märz/april Nr. 03 / 2012
Neu
Sind Frauen moralischer als Männer ? Vereinigt euch!
Warum Deutschland und Frankreich fusionieren sollten
Sterben lernen Ernst Tugendhat über letzte Fragen
Wer vergibt uns unsere Schulden?
Genealogie der Finanzkrise
16-seitiges Booklet Sammelbeilage von
Spezial -Ausgab Lesepro b e das Ph e - Entdecken ilosophie S Magazin ie !
Nr. 03
Nietzsche
Die Kultur der schuld „Zur Genealogie der Moral. Eine Streitschrift“ von 1887 (Auszug)
Nietzsche Denk dich frei!
In unseren ersten Ausgaben: Dr. Wolfram Eilenberger Chefredakteur
Ökonomische Krisen, schwelende Kriege, permanenter Informationsüberfluss: Es ist heute schwieriger denn je, den Sinn für das Wesentliche zu bewahren. Deshalb bietet das Philosophie Magazin ein völlig neuartiges journalistisches Konzept: Wir betrachten die wichtigen Fragen des Lebens und der Gesellschaft aus philosophischer Perspektive. Weltweit führende Denker äußern sich zu den drängenden Problemen unserer Zeit. Sie analysieren, klären, mahnen und inspirieren. Außerdem stellen wir in jedem Heft die Kerngedanken eines klassischen Philosophen vor. Das Philosophie Magazin bietet damit eine einzigartige Mischung aus Aktualität, Orientierung und Bildung. Wir liefern keine vorgefertigten Lehren oder Meinungen, sondern vermitteln Denkanstöße und neue Perspektiven. Verständlich, überraschend, relevant. Genau so, wie gute Philosophie schon immer war.
Slavoj Žižek Der slowenische Psychoanalytiker und Philosoph ist einer der bekanntesten linken Denker. In seinem Buch „Die bösen Geister des himmlischen Bereichs“ (S. Fischer, 2011) fordert er den radikalen Systemwechsel. Im großen Interview der Nr. 02 erklärt der notorische Provokateur seine politische Position und sich selbst
Annette Schavan Die Bundesministerin für Bildung und Forschung ist promovierte Philosophin. Das Thema ihrer Doktorarbeit: Gewissensbildung. Als Honorarprofessorin lehrt sie an der Freien Universität Berlin. Im zweiten Heft diskutiert die CDU-Politikerin mit dem Sozialphilosophen Hans Joas über Werte und Vorbilder
Julian Assange Der Wikileaks-Gründer ist einer der umstrittensten politischen Aktivisten des 21. Jahrhunderts. Wegen der Veröffentlichung von US-Diplomatendepeschen geriet er 2010 erstmals ins Kreuzfeuer der Kritik. In der Nr. 01 streitet er mit dem Moralphilosophen Peter Singer über den Wert der Transparenz
Barbara Vinken Die Literaturwissenschaftlerin an der LudwigMaximilians-Universität München streitet im Dossier der dritten Ausgabe mit Eugen Drewermann über die Frage, ob Mutterliebe natürlich ist. Publikation zum Thema: „Die deutsche Mutter. Der lange Schatten eines Mythos“ (S. Fischer, 2007)
Redaktion & Verlag: Philomagazin Verlag GmbH, Rodenbergstraße 29, D-10439 Berlin Tel: +49 (0)30 60 98 58 219 E-Mail: info@philomag.de Geschäftsführer & Herausgeber: Fabrice Gerschel Stv. Herausgeberin: Anne-Sophie Moreau Abo-Service: Philosophie Magazin Leserservice PressUp GmbH Postfach 70 13 11, 22013 Hamburg Tel: +49 (0)40 / 41 448 463 Fax: +49 (0)40 / 41 448 499 E-Mail: philomag@pressup.de
Der emeritierte Professor für Philosophie lehrte zuletzt an der Universität Tübingen. Sein Buch „Immanuel Kant“ (C. H. Beck, 2007) ist ein Klassiker. Im Heft Nr. 02 erörtert der Philosoph, ob der Pflicht ethiker Kant die Occupy-Wall-Street-Bewegung gutheißen würde
Ariadne von Schirach arbeitet als Kritikerin und Journalistin für das Deutschlandradio. In ihrem Beitrag „Frauenfantasien“ in Heft Nr. 03 beleuchtet die Philosophin die dunkle Seite des weiblichen Begehrens. Ihr Buch „Tanz um die Lust“ (Goldmann, 2007), das die Widersprüche der pornografisierten Gesellschaft untersucht, war ein Bestseller
Florian Henckel von Donnersmarck In der Kolumne „Projektionen“ denkt der Regisseur und studierte Philosoph über die Wechselwirkungen von Film und Gesellschaft nach. Für seinen Debütfilm „Das Leben der Anderen“ erhielt er 2007 einen Oscar. Er lebt in Los Angeles und schreibt derzeit an einem neuen Drehbuch
© Alexandra Kinga Fekete, Trevor Good, Jérôme Galland, Christian Protte, privat, dpa, Özgür Albayrak
Otfried Höffe
Ihre neue Zeitschrift für die großen und kleinen Fragen des Lebens „Die Welt aus philosophischer Perspektive betrachtet“ ZEITGEIST GRENZGANG
Zeitgeist
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hinter Gittern
ZEITGEIST XXX XXX
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in klarer Wintertag in Berlin. Scheinbar endlos zieht sich die Gefängnismauer, Spiralen aus Stacheldraht glänzen in der Sonne. Der Besuchereingang befindet sich links neben dem Haupttor. Eine schwere Tür öffnet sich automatisch und schließt sich sofort nach dem Eintreten mit einem Geräusch, als würde ein Gefäß luftdicht versiegelt. Das Gefängnis Tegel wurde 1898 in Betrieb genommen. Zwei Teilanstalten aus dieser Zeit werden noch genutzt, eine wurde bis auf Weiteres geschlossen: Zellen von 5,25 Quadratmetern verstößen gegen die Menschenwürde, befand das Berliner Verfassungsgericht 2009. Der Weg zur moderneren Teilanstalt V, in der Hauke Burmeister untergebracht ist, führt über den Gefängnishof. Ein Häftling mit Schubkarre überquert das Gelände, dicht gefolgt von einem Beamten. An der Südwestseite des Hofes thront hoch oben ein Beobachterposten. Ist Philosophie an einem Ort, der vom Gesetz des Misstrauens beherrscht wird, überhaupt möglich? Seit der Jahrtausendwende kommen regelmäßig Studierende der Freien Universität Berlin, Psychologen und Philosophen in die JVA Tegel und diskutieren mit Gefangenen über Themen wie Freundschaft, Toleranz, Werte. Prinzipiell ist die sokratische Gruppe für alle Insassen des Hauses V offen; lediglich akut Gewaltbereite sind von der Teilnahme ausgeschlossen. Auch Hauke Burmeister nimmt an den Gesprächen teil. Seit neun Jahren sitzt der 53-Jährige im Gefängnis, Tegel ist bereits sein 19. Inhaftierungsort. Unser Gespräch findet in einem kleinen vergitterten Raum im Erdgeschoss statt. Ein Tisch, zwei Stühle, für mehr ist kaum Platz. Vom Fenster her zieht es ein wenig. Aufsicht wird es keine geben, „wir wollen ja nichts zensieren“, erklärt Lars Hoffmann, Leiter der sozialpädagogi-
ZEITGEIST ANALYSE
ZEITGEIST
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SINNBILD
Kill Your Idols
„Der Wahnsinn einer Handlung misst sich an der Zahl der Gründe, die sie determiniert haben“ 10
— PHILOSOPHIE MAGAZIN
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Brüsse Brüs sell / Bel elgi g en n/1 11. 1.2. 2.20 2012 12
Kopfgeburt
© REUTERS (2), AFP/Getty Images, Tom Donahue/Polaris/laif, Getty Images
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— PHILOSOPHIE MAGAZIN
— PHILOSOPHIE MAGAZIN
ie britische Wochenzeitschrift The Economist hat auf ihrer Webseite eine spektakuläre „Weltschuldenuhr“ installiert, deren Stand in Echtzeit aktualisiert wird: In dem Moment, da ich diesen Artikel schreibe, beläuft sich der weltweite Schuldenstand auf 38 897 801 487 732 Dollar. Man muss blinzeln, so schnell wird die Summe größer. Auch wenn sie stolz auf ihr Triple-AAA-Rating sein kann, hält die BRD einen traurigen Rekord: Sie hat den höchsten Schuldenstand der Alten Welt. 1,78 Billionen Euro, gegenüber 1,75 Billionen in Italien, 1,54 Billionen in Frankreich oder 287 Milliarden Euro in Griechenland. Umgerechnet beträgt die Pro-Kopf-Verschuldung jedes Deutschen 21 447 Euro. Schlimmer noch, die Zahlen könnten weit unterschätzt sein. Das Handelsblatt hat im September gemeldet, die deutschen Schulden seien 5 Billionen Euro höher als vermutet, da in den öffentlichen Finanzen des Landes die Alterung der Bevölkerung, die zurückzulegenden Rentengelder, die Kosten des Gesundheitssystems sowie die Pflegekosten nicht einbezogen seien. Die glücklichen Erben der Frühgeschichte Doch versuchen wir, etwas Abstand zu gewinnen: Muss ein solches Unbehagen der westlichen Zivilisation ausschließlich mangelhafter Voraussicht der Verantwortlichen zugeschrieben werden, einer Pandemie schlechter Führung? Oder reichen die Wurzeln tiefer, da der ökonomische Diskurs über Schulden nur eine partielle Ansicht der Krise bietet? Sind Schulden am Ende gar ein Produkt der morali-
schen Struktur Kultur? nenn ne n t, n nic icht ic htss an ht ande dere de ress al re alss unserer dass Pr da Prod oduk od ukt uk t ei eine nerr Er ne ErUnter ethischen zähl zä h un ng, d die ie die iese ses se s „I „Ich ch““ üb ch über erGesichtspunkten ssic ich ic h se selb lbst lb st er- sind Schulden eine wahrhaft geniale ndung, die das Geschick der Menschzähl zä h t. Dan anie iell De ie Denn nnet nn ett et t (g (geb eb..Erfi eb 1942 19 42), 42 ), ein H aupt au ptpt vert ve r re ete terheit r de derrtief Theo Th eori eo rie, ri e, w wei eist ei st dar arau auff hi au hin, n, e ess greifend veränderte. Friedrich Nietzsche widmet stehe jede dem m „IIch ch““ fr frei ei, hi ei hin n un und d wi wied eder ed er ssei ei-ei nen ne n eiige gene nen ne n „n „nar arra ar rati ra tive ti ven ve n Sc Schwerpu p nkt“ zu än22 dern de rn — rn — zum B Bei eisp ei spie sp iel, ie l, iind ndem nd em es de derr ei eige gene ge nen ne n Er Erzähl zä hlun hl ng ne neue ue F Fak akte ak ten te n hi hinz nzuf nz ufüg uf ügtt od üg oder er and nder ere er e wied wi ederr lös ed ösch cht. ch t So na natü türl tü rlic rl ich ic h au auch ch im ei eige gene ge nen ne n Face Fa cebo ce ook ok-P -Pro -P rofi ro fil. N Nur ur F Fac aceb ac eboo eb ookk se oo selb lbst lb st llös ösch ös chtt ch kein ke ine in e Da Date ten. te n. U Und nd ver ergi giss gi sstt au ss auch ch n nic icht ic hts. ht s Wer weiß we iß, we iß welc lche lc he Ges esch chic ch icht ic hte ht e da dass so sozi zial zi ale al e Ne Netz tztz werk we rk in n Zu Zuku kunf ku nftt üb nf über er d dic ich ic h er erzä zähl zä hlen hl en w wir ird ir d — un und d zu wel e ch hem Z Zwe weck we ck. ck
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Wenn wir der Schuldenfalle entkommen wollen, müssen wir unser Verständnis von Schuld, Zeit und historischem Handeln radikal überdenken Von Alexandre Lacroix
Erst Er st Mic M ic icha hael ha el Jac J ac acks kson ks on,, da on dann nn Amy A my Win W in inee- ni nieß eßen eß en zu la lass ssen ss en,, da en dami mitt wi mi wirr se selb lbst lb st nic icht ht in n Oslo, Norwegen, 6. Februar 2012: hous ho use, us e, jjet etzt et zt W Whi hitn hi tney tn ey H Hou oust ou ston st on.. Sc on Scho on wi wieeAttentäter edie di e Ge Gefa fahr fa hr d des es E Exz xzes xz esse es sess ge se gera rate ra ten. te n. D Der er iint nterrnt der de r st stir irbt ir btBehring ein e in S Sta tarr Breivik ta fürr se fü sein ine in e Fa Fan ns. Fü Für die di e pa pass ssiv ss ive iv e Ge Genu nuss nu ss iist st e ein in d del eleg el egie eg iert ie rter rt er G Gen enu en uss: s:: Anders erscheint inr Handschellen Fans? WasAnhörung hat die Drog genund Me M dika„Offenbar weichen interp passive Mensche en zu einer vor Gericht. Seine Anschläge ment me nten nt ensu en such su chtt de ch derrkosteten gena ge nann na nnte nn ten te n Id Idol ole mi ol mitt de den ndasih ihre rerr Lu re Lust st aus us, in inde dem de m si sie e di dies ese es e an ande dere de r n vom Juli 2011 77 Menschen Sehn Se hnsü hn süch sü chte ch ten te n de derr Ma Mass sse ss e zuseine tun un?? Ei ETat nffac ach al-- Pe al Pers rson rs onen on en, Ti en Tier eren er en, Ma en Masc schi sc hine hi nen ne n et cet eter e a Leben. Er rechtfertigte inheinem knapp les, le s wür ürde de der öst ster erre er reic re ichi ic hisc hi sche sc he Phiilo loso soph so ph üb über ertr er trag tr agen ag en“, ana en naly lysi ly sier si ertt Pf er Pfal alle al ler. le r. Sta tars rs leb leb eben n 1500-seitigen rechtsradikalen Manifest Robe Ro bert be rt Pfa fallllller er ant ntwo wort wo rten rt en. De en Derr vo von ih ihm m ge ge-- fü fürr un unss da dass ex exze zess ze ssiv ss ive iv e Le Lebe ben, be n, d das as wir unss präg pr ägte äg te Beg Beg egri riff ri ff Int Int nter erpa er pass pa ssiv ss ivit iv ität it ät bez e ei eich chne ch nett wü ne wüns nsch ns chen ch en und d doc och oc h au auff ke kein inen in en F Fal alll le al lebe b n 11is die di e ve verb rbre rb reit re itet it ete et e Pr Prax axis ax is,, an ande dere de re fü für uns gee wollllllen wo en.. • en
Michel Foucault / „Wahnsinn und Gesellschaft“
„Ohne die sokratischen Gespräche würde ich elendig verrecken“ „zu wenig Zeit geschenkt“. Mit einem Lachen, das eigentümlich antrainiert klingt, fügt er hinzu: „Da brannte ganz schön die Hölle damals!“ Eigentlich sei er hier im Gefängnis zum ersten Mal in seinem Leben richtig zur Ruhe gekommen. Und ja, er denke hier sehr viel nach. Psychologisch in der Therapie, philosophisch in den sokratischen Gesprächen, an denen er regelmäßig teilnimmt. „Ohne die sokratischen Gespräche würde ich elendig verrecken in dieser Verblödungsanstalt“, sagt er. „Denken im allgemei-
Schulden? Prob Pr oble ob lem le m zu z lös ösen en:: nä en näml mlic ml ich ic h ei eine nen ne n Ge Gege genge nstan st and an d zu unt nter ersu er such su chen ch en und g gle leic le ichz ic hzei hz eiti ei tig ti g jegl je glic gl iche ic hen he n Ko ont ntak aktt de ak dess Ge Gege gens ge nsta ns tand ta ndss mi nd mitt dem de m Er Erke kenn ke ntn tnis isin is inst in stru st rume ru ment me nt zu ve verh rhin rh in-in dern. „Von de V dem, was (die Dinge g ) an sic ich h selb se lbst lb st sei e n mö möge gen, ge n, w wis isse is sen se n wi wirr ni nich chts ch ts.““ ts Jede Je dess er de erka k nn nnte te Din ing, g, mei mei eint nte nt e Ka Kant nt,, is nt istt scho sc hon ho n im imme me er vo von n un unse sere se ren re n An Ansc scha sc hauu ha uung uu ngsng s sund un d Ve Vers rsta rs and ndes eska es kate ka tego te gori go rien ri en kon onta tami ta mini mi nier ni ert. er t. Sollllllte So te die Wos osto tokto k-An kAnal An alys al yse ys e oh ohne ne men ensc schsc hlilich chen ch en Ein i flus usss ge gelililing ngen ng en,, hä en hätt tten tt en die rus us-sisc si sche sc hen he n Fo Fors rsch rs cher ch er die ers ers rste te a abs bsol bs olut ol ut rrei eine ei ne Erke Er kenn ke nntn nn tniss rea tn ealililisi sier si ert. er t
dem Konzept der Schuld in der zweiten Abhandlung der „Genealogie der Moral“ (1887) eine lange Passage. Dem Geschichtsbild Nietzsches zufolge konnte die Menschheit erst durch Schulden den Urzustand verlassen und in das historische Zeitalter eintreten. „Ein Thier heranzüchten, das versprechen darf – ist das nicht gerade jene paradoxe Aufgabe selbst, welche sich die Natur in Hinsicht auf den Menschen gestellt hat? ist es nicht das eigentliche Problem vom Menschen?“ („Zur Genealogie der Moral“, 2. Abhandlung, Anfang) Es gab, so erklärt es Nietzsche, eine lange und heftige frühzeitliche Vorarbeit der Menschheit an sich selbst, über die sie sich ein Erinnerungsvermögen erworben hat. Es ist nicht das Gleiche, ob man ein Mensch des 21. Jahrhunderts, des 19. Jahrhunderts oder des antiken Griechenlands ist. Weshalb? Weil Menschen nichts vergessen. Und doch ist das Erinnerungsvermögen nicht angeboren. Es ist das Ergebnis einer grausamen Dressur. Im Grunde hätte die menschliche Bestie niemals ein so ausgeprägtes Erinnerungsvermögen entwickelt, wenn sie nicht von körperlicher Strafe, von Schmerz bedroht worden wäre: „Namentlich aber konnte der Gläubiger dem Leibe des Schuldners alle Arten Schmach und Folter anthun, zum Beispiel so viel davon herunterschneiden als der Grösse der Schuld angemessen schien: – und es gab frühzeitig und überall von diesem Gesichtspunkte aus genaue, zum Theil entsetzlich in’s Kleine und Kleinste gehende Abschätzungen, zu Recht bestehende Abschätzungen der einzelnen Glieder und Körperstellen. Ich nehme es bereits als Fortschritt, als Beweis freierer, grösser rechnender, römischerer Rechtsauffassung, wenn die Zwölftafel-Gesetzgebung Rom’s dekretierte, es sei gleichgültig, wie viel oder wie wenig die
© Curtis Johnson/Getty Images
Echos der Gegenwart
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© REUTERS/Scanpix Norway
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RADAR
schen Abteilung. Teilanstalt V ist ein Haus, das ganz im Zeichen der gesetzlich verankerten Resozialisierung steht. „Die Häftlinge leben hier auf Stationen in Wohngruppen zusammen“, sagt Lars Hoffmann, „eingeschlossen werden sie von 21.30 Uhr bis 6 Uhr, tagsüber dann nur während festgelegter Zeiten.“ Schneller als erwartet steht ein Mann mit ergrautem, sorgfältig gekämmtem Haar in der Tür. Er trägt ein Hemd, darüber einen Wollpullover, Cordhose, braune Lederschuhe. Freundliches, festes Händeschütteln. Lars Hoffmann verabschiedet sich. Hauke Burmeister schließt die Tür und nimmt Platz. Er sei, erzählt Burmeister mit norddeutschem Akzent, studierter Physiker und Chemiker, habe im Bereich Netzwerktechnik gearbeitet. „Wenn ich mich mit einer Sache beschäftige, neige ich dazu, sehr in die Tiefe zu gehen“, erklärt er. Seine Frau und seine kleine Tochter hätten darunter manchmal gelitten. Er habe ihnen, rückblickend,
Wer vergibt uns unsere
Wostok Wost ok-S -Sta tati tion on / Ant Antar arkt ktis is / 8.2 .2.2 .201 012 2
Das Wasser an sich
Pro in Prov nz Si Sich chua uan n / Tib ibet et / 1 12. 2.2. 2.20 2012 12
Brennen für die Freiheit
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Wie viel Skepsis braucht Europa? Wie vernünftig sind Staatsschulden? Sollten Drogen legalisiert werden? Reportagen, Essays & Interviews bieten auf 20 Seiten philosophische Denkanstöße zu den wichtigsten und aktuellsten Fragen unserer Zeit
Wegen Totschlags wurde Hauke Burmeister zu lebenslanger Haft verurteilt. Gemeinsam mit anderen Langzeithäftlingen nimmt der 53-Jährige an den sokratischen Gesprächen teil, die in der Justizvollzugsanstalt Berlin-Tegel seit gut zehn Jahren regelmäßig stattfinden. Wie gestalten sich Leben und Denken, wenn die Freiheit entzogen ist? Von Svenja Flaßpöhler Fotos von Trevor Good
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NR. 03 — MÄRZ/APRIL 2012
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„In jedem Heft ein großes Thema“ DOSSIER SIND FRAUEN MORALISCHER?
Dossier
Wodurch sind die Verhaltensunterschiede zwischen den Geschlechtern bestimmt: die Evolution, einen unterschiedlichen Hormonhaushalt, die Größe der Frontallappen im Gehirn? Lässt sich soziales Verhalten überhaupt auf biologische Tatsachen zurückführen? Die Wissenschaft experimentiert – und streitet
DOSSIER
Von Natur aus gut?
Warum haben wir Kinder? Macht Arbeit glücklich? Sind Frauen moralischer als Männer? Im Titeldossier wird ein grundlegendes, gesellschatliches Thema tiefgreifend und vielstimmig dargestellt
DOSSIER SIND FRAUEN MORALISCHER?
Herr Pinker, in Ihrem neuen Buch „Gewalt“ (S. Fischer, eine große Zahl der Männer keine Familie gründen kön2011) beschäftigen Sie sich auch mit der Frage, welche nen – und deshalb auch nichts haben, wofür es sich, bioloRolle Frauen beim Rückgang der Gewalt spielten und gisch gesprochen, zu leben lohnt. Folglich fühlen sie sich immer noch spielen. Gibt es Unterschiede zwischen von Milizen, Straßengangs und terroristischen Gruppieden moralischen Werten von Frauen und Männern? rungen angezogen. Ja! Gewalt ist größtenteils ein männlicher Zeitvertreib. Männer üben die große Mehrzahl aller Gewalttaten aus, Gibt es wissenschaftliche Erklärungen dafür, warum ganz gleich, in welcher Gesellschaft wir uns befinden. Frauen weit weniger gewalttätig sind als Männer? In allen Ländern und zu allen Zei- Bei den meisten Säugetieren sind Männer das brutalere Steven Pinker ten vertreten Männer weit radika- Geschlecht, weil sie in gewalttätigen AuseinandersetzunDer Kanadier ist Professor an der Harlere und kriegerischere Meinun- gen mehr zu gewinnen und weniger zu verlieren haben vard-Universität und forscht im Bereich gen in politischen Umfragen. Eine als Frauen. Ein Mann kann die Erträge seiner NachkomEvolutionspsychologie und Linguistik. Mehrheit der Frauen stimmte bei- menschaft recht einfach multiplizieren: Je mehr Paarun2004 wählte ihn das Time Magazine zu spielsweise gegen George W. Bush gen er eingeht, desto mehr Kinder hat er. Bei der Frau hinden „100 einflussreichsten Menschen bei den US-Wahlen 2000 und 2004. gegen ergeben hundert Sexpartner nicht gleich hundert der Welt“. Zu seinen zahlreichen BestWenn Frauen bei Entscheidungen Babys, denn die Schwangerschaft und die Stillzeit schieauer sellern gehören „Das unbeschriebene das SagenSchopenh haben, gibt es mit großer ben der unbegrenzten Reproduktion einen Riegel vor. Ein Arthur Blatt“ (Berlin-Verlag, 2003) und zuletzt Sicherheit weniger dumme Kriege – weibliches Tier wird nicht dafür belohnt, wenn es große (1788–1860) (das „Gewalt“ (S. Fischer, 2011) weniger Kriege, bei denen umgeringere Ehre, Gefahren in Kauf nimmt, nur um Sex haben zu können. Die sequior „Sie sind sexus Betracht Nachkommenschaft aller Säugetiere beruht massiv auf der Ruhm, aus Rache oder kriegerischem in jedem Johann Gottlieb Fichte das Geschlecht), (1762–1814) Stolz gekämpft wird. Frauen reagieren auf eineGeschlecht, Beleidi- mütterlichen Fürsorge: Ein weibliches Tier, das in einem zweite zurückstehende, demnach man gung viel seltener mit Gewalt und sind weit weniger von Kampf getötet wird, würde ihre Waisen zum Tod verdam„Das Weib ist nicht unterworfen, dessen Schwäche ihrem gesellschaftlichen Status besessen alswelchem Männer. Ehrfurcht men. Im Vergleich zu Männern hat Gewalt deshalb für aber sodass der Mann ein Zwangsrecht schonen soll, lächerlich Frauen weit weniger Nutzen und höhere Kosten. über die Maßen auf sie hätte, sie ist unterworfen zu bezeugen Augen eigenen Gibt es andere Gründe, weshalb dieihren Gewalt abnimmt, durch ihren eigenen fortdauernden, ist und uns in wenn Frauen das Sagen haben? ” Und wie regulieren wir unsere aggressiven Impulse? notwendigen und ihre herabsetzt. Moralität Auf jeden Fall! Wenn Frauen – zum Beispiel durch Ver- Selbstbeherrschung ist ein wichtiger Faktor, wenn es bedingenden Wunsch, unterworfen hütung – Kontrolle über ihre Reproduktion haben, dann darum geht, unsere impulsiven Aggressionen zu unterzu sein.“ drücken – also beispielsweise nicht unsere Rachefantasien auszuleben. Die meisten Menschen, insbesondere MänFriedrich Nietzsche ner, haben gelegentlich Mordfantasien. Sie denken darü(1844–1900) Immanuel Kant ber nach, jemanden zu töten, den sie nicht leiden können. (1724–1804) „Alles am Weibe Aber natürlich schreitet die Mehrheit der Menschen desoder peinliches Grübeln, ist ein Rätsel, „Mühsames Lernen und alles am halbhat nicht gleich zur Tat. Und wir haben experimentelle Weibe Frauenzimmer darin eine Lösung: wenn es gleich ein Sie Vorzüge, heißt die Schwangers tendieren sie dazu, späterFriedrich zu heiraten sowie später und Belege dafür, dass es ohne Selbstbeherrschung deutlich vertilgen chaft.“ Wilhelm hoch bringen sollte, Georg G eigentümlich weniger Kinder zu bekommen. Wenn aber Staaten eine mehr Gewalt geben würde. Daher behaupte ich auch: Die die ihrem Geschlechte der gefährliche (1770–1831) H Hegel demografische Struktur mit vielen jungen Gewaltverbrechen haben in den Sechzigern genau deshalb dieselben wohl um sind, und können einer Menschen haben, dann zwischen neigen diese Gesellschaften zur so rapide zugenommen, weil die Menschen dieser Generazum Gegenstande „Der Unterschied „D Seltenheit willen wie Mütter werden. tion Selbstbeherrschung verspottet haben. derselbe machen, aber sie Zwangsheirat, beiFrau der ist Frauen sehr früh M Mann und kalten Bewunderung anze.” Pflsehr All diese Gesellschaften sind oft polygam, sodass ein Tier und die Reize schwächen, z zwischen zugleich werden das Mann mehrere Ehefrauen haben kann. In diesem Fall wird Das Gespräch führte Patrick Spät große Gewalt über wodurch sie ihre ausüben.“ andere Geschlecht
Der Mensch und sein Ahn — verdanken wir auch die sozialen Unterschiede zwischen den Geschlechtern der Evolution?
Frau Fine, sind Frauen Ihrer Ansicht nach moralischere Menschen? Wenn mit dieser Frage gemeint ist: „Richten Frauen weniger Unheil an als Männer?“, dann wird die Antwort Ja lauten. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass Frauen von Natur aus mitfühlender oder fürsorglicher wären. Die Fähigkeiten eines Menschen, sich moralisch zu verhalten, sind weder biologisch determiniert noch unveränderlich.
Top Ten der sexisti schen Philosophen
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Philosophie galt über Jahrtausende als reine Männerdomäne. Die Argumente für diesen Missstand haben die großen Denker gleich mitgeliefert – und sind dabei vor keiner Peinlichkeit zurückgescheut. Eine repräsentative Auswahl
Die MachoFraktion
Avicenna (980–1037)
„Die (...) Festigkeit in der Ehe hängt ab von der Frau, und der Gesetzgeber muss dafür sorgen, dass es nicht in ihrer Gewalt liegt,
Denis Diderot
(1713–1784)
Trennung herbeizuführen; „Sie sind zwar äußerlich Der Mann istdie das problematische Individuum denn sie ist in Wahrheit von als wir; aber innerlich zivilisierter und leicht sind sie wahre schwachem Verstande Wildegebildeter, geblieben, mindestens des 21. Jahrhunderts. Frauen sind ganze dazu geneigt, der Leidenschaft Machiavellisten. zu gehorchen.“ und dem Zornefürsorglicher im Allgemeine sozial kompetenter, und n istDasdasSymbol der Frauen über der geschrieben der Apokalypse, Geborenen steht: Mysterium. „Unter den als Männer weniger “ und (jene,) aggressiv. Empathie, Kooperation, gingen die Feiglinge, Lebens Unrecht Kommunikation: Sogenannte weibliche die während ihres keit übten, der Wahrscheinlich Geburt in Jean-Jacques zweiten Rousseau ihrer Eigenschaften sind gefragt wie nie zuvor nach bei Frauen über.“ in der Geschichte der „Tatsächlich Menschheit. Steuern lernen alle Mädchen nur Aristoteles mit Widerwillen Lesen und Schreiben; wir auf ein feminines Zeitalter zu? aber wie man eine Nadel hält, das lernenwünschenswert? sie gerne. Sie kommen sich „Das Weibchen Und wäre das überhaupt ist nämlich gleichsam erwachsen vor und denken mit viel
Platon
(428–348 v. Chr.)
„Männer üben die Mehrzahl aller Gewalttaten aus“
(1712–1778)
(384–322 v. Chr.)
© Fabio Lovino/contrasto/laif
ein verstümmeltes Männchen.“
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Vergnügen daran, dass diese Fähigkeit ihnen eines Tages dazu dienen könnte, sich herauszuputzen.“
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Die Ehrenretter
Charles Fourier
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„Ich habe oft gedacht, dass Frauen von Geist mehr als die Männer geeignet sind, die schönen Wissenschaften zu fördern.”
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Wie kommt es, dass sich Naturwisist Psychologin und Autorin. Sie stusenschaftler so stark auf die Unterdierte experimentelle Psychologie und schiede zwischen Mann und Frau Kriminologie in Cambridge (England) konzentrieren, anstatt die Gemeinund promovierte am University College samkeiten herauszuarbeiten? in London. Derzeit lehrt die Autorin mehDas liegt zunächst sicher daran, dass rerer international erfolgreicher Sachbüdie Ungleichheiten im Geschlechtercher als Professorin an der Melbourne verhältnis nach wie vor so groß und Business School. Ihr neuestes Buch „Die damit erklärungsbedürftig sind. So Geschlechterlüge“ erscheint im März gesehen erscheint es sinnvoll, Unter2012 im Verlag Klett-Cotta schiede zu finden, die den Status quo zu erklären oder manchmal sogar zu rechtfertigen scheinen. Es gibt aber einen anderen, wesentlich profaneren Grund: Studien, die keine Unterschiede feststellen, wirken weniger interessant, gerade im Bereich der Geschlechterforschung. Werden keine Unterschiede gefunden, haben die Ergebnisse einen geringeren
„Wir schließen Wissenslücken durch alte Stereotypen“ Nachrichtenwert, erzielen weniger Aufmerksamkeit. Aufgrund dieser Dynamik kommt es auch in der Forschung selbst zu starken Verzerrungen. Sie beklagen in Ihrem Buch eine neue Form des Sexismus: den Neurosexismus. Was meinen Sie damit? Von Neurosexismus lässt sich sprechen, wenn neurowissenschaftliche Forschungsergebnisse dazu genutzt werden, traditionelle Geschlechterstereotypen zu rechtfertiNR. 03 — MÄRZ/APRIL 2012
gen, obwohl dies aus wissenschaftlicher Sicht nicht haltbar ist. Am deutlichsten erscheint der Neurosexismus in populären Sachbüchern, wenn Autoren gewisse Ergebnisse übertreiben, falsch darstellen oder sogar fälschen, um mit Neurobegriffen alte Stereotypen zu verfestigen. Es gibt aber Untersuchungen, die belegen, dass sich die Entwicklung von Männer- und Frauengehirnen hormonell bedingt klar voneinander unterscheidet. Vom Hormon zum Gehirn zum Verhalten, was stimmt an dieser Erklärungskette nicht? Monokausale Erklärungsansätze sind in der Entwicklungsforschung sehr umstritten. Wird die interaktive Komplexität der Gehirnentwicklung ernst genommen, gerät die Wissenschaft in allergrößte Schwierigkeiten, eine Hormon-Gehirn-Verhalten-Kette nachzuweisen – und zwar bereits in den niederen Gehirnregionen von Ratten. Entgegen gängigen Annahmen gibt es aus wissenschaftlicher Sicht einfach keine klare, unumstrittene Beziehung zwischen Testosteron-Gehalten und „männlichen“ Qualitäten wie etwa soziale Dominanz oder Raumerkennungsvermögen. Die bemerkenswerte soziale Dynamik und der Aufstieg der Frauen innerhalb der vergangenen sechzig Jahre fanden ja auch statt, ohne dass sich auf der hormonellen Ausschüttungsebene Wesentliches geändert hätte. Nichtsdestotrotz gibt es Unterschiede zwischen Männer- und Frauenhirnen, wie Sie selbst ja auch schreiben. Worin liegen die Probleme in der Interpretation dieser Unterschiede? Das Hauptproblem liegt darin, dass wir in dieser frühen Forschungsphase einfach nicht ausreichend verstehen, wie neuronale Verbindungen die jeweiligen geistigen Prozesse erschaffen und beeinflussen. Was bedeutet es aus psychologischer Sicht, dass beispielsweise die Amygdala bei Frauen etwas aktiver ist oder die Präfrontallappen bei Männern ein bisschen größer? Wir wissen es derzeit nicht, aber es ist sehr verführerisch, unsere großen Wissenslücken einfach durch alte Geschlechterstereotypen zu schließen. Das Gespräch führte Jutta Person
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John Stuart Mill
(1772–1837)
Gottfried W. Leibniz
(1646–1716)
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Gaius Musonius Rufus
(30–102 n. Chr.)
„Denn alle menschlichen Arbeiten und Verrichtungen bleiben ein gemeinsames Arbeitsfeld für beide Geschlechter, sind Frauen und Männern gemeinsam, und keine einzige ist nur für das eine Geschlecht durch den Naturzwang reserviert.”
© picture alliance / ZUMA Press, www.kilden.forskningsradet.no, D. Roberts/Getty Images
Sind Frauen moralischer als Männer
Cordelia Fine
Auguste Comte
„Die Philosophen befassen sich mit der häuslichen Ordnung nur, um die Fesseln des schwachen Geschlechts zu verstärken. (…) Sie predigen die Unterdrückung der Frauen und reden ihnen vor, welch ein Vergnügen es sei, sich lebendig begraben zu lassen.“
(1798–1857)
„Die weibliche Revolution muss nun auf die proletarische Revolution folgen, so wie die proletarische Revolution sich aus der bürgerlichen Revolution ergab. Letztere wiederum ging aus der Revolution in der Philosophie hervor.“
(1806–1873)
„Die Unterordnung des einen Geschlechts unter das andere ist ein Unrecht und ein wesentliches Hindernis für eine Vervollkommnung der Menschheit.“
Zusammengestellt von Stefan Mekiffer, Patrick Spät und Jakob Zanker
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„Philosophische Gedanken verstehen“ Die Philosophen / Der Klassiker
Von Axel Honneth bis Slavoj Žižek: die heutigen Denker im Gespräch Im Autorendossier: ein klassischer Philosoph zum Kennenlernen — Aristoteles, Kant, Nietzsche ...
DIE PHILOSOPHEN Ernst Tugendhat
„Man kann das Ego nicht überspringen“
DIE PHILOSOPHEN FRIEDRICH NIETZSCHE
Im Bewusstsein seiner Sterblichkeit stößt der Mensch an seine Grenzen. Ernst Tugendhat, einer der einflussreichsten deutschen Philosophen der Nachkriegszeit, über die Macht der Sprache und die Kunst des Loslassens Das Gespräch führte Michael Hesse Fotos von Thomas Koenig
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rnst Tugendhat sagt, er könne nur denken, wenn er an seiner Schreibmaschine sitzt. Sie steht heute in Tübingen und ist so alt, dass man meinen könnte, er hätte sie schon zu Beginn seiner philosophischen Karriere in Gebrauch gehabt. Das war in Freiburg damals, im Jahr 1949. Tugendhat zählt zu den bedeutendsten Philosophen Deutschlands. Er wirkte in den geistigen Kraftzentren, in Münster, in Heidelberg oder später in Berlin an der Freien Universität. Mit seinem Freund Jürgen Habermas arbeitete er gemeinsam am Max-Planck-Institut in Starnberg. Seine auf Vorlesungen zurückgehenden Werke über Ethik, das Selbstbewusstsein und die Sprachphilosophie zählen zum philosophischen Kanon deutscher Geistesgeschichte. Seine „Vorlesungen zur Einführung in die sprachanalytische Philosophie“ elektrisierte eine ganze Studentengeneration. Die Schreibmaschine steht auch heute noch auf dem Schreibtisch. Vom Sofa aus blickt man auf ein Regal mit akkurat geordneten Büchern. Das geordnete, transparente Denken zählt zu Tugendhats herausragenden Eigenschaften. Man kann ihm beim Denken förmlich zusehen. Besonders mit der Tradition der Mystik hat er sich in letzter Zeit beschäftigt. Die Mystik sei mit etwas verbunden, das er bei seinem früheren Lehrer Martin Heidegger erfahren habe, sagt Tugendhat: dem Staunen vor dem Sein, der Verwunderung, dass es so etwas wie diese Welt überhaupt gibt – und nicht zuletzt dem Wissen, diese Welt wieder verlassen zu müssen.
Herr Tugendhat, was bedeutet Philosophie für Sie? Wenn ich überlege, was ist für philosophierende Menschen die grundlegende Frage, dann ist es die, die sich bereits Platon in seinem Werk „Politeia“ stellte: Wie soll man leben? Und ich meine, dass diese Frage tatsächlich eine Fundamentalfrage des Menschen ist. Die Philosophie von Sokrates und Platon ist eigentlich von dieser Frage ausgegangen – und nicht etwa von der Frage nach dem Sein. Das Interesse am Sein ging bei den Griechen einher mit der Erfahrung von Veränderlichkeit, Tod und Gewesenheit.
DER KLASSIKER
NIETZSCHE
Das Wissen um unsere Sterblichkeit spielt dabei eine besondere Rolle? Wir Menschen verstehen so etwas wie Sein. Andererseits haben wir ein besonderes Verhältnis zum Tod, also zum Nichtsein und zur Veränderlichkeit des Lebens. Dies bringt eine bestimmte Form der gemeinsamen Reflexion auf unser Leben hervor, nämlich die, wie man leben soll. Es ist die Fundamentalfrage, in der alle philosophischen Fragen und Disziplinen ihren Grund haben.
DIE FEIER DES DENKENS
Selten hat jemand einen so hohen Preis für sein Genie bezahlt wie Nietzsche. Ein Leben zwischen Schaffensrausch und Daseinskrise: Bereits im Alter von 45 Jahren kam es zum endgültigen Zusammenbruch, dem sich ein letztes Lebensjahrzehnt in geistiger Umnachtung anschloss. Werk und Person sind bei Nietzsche untrennbar miteinander verflochten.
Etablieren Sie damit wieder eine antike Konzeption von Ethik, die vom konkreten Leben handelt, während sich die gegenwärtige Philosophie in metatheoretischen Überlegungen aufhält?
Dennoch ist Nietzsches Philosophie mehr als ein brillanter Kommentar zu seiner tragischen Existenz – eine Philosophie, der letztlich auch die fatalen Ausdeutungen im 20. Jahrhundert nichts an Faszinationskraft nehmen konnten. Mit stilistischer Brillanz und untrüglichem psychologischem Instinkt richtete er neue Werte und Ideale auf. Illustrationen von Martin Haake
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IMPULS Verunsicherung, Ratlosigkeit, Indifferenz. Wer Kunstausstellungen besucht, kennt diese Zustände mindestens ebenso gut wie das einzigartige Glücksgefühl genuin ästhetischer Erfahrung. Früher hatte Kunst einen klaren Zweck: Sie diente der ethischen Erbauung des Menschen. Von diesem Ziel haben sich die modernen Museen denkbar weit entfernt, klagt der Philosoph Alain de Botton. Er fordert eine Rückkehr zu alten Idealen. Die Leiterin der Documenta 13, Carolyn Christov-Bakargiev, widerspricht energisch
Bücher 67
Mit Marx streiten
Ereignis / Bücher / und mehr O MIT VORWISSEN
O HOCH MOTIVIERT
Buch des Monats
Gedanken füttern Herbert Schnädelbach führt durch den Wissensschatz der Philosophen – und erledigt das Klischee vom vernebelten Grübler
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leiner Selbstversuch: Besuchen Sie einen Marktplatz und fragen Sie die Leute, was Philosophen eigentlich wissen – die häufigste Antwort wird lauten: nichts, oder zumindest: ziemlich wenig. Das war bereits dem Marktplauderer Sokrates klar, nach unzähligen Dialogen kam er zum Schluss: „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ – ein Satz, der seitdem wie ein Damoklesschwert über den brütenden Philosophenhäuptern hängt. Der Philosoph Herbert Schnädelbach ist da entspannter. Dass es sehr wohl gesichertes Wissen in den ungesicherten Gewässern der Philosophie gibt, belegt er mit einem erhellenden Rundgang durch die Philosophiegeschichte. Eine Hauptrolle spielt das Ich, zu dem der emeritierte Erkenntnistheoretiker ausführt, „dass das Substantiv ‚das Ich‘ bestenfalls das empirische Selbst bezeichnen kann“. Nur weil wir uns als Ich füh-
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len, dürfen wir daraus nicht schließen, dass dieses Ich ein Eigenname ist, der ein konkretes Ding bezeichnet. Zum Thema Selbstbewusstsein erläutert der Autor, weshalb sich „das Erkennende nicht selbst zum Objekt von Erkenntnis machen kann“. Den Unterschied zwischen Werten und Normen veranschaulicht er gekonnt anhand der StVO. Mithilfe seiner bevorzugten Dialogpartner Kant und Wittgenstein zeigt Schnädelbach, was wir von den Meisterdenkern lernen können. Dabei wird deutlich, dass das „gesicherte“ Wissen vor allem auf den Fehlern und argumentativen Sackgassen der Vorgänger beruht. „Was Philosophen wissen“ versucht aber auch, die Philosophie als akademische Disziplin wieder neu zu verorten. Wer mehr über die Feinheiten der theoretischen Sprachphilosophie wissen möchte – oder das eigene analytische Fundament festigen will –, der findet in diesem so souveränen wie lehrreichen Buch die „dos and don’ts“ des Philosophierens. Patrick Spät Herbert Schnädelbach Was Philosophen wissen. Und was man von ihnen lernen kann C. H. Beck / 237 S. / 19,95 € / O
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Jürgen Habermas Zur Verfassung Europas Ein Essay edition suhrkamp SV
Die Lehren der Krise sind eindeutig. Nicht weniger, sondern mehr europäische Koordination ist notwendig. Jürgen Habermas’ Band „Zur Verfassung Europas“ besteht aus bereits erschienenen Texten und einem neuem Vorwort, die dieses „mehr“ an Europa einklagen. Statt hochrangiger Treffen hinter verschlossenen Türen fordert Habermas die Transnationalisierung der Demokratie: Die Staatsvölker und die Bürger müssen gemeinsam entscheiden. Man mag den Optimismus hinsichtlich eines europaweiten demokratischen Diskurses nicht in allen Punkten teilen. Dennoch ist Habermas’ pro-europäische Gegenerzählung zur „technokratischen Selbstermächtigung“ unabdingbar. Sie zeigt, dass mehr Europa nicht weniger Demokratie heißen muss. Im Gegenteil. Frederike Kaltheuner
Intelligenzforschung
Mit Köpfchen arbeiten Dieter E. Zimmer Ist Intelligenz erblich? Eine Klarstellung Rowohlt / 320 S. / 19,95 € / O © Innis McAllister/Gallerystock, Amelie Soyka
Neuerscheinungen, Spiele, Reportagen aus aller Welt: Das Philosophie Magazin informiert, unterhält und bietet neue Sichtweisen auf die Welt
Politik
Mit Demokraten lernen Jürgen Habermas Zur Verfassung Europas. Ein Essay Suhrkamp / 140 S. / 14,90 € / O
O FÜR NEUGIERIGE
Warum Kunst ?
von Jutta Person
Terry Eagleton Warum Marx recht hat / Übersetzt von Hainer Kober Ullstein / 288 S. / 18 € / O
Ob und wie die Welt zu retten sei, daran scheiden sich seit je die Geister. Der Literaturtheoretiker, Katholik und Marxist Terry Eagleton nimmt die Diskussion in ihrer radikalsten Form wieder auf. Eagleton präsentiert zehn geläufige Einwände gegen den Marxismus und entkräftet sie. Seine Erwiderungen sind schwungvoll geschrieben und provozieren – gelinde gesagt. Man fragt sich: Hab’ ich das so noch nie gesehen, oder ist das sachlich falsch und raffiniert verpackt? Deshalb will man weiterlesen, weiterdenken, tiefer einsteigen. „Warum Marx recht hat“ ist ein streitlustiges Buch, das die Chance bietet, die eigene Perspektive zu erweitern: über die heile Welt unseres Wohlstands und deren – gestehen wir es – Zynismus hinaus. Jakob Zanker
O FÜR ALLE
Fotos von Martin Parr
Thesen lesen
Ideologien
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Alle ernst zu nehmenden Studien zeigten seit Jahrzehnten, so behauptet Dieter E. Zimmer, dass Menschen hinsichtlich ihrer Intelligenz genetisch vorgezeichnet seien. Der Wissenschaftsjournalist erklärt, warum genetische Intelligenz keineswegs direkt mit Rassenhygiene und elitärem Dünkel assoziiert werden muss: Ist nicht gerade die Annahme, dass alle Menschen als tabula rasa auf die Welt kommen, problematisch? Ihre Folge ist, dass auch der für Mathematik und Sprachen unbegabteste Schüler durchs Abitur geprügelt wird. Anstatt genetische Intelligenz abzustreiten, gälte es, individuelle Fähigkeiten zu erkennen und praktische Berufsfelder aufzuwerten. Svenja Flaßpöhler NR. 03 — MÄRZ/APRIL 2012
Bienenstich Sie sind schön. Sie sind klug. Sie sind nützlich. Sie sind goldgelb und tragen Pelz. Sie können tanzen und stechen. Fliegen sowieso. Sie sind Feministinnen und Royalistinnen. Und sie beflügeln unsere Träume. Sie haben trotzdem noch leise Zweifel, was Bienen in einer Philosophiezeitschrift zu suchen haben? „Die Symbolkraft der Honigbiene“, schreibt Ralph Dutli in seiner Kulturgeschichte, „ist eine Menschheitskonstante. Sie gab Anlass zu religiösen Riten, Aberglauben und Wundergeschichten. Sie steht für Gemeinschaftssinn, Selbstaufopferung, Zukunftsvorsorge, durchdachte Ordnung, Reinheit, Fleiß und Fülle. Aber auch: für Magie und Prophetie, Seele und Inspiration.“ Die Biene ist ein durch und durch philosophisches Tier, und das liegt nicht nur daran, dass der perfekt organisierte Bienenstaat immer schon als ideale Projektionsfläche politischer Philosophie herhalten musste (erst im 17. Jahrhundert erkannte man, dass an der Spitze der Organisation kein Bienenkönig, sondern eine Königin stand). Darüber hinaus ist die Bienen-Symbolkraft auffallend ambivalent. Seit der Antike sieht man eine honigtriefende Erotikerin von Blüte zu Blüte fliegen. Dagegen war das Christentum gerade an der Keuschheit der Bienen interessiert. Der Mystiker Bernhard von Clairvaux glaubte, dass sich die Bienen vor jeder Nektarsuche bekreuzigen. Vom sokratischen Dichter-Bienen-Vergleich über Bernard Mandevilles Bienenfabel bis zur Honigpoesie bei Ossip Mandelstam, Rainer Maria Rilke oder Sylvia Plath: Ralph Dutlis Bienenbegeisterung ist unmittelbar ansteckend; wer sein „Lied vom Honig“ liest, wird sich wandeln. Insektensnobs zu Bienenverehrern! Vor allem aber zeigt der Essayist, Lyriker und MandelstamBiograf: Das Phantasma der Reinheit ist ohne poetische Milanden Design Week, 2007 Nachtseite nicht zu haben. Wo die Philosophen straffen Bienenstaat im Auge haben, schwirrt immer auch ein Dichter an, der sich an Honig- und Flugmetaphern berauscht. Sprache und Den> ken, das legt Dutlis Honighymne nahe, kommen ohne solche Bilder nicht aus. Ralph Dutli Das Lied vom Honig. Eine Kulturgeschichte der Biene Wallstein / 208 S. / 14,90 € / O
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Zeitgeist
PrO & Contra Streitfall
Den Tyrannen töten?
Die gezielte Tötung von Tyrannen ist gerecht und notwendig Parag Khanna Der Politologe ist Senior Fellow bei der New America Foundation. Er war Berater der amerikanischen Special Operations Force in Afghanistan und ist Senior Fellow des European Council on Foreign Relations. Zuletzt erschien von ihm: „Wie man die Welt regiert: Eine neue Diplomatie in Zeiten der Verunsicherung“ (Berlin-Verlag, 2011)
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In den zehn Jahren, die seit dem 11. September vergangen sind, sind viele hochrangige Anführer und Kämpfer von Al Qaida im Irak, in Afghanistan, Pakistan, Jemen, Somalia und anderswo getötet worden. Da das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit in solchen Ländern kaum greift, müssen diese Subjekte auf dem Staatsgebiet dieser Länder getötet werden. Viele Menschen werten eine solche Tötung von verbrecherischen Einzelpersonen als einen Verstoß gegen den Grundsatz der Staatenimmunität, ja, sie betrachten sie gar als Anmaßung „göttlicher“ Verfügungsgewalt. Aber diese Auffassung ist falsch. Die Tatsache, dass nicht eine ganze Gesellschaft in 20
einen Krieg gezogen wird, sondern nur einzelne Missetäter für ihre Verbrechen bestraft werden, ist ein beeindruckendes Zeichen dafür, dass wir uns sowohl gesellschaftlich als auch psychologisch weiterentwickelt haben. Der Internationale Strafgerichtshof verfügt über immer größere Zuständigkeit. Das ermöglicht es der internationalen Gemeinschaft, das traditionelle Bollwerk der staatlichen Immunität – die oft genug nur ein Synonym für Straffreiheit ist – zu umgehen und Tyrannen ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Darüber hinaus wurde 2005 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen die Doktrin der Schutzverantwortung ratifiziert. Sie legt die Regeln fest, anhand derer
entschieden werden kann, ob die internationale Staatengemeinschaft in die inneren Angelegenheiten eines Staates eingreift, um Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verhindern. So hätte im Falle Libyens durch eine zeitigere Tötung Muammar al Gaddafis viel Blutvergießen vermieden werden können, da diese den Kollaps des Regimes garantiert hätte. Gaddafi hat außenpolitisch keine schlagkräftigen Verbündeten mehr, keinen, der ihm zur Seite gestanden wäre. Das unterscheidet den Fall Libyen von der Situation in Syrien. Eine gezielte Tötung Baschar al Assads würde den fest verankerten Sicherheitsapparat nicht entscheidend ins Wanken bringen und die Situation deshalb eher verschärfen. Es gilt also je nach Situation abzuwägen. Dennoch bleibt zu wünschen, dass wir uns in Zukunft etwas schneller durch das Dickicht aus Protokollen und Beratungen kämpfen und also handeln werden! Dann hätten sowohl die Gräueltaten Gaddafis als auch der von dem sudanesischen Präsidenten Umar al Baschir begangene Völkermord in Darfur verhindert werden können. Die Argumente, die gegen politisch motivierte
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— Philosophie Magazin
© Ahmad Al-Rubaye/AFP/Getty Images, privat, Nusrat Durrani
Wer schützt das Volk vor seinem Diktator? Die Frage nach der Zulässigkeit des Tyrannenmords hat durch die Bürgerkriege in Libyen und aktuell Syrien neue Relevanz erhalten. Völkerrechtlicher Tabubruch oder effektivste Hilfeleistung – ein philosophischer Streitfall zwischen Leben und Tod
Zeitge ist Akt
uells und Ge te Themen au s philoso ellschaft auf s Politik, Kult u ü phisch beleuch ber 20 Seiten r tet
Demokratien müssen in ihrer Praxis unterscheidbar bleiben Julian NidaRümelin lehrt Philosophie und politische Theorie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Er war Kulturstaatsminister im ersten Kabinett Schröder. Jüngste Publikationen zum Thema: „Ethische Essays“ (Suhrkamp, 2002); „Philosophie und Lebenswelt“ (Suhrkamp, 2009); „Verantwortung“ (Reclam, 2011)
Die Vorteilhaftigkeit der Tötung eines Tyrannen rechtfertigt allein die Tat nicht. Zwar kann die Tötung eines Tyrannen die Demokratieentwicklung in einer Region fördern (zwingend ist das nicht, wie das Beispiel Irak/ Iran zeigt), doch reicht dies als rechtfertigender Grund nicht aus. Die zumal in der Politik verbreitete Zustimmung zu einer konsequenzialistischen Ethik, der gemäß der Wert der Handlungsfolgen den Ausschlag gibt, ob etwas richtig oder falsch ist, greift gerade in diesem Fall zu kurz. Eine konsequenzialistische Praxis ist nämlich mit Individualrechten, Kooperation und Integrität unvereinbar. Im Fall von Muammar al Gaddafi haben die Vereinten Nati-
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onen einen Beschluss gefasst, der die Staatengemeinschaft ermächtigte, dafür zu sorgen, dass die Zivilbevölkerung nicht mit Militärflugzeugen vonseiten der Regierung angegriffen werden kann. Doch deckte der Beschluss der Vereinten Nationen nicht die Tötung von Gaddafi ab. Insofern war es völkerrechtlich illegitim, Jagd auf Gaddafi zu machen. Zwar könnte das, was völkerrechtlich unzulässig ist, moralisch immer noch geboten sein. Nach Lage der Dinge beziehungsweise unserer heutigen Kenntnis entsprechend, war dies jedoch nicht der Fall – ein Völkermord schien nicht beabsichtigt zu sein, alles deutete vielmehr auf bürgerkriegsähnliche Zustände in Libyen hin, mit einer
in seinen Loyalitäten regional und ethnisch gespaltenen Bevölkerung. Ähnliches gilt für die Tötung Osama bin Ladens. Ich bin, wie viele andere, erleichtert darüber, dass er keine Terrorakte mehr vorbereiten oder inspirieren kann. Dennoch ist dieser Tötungsakt zumindest problematisch, jedenfalls dann, wenn der aufgestöberte bin Laden nicht die Mittel besaß, um die Kämpfer der amerikanischen Spezialeinheit ernsthaft zu bedrohen. Warum wurde offenbar nicht einmal der Versuch unternommen, ihn vor den Internationalen Strafgerichtshof zu bringen? Das hätte der größten westlichen Demokratie gut angestanden. Warum wurde im Zusammenhang mit dieser Aktion so viel gelogen und manipuliert? Das ist einer Demokratie im Grunde unwürdig. Demokratien müssen in ihrer konkreten Praxis unterscheidbar bleiben, das macht ihre eigentliche Stärke, nicht ihre Schwäche aus. Die aktuelle Tötungspraxis auf beiden Seiten – im vermeintlich moral- und rechtsfreien Raum des Terrors, der asymmetrischen Kriege und des Gegenterrors – entfernt uns von der zivilen Ordnung internationalen
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Heilige Mütter
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© Aurora/la if, privat
Die Fem inis der Tug ierung end
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Benser/C orbis
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„Yes, we care!“
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DOSSIER SIND FRA UEN MO RALISCH ER?
Dossier
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Dossie r V
ielfältig zentrale e Antworten Mit Beit n Frage unse zu einer r Denker rägen von pro er Zeit. n und h minent zu den Klassikeilfreichen Bez en ügen rn
Sind Frauen moralischer als Männer
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Der Mann ist das problematische Individuum des 21. Jahrhunderts. Frauen sind gebildeter, sozial kompetenter, fürsorglicher und weniger aggressiv. Empathie, Kooperation, Kommunikation: Sogenannte weibliche Eigenschaften sind gefragt wie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit. Steuern wir auf ein feminines Zeitalter zu? Und wäre das überhaupt wünschenswert? © Fabio Lovino/contrasto/laif
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Nr. 03 — märz/april 2012
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Dossier Sind frauen moralischer?
M Von Svenja Flaßpöhler
änner neigen zu Egozentrik, Frauen denken eher an andere als an sich selbst. Wer glaubt, dass es anders sei, schaue sich um: Tendenziell sind es die Frauen, die trotz Vollzeitarbeit noch an die fehlende Milch im Kühlschrank denken und ihre Karrierewünsche an den Nagel hängen, sobald Nachwuchs da ist. Männer hingegen merken selten, dass der Küchenboden klebt, und wenn sie überhaupt Elternzeit nehmen, dann nur für zwei Monate. Selbst in Führungspositionen benehmen sich Frauen fürsorglicher als Männer. „Engagiert, eifrig, gewissenhaft, empathisch, verantwortungsbewusst und gut organisiert: So führen Frauen“, resümiert die Journalistin Juliane Gringer die Ergebnisse ihres Buches „Mein Chef ist eine Frau“. An die Stelle von Kampfeslust, Siegeswille, Durchsetzungsvermögen treten, sobald Frauen das Sagen haben, Einfühlungsvermögen, Kommunikationsfähigkeit, Kooperationsbereitschaft.
Selbst in Führungspositionen agieren Frauen fürsorglicher Im 17. Jahrhundert behauptete der Philosoph Baruch de Spinoza, „dass Frauen von Natur nicht das gleiche Recht haben wie Männer, sondern ihnen nachstehen, weshalb es eine Unmöglichkeit ist, dass beide Geschlechter in gleicher Weise regieren, geschweige denn, dass Männer von Frauen regiert werden“. Mittlerweile sprechen gute Gründe dafür, das genaue Gegenteil anzunehmen: Nicht die weibliche, die männliche Natur ist eine schlechte Voraussetzung für jede Form von Herrschaft. Dominique Strauss-Kahn, ehemaliger Direktor des Internationalen Währungsfonds, produziert mitten in der weltweiten Finanzkrise einen Hotelzimmer-Skandal, weil er, euphorisiert durch die eigene Macht, seinen Sexualtrieb nicht unter Kontrolle hatte; seine Nachfolgerin Christine Lagarde bemerkte kurz vor ihrer Wahl nur lakonisch, dass sie ihre Arbeit mit „weniger Testosteron“ angehen werde. >
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Ist der Unterschied der Geschlechter in modernen und aufgeklärten Gesellschaften mitunter verblasst, tritt er in anderen, traditionelleren Kulturen umso deutlicher hervor: Liberias Staatspräsidentin Ellen JohnsonSirleaf, die Friedensaktivistin Leymah Gbowee, ebenfalls Liberianerin, und die Bürgerrechtlerin Tawakkul Karman aus dem Jemen erhielten im vergangenen Jahr den Friedensnobelpreis, weil sie wiederaufbauen, was Männer zerstören. „Es sind Frauen, die bis zur Erschöpfung rackern, die das Feld bestellen, die Kinder großziehen, Brennholz oder Wasser schleppen, einkaufen, putzen, Hirse oder Mais mahlen, Körbe, Hüte oder Halsketten flechten, um das Schulgeld für die Kleinen zu verdienen“, so war anlässlich der Preisverleihung in der Süddeutschen Zeitung zu lesen. „Männer hingegen, und das lässt sich auch so pauschal sagen, drücken sich oft vor der Verantwortung und haben nur ihren eigenen Vorteil im Sinn.“ Die Verleihung des Preises sei verbunden mit der Hoffnung, „dass Frauen vernünftiger mit Macht umgehen als Männer“. Dass diese Hoffnung nicht unbegründet ist, zeigt allein schon der weibliche Körperbau. Die Muskelkraft der Frau ist weniger ausgeprägt, zu vielen Gewalttaten ist sie rein biologisch nicht in der Lage. Männer ziehen in den Krieg, jagen, morden, foltern und vergewaltigen. Frauen werden schwanger, gebären und nähren. Das Gefühl, ein Kind in sich zu tragen und zu stillen, kennen Männer nicht; viele verlassen ihre Familie. Wenn Mütter sich trennen, dann höchstens von ihrem Mann, in den seltensten Fällen jedoch von ihrem Kind. Das Hormon Oxytocin wird bei der Geburt und beim Stillen ausgeschüttet und stärkt die mütterliche Verbindung zum Säugling; das männliche Sexualhormon Testosteron, siehe Strauss-Kahn, steigert die Aggressivität. Wenn Frauen Testosteron einnehmen, so fanden Forscher kürzlich am University College in London heraus, schränkt sich ihr ansonsten kooperatives Verhalten merklich ein und sie handeln egoistischer. Auch neuronal, behaup— Philosophie Magazin
ten Hirnforscher, sind Frauen auf Fürsorge programmiert. „Das weibliche Gehirn ist vor allem auf Empathie angelegt“, schreibt der britische Psychologe Simon Baron-Cohen. „Das männliche Gehirn ist vor allem auf das Verständnis und die Errichtung von Systemen angelegt.“ Mit den Drüsen denken? Ist die Frau also von Natur aus gut, der Mann hingegen qua Biologie gewaltbereit, egozentrisch oder im besten Falle kühl-rational? So plausibel diese Annahme auf einen ersten Blick scheinen mag, bei näherem Hinsehen ist sie höchst problematisch. Vor dem Hintergrund neurowissenschaftlicher Behauptungen etwa erscheint eine Frau, die sich lieber mit abstrakten Gedankengebäuden beschäftigt anstatt mit Kindern, nachgerade pathologisch. Ein Mann, dem es umgekehrt ergeht, ebenfalls. Männer und Frauen von ihrer Biologie her zu begreifen, bedeutet die Geschlechtsidentitäten zu „essenzialisieren“, das heißt ihnen ein kulturunabhängiges, qua Natur verbürgtes Wesen zuzuschreiben. Im Unterschied zum Tier leben Menschen aber in Gesellschaften, deren Verbote, Regeln und
Geschlechternormen die Existenz zutiefst prägen. „Wo die Sitten Gewaltanwendung verbieten, kann die Muskelkraft keine Herrschaft begründen“, schrieb die französische Philosophin und Feministin Simone de Beauvoir schon 1949 in ihrem Buch „Das andere Geschlecht“. „Wenn man also sagen kann, dass bei den höheren Tieren die individuelle
Männer und Frauen von ihrer Biologie her zu begreifen, bedeutet sie zu „essenzialisieren“ Existenz sich beim Männchen energetischer durchsetzt als beim Weibchen, so hängen beim Menschen die individuellen ‚Möglichkeiten‘ von der ökonomischen und sozialen Situation ab.“ Anders gesagt: Dass Frauen sich um die Kinder kümmern, während der Mann seinen Horizont erweitert und die Welt erobert, hängt nicht mit der weiblichen und männlichen Natur zusammen. Vielmehr bleibt die Frau zu Hause,
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Daten, die zu denken geben 95 % der insgesamt rund 51 000 Gefängnisinsassen in der Bundesrepublik sind männlich /// Frauenanteil unter alleinerziehenden Eltern: 90 % ///
/// Die Aktienkurse von Unternehmen, die einen starken Frauenanteil in Führungspositionen aufweisen, entwickeln sich um
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73,3 % der Selbstmorde werden von Männern begangen
36 % besser
/// Jungen spielen fünfmal so häufig brutale Computerspiele wie Mädchen /// Frauenanteil unter den Vorstandsmitgliedern der 200 größten deutschen Unternehmen 2009:
2,5 %
/// Charaktereigenschaften der Männer aus Sicht der Frauen: Wehleidigkeit
63 %, Sturheit 61 %, Egoismus 53 %
/// Charaktereigenschaften von Frauen aus Sicht der Männer: Zärtlichkeit
76 %, Eitelkeit 66 %, Hysterie 55 %
Quellen: Statistisches Bundesamt / Atlas zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland / Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung / Catalyst Information Center: „Why diversity matters. Research studies 2005-2010“
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Die Philosophen Ernst Tugendhat
„Man kann das Ego nicht überspringen“ Im Bewusstsein seiner Sterblichkeit stößt der Mensch an seine Grenzen. Ernst Tugendhat, einer der einflussreichsten deutschen Philosophen der Nachkriegszeit, über die Macht der Sprache und die Kunst des Loslassens Das Gespräch führte Michael Hesse Fotos von Thomas Koenig
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rnst Tugendhat sagt, er könne nur denken, wenn er an seiner Schreibmaschine sitzt. Sie steht heute in Tübingen und ist so alt, dass man meinen könnte, er hätte sie schon zu Beginn seiner philosophischen Karriere in Gebrauch gehabt. Das war in Freiburg damals, im Jahr 1949. Tugendhat zählt zu den bedeutendsten Philosophen Deutschlands. Er wirkte in den geistigen Kraftzentren, in Münster, in Heidelberg oder später in Berlin an der Freien Universität. Mit seinem Freund Jürgen Habermas arbeitete er gemeinsam am Max-PlanckInstitut in Starnberg. Seine auf Vorlesungen zurückgehenden Werke über Ethik, das Selbstbewusstsein und die Sprachphilosophie zählen zum philosophischen Kanon deutscher Geistesgeschichte. Seine „Vorlesungen zur Einführung in die sprachanalytische Philosophie“ elektrisierte eine ganze Studentengeneration. Die Schreibmaschine steht auch heute noch auf dem Schreibtisch. Vom Sofa aus blickt man auf ein Regal mit akkurat geordneten Büchern. Das geordnete, transparente Denken zählt zu Tugendhats herausragenden Eigenschaften. Man kann ihm beim Denken förmlich zusehen. Besonders mit der Tradition der Mystik hat er sich in letzter Zeit beschäftigt. Die Mystik sei mit etwas verbunden, das er bei seinem früheren Lehrer Martin Heidegger erfahren habe, sagt Tugendhat: dem Staunen vor dem Sein, der Verwunderung, dass es so etwas wie diese
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Welt überhaupt gibt – und nicht zuletzt dem Wissen, diese Welt wieder verlassen zu müssen. Herr Tugendhat, was bedeutet Philosophie für Sie? Wenn ich überlege, was ist für philosophierende Menschen die grundlegende Frage, dann ist es die, die sich bereits Platon in seinem Werk „Politeia“ stellte: Wie soll man leben? Und ich meine, dass diese Frage tatsächlich eine Fundamentalfrage des Menschen ist. Die Philosophie von Sokrates und Platon ist eigentlich von dieser Frage ausgegangen – und nicht etwa von der Frage nach dem Sein. Das Interesse am Sein ging bei den Griechen einher mit der Erfahrung von Veränderlichkeit, Tod und Gewesenheit. Das Wissen um unsere Sterblichkeit spielt dabei eine besondere Rolle? Wir Menschen verstehen so etwas wie Sein. Andererseits haben wir ein besonderes Verhältnis zum Tod, also zum Nichtsein und zur Veränderlichkeit des Lebens. Dies bringt eine bestimmte Form der gemeinsamen Reflexion auf unser Die Leben hervor, nämndigen t lich die, wie man volls ä lesen leben soll. Artikel ellen
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er aktu Sie in d sgabe! Au
— Philosophie Magazin
Das Ge spräch Ausfüh rli
bedeut che Intervie w endste n Denk s mit den ern von heute
Nr. 03 — April/Mai 2012
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ssiker schichte a l K r e D Ge nd e in die Leben u is r Eine Re osophie - übe nkers e il h D der P großen s e in e Werk
Lexikon Die Kernbegriffe seines Denkens, lebendig und verständlich erklärt
Biografie
DIE PHILOSOPHEN FRIEDRICH NIETZSCHE BIOGRAFIE
Das Leben des Philosophen als Einführung in seine Werke
SEIN LEBEN
w
GESCHICHTLICHER w KONTEXT
Aufnahme in Schulpforta, dem Eliteinternat bei Naumburg an der Saale. Nietzsche verfasst seine ersten „Autobiografien“.
1844
Nietzsches SchopenhauerErlebnis bei der Lektüre von „Die Welt als Wille und Vorstellung“
1858 1848/49
„Märzrevolution“ – bürgerlich-demokratische und nationale Bewegungen gehen gegen die Restaurationsbestrebungen der „Heiligen Allianz“ auf die Barrikaden.
Am 8. Oktober lernt Nietzsche in Leipzig Richard Wagner kennen.
1862 Otto von Bismarck wird Ministerpräsident von Preußen.
Der vierte und letzte Teil von „Zarathustra“ erscheint. Nietzsche zufolge handelt es sich bei diesem Werk um „das tiefste Buch, das die Menschheit besitzt“.
1870 1870/71
1876
Deutsch-Französischer Krieg. Am 18. Januar 1871 kommt es im Spiegelsaal von Versailles zur „Kaiserproklamation“, dem Gründungszeremoniell des Deutschen Kaiserreichs.
Die Bayreuther Festspiele finden erstmals statt. Richard Wagner wird als nationales Musikgenie gefeiert.
ten in deren Haus. Mit der vergötterten Cosima spaziert er die Uferpromenaden des Vierwaldstättersees entlang; Wagner wird ihm neben Schopenhauer zum Hauptimpulsgeber seines frühen Denkens. Für Letzteren indes ist Nietzsche vor allem ein hervorragender Wagnerianer, ein propagandistisch begabter Jünger. Doch Nietzsches erste bedeutende Schrift „Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik“ von 1872 ist mehr als die gedankliche Nachbereitung der mystischen Operndramatik des Meisters. Nietzsche beschreibt hier die menschliche Grundsituation als spannungsvolles Wechselverhältnis zweier entgegengesetzter Prinzipien, dem rauschhaftmaßlosen „Dionysischen“ und dem Form und Einheit stiftenden „Apollinischen“. Von seinen akademischen Kollegen wird das Werk abgelehnt. Nietzsches universitäre Karriere ist ruiniert. Allmählich wandelt sich auch sein Urteil über Wagner. Das völkisch-christliche Erlösungspathos, das Nietzsche bei den ersten Bayreuther Festspielen von 1876 entgegenschlägt, erfüllt ihn mit Abscheu. Zwei Jahre später kommt es zum endgültigen Bruch mit Wagner.
1869 wird Nietzsche – noch keine 25 Jahre alt und ohne abgeschlossene Promotion – als außerordentlicher Professor nach Basel berufen. Bald schon fallen ihm die Gepflogenheiten des Campus-Lebens zur Last. Immer öfter flüchtet er vor dem akademischen Betrieb ins nahe gelegene Tribschen. Hier empfängt ihn Richard Wagner mit seiner Cosima – der skandalumwitterten Tochter des Komponisten Franz Liszt. Nietzsche wird bald zum Intimus des glamourösen Paares, verbringt gar Weihnach-
An seinem 30. Geburtstag ist Nietzsche ein kranker Mann. Migräne, Schlaflosigkeit, Magenleiden, Depressionen, heftige Augenschmerzen – einige der Symptome sind vermutlich auf eine Syphilisinfektion zurückzuführen, die er sich während eines Bordellbesuchs in seiner Bonner Studentenzeit zugezogen hat. Im Jahr 1879 sieht er sich gezwungen, die Basler Professur aufzugeben. Es beginnen die Jahre der ärztlich verordneten Unrast, die Zeit der Pensionsaufenthalte, der Eierdiäten, der Trink-
Die PHILOSOPHEN PhilosoPhen DIE Friedrich NIETZSCHE Nietzsche FRIEDRICH
— PHILOSOPHIE MAGAZIN
Zu Beginn des Jahres bricht Nietzsche zusammen. Angeblich soll er ein Droschkenpferd auf den Turiner Straßen umarmt haben.
Tod in der Villa Silberblick am 25. August. Die Schwester Elisabeth hat die Verwaltung seiner Werke bereits seit Jahren übernommen.
1889
1900
1885
1866 Dostojewskis Roman „Schuld und Sühne“ erscheint.
m Jahr 1844 nimmt das Schicksal im sächsischen Ort Röcken seinen Lauf. Nietzsche kommt am 15. Oktober als erstes von drei Kindern in einem evangelischen Pastorenhaushalt zur Welt. Fünf Jahre später ist er bereits Halbwaise. Eine „Gehirnerweichung“ sei die Ursache für den Tod des Vaters. Dem kleinen Friedrich brennt sich diese Diagnose ein. Später führt er seine eigenen Beschwerden auf eine Erbkrankheit zurück. Als 14-Jähriger besteht Nietzsche die Aufnahmeprüfung von Schulpforta, einem Eliteinternat im Saaletal. In seiner Musterschülerschrift verfasst er mehrere „Autobiografien“, er musiziert, begeistert sich für Friedrich Hölderlin und Jean Paul. Als Nietzsche wenige Jahre später in Leipzig Altphilologie studiert (Geistlicher, wie die Mutter es sich innig wünscht, will er zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr werden), gerät ihm Arthur Schopenhauers Hauptwerk „Die Welt als Wille und Vorstellung“ in die Hände. Noch nie hat ein Buch ihn derart erschüttert. Bei Schopenhauer findet der 21-Jährige seine Ahnung bestätigt, dass die Welt ihrer inneren Natur nach nichts Geistiges, Vernünftiges sei, sondern dynamisch und chaotisch, dunkler Trieb und Drang.
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Nietzsche wird ohne abgeschlossene Promotion als Professor nach Basel berufen.
1868
1865 1861
Tod Arthur Schopenhauers am 21. September
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Die kommende Vernunft
Nietzsches sprachgewaltiger sprachgew Widerspruchsgeist fürchtete sich noch nicht nic einmal vor dem Selbstwiderspruch. Während andere über das Leben widerspruch nachdachten, dachte er um sein Leben. Ein Leben, das es um jeden Preis durch die Philosophie zu bejahen galt, und koste es den Verstand Von Marianna Lieder
Nietzsche wird am 15. Oktober im sächsischen Röcken geboren, als er fünf Jahre alt ist, verliert er seinen Vater.
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DIE PHILOSOPHEN FRIEDRICH NIETZSCHE BIOGRAFIE
DIE PHILOSOPHEN FRIEDRICH NIETZSCHE GRUNDBEGRIFFE
1888 Wilhelm II. wird letzter deutscher Kaiser.
und Bäderkuren. Die Sommer verbringt Nietzsche meist in Sils-Maria, die Winter in Genua, Turin oder Nizza. Seine Not macht er zur Tugend. Die regelmäßigen Krankheitsattacken deutet er als „Stimulans des Lebens“. So gibt es für ihn auch keine prinzipielle Andersartigkeit von Krankheit und Gesundheit, sondern nur den Unterschied zwischen den „typisch Morbiden“, deren Dasein – ob mit oder ohne medizinischen Befund – ein einziges Siechtum ist, und den „typisch Gesunden“, bei denen durch Krankheit erst recht verborgene Energiereserven freigesetzt werden. Kurz nach Erscheinen von „Die fröhliche Wissenschaft“ im Jahr 1882 lernt Nietzsche in Rom die 21-jährige Lou Andreas-Salomé kennen. „Von welchen Sternen sind wir einander zugefallen?“, lauten seine ersten Worte an die junge, hoch begabte Aristokratin. Wenige Tage darauf macht er ihr einen Heiratsantrag und erhält einen Korb. Auch der Plan, mit dem gemeinsamen Freund Paul Rée als philosophisch-erotisches Dreigespann glücklich zu werden, scheitert. Zum endgültigen Zerwürfnis zwischen Salomé und Nietzsche kommt es allerdings erst durch die Intrigen von Nietzsches Schwester Elisabeth, die 1883 den Antisemiten Bernhard Förster heiratet, um kurz darauf mit ihm in Paraguay eine arische Kolonie zu gründen. Nietzsche fühlt sich nun völlig verlassen und verraten. Aller Niedergeschlagenheit zum Trotz vollendet er im Jahr 1885 den vierten und letzten Teil von „Also sprach Zarathustra“. Seiner eigenen Einschätzung zufolge handelt es sich hierbei um „das tiefste Buch, das die Menschheit besitzt“. In den beiden Jahren darauf erscheinen „Jenseits von Gut
Veröffentlichung des „Willens zur Macht“, einer von Elisabeth stark verfälschten Ausgabe von Nietzsches nachgelassenen Schriften
Perspektivismus Nietzsche war keineswegs der Erste, der behauptete, dass Erkenntnis durch die Eigentümlichkeiten des menschlichen Erkenntnisvermögens bedingt sei. Allerdings konnten sich Kants „endliche Vernunftwesen“ noch umstandslos auf allgemeingültige Gewissheiten einigen, weil ja alle aus demselben spezifisch menschlichen Blickwinkel auf die Welt blickten. Nietzsche nun hat diesen Perspektivismus radikalisiert. Ihm zufolge hat die Welt „keinen Sinn hinter sich, sondern unzählige Sinne“: Es gibt nur „vielerlei Augen“, viele verschiedene, grundsätzlich unversöhnliche Weltinterpretationen, die sich von ihrem jeweiligen Standpunkt aus behaupten wollen. Damit wird jedem objektiven Geltungsanspruch eine endgültige
1901 1914
1934
Ausbruch des Ersten Weltkriegs
Hitler posiert vor der Büste Nietzsches. Ein Jahr später erscheint er zur Beerdigung von Elisabeth Förster-Nietzsche.
und Böse“ und „Zur Genealogie der Moral“. Als hätte Nietzsche geahnt, dass ihm nur noch wenig Zeit bleibt, bündelt er seine Kräfte in einem gewaltigen Schaffensrausch. 1888 entstehen gleich fünf Werke: „Der Fall Wagner“, „Götzendämmerung“, „Der Antichrist“, „Ecce Homo“ und „Nietzsche contra Wagner“. Zu Beginn des Jahres 1889 schließlich kommt es in Turin zum Zusammenbruch. Nietzsche soll sich am Morgen des 3. Januar schluchzend einem Droschkenpferd um den Hals geworfen haben, um es vor den Peitschenhieben des ungeduldigen Kutschers
sche die Götter: „Ach, so gebt doch Wahnsinn, ihr Himmlischen! Wahnsinn, dass ich endlich an mich selber glaube!“ Als sein dunkler Wunsch sich erfüllt hatte, bekam er nichts mehr davon mit, dass nun auch andere an ihn glaubten. Eine bereits im Januar 1890 erschienene Neuauflage sei-
Mit „der Gekreuzigte“ oder „Nietzsche-Caesar“ signierte er seine Briefe gegen Ende
Nietzsches erste Worte an Lou von Salomé: „Von welchen Sternen sind > wir einander zugefallen?“
ner Schriften fand reißenden Absatz. Die Nobel-Boheme Europas hatte gerade begonnen, Nietzsches Werk zu entdecken, während dieser zunächst von seiner Mutter, später auch von der aus Paraguay zurückgekehrten Schwester Elisabeth gepflegt wurde. Am 25. August 1900 endete schließlich auch sein physisches Leben. Der Dämmerzustand seiner letzten Jahre bewahrte Nietzsche allerdings auch davor, bewusst mitzuerleben, wie Elisabeth die Deutungshoheit über sein Werk an sich riss. Drei Jahrzehnte nach dem Tod des Bruders führte die
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Moral In „Zur Genealogie der Moral“ fingiert Nietzsche folgendes Szenario: In vorzivilisatorischen Zeiten, als der humanistisch-christliche Tugendkatalog noch ungeschrieben war, ritten aristokratisch-barbarische „Herren“ ohne Sattel durch Steppen und Dörfer, kämpften tapfer, wüteten grausam. Sich selbst nannten die Herren „gut“, meinten damit aber keineswegs „selbstlos“ oder „zartfühlend“, sondern „vornehm, wild, stark, genussfreudig“. Alle Nichtherren waren aus ihrer Sicht „Sklaven“, gemeiner Pöbel und wurden darum „schlicht“, später „schlecht“ genannt. Auch die Sklaven, die Unterdrückten, Demütigen, Fleißigen, nannten sich selbst „gut“, die Herren und deren Eigenschaften nannten sie „böse“. Irgendwann rotte-
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selten Selten hat jemand einen so hohen Preis für sein Genie bezahlt wie nietzsche. Nietzsche. ein Ein leben Leben zwischen schaffensrausch Schaffensrausch und Daseinskrise: Bereits im Alter von 45 Jahren kam es zum endgültigen Zusammenbruch, dem sich ein letztes lebensjahrzehnt Lebensjahrzehnt in geistiger Umnachtung anschloss. Werk und Person sind bei nietzsche Nietzsche untrennbar miteinander verflochten. verflochten. Dennoch ist nietzsches Nietzsches Philosophie mehr als ein brillanter Kommentar zu seiner tragischen existenz – Existenz – eine Philosophie, der letztlich auch die fatalen Ausdeutungen im 20. Jahrhundert nichts an Faszinationskraft nehmen konnten. Mit stilistischer Brillanz und untrüglichem psychologischem instinkt Instinkt richtete er neue Werte und ideale Ideale auf. illustrationen: Martin Haake Illustrationen von Martin Haake
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ten sich die Sklaven zum Aufstand zusammen und siegten dank einer ausgefeilten Kriegslist: Sie schoben den Herren ihr eigenes Sklavenwertesystem unter. Die Starken mussten sich fortan selbst aus der Perspektive der Schwachen beurteilen, das war ihr Untergang. Dieser „Sklavenaufstand der Moral“ sei die Urszene, der sich unsere modernen sittlichen Maßstäbe verdankten. Nietzsche, der wissenschaftliche Gewissheiten entthronte, indem er sie als radikal subjektive, von Eigeninteresse geleitete perspektivische Zuschreibungen enttarnt, verfährt hier ähnlich mit ethischen Werten. Ihm zufolge ist die herrschende Moral eine durch und durch egoistische Erfindung derer, die zuletzt die Deutungshoheit an sich rissen.
Von Suzi Vieira; übersetzt von Marianna Lieder
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zu schützen. Der Philosoph, der die Mitleidsmoral seines einstigen Übervaters Schopenhauer so unerbittlich kritisiert hat, wurde gegen Ende seines geistigen Lebens vom Mitleid mit einem Tier überwältigt. Allerdings gilt es heute als höchst unwahrscheinlich, dass sich diese Episode tatsächlich ereignet hat. Nicht weniger faszinierend, dafür glaubwürdiger, dokumentieren die sogenannten Wahnsinnszettel Nietzsches krankhaften Geisteszustand im Winter 1888/1889: An Freunde und Bekannte adressierte er Briefe von irrwitzig-anrührendem Inhalt, wahlweise signiert mit „der Gekreuzigte“, „der Antichrist“ oder „Nietzsche Caesar“. Bereits in seiner 1881 erschienenen Schrift „Morgenröthe“ beschwor Nietz-
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hochbetagte Nachlassverwalterin Hitler stolz durch die Räume des von ihr geleiteten Nietzsche-Archivs in Weimar. Zweifelsohne hätten die Nationalsozialisten auch ohne ihr verfälschendes Eingreifen genug Gründe gefunden, Nietzsches Denken zu vereinnahmen – allein, sie verfuhren dabei wie jene „plündernden Soldaten“, die Nietzsche mit jenem unseligen Typus Leser vergleicht, der sich nur diejenigen Worte aus dem Gesamtzusammenhang reißt, die ihm behagen. Zweifelsohne war Nietzsche alles andere als ein lupenreiner Demokrat, doch war er weder Antisemit noch Rassist. Sein gesellschaftspsychologischer Spürsinn, sein Individualismus und sein Ästhetizismus waren letztlich unvereinbar mit der Ideologie des Dritten Reichs. Im Lauf des vergangenen Jahrhunderts hat Nietzsche Jünger aus den unterschiedlichsten Lagern angezogen: Surrealisten, Existenzialisten, Freudianer, Anarchisten, Wirtschaftsliberale. Manchen bot er mehr, als sie vertragen konnten, andere nahmen ihm mehr, als er geben wollte. Nietzsche selbst hoffte darauf, dass ein „Genie von Menschenkenner“ sein Werk in ferner Zukunft zu deuten wissen werde. Vielleicht wartet er noch immer.
Absage erteilt, zugleich jedoch ergeben sich neue Möglichkeiten der Betrachtung. Man solle, so die nachdrückliche Empfehlung, möglichst oft den Blickwinkel ändern und beispielsweise die „Wissenschaft unter der Optik des Künstlers sehen, die Kunst aber unter der des Lebens …“ („Geburt der Tragödie“) Diesen beständigen Perspektivwechsel hat sich Nietzsche zum formalen und inhaltlichen Prinzip seines Werkes gemacht. Mal spricht er in Aphorismen, dann wieder als analytischer Pamphletist, sein Ton schwankt zwischen Spott und Pathos, er ergreift Partei für die Starken und „Renaissance-Menschen“, kurz darauf schlägt er sich auf die Seite der Schwachen und der ewig kränkelnden Décadence.
In jedem Heft: ein 16-seitiges Booklet mit Originaltext
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Die Philosophen Friedrich Nietzsche Biografie
I
m Jahr 1844 nimmt das Schicksal im sächsischen Ort Röcken seinen Lauf. Nietzsche kommt am 15. Oktober als erstes von drei Kindern in einem evangelischen Pastorenhaushalt zur Welt. Fünf Jahre später ist er bereits Halbwaise. Eine „Gehirnerweichung“ sei die Ursache für den Tod des Vaters. Dem kleinen Friedrich brennt sich diese Diagnose ein. Später führt er seine eigenen Beschwerden auf eine Erbkrankheit zurück. Als 14-Jähriger besteht Nietzsche die Aufnahmeprüfung von Schulpforta, einem Eliteinternat im Saaletal. In seiner Musterschülerschrift verfasst er mehrere „Autobiografien“, er musiziert, begeistert sich für Friedrich Hölderlin und Jean Paul. Als Nietzsche wenige Jahre später in Leipzig Altphilologie studiert (Geistlicher, wie die Mutter es sich innig wünscht, will er zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr werden), gerät ihm Arthur Schopenhauers Hauptwerk „Die Welt als Wille und Vorstellung“ in die Hände. Noch nie hat ein Buch ihn derart erschüttert. Bei Schopenhauer findet der 21-Jährige seine Ahnung bestätigt, dass die Welt ihrer inneren Natur nach nichts Geistiges, Vernünftiges sei, sondern dynamisch und chaotisch, dunkler Trieb und Drang. 1869 wird Nietzsche – noch keine 25 Jahre alt und ohne abgeschlossene Promotion – als außerordentlicher Professor nach Basel berufen. Bald schon fallen ihm die Gepflogenheiten des Campus-Lebens zur Last. Immer öfter flüchtet er vor dem akademischen Betrieb ins nahe gelegene Tribschen. Hier empfängt ihn Richard Wagner mit seiner Cosima – der skandalumwitterten Tochter des Komponisten Franz Liszt. Nietzsche wird bald zum Intimus des glamourösen Paares, verbringt gar Weihnachten in deren Haus. Mit der vergötterten Cosima spaziert er die Uferpromenaden des Vierwaldstättersees entlang; Wagner wird ihm neben Schopenhauer zum Hauptimpulsgeber seines frühen Denkens. Für Letzteren indes ist Nietzsche vor allem ein hervorragender Wagnerianer, ein propagandistisch begabter Jünger. Doch Nietzsches erste bedeutende Schrift „Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik“ von 1872 ist mehr als die gedankliche Nachbereitung der mystischen Operndramatik des Meisters. Nietzsche beschreibt hier die menschliche Grundsituation als spannungsvolles Wechselverhältnis zweier entgegengesetzter Prinzipien, dem rauschhaftmaßlosen „Dionysischen“ und dem Form und Einheit stiftenden „Apollinischen“. Von seinen akademischen Kollegen wird das Werk abgelehnt. Nietzsches universitäre Karriere ist ruiniert. Allmählich wandelt sich auch sein Urteil über Wagner. Das völkisch-christliche Erlösungspathos, das Nietzsche bei den ersten Bayreuther Festspielen von
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1876 entgegenschlägt, erfüllt ihn mit Abscheu. Zwei Jahre später kommt es zum endgültigen Bruch mit Wagner. An seinem 30. Geburtstag ist Nietzsche ein kranker Mann. Migräne, Schlaflosigkeit, Magenleiden, Depressionen, heftige Augenschmerzen – einige der Symptome sind vermutlich auf eine Syphilisinfektion zurückzuführen, die er sich während eines Bordellbesuchs in seiner Bonner Studentenzeit zugezogen hat. Im Jahr 1879 sieht er sich gezwungen, die Basler Professur aufzugeben. Es beginnen die Jahre der ärztlich verordneten Unrast, die Zeit der Pensionsaufenthalte, der Eierdiäten, der Trink- und Bäderkuren. Die Sommer verbringt Nietzsche meist in Sils-Maria, die Winter in Genua, Turin oder Nizza. Seine Not macht er zur Tugend. Die regelmäßigen Krankheitsattacken deutet er als „Stimulans des Lebens“. So gibt es für ihn auch keine prinzipielle Andersartigkeit von Krankheit und Gesundheit, sondern nur den Unterschied zwischen den „typisch Morbiden“, deren Dasein – ob mit oder ohne medizinischen Befund – ein einziges Siechtum ist, und den „typisch Gesunden“, bei denen durch Krankheit erst recht verborgene Energiereserven freigesetzt werden. Kurz nach Erscheinen von „Die fröhliche Wissenschaft“ im Jahr 1882 lernt Nietzsche in Rom die 21-jährige Lou Andreas-Salomé kennen. „Von welchen Sternen sind wir einander zugefallen?“, lauten seine ersten Worte an die junge, hoch begabte Aristokratin. Wenige Tage darauf macht er ihr
Nietzsches erste Worte an Lou Salomé: „Von welchen Sternen sind wir einander zugefallen?“ einen Heiratsantrag und erhält einen Korb. Auch der Plan, mit dem gemeinsamen Freund Paul Rée als philosophisch-erotisches Dreigespann glücklich zu werden, scheitert. Zum endgültigen Zerwürfnis zwischen Salomé und Nietzsche kommt es allerdings erst durch die Intrigen von Nietzsches Schwester Elisabeth, die 1883 den Antisemiten Bernhard Förster heiratet, um kurz darauf mit ihm in Paraguay eine arische Kolonie zu gründen. Nietzsche fühlt sich nun völlig verlassen und verraten. Aller Niedergeschlagenheit zum Trotz vollendet er im Jahr 1885 den vierten und letzten Teil von „Also sprach Zarathustra“. Seiner eigenen Einschätzung zufolge handelt es sich hierbei
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Also ich hätte gerne das Menü 23, mit Glasnudeln ...
Comic
Konfusion Und könnte ich die Litschis vor den Nudeln bekommen?
Denn ist Speise nicht in Ordnung, Mensch nicht in Ordnung.
Nicht gut, mein Herr, gar nicht gut.
Und ist Mensch nicht in Ordnung, Kosmos nicht in Ordnung.
Niemals die Ordnung der Speise stören, lehrt die Tradition.
Menü 23 braucht Ordnung.
Nichts verändern man darf.
Äh ... dann lieber keine Litschis.
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— Philosophie Magazin
Was soll das? Philosophen formulieren oft provokant und scheinbar unverständlich. Gerade diese rätselhaften Sätze sind der Schlüssel zum Gesamtwerk Heinz von Foerster:
Die Kunst, immer Recht zu behalten Kniff Nr. 3
„Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners“ Was machen Philosophen? Die gängige Antwort lautet: Sie suchen nach der Wahrheit. Für den Biophysiker und Philosophen Heinz von Foerster (1911-2002) ist diese Suche allerdings hoffnungslos: Unser Gehirn ist ein geschlossenes System, das sich seine eigene Wirklichkeit erzeugt – und keineswegs unsere Außenwelt eins zu eins abbildet. Ein Beispiel: Die Farben, die wir sehen, haften nicht an den Gegenständen selbst – das Gehirn interpretiert die Lichtwellen, sodass ein und derselbe Apfel für uns grün ist und für einen Vogel ultraviolett. Unsere Sinneseindrücke, die wir für ein wahres Abbild der Welt halten, sind also ein Konstrukt unserer Nervenzellen. Von Foerster wird deshalb als Konstruktivist bezeichnet. Alle kulturellen Einflüsse und Erinnerungen, die wir im Laufe unseres Lebens sammeln, brennen sich in unsere Hirnwindungen ein. Und mit diesem Hirn schauen wir auf die Welt: Manche sehen sie mathematisch, manche religiös, andere politisch. So viele Menschen, so viele Meinungen. Deshalb behauptet Foerster, dass es die Wahrheit nicht geben kann. Im Gegensatz zu den klassischen Philosophen steht die altehrwürdige Wahrheit bei Foerster nicht für das Schöne, Edle oder Gute. Sie sei vielmehr ein rhetorischer Taschenspielertrick – eben die Erfindung von Lügnern, die ihre Diskussionspartner übertrumpfen wollen. Dieser Gedanke hat vor allem auf die Systemtheorien des Biologen Humberto Maturana und des Soziologen Niklas Luhmann gewirkt: Systemtheoretiker leiten ihre Theorien nicht von übergeordneten Wahrheiten ab; stattdessen untersuchen sie ein Phänomen innerhalb des Systems, in dem es sich ereignet. Die Kritiker des Radikalen Konstruktivismus halten dagegen: Dass zum Beispiel ein Auto fährt, ist schlichtweg wahr; und die dahinterstehende Technik basiere auf wahren physikalischen Gesetzen. Foersters Antwort: „Das Funktionieren ist ein Beleg für das Funktionieren, nicht aber für die Existenz einer Wahrheit.“ Man habe eben so lange herumprobiert, bis das Auto einmal losgetuckert ist. Die Befreiung von der Idee der Wahrheit müsse schon bei den Kleinsten beginnen: „Dies zeigt sich am deutlichsten in unserer Methode des Prüfens, die nur Fragen zulässt, auf die die Antworten bereits bekannt sind.“ Indem Lehrer nur eine Wahrheit akzeptieren,
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Nr. 03 — März/April 2012
... und v zum Na iele weitere Ar ch- und Weiter tikel denken
Behaupten Sie das Gegenteil DAS Verfahren Beim Angriff wird wie folgt vorgegangen: Sie übernehmen das Argument Ihres Gesprächspartners Wort für Wort, um es in sein Gegenteil zu verkehren. Beispielsweise vertritt ihr Gegenüber die Ansicht: „Das ist ein Kind. Man muss nachsichtig mit ihm umgehen.“ Antworten Sie: „Eben weil es ein Kind ist, sollte man keinesfalls nachsichtig mit ihm sein! Sonst wird es nämlich nie erwachsen. Schopenhauer zufolge ist dies die eleganteste aller rhetorischen Finten, weil dabei mit einem Minimum an Aufwand ein Maximum an Wirkung erzielt wird. In der Tat – die bloße Verwendung des Wörtchens „eben“, verbunden mit einer Verneinung, macht Sie zum strahlenden Sieger der Debatte. Das Material des Arguments hat Ihnen ja bereits Ihr Gegner geliefert, ein Umstand, der nicht unwesentlich zu seiner Demütigung beiträgt. Die meisten großen Philosophen beherrschten dieses Verfahren aus dem Effeff – Hegel etwa, der darauf bedacht ist, die Freiheit nicht mit der Moral in eins zu setzen: Das Kant’sche Diktum „du kannst, denn du sollst“ dreht er in seiner „Wissenschaft der Logik“ einfach um, wenn er schreibt: „Du kannst nicht, eben weil du sollst. Denn im Sollen liegt ebenso sehr die Schranke als Schranke.“ (I, § 141). Dieser als retorsio berüchtigten Argumentationsfinte gebührt ein Ehrenplatz in der Philosophiegeschichte. Denn jeder große Geist musste sich zunächst als rebellischer Schüler gegen seinen Meister beweisen. Die Abwehr Um sich gegen dieses demütigende Verfahren zur Wehr zu setzen, genügt es, die eigene Ansicht unverzagt zu bekräftigen. Sie drehen das von ihrem Gegner verdrehte Argument erneut um. Im oben angeführten Streitfall über Kindererziehung würde
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