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Theater Saarbrücken S
„Carmen“ mal anders: Folkloristische Schnörkel und wohlfeile Gassenhauer-Klischees - Fehlanzeige. Regisseur Jan Eßinger bringt den Georges BizetKlassiker mit „Feuer“-Artistik in expressiven Szenen auf die Bretter.
Für Frieden und Freiheit in Europa
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Saarländisches Staatstheater Saarbrücken erobert sich neue Spiel-Räume
„Bühne frei!“ ist in Saarbrücken Trumpf. George Sands „Gabriel*le trifft den Dänenprinzen im Doppelpack und Paul hat ein Rendezvous mit Carmen.
Das Theater mäandert in die Stadt. Der charakteristische Musentempel am Tbilisser Platz hat mit dem neuen Spielort am Saarbrücker Schloss eine spannende „Filiale“ bekommen. „Es soll nicht werden, wie es war. Es soll doch bitte besser werden oder wenigstens gut.“ Paul, ein mittelalter Normalbürohengst und Hobbysänger, hat Talent zum Fabulieren. Die Pandemie zeigt seine Einsamkeit und provoziert Rückblenden in Kindheit und Jugend. Paul röhrt wie Satchmo und gibt den Gitarrero. „Aber Im Netz sich zeigen? Wer ist denn so verzweifelt?“ Für ihre feinfühlige Inszenierung von Sibylle Bergs Monolog „Paul oder Im Frühling ging die Erde unter“ - Ausstattung Matthias Kowall, Musik Stefan Wurz, Dramaturgie Horst Busch – macht Lucia Reichard die unterirdischen Kasematten zum genialen Bühnen-Bild. Bernd Geiling, als Salieri („Amadeus“) gefeiert, ist anrührend und wandlungsfähig als empfindsamer Teenie, Möchtegern-Rockstar und Normalo mit erotischen Sehnsüchten. „Paul“ – ein Kabinettstückchen besonderer Art.
Bravo! Mal eine ganz andere Carmen, in blondem Kurzhaarschnitt ohne Löwenmähne und Rüschenrock. Doch sterben muss die freiheitsliebende Außenseiterin, die soziale Klassen nicht akzeptiert und Hierarchien überwinden will, in der Machowelt dann doch. Packend und mit frischem Zugriff fernab übicher Klischees hat Jan Eßinger in Sonja Füstis filmreifem Bühnenbild mit GanghoferAppeal (Kostüme Benita Roth) den Dauerbrenner von Georges Bizet grandios inszeniert. „Feuer“-Zauber inklusive. Das Staatsorchester
Auf den Plakaten im Schaukasten des Saarbrücker Musentempels treffen sich „Carmen“ und „Paul“ und laden zum Theaterbesuch im Großen Haus und im Historischen Museum Saar am Schloss ein.
Die unterirdische Burg des Historischen Museums Saar am Saarbrücker Schloss als faszinierende Kulisse: Der preisgekrönte Mime Bernd Geiling geht als anrührender „Paul“ mit seinem offenherzigen Monolog dem Publikum unter die Haut.
Das Saarbrücker Barockschloss ist auf den Resten älterer Burg- und Festungsanlagen errichtet. Das Historische Museum Saar ist d a s Museum zur Landesgeschichte und ist kooperiert mit dem Staatstheater Saarbrücken
unter GMD Sébastien Rouland, in Wiesbaden in bester Erinnerung, zeigt sich im straffen Dirigat von Stefan Neubert in Höchstform. Gesungen und gespielt wird ganz ausgezeichnet, das Publikum spendet Szenenapplaus. Neben der virtuosen Carmen Seibel in der Titelpartie, dem prägnanten Angelos Samartzis (Don José), dem markanten Stefan Röttig und der stimmstarken Micaela von Virginia Ferentschik machten Bettina Maria Bauer, Melissa Zgouridi, Max Dollinger, Algirdas Drevisnkas, Chanyang Choi, Markus Jaursch und Nils Hollendieck rundum bella Figura.
„Für Frieden und Freiheit in Europa!“
Das Haus signalisiert „Solidarität mit der Ukraine“. Für „Help 4 Ukraine e.V.“ werden Spenden gesammelt. Auch in Saarbrücken wird Wagners „Ring“ geschmiedet. Am 18. September geht das „Rheingold“ unter komplett femininer Leitung an den Start. Regie, Bühne & Kostüme verantworten Alexandra Szemerédy & Magdolna Parditka, Dramaturgin ist Frederike Krüger. „Anders! In welcher Welt?“ ist das Motto der Theatersaison 2022/2. Generalintendant Bodo Busse, in Wiesbaden aus seiner Zeit als beliebter Operndramaturg der Ära Beilharz prägnant in Erinnerung, eröffnet am 11. September augenzwinkernd die neue Spiel-Zeit: „Die schreckliche theaterlose Zeit ist endlich vorbei“ ist die Devise beim Theaterfest & Promenadenkonzert mit GMD Rouland, dem Saarländischen Staatsorchester und Solist*innen des Musiktheaters auf dem Tbilisser Platz.
Text und Fotos: Gesine Werner
Lebedik, Foto: © Shendl Copitman
Seit nunmehr 15 Jahren stellt die Jüdische Gemeinde Wiesbaden in Kooperation mit dem Kulturamt der Landeshauptstadt Wiesbaden ein hochwertiges Programm zusammen, das sie unter dem Titel „TARBUT – Zeit für jüdische Kultur“ präsentiert.
Deutschland“. Zusammen mit Wladimir Kaminer begründete er die legendäre „Russendisko“. In Wiesbaden stellt er sein neues Buch mit dem spannungsreichen Titel „Richard Wagner und die Klezmerband: Der neue jüdische Sound in Deutschland (ab 20 Uhr im KESSELHAUS, Murnaustr. 1).
Das diesjährige Programm ist wieder gespickt mit spannenden Aufführungen, Künstlern und Themen, von denen wir hier einige nennen möchten.
In diesem Jahr beginnt „Tarbut“
am 6. September mit der Ausstellungseröffnung im Rathaus, die sich der jüdischen Hilfsorganisation „La Benevolencija“ widmet. Die Organisation hat während der Belagerung Sarajewos im Bosnienkrieg in den Neunziger Jahren unter schwersten Bedingungen humanitäre und konfessionsübergreifende Hilfe für alle Betroffenen leistete. Am 7. September begibt sich Yuriy Gurzhy „auf die Suche nach dem neuen jüdischen Sound in Am 20. November betritt „Gurgulitza“ die Bühne – ein deutschisraelisches Trio, das sich 2018 auf einer musikalischen Reise in den Bulgarischen Bergen gründete. Inspiriert von den archaischen, südosteuropäischen Gesangstechniken sammeln Netta Shachar, Nitsan Bernstein und Madlen Stange alte Lieder auf ihren Reisen und arrangieren sie neu (17 Uhr im Kulturforum, Friedrichstr. 16). Eigentlich war sein Name Israel. Bekannt wurde er weniger verräterisch unter dem Namen Isidor Geller. Weit war sein Weg aus dem ärmlichen Winkel Ostgaliziens, bis hin zum Kommerzialrat und Berater des österreichischen Staates. Mit unbedingtem Aufstiegswillen erobert er als Dandy die Wiener Gesellschaft und ist der festen Überzeugung, dass ihm niemand etwas anhaben kann. Bis 198 die Nazis in Österreich einmarschieren. Aus Bruchstücken, Überlieferungen, Recherchen und Dokumenten setzt Shelly Kupferberg bei ihrer Lesung am 22. November das Leben ihres Urgroßonkels zusammen. (ab 19.30 Uhr im Kulturforum, Friedrichstr. 16). Die Reise des jiddischen Liedes von seiner Heimat in Osteuropa bis zu New Yorks Lower East Side steht am 27. November im Mittelpunkt dieses Programms der gefeierten lettischen Sängerin Sasha Lurje und dem amerikanischen Violinisten extraordinaire Craig Judelman. Musik und Geschichten, erzählt auf Deutsch und Russisch, entführen den Hörer in das goldene Zeitalter von Odessa, durch die engen Gassen des jüdischen Vilnius und auf die grandiose Fanfare des amerikanischen jiddischen Theaters (ab 17 Uhr im Kulturforum, Friedrichstr. 16). In der Caligari FilmBühne werden Ab 8. Oktober drei Spielfilme gezeigt (Marktplatz 9).