfähigkeit und Innovationskraft für den stringenten Jugendschutz der Zukunft aller Medien.“ Staatssekretärin Dr. Christiane Rohleder, deren Ministerium in Mainz FSK und Länder koordiniert, sieht bei Online-Anbietern „Luft nach Oben“. Helmut Poßmann und Stefan Linz, Geschäftsführer im „Kompetenzzentrum und Kraftwerk des Jugendschutzes“, präsentieren ein neues Bewertungstool für Internet-Inhalte. Die FSK als „personenbasiertes Prüfgremium an der Schnittstelle Staat und Wirtschaft und Gesellschaft ist unverzichtbar.“ Text und Foto: Gesine Werner

Das Literaturhaus Villa Clementine ist ein Schauplatz der 21. Wiesbadener Literaturtage

Pilotin einer großen Maschine frönt dem Lustprinzip Gastgeberin Eva Menasse bittet zu den 21. Wiesbadener Literaturtagen Wie eine „Pilotin einer großen Maschine“ habe sie sich als Kuratorin der 21. Wiesbadener Literaturtage gefühlt, bekennt Eva Menasse. Die renommierte Autorin aus Österreich ist vom 15. bis 21. September Gastgeberin der traditionsreichen Veranstaltungsreihe, seit 1986 eine Plattform für den Sparten verbindenden Dialog. Ein Brückenschlag in Person ist die Schriftstellerin auch. Der Clou: Eva Menasse wurde 2019 Stadtschreiberin in Mainz. „Ich wollte radikal nach dem Lustprinzip vorgehen, habe aber schnell gemerkt, daß man sich mit dem Kuratieren auch immer selbst porträtiert“, bekennt die Autorin. Ihr Programm zeigt sich als eine Art „Freundschaftsbuch“ und weist Namen wie Michael Glawogger, Georg Kreisler („Everblacks“), Heimito von Doderer und Senta Berger auf. „Die Veranstaltungen hängen untergründig zusammen. Ich vermute,, ein Knoten ist ein gewisses Forschen nach dem Verhältnis von Freiheit und struktureller Ordnung in den Künsten.“ Die vom Kulturfonds Frankfurt Rhein-Main geförderten Literaturtage 2019 starten am 15. September um 17 Uhr im Museum Wiesbaden. Zum Auftakt liest Gastgeberin Menasse aus zwei autobiografischen Texten über Musik, Komponisten und die Kunst des Scheiterns. Mezzosopranistin Silke Gäng und Mitglieder des Sinfonieorchesters Basel sind mit von der Partie. Landsmann Michael Glawogger ist „künstlerischer Sparrings-Partner“. In dessen Werk führt Sven Regener, ein enger Freund, ein. Anschließend werden im Caligari die Filme „Workingman´s Death“ und „Untitled“ gezeigt. Im Zeichen der Sichtbarmachung von Autorinnen und literaturschaffenden Frauen stehen die Abende mit Zora del Buono & Iris Wolff und die Diskussion über schreibende Frauen im Frauenmuseum. Chansondichter und -komponist Georg Kreisler ist das Highlight im Staatstheater-Studio gewidmet. Sandra Kreisler interpretiert unbekannte Chansons ihres Vaters. Zum krönenden Finale kommt Schauspiel-Grand Dame Senta Berger wieder nach Wiesbaden und liest aus dem Werk von Heimito von Doderer, dem Lieblingsdichter von Eva Menasse. www.wiesbaden.literaturtage.de Text und Foto: Gesine Werner

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Kreative Frauenpower sorgt für 100%iges „Er-Greifen” beim 10. Geburtstag des reisenden MADE-Festivals von laPROF: Katja Hergenhahn, Natascha Mattmüller, Angelika Sieburg und Cornelia Niemann (von links) am Schachthof.

Freie Darstellenden Künste „er-greifen” Wiesbaden zu 100 % Das MADE.-Festival feiert 10. Geburtstags und mischt die Stadt auf Erbarme - die Hesse komme! Zu spät. Das Aktionstheater Kassel trifft mit „Eleganz aus Reflex” auf Ruby Behrmann & Asja Mahgoub. Und die renommierte Schauspielerin Cornelia Niemann verbündet sich mit Mobile Albania zur Script Reality im Theaterlabor. 10 JA!re MADE.Festival. Die Kulturschaffenden sind so frei und nisten sich zum Jubiläum im Festivalzelt am Schlachthof. Sie mischen die hessische Landeshauptstadt auf. „100 % ergreifen” ist die Devise vom 12. bis 14. September. Wer hat´s erfunden? Angelika Sieburg vom Wu Wei-Theater Frankfurt (mit Andreas Wellano) ist erfahrene Vorsitzende von LaPROF, dem Landesverband der professionellen Freien Darstellenden Künste und bildet mit Katja Hergenhahn & Steffen Lars Popp das Leitungstrio. „ERGREIFEN eröffnet Möglichkeitsorte. Im Kleinen wird ein Begehren gestillt, im Großen Zukunft beschritten. ERGREIFEN ist Handlungsakt und großes Gefühl zugleich.” Ein Festival auf Reisen. Eine Fachjury lud hoch spannende Produktionen zum Gastspiel ein. Der Kulturfonds Frankfurt Rhein-Main fördert das „regionale Ergreifen” als kommunikative Form der Vernetzung. Die „Gegen Trilogie” besteht aus szenischen Miniaturen, die das Aktionstheater Kassel in die Schlachthofhalle bringt. „Der Apparat” von Mobile Albania aus Gießen ist eine gewitzte KommunikARTion mit einer „analogen Cloud” in der Krea-Skaterhalle und redefreudigen Leuten auf dem Hochsitz. Im Staatstheater-Studio geht das Schauspiel „Rot oder Tod II” von Eleganz aus Reflex über die Bühne. Im Schlachthof zeigen Scripted Reality die Performance „Residence Evil”. Ruby Behrmann & Anja Mahgoub aus Gießen bringen die „Nicht-Deutsche Post” zum Schloßplatz. „Rolling over Wiesbaden” vom Theaterlabor INC. bietet eine spezielle „Er-Fahrung” durch die City. Im Staatstheater-Studio fragt Cornelia Niemann „Möchten Sie Ihren Vater wirklich in den Papierkorb verschieben?” Und im Schlachthof gibt es zwei Preise zu feiern - MADE.Experten und MADE.Publikumspreis. Info: www.made-festival.de karten@made-festival.de

Körper und Stimme und eine „schönsiegelnde Barbarin” Mary Lou Sullivan-Delcroix und ihr HinterhofPalazzo Kaum ist „Die Stimme im Licht der Toscana“ im Intensivseminar von Sopranistin Mary Lou und Konzertpianistin Ute Körner verklungen und das große Sommerfest im Salon und Open Air unterm Zelt mit Weinbar und leckerem Mitbring-Büffet über die Bühne gegangen, ist der Hinterhof-Palazzo mittenmang in der neuen Spielzeit. Die Vielsaitigskeits-Künstlerin mit dem großen Herzen ist eingebunden in das Oral history-Projekt „Erlebte Geschichte & Geschichten“ des Stadtarchiv-Fördervereins. Ihre interdisziplinäre „Werkstatt für Gesang, Spiel und Sprache“ im Hinterhof-Palazzo ist eine bundesweit einzigartige „Institution“, die mit Elan auf das Vierzigjährige zusteuert. Vom 16. bis 20. Oktober bietet Mary Lou Sulliovan-Delcroix mit Michael Scheich das Intensiv-Seminar „Stimme und Biographie II an als neuen Zugang zur eigenen Geschichte. Anmeldung: org@trialog-info. Eine erfolgreiche Produktion zeigt, wie poetisch das Wasser musikalischen Ausdruck findet. „Auf dem Wasser zu singen“ heißt es am 15. September (17 Uhr) mit Liedern von Beethoven und Händel, Schubert, Mahler, Dvorak. Im Tagesworkshop „Körper und Stimme“ am 27.Oktober läßt sich die Wirkung der „Stütze“ erleben. Chefin Mary Lou Sullivan-Delcroix und Yogalehrerin Katharina Oestemer bieten an „die Kraft & Farbe ihrer Stimme kennen zu lernen.“ (kontakt@suare.de) „Sie wortkarge, silbensparende, Papierabschneidende, Tintennichtvergießende, schönsiegelnde Barbarin“. Über 800 Briefe und Gedichtbilette zwischen Achim von Arnim und Gemahlin Bettine Brentano hat der Wiesbadener Dr. Ludwig Reichert Verlag vollständig nach sämtlichen Autographen und Illustrationen herausgebracht. Der Schriftsteller aus preußischem Adel und die genialische Frankfurter Kaufmannstochter schrieben sich zeitlebens. Dr. Renate Moering forschte jahrzehntelang und stellt die Edition am 17. November (17 Uhr) vor. Jasmin Behrouzi-Rühl und Konrad Heumann lesen aus den Handschriften. www.hinterhof-palazzo.de

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Im Hinterhof-Palazzo von Mary Lou Sullivan-Delcroix (links) stellt Herausgeberin Dr. Renate Moering (rechts) den Briefwechsel von Achim von Arnim und Bettine Brentano vor.

Text und Foto: Gesine Werner WIESBADENER

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„Hocuspocus!” Die phantastische Traumreise zum Himmel und zum Meeresgrund hat zwischen zwei Neonröhren nicht viel Platz, macht aber viel Spaß.

Törleß mit Liliom beim Hocuspocus im Club der drei Orangen TheaterDonner auf den Bühnen in Wiesbaden, Mainz und Darmstadt

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as Schauspiel Wiesbaden macht sich. GratulARTion an Regisseur Bernd Mottl und das Ensemble von John Fords „Schade, daß sie eine Hure war“ für die ehrenvolle Würdigung bei den Hessischen Theatertagen in Kassel für ihre „bildstarke Groteske“ (Der Wiesbadener 1/2019). Sehen lassen kann sich auch Philipp Krenns Inszenierung und eigene Fassung von Takis Würgers Bestseller „Der Club“. Britische Universitätsclubs werden entlarvt. Klar doch, Elite sind nur die Männerbündeleien. Ob Boxring, Disco oder Kneipe, die Rituale sind gnadenlos sadistisch, frauenfeindlich sind sie auch und Usus wohl auch bei der Bundeswehr. Bestechende Szenen und ein exzellent agierendes Ensemble. Michael Birnbaum, Linus Schütz (Hans), Paul Simon, Tobias Lutze Ulrike Requadt, WIESBADENER

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Lina Habicht ziehen in den Bann. Das Publikum ist berührt, spendet lange Beifall. Ein Sternstündlein von KS Thomas de Vries und dem Ensemble Mattiacis, das nicht nur im Wonnemonat zu erleben sein sollte: Purcells „The Fairy Queen“ wurde von Katharina Heißenhuber, Sharon Kempten, Anna Maria Torkel, Philipp Mayer, Benjamin Russell, Judd Perry, Gert Hohmann und Tenor Michael Pegher vom Staatstheater Darmstadt mit Verve und „szenisch“ angehaucht gesungen. Zum Dahinschmelzen! Wie furios sich das Hessische Staatsballett auf faszinierenden Tanz versteht und Tim Plegge ein Händchen hat für spannendes Handlungsballett, beweist der Ballettchef wieder mit dem feschen Tunichtgut „Liliom“ nach dem Stück von Ferenc Molnar Herrliches

Jahrmarkt-Bühnenbild, tolles Ensemble. Einmal Himmel und retour und nix gelernt – die Lovestory wird getanzt zwischen Zartheit und Gewalt und berührt. Faust-Preisträger Ramon John ist als Fiscur eine mephistophelische Wucht und Liliom (Daniel Alwell) bezirzt bis zum Raubmord. Jorge Moro Argote und Mirko De Campi alternieren als dies dunkle Paar. Begeisterter Applaus.

Blick nach Mainz „Boys don`t cry“ - Vampire auch nicht. Lucia Bihler, neue Hausregisseurin der Berliner Volksbühne, kitzelt in Mainz aus Musils „Verwirrungen des jungen Törleß“ den Horror heraus. Als wär´s ein Grusical von Bob Wilson im düsteren Märchenwald der Romantik. „Twilight“ läßt grüßen. Der V-Effekt ist ein Clou - die rein weibliche Besetzung ist faszinierend Törleß (Paulina Alpen) 27


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Die „Verwirrungen des jungen Törleß” spielen sich im Mainzer Kleinen Haus als Vampir-Grusical wie ein Stück von Bob Wilson ab.

bekommt mit Maike Elena Schmidt (auch als Hure Bozena) sogar ein Alter Ego. Was Kruna Savic, Kristina Gorjanowa und Elena Berthold zeigen, ist teils kaum erträglich und geht unter die Haut. Absolut sehenswert. „Die Liebe zu drei Orangen“ fängt schon vor Prokofjews Oper an. „No Joke“ und „You too!“ Die Clowns aus der Klinik kommen wie „Friday 4 Future” in den Saal, entern die

surrealistische Bühne. Escher läßt grüßen mit sinnfreien Treppen und Manegen-Tribüne. FassenachtsPosse? Nö, Joan Anton Rechi, GMD Bäumer und das furios aufspielende Orchester kredenzen ein herrlich überdrehtes Opernschmankerl. Der Prinz mit dem Peter Pan-Syndrom und das royale Trio aus der Orange haben auch Travestie und „nackisches” Meenzer Idiom zu bieten. Das Ensemble brilliert und gibt dem Affen Zucker

Hinsetzen erlaubt. „Between us” bietet als Kooperation von Staatstheater Mainz mit der Kunsthalle Mainz und der Hochschule Mainz die Choreographie „Effect” und die Soundinstallation „Mouvements” von Tamara Grcic in der Kunsthalle.

– allen voran KS Hans-Otto Weiß, Philippe Do, Jennifer Panara und Brett Carter. Ein Publikumsrenner in Orange. Von gewichtigem Kaliber ist „Ljod - Das Eis, die Trilogie“ nach Vladimir Sorokin. Jan-Christoph Gockel und das leidenschaftlich aufspielende Ensemble haben nach den „Nibelungen“ und „Meister und Margarita“ einen mitreißenden Theatermarathon verdichtet. Fünf Stunden grandioses Spektakel mit zwei Pausen und lecker Bortschsuppe open Air. Überbordender Ideenreichtum, Science Fiction, Satire und Improvisation. Auch aufgehämmert und ein „lebendiges Herz“? Der Wahnsinn hat Methode. Blond und blauäugig und übermenschlich, sind die auserwählten 23.000 „Geschwister des Lichts“. Wir Andere sind „Fleischmaschinen und wandelnde Tote“. Sebastian Brandes, Vincent Doddema, Monika Dortschy, Gesa Geue, Mark Ortel, Johannes Schmidt und Leonie Schulz spielen sich einen Wolf. Das Publikum hält tapfer durch und geizt nicht mit Schlußbeifall.

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Blick nach Darmstadt Viel Platz ist da nicht zwischen den Neonröhren. „Hocuspocus!“ von Philippe Saire ist ein hinreißendes Tanz- und Bewegungsstück und eine phantastische Reise – in die Luft und unter Wasser, nach Darmstadt und nach Wiesbaden und zum Tanzfestival Mainz. Klein und Groß sind begeistert von Mickael Henrotay-Delauny und Philppe Chosson aus Lausanne. Lachen und Staunen und jede Menge Applaus. Text und Fotos: Gesine Werner

Die Liebe zu den drei Orangen fängt schon vor der Oper an – mit Clowns aus der Klinik und der Behauptung „No Joke!“

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warum Malerei allen Grabreden zum Trotz ein hochattraktives Medium ist: Immer wieder erweist sich dabei die strukturelle Zweidimensionalität des Bildfeldes als das perfekte dialektische Widerlager für das, was mit malerischen Mitteln auf der Bildfläche passiert. Verkürzt gesagt, ließe sich behaupten, dass jedes Bild von der produktiven Paradoxie lebt, aus einer ausschnitthaften, raumlosen Flächigkeit des Bildträgers einen eigenen Raum zu schaffen. Diese grundlegende Dialektik sorgt dafür, dass Malerei in gewisser Hinsicht als erstes und bis heute gültiges virtuelles Medium zu betrachten ist, wobei die Wirkkraft ihrer virtuellen Wirklichkeit insoweit noch höher einzuschätzen ist, als sie eben nicht total und immersiv funktioniert, sondern sich – soweit sie sich im Rahmen seines Bildgevierts bewegt – immer selbst nur als Ausschnitt definiert.

Vivian Greven, Leea

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ein künstlerisches Medium hat so viele positive wie negative Zuschreibungen erlebt wie die Malerei. Der Reigen der Erwartungen und Zumutungen, mit denen man das gemalte Bild konfrontiert hat, reichen vom Jubel über die unbestrittene ‚Königsdisziplin‘, die jederzeit in der Lage ist die Wirklichkeit adäquat künstlerisch zu transformieren bis hin zum demoralisierenden Befund einer kommerziell korrumpierten Flachware, die sich ästhetisch und inhaltlich überlebt hat. Dieser Negativbefund resul-

tiert zum einen aus der gewaltigen Tradition des Mediums, innerhalb derer so viel schon gedacht und getan wurde, dass es in der Tat nicht einfach scheint, diesem gewaltigen Malgebirge noch Neues zu entlocken. Andererseits hat man der Malerei vor allem im 20. Jahrhundert ihre unkomplizierte Handelbarkeit vorgeworfen, und darin ein grundsätzliches Defizit des Mediums vermutet. Dabei taugt die Flachheit und Begrenztheit des Leinwand- bzw. Bildfeldes eben nicht nur als wohlfeiler Marktbeschleuniger, sondern liefert auch eine Begründung dafür,

jetzt! Junge Malerei in Deutschland 500 Werke – 53 Künstler*innen – 4 Städte 30

Genau dieser Zusammenstoß zwischen dem eigenen, malerisch erzeugten Raum und dem Kontext einer davon völlig unterschiedlichen Wirklichkeit, bildet die Grundlage für das Ausstellungsprojekt Jetzt! – Junge Malerei in Deutschland , mit dem das Kunstmuseum Bonn, das Museum Wiesbaden und die städtischen Kunstsammlungen Chemnitz den Versuch unternehmen, den aktuellen Stand des Mediums zu bestimmen. Ziel aller drei Häuser, sowie der Deichtorhallen in Hamburg, die sich entschlossen haben, diese Gemeinschaftsausstellung im Anschluss zu übernehmen, ist es, einen gültigen Querschnitt durch die junge Malerei zu geben, die in den letzten Jahren in Deutschland produziert wurde, und dabei alle Erscheinungsformen des Mediums ohne konzeptuelle oder ideologische Einschränkungen zu berücksichtigen. Drei zentrale Prämissen leiten dieses Ausstellungsprojekt: Erstens geht es uns um die Malerei als Bild, also nicht um installative oder multimediale Erweiterungen des Mediums. Die zweite Prämisse betrifft das Alter der Teilnehmer*innen, wobei die AusWIESBADENER

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stellung sich auf die Generation der seit den späten 1970er-Jahren geborenen Künstler*innen konzentriert. Die dritte Voraussetzung betrifft den geografischen Rahmen der Ausstellung. Die Beschränkung auf Deutschland resultiert allein aus der Notwendigkeit, das Untersuchungsgebiet überschaubar zu halten. Gezeigt werden rund 500 Werke von 53 Künstler*innen. Jeder der drei Ausstellungsorte zeigt alle teilnehmenden Künstler*innen mit jeweils bis zu vier Arbeiten.

Simon Modersohn, Round up

jetzt! Junge Malerei in Deutschland 19.9.2019 – 19.01.2020 Friedrich-Ebert-Allee 2 65185 Wiesbaden www.museum-wiesbaden.de und www.malerei.jetzt.de Öffnungszeiten: Di, Do 10 – 20 Uhr, Mi u. Fr 10 – 17 Uhr, Sa/So 10 – 18 Uhr

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Iris Kaczmarczyk, in process

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ine Ausstellungsbeteiligung des BBK Wiesbaden im Rahmen der Ausstellungs- und Veranstaltungsreihe ZEITGLEICH-ZEITZEICHEN des Bundesverbandes Bildender Künst-lerinnen und Künstler Die Ausstellungs- und Veranstaltungsreihe des Bundesverbandes Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) existiert seit 1997 und findet im Jahr 2019 zum 7. Mal deutschlandweit statt. 32 Städte sind dieses Mal beteiligt. Der BBK Wiesbaden ist mit 11 Künstler*nnen, die ihre unterschiedlichen Positionen in der BBK Schaustelle präsentieren.

Hoffmanns Schauerroman „Der Sandmann” (1816 veröffentlicht) verliebt sich Nathanael in die automatisierte Holzpuppe Olimpia. „…Anders als die kritische Clara antwortet sie ausschließlich „Ach! Ach!”, was Nathanael als Ausdruck eines sehr poetischen und tiefgründigen Gemütes interpretiert; er sieht sie als die Person an, die ihn ganz versteht.” „Der Begriff Postdigital ist ein Begriff, der sich seit einiger Zeit

ausgehend von den Szenen und Diskursen der digitalen Musikund Kunstszenen auch in anderen Bereichen, wie der Philosophie, Anthropologie und den Sozialwissenschaften etabliert. Er wurde im Jahr 2000 von Kim Cascone in seiner Abhandlung The Aesthetics of Failure: ‘Post-Digital’ Tendencies in Contemporary Computer Music in den akademischen Diskurs zur Elektronischen Musik eingebracht und bezieht sich auf ein Konzept, das von Nicholas Negroponte Ellie Weishaupt, was geht, wenn es bleibt

Es erscheint ein bundesweiter Katalog mit Abbildungen. Das Thema Künstliche Intelligenz im digitalen und postdigitalen Zeitalter rückt allmählich immer mehr in den Focus, so hört man z.B. von den ersten Menschen, die mit einem virtuellen Wesen den Bund fürs Leben schließen. Der Japaner Akihiko Kondo hat die Liebe seines Lebens geheiratet: die virtuelle Mangafigur Hatsune Miku. Es gibt sie als animiertes Hologramm in einer Glaskapsel, die aussieht wie ein moderner Heiligenschrein. Dabei ist die Idee gar nicht so neu: In E.T.A.

ZEITGLEICH-ZEITZEICHEN “postdigital – von a nach b nach a” 32

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Renate Schwarz Kraft,earthing

Ausstellungseröffnung:

Manfred Chladek, Digitaler Terror

(amerikanischer Informatiker)1998 in einer Kolumne einer Ausgabe des Magazins „The Wired“ unter der Überschrift Beyond Digital erwähnt wurde.” Er schreibt zu dem Thema: „Aber die wirklich überraschenden Veränderungen werden woanders stattfinden, in unserer Lebensweise und wie wir zusammen uns auf diesem Planeten steuern. [...] Ich meine, es ist abzusehen, dass fünf Kräfte des Wandels aus dem digitalen Zeitalter übrigbleiben und den Planeten tiefgreifend verändern: 1) globale Imperative, 2) Gegenüberstellung von Größenverhältnissen, 3) eine Neudefinition der Zeit, 4) soziale Synergien und 5) die Bedeutungslosigkeit von Territorien.”

Freitag, den 27.September um 18.00 Uhr, BBK SCHAUstelle, Nerostraße 32, 65183 Wiesbaden Teilnehmende Künstler*nnen: Doris Bardong, Petra v.Breitenbach, Manfred Chladek, Uta Grün, Ingrid Heuser, Tine Kaiser, Iris Kaczmarczyk, Horst Reichard, Renate Schwarz Kraft, Reiner Strasser, Elli Weishaupt Künstler*innengespräch: im Rahmen der Finissage, Sonntag, den 20. Oktober um 16.00 Uhr zum Thema: KI und Kreativität, Moderation: Roland Meyer-Petzold, 1. Vors. BBK Wiesbaden Katalog: BBK Bundesgeschäftsstelle Taubenstraße 1 10117 Berlin Telefon 030 2640970 Petra v. Breitenbach, wahr oder falsch 2019

Platinen, gleichsam wie Runen in Ton gedrückt und vergoldet; oder mit zwei Wandobjekten von Uta Grün („Brüterin”, „verdrahtet”), zwei deformierten, seltsam künstlich wirkenden Wesen, vielleicht geklont, auf jeden Fall entmenschlicht; oder mit Ingrid Heusers „Jumping Jack”, der einen Chip anstelle des Herzens trägt, dazu ein Zitat von Adorno/Horkheimer: „Die Menschen der entwickelten Gesellschaften sind sublimierte Sklaven – aber sie sind Sklaven. Denn den Sklaven erkennt man nicht an der Schwere seiner Arbeit, sondern an der Verwandlung von einem Menschen in eine Sache.” Petra von Breitenbach Uta Grün,Verdrahtet

Es ist also ein hochpolitischer Themenkomplex, den 11 Künstler*nnen mit Mitteln der bildenden Kunst unter verschiedenen Aspekten umkreisen, z.B. mit den Seiten eines Poesiealbums von Doris Bardong als Gegenüber zur Fragestellung, was mit der Handschrift im digitalen Zeitalter passiert; oder mit einer mit Erde bedeckten Tastatur eines Laptops, darüber der Bildschirm mit dem Titel: „beschirmt aber nicht beschützt”; oder mit Wandobjekten von Horst Reichard: Abdrücke von WIESBADENER

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Karen Duve, Foto: © Kerstin Ahlrichs

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ünktlich zur herbstlichen Weinlese hält zwischen dem 19. und 28. September ein besonderer literarischer Jahrgang Einzug in einmalige Kulturstätten des Rheingaus: das Rheingau Literatur Festival. Das Konzept der WeinLese ist so einfach wie überzeugend: Dreh- und Angelpunkt jeder Veranstaltung ist der Dialog mit den Schriftstellern, die aus aktuellen Werken Kostproben geben. Am 19. September eröffnet Knut Bergmann die Reihe und liest aus seinem neuen Buch „Mit Wein Staat

Einer weiteren großen Dichterin ist der thematische Schwerpunkt des diesjährigen Festivals gewidmet: Bettine von Arnim, geb. Brentano. Wolfgang Bunzel wird ihre „Letzte Liebe”, die jetzt erstmals veröffentlichte Sammlung ihres Briefwechsels mit dem sehr viel jüngeren Jura-Studenten Julius Döring, in der Brentanoscheune vorstellen (25.9.). Der Briefwechsel zwischen Achim von Arnim und Bettine Brentano gehört zu den bedeutendsten Korrespondenzen deutscher Sprache. Er umfasst 838 Briefe und war bisher nur in gekürzter und fehlerhaf-

„WeinLese 2019“ Rheingau Literatur Festival 2019 machen – Eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland”, in dem er süffig, süffisant die Politik der Bundesrepublik Deutschland durch das Glas betrachtet. Karen Duve spürt in ihrem Roman „Fräulein Nettes kurzer Sommer” der jungen Annette von DrosteHülshoff nach – der großen deutschen Dichterin, die den alten, giftgrünen Zwanzigmarkschein zierte und bis heute fest im Literaturkanon verankert ist. (20.9.) 34

ter Form bekannt. Renate Moering hat sich des Missstandes angenommen und ein Zeitdokument von unschätzbarem Wert vorgelegt, das sie am 28.9. im Literaturhaus Villa Clementine in Wiesbaden präsentieren wird.

Verlagsleiter, stellen das Gastland der diesjährigen Frankfurter Buchmesse, Norwegen, literarisch vor (21.9.). Andreas Platthaus stellt Judith Schalansky mit ihrem wunderbaren Buch „Verzeichnis einiger Verluste” vor. (22.9.) Franz Keller bietet in einem literarischen Menü „Vom Einfachen das Beste” exklusiv auf seinem Falkenhof an. (22.9.) Ulrich Noethen liest Texte von Alexander von Humboldt zu dessen 250. Geburtstag (22.9.) und Saša Stanišić liest aus seinem autobiografischen Roman „Herkunft”. (24.9.) Dörte Hansens Buch „Mittagsstunde”, das mit dem diesjährigen Rheingau Literatur Preis ausgezeichnet wird, ist eine bewegende Reise in die verlorene Zeit. (22.9.) Eleonore Büning bereitet mit ihrem Buch „Sprechen wir über Beethoven” auf das große Beethoven-Jahr 2020 vor. (26.9.) Norbert Zähringers neuer Roman „Wo wir waren”, die Geschichte einer zerrissenen Familie, beginnt in einem Kinderheim im Rheingau und umspannt dabei ein ganzes Jahrhundert. (27.9.) Zwei Literarische Weinwanderungen runden das Programm ab (21.9. und 28.9.). Infos & Karten unter: www.rheingau-literatur-festival.de

Ulrich Sonnenberg ist preisgekrönter literarischer Übersetzer aus dem Dänischen und dem Norwegischen, und Halldór Guðmundsson ein renommierter isländischer Autor, Literaturwissenschaftler und WIESBADENER

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um ersten Mal wird die Entstehung und Entwicklung der Konkreten Poesie in Deutschland und der poesia concreta in Brasilien gewürdigt. Im Fokus stehen dabei die Werke der Künstler Eugen Gomringer und Augusto de Campos. Eugen Gomringer, geboren 1925 in Cachuela Esperanza, Bolivien, gilt als Begründer der Konkreten Poesie und wirkt bis heute überwiegend in Deutschland. Augusto de Campos, geboren 1931 in São Paulo, Brasilien, veröffentlichte Anfang der 1950er-Jahre erste Gedichte. 1952, in dem Jahr, als Eugen Gomringer seine erste Konstellation avenidas schrieb, schlossen sich in São Paulo die drei Poeten Augusto de Campos, Haroldo de Campos und Décio Pignatari zur Gruppe Noigandres zusammen. Drei Jahre später besuchte Pignatari die Hochschule für Gestaltung Ulm. Sein Treffen mit Eugen Gomringer, der zu der Zeit Sekretär von Max Bill war, kann als Beginn der internationalen Bewegung der Konkreten Poesie gesehen werden. Die Ausstellung zeigt konkrete Gedichte aus den 1950er-Jahren von Eugen Gomringer, Augusto de Campos, Haroldo de Campos und Décio Pignatari. Teil der Präsentation ist auch der Original-Tisch, an dem Gomringer und Pignatari 1955 in Ulm zusammen saßen. Auch der Brasilianer Geraldo de Barros (1923—1998) besuchte in den frühen 1950er-Jahren die Ulmer Hochschule. Basierend auf seinen Eindrücken wurde der Künstler nach seiner Rückkehr in Brasilien 1954 Mitbegründer des so genannten Unilabors zur Fabrikation von Möbeln. Unilabor sollte nicht nur Gestaltungsrichtlinien des Bauhauses fortführen, sondern auch eine soziale Ausrichtung in Form einer Arbeitsgemeinschaft besitzen.

Die Opelvillen nehmen das Jubiläumsjahr des Bauhauses 2019 zum Anlass, um erstmals in einer Ausstellung Unilabor einem breiten Publikum vorzustellen und die Bedeutung des Künstlers Geraldo de Barros für Design und Fotografie hervorzuheben. Teil der Ausstellung sind noch nie außerhalb Brasiliens ausgestellte originale Unilabor-Möbel. Ferner werden Fotografien der Serie Fotoformas aus den 1950er-Jahren von Geraldo de Barros zu sehen sein. www.opelvillen.de

Konkrete Poesie / poesia concreta – Eugen Gomringer, Augusto de Campos und Freunde Geraldo de Barros – Unilabor. Möbel und Fotografien Opelvillen Rüsselsheim Ludwig-Dörfler-Allee 9 65428 Rüsselsheim 25. September 2019 bis 12. Januar 2020 Öffnungszeiten: Mi. 10-18 Uhr, Do. 10-21 Uhr Fr. bis So. 10-18 Uhr

Konkrete Poesie / poesia concreta »Die Konkrete Poesie ist ein ästhetisches Kapitel einer sich bildenden universalen Sprache.« Eugen Gomringer

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Die ungarische UNICEF-Preisträgerin Csilla Szili-Schweer bereicherte die Interkulturelle SalonNacht für die Heilige Elisabeth von Ungarn und Patronin des Landes Hessen. Foto: Gesine Werner

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ie lebt ihre Berufung mit Herzblut und Seele. Lustvoll sprühendes Motivationstalent ist das Markenzeichen von Csilla Szili-Schweer, die ihren Stammbaum bis 1640 zurückverfolgen kann: „Ich bin so was von Ungarin!“

Taunusstein-Hahn wurde und 396 Kinder in 10 Kinderchören dirigierte? Das ist eine andere Geschichte.

Hommage an Autorinnen im Exil wurde von Csilla Szili und dem WMK-Kinderchor bereichert.

Direktor Christoph Nielbock holte sie an die Wiesbadener Musik- und Kunstschule, sie baute den Kinderchor „Musica allegra“ auf, war bei „Wiesbaden

Inzwischen in Rheinland-Pfalz, gründete sie 2013 den Schulchor „DO RE MI - Kinderchor aller Nationen“ als Bindeglied zwischen Sprachen und Kulturen in der Grundschule an der Burg Klopp zu Bingen am Rhein.

Die Augen hören immer mit UNICEF-Ehrenpreisträgerin Csilla Szili-Schweer und die Kodály-Methode Enorm vielfach engagiert ist die Diplom-Musikpädagogin, studierte Chorleiterin und Grundschullehrerin, die mit Kinderchören vor Kanzlerin Dr. Angela Merkel und zum 84. Geburtstag des Dalai Lama auftrat. „Alles, was ich kann, möchte ich verbreiten. Meine Arme sind immer offen. Hautfarbe, Nation, Religion, Kontinent spielen keine Rolle.“ Wie die Katholikin Leiterin des evangelischen Kirchenchores in

singt!“ aktiv. Der UNICEF Ehrenpreis dankte ihr „für die musikalischen Darbietungen mit Kindern der Wiesbadener Grundschulen.“ Die Interkulturelle SalonNacht für den Frieden „Rosenwunder, Brot & Krone 800 Jahre Elisabeth von Ungarn, Patronin von Hessen“ der Frauen in Schwarz Kreatief um Journalistin Gesine Werner und die Interkulturelle SalonNacht-

36 Musiklehrerin Csilla Szili-Schweer lehrt die Kodaly-Methode der relativen Solmisation.

„Alles, was nicht schön ist, bleibt draußen.” Mit Flötentönen lernen die Kinder auch Entspannung. Foto: Privat

Die Augen hören mit. Die Pädagogin führt mit der Kodály-Methode und ihrer „relativen Solmisation“ Kinder zum Singen . Eine buchstäbliche „Verkörperung von Tönen, die als Silben per Handzeichen sichtbar werden.“ Wie Csilla Szili-Schweer dem kriegsbedingt erblindeten Mohamed aus Syrien in Bad Kreuznach mit der Kodály-Methode das Flötespiel beibringt, war Thema in „Stern-TV“ und bei Günter Jauch. Gesine Werner

WIESBADENER III/2019 Der 84. Geburtstag des Dalai Lama im Kurhaus Wiesbaden. „Meine Aufgabe war es, die Begegnung von Heinrich Harrer und Dalai Lama mit dem Kinderchor der WMK zu begleiten”. Foto: Privat


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Keine Regatta ohne Drachenkopf und Drachenschwanz: Wassersportlegende Hannelore Braselmann (links) und Trainerin Anke Heinz (rechts) mit den typischen Insignien.

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ie Drachen(-Boote) sind los. Nach dem Schiersteiner Hafenfest ist vor dem „1. Deutschland-Cup für Pinkpaddlerinnen“. Im Rahmen des 17. Dr. Günter Renschin-Cups richtet der „Wassersport-Verein Schierstein 1921/WVS“ die Premiere der deutschlandweit ausgeschriebenen Regatta aus. Am 21. September bietet die „Wiesbadener Riviera“ die idyllische Kulisse, wenn zum dröhnenden Rhythmus der Trommelschläge die Paddel in das Hafenbecken stechen. Die „Pink Ladies“ in Schierstein sind der weltweiten Bewegung „Paddeln gegen Brustkrebs“ angeschlossen und trainieren als Abteilung des WVS zweimal pro Woche im Hafenbecken. Trainerin und Steuerfrau ist Anke Heinz. „Drachenbootpaddeln ist Teamarbeit.“ Die Weltmeisterin weiß, wovon sie spricht und legt großen Wert legt auf Teamgeist und auf gute Technik, lobt die Ausdauer ihrer Ladies. Der Erfolg gibt ihr Recht. Und der Spaß an der Freud kommt bei ihr auch nicht zu kurz. Der Optimismus wird in der Gruppe allseits geschätzt. Die Pink Ladies kommen beruflich aus diversen Sparten, sind Künstlerin wie Claudia Marianna Kutzera oder Yogalehrerin, Steuerberaterin, Musiklehrerin, Krankenschwester. Sie sind eine sympathisch bunte Truppe, zwischen 30 und Mitte 80 Lenze jung und kommen aus Wiesbaden, dem WIESBADENER

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Main-Taunus-Kreis, dem Rheingau, aus Mainz und der Region. Lisa Kassel-Breden fühlt sich als Pink Lady „sehr gut aufgehoben.“ Sie sitzen symbolisch und praktisch „in einem Boot“, bei einer Regatta komplett mit Drachen-Kopf und Drachen-Schwanz ausgestattet. Nach einem Schnupperkurs hat Marie Bauer „nicht lange überlegt, weil es Spaß macht und mir gut geht. Es ist Klasse, so an der frischen Luft“. Hedi Hein erklärt: „Für mich war das

der deutschen Polizei und Feuerwehr bei den World Police and Fire Games im kanadischen Vancouver „Pink Paddlerinnen“ kennen. Als Betroffene importierte sie die Bewegung „Paddeln gegen Brustkrebs“ nach Deutschland. Minister Stefan Grüttner spendete ein Drachenboot. Staatssekretärin Petra Müller-Klepper als Schirmherrin der Selbsthilfe-Initiative taufte die „Hanne“. Die Ladies holten sich Gold in Saarbrücken und waren in Florenz sowie

Pink Ladies – alle in einem Boot Drachenboot-Team paddelt gegen Brustkrebs / 1. Deutschland-Cup für Pinkpaddlerinnen in Schierstein die Rettung auf Anhieb. Das Leben bringt sich wieder ein und ich fühle mich körperlich fitter.“ Silke BuraBergmann ist von Beginn an dabei und schätzt die „sehr gute Stimmung im Boot. Es ist ein Stückchen Urlaub. Probleme mit dem Lymphfluß sind dadurch behoben. Du kannst auch mal pausieren.“ Vor 9 Jahren hat Bundesverdienstkreuzträgerin Hannelore Braselmann (84) die Pink Ladies gegründet. Die Wassersport-Legende war mehr als 50 Jahre WVS-Trainerin, bekam vom deutschen Kanuverband die Ehrentrainer-Lizenz. 2009 lernte die Trainerin des gemischten Nationalteams

der Vogalonga-Regatta auf dem Canal Grande von Venedig dabei. Oft auf Achse sind sie auch, paddeln gerne mal auf „Pink Wanderfahrt“, kürzlich in Berlin. Jetzt laden sie zur Premiere des Deutschland-Cups nach Schierstein ein. Einstieg bei den Pink Ladies ist jederzeit möglich. Info bei Anke Heinz, Telefon 0178 – 374 47 07 www.paddeln-gegen-brustkrebs.de pinkladies@wvschierstein.de Text und Foto: Gesine Werner

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Jugendstil hat im Museum Wiesbaden ein neues Zuhause Die Schenkung Ferdinand Wolfgang Neess im Südflügel des Museums macht Wiesbaden zum Jugendstil-Zentrum

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iesbaden - eine Stadt des Jugendstils. Das Land Hessen hat den Südflügel komplett saniert. Das Museum Wiesbaden ist die neue „Schatulle“ der wichtigsten Privatkollektion an Symbolismus und Jugendstil in Europa und jetzt ein führendes Haus der faszinierenden Kunstrichtung. Der Kunsthändler und -sammler Ferdinand Wolfgang Neess hat zu seinem 90. Geburtstag den Großteil seiner Kostbarkeiten dem Museum seiner Wahlheimatstadt Wiesbaden geschenkt. Und Hessens Landeshauptstadt, um die Jahrhundertwende als „Weltkurstadt“ in voller Blüte, rief 38

das „Jugendstil-Jahr“ 2019/2020 aus. Das Sparten verbindende Projekt wird großzügig vom Kulturfonds Rhein-Main gefördert und vereint 25 Wiesbadener Institutionen, die Mythos und Idee der pulsierenden Ära aufgreifen. Mit zwei Ausstellungen machte das Stadtarchiv den Auftakt. Meisterfotograf Michael Lebed zeigte „Jugendstil in Wiesbaden“ mit großformatigen Impressionen und die Kunstarche präsentierte Werke des Wahl-Wiesbadeners Hans Christiansen. Am Musentempel brillierte das Hessische Staatsorchester mit einem Festkonzert. „Jugendstil und Buchkunst“ ist für einige Monate zu sehen in der

Hochschul- und Landesbibliothek Rhein-Main. Sinnlich dekorative Einbände, märchenhaft leuchtende Illustrationen und ornamentale Plakate fesseln das Augenmerk.

Ein Haus mit neuem Klang Das Museum Wiesbaden hat mit dem sinnlich präsentierten „Gesamtkunstwerk“ einen ganz neuen Klang, zeigt sich von anderer Seite. „Heute ist ein großer Tag für Hessen mit dieser ganz besonderen, ganzheitlichen Sammlung von großer kunsthistorischer Bedeutung“, schwärmte Angela Dorn ungewohnt pathetisch. Für „ein weiteres Zentrum des Jugendstils“ bedankte sich die Kunstministerin bei Ferdinand Wolfgang Neess und Gemahlin Danielle. „Es ist ein Meilenstein für Wiesbaden. Hier werden Spitzenwerke der Kunst- und Kulturgeschichte vom 18. Jahrhundert bis heute gezeigt.“ . WIESBADENER

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KULTUR

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KREATIVES

flimmernde Filmprojektion) sowie die Wiener Secession und Worpswede sind zu sehen.

Als „eines der sieben Weltwunder in Hessen“ sieht Dr. Alexander Klar das hochkarätige Konvolut mit über 700 Preziosen der revolutionären Kunstrichtung, die Ende des 19. Jahrhunderts in Europa Furore machte. Der Museumsdirektor bezifferte „die wertvollste Schenkung in der Geschichte des Museums, das bürgerlich begann!“ auf mindestens 41 Millionen Euro. „Das exquisite Konvolut paßt wie ein Puzzlestück hier ins Haus und katapultiert Wiesbaden in die Top Ten Europas.“ Arts and Crafts in movement startete in Großbritannien, wurde in Frankreich und Belgien bekannt als Art Nouveau, hieß in Spanien Modernismo und mutierte zum Wiener Secessionsstil - siehe „Krauthappel“ mit dem Imperativ „Der Zeit ihre Kunst - Der Kunst ihre Freiheit“. Elegant geschwungen, wurde der Formenkanon als Coup de Fouet (Peitschenschlag) zum stilprägenden Element. Die einzigartige Neess-Kollektion im neuen Museumsflügel vereint illustre Namen von Josef Maria Olbrich und Franz von Stuck, Alfons Mucha über Emil Gallé, Hector Guimard, Jaques Gruber und Henry van de Velde bis zu Louis Majorelle, Heinrich Vogeler und Gustav Klimt. Gemälde, Lithografien, Pastelle, Aquarellen aus ganz Europa betören das Auge ebenso wie Objekte der angewandten Kunst, Silber, Glas, Porzellan und Keramik, Vasen, WIESBADENER

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Schalen, Lampen, Lüster und Mobiliar als Ensemble oder Skulptur. Die hochkarätige Sammlung zeigt den Formen- und Fantasiereichtum von Jugendstil und Art Nouveau als fulminante Inszenierung in sieben Räumen. Ein „Seh-Gang“ führt durch ein nachtblau illuminiertes „Bühnenbild“ oder in eine Szenerie mit der Anmutung von Tageslicht. Im Zentrum betört ein ovaler Salon, der in großbürgerliche Kabinette führt. Ein Schlafgemach zeigt ein elegantes Bett von Hector Guimard (Paris) und Vitrinen mit Gallé-Vasen als Raumteiler. Das Vergnügen beginnt unter den Augen des Mäzens, der als Kleinkind vom Schwarzweißfoto blickt und als Jugendlicher von einem Leopold Schmutzler-Gemälde grüßt. Eintauchen in ein überwältigend sinnliches „Gesamtkunstwerk“ in ästhetisch gekonnter Inszenierung. Flanieren durch die Kunst gewordene Einheit von Mensch und Natur ist angesagt. Baumkronen, Blütenkelch-Lampen, Tiffany-Motive, augenscheinlich „aus der Erde emporgewachsenes“ Mobiliar, Fledermäuse sind zum Schrank geworden oder großformatiges Flügel-Dekor. Organisch schwingende Metallbeschläge, feine Intarsien, ein Goldrausch von Dekor und „sündige“ Frauen.

„Dieses Bürgermuseum spielt auf allerhöchstem Niveau und hat einen vollkommen neuen Klang bekommen. Jugendstil - Jetzt und für immer in Wiesbaden“, schwärmt Dr. Peter Forster. „Das hier ist ewig!“ Der Museumskustos verweist auf die exzellente Qualität des neuen Sammlungsbereichs und die „bürgerlich-bürgerliche“ Partnerschaft, welche die erlesene Einrichtung ermöglichte. Sammlerpionier F. W. Neess steuerte einen Riesenscheck bei. Hessische Kulturstiftung, Stadt Wiesbaden, Alfred Weigle-Stiftung, Ernst von Siemens Kunststiftung, die Freunde des Museums, Hessisches Umweltministerium teilten sich weitere Kosten. Die früheren Ausstellungsräume der Nassauischen Altertümer sind als rekonstruierte Tageslichtgalerie wieder das maßgeschneiderte Domizil einer kulturhistorischen Sammlung. Auch der Vortragssaal des Museums ist ein Schauplatz im Wiesbadener Jugendstil-Jahr. Sopranistin Mary Lou SullivanDelcroix vom Hinterhof-Palazzo bereitet mit Konzertpianistin Sigrid Jennes-Müller und Schauspielerin Gabriele Regensburger das Programm „Jugendstil in Wien - Musik und Literatur“ vor. Kompositionen von Alma Mahler, frühe tonale Werke von Arnold Schönberg und Brettl-Lieder von Alexander Zerlinsky treten in Dialog mit Texten von Schnitzler, Peter Altenberg & Co. getreu der Maxime: „Blicke mir nicht in die Lieder.“ Text und Fotos: Gesine Werner

Der englische Ursprung wird gezeigt, die französische Ausprägung und die Weltausstellung 1900 in Paris (als Fotowand und nostalgisch 39


KULTUR

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um Hoyerswerda in Sachsen geschenkt. In ihrem privaten „Jubiläumsjahr“ 2019 zeigte das Museum Dotzheim auf Wunsch von Museumsleiter Bernd Blaudow kostbare „Spielzeugträume“ wie die Legehenne mit Automatik (1905) und „Schneekinder“ aus Biskuitporzellan (1900). Ihr 70. Wiegenfest hatte sie mit „7 Monden für R. Tagore - Du und Ich“ im Rathausfoyer Wiesbaden zelebriert. Zum 75. Geburtstag lud sie die internationale Jury zur Print-Biennale nach Barcelona, Paris und London. „Hommage an Alondra de la Parra“ sind drei Collagen im Bauhausstil: „Holzschnitte mit Gold gehüllt.“ Aktuell arbeitet Claudia Kutzera an Objekten und Collagen für die Schau „Zeitgleich“, die im Sommer 2020 den Ebersbacher Hof zu Mainz bespielt. Schirmherr ist Professor Peter Reifenberger. International renommiert und Sparten übergreifend engagiert – Claudia Marianna Kutzera schultert 75 Lenze und bereitet die Schau „Zeitgleich“ vor.

„Zeitgleich” von Mondtor bis zum Meditationsgarten für John Cage International renommierte Vielsaitigkeits-Künstlerin Claudia Marianna Kutzera schultert 75 Lenze

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werkerin“ aus einer Theaterfamilie versteht. Als Nachkriegsgöre legte sie „aus herrlichsten Glasscherben und Porzellansplittern“ die ersten Farbmosaike auf die Erde, spielte in Dessau „im Trümmerhaufen des Feininger.Ateliers“. Das Bauhaus-Umfeld bot „die besten Spielplätze“ damals.

Ob „Mondtor“, die „verschlüsselte Botschaft“ oder der „Meditationsgarten für John Cage“: Ihre kreativ ausgelebten Fähigkeiten definiert sie als „Schwesterkünste“, Gedichte schreibt sie auch: „Die Vergangenheit macht vor Niemandem Halt. UNENDLICHKEIT der entjungferten Blume wächst nicht von allein.“

In Polen, Ungarn und Russland ist das Mitglied der Association Internationale des Arts Plastique der UNESCO vertreten, in Neu Delhi, Japan und New York auch. Ein spektakulärer Coup ist das von ihr eigenhändig gestaltete Treppenhaus im Art Deco-Stil in der Taunusstraße. „Jede Alltags-Idee ist würdig, im Kunstwerk Platz zu finden.“

aum zu glauben – Claudia Marianna Kutzera schultert im Oktober 75 Lenze. Die international renommierte Avantgardistin Claudia Kutzera arbeitet Sparten übergreifend, paßt in keine Schublade und steht für unbändige Experimentierfreude.

Der weiblichen Kunst der Vernetzung und grenzüberschreitenden Brückenschläge der Genres ist sie immer zugetan, die in Rathenow geborene Kunstschaffende mit der ausdruckstarken Präsenz, die mit Armin MuellerStahl auf Augenhöhe gearbeitet hat: „Er hat mir beim Synchronisieren Tips gegeben und ich habe ihm die Aquarelltechnik erklärt, die mir mein Meister Curt Querner beigebracht hat“.

Die kenntnisreiche Sammlerin, die ihre „Schätze“ eigenhändig und originalgetreu restauriert, hat 2015 einen Teil ihrer wertvollen Kollektion aus mehreren Jahrhunderten dem Schloßmuse-

„Ich lasse mich gerne von den Schwesterkünsten Musik und Literatur inspirieren. Nicht umsonst hat Professor Ludwig Güttler meine Arbeiten für die Musikhochschule Carl Maria von Weber verteidigt -kurz vor der Wende. Lyrische geometrische Poesie – das ist meine Handschrift. Entscheidend in meinem Leben ist immer der Augenblick.“ Nicht zu vergessen das „Paddeln gegen Brustkrebs“ mit den erfolgreichen „Pink Ladies“ im Wassersport-Verein Schierstein 1921 / WVS. In Saarbrücken 2012 zum „Goldmädel“ geworden, 2013 im Schiersteiner Hafen Deutsche Meisterin, schwärmt sie von Venedig. „Es ist paradiesisch für die Augen und den ganzen Körper. In den Fenstern wurde mit Glocken Beifall geläutet. Wir trugen pinkfarbene Perücken und paddelten zwei Stunden durch den Canal Grande bis zur Insel am Meer“, erinnert sich Claudia Kutzera an die Vogalonga-Regatta von Venedig. „Sauerstoff ist wichtig für Geist und Herz. Wir schalten ab und schöpfen neue Kraft. Als Einzelschaffende tut mir der Teamgeist gut. Ich bin Luftelement Waage und liebe das Wasser“. Zum 75. Geburtstag wünscht sich Claudia Kutzera „noch lange Frieden und daß die Sonne im Herzen scheint.“ Text und Fotos: Gesine Werner

Ihre Vita zeigt eine bodenständige Künstlerin, die sich als „malende Hand40

Training im Hafen Schierstein: Mit den „Pink Ladies” von Trainerin Anke Heinz sitzt Claudia Marianna Kutzera (3. von rechts vorne) im selben Drachenboot

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KULTUR

Erste Sohlberg-Retrospektive auf dem Festland. Kulturfonds-Geschäftsführer Dr. Helmut Müller und Museumsdirektor Dr. Alexander Klar (mit Sohlberg-Kinderbuch) vor dem Gemälde „Akershus”.

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useum Wiesbaden mit erster Retrospektive von Harald Sohlberg auf dem Kontinent / Direktor Dr. Alexander Klar ist neuer Chef der Kunsthalle Hamburg „Die Details, das Monumentale und die großen dekorativen Effekte, zu einer Gesamtheit zu kombinieren, wie ich es am persönlichsten sehe und fühle. Dies ist der zentrale Punkt in meiner Kunst“, notierte Harald Sohlberg. „Ich habe alle meine Fähigkeiten mobilisiert, um diese schwierige

Zum 150. Geburtstag des Malers aus Kristiania/Oslo, der 1896/97 in Weimar lebte und mit Edvard Munch befreundet war, zeigt sich „die Kraft der Natur“. Die meisterhafte Hängung von Dr. Roman Zieglgänsberger setzt die Grundfarben-Idee des Malers um: Die Wände sind in zarten Fliedertönen gehalten und fördern die Melancholie der „halblichten Sommernächte“ als „ernste und herzliche, aber gedämpfte Musik“. Spirituelle Farb- und Lichtstimmungen packen mit atmosphärischer Dichte als

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KREATIVES

zurrter Leinwand unter freiem Himmel. Die einzigartige Hommage mit einem Hauch Emil Nolde und Caspar David Friedrich kam, zuerst abgelehnt, per Schenkung 1918 an das Nationalmuseum Oslo. Museumsdirektor Dr. Alexander Klar lieferte mit der ersten Sohlberg-Retrospektive auf dem europäischen Festland den perfekten „Schwanengesang“. Ab Ende 2010 öffnete Mister Klartext das Haus, ließ durch das abweisend wirkende Museum für Kunst & Natur frischen Wind brausen. Im hoch motivierten, „überzeugungstatkräftigen“ Team stimmte die Chemie. Bis zu 16 Sonderschauen pro Jahr, oftmals Publikumsrenner, stellten sie auf die Beine. Unvergeßlich: Rheinromantik, Antonio Saura, Ellsworth Kelly, Chillida, Fluxusjubiläum mit „Godfather“ Ben Patterson und Filius Joel als Baby auf dem Schoß von Papa Klar. Der engagierte Kunsthistoriker aquirierte exzellente Nachlässe und Schenkungen (Frank Brabant, F. W. Neess & Co.), knackte mit Blockbustern die Marke von 120.000 Gästen und setzte sich für das Museum Reinhard Ernst als Nachbar auf der „veritablen Kulturmeile“ ein. Der Freundeskreis wurde mit 1700 Mitgliedern der am schnellsten expandierende Förderkreis eines Museums. Im August „abgängig“; zog der neue Chef der Kunsthalle Hamburg, wie Wiesbaden ein „Bürgermuseum“, aus dem bunten Westend in ein altes Kapitänshaus im

Seele Norwegens als Bild gewordene Ikone gerät zum Schwanengesang Aufgabe zu lösen.“ Als „Mittsommernacht“ laden 70 Gemälde und Zeichnungen im Museum Wiesbaden ein, den international geschätzten Norweger Harald Sohlberg als exzellenten Maler „unendlicher Landschaften“ in Deutschland zu entdecken. In Kooperation mit dem Nationalmuseum Oslo und der Dulwich Picture-Gallery London, großformatig gefördert vom Kulturfonds Frankfurt Rhein-Main, flankiert die sensibel inszenierte Schau den neuen Jugendstil-Schwerpunkt des Hauses. Ministerpräsident Volker Bouffier ist Schirmherr. WIESBADENER

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Brücken zwischen Romantik, Symbolismus und Neuer Sachlichkeit. „Die Seele Norwegens“ als Bild gewordene Ikone. 1996 zum Nationalgemälde gewählt, ist die „Winternacht in Rondane“ das erste Mal überhaupt (!) außerhalb von Oslo zu sehen. Eine hohe Ehre für Wiesbaden. Schneegipfel, Mondleuchten, funkelnder Abendstern, geheimnisvoll „eingraviertes“ Gipfelkreuz und kosmische Erhabenheit – Suggestion pur. „Die Himmelsfarbe ist alle Farbe.“ An der „Winternacht“ hat der Künstler vierzehn Jahre gearbeitet, in Eiseskälte bei festge-

Treppenviertel von Blankenese. 30 Kilometer Hin- und Rückfahrt sind sein „sportliches“ Tagespensum auf dem Drahtesel - immer an der Elbe entlang. Als Kurator kommt Dr. Klar am 20. September nach Wiesbaden zum Opening seiner Vier-StationenSchau: „Jetzt! Junge Malerei in Deutschland“. Im Februar 2020 kann der Direktor der Kunsthalle Hamburg seine Schau quasi nebenan eröffnen - in den Deichtorhallen Hamburg. Text und Foto: Gesine Werner 41


KULTUR

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KREATIVES

Jahrzehnte spielen, aber auch Aktuelles aus seinem Repertoire darbieten. Weitere Informationen zum Programm und zum Ticketvorverkauf werden regelmäßig auf der Website des FilmMusikFestivals Ingelheim unter www.filmmusikfestivalingelheim.de veröffentlicht.

Radio Doria, Foto: © JoachimGern

Kino, Film & Musik FilmMusikFestival Ingelheim 2019

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as Programm für das diesjährige FilmMusikFestival Ingelheim vom 8. bis 10. November 2019 steht fest! Nachdem Jazzgröße Klaus Doldinger bereits für das Abschlusskonzert am 10. November in der kING Kultur- und Kongresshalle gewonnen werden konnte, steht nun auch der Rest des attraktiven Programms fest, das sich die Macher für dieses Jahr wieder haben einfallen lassen. Eröffnet wird das FilmMusikFestival Ingelheim mit einer Kino-Varieté-Veranstaltung in der kING am Freitagabend und steht damit ganz im Zeichen der frühen Film-Jahre. Es wird der großartige Stummfilm aus dem Berlin der 20er Jahre „Eine tolle Nacht” mit Live-Musik gezeigt und – wie in den frühen Jahren historischer Kinovorführungen – ein Rahmenprogramm mit verschiedenen Varieté Künstlern sowie historische Filme mit Ingelheimer Regionalbezug (Wochenschau-Beiträge etc.) im Vorprogramm. Am Samstag um 10 Uhr findet ein Rundgang durch die OMNIMAGO GmbH, ein in Ingelheim ansässiges Medienunternehmen, statt. AktuWIESBADENER

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Veranstaltet wird das Festival von der Ingelheimer Kultur und Marketing GmbH, der als künstlerischer Leiter erneut der renommierte Filmmusikkomponist Matthias Frey zur Seite steht. Der erfahrene Weltmusiker und Filmmusikkomponist wurde bereits mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet und war 2005 für den Emmy nominiert. Klaus Doldinger, Foto: © Peter Hönnemann

elle und historische TV- und Kinoproduktionen erhalten hier den letzten Schliff, werden ausführlich geprüft und für eine Fernsehausstrahlung oder eine Kinoprojektion vorbereitet. Ein Schwerpunkt liegt in der Konservierung und der digitalen Restaurierung von analogem Filmmaterial. OMNIMAGO schreibt zudem Untertitel und erarbeitet Audiodeskriptionsfassungen. Für den Samstagabend steht ein weiteres Highlight – präsentiert von SWR1 - fest: Er ist der Tatort Kommissar schlechthin, doch nun steht Jan Josef Liefers nicht als Schauspieler, sondern als Sänger mit seiner Band Radio Doria auf der Bühne! 2017 ist bereits das zweite Album der Band mit dem Titel “2 Seiten” erschienen, mit welchem die Band unter dem Motto „Alles hat 2 Seiten” auf Konzertreise unterwegs ist. Das Final-Highlight am Sonntag wird, wie bereits bekannt, die Jazzgröße Klaus Doldinger mit einem Konzert um 18 Uhr in der kING. Der Macher der berühmten Tatort-Melodie ist in der Jazzwelt seit Jahrzehnten eine feste Größe. An diesem Abend wird Klaus Doldinger mit seiner Band „Passport” die „best of´s” der vergangenen 42


KULTUR

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KREATIVES

1. Dezember 2019 – Band Youkali

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eit 12 Jahren bereichert die Veranstaltungsreihe „Tarbut – Zeit für jüdische Kultur” das kulturelle Leben der hessischen Landeshauptstadt. Das diesjährige Programm ist wieder gespickt mit spannenden Aufführungen, Künstlern und Themen, von denen wir hier einige nennen möchten. Anlässlich des 100. Bauhaus-Jubiläums wird im Wiesbadener Rathaus die Ausstellung des Bauhaus Centers Tel Aviv gezeigt. In Tel Aviv wurden in den 1930er und 40er Jahren mehr als 4.000 Häuser überwiegend im Internationalen Stil, hier auch Bauhaus-Stil genannt, errichtet. Viele der Architekten waren deutschstämmige Juden - unter ihnen einige Absolventen des Bauhauses, die nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 Deutschland verlassen haben. Am 3. November wird Arthur Millers Theaterstück „Zwischenfall in Vichy” aufgeführt. Arthur Miller schreibt 1964 unter den Eindrücken des Auschwitz-Prozesses in Frankfurt/M. dieses Stück, bei dem er das Problem der mittelbaren Schuld und die unbewusste Teilhabe jedes Einzelnen am unaufhörlichen Unrecht dieser Welt thematisiert. Am 11. November wirbeln die „Jewish Monkeys” im Schlachthof. Die acht Herren aus der endlos quirligen Kulturmetropole Tel Aviv haben bisWIESBADENER

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her so ziemlich jeden Saal zum Toben gebracht. Und zwischen KlezmerPunk, Balkan-Swing und überhaupt mediterraner Tanzparty lassen sie eh kein Auge trocken, und das garniert mit einem Humor, dass es eine Art hat. Am 17.November entführt das Trio Canelle in die „Goldenen zwanziger Jahre”. Es geht in die drei Welt- und Musikmetropolen, die auch Zentren des jüdischen Lebens und der jüdischen Kultur in den 1920er Jahren waren. Die Kunst dieser Zeit prägte nachhaltig viele nachfolgende Generationen und jüdische Künstler*innen aus dieser Zeit, die bis heute verehrte Vorbilder sind.

Dresdner Musikerinnen tauchen mit ihren heitermelancholischen Kompositionen ein in die Poesie einer anderen Zeit. Dazu verführte sie die Lyrikerin Mascha Kaléko, deren Gedichte mit rettender Ironie von Alltag, Sehnsucht und dem Wahnsinn der Welt erzählen. Mit nur 22 Jahren schreibt sich die jüdische Autorin im Berlin der Weimarer Republik in die Herzen ihrer Zeit. Diese stets aktuellen Zeilen erwecken Youkalí mit eigenen Klängen zu neuem Leben. Cineastisch wurde ein großes Paket mit sechs Filmen geschnürt, das im September in der Caligari FilmBühne u.a. mit Komödie, Doku und Drama auf Sie wartet. Infos unter: www.jg-wi.de

Am 1. Dezember heißt es dann „Youkalí – Seiltänzerin ohne Netz”. Vier 43


Sparkassen Versicherung gesponsert.

TatOrte-Teilnehmer 2019: Frauen Museum Wiesbaden Elementar Teilchen: Internationale Zeitgenössische Collage Neu: Die Kunstkoffer kommen, Soziale Plastik Malerei Neu: die kunstwerker e.V. Arbeiten der Kunstwerkstatt „eigenArt”, Malerei Plastik Mischtechnik Beschreibungen. Verkürzungen. Heidi Bastian Ölmalerei in vielen übereinander liegenden, transparenten Lasurschichten. Abstrakte-und semiabstrakte Malerei, Landschaften und Porträts.

Jochen Schnepf, 04

Der Mensch braucht Kunst und die Kunst ist nah: TatOrte Kunst TatOrte Kunst, das sind Künstler*nnen in WiesbadenMitte, Dichterviertel und Rheingauviertel-Hollerborn, die sich zum elften Mal zusammengetan haben und für den Kunstrundgang Ateliers und Galerien öffnen in diesen netten Vierteln, in denen man gerne lebt und arbeitet. Man kennt sich und unterstützt sich bei der ein oder anderen Gelegenheit. TatOrte Kunst findet wie immer am letzten Sonntag im Oktober statt, dieses Jahr am 27.10. 2019 von 12 – 18 Uhr. TatOrte Kunst mischt sowohl erfahrene und etab44

lierte Künstler als auch junge, neue Kunstschaffende am Anfang ihres Weges. Es ist ein Rahmen für Entwicklung, gegenseitige Motivation, Austausch unter Künstlern und für die Begegnung mit kunstinteressierten Menschen. Neben der Kunst sind auch Hinterhöfe, lauschige Ecken und tolle Geschäfte zu entdecken. Ein neues Orga-Team gibt’s auch: Mireille Jautz, Heidi Wörner, Andrea Frank, Jochen Schnepf und Bernd Schneider. TatOrte Kunst wird seit Jahren von den Ortsbeiräten Wiesbaden-Mitte und Rheingauviertel-Hollerborn, dem Kulturamt sowie Naspa und

Anna Bieler Sie beschäftigt sich in ihren Kunstwerken, die sich durch die Kraft der Farben und fabelhaften Wesen auszeichnen, mit dem hintergründigen Menschsein. Petra von Breitenbach Malerei Collage Video: Kunst und Gesellschaft. Mareike Buchmann Tanz Performance Text/Bild Zitat der Webseite: „Jeder Standpunkt ist nur einer von unzähligen Möglichkeiten, sich im Raum zu orientieren.” Angelina Dalinger Mixed Media Art Video Installation und Entwicklung medialer Konzepte für Bühnenbild, Installationen u.a. Immo Eitel In seiner Pastellkunst mischen sich das Zeichnen und die Malerei – inspiriert durch die Natur. Andrea Frank Meer und Mensch sind Thema der Malerei. Wiebke Fuchs Malen auf Leinwand, Papier und Holz mit Acrylfarbe. WIESBADENER

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KULTUR

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KREATIVES

Uta Weil Malerei : Leichte und flüchtige Momentaufnahmen von Landschaften. Rosana Woiczechowski Encaustic ist eine 3000-5000 Jahre alte, antike Maltechnik, bei der Farbpigmente in heißem Wachs gelöst und in einem besonderen Verfahren auf dem Malgrund aufgetragen werden. Bruno Zaid Malerei . Fotorealistische männliche Porträts mit Brüchen. Inspiration durch Filmszenen. Bruno Zaid, The new Hero

GALERIE H22 Susan Geel: Skulptur. Reinhard Berg: Fotografie. Wolfgang Blanke: Malerei. Amador Vallina: Skulptur. Peter Bernhard: Malerei.

Nora Katthöfer Malerei . Das Bild ist ein Gegenüber, mit dem sie kommuniziert und das sie nicht übergehen kann.

GALERIE Pokusa: Anka Mierzejewska, Liebe in Bewegung, 20.09.-08.11.2019

Iris Kaczmarczyk Fotografie. Technisches Know-how und der Blick fürs Wesentliche. Künstlerisch ist die tiefgreifende Wirkung.

Wolfgang Gemmer Objektkunst. Dinge bestimmen unseren Alltag? Was macht das Ding mit dem Künstler?

Roman Mikos Malerei. Vertrauen in den Betrachter, sich seinen eigenen visuellen Weg zu bahnen.

Udo W. Gottfried Malerei, Skulptur, Grafik, Keramik, Installation Annäherungen an die Welt, oft spielerisch und meist jenseits begrifflicher Formulierbarkeit

Birgit Reimann und Rebecca Glaucke Installation. Sehen wir nur das, was wir erwarten zu sehen?

Astrid Marion Grünling Malerei Künstlerische Grafik Objekte – Schiefer Metall Papier Leinwand Christian Hain Malerei www.loeffelgeschichten.de Eva van der Horst Malerei Collagen Segmente Bilder Botschaften entstehen im aktuellen Moment ohne Vorhersehbarkeit. Mireille Jautz Malerei Zeichnung Druckgrafik Tanzperformance. Volver – Zurückkehren Tanz und Bild. Kunst ist mein Lebensmittel. Art is my food. Heidi W. von Nyloneuter Fotografie. We are only tumbling in what we are. WIESBADENER

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Fünf Versorgungsstationen stehen den TatOrte Kunst Besuchern zur Verfügung: Tillys Cafe Walz, Weinländer, Crema Catalana, Der Dorfladen und Glyg mit Hofladen unterstützen TatOrte Kunst. Regionale und überregionalen Leckereien sollen das TatOrte-KunstPublikum stärken, damit die doch recht große Strecke von Atelier zu Galerie und zu dem ein oder anderen ungewöhnlichen Ausstellungsort durchzuhalten ist. Der 27. Oktober ist nah! Weitere Infos unter: www.tatorte-kunst.de

Katja Rosenberg Große Vielfalt. Zeichnung Urban Sketching Collage Aktzeichnung Assemblage Aquarell- und Acrylmalerei. Yoshiko Romppel Keramik . Arbeiten mit Ton in der eigenen Werkstatt. Richard Seelbach Malerei Fotografie Jochen Schnepf Skulptur Fotografie. Hunderte Tentakel, Stachel aus reinem Porzellan geformt, bei 1.200 Grad gebrannt. Resistent gegen Gift und Strahlung. Unsterblich und tödlich. Work in progress. Bernd Schneider Malerei Zeichnung Aktionskunst. Serielles Zeichnen. Dazu darüber Texten. In öffentlichen und ungewöhnlichen Räumen. Heidi W von Nyloneuter, EGO

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KULTUR

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KREATIVES

B3 ist heute einer der zentralen europäischen Hotspots für das bewegte Bild und die zeitgenössische Medienkunst, für innovative Medienentwicklungen und den wissenschaftlichen Diskurs. Seit 2013 haben Exponate und Themen der B3 rund 800.000 Menschen im In- und Ausland begeistert sowie eine breite nationale und internationale Medienresonanz erzeugt. 2019 findet die B3 zum ersten Mal in strategischer Kooperation mit “THE ARTS+” Future of Culture Festival auf der Frankfurter Buch-

Leitthemas REALITIES treffen Narration und Emotion, Illusion und Simulation in diesem Medium auf besondere Weise aufeinander und fordern unser Verständnis von Realität digital heraus. Die Mehrzahl der ca. 20 gezeigten Arbeiten sind Welt-, Europa- sowie Deutschlandpremieren. Zentraler Anlaufpunkt des 800 Quadratmeter großen Ausstellungsareals ist die begehbare Großinstallation der New Yorker Künstlervereinigung “3-Legged Dog”. Bis zu 90 Zuschauer_innen können sich gleichzeitig in der

B3 – innovative Medienkunst 2019 messe und an weiteren ausgewählten Orten in Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet statt. Bewegtbild- und Medienschaffende aus der ganzen Welt werden vom 16. bis 20. Oktober unter dem Leitthema „REALITIES” ihre Projekte, Werke und Ansichten in Ausstellungen, Screenings, Konferenzen und weiteren Events vorstellen.

ca. 350 Quadratmeter großen immersiven Installation aufhalten. Im Rahmen dieser interaktiven Perfomance-Plattform stellen 3 internationale Künstler aus dem 3-Legged Dog-Pool ihre aktuellen Werke zum ersten Mal einem europäischen Publikum vor.

Die B3 Leitausstellung beschäftigt sich bewusst mit dem Trendthema VR. Vor dem Hintergrund des B3

Der chinesische Künstler Fei Jun, Associate Professor am Digital Media Lab der China Central

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KI enthüllt Identitäten

Academy of Fine Arts (CAFA) Beijing, stellt erstmals in Deutschland seine interaktive Installation “Interesting World, Installation 2” (2019), vor. Sie feierte ihre Premiere im chinesischen Pavillon auf der diesjährigen Venedig Biennale und basiert auf einem von Fei und einer Gruppe von Ingenieuren entwickelten KI-gesteuerten Kategorisierungssystem, das Informationen aus Google Maps verwendet. Die KI nimmt die Emotionen und die Gesichter der Zuschauer_innen auf, um daraus Elemente ihrer Identität abzuleiten. In einem Interview mit arbet.com erklärte der Künstler: „Bei dieser Arbeit geht es darum, den Denkprozess der Maschine zu erforschen, bei dem es sich um den Algorithmus handelt. Wir werden alle beobachtet, auf die eine oder andere Weise. Aber das Interessante ist, dass Sie nicht wissen, mit wem die Maschine Sie verbinden kann.”

BEWEGTBILD_PARK mit junger Kunst Auf ca. 300 Quadratmetern zeigt die B3 im BEWEGTBILD_PARK einen Ausblick auf das bewegte Bild außerhalb klassischer Kinoproduktionen, wie z.B. auf rein künstlerischen Positionen, auf Games oder auch auf Webserien. Weitere Infos unter: www.b3biennale.de WIESBADENER

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KULTUR

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KREATIVES

Packend – prickelnd – Punxxx

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ebellisch, unangepasst und gegen den Strich gebürstet – Flic Flac bleibt sich treu. Zum 30. Geburtstag präsentiert das renommierte Eventunternehmen eine komplett neue Show namens „Punxxx”. Ein Actionprogramm, das den besonderen Flic Flac Stil fortsetzt. Seit der ersten Show - „Nicht irgendein Circus” in 1989 – bringen die Flic Flac Macher Streetstyle ins schwarz-gelbe Zelt: punkig, rockig und auch nach 30 Jahren garantiert anders.

Ein erfahrener Stuntman hangelt sich kopfüber unter der Zeltkuppel entlang, drei charmante Ladies betören mit brillanter Hand-aufHand-Akrobatik. Ein junger Inder präsentiert eine außergewöhnliche Sportart seiner Heimat auf europäischem Boden. Dazu gibt es schräge Comedy vom Feinsten. „Punxxx – eine Show ohne Konventionen und Langeweile – stattdessen unvergesslich und unverzichtbar. Der Vorverkauf läuft.

Alle Infos und Tickets unter www.flicflac.de.

Vom 13. Februar bis 1. März 2020 gastiert Flic Flac mit Punxxx auf dem Festplatz am Ratsweg in Frankfurt/Main. Bei „Punxxx” treffen filigrane Reifenspringer der China National Acrobatic Group – beim Circusfestival in Monte Carlo” mit Gold ausgezeichnet – auf die stahlharte Motorradkugel, in der neben sieben Männern auch erstmals eine Frau ihre waghalsigen Runden dreht.

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Michael Pegher, der wandlungsfähige Tenor mit dem warmen Timbre, ist als düsterer Reverend Shaw Moore in „Footloose” zu erleben.

Ein Fest für Auge und Ohr Footloose als fetziges Musical am Darmstädter Musentempel Tanzen verboten? Rebellion! Die Jugend In der düsteren Kleinstadt Bomot langweilt sich in Rosie´s Diner und an der Tanke. In den 80ern klappt das Aufbegehren gegen den restriktiven Pastor Moore erst, als Ren McCormack (Fin Holzwart mit einem Hauch James Dean) und Mutter Ethel (Ingrid Katzengruber) aus Chicago herziehen. Das dunkle Geheimnis des Pastors wird gelüftet, die Erwachsenen kommen auch „in Bewegung“. Es steht schließlich „David tanzte mit aller Macht“ in der Bibel. . Als Film wurde „Footloose“ von Dean Pitchford & Tom Snow mit Evergreens wie „I need a hero“ populär. Der Dauerbrenner bietet Life und in Farbe am Musentempel der Büchnerstadt einen hinreißenden Abend. Jubelrufe, Applausgewitter. Die fetzige Inszenierung von Erik Petersen - Choreographie: Sabine Arthold, Dance Captain: Lena Lafrenz – wartet in musikalischer Leitung von Bart Berzonsky mit Countrygeigerin Tatia Gvantseladsze auf und ist ein Fest für Auge und Ohr. Stillsitzen is nich.

„Barock Vocal” brachte „San Giovanni Battista” im Landesmuseum Mainz zum Klingen. Jonathan Macker nahm mit klangschönem Baß als Herodes für sich ein und macht auch auf dem Kaiser-Thron im Museumshof eine bella figura.

Salome, Herodes und Mozart in Italien Die faszinierenden Projekte von VILLA MUSICA und BAROCK VOKAL in Mainz Hübsch „mozärtlich“ wird es Steinsaal des Landesmuseums zu Mainz. Am 12. Oktober beginnt hier um 19 Uhr „ein Konzert wie zu Mozarts Zeiten“, wird versprochen. „Opernarien seiner berühmten italienischen Zeitgenossen Paisiello, Sarti oder Bianchi“ werden geboten „im Wechsel mit seiner Kammermusik. Pathetische Rondos, zärtliche Kavantinen und virtuose Bravour-Arien auch von Maestro Tarchi wurden eigens aus den Archiven geholt für das Programm „Mozart und Italien“. Professorin Claudia Eder hat den Abend mit „fantastischen jungen Stimmen einstudiert.“ Der innovative Pariser Barockgeiger Johannes Pramsohler, dessen „große Souveränität, Wagemut und Inspiration“ gelobt werden als „ungekünstelt, ehrlich und herzerfrischend jung“, leitet ein Streichquintett der VILLA MUSICA Rheinland-Pfalz. www.villamusica.de

„Willkommen! Bienvenue! Welcome!“ EntertainmentQualitäten bewies der wandlungsfähige Tenor mit dem warmen Timbre auch als diabolisch angehauchter Conferencier in Nicole Webers exzellenter Inszenierung „Cabaret“. Bei den Internationalen Maifestspielen Wiesbaden wurde Michael Pegher ein weiteres Mal im hochkarätigen „Ensemble Mattiacis“ von Kammersänger Thomas de Vries, der Henry Purcells „The Fairy Queen“ konzertant inszeniert hatte, mit Applaus überschüttet.

„Persönlicher Brückenschlag“ wäre ein passender Titel für Claudia Eder, Professorin für Gesang an der Mainzer Hochschule für Musik, die für faszinierende Projekte steht. Die begnadete Musikpädagogin mit dem „Händchen“ für Qualität verpflichtet klingende Namen wie die mehrfach preisgekrönte Schauspielerin Chris Pichler. Als Opernregisseurin debütierte sie mit Scarlattis „La Giuditta“ am Staatstheater Wiesbaden und Studierenden der Hochschule. Das Exzellenzprogramm „Barock Vokal“ für „historisch informierte Aufführungspraxis“ hob Claudia Eder 2010 aus der Taufe. Im Sommer setzte „Barock Vocal“ dem „Schattendasein“ der Werke von Alessandro Stradella ein hinreißend „klingendes Zeichen“ entgegen mit dem szenisch packenden Musikdrama „San Giovanni Battista“. Ein bestens aufgelegtes Neumeyer Consort, von Barockspezialist Michael Schneider mit Emphase dirigiert, begleitete ein Ensemble feiner Stimmen: „Salome“ Yuliya Poleshchuk, „Herodiane“ Ruth Katharina Paeck, Alvaro Tinjaca-Bedoya in der Titelpartie, Sen Wang als Consigliere und Bassist Jonathan Macker als Herodes bekamen tüchtig Applaus vom spürbar beeindruckten Publikum.

www.staatstheater-darmstadt.de

www.musik-uni-mainz.de

Atmosphärisch ausgefeiltes Bühnenbild (Dirk Hofacker), stimmige „Vintage“-Kostüme (Verena Polkowski) und ein tanzwütig-spielfreudiges Team. Tenor Michael Pegher berührt als ziemlich junger Pfarrer Shaw Moore, der seiner Tochter Ariel (Svbille Lamprecht) aus traurigem Grunde Tanzvergnügen untersagt - und glaubhafte Wandlung erfährt. Überraschendes Finale: Der Pastor tanzt. Und wie!

Text und Foto: Gesine Werner 48

Text und Foto: Gesine Werner WIESBADENER

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Der Alte Dom St. Johannis Mainz steht für oekumenisches Miteinander. Kürzlich öffnete ein Forschungsteam einen 1000 Jahre alten Sarkophag. Die Identität des bestatteten Klerikers ist noch nicht gelüftet

„Der Zeit ihre Kunst – der Kunst ihre Freiheit“. Zum 172. Geburtstag hat der NKV einen güldenen Jugendstil-Fries in Stein gemeißelt. Um Freiheit für Kunst und Kultur geht es auch in der Erklärung der „Vielen“.

Archäologie-Rätsel um einen Sarkophag

Der Zeit ihre Kunst – der Kunst ihre Freiheit

Im Alten Dom St. Johannis zu Mainz wurde ein 1000 Jahre alter Steinsarg geöffnet

Ein Goldener Fries zum Geburtstag des Nassauische Kunstvereins und die Erklärung der Vielen

Ein historisches Ereignis zog in Mainz Fachleute und scharenweise Publikum in den Bann, das vor Ort von Forschungsleiter Dr. Guido Faccani und Stadtkirchenpfarrer Gregor Ziorkewicz Einlaßkarten und Informationen bekam.

Natürlich gülden: „Der Zeit ihre Kunst - der Kunst ihre Freiheit“. Mi dem Zweizeiler von Ludwig Hevesi auf dem Fries des Nassauischen Kunstvereins, von Bildhauer Ralf Droslhagen typografisch bearbeitet und von einer Kranplattform aus in die Steinfassade gemeißelt, weht ein Hauch von Wiener Secession in Wiesbaden. Auf dem Wiener „Krauthappel“, dem Secessionsgebäude nach Entwürfen des aus Darmstadt bekannten Architekten Joseph Maria Olbrich prangt das Original-Manifest. Flankierend zum neuen Schwerpunkt im Museum und dem Jugendstiljahr Wiesbaden wird das zentrale Anliegen der Reformbewegung in den Fokus gerückt.

Im Alten Dom St. Johannis zu Mainz, seit 1830 evangelisches Gotteshaus und auf römischen Profanbauten basierend, wurde ein 1000 Jahre alter Steinsarg geöffnet. Ein Wissenschaftsteam um Dr. Guido Faccani. verfolgte das Anheben des 700 Kilogramm schweren Sargdeckels. Eine oekumenische Andacht mit Kirchenpräsident Dr. Volker Jung und Bischof Dr. Peter Kohlgraf begleitete die Prozedur. Es wurde vermutet, der im Jahr 1021 verstorbene Mainzer Erzbischof Erkanbald ruhe im Steingrab. Er würde bestätigen, daß die Kirche neben dem Dom der Alte Mainzer Dom ist. Doch der Sarkophag gibt Rätsel auf, die Identität des Toten ist noch nicht gelüftet. Der Kopf des Bestatteten, von Ätzkalk total zersetzt, liegt im Westen, die Füße im Osten. Der Sarkophag ist „falsch ausgerichtet“ und der Tote in der umgestalteten Wanne bestattet. Erste Erkenntnissen deuten auf einen Kleriker hin mit einer Körpergröße von 1,75 Meter, der zwischen 40 und 60 Jahre alt wurde, teilte Dr. Faccani mit. Der Schweizer Archäologe leitet seit 2015 die Grabungen. 2017 wurde eine Sarkophag-Ecke freigelegt. Die Reste eines KaselGewands und Schuhe aus Ziegenleder seien erkennbar, die Bedeutung der Goldborte ist unklar. Die Grabungskosten von rund 7 Millionen Euro tragen Evangelische Kirche, Land und Bund. Öffnung und Forschung (100.000 Euro) finanziert das Bistum Mainz. 2015 übergab Bischof Kardinal Lehmann die Großspende an die EKHN. Das Römisch-Germanische Zentralmuseum stellte unentgeltlich Fachkräfte bereit und führte Untersuchungen kostenfrei durch. Nach ein paar Tagen wurde der Grabdeckel geschlossen. Der Tote darf wieder ruhen. Text und Foto: Gesine Werner WIESBADENER

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NKV-Chefin Elke Gruhn betont: „Die Intervention erinnert an die Grundsätze der Kunst - weithin sichtbar an der Zentral-Achse der hessischen Landeshauptstadt.“ Ein Zitat von John Cages aus dem Jahr 1981 ergänzt das zeitlos aktuelle Manifest am NKV: „I welcome whatever happens next – Ich begrüße, was immer als Nächstes kommt.“. Zum 172. Geburtstag der im Revolutionsjahr 1848 von Bürgern gegründeten Institution kam die fünfte Nominierung zum ADKV Art Cologne-Preis „für innovative Ausstellungspraxis und herausragende Kunstvermittlung“ gerade recht. Und die „Wiesbadener Erklärung der Vielen“ an der NKV-Fassade ist das adäquate Pendant zum Güldenen Fries. „Zu einer freien demokratischen Gesellschaft gehören Meinungs- und Pressefreiheit. Aber auch die Freiheit von Kunst und Kultur sind in einer Demokratie nicht verhandelbar. Um diese Freiheit zu erhalten, wehren wir uns als Kunstschaffende gegen alle Versuche, die Freiheit von Kultur & Kunst einzuschränken. In Wiesbaden leben 291.000 Menschen aus über 160 Nationen und fast 50-000 davon haben einen Migrations-Hintergrund. Um die Diversität unserer Gesellschaft abzubilden und Begegnungen zu fördern, bieten wir Raum...“ Text und Foto: Gesine Werner 49


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Da capo! Die „Opern-Air-Premiere” auf der gut frequentierten Picknick-Wiese am Warmen Damm wurde mit Begeisterung aufgenommen.

Picknick mit Madama Butterfly Theaterfreunde Wiesbaden begeisterten mit ihrem Opern-Air auf dem Warmen Damm Ein „Opern-Air-Picknick für Alle“ hatte Premiere. „Umsonst und draußen“ war die Devise. Könnte der Beginn einer wunderbaren Tradition werden. Der Warme Damm wird zur Picknick-Wiese und das Theatrium bekommt eine „Zugabe“. Nach dem Wilhelmstraßenfest war vor dem Operngenuß in traumhafter Atmosphäre. Puccinis tragische Lovestory „Madama Butterfly“ wurde live aus dem Hessischen Staatstheater auf die Großbild-Leinwand am Weiher übertragen. Das geneigte Publikum ließ sich mit gefülltem Picknickkorb auf Decken parterre oder im Klappstuhl nieder und hatte Spaß mit dem pfiffigen Moderator Klaus Krückemeer und dem köstlichen „Vorprogramm“ vom Jungen Staatsmusical und den Bläsern des Staatsorchesters. Magdalena Weinguts plastische Inszenierung der „Madama Butterfly“ punktete unter musikalischer Leitung von Dirigentin Christina Domnick mit hochkarätiger Besetzung und bescherte Operngenuß. Neben Elena Bezgodkova in der Titelpartie und „Pinkerton“ Aaron Cawley nahm Daniel Carison (GermanAustralian-Opera Grant-Preis) für sich ein, ebenso Erik Biegel und Christopher Bolduc. Von Albert Horne perfekt einstudiert, sorgte der Opernchor für Glanzlichter. Ehrensache: Das komplette Ensemble verneigte sich vor dem begeisterten Publikum am Warmen Damm. Wer hat`s erfunden? Martin Schneider, Solotrompeter im Hessischen Staatsorchester gewann die Gesellschaft der Theaterfreunde schnell. Palast Promotion wurde beauftragt mit der Organisation. Der Etat (25.000 Euro) wurde mit Kulturamt, Kunstministerium, SEG, Eswe Versorgung und Ortsbeirat Nordost gestemmt. Vor dem nächsten Opern-Air im nächsten Jahr laden am 28. Oktober (19.30 Uhr) die Theaterfreunde zum Schauspiel-Forum „Tyll“ ins Theater-Foyer. Vorsitzender Helmut Nehrbaß hat Niko Lamprecht, Vizechef des deutschen Geschichtslehrerverbandes, als kompetenten Gast eingeladen. Text und Foto: Gesine Werner

Sie feierten im Logenfestsaal den „Neujahrsempfang” der Loge Plato gemeinsam: Stuhlmeister Richard Lewinsky, ParlamentsPräsidentin Christa Gabriel, Staatsrat a.D. Dirk Reimers und Altstuhlmeister Dieter Börgers.

Die Idee der Nation in Europa Freimaurerloge Plato zelebrierte zum Johannisfest den fünften Neujahrsempfang Jetzt ist er schon eine kleine Tradition. Zum fünften Mal hatte die Loge „Plato zur beständigen Einigkeit“ im Orient Wiesbaden als ältester Verein der Landeshauptstadt zum „Neujahresempfang“ geladen und alle Gäste hielten bei Gluthitze tapfer durch. Parlamentschefin Christa Gabriel, WMK-Direktor Christoph Nielbock, Naurods Ortsvorsteher Wolfgang Nickel seien stellvertretend genannt. Aus Jumelage-Logen wie Amersfoort / Holland waren Brüder angereist. Das „Maurerjahr“ 6019 (für Profane ist es 2019) beginnt mit dem Fest für den Täufer Johannes, Schutzpatron der „Werkmaurer“ als Vorfahren der Freimaurer. Dirk Reimers, Jurist und Vorstandsbevollmächtigter der in Weimar gegründeten Deutschen Nationalstiftung, war von Altstuhlmeister Dieter Börgers als Festredner eingeladen worden. Zur „kalendermäßig besonderen Exklusivität“ begrüßte ihn Stuhlmeister Richard Lewinsky. Der frühere Hamburger Staatsrat Reimers widmete seinen tiefgründigen Vortrag der „Idee der Nation in Europa“ unter dem hoch aktuellen Tenor „Was uns zusammenhält“. Der Gründungsaufruf der überparteilichen Deutschen Nationalstiftung, die europäische Jugendprojekte und Diskussionen anbietet, betont:: „Wir wollen auf Souveränitätsrechte des Nationalstaats zugunsten von Europa verzichten. Aber wir wollen unsere in langen Jahrhunderten gewachsene nationale Identität weder aufgeben noch leugnen.“ Der französische Historiker Ernest Renan sieht eine Nation als Idee, als Prozeß und als ein „Wir-Gefühl“, das auf Geschichte, gemeinsamer Sprache und dem Willen zur gemeinsamen Zukunft basiere. Europa als Bedrohung der nationalen Identität zu fürchten, sei als „starker Rückschlag“ zu sehen. „Die Nation ist die Grundlage, auf der Europa gebaut wird.“ Schließlich sei Frieden nur mit Gesellschaften möglich, die ihre Stärke aus Pluralismus, Toleranz und starken Minderheiten ziehen. Text und Foto: Gesine Werner

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„Zusammensein ist eine Kraft”: Das inklusive Projekt „Große Leute” wurde in der Fluxus-Schule vom Publikum gefeiert.

Zusammensein ist eine Kraft Rollenwechsel, Klangfang, Spürnasen &TheaterErfahrungspädagogik Hotspot-Theater Schule

Der Grundstein für das neue Zwerg Nase-Zentrum wird gelegt von Stiftungsvorstand Professor Dr. Michael.Albani, Sabine Schenk, Architekt H.H. Wagner und Dr. Margret Petermöller (von links)

Pionierleistung und ein ganz besonderes Gebäude Grundstein für das neue Zwerg Nase-Zentrum ist gelegt

„Zusammensein ist eine Kraft. Wir wachsen zusammen!“ Eine ganz starke „Zugabe“ rundet das berührende Theater-Projekt „Grosse Leute“ ab. Die Mitwirkenden - ob mit oder ohne Rollstuhl - nehmen mit Augenkontakt per Handschlag Abschied vom begeistert applaudierenden Publikum. Wellentanz auf knallrotes Chiffontuch, selbstgebaute „Windrädchen“ an Holzlatten erweckten die Illusion eines Gartenzauns. Ein großes Herz wird verschenkt. Und wenn „die beste Köchin der Umgebung“ an ihren XXL-Topf ruft, löffeln alle gemeinsam die Suppe aus. Das „Hotspot-Hotel“ läßt als Wellness-Oase grüßen. Ein Klimmzug an der Sprossenwand macht aus dem Rollifahrer ein „Stehaufmännchen“. Szenenapplaus. Auch diese Erfolgsproduktion von Kulturpreisträgerin Priska Janssens hat Olaf Herrmann mit der Kamera begleitet und läßt Mitwirkende zu Wort kommen. Meister-Fotograf Michael Kretzer zeigte seine einfühlsamen Bilder der Proben in einer Ausstellung. Das inklusive Projekt „Große Leute“, von Priska Janssens mit Christian Bappert (pädagogische Leitung) und Tanzpädagogin Valérie Sauer sowie Robert Quand (WFB) für den Verein Semiramis realisiert mit der Fluxusschule und der Werkstatt für Behinderte/WFB, wurde vom Kulturfonds Rhein-Main gefördert. Das Projekt kam ins Finale des Wettbewerbs „Mixed Up“ der Bundeskulturstiftung. Daumen drücken! Theaterpädagogik wird auch am Campus Klarenthal groß geschrieben. Priska Janssens arbeitet in allen Klassenstufen und verstärkt in Kooperation mit Schulleiterin Regina Ehses-Just die Kulturarbeit der Grundschule. Bühne und Manege frei! heißt es beim Hotspot Theater-Schule. Es geht auf „Spurensuche“ und Zirkus wird selber gemacht . Improvisiert wird beim „Rollenwechsel“. Bewegung, Tanz und Theater bringt Valérie Sauer in den Unterricht. Es geht auf „Klangfang“ mit Cornelius Hummel. Roland Vanecek animiert: „Sing your Song!“ Mit Elka Aurora wird der „Klangkörper Mensch” entdeckt.

„Es wird ein ganz besonderes Gebäude und es ist einzigartig, was von Zwerg Nase getan wird.“ Bei der Grundsteinlegung für das neue Zwerg Nase-Zentrum brachte es die Stadtverordnetenvorsteherin auf den Punkt. Als „Pionierleistung“ würdigte Christa Gabriel „die hervorragende Betreuung und kindgerechte Umgebung“, die seit 2005 im Zwerg Nase-Haus geleistet werde. Wohnraum für schwer kranke junge Erwachsene, die dauerbeatmet auf Betreuung angewiesen sind, „füllt als innovatives Zentrum eine Lücke.“ Ende 2020 wird der Neubau bezogen. Aus dem jahrelangen „Kraftakt“ mit Ämtern machte Initiator Professor Dr. Michael Albani keinen Hehl. Am „Traumtag“ für das neue Pflege-Zentrum mit sieben Stationen für 84 betreute Kinder und Erwachsene - „Zwergenkinder, Rotkehlchen und Alltagshelden“ - sprach der frühere Chefarzt der HSK-Kinderklinik Klartext. Die Kosten von 20 Millionen Euro für den zweiflügeligen Neubau stemmt Zwerg Nase selbst „Unsere Kinder werden erwachsen. Sie sollen auch nach dem 18. Lebensjahr sicher versorgt sein und nicht in ein Altenheim übergeben werden müssen. Wir wollen keine Familie in ihrer Not allein lassen“, betonte der Stiftungsvorsitzende. Dem „Vater“ von Zwerg Nase bestätigt Bürgermeister Dr. Oliver Franz „Was lange währt, wird endlich gut. Die Planung dauerte länger als die Bauzeit.“ Das Zentrum biete ein Lebensumfeld „mit exzellenter Betreuung“ und sei ein „Beitrag zur Attraktivität der medizinischen Versorgung in Wiesbaden.“ Tags zuvor zum Oberbürgermeister gewählt, lobte Gert-Uwe Mende die „tolle Arbeit, die durch den Neubau gewürdigt wird.“ Als amtierender Ortsvorsteher sei er „heilfroh, daß im Zwerg Nase-Zentrum junge Erwachsene ein Zuhause bekommen.“ Strahlend stimmte Alt-OB Achim Exner dem designierten OB Mende zu. Für die Sparda-Bank Wiesbaden übergab Direktor Frank Schwenk einen Spenden-Scheck über 2000 Euro. . Vom Erfüllen „höchster energetischer Ansprüche, Photovoltaik auf dem Dach und eigenständiger Stromerzeugung“ berichtete Diplom-Ingenieur H. H. Wagner. „Menschen, die mit den Händen arbeiten, werden immer weniger“, bedauerte der Architekt. In den Grundstein wurden auf Anregung von Geschäftsführerein Sabine Schenk auch Wünsche der Kinder gelegt.

Info: p.janssens@hotspot-theater.de www.hotspot-theater.de

Info www.zwerg-nase.de

Text und Foto: Gesine Werner WIESBADENER

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