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STAATSTHEATER SAABRÜCKEN S

George Sand in Gesellschaft von Shakespeare

Saarländisches Staatstheater Saarbrücken punktet mit grandiosen Inszenierungen

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Vorhang auf und Bühne frei – Gabriel*le trifft Macbeth Underworld. Sie spielen wieder und heimsen Preise ein am Saarländischen Staatstheater Saarbrücken – mit Sicherheit nach aktuellem Pandemie-Ritual. Hausherr Bodo Busse löst sein Versprechen ein:“ Trotz Abstandes. Wir kommen Ihnen ganz nah!“ Der Generalintendant, in Wiesbaden aus seiner Zeit als beliebter Operndramaturg der Ära Beilhartz noch bestens erinnerlich, freut sich über viele Grüße aus seiner früheren Wirkungsstätte und beton: „„Wer sich sozial verhält, befindet sich nicht in Distanz. Wir wollen ein Echoraum für Fragen, Ängste und Hoffnungen sein.“ Denn gerade „in Krisenzeiten ist sich das Theater seiner Verantwortung für einen offen humanen Diskurs bewusst. Wir brauchen in vielen neuen theatralischen Formen, auch im Corona-Modus, Ihre Nähe und wollen Sie mitten ins Herz treffen.“

Wie sich bei einem Besuch im schönen Saarland erweist, hat der Hausherr- der von seinem Wohnsitz in Frankreich pendelt, nicht zu viel versprochen. Alle Produktionen sind coronatauglich neu oder modifiziert. Schließlich ist Theater „ein Laboratorium für neue, kreative Ideen.“

Shakespeare grandios vertont, düsterste Schreckensbilder voll alttestamentarischer Wucht prägen sich in die Netzhaut ein. „ede Oper trägt ihren Schmerz, ihre Angst, ihr Unglück in sich“, sagt Pascal Dusapin. Seine Opern klingen nach Filmmusik und kurbeln das Kopfkino tüchtig an. Direkt nach der Uraufführung am Théatre Royal de la Monnaie – Du Munt wurde Dusapins überwältigendes Opus „Macbeth Underworld“ als Koproduktion mit Les Theatres de la Ville de Luxembourg in der assoziationsreichen Inszenierung von Lorenzo Fiorini (Libretto Frédéric Boyer) mit einem Opernpreis ausgezeichnet. In Saarbrücken empfiehlt sich der ungemein konzentrierte Bilderrausch mit einem un-endlichen Höllenritt als faszinierendes Mörderspektakel

Generalintendant Bodo Busse im Orchester”graben”

Bei “Macbeth Underworld” tobt der Wahn-Sinn und der hat mörderische Methode.

nachdrücklich für den FAUST. „Erfülle mich von Kopf bis Fuß mit der schlimmsten Grausamkeit!“ Gänsehautmomente am laufenden Meter. Der machtgeile Wahnsinn hat Methode. Mordopfer als Wiedergänger. „Macbeth hat den Schlaf gemordet“. Sigmund Freud trifft Hyronimus Bosch trifft Quentin Tarantino. Auf der Bühne mit Riesenbett, Sarg, Menschenkäfig tobt pausenlos das blutige Grauen, das bestens aufgelegte Saarländische Staatsorchester unter Justus Thorau ist partiell in das Gruselgeschehen involviert. Mit starken Stimmen und eindrücklicher Darstellung begeistern Dshamilja Kaiser & Peter Schöne als eiskaltes Mordspaar, Maria Carla Pino Cury (exzellent), Valda Wilson & Carmen Seibel als Hexen, Algirdas Drevinskas als „höllischer“ Portier. Das Publikum ruft Bravo! Und feiert die Oper ausgiebig mit standing ovations.Unbedingt sehenswert! Die Alte Feuerwache wird runde 125 und feiert als Spielstätte des Staatstheaters 40 Jahre kreatürlicher Nutzung und beherbergt eine Uraufführung: „Unsere Devise heißt Freiheit!“Wie im „Wiesbadener 3/2021“ angekündigt, hatte ein Geniestreich umjubelte Premiere. Hausherr Bodo Busse schreibt Theatergeschichte: Mit dem Übersetzungs- und Regieauftrag an den deutsch-französischen Regisseur/ Schauspieler Sébastien Jacob eines Romans der Französin George Sand wurde ein Schatz gehoben: „Gabriel*le“. Die deutsche Erstaufführung, die vermutlich sogar eine Uraufführung ist, brachte ein 1839 verfasstes Werk der Aurore Dudevant von Nohant, Ururenkelin August des Starken und meist gelesene Autorin ihrer Zeit, auf die Bühne. „Ich nehme nicht einmal die Zeit, um aufzustehen. Ich bringe einen neuen Roman zur Welt, der eine Schwergeburt ist“, schrieb die Löwin vom Berry, die skandalträchtig Hosen trug und Zigarre rauchte, in einem Brief. Als Fortsetzungsroman in Nachtarbeit für die Revue des Deux Mondes verfasst und später von Verleger Buloz als Buch publiziert, ist die gesellschaftskritische Visionhoch aktuell. Von wegen Genderdebatte reloaded: „Die Seele hat kein Geschlecht.“ Bis zum Alter von 25 wächst die Titelheldin wegen einer Erbschaftsintrige als Mann auf und beschließt dann, sich als Frau und zeitweilig als Mann zu kleiden. „Freiheit vor allem!“ Mann ist ganz Frau und Geschlecht ist Macht (oder nicht). Als wär´s ein Stück von heute.

Regisseur Jacobi schuf ein Bühnenbild, das mit Überraschungen aufwartet, setzt in seiner einfallsreichen Inszenierung auch auf Videosequenzen und Livekameraund bietet ein exquisites Ensemble auf. Titelheldin Barbara Krzoska, Fabian Gröver in mehreren Rollen, Jan Hutter als Astolphe, Christiane Motter als Giglio/LaFaustina/ Settimia, Gaby Pochert als Hauslehrer Marc begeistern auf ganzer Linie. Der Musiker HENRI ist auch Menrique und steuert mit Keyboard, Gitarre und Stimme eine betörende Sound- und Geräuschkulisse bei. Die längst überfällige Idee, eine Straße nach George Sand zu benennen, sollte weiter verfolgt werden. Das Publikum in der Alten Feuerwache ist aus dem Häuschen, der Beifall will nicht enden.Das Weihnachtskonzert findet im „Russischen Winter“ statt und wünscht „S`Novim Godom!“ www.staatstheater.saarland.de

Text und Foto: Gesine Werner

Musiker HENRI und Schauspielerin Christiane Motte in der deutschen Erstauffühung von George Sands Roman “Gabriel*le”

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