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Akzente Das Magazin der Pädagogischen Hochschule Zürich
Berufsbildung – den Wandel in der Berufswelt vor Augen Seite 10
Porträt: Der Weg von Quereinsteiger Roger Fässler vom Banking in die Pädagogik Seite 26 Forschung: Geschichtsunterricht vor 200 Jahren und im 21. Jahrhundert Seite 34 blog.phzh.ch/akzente
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Für unsere Kindergärten suchen wir Ausstellung
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Aktuell im Material-Archiv Interaktives Labor für Materialrecherchen Zahlreiche thematische Workshops für alle Stufen
Was macht Farben farbig? Eine Spurensuche. Im Material-Archiv und im Atelier Workshop für Mittelstufe bis 10. Schuljahr Freie Plätze im Juni 2017 für vergünstigte Angebote von schule&kultur
Material-Archiv Begleithefte & Lehrer/-innendokumentation Für alle Stufen für den selbstständigen Besuch mit der Klasse, kostenlos Erhältlich an der Museumskasse, Download ab www.gewerbemuseum.ch/Museumspädagogik
Öffnungszeiten Di bis So 10 –17 Uhr, Do 10 – 20 Uhr, Mo geschlossen Öffnungszeiten Feiertage www.gewerbemuseum.ch Anmeldung und Informationen Gewerbemuseum Winterthur Kirchplatz 14, 8400 Winterthur Telefon 052 267 51 36 E-Mail gewerbemuseum@win.ch www.gewerbemuseum.ch
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Gefragt sind vermehrt Allrounder
10 Berufsbildung: drei Lernorte als Schlüssel zum Erfolg.
20 Hotelfachschule: der Belvoirpark verbindet Theorie und Praxis.
4 Vermischtes Schnuppertag an der PH Zürich
26 Studierendenseite Porträt, Masterarbeit, Kolumne
7 Eine Frage, drei Antworten Wie planen Sie Ihre Exkursionen? 9 Seitenblick Lang lebe das Auswendiglernen!
10 Schwerpunkt Berufsbildung Leitartikel: Lernen für die Berufe von morgen
Forschung: Wie der Übergang in den Beruf gelingt Interview: Andreas Bischof, Leiter Berufsbildung Bühler AG Reportage: Zu Besuch in der Belvoirpark Hotelfachschule
29 PH Zürich Weiterbildung: Assistenzen in Schulen auf dem Vormarsch
Zentrum IPE: Europas Geschichte als Wegweiser Ausbildung /Forschung: « Die Zukunft von Geschichte in der Schule ist offen» Ausbildung: « Das Schulfeld profitiert 1:1 von diesem Wissen» 36 Mein Schulweg Über den See in den Schulalltag 38 Medientipps 41 Unter vier Augen Die Schule als Oase der Ruhe? 42 Instagram #takeover 42 Impressum
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Unsere Berufsbildung ist ein Erfolgsmodell – und zwar derart, dass sich Delegationen aus aller Herren Länder regelmässig über die Vorzüge des Schweizer Modells informieren wollen. Auch Donald Trump zeigte sich jüngst beeindruckt. Er – sonst nicht gerade bekannt für nette Worte – hat kurz nach seiner Wahl zum neuen US-Präsidenten Bundesrat Johann Schneider-Ammann persönlich seinen Respekt für das Schweizer Bildungssystem bekundet. Nun unterliegen erfolgreiche Produkte und Modelle in der Regel einem Lebenszyklus, der eines Tages zu Ende geht. Ist dies bei unserem Berufsbildungssystem in Anbetracht der fortschreitenden Digitalisierung in den Berufswelten auch der Fall? Andreas Bischof, Leiter der Berufsbildung beim Technologiekonzern Bühler, verneint. Vielmehr bewege man sich in der Ausbildung weg vom Spezialisten hin zum Allrounder. Dies habe auch Auswirkungen auf das Auswahlverfahren der Lernenden, sagt er im Interview. Was in der mehrfach totgesagten Maschinenindustrie gilt, hat auch in anderen Branchen Gültigkeit: Der Fokus liegt in Zukunft auf allgemeinen Schlüsselkompetenzen, etwa auf der Fähigkeit, Probleme selbstständig zu lösen oder vernetzt zu denken. Und dafür ist das Erfolgsmodell Berufsbildung mit seinen drei Lernorten Betrieb, Berufsfachschule und überbetrieblichen Kursen gut gerüstet. – Reto Klink
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In haltsverzeich nis/Editorial
Titelbild: Nicki Huber, Lernende Fachfrau Gesundheit, Foto: Alessandro Della Bella
Inhalt 2/2017
Schnuppertag an der PH Zürich
Es herrscht eine lockere Stimmung an diesem Aprilmorgen an der PH Zürich. Die Teilnehmenden am Schnuppertag können die kommenden Stunden gelassen in Angriff nehmen. Schliesslich müssen heute noch keine Entscheidungen fallen. Es geht ausschliesslich darum, erste Eindrücke zu sammeln und die Atmosphäre kennenzulernen. «Der Schnuppertag ist ein niederschwelliges Angebot und soll den Interessierten einen Einblick in den Studienalltag vermitteln», sagt Fabian Camenzind, Leiter Ressort Aufnahmeverfahren. Das Angebot stösst immer auf grosses Interesse: «Wir bieten das Programm an vier Halbtagen im Jahr an und sind meistens ausgebucht.» Die rund 25 Teilnehmenden an der heutigen Durchführung kommen aus ganz unterschiedlichen Umfeldern. Einige haben gerade erst die Matura abgeschlossen. Andere wiederum sind bereits mitten in einem Studium drin und überlegen sich einen Wechsel oder sie arbeiten in einem anderen Beruf und fassen nun einen Quereinstieg in den Lehrberuf ins Auge. Los geht es mit einem Besuch in verschiedenen Lehrveranstaltungen. Die Teilnehmenden können zwischen verschiedenen Fächern wählen. Das Angebot reicht von Deutsch über Musik, Bewegung und Sport bis hin zu Biologie und Physik. Erfahrungsgemäss ist das Interesse an Bewegung und Sport sehr gross. Dies ist auch heute so. Rund die Hälfte möchte 4
Kommende Ver anstaltungen 14. Juni Gemeinsam aufmerksam! Der Anlass thematisiert mit Referaten und Podiumsgespräch die Zusammenarbeit zwischen Familie und Schule.
31. August/ 1. September Bildung und Zeitdiagnose Die Tagung geht der Funktion von Zeitdiagnosen in Bildungsforschung und -politik auf den Grund.
1. September Bewegungs- und Sportunterricht In Workshops wird gezeigt, wie Heterogenität berücksichtigt und Kompetenzorientierung umgesetzt werden können. Weitere Infos: phzh.ch/ veranstaltungen
einen Einblick in dieses Fach erhalten. Auf dem W eg in die Sporthalle tauschen sich die jungen Frauen und Männer angeregt aus – insbesondere über die konkreten Studienpläne der anderen. Auf die Frage, was sie am Lehrberuf speziell interessiert, antwortet eine Teilnehmende: «Mich faszinieren die Naturwissenschaften. Dieses Fach den Kindern zu vermitteln, würde mich sehr reizen.» Nach dem Einblick in den Unterrichtsalltag treffen sich die Interessierten mit Studentin Sandrine Steiner. Sie absolviert die Ausbildung zur Sekundarlehrerin und erzählt jetzt aus ihrem Studienalltag – über die zeitliche Belastung, das Prüfungssystem oder die Möglichkeiten bei der Gestaltung des Stundenplans. Auf spezielles Interesse stossen ihre Erläuterungen zu den Anforderungen im Bereich der Sprachen. Sie hat auch einen konkreten Tipp: «Wählt Französisch. Sekundarlehrpersonen mit Französisch im Profil sind sehr gesucht!» Anschliessend geht es weiter mit dem Besuch einer zweiten Lehrveranstaltung, danach trifft sich die Gruppe nochmals zu einem Austausch mit Fabian Camenzind. Sein Fazit am Ende des Tages: «Die Teilnehmenden haben grosses Interesse gezeigt, viele konkrete Fragen gestellt und sich engagiert in die Diskussion eingebracht.» – Christoph Hotz
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Foto: Reto Klink
Ver mischtes
Informationen aus erster Hand: Studentin Sandrine Steiner berichtet über das Studium an der PH Zürich.
PHZH in Zahlen
Alter der Studierenden der PH Zürich auf den einzelnen Ausbildungsstufen und im Quereinstieg.
Aktuelles 116 Abschlüsse auf den Sekundarstufen I und II Im März und April haben 37 Studierende auf der Sekundarstufe I und 79 Personen in Studiengängen der Berufsbildung ihr Diplom erhalten. Die PH Zürich gratuliert den Lehrpersonen herzlich zum erfolgreichen Abschluss der Ausbildung.
der PH Zürich. Der Vertrag wurde im März unterzeichnet.
100 %
90 %
70 %
60 %
Eine Absolventin eines Studiengangs auf der Sekundarstufe II erhält ihr Abschlussdiplom.
50 %
Neues Französischlehrmittel für die 5. Klasse ist erschienen Das neue Lehrmittel «dis donc!» wurde von der PH Zürich gemeinsam mit anderen Institutionen entwickelt. Es trägt den Vorgaben des Lehrplans 21 Rechnung. Neben einem Arbeitsbuch und einem Nachschlagewerk für Schülerinnen und Schüler wurde eine OnlineLernplattform mit Zusatzmaterialien entwickelt.
40 %
30 %
Quereinstieg
Sekundarstufe II
Sekundarstufe I
Primarstufe
10 %
Eingangsstufe
Fotos: Thomas Györffy, Christoph Hotz, Reto Klink
20 %
18-24 Jahre
41-50 Jahre
25-30 Jahre
>50 Jahre
31-40 Jahre
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Neue Partnerschaft mit USUniversität Die PH Zürich hat mit der Metropolitan State University of Denver (MSU) ein neues Austauschabkommen abgeschlossen. Es ermöglicht Studierenden, ein Semester in den USA zu absolvieren. Im Gegenzug erhalten die amerikanischen Studentinnen und Studenten die Gelegenheit für einen Aufenthalt an
Publikation über Quereinstieg Eine neue Publikation der PH Zürich beschäftigt sich mit dem Berufswechsel in den Lehrberuf. Im Fokus stehen die historisch-bildungspolitische, die internationale sowie die kantonale Perspektive auf das Thema. Tagung «Educational Governance» Mitte März fand an der PH Zürich das D-A-CH-Seminar 2017 zum Thema «Governance in der Lehrerinnen-/Lehrerbildung» statt. Die Bildungszusammenarbeit zwischen den drei Ländern hat eine jahrzehntelange Tradition.
Hans Ambühl von der EDK im Gespräch mit Silvia Steiner und Beat W. Zemp.
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Ver mischtes
Rektor Heinz Rhyn im Austausch mit Elisabeth R. Hinde, Dean School of Education an der MSU (2. v. rechts).
80 %
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Eine Frage, drei Antworten: Wie planen Sie Ihre Exkursionen? tion an die Eltern und die Suche fung des Weges. Ein langer Fussvon Begleitpersonen. Auch sollte marsch innerhalb der Stadt ist nicht man sich im Vorfeld aller möglichen empfehlenswert. Schwierigkeiten bewusst werden, um Überraschungen vorzubeugen. Der Aufwand lohnt sich auf jeden Fall, da jeder Ausflug das Klassenklima positiv beeinflusst. Tanja Hiltebrand, Primarlehrerin Schule Lindau
Exkursionen verbinde ich
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Alan Hefti, Sekundarlehrer in Mettmenstetten
Im Geschichtsunterricht zurzeit das Thema «1. Weltkrieg», von der aktuellen Ausstellung im Landesmuseum gehört, Besuch der Ausstellung in der unterrichtsfreien Vor meinem Studium habe ich Zeit – Fazit: Es passt! So ungefähr in einem Kindergarten als Betreue- verläuft bei mir die Planung einer rin gearbeitet. Jeweils einmal pro Exkursion. Neben einigen FixWoche gingen wir in den Wald. Auf punkten (z.B. die Berufsmesse) entdiesen Ausflügen behandelten wir decke ich oft eher per Zufall eine immer ein spezielles Thema, welches interessante Möglichkeit und verwir zuerst mit den Kindern vorberei- suche den Ausflug mit meinem teten und anschliessend im UnterUnterricht zu verknüpfen. Nicht richt wieder aufnahmen. So erreich- immer ist dies möglich oder auch ten wir einen fliessenden Übergang nötig. Das Technorama oder das zwischen dem Lernort Wald und Verkehrshaus sind immer einen dem Klassenzimmer. Die Auseinan- Besuch wert, der SBB-Schulzug dersetzung mit den Themen folgte oder eine Theateraufführung ebenso stets einem roten Faden. Diesem falls. Fun-Ausf lüge à la EuropaPrinzip werde ich auch nach Abpark? Aus Schülersicht durchaus schluss meiner Ausbildung folgen. attraktiv, als bleibende Erinnerung Schön zu beobachten ist, dass bei meiner Ansicht nach eher ungeeigeinem Ausflug in die Natur das Innet, aber nicht gänzlich unmöglich. teresse der Kinder sofort steigt. Und Viel lieber reise ich aber nach Bern, man erlebt sie einmal in einem andenn ein Rundgang im Bundesderen Umfeld. Selbstverständlich haus wird nicht so schnell vergessen. liegt auch einmal ein Ausflug zum Solange das Budget für die KlassenVergnügen drin – zum Beispiel ins lager und Exkursionen reicht, bereiTheater. Ein wichtiges Element in chern solche Ausflüge den Schulder Vorbereitung ist die Überprüalltag.
Judith Schneider, QuereinstiegStudentin Kindergarten
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Meinu ngen
mit Lerninhalten, das heisst, ich bette meine Exkursionen immer in ein M/U-Unterrichtsthema ein. Ich achte darauf, dass meine Klasse auch ausserschulische Lernorte kennenlernt, die praktische Erfahrungen und anschauliches Lernen ermöglichen. Kürzlich besuchte ich mit meinen Schülerinnen und Schülern ein Steinzeitmuseum, wo sie mit früheren Werkzeugen hantieren konnten. Solche Erlebnisse stellen eine besondere Form des Praxisbezugs dar und sind für die Kinder einmalig. Ausflüge mit Freizeitcharakter gehören auch zu einem abwechslungsreichen Jahresprogramm, diese plane ich jedoch hauptsächlich auf der Schulreise oder im Klassenlager ein. Von den Schülern besonders geschätzt sind Ausflüge verbunden mit Sport. Neben dem Erleben vor Ort ist mir auch eine Nachbereitung im Klassenzimmer wichtig. Vorträge und selbstgestaltete Plakate veranschaulichen das Gelernte. Meine Schülerinnen und Schüler führen zudem ein «Erlebnisheft», in welchem sie nach jeder Exkursion ihre Eindrücke festhalten. Die sorgfältige Planung einer Exkursion ist nicht zu unterschätzen: angefangen bei der Datumswahl bis hin zur Informa-
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26/04/17 09:33 AKZENTE 2/2017
Christine Bieri Buschor – Seitenblick
Illustration: Raffinerie AG
Auch das Glück kommt heute digital daher: Zum Chinesischen Neujahr hat mir Qingyang, meine ehemalige Mitbewohnerin und Austauschstudentin der PH Zürich aus Guangzhou, einen sogenannten «hongbao» geschickt. Das in China traditionelle Geschenk bringt mir Glück für das Jahr des Feuer-Hahns 2017. Selbstverständlich erreicht mich das Glück per WeChat. WeChat ist die chinesische Variante von WhatsApp. Damit lassen sich alltägliche Dinge leicht bewältigen; zum Beispiel Fotos und Glücksbringer versenden, Videotelefonate durchführen oder Zahlungsverkehr und Shopping erledigen. Rund 762 Millionen Chinesinnen und Chinesen nutzen heute WeChat, davon mindestens 100 Millionen ausserhalb Chinas. In der Geschäftswelt ist die traditionelle Visitenkarte zwar immer noch wichtig. Im informellen und privaten Bereich schliessen Chinesinnen und Chinesen heute aber vor allem Bekanntschaft über den QR-Code von WeChat. Während meiner Aufenthalte in China habe ich stapelweise Visitenkarten ausgetauscht und WeChat-BekanntAKZENTE 2/2017
schaften geschlossen. «Can we connect via WeChat QR-Code?» war jeweils einer der ersten Sätze im Gespräch. Selbstverständlich sind auch bei uns Smartphones längst zu einem Bestandteil unseres externalen Gedächtnisses geworden. Das Auswendiglernen von Adressen, Telefonnummern und Einkaufslisten ist obsolet geworden. In der Schule vollbringen Lehrerinnen und Lehrer Schwerstarbeit, wenn sie ihre Schülerinnen und Schüler dazu motivieren, Vokabeln, Lieder oder sogar Gedichte auswendig zu lernen. Meine Freundin Patricia unterrichtet eine Kleinklasse auf der Sekundarstufe I. Sie erzählte mir kürzlich, es gehöre zu ihren Stärken, auch schwächere Lernende zu motivieren. Es sei ihr aber trotz vielfacher Bemühungen einfach nicht gelungen, ihre Schülerinnen und Schüler davon zu überzeugen, dass es wichtig sei, jemandem den Weg von A nach B in englischer Sprache erklären zu können. «Das macht doch keinen Sinn, es gibt doch Google Maps!», meinten sie dazu. Das Beispiel zeigt: Sich einen Weg vorzustellen und ihn in
einer Fremdsprache einer Person zu erklären, ist anstrengend – und altmodisch. Aber es fördert das räumliche Vorstellungsvermögen. Und das Memorieren von Vokabeln unterstützt das Arbeitsgedächtnis. Räumliches Vorstellungsvermögen und Arbeitsgedächtnis gehören zu den zentralen Merkmalen der kognitiven Leistungsfähigkeit. Wer sich Dinge merken kann, leistet damit einen wesentlichen Beitrag zur eigenen Lernfähigkeit. Das Outsourcen dieser Funktionen kann sich längerfristig durchaus negativ auf unser Denken und Lernen auswirken. Deshalb ist dem Auswendiglernen auch in der Ausbildung der PH Zürich eine wichtige Bedeutung beizumessen. Ich persönlich versuche in altmodischer Manier weiterhin, eine Unmenge chinesischer Zeichen zu memorieren und neue dazuzulernen. Um vorzusorgen: Schliesslich möchte ich auch dann noch eine gute Beiz in Zürich finden, wenn mein Smartphone in eine «Dole» fällt und ich ohne auskommen muss. Christine Bieri Buschor ist Zentrumsleiterin in der Forschungsabteilung der PH Zürich.
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Seitenblick
Lang lebe das Auswendiglernen!
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Lernen für die Berufe von morgen Da sich Technologien und damit Berufsbilder heute immer schneller verändern, werden überfachliche Kompetenzen in der Schweizer Berufsbildung grossgeschrieben. Diese werden durch ein Zusammenrücken der drei Lernorte Betrieb, Schule und überbetriebliche Kurse gestärkt. Text: Melanie Keim; Fotos: Alessandro Della Bella hat Nicki Huber, Lernende Fachfrau Gesundheit, im Alterszentrum Platten und in der Berufsfachschule Careum Bildungszentrum fotografiert.
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Schwer pu nkt Ber ufsbildu ng
Wenn Manfred Pfiffner, Professor für Berufsbildung an der PH Zürich, an Bildungskonferenzen im Ausland auftritt, so ist ihm der Exoten-Status fast sicher. Ausserhalb von Deutschland und Österreich, wo die duale Berufsbildung ebenfalls eine lange Tradition hat, wird auf seine Berufsbezeichnung oft mit Erstaunen reagiert. Ein Professor für Berufsbildung? Dass es so etwas gibt! «In vielen Ländern ist kein Verständnis vorhanden für den Berufsstolz unserer Lernenden und die Wertschätzung gegenüber der Berufslehre, die wir in der Schweiz kennen», sagt Pfiffner. Die Vorzüge des dualen Bildungsmodells, das durch die Kombination von Lernen in der Schule und im Betrieb gekennzeichnet ist, kann er mit schlagkräftigen Beispielen untermauern: Als Beweis, dass sich mit einer Berufslehre Karriere machen lässt, nennt er jeweils einige Namen bekannter Schweizer Führungskräfte, die ursprünglich eine Lehre absolvierten. Und um die volkswirtschaftlichen Vorteile des Modells aufzuzeigen, greift er auf das hohe Bruttoinlandprodukt und die tiefe Arbeitslosenquote der Schweiz zurück. Pfiffner bezeichnet das Ansehen der Berufsbildung als notwendige Bedingung für den Erfolg unseres dualen Bildungssystems. Deshalb setzt er in seinen Erläuterungen jeweils bei diesem Punkt an. Wenn nur die akademische Bildung einen gesellschaftlichen Wert habe, sei es schwierig, Jugendliche oder Betriebe für das Modell der Berufslehre zu gewinnen, so Pfiffner. Gleichzeitig weist er auf die positive Eigendynamik eines gut funktionierenden dualen Bildungssystems hin: Wenn Schweizer Berufslernende beispielsweise an internationalen Berufsmeisterschaften gewinnen, wirkt sich dies positiv auf das Ansehen und die Qualität der Ausbildungen aus. Zum einen stärken sichtbare Erfolge die Attraktivität der Berufslehre, wodurch Talente angezogen werden, zum andern bieten sie Lernenden wie Ausbildenden einen Anreiz für Höchstleistungen. Die Wertschätzung für das Konzept der Berufslehre ist allerdings nur eine von zahlreichen Bedingungen eines funktionierenden Berufsbildungssystems. Unabdingbar ist auch die Bereitschaft der Betriebe, Lernende auszubilden. Dies setzt jedoch ein intaktes Wirtschaftssystem voraus, das wiederum auf gut ausgebildete Fachkräfte angewiesen ist. Nicht zuletzt ist die Durchlässigkeit des Berufsbildungssystems ein wichtiger Erfolgsfaktor. Da sich heute Produktions- und Arbeitsprozesse und damit auch Berufsbilder durch neue Technologien konstant und zum Teil rasant verändern, wird die Strategie «Kein Abschluss ohne Anschluss» immer wichtiger. «Die Berufsbildung ist ein hoch komplexes System, in welchem verschiedene Rädchen präzise ineinandergreifen müssen, damit es funktioniert», fasst Pfiffner zusammen. Wie eng die Mechanismen auf Seiten der Schule und Wirtschaft verknüpft sind, sich gegenseitig bedingen, aber auch verstärken, zeigt sich am deutlichsten dort, wo 12
keine solche Dynamik spielt. Pfiffner nennt als Beispiel ein Berufsbildungsprojekt in Timor-Leste (Osttimor), an dem er massgeblich beteiligt ist. Neben der äusserst herausfordernden wirtschaftlichen und sozialen Lage erschweren eine schwach ausgebaute Bildungsstruktur und ein Mangel an ausgebildeten Fachkräften für die Berufsfachschule den Aufbau eines trag- und wettbewerbsfähigen Berufsbildungssystems. Wie Erfahrungen aus der Schweizer Berufsbildung im Ausland genutzt werden können, untersucht auch das Zentrum International Projects in Education (IPE) der PH Zürich. In Projekten zur Berufswahlorientierung, beispielsweise in Rumänien und der Republik Moldau, zeigte sich, dass überfachliche Kompetenzen wie Problemlösungskompetenzen oder Selbstreflexion immer wichtiger werden, wenn das Stellenangebot knapp ist. Praxisorientierter Unterricht Heute verbringen Jugendliche, die eine reguläre Lehre ohne Berufsmaturität absolvieren, in der Regel vier Tage im Betrieb und einen Tag an der Berufsfachschule. Zusätzlich besuchen die Jugendlichen überbetriebliche Kurse (ÜK) in regionalen Ausbildungszentren, die die Umsetzung der praktischen Vorgaben der Bildungsverordnungen garantieren: In den Blockkursen werden alle erforderten Arbeitsschritte eingeübt, weil dafür nicht in allen Lehrbetrieben genügend Raum, Werkzeug oder Kompetenzen vorhanden sind. Der Tag an der Berufsfachschule setzt sich aus fünf Lektionen Berufskundeunterricht (BK), drei Lektionen allgemeinbildendem Unterricht (ABU) und einer Lektion Sport zusammen. Neben dieser Einteilung existiert an der Berufsfachschule keine weitere Feingliederung, bis auf wenige technische Berufe und die kaufmännische Ausbildung folgt der Unterricht keiner Fächerlogik. «Ein Beruf ist nicht nach Fächern strukturiert, sondern setzt sich aus konkreten Situationen zusammen», erklärt Peter Gautschi, der an der PH Zürich Berufskundelehrpersonen ausbildet. Der Berufskundeunterricht setze deshalb stets bei einer Situation aus dem Berufsalltag an, aufgrund derer die Lernenden sich die theoretischen Grundlagen erarbeiteten, so Gautschi. Wenn sich Schreinerlernende mit den Eigenschaften verschiedener Holzarten beschäftigen, referiert die Lehrperson nicht über Materialkunde, sondern holt erst das Vorwissen der Lernenden ab und lässt sie anschliessend das nötige Wissen mittels verschiedener Experimente zu Festigkeit und Flexibilität des Holzes selbständig erarbeiten. «Ziel des Berufskundeunterrichts ist es, die Lernenden zum selbständigen Lernen anzuleiten», sagt Gautschi. Nur wer lernt, neues Wissen eigenständig zu erarbeiten, kann im Berufsleben angemessen und rasch auf unbekannte Situationen und technologische Entwicklungen reagieren. Nach wie vor lernen die Lernenden im BerufsAKZENTE 2/2017
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kundeunterricht und im Betrieb sehr konkrete Technologien und Arbeitsschritte kennen, da die Praxis ohne Hard Skills nicht denkbar ist. Obwohl die von Berufs- und Branchenverbänden entwickelten Bildungspläne heute alle fünf Jahre überarbeitet werden, besteht trotzdem die Möglichkeit, dass erlernte Technologien beim Lehrabschluss bereits überholt sind. Solange Lernende eine Haltung des lebenslangen Lernens entwickeln und fä-
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Lehrpersonen sind bisweilen mit grossen Leistungsunterschieden konfrontiert, gerade was Sprachkompetenzen betrifft. cherübergreifende Kompetenzen gestärkt werden, bleibt dies allerdings unproblematisch. Weil sich Berufsbilder durch neue Technologien rasant verändern, werden im Berufskundeunterricht neben den Fach- und Methodenkompetenzen deshalb bewusst Sozial- und Selbstkompetenzen gestärkt. Aufgrund dieser fächerübergreifenden Kompetenzen gelingt es eher, beruflich umzusatteln. Kann beispielsweise eine Polymechanikerin während einer Berufslehre mit Berufsmaturität ihre Sozial- und Kommunikationskompetenzen stärken, so wird damit auch ein Einstieg in einen sozialen Beruf über ein Sozialarbeits-Studium denkbar. Neben dem Berufskundeunterricht bilden der allgemeinbildende Unterricht und der optionale Berufsmaturitätsunterricht, der an einem zusätzlichen Schultag stattfindet, wichtige Elemente der schulischen Ausbildung, welche auch die Durchlässigkeit des Berufsbildungssystems erhöhen. Im Zentrum des allgemeinbildenden Unterrichts stehen gesellschaftlich relevante Themen sowie Sprach- und Kommunikationsfähigkeiten. Seit über 20 Jahren ist der Unterricht nach Themen organisiert, die die Berufsfachschulen in ihren Schullehrplänen festlegen. Themen wie Globalisierung, Zusammenleben, Sicherheit oder Migration werden im Unterricht unter acht durch den eidgenössischen Rahmenlehrplan definierten Aspekten betrachtet: Ethik, Identität/Sozialisation, Kultur, Ökologie, Politik, Recht, Technologie und Wirtschaft. Sind im allgemeinbildenden Unterricht beispielsweise Ehe und Scheidung Thema, können rechtliche, politische, wirtschaftliche, kulturelle oder auch genderspezifische Aspekte besprochen werden. «Ziel des allgemeinbildenden Unterrichts ist es, unsere Lernenden zu mündigen, selbständig denkenden Erwachsenen zu 14
machen», sagt Saskia Sterel, die an der PH Zürich Lehrpersonen für den allgemeinbildenden Unterricht ausbildet und selbst an einer Berufsfachschule unterrichtet. Wie im Berufskundeunterricht wird im allgemeinbildenden Unterricht stets ein Bezug zur Lebenswelt der Lernenden geschaffen, mitunter werden auch sehr konkrete Alltagssituationen einbezogen: Geht es um Arbeitsrecht, nehmen die Lernenden etwa den eigenen Lehrvertrag unter die Lupe, wird der Staatshaushalt behandelt, füllen sie ihre Steuerklärung aus. Der allgemeinbildende Unterricht ist erst seit 1996 kompetenz- und handlungsorientiert, die Neuorientierung mit entsprechenden Weiterbildungen ist wie in der Volksschule nach wie vor im Gang. «Der allgemeinbildende Unterricht weist eine junge Geschichte auf», sagt Saskia Sterel. «Dies bringt Vorteile, denn ohne starke Traditionen gelingt ein Umdenken leichter.» Der Unterricht in der Berufsfachschule unterscheidet sich nicht nur durch die starke Praxisorientierung vom Unterricht in der Volksschule. Da Lehrpersonen ihre Klassen nur einmal pro Woche sehen und der Berufsbildner oder die Berufsbildnerin wichtigste Bezugsperson ist, verändert sich auch das Verhältnis zwischen Lehrpersonen und Lernenden. «Die Arbeit an der Beziehung zu den Lernenden ist in der Berufsfachschule deshalb nicht weniger wichtig. Denn Lernen ist auch Beziehungsarbeit», so Sterel. Im Gegensatz zur Sekundarstufe I sind in der Berufsfachschule nicht mehr die Eltern Ansprechpartner der Lehrpersonen, sondern die Berufsbildenden im Betrieb. Ab dem 18. Altersjahr der Lernenden dürfen Berufsfachschullehrpersonen sogar nur noch mit der schriftlichen Einwilligung der Lernenden Kontakt mit deren Eltern aufnehmen. Auch spielen Noten häufig eine etwas andere Rolle. Lernende können ihre Lehre in einigen Berufen mit ausschliesslich ungenügenden Schulnoten im allgemeinbildenden Unterricht abschliessen, solange sie diese mit guten praktischen Leistungen kompensieren. Da die Berufsfachschulklassen nicht nach Leistungsniveau, sondern nach Berufen gebildet werden, sind Lehrpersonen bisweilen mit grossen Leistungsunterschieden konfrontiert, gerade was Sprachkompetenzen betrifft. Für den Umgang mit dieser Heterogenität müssen die Berufsfachschulen eigene Wege finden, wobei klassischer Stützunterricht mit einem fixen Programm eher von neuen Formen wie Lernfoyers mit individueller Betreuung abgelöst wird. Lernorte näherbringen Für eine hohe Qualität der Berufsbildung müssen nicht nur die Lernbedingungen an den drei Lernorten Betrieb, Berufsfachschule und ÜK stimmen, auch sollten die jeweiligen Lernprozesse optimal aufeinander abgestimmt sein. Deshalb sollen in Zukunft die drei Lernorte noch AKZENTE 2/2017
AKZENTE 2/2017
Weichensteller am Übergang von der Schule in die Berufswelt Auf der Sekundarstufe I werden wichtige Weichen für die berufliche Zukunft der Schülerinnen und Schüler gestellt. Worauf es dabei ankommt, haben PHZH-Studierende der Sekundarstufe I im Rahmen einer Lehrveranstaltung im Bereich «Forschung und Entwicklung» untersucht. In einem ersten Schritt befragten sie dazu einen Schulleiter, eine Mutter sowie je eine Fachperson aus dem Bereich der beruflichen Integration und aus dem Berufsinformationszentrum nach den wichtigsten Erfolgsfaktoren bzw. den grössten Herausforderungen. Wichtig erachten die Befragten die optimale Zusammenarbeit zwischen den einzelnen am Übergangsprozess beteiligten Instanzen. Als Herausforderung nannten sie häufig die Unterstützung der Eltern sowie die ungleichen Bildungschancen. Ebenfalls wurden der Stellenwert standardisierter Eignungsabklärungen sowie der eigentliche Berufswahlprozess genannt. Anschliessend untersuchten die Studentinnen und Studenten in Gruppen die einzelnen Themen anhand von spezifischen Fragestellungen: Die «Eltern»-Gruppe etwa fragte danach, wie Väter und Mütter aus bildungsfernen familiären Kontexten den Berufswahl- und -findungsprozess ihrer Kinder unterstützen. Dazu interviewten sie vier Elternteile mit einem entsprechenden Bildungshintergrund. Es zeigte sich, dass bei ihnen insbesondere die emotionale Unterstützung der Schülerinnen und Schülern im Vordergrund steht. Aufgrund fehlender Kenntnisse über das Bildungssystem und die Berufswelt können die Befragten keine konkrete Unterstützung leisten beispielsweise beim Verfassen von Bewerbungen. Sie verlangten in den Interviews oft danach, dass die Lehrpersonen sich noch aktiver um die Dreiecksbeziehung Eltern – Schule – Kind bemühen sollten. Die Studierenden schliessen daraus, dass den Eltern die Rollenverteilung bei der Berufswahl nicht klar ist. Gerade für bildungsferne Eltern sei deshalb eine klare Struktur wichtig.
Körperliche Arbeit unbeliebt Die Studierenden, die sich mit der Berufswahl auseinandersetzten, befragten Lehrpersonen und Schülerinnen und Schüler danach, welche Kriterien für sie bei der Entscheidung für einen Beruf massgebend sind. Für die Schülerinnen und Schüler am wichtigsten sind die persönlichen Vorlieben und Stärken, das Arbeitsklima, der Umgang mit Menschen, eine abwechslungsreiche Tätigkeit sowie ein geregeltes Einkommen. Auch die Lehrpersonen nannten als bedeutendstes Kriterium mehrheitlich die persönlichen Vorlieben. Als weiteren zentralen Faktor führten sie die Möglichkeit für Weiterbildungen auf. Eher unbeliebt sind bei den Schülerinnen und Schülern handwerkliche Tätigkeiten und generell körperliche Arbeit. Bei der Frage danach, wie die Berufswünsche entstehen, gab rund die Hälfte der Schülerinnen und Schüler an, dass sie diese selbstständig entwickeln. Ein Viertel holt sich dabei Rat bei den Eltern. – Christoph Hotz
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näher zusammenrücken, indem der Austausch zwischen Berufsbildenden im Betrieb und Lehrpersonen stärker institutionalisiert wird. Auch die Zusammenarbeit zwischen ABU- und BK-Lehrpersonen soll künftig gestärkt werden. Früher verlief deren Unterricht oft ohne grosse Berührungspunkte. An vielen Schulen lag die Hoheit für die Ausbildung der Sprachkompetenzen beim ABU, obwohl diese als überfachliche Kompetenzen auch im BK-Unterricht und im Betrieb gefördert werden sollten. Während sich an Berufsfachschulen allmählich schulübergreifende Projekte etablieren, wird der Forderung nach einer engeren Zusammenarbeit der Lehrpersonen auch in der Ausbildung an der PH Zürich Rechnung getragen. Seit gut zehn Jahren bildet die PH Zürich BK- und ABU-Lehrpersonen aus, traditionell in zwei separaten, berufsbegleitenden Studiengängen. Im Herbst 2016 startete neben den klassischen Lehrgängen nun ein erster gemeinsamer Lehrgang, der dem Umstand gerecht wird, dass in ABU und BK im Prinzip dieselben für das 21. Jahrhundert zentralen Schlüsselkompetenzen ausgebildet werden sollen. Gemäss dem an der PH Zürich neu entwickelten sogenannten «4K-Modell» sind dies kritisches Denken und Problemlösen, Kommunikation, Kooperation sowie Kreativität und Innovation. Konkret setzt sich dieser Studiengang aus Erziehungswissenschafts- und Fachdidaktikmodulen zusammen, angehende ABU-Lehrpersonen eignen sich zudem Wissen aus den Bereichen Wirtschaft, Recht, Sprach- und Sozialwissenschaften an. Eine Besonderheit der Fachdidaktik-Module ist es, dass diese auf einer fächerübergreifenden Grundlage basieren. BK-Studierende transferieren das Gelernte anschliessend auf ihren Beruf und entwickeln so ihre berufsspezifischen Fachdidaktiken. Auch hier wird vermehrt auf eine Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen gesetzt. Die Ausbildung für Berufsfachschullehrpersonen an der PH Zürich ist auch in Bezug auf die Aufnahmebedingungen im Umbruch: Früher war eine feste Anstellung an einer Berufsfachschule Bedingung für ein Studium. Heute können ABU-Studierende ohne Anstellung die Unterrichtserfahrung in berufsbegleitenden Praktika sammeln. Für BK-Studierende soll die Anstellung an einer Berufsfachschule als Aufnahmebedingung ebenfalls aufgehoben werden. Die frühere Bindung an eine Anstellung sollte verhindern, dass Lehrpersonen ausgebildet werden, die keine Stelle finden. Die Aufhebung der Beschränkung rührt daher, dass sich im Kanton Zürich in den kommenden fünf Jahren eine grosse Pensionierungswelle an den Berufsfachschulen abzeichnet. Die Lockerung der Aufnahmebedingungen bietet Chancen hinsichtlich der Qualität der Ausbildung. Werden erste Unterrichtserfahrungen nicht nur an einer Schule, sondern in verschiedenen Praktika gesammelt, wird auch das fachdidaktische Repertoire breiter.
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«Wir stärken Menschen dort, wo sie besser sind als Maschinen» Andreas Bischof leitet die Berufsbildung beim Technologiekonzern Bühler, der zurzeit 600 Lernende ausbildet. Zwischenmenschliche Kompetenzen sind für ihn bei Lernenden wichtiger als Noten. Dies gilt insbesondere dort, wo immer mehr Arbeitsschritte automatisiert werden. Text: Melanie Keim, Fotos: Nelly Rodriguez
Sie beschreiben im Grunde eine Bewegung von den sogenannten Hard Skills hin zu Soft Skills wie vernetztem Denken und anderen überfachlichen Kompetenzen. Genau. Wir nehmen die Digitalisierung bewusst auf und stärken Menschen dort, wo sie nicht durch Maschinen ersetzt werden können oder besser sind als diese: auf der zwischenmenschlichen Ebene und im Bereich der Kommunikation. Deshalb achten wir bei der Auswahl der Lernenden vor allem auf die menschliche Ebene und prüfen, ob Motivation, Teamfähigkeit und Reife stimmen. Aus diesem AKZENTE 2/2017
Über Andreas Bischof Die Faszination für die Ausbildung junger Talente zeigte sich bei Andreas Bischof früh. Schon wenige Jahre nach der Lehre als Maschinenzeichner trat er eine Stelle als Berufskundelehrer an der Berufsschule Arbon an, wo er fast 20 Jahre neben der Arbeit in Entwicklungsabteilungen verschiedener Unternehmen unterrichtete. Als Wasserballspieler und -trainer sammelte er zudem in der Freizeit wichtige Führungserfahrungen. 2009 übernahm Bischof die Leitung der Berufsbildung der Firma Bühler AG, einem weltweit tätigen Technologieunternehmen mit Hauptsitz in Uzwil. Der 52-Jährige lebt in Horn am Bodensee und geniesst als Vater von zwei erwachsenen Kindern Wandern, Skifahren und Schwimmen. Als weitere Leidenschaft bezeichnet er einen mit seinem Bruder bewirtschafteten Rebberg. Wie im Berufsleben beobachtet er dort mit Freude, wie sich die Arbeit von heute auf die Qualität von morgen auswirkt.
Grund möchten wir im Vorfeld beispielsweise nichts über unsere Schnupperlehrlinge wissen. Was heisst das? Bei uns können alle, die Interesse haben, eine Schnupperlehre absolvieren. Wir schauen ihre Zeugnisse vorher nicht an und wissen also nicht, ob die Jugendlichen aus der Sekundarschule oder einer Kleinklasse kommen. Durch diese Art der Selektion gelangen wir jedes Jahr an sehr interessante Bewerber, denen in einer Berufsberatung aufgrund ihrer schulischen Leistung garantiert von der entsprechenden Lehre abgeraten würde. Fehlen nach der Selektion noch wichtige sprachliche oder mathematische Kompetenzen, bauen wir das vor Beginn der Lehre gemeinsam mit der Sekundarschullehrperson auf. Werden Noten bei der Selektion also überhaupt nicht berücksichtigt? Wir fokussieren auf Talent, Potenzial und den Willen und machen damit in der Regel sehr gute Erfahrungen. Lernende mit einer schwierigen schulischen Vorgeschichte können sich zu sehr guten Fachkräften und dankbaren Mitarbeitenden entwickeln, wenn man ihnen vorurteilslos begegnet. Einer unserer Lernenden kommt zum Beispiel aus einem RAV-Programm und er erbringt tolle Leistungen. Diese Form der Selektion ist mit einem riesigen Aufwand verbunden, weil wir für 75 Lehrstellen rund 400 Schnupperlernende einladen. Doch so haben wir auch bei geburtenschwachen Jahrgängen keine Mühe, gute Leute zu rekrutieren.
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Technische Berufe verändern sich durch die Digitalisierung und Automatisierung rasant: Wie kann die Berufsbildung dieser Entwicklung gerecht werden? Es ist wichtig, dass Lernende in technischen Berufen nicht in ihrem Berufsfeld gefangen bleiben. Deshalb bewegen wir uns weg vom Spezialistentum und fördern Allrounderfähigkeiten, die die Arbeitsmarktfähigkeit um ein X-faches erhöhen. Ein Automatiklernender geht bei uns nach fünf Monaten Grundausbildung je zwei Monate in die Konstruktion, in die Mechanik und in den Anlagebau. Zudem bieten wir einem Teil der Lernenden eine Projektmanagementausbildung an. Auch Führungsqualitäten und Kompetenzen im Bereich der Kommunikation werden in Zukunft wichtiger. Eine weitere wichtige Komponente ist die internationale Mobilität. Etwa 20 Lernende pro Jahr können bei uns bis zu einem halben Jahr an einem Standort im Ausland arbeiten.
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Welche Anforderungen werden an die Lernenden gestellt? Sind diese im Vergleich zu früher gestiegen? Die Anforderungen sind nicht gestiegen, doch sie haben sich verlagert. Aufgrund grosser zur Verfügung stehender Datenmengen wird das Textverständnis in vielen Berufen wichtiger, insbesondere das Priorisieren und die Reduktion von Informationen auf das Wesentliche. Mir fällt auf, dass Lernende von heute oft sehr professionell auftreten und mit hohem Selbstbewusstsein präsentieren können. Den Jugendlichen ist auch hoch anzurechnen, dass sie ihr Wissen multiplizieren. Junge teilen, «Sharen» liegt ihnen im Blut. Ein solches Denken in Netzwerken ist ein Riesenvorteil, da können wir viel von ihnen lernen. Die Leistungen von Lernenden hängen auch von den Kompetenzen der Berufsbildenden im Betrieb ab. Was müssen Ausbildner und Ausbildnerinnen mitbringen? Die Persönlichkeit ist absolut zentral. Ein guter Berufsbildner muss mit sich selbst im Reinen sein, Freude an der Arbeit haben und darf keine Vorurteile haben gegenüber anderen Denkmustern und Kulturen. Wichtig ist auch, dass Ausbildungsverantwortliche ein gutes Bild von der Jugend haben und Potenziale erkennen, die sich nicht in Noten abbilden. Um das Selbstvertrauen der Jugendlichen zu stärken, ist eine
«Wir sind für unsere internationalen Standorte auf Leute angewiesen, die den Schritt ins Ausland wagen.» Orientierung an Erfolgen nötig. Doch man muss auch hart intervenieren können und dabei gradlinig, aber nicht nachtragend sein. Bühler bietet Lernenden die Möglichkeit eines halbjährigen Aufenthalts an Standorten im Ausland. Welche Überlegungen führten zu diesem Angebot? Wir sind für unsere internationalen Standorte auf gute Leute angewiesen, die den Schritt ins Ausland wagen. Gestartet haben wir 2008 mit einem zweimonatigen Aufenthalt in China um die Sommerferienzeit herum. Aufgrund dieser positiven Erfahrung entwickelten 18
wir anschliessend für längere Auslandeinsätze mit der Berufsschule Uzwil und der Pädagogischen Hochschule St. Gallen eine Art digitales Klassenzimmer. Heute werden Lernende in China und in Südafrika live zum regulären Unterricht in Uzwil zugeschaltet.
«Das grosse Interesse an unserem Modell fördert den Stolz bei den Lernenden und in unserem Berufsbildungsteam.»
Das ist sinnvoller als Berufslehrpersonen für einen Blockunterricht in das jeweilige Land auszufliegen, weil so die soziale Nähe zur Klasse bestehen bleibt. Werden auch Lernende vor Ort ausgebildet? Wir tun dies an verschiedenen Standorten, wobei sich unser Konzept der dualen Lehre nicht so einfach auf andere Länder übertragen lässt. Es braucht vielmehr massgeschneiderte Designs, welche die lokalen Bedingungen berücksichtigen. Dafür müssen die Bedürfnisse auf diesen Arbeitsmärkten und die Anschlussmöglichkeiten geklärt werden. Im amerikanischen Minneapolis lancierten wir zum Beispiel eine dreijährige Berufsausbildung, weil sich im Bundesstaat Minnesota eine Pensionierungswelle in technischen Berufen und damit ein riesiger Fachkräftemangel abzeichnete. Solche Ausbildungen brauchen eine staatliche Anerkennung als Garantie für die Anschlussfähigkeit und Mobilität im Arbeitsmarkt, alles andere wäre total egoistisch. Was sind Hürden einer solchen Ausbildungsentwicklung im Ausland? Das Konzept Berufsausbildung stösst vielerorts auf Ablehnung. Als unser Ausbildner an lokalen Colleges in Minneapolis das Konzept der Berufsbildung vorstellte, traute man ihm erst einmal nicht. Eine Ausbildung, für die man nicht bezahlt, sondern sogar noch Geld erhält? Das kann nicht sauber sein! Die Überzeugungsarbeit bei Eltern und Jugendlichen war am Anfang wirklich hart. Jetzt, da wir 18 Lernende aus drei Jahrgängen haben, ist es einfach. Bei einem Open House, zu dem wir an einer Lehrstelle interessierte Jugendliche und ihre Eltern sowie Vertreter des Arbeitsdepartements einladen, können wir die Lernenden erzählen lassen. In anderen Ländern müssen wir AKZENTE 2/2017
die Berufsbildung in ganz kleinen Schritten einführen. ist kostengünstiger, Lernende für unsere internationaIn China zum Beispiel investiert man vielleicht zehn len Standorte auszubilden, als entsprechend ausgebilTage in eine Ausbildung, also bieten wir das an. dete Personen zu rekrutieren. Zahlen sich die internationalen Bildungsinvestitionen für das Unternehmen aus? Erst einmal erzeugt diese internationale Ausrichtung einen grossen Werbeeffekt. Wir erhalten Bewerbungen von Personen mit Migrationshintergrund, für die ein Einsatz im Herkunftsland interessant ist. Soeben ging sogar ein Lehrvertrag nach Namibia an einen Jugendlichen mit deutschem Hintergrund, der seine Lehre in der Schweiz absolvieren wird. Das grosse Interesse an unserem Modell und die Anerkennung, die wir dafür erhalten, fördern auch den Stolz bei den Lernenden und in unserem Berufsbildungsteam. Für uns zahlt sich zudem die Zeit nach Abschluss der Lehre aus. Es
Besteht nicht die Gefahr, dass Lernende, die internationale Luft geschnuppert haben, nach dem Abschluss ausserhalb des Lehrbetriebs eine Stelle suchen? Das ist ein wichtiges Thema. Wir haben aus diesem Grund schon einige sehr gute Lehrabgänger verloren. Deshalb setzen wir einen Schwerpunkt im Nachwuchsmanagement mit einer Person, welche sich ab der zweiten Lehrhälfte gezielt um die individuelle Karriereplanung der Lernenden kümmert. Wir müssen den Lernenden attraktive Möglichkeiten anbieten und sie aktiv begleiten, um sie auch nach der Lehre an das Unternehmen zu binden.
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«Lernende mit einer schwierigen schulischen Vergangenheit können sich zu sehr guten Fachkräften entwickeln.» Andreas Bischof am Hauptsitz der Bühler AG in Hinwil.
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Flambieren will gelernt sein: Restaurantleiter Marcel Einfalt zeigt, wie es richtig geht.
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«Ich kann die Probe aufs Exempel machen» Manfred Pfiffner von der PH Zürich beurteilt als Experte Lehrpersonen von Berufsfachschulen. Seit zwei Jahren führt er auch in der Belvoirpark Hotelfachschule in Zürich Unterrichtsbesuche durch. «Akzente» hat ihn einen Morgen lang begleitet.
Wer seine Ferien nicht in Luxushotels verbringt, für den eröffnet sich an der Eingangstür der Belvoirpark Hotelfachschule eine neue Welt. Eine Welt aus roten Teppichen, hohen Decken und massiven Leuchtern sowie Menschen, die sich guten Umgangsformen, Freundlichkeit und Servicebereitschaft verschrieben haben. Und eine Welt, die so gar nichts mit anderen Höheren Fachschulen und Fachhochschulen gemein hat. Dies wird bereits in der grossen Eingangshalle klar: Anstelle eines Infodesks, eines Sekretariats oder einer Kanzlei beeindruckt eine elegante Rezeption. Auch Manfred Pfiffner fasziniert die Atmosphäre immer wieder. Der Inhaber der Professur «Fachdidaktik der beruflichen Bildung» der PH Zürich ist regelmässig an Berufsfachschulen unterwegs, um als Experte Berufsfachschullehrpersonen zu beurteilen. An seinen ersten Besuch im Belvoirpark erinnert er sich besonders gut: «Ich trug dunkle Hosen und ein Hemd – wie immer, wenn ich arbeite», erzählt er. «Doch als ich gesehen habe, dass hier alle Businessanzüge tragen, wurde mir schnell klar, dass diese Schule anders ist.» Seither trägt auch Manfred Pfiffner Anzug und Krawatte, wenn er die Hotelfachschule besucht. Es ist bald der zwanzigste Unterrichtsbesuch, den der Experte der PH Zürich an diesem Frühlingsmorgen an der Belvoirpark Hotelfachschule vornimmt. Der Kaffee, der dem Experten normalerweise offeriert wird, nachdem man ihm den Mantel abgenommen hat, muss heute warten. Manfred Pfiffner ist etwas später dran als sonst und wird an der Rezeption bereits von Anton Pfefferle, Ausbildungsleiter der Hotelfachschule, erwartet. «Wir holen das selbstverständlich nach», versichert er und führt den Experten über eine imposante Treppe in die obere Etage, wo sich der Seminarraum befindet.
Belvoirpark Hotelfachschule vorzunehmen. Die Besuche werden stets angekündigt, die zu beurteilende Lehrperson wird bis spätestens drei Wochen davor informiert. Dozentin Franziska Schiesser ist deshalb nicht überrascht, dass neben den Studentinnen und Studenten heute auch Anton Pfefferle und Manfred Pfiffner in ihrem Unterricht sitzen und sie eine Lektion lang beobachten werden. Die beiden Männer teilen sich die Beurteilung auf. Der Ausbildungsleiter wird die fachliche Kompetenz überprüfen. Der Experte der PH Zürich ist für die Beurteilung von Methodik und Didaktik zuständig – wobei sein fehlendes gastronomisches Fachwissen eher Vor- als Nachteil ist: «Ich kann die Probe aufs Exempel machen: Kann ich nicht folgen, stimmt wahrscheinlich etwas nicht», sagt er.
An der Hotelfachschule im Belvoirpark gehören die enge Verknüpfung von Theorie und Praxis zum Konzept.
Fehlendes Fachwissen als Vorteil Vor zwei Jahren erhielt die Professur «Fachdidaktik der beruflichen Bildung» der PH Zürich den Auftrag, zwecks Qualitätssicherung und -entwicklung qualifizierende Unterrichtsbesuche bei den Dozentinnen und Dozenten der
Punkt 8 Uhr startet Franziska Schiesser den Unterricht im Fach Didaktik & Methodik. Acht Studierende des fünften Semesters – je vier junge Frauen und Männer – sitzen in den vordersten Reihen. Den künftigen Küchenchefinnen und -chefs, Restaurantleitenden und Hoteliers sind ihre einzelnen Tätigkeitsgebiete deutlich anzusehen: Durch die weissen Hemden, schwarzen Hosen und roten Schürzen sind die einen als Restaurationsfachfrauen und -männer, diejenigen in Deux-Pièce und Anzug als Chefs de Service identifizierbar. Die Aufmachung hat ihren Grund: Nach den zwei Unterrichtslektionen werden die Studierenden ins Belvoirpark Restaurant
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Text: Olivia Rigoni, Fotos: Niklaus Spoerri
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Aufmerksame Beobachter: Ausbildungsleiter Anton Pfefferle (l.) und PHZH-Experte Manfred Pfiffner.
terrichts: Ankommen und einstimmen, Vorwissen aktivieren, Informieren, Verarbeiten und Auswerten. «Ich verteile Ihnen jetzt Karten, auf denen Sie notieren sollen, welche Elemente die Phasen jeweils beinhalten», leitet die Dozentin an. Sofort greifen die Studierenden zu einem Stift und beginnen in kleinen Gruppen, Stichworte aufzuschreiben. In der hintersten Reihe sitzt Manfred Pfiffner, der selber knapp 20 Jahre lang Berufsschullehrer war. Er beobachtet die Dozentin aufmerksam und macht Notizen. Vor ihm liegen seine Uhr und ein Beobachtungsraster. Es besteht aus einem Unterrichtsprotokoll, in welchem er seine Beobachtungen und Reflexionen zu Inhalten, Methoden und eingesetzten Medien festhält. Zudem beinhaltet es ein Raster, das der Beurteilung verschiedener Kriterien dient: Didaktisch-methodisches Handwerk, Lernen, Interaktionsformen und Führung, Sprache und Sprechweise sowie das Auftreten der Lehrperson. Der Experte der PH Zürich achtet also beispielsweise darauf, ob der Unterricht rhythmisiert ist, ob die Dozentin aktiv zuhört und die Ergebnisse der erteilten Arbeitsaufträge überprüft, ob ihre Sprache dem Niveau der Studierenden angepasst ist und ob wechselnde, gezielt und wirkungsvoll eingesetzte Interaktionsformen stattfinden.
Fragen zu Traubensorten und richtiger Temperatur Nach der Repetition des «AVIVA-Modells» zeigt Franziska Schiesser den Studierenden das Video einer Kurzwechseln. Dort werden sie eine kurze Praxiseinheit absol- schulung. Zu sehen ist ein junger Mann, der drei Lernenvieren, in der sie ins fachgemässe Flambieren von Crevet- den den korrekten Champagner-Service vermittelt. Er ten eingeführt werden. Anschliessend werden sie im Mittagsbetrieb anpacken und die festangestellten Profis unterstützen. Sie werden Gläser polieren, Tische eindecken, mehrgängige Menüs und auserlesenen Wein servieren und dafür sorgen, dass die Gäste des Traditionsbetriebs professionell bedient werden und sich rundum wohlfühlen. Die enge Verknüpfung von Theorie und Praxis gehört zum Konzept der 1925 gegründeten Hotelfachschule. Immer wieder haben die Studierenden während der dreijährigen Ausbildung Zeit, ihr Wissen in die Tat umzusetzen – von Rollenspielen über das Absolvieren von befragt sie zu verschiedenen Traubensorten, zur richtigen Praktika bis hin zum Führen des Mitarbeitendenrestau- Temperatur und zur angemessenen Präsentation des rants oder der Mitarbeit im Belvoirpark Restaurant. Das Schaumweins. Anschliessend fordert er einen Lernenden Konzept überzeugt Manfred Pfiffner: «Hier ist nichts auf, einen Service zu machen. Obwohl die Dozentin wähgestellt. Alles ist echt», sagt er. rend des knapp 15-minütigen Videos nicht vor der Klasse steht, bedeutet die Sequenz keine Pause für den ExperKriterienraster zur Beurteilung ten der PH Zürich: Auch der kompetente Einsatz der Praxisorientiert ist an diesem Tag auch der Unterricht Medien fliesst in die Beurteilung ein. von Franziska Schiesser. In den ersten 45 Minuten sollen Nachdem das Video zu Ende ist, fordert die Dodie angehenden Führungskräfte lernen, wie sie Mitarbei- zentin die Studierenden auf, zu beurteilen, ob die gezeigtende mittels des sogenannten «AVIVA-Modells» wir- te Mitarbeitendenschulung im Sinne des «AVIVA-Mokungsvoll schulen können. Das Modell wurde an der PH dells» durchgeführt wurde: «Ist Ihnen aufgefallen, welches Zürich entwickelt und beschreibt fünf Phasen guten Un- Wissen am Schluss abgefragt wurde?» «Es wurde noch-
Der Experte achtet darauf, ob der Unterricht rhythmisiert ist und ob die Dozentin den Studierenden aktiv zuhört.
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Franziska Schiesser unterrichtet die künftigen Hoteliers darin, Mitarbeitende wirkungsvoll schulen zu können.
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In der Ausbildung werden praktische Sequenzen mit theoretischen Inputs ergänzt.
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Auszeit von der strengen Hotelwelt: zwischen den Lektionen bleibt Zeit für Gespräche über andere Themen.
mals nach den Traubensorten und der Temperatur gefragt», antwortet eine Studentin. «Genau. Statt das neue Wissen zu verarbeiten, wurde erneut das Vorwissen abgefragt», fasst Franziska Schiesser zusammen. Ein didaktischer Fehler, der ihr selber nicht passiert: In der zweiten Lektion wird sie die Studentinnen und Studenten auffordern, basierend auf den neu gewonnenen Erkenntnissen ein Drehbuch für eine möglichst wirkungsvolle Champagner-Schulung zu verfassen. Qualitätssicherung hat hohen Stellenwert Die erste Unterrichtseinheit ist zu Ende und die Studierenden verlassen den Raum. Zurück bleiben die Dozentin und die beiden Experten. Die Besprechung erfolgt unmittelbar nach der Lektion. Diskutiert werden unter anderem Stärken und Schwächen, es wird danach gefragt, wie die Lehrperson ihre eigene und die Leistung der Studentinnen und Studenten wahrnimmt, Entwicklungspotenziale werden besprochen und allfällige Weiterbildungsmassnahmen festgelegt. Letzteres komme aber nur sehr selten vor, sagt Manfred Pfiffner: «In der Regel sind die Lehrpersonen im Belvoirpark äusserst qualifiziert.» Dies liege daran, dass die Hotelfachschule der Qualitätssicherung einen hohen Stellenwert beimesse. So fänden nicht nur einmal jährlich Unterrichtsbesuche 24
statt, sondern auch Hospitationen, im Rahmen derer sich die Dozentinnen und Dozenten gegenseitig beurteilen. «Von diesem hohen Qualitätsbewusstsein können sich viele Schulen eine Scheibe abschneiden», ist der Experte überzeugt. Die Besprechung zwischen Anton Pfefferle, Manfred Pfiffner und Franziska Schiesser verläuft kurz und effizient und ist nach 15 Minuten zu Ende. «Viel mehr als das, was wir in dieser Zeit diskutieren, kann man ohnehin kaum verarbeiten», sagt der Experte. Die Rückmeldungen fielen positiv aus und lieferten der Dozentin zugleich wertvolle Inputs: «Mir wurden ein paar Dinge aufgezeigt, die mir persönlich nicht aufgefallen wären», sagt sie. «Wenn man unterrichtet, hinterfragt man seinen Unterricht nicht ständig. Die Sicht einer aussenstehenden Person ermöglicht, sein Handeln mit anderen Augen zu betrachten und zu optimieren.» Mit der abschliessenden Besprechung ist die Arbeit an der Hotelfachschule für den Experten an diesem Tag beendet – im Gegensatz zu seinem Aufenthalt: «Jetzt trinken wir noch einen Kaffee. Und ein Gipfeli hat es ganz sicher auch noch», sagt Anton Pfefferle. Manfred Pfiffner lässt sich das Angebot nicht entgehen und folgt dem Ausbildungsleiter ins gediegene Mitarbeitendenrestaurant. AKZENTE 2/2017
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Studierendenporträt
18 Jahre lang setzte Roger Fässler als Portfoliomanager auf Aktien, 11 Jahre davon in Singapur. Heute investiert er in seine Zukunft – der 48-Jährige absolviert die Quereinsteiger-Ausbildung zum Sekundarlehrer. Zum Zeitpunkt seiner Entscheidung war ihm nicht bewusst, wie intensiv die Ausbildung werden würde. «Es ist ein BalanceAkt zwischen Studium, Arbeit und Privatleben.» Aber für den Familienvater lohnt es sich in mehrerer Hinsicht. «Die Autonomie im Lehrberuf ist einmalig. Ich kann abends arbeiten, wenn meine drei Kids im Bett sind. Und wenn mir über Nacht spontan eine Idee kommt, kann ich diese am nächsten Tag direkt umsetzen. Solche Freiheiten hatte ich in meinem alten Job nicht.» Für seine Schülerinnen und Schüler betreibt er gerne einen Zusatzauf26
wand. «Einmal pro Quintal zeige ich einen Film mit Bildern von gemeinsamen Erlebnissen wie Wanderungen oder Sporttagen. Ich denke, es braucht diesen ‹Entertainment-Faktor›. Das motiviert und stärkt den Klassengeist.» Sein persönliches Highlight findet aber immer zu Beginn des Unterrichts statt: Er präsentiert der Klasse jeweils eine aktuelle News, etwa einen Fernsehbeitrag über das Gletscherschmelzen. Danach startet er eine Diskussion. «Ich sehe es als meine Aufgabe, die Jugendlichen für wichtige Themen zu sensibilisieren und ihre Meinungsbildung zu fördern.»
Roger Fässler erkennt eine Reihe von Parallelen zwischen dem Banking und der Pädagogik. Beispielsweise hilft ihm bei der Arbeit
mit seiner Schwamendinger Klasse die Erfahrung in der Kundenkommunikation und im Beziehungsmanagement. Da die meisten Schülerinnen und Schüler einen Migrationshintergrund haben, stellt die Kommunikation oft eine Herausforderung dar, insbesondere mit den Eltern. «Als erste Handlung suchte ich sofort das Gespräch mit ihnen. Dieser Kontakt ist mir wichtig. Ich sehe die Klasse als Orchester, in dem auch die Eltern ein Instrument spielen. Vielleicht ist es nur ab und zu ein Paukenschlag, aber sie müssen zum richtigen Moment einsetzen», sagt er und fügt augenzwinkernd hinzu: «Zwischen Elterngesprächen und ‹Client Relationship› liegt gar kein so grosser Unterschied.» – Corina Rainer
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Foto: Nelly Rodriguez
Studierendenseite
Roger Fässler, 48, studiert an der PH Zürich als Quereinsteiger auf der Sekundarstufe I.
Die Masterarbeit
Ausstudiert – die Studierendenkolumne
zusammenfassen. Bei vier Lehrpersonen ist eine deutliche Orientierung an den Modellen A und D erkennbar. Modell A zeichnet sich einerseits durch das Vorhandensein eines Plurizentrizitätsbewusstseins bezüglich des mündlichen Standarddeutschs aus, also eines Bewusstseins dafür, dass die Standardsprache innerhalb des gesamten deutschsprachigen Raumes unterschiedliche Charakteristika aufweist. Andererseits aber auch durch die aktive Thematisierung der Plurizentrizität. Modell D steht dafür, dass man sich bei der Verwendung des Standarddeutschen wohlfühlt und es in sämtlichen Unterrichtssituationen verwendet. Zwei dieser Lehrpersonen orientieren sich hauptsächlich an den Modellen A und D. Zwei weitere Lehrpersonen können einem zweiten Typen zugeordnet werden, da sie sich zusätzlich an Ansätzen des Modells C orientieren. Modell C zeichnet sich dadurch aus, dass Deutsch vor allem als Leseund Schreibsprache wahrgenommen wird. Die vier restlichen befragten Lehrpersonen können keinem Modell zugeordnet werden, sie sind auf keines speziell fokussiert. Sie greifen im Unterricht oft auf den Dialekt zurück. Die Hälfte der Befragten identifiziert sich also mit allen Modellen ungefähr gleich, während die andere Hälfte ausgeprägter zwei Modellen folgt. In seinem Fazit überlegt sich Jonas Schuhmacher, welche Bedeutung die Resultate für den Unterricht haben. Er empfiehlt zur Vermittlung eines selbstbewussten, authentisch gesprochenen Standarddeutschs, gestützt durch den Theorieteil, die Orientierung an den Modellen A und D. – Fabia Bernet
Das Handeln der einzelnen Lehr-
Die Masterarbeit von Jonas Schuhmacher ist online publiziert: blog.phzh.ch/akzente
personen lässt sich in drei Typen AKZENTE 2/2017
Ruhe!!! «Weisst du, du musst einfach mal lernen, zur Ruhe zu kommen.» Ich habe mich schon lange nicht mehr über einen Satz so geärgert wie über diesen. Er kommt von einem guten Freund, dem ich gerade erzählt habe, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben Mühe mit dem Einschlafen habe. Ich ärgere mich nicht, weil ich mit ihm nicht einverstanden bin, sondern weil ich schon vor Monaten zu eben dieser Erkenntnis gekommen bin. Ich ärgere mich, weil sie mich nicht weiterbringt. Wie soll ich denn bitteschön zur Ruhe kommen? Mein Alltag besteht ja nahezu nur aus Lärm. Von dem Moment an, wo mich mein Wecker unsanft aus dem Schlaf klingelt, bin ich einer ständigen Beschallung ausgesetzt. Dusche, Strasse, Bus, Bahnhof, Zug, Baustellen, Dozenten, Mitstudenten: Sie alle plärren tagein, tagaus auf mich ein und kaum bin ich zu Hause, geht der Lärm in meinem Kopf weiter. Arbeiten, die ich noch schreiben muss, Freunde, die ich schon ewig nicht mehr gesehen habe, Sitzungen, die ich noch vorbereiten muss, und wenn für einen Moment mal meine Gedanken zur Ruhe kommen sollten, füllt meine innere Jukebox die Stille mit «Atemlos durch die Nacht» oder einem anderen Song, den ich nicht ausstehen kann. Nach einer Weile merke ich, dass mich mein Freund erwartungsvoll anschaut. Also nicke ich hastig, bedanke mich für den Tipp und unterdrücke mit aller Kraft den Impuls, ihm mein Bier über die Hose zu schütten. Peter Fäh ist Student auf der Sekundarstufe I und Tutor im Schreibzentrum der PH Zürich.
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Studierendenseite
«Das Verhältnis der Deutschschweizer zum Schriftdeutschen ist vertrackt: Eine Mehrheit nimmt Schriftdeutsch als Fremdsprache wahr.» Dies hat ein Journalist im «Beobachter» unter dem Titel «Das Deutsch der Schweizer» geschrieben. Forschungen auf diesem Gebiet stützen seine These. Student Jonas Schuhmacher interessiert sich seit jeher für die Wissenschaft der deutschen Sprache. Als künftigen Sekundarlehrer beschäftigt ihn dabei spezifisch die optimale Vermittlung der deutschen Sprache. So hat er das Thema in seiner Masterarbeit aufgenommen. Der Titel der Arbeit lautet «Die Vermittlung des mündlichen Standarddeutschen an Deutschschweizer Schulen». Mittels qualitativer Interviews hat er für seine Arbeit acht Sekundarlehrpersonen aus dem Kanton Zürich befragt. Vier Lehrpersonen unterrichten seit mehr als 25 Jahren, die andere Hälfte der Befragten seit höchstens zehn. Jonas Schuhmacher wollte von ihnen wissen, wie sie mit der mündlichen Standardsprache im Schulunterricht umgehen. Es sei wichtig, dass sich Lehrpersonen bei der Vermittlung an «mentalen» Modellen orientieren, schreibt er. Diese sollen einen selbstbewussten Umgang mit der gesprochenen Standardsprache in der Deutschschweiz fördern. Folglich formulierte er seine Forschungsfrage so, dass die Wahl des Modells im Fokus des Interesses steht. Er wollte herausfinden, welche Modelle nach Helen Christen, Professorin für Germanistische Linguistik, von den Zürcher Sekundarlehrpersonen verwendet werden, um einen selbstbewussten Umgang mit dem Standarddeutschen zu fördern.
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in kleinerem Umfang. Weitere Informationen: phzh.ch/klassenassistenzen Keine Verantwortung für den Unterricht Die Einsatzgebiete des Assistenzpersonals gleichen sich Adina Baiatu ist wissenschaftliche Mitarbeiterin stark. Sie reichen von der Anleitung und Betreuung von in der Abteilung Weiterbildung der PH Zürich.
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Assistenzen in Schulen auf dem Vormarsch
Kleingruppen im Klassenzimmer über die Pausenaufsicht bis zur Unterstützung der ganzen Schule in Form von Begleitung von Lagern und Exkursionen. Dabei agieren Assistentinnen und Assistenten stets als Hilfspersonal. Sie übernehmen keine Verantwortung für die Gestaltung und Führung von Unterricht oder die Förderung und Beurteilung von Lernenden. Obwohl sich ihre Handlungsfelder decken, gelten beim Einsatz von AssistenzperViele Schulen setzen heute Assistenzper- sonal je nach Kategorie unterschiedliche Rahmenbedinsonal ein, das Lehrpersonen im Unterricht gungen. sowie bei Administrations- und BetreuSenioren und Seniorinnen sind meist nicht mehr ungsaufgaben entlastet. Doch welche Arten als einen halben Tag pro Woche an einer einzelnen Klasse von Assistenzpersonal gibt es überhaupt tätig. Im Fokus ihrer Tätigkeit steht der Generationenund inwiefern unterscheiden sich diese austausch. Praktikantinnen und Praktikanten sowie ZivilRollen? Ein Augenschein von einem Tätigdienstleistende arbeiten temporär im Vollzeitpensum. keitsfeld, dessen Bedarf laufend wächst. Ihre Einsätze dauern wenige Wochen bis einige Monate. Sie dürfen nur dann an einer Schule eingestellt werden, Text: Adina Baiatu wenn dadurch nicht die Einstellung von neuem Lehroder Assistenzpersonal verhindert wird und keine Kündigung von Beschäftigten erfolgt. Für die kontinuierliche Unterstützung von Kindern mit spezifischem Betreuungsbedarf sind sie aufgrund ihrer kurzen Anwesenheit nicht geeignet, da deren Bezugspersonen nicht ständig wechseln sollten. Schul- bzw. Klassenassistenzen unterstützen die Schule gesamthaft. Sie sind häufig an mehreren Klassen einer Schule im Einsatz und haben umfangreichere Ar Assistenzpersonal für Lehrkräfte ist in vielen beitspensen. An vielen Schulen sind sie über mehrere Schulgemeinden nicht mehr wegzudenken. Gründe dafür Jahre hinweg zu konstanten Mitgliedern der Schulteams stellen hohe gesellschaftliche Erwartungen und Heraus- geworden. forderungen dar, denen sich die Schule immer wieder neu stellen muss. Diese kommen beispielsweise in der Zuständigkeiten transparent aufzeigen zeitlichen Vorverlegung der Eingangsstufe, grossen und Je nach Situation und Bedürfnissen der Schule können heterogenen Klassen sowie einer Zunahme von adminis- gleichzeitig Personen unterschiedlicher Kategorien an trativen Aufgaben für Lehrkräfte zum Ausdruck. Assis- der gleichen Schule tätig sein. Ihre Zuständigkeiten, Antenzpersonal in Schulen lässt sich in drei Kategorien stellungsbedingungen sowie Haftungs- und Versichegruppieren. rungsfragen sollten jedoch in Konzepten geregelt und für Die erste Kategorie bilden Freiwillige. Dazu ge- alle Beteiligten transparent sein. Für eine gewinnbringenhören Seniorinnen und Senioren sowie Eltern. Ihr Ein- de Unterstützung ist es ausserdem wichtig, dass ihr Einsatz erfolgt regelmässig, aber unentgeltlich. Eine weitere satz vorausschauend geplant wird, aus pädagogischer Gruppe besteht aus befristet angestelltem Personal, das Sicht längerfristig Sinn macht und dabei die Anzahl Betemporär in der Schule tätig ist. Dazu zählen Praktikan- zugspersonen pro Klasse überschaubar bleibt. tinnen und Praktikanten und seit Juli 2016 auch Zivildienstleistende. Neu dürfen diese im Tätigkeitsbereich «Sozialwesen» nicht nur betreuungsbedürftige Men- Weiterbildung für Schul-/Klassenassisschen, sondern auch Kinder sämtlicher Schulstufen un- tenzen terstützen. Die dritte Kategorie umfasst Schul- bzw. Die Pädagogische Hochschule Zürich bietet für Klassenassistenzen. Diese werden nach Möglichkeit un- Schulassistenzen einen Weiterbildungskurs im befristet angestellt, die Entlöhnung erfolgt auf kommu- Umfang von 27 Stunden an, der Grundlagen und Hintergrundwissen für diese Tätigkeit vermittelt. naler Ebene. Als Ergänzung dazu gibt es einen Follow-up-Kurs
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Die Geschichte Europas als Wegweiser für zehn Jahre Bildungsarbeit Das Zentrum International Projects in Education (IPE) der PH Zürich führt seit über zehn Jahren Bildungsprojekte im Ausland durch. Wie sich diese Projekte entwickelt haben, hat viel mit den Geschehnissen in Europa zu tun – sowohl zu Gründungszeiten des Zentrums als auch aktuell.
Die Geschichte des Zentrums International Projects in Education (IPE) der PH Zürich beginnt 1995 mit dem Dayton-Friedensabkommen zwischen Serbien, Bosnien und Kroatien. Die USA führten die Verhandlungen und kündigten ein Demokratiebildungprojekt für diese drei Länder an. Der Europarat entwickelte daraufhin ein eigenes Programm und suchte europaweit Fachleute für ein erstes Seminar im Sommer 1996 für ganz Bosnien. Einer dieser Experten war Rolf Gollob, der spätere Mitgründer und heutige Co-Leiter des Zentrums International Projects in Education (IPE). Zehn Jahre war er in der Folge in Südosteuropa für den Europarat engagiert, was 2006 zur Gründung des IPE und zum ersten grösseren drittmittelfinanzierten Projekt des Zentrums führte: Der Europarat wünschte sich eine Lehrmittelreihe zu Demokratie und Menschenrechten für die Primarund die Sekundarstufe; die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) finanzierte das Projekt zusammen mit dem Europarat. Die Demokratiebildung zieht sich wie ein roter Faden durch das Gewebe der IPE-Projekte. Aktuell führt Demokratiebildung in Kosovo: Schülerinnen und das Zentrum ein Projekt durch zum Unterrichten von Schüler bearbeiten Fragen rund um das Thema Medien. Beamten, Schulleitenden und Lehrpersonen in der Ukraine, ein Projekt zur digitalen Verbreitung der Demokratie-Lehrmittelreihe des Europarats in Süd- und Osteuropa sowie eines zur partizipativen Schulführung in denselben Regionen. eines Themas und die anschliessende Teamarbeit wird Sinn für Partizipation schärfen auch der Sinn für die Teilnahme an der Gesellschaft und Die Geschichte Europas hat das IPE nicht nur beim The- die Partizipation geschärft. Im Jahr 2007 traten Rumänima Demokratiebildung, sondern auch bei der Berufs- en und Bulgarien der EU bei. wahlorientierung geprägt. Die vom IPE bei der BerufsWiltrud Weidinger, Co-Leiterin des IPE, und Rolf wahlorientierung verwendete Lernmethode des soge- Gollob besuchten daraufhin Rumänien. Sie stellte fest, nannten Task Based Learning enthält viele Elemente der dass es keinen relevanten Berufswahlunterricht auf der Demokratiebildung: Durch das selbständige Erarbeiten Sekundarstufe gab und konzipierten ein entsprechendes AKZENTE 2/2017
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PH Zürich – Zentr u m IPE
Text: Franziska Agosti, Fotos: zVg
Inserate
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Bachelor of Arts (Hons) MUSIC
Winterthurer Institut fur aktuelle Musik
Aufnahmeprufungen : Vorbereitungsjahr 20. Mai 2017 Bachelor 3./10.Juni 2017 Studienangebote : Bachelor of Arts (Hons) Music Fähigkeitsausweis: Beginn 13. Februar 2017 (4 Semester berufsbegleitend) Studienvorbereitungsjahr (Pre-Bachelor) WIAM Untere Vogelsangstrasse 7 8400 Winterthur Tel: 052 212 56 67 www.wiam.ch
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Kommunikation Teambildung Problemlösefähigkeit Selbstorganisation Naturpädagogik
Auf spielerische Weise anspruchsvolle Übungen lösen. An Grenzen stossen. Alte Verhaltensmuster überdenken und neue Strategien einüben. www.norda-erlebnispaedagogik.ch info@norda-erlebnispaedagogik.ch Judith Handel 077 442 30 03
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02.04.2015 14:53:16
Ein Mädchen aus einer Roma-Familie mit dem durch das Zentrum IPE entwickelten Lehrmittel FACE.
Projekt. Es wurde zuerst vom Lotteriefonds und später von der DEZA unterstützt. Unterdessen unterrichten rund 200 Schulen in Rumänien den Berufswahlunterricht «Job Orientation Training for Businesses and Schools» (JOBS). Manchmal ist es auch die Projektarbeit selbst, die zur Beschäftigung mit einem neuen Thema führt. So zeigte sich während den Projekteinsätzen in Rumänien, dass der Schulerfolg vieler Kinder aus Roma-Familien sich auch über Jahre hinweg nicht verbesserte. Es stellte sich folglich die Frage, wie man die Kinder besser fördern könnte.
Zu den Selbstkompetenzen zählen Fähigkeiten wie Selbstmanagement oder Identitätsfindung. So entwickelte das IPE das Lehrmittel «ME – Discover Y our Strengths and Develop Your Self-esteem». Dieses Lehrmittel wurde dann für das Projekt FACE «Families and Children in Education», das sich für die Förderung von Kindern aus Roma-Familien in Mazedonien, im Kosovo und in Rumänien einsetzt, weiterentwickelt. So wie die Geschichte Ex-Jugoslawiens die Projektentwicklung des IPE vor zehn Jahren beeinflusst hat, so sind es gegenwärtig die grossen Migrationsbewegungen in Europa. Das Projekt «Children of Refugees in Education» (CORE) startete 2017 und hat zum Ziel, Unterrichtseinheiten für Kinder und Jugendliche in Flüchtlingslagern im Ausland zur Verfügung zu stellen. Für Flüchtlinge, die in der Schweiz unterrichtet werden, entwickelt das IPE zusammen mit der PH Bern das Lehrmittel «Start». Bei beiden Projekten fliesst die langjährige Erfahrung des IPE in der Demokratiebildung, der Berufswahlorientierung und der Förderung der Selbstkompetenzen mit ein. Neu ist der Miteinbezug des Sprachunterrichts. Beim Projekt CORE werden die Erstsprachen Arabisch, Dari, Paschtu, Somali und Tigrinisch gefördert, beim Projekt «Start» Deutsch als Zweitsprache.
Unterrichtseinheiten für Kinder in Flüchtlingslagern Zur gleichen Zeit, im Jahre 2013, startete das Zentrum IPE ein Projekt für die Weiterbildung von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern der Nichtregierungsorganisation «Chance for Children» in Ghana. Ursprünglich wollte man dort ebenfalls den JOBS-Berufswahlunterricht einführen, doch ergab dies keinen Sinn, denn Strassenkinder hatten kaum Aussicht auf eine geregelte Arbeit. Der Unterricht sollte deshalb nicht primär auf einen konkreten Beruf vorbereiten, sondern es sollte vielmehr darum gehen, die Selbstkompetenzen der Kinder und Jugendlichen zu stärken. Dies mit dem Ziel, sie auf das Leben in einer Gesellschaft vorzubereiten, in der sie sich Franziska Agosti ist Projektleiterin im Zentrum IPE hauptsächlich mit Gelegenheitsjobs über Wasser halten der PH Zürich. müssen. AKZENTE 2/2017
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PH Zürich – Zentr u m IPE
Präsentation durch Schülerinnen und Schüler im rumänischen Brasov im Rahmen des Projekts JOBS.
«Die Zukunft von Geschichte in der Schule ist offen»
PH Zürich – Ausbildu ng/Forschu ng
Sabina Brändli, Dozentin für Geschichtsdidaktik an der PH Zürich, leitete ein mehrjähriges Forschungsprojekt, das den Wandel von Geschichtsunterricht und politischer Bildung in Schweizer Volksschulen zwischen 1830 und 1990 untersuchte. Im Interview gibt sie Auskunft über die bewegte Geschichte des Geschichtsunterrichts. Text und Foto: Christian Wagner
Sabina Brändli, Leiterin des Forschungsprojekts und Dozentin für Geschichtsdidaktik an der PH Zürich.
Akzente: Ihr habt vier Jahre intensiv geforscht. Hat sich ausser 200 Jahren mehr Lernstoff viel verändert im Geschichtsunterricht seit 1830? Brändli: In unserer Untersuchung konnten wir feststellen, dass sich Geschichtsunterricht in praktisch all seinen Facetten gewandelt hat. Geschichte nimmt eine besondere Rolle im Fächerkanon ein. Geschichtsunterricht vermittelt keine bestimmte Kulturtechnik wie Lesen, Schreiben oder Rechnen, sondern ermöglicht 34
über die Auseinandersetzung mit dem Denken und Handeln von Menschen aus früheren Zeiten die Gegenwart zu verstehen und sich in ihr zu verorten. Weil sich die Gegenwart selbst ständig verändert und neu interpretiert wird und andere Herausforderungen stellt, wandelt sich auch der gesellschaftliche Anspruch an den Geschichtsunterricht laufend. Wenn man bedenkt, was sich in den vergangenen zwei Jahrhunderten alles verändert hat, dann wird verständlich, dass auch die Geschichte des Geschichtsunterrichts eine sehr bewegte war. Lassen sich in diesen vielfältigen Veränderungen bestimmte Entwicklungsmuster erkennen? Die ganz groben Linien lassen sich in etwa so nachzeichnen: Vom normativen Pauk- und Gesinnungsunterricht hin zum kritisch-reflexiven Unterricht. Von der Vermittlung populärer, identitätsstiftender Narrative hin zu wissenschaftsorientierten Inhalten und Methoden. Oder: vom Ziel nationaler Gemeinschaftsbildung hin zur Erziehung zu kritischen, mündigen Staatsbürgerinnen und -bürgern in einer pluralistischen Gesellschaft. Aber in all diesen Linien konnten wir in unserer Forschung auch immer wieder Diskontinuitäten und kantonale Unterschiede nachweisen. Auf welche kantonalen Unterschiede seid ihr gestossen in eurer Untersuchung? Konfessionelle und ideologisch-politische Unterschiede zwischen den Kantonen fanden lange Zeit auch im Geschichtsunterricht ihren Ausdruck. Dass in Schulen vermittelte Geschichte bei Adam und Eva begann oder Heilige im selben Status wie Napoleon behandelte, war in katholischen Kantonen im 19. Jh. nichts Aussergewöhnliches. Zudem wurden in jener Zeit historische Ereignisse je nach dominanter konfessioneller oder ideologischer Orientierung eines Kantons sehr unterschiedlich bewertet. Im Geschichtsunterricht in Zürich beispielsweise wurde Zwingli als Befreier und der Ausgang des Sonderbundskriegs 1847 als Sieg gefeiert, während Geschichtslehrpersonen in katholisch-konservativen Kantonen ihren Schützlingen das Gegenteil vermittelten. Diese Beispiele zeigen auch, wie Geschichte lange Zeit als Fach zur Vermittlung der erwünschten Gesinnung verstanden wurde. Dann förderte Geschichtsunterricht ab Ende des 19. Jh. keine bestimmte Gesinnung mehr? Doch. Gesinnungsunterricht entsprach erstaunlicherweise bis in die frühen 1970er-Jahre einer breit geteilten gesellschaftlichen Forderung. Mit der zunehmenden politischen Integration der Katholisch-Konservativen Ende des 19. Jh. verlor die benannte Konfliktlinie aber an Bedeutung. Der Schweizer Bundesstaat war damals AKZENTE 2/2017
«Das Schulfeld profitiert 1:1 von diesem Wissen»
noch jung, in Europa hielt der Nationalismus Einzug und bald tobten zwei W eltkriege. Der gesellschaftliche Konsens fiel deshalb auf Gesinnungsinhalte, die den Verhältnissen angepasster erschienen – wie etwa eine starke nationale Identifikation, Wehrhaftigkeit oder Staatstreue. Die Beförderung jener Gesinnung erforderte positive, identitätsfördernde Narrative und einen entsprechenden Geschichtsunterricht zur Vermittlung. Welche Ziele verfolgt heutiger Geschichtsunterricht? Moderner Geschichtsunterricht soll junge Menschen befähigen, durch eine kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit gegenwärtige Ereignisse zu verstehen und einzuordnen und sich qualifizierte Meinungen zu bilden. Für die Herausbildung solcher Kompetenzen eignet sich der Geschichtsunterricht hervorragend und ich erachte sie als zentral, damit Menschen mündig und aktiv am gesellschaftlichen und politischen Leben teilhaben können.
Akzente: Am Ende ihrer Ausbildung verfassen die Studierenden auf der Sekundarstufe I eine Masterarbeit. Welchen Stellenwert hat diese Arbeit? Ferrari: Die Studierenden entwickeln sich damit zu Expertinnen und Experten in einem bestimmten Thema. Alle bearbeiteten Fragestellungen haben einen direkten Bezug zur Schule. Das Schulfeld profitiert 1:1 von diesem Wissen – beispielsweise indem die jungen Lehrpersonen ihre Erkenntnisse im Rahmen von schulinternen Weiterbildungen an das Team weitergeben oder direkt im Unterricht einsetzen.
«Gesinnungsunterricht entsprach bis in die frühen 1970er-Jahre einer gesellschaftlichen Forderung.»
Akzente: Wie profitieren die Studierenden für ihre persönliche berufliche Tätigkeit? Ferrari: Beim Verfassen einer solch umfangreichen Arbeit stösst man unweigerlich immer wieder auf Fragen und Probleme, für welche es Lösungen zu finden gilt. Zudem lernen die Studierenden, vernetzt zu denken und grössere Zusammenhänge herzustellen. All das kommt ihnen im Beruf zugute.
Das sind hohe Ansprüche, wenn man bedenkt, dass zunehmend weniger Lektionen für den Geschichtsunterricht bereitstehen. Sich vertieft in vergangene Ereignisse und Verhältnisse einzudenken und sie nach ihrer Bedeutung für die Gegenwart und Zukunft zu befragen, ist mit hohem Zeitaufwand verbunden. Der Aufbau der anspruchsvollen Kompetenzen, die moderner Geschichtsunterricht fördern soll, braucht also Zeit. Mit fachdidaktischen Weiterentwicklungen, neuen Lehrmitteln und einer exemplarischen Auswahl und damit Reduktion von Lerninhalten wird versucht, die hohen Anforderungen trotz schwindenden Zeitressourcen dennoch zu erfüllen. Dieses Vorgehen kann bei gleichbleibenden Ansprüchen jedoch nicht ewig weitergeführt werden. Die Zukunft von Geschichte in der Schule ist offen. Klar ist hingegen, dass weiterhin unsere Gesellschaft bestimmt, welche Bedeutung und welche Zielsetzung dem Schulfach zugeschrieben werden.
Akzente: Wie wählen die Studierenden ihre Themen aus? Ferrari: Den Studierenden steht unter anderem ein Themenpool zur Verfügung. Es ist aber auch möglich, ein eigenes Thema zu wählen. Studierende, welche bereits eine eigene Klasse unterrichten, können eine eigene Problemstellung im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit behandeln. Dies mit dem Ziel, den eigenen Unterricht zu verbessern. Akzente: Welche Themen werden von diesen Studierenden bevorzugt? Ferrari: Regelmässig behandelt werden beispielsweise Fragen in den Bereichen Disziplin, Heterogenität und Motivation. Akzente: Was zeichnet eine gute Arbeit aus? Ferrari: Wichtig ist, dass der Arbeit eine innovative oder kritische Fragestellung zugrunde liegt und dass ein roter Faden erkennbar ist. Ein weiteres Kriterium ist die wissenschaftliche Korrektheit. Zudem sollte eine gewisse Leidenschaft für das Thema erkennbar sein.
Weitere Informationen zum SNF-finanzierten Projekt, an dem eine Doktorandin und drei weitere Dozierende der PH Zürich mitwirkten: tiny.phzh.ch/forschung _ gu AKZENTE 2/2017
– Christoph Hotz
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PH Zürich – Ausbildu ng
Ilaria Ferrari, Co-Verantwortliche Masterarbeiten PH Zürich
Über den See in den Schulalltag Ob ruhige oder raue See: Der Schulweg der 15-jährigen Jessica Hardegger aus Quinten-Au führt täglich mit dem Kursschiff quer über den Walensee. Eine wunderschöne, aber auch eine mit einem äusserst straffen Zeitplan bemessene Reise. Text: Franco Brunner, Fotos: Jessica Hardegger
Serie – Mein Schulweg
«Hallo, ich bin Jessica», sagt die Oberstufenschülerin und setzt sich neben die beiden anderen Mädchen. Wie sich herausstellt, sind dies ihre Schwestern Janine und Anja. Auch deren Schulweg führt über den Seeweg. Da sie jedoch in anderen Dörfern zur Schule gehen, läuft für sie das Ganze zeitlich ein wenig entspannter ab als für ihre grosse Schwester.
Es herrscht eine idyllische Ruhe an diesem Donnerstagmittag an der Schiffsanlegestelle Murg West am südlichen Ufer des Walensees. Ein kleines Bötchen tuckert gemütlich vorbei. Auch auf der «Alvier» – dem Kursschiff zwischen Murg, Au und Quinten – geht es entspannt zu und her. Während der Bootsführer die letzten Vorbereitungen trifft, warten die Passagiere – ein Pärchen, eine Frau sowie zwei Mädchen – auf die Überfahrt nach Au respektive Quinten. Der Motor startet. Alles scheint bereit. Doch plötzlich, auf den allerletzten Drücker sprintet noch ein weiteres Mädchen auf das Schiff. Es ist die 15-jährige Jessica Hardegger, die sich gerade auf dem mittäglichen Nachhauseweg von der Oberstufenschule im anliegenden Dorf Unterterzen nach Au befindet. Für alle Anwesenden ein bekanntes Szenario. Denn Jessicas Schulweg ist zeitlich sehr eng bemessen. 36
Sprinteinlagen für den Sportmuffel An einem gewöhnlichen Tag mache sie viermal diesen Weg, erklärt Jessica während der rund zehnminütigen Überfahrt. Inklusive den jeweiligen Sprinteinlagen zwischen Schiff und Schulbus respektive Schulbus und Schiff. «Und das als Sportmuffel, wie ich es einer bin», sagt Jessica lachend. Doch das sei für sie Alltag und störe sie überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil. Ihr Schulweg habe nämlich durchaus auch seine Vorteile. «Komme ich aufgrund von stürmischer See zu spät in die Schule, drücken die Lehrer meist ein Auge zu», erklärt sie mit einem vielsagenden Schmunzeln. Und falls die Witterungsverhältnisse eine Überfahrt einmal tatsächlich nicht zulassen würden, hätte sie automatisch schulfrei. Doch das sei in all den Jahren vielleicht zwei oder drei Mal vorgekommen. Es ist auch nicht so, dass Jessica nicht gerne zur Schule ginge und daher ständig auf möglichst raue See hofft. Ihr gefalle es ganz gut, sagt sie. Besonders Fächer wie Bildnerisches Gestalten oder Hauswirtschaftslehre würden ihr Freude bereiten. Mittlerweile ist die «Alvier» an der Anlegestelle Au angekommen. Die drei Mädchen steigen aus und nehmen die letzte kurze Strecke bis nach Hause in Angriff. Für sie ist das hier Alltag. Für Besucher hingegen wirkt der Ort wie ein kleines Fleckchen Paradies auf Erden. AKZENTE 2/2017
erklärt er. Das alles habe sich mittlerweile sehr gut eingespielt und funktioniere bestens.
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Ein kurzer Nachmittag Kurz vor 13 Uhr ist die knapp 40-minütige Mittagspause von Jessica vorbei. Ihr gefalle die Ruhe hier ganz gut, sagt sie während der kurzen Wartezeit auf das Kursschiff. Mit dieser Ruhe ist es dann allerdings bald vorbei. Denn unmittelbar nach der Schiffsüberfahrt wird erneut zum kurzen Sprint angesetzt, damit der Schulbus nicht zu lange warten muss. Die Stimmung im Bus ist ausgelassen. Das nahende Wochenende scheint förmlich spürbar. Nach rund fünfminütiger Fahrt sind Jessica und die anderen Kinder beim Oberstufenschulhaus in Unterterzen angekommen. Heute gibt es einen relativ kurzweiligen Nachmittag. Auf dem Stundenplan steht bloss eine Lektion Musik. «Danach geht es schon wieder heimwärts», sagt Jessica und zeigt mit dem Finger über den See, wo man in der Ferne auf der anderen Uferseite das kleine Au und sogar die beinahe leuchtend-orangen Dachziegel von Jessicas Zuhause erkennt. Franco Brunner ist freier Journalist. Er lebt und arbeitet in Chur.
Serie «Mein Schulweg» Im Rahmen der Serie «Mein Schulweg» stellen wir im laufenden Jahr Schulwege von Kindern in der Schweiz vor. Der Text wird jeweils von einem Journalisten oder einer Journalistin erstellt, die Fotos machen die Kinder selber.
Serie – Mein Schulweg
Keine Verkehrsampeln, keine Strasse und erst recht keine Autos. Insgesamt leben hier nur etwa 40 Menschen. Der kleine Wanderweg führt vorbei an schmucken Gärtchen und wundervollen Aussichtspunkten. Dann sind Jessica und ihre Schwestern zuhause angekommen. Gemeinsam mit ihrer Mutter Susanne und ihrem Vater Urs Hardegger, der Grossmutter sowie zahlreichen Tieren wohnen sie auf einem Hof direkt am Fusse der Churfirsten. Mutter Susanne wartet bereits auf ihre drei Mädchen. Das Essen steht auf dem Tisch. Es gibt Spaghetti mit Tomatensauce. Nach einem kurzen Austausch über das Geschehen des Schulvormittags und einer klaren Ansage von Jessica, dass sie das mit dem «Unterschied zwischen Stromstärke und Stromspannung» wohl nie kapieren werde, bereiten Jessica und Janine schon wieder ihre Schulsachen für den Nachmittag vor. «Für uns war es immer wichtig, dass unsere Kinder über die Mittagszeit nach Hause kommen können», erklärt Susanne Hardegger. Auch wenn das natürlich mit Mehraufwand verbunden sei. Denn man habe im Vorfeld mit den Verantwortlichen vom Bootsbetrieb sowie von der Schule zusammensitzen und die Situation erklären müssen. Auch müsse sie ihre Kinder jeweils überall abmelden, falls jemand einmal krank oder anderweitig verhindert sei. Doch das sei alles machbar und die Mühe auf jeden Fall wert. Dem stimmt auch Heinz Zeller, Schulleiter der Gemeinde Quarten, zu. «Man hat sich bemüht, den gesamten Schulbusfahrplan auf die Kursschiffe abzustimmen, damit es den Schülerinnen und Schülern von Quinten-Au möglich ist, über Mittag nach Hause zu gehen»,
Medientipps EIN FEST FÜR ARNO
Als Arno aufwacht, steht ein Kamel in seinem Zimmer und verkündet ihm: «Der grosse Tag ist da!» Betreut von Uschi Schuhschnabel begibt sich Arno nun auf eine einzigartige Reise. Er betritt einen Laster, der zwölf Wagons zu haben scheint. Arno wird von Wagon zu Wagon weitergeleitet, in denen er – an seinem Tag – die angekündigten «Überraschungen, Gefahren und Abenteuer» erlebt. Als sich das Traum-Kaleidoskop zu Ende gedreht hat, trifft er, wieder zu Hause, erneut auf dasselbe Kamel. Unter dessen Höcker schauen jetzt seine Eltern hervor, die die Fest gesellschaft F.E.S.T. GmbH zu seinem 7. Geburtstag engagiert hatten. Oder hat er auch das «nur» geträumt? Eine besondere Qualität des Textes ist sein raffiniertes Spiel mit Wirklichkeit und Illusion. Die detailgetreuen Illus trationen haben durch das XXL-Format des Buches eine starke Sogwirkung. Ein Lektüreerlebnis der besonderen Art stellt sich ein: schräg, komisch, vielschichtig, manchmal furchteinflössend und auf jeden Fall lohnenswert! – Stefan Schröter
N. Heidelbach. Arno und die Festgesellschaft mit beschränkter Haftung. Weinheim: Beltz & Gelberg, 2016. 59 Seiten.
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BRIEFE VON BEDEUTUNG
Landauf, landab gehen Poststellen zu und unsere Mailboxen quillen über. Wird man im Nachlass berühmter Zeitgenossen künftig überhaupt noch auf papierene Korrespondenz stossen? Shaun Usher zeigt, was uns alles entginge. Erneut ist er in die Archive gestiegen, um einen Schatz prominenter Post fürs postdigitale Zeitalter zu heben. David
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Bowie beantwortet seinen ersten Fanbrief aus Amerika, Abraham Lincoln kondoliert der Tochter seines verstorbenen Freundes und die taubblinde Autorin Helen Keller bedankt sich für die Radioübertragung eines Konzerts. In den 122 Briefen dürfen auch skurrile Beispiele nicht fehlen. So bewirbt sich ein renommierter Chemiker in Hogwarts als Lehrer für das Fach «Verteidigung
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gegen die Dunklen Künste» und bekommt eine nette Absage von Albus Dumbledore persönlich. Zahlreiche farbige Abbildungen, Fotos und Faksimiles der Originalbriefe machen die bibliophile Ausgabe zum schmucken Coffee Table Book. – Daniel Ammann
Shaun Usher, Hrsg. More Letters of Note: Briefe für die Ewigkeit. München: Heyne, 2016. 437 Seiten.
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Foto: Christoph Hotz
Medientipps
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DENKEN ÜBER DEN GEIST
Worüber unterhalten sich ein Hirnforscher und ein buddhistischer Mönch? Natürlich über Bewusstsein, Mitgefühl, Wahrnehmung und das Wesen der Wirklichkeit. Der Neurowissenschaftler Wolf Singer erweist sich als neugierig und offen für nichtmaterialistische Zugänge. Sein Gesprächspartner Matthieu Ricard war Molekularbiologe in Paris, lebt aber seit 40 Jahren im Himalaya und hat Bücher über Glück, Nächstenliebe und Weisheit verfasst. Ihr transdisziplinärer Austausch bietet eine bewusstseinserweiternde Mischung aus Philosophie und Naturwissenschaft – und schlägt eine Brücke zwischen Kontemplation und Kognition. Der menschliche Geist hat heute Konjunktur. Meditation und Achtsamkeitspraxis sind im Alltag und selbst in der Schule angekommen. Der Dialog zweier inspirierter Köpfe stösst neue Pforten auf und erhellt alte Fragen über Liebe, Verantwortung, Wissen und den freien Willen. – Daniel Ammann
W. Singer, M. Ricard. Jenseits des Selbst: Dialoge zwischen einem Hirnforscher und einem buddhistischen Mönch. Frankfurt/M.: Suhrk amp, 2017. 351 Seiten.
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GUT BERATEN
Der Aspekt Beratung spielt in immer mehr pädagogischen Arbeitsfeldern eine zentrale Rolle. In seinem schwergewichtigen Handbuch gibt Björn Migge auf über 700 Seiten einen umfassenden Überblick, wobei verschiedene Beratungskonzepte integrativ dargestellt werden. Am meisten Raum wird dem systemischen Ansatz gegeben. Was genau ist ein Berater beziehungsweise ein Coach? «Ein Coach gibt Feedback, regt zu Perspektivwechseln an, bringt Metaperspektiven ins Spiel, verbindet Emotionen, innere Bilder, Gedanken, hilft zu strukturieren, ... und eröffnet dem Klienten neue Handlungsoptionen und fördert deren Umsetzung», so der Autor. Wichtige Aspekte sind die Stärkung und Entwicklung von Ressourcen und das Bewusstmachen und Reflektieren von Glaubenssätzen. Eine grosse Stärke des Buches ist das zusätzliche DownloadAngebot (273 Seiten) mit Falldarstellungen und Lösungsvorschlägen. – Peter Holzwarth
B. Migge. Handbuch Coaching und Beratung: Wirkungsvolle Modelle, kommentierte Falldarstellungen, zahlreiche Übungen. 3. Aufl. Weinheim u. Basel: Beltz, 2014. 737 Seiten.
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LEBEN IN DER OPPOSITION
«Du bist meine Seele, Chomeini», riefen Hunderttausende, als der Ayatollah 1979 in Teheran eintraf und den kurzen Frühling der Freiheit beendete. Aber es war nicht der echte Chomeini, der im Wagen an den Massen vorbeifuhr, sondern sein Bruder, der die Menschen täuschte, während sich Chomeini ausruhte und später im Hubschrauber zu seiner ersten Rede erschien. Bahman Nirumand, der als Jugendlicher den Iran verliess, um im Deutschland der Nachkriegsjahre seine Schulausbildung fortzusetzen, hatte im Exil unermüdlich für die iranische Revolution gearbeitet. Die Errichtung des islamischen Gottesstaates unter Chomeini sei die grösste Enttäuschung seines Lebens, bilanziert er in seiner Autobiographie. Besonders in Zeiten alternativer Fakten und IS-Terrors ist Nirumands geistreiche Auseinandersetzung mit dem Leben in zwei Kulturen, mit Diktatur und Demokratie eine Fundgrube für alle politisch und historisch Interessierten. – Martina Meienberg
B. Nirumand. Weit entfernt von dem Ort, an dem ich sein müsste. Autobiographie. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2011. 381 Seiten.
Unkreativ kreativ Sampeln, abschreiben, covern und remixen. Sieht so die neue Kreativtiät aus? In einer Erzählung von Jorge Luis Borges schreibt Pierre Menard den «Don Quijote» Wort für Wort neu. Die Doppelschöpfung ist textlich nicht vom Original zu unterscheiden, wirkt aber postmodern raffiniert. Wie wir kreativ unkreativ mit dem kulturellen Erbe umgehen können, beleuchtet der konzeptionelle Dichter und Dozent Kenneth Goldsmith in seinem provokativen Essayband «Uncreative Writing» (Matthes & Seitz 2017). Von seinen Studierenden verlangt er einen Leistungsnachweis, den sie nicht selbst formulieren. Vielmehr müssen sie sich Bestehendes kreativ zu eigen machen. Gold smith selber hat in einer Aktion die täglichen Wetterprognosen der New York Times abgetippt und als Buch herausgebracht. Auch der jugendliche Protagonist in Cory Doctorows Roman «Pirate Cinema» (Heyne 2014) montiert Filmclips zu hintersinnigen Mashups. Die Meisterwerke stossen auf Anklang, sorgen bei den Gesetzeshütern aber für Ärger. Der Regisseur ohne Kamera taucht ab und setzt seinen Kampf für faire Nutzungsrechte aus dem Untergrund fort. «Schafft eure eigene Kunst. Kreativität heisst nur zu ver einen, was noch niemand bisher vereint hat.» Weniger riskant geht Regisseur Carl Reiner ans Werk. Für seinen Spielfim «Dead Men Don’t Wear Plaid» (USA 1982) hat er sich bei 18 Klassikern aus den 40er- und 50er-Jahren bedient und die Ausschnitte mit einer parodistischen Handlung kombiniert. Die kreative Rekontextualisierung haucht den Versatzstücken neues Leben ein. Das ist nicht nur witzig und frech, sondern durchaus erlaubt. – Daniel Ammann
Besprechungen weiterer Titel: blog.phzh.ch/akzente/rubrik/medientipps AKZENTE 2/2017
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Medientipps
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Pädagogisches Handeln im Umfeld von Lernenden in der Phase der Adoleszenz 40
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Mario Bernet und Ruedi Isler – Unter vier Augen
Illustration: Elisabeth Moch
Ruedi Isler: Im noch gültigen Lehrplan ist Musse eine von zehn Grundhaltungen, die den Unterricht an unseren Schulen bestimmen sollen. Dort steht: «Musse heisst Zeit finden, um auf sich selbst, auf andere, auf die Welt aufmerksam zu werden.» Im Lehrplan 21 habe ich eine solche Formulierung vergeblich gesucht. Habe ich etwas überlesen? Mario Bernet: Du unterschätzt die Autorenschaft des neuen Lehrplans, die an fast alles gedacht hat! Ich wurde fündig. Isler: Asche auf mein Haupt! Nenne mir die Stelle – und wir schauen, ob Fleisch dran ist! Bernet: Unter «Grundlagen» steht da immerhin: «Gegenseitige Wertschätzung, Lebensfreude und Musse stellen wichtige Werte dar.» Das wär’s dann aber schon. Fast verstohlen wirkt der Begriff hier, als hätte ihn jemand hineingeschmuggelt. Kostet also die Musse aus, solange sie der alte Lehrplan noch so prominent anpreist: «Aus innerer Ruhe wächst Kraft.» Klingt fast poetisch, ist aber amtlich. Doch Hand aufs Herz: Musse in der Schule? Die Umsetzung ist mir in 16 Jahren selten gelungen. Isler: Auf einer Wanderung über die Greina-Hochebene hat ein Kollege von mir seine Schüler beauftragt, AKZENTE 2/2017
sich eine halbe Stunde auf den Rücken zu legen, die Augen zu schliessen und die Natur in sich aufzunehmen. Ist sicher nicht die einzige Art, Musse in die Schule zu bringen. Und zugegeben, im Klassenlager ist es einfacher. Aber dass es dir in der Praxis kaum je gelungen ist, kann ich nicht glauben. Zeit ist ja genug da, jede Woche 30 Stunden ... Bernet: Da müsstest du wohl meine ehemaligen Schülerinnen und Schüler fragen. Jedenfalls habe ich immer versucht, mich an die Vorgabe des Lehrplans zu halten: «Die Grobziele sollten in der Regel in etwa drei Viertel der effektiven Unterrichtszeit erreicht werden können.» Aber ich muss gestehen: Als Lehrer an einer QUIMS-Schule habe ich dem Thema «Schulerfolg» eine grössere Bedeutung beigemessen. Es galt immer wieder, verborgene Perlen freizulegen – fast schon das Gegenteil von Musse. Aber wie machst du das eigentlich: Immer wenn ich dich treffe, verzieht sich jegliche Hektik. Woran liegt das? Isler: Unser Leben ist Hektik, und wer gefragt wird, wie’s ihm geht, beklagt den Stress. Die Auflagen von Zeitschriften, die Langsamkeit, Achtsamkeit und Chillen lobpreisen, gehen durch die Decke. «Live mind-
fully», «spoil yourself» oder «simplify your life» sind dort die Slogans, und es wird empfohlen: «Überrasche dich selbst mit Ruhe!» So einfach ist es sicher nicht. Aber nur wenn wir selbst einen bewussten Umgang mit den Anforderungen unseres gehetzten Lebens und den nimmersatten Erwartungen unserer Umgebung finden, werden wir Musse auch in die Schule oder in unsere Institution tragen. Bernet: Bei mir hängt sogar ein ähnlicher Leitsatz zu Hause über dem Bett – mit schwankender Wirkung. Aber zurück in die Bildungslandschaft: Bekanntlich bedeutet das altgriechische «scholé» nichts anderes als «Musse». Dass sich die Musse in den neuen Lehrplan hineingerettet hat, ist demnach nicht ganz zufällig. Wir können darin eine Mahnung sehen, die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs Schule nicht ganz zu vergessen. Oder wie Aristoteles dazu schrieb: «Überall nur das handgreiflich Nützliche zu suchen, passt am allerwenigsten zu gross gesinnten und frei denkenden Menschen.» Mario Bernet (links) war 15 Jahre Primarlehrer und ist jetzt wissenschaftlicher Mitarbeiter an der PH Zürich. Ruedi Isler ist Pädagogikprofessor. Sie unterhalten sich an dieser Stelle über ein aktuelles Schulthema.
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Unter vier Augen
Die Schule als Oase der Ruhe?
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Niels Anderegg leitet den Bereich «Management und Leadership» der PH Zürich.
Zur Rubrik
1 — Intensives und ergebnisreiches Forschungsgruppentreffen. 2 — Auch ich mache für heute #feierabend. 3 — #fremdgehen #PHZH #phlu Review #edulead mit Caroline Lanz. 4 — Sitzung beim #lmvz für #lehrplan21. Weiterbildung der #schulleitung an der #phzh.
5 — Platz für den #frühling machen #comchair des #timeout projekt #stepbystep der #oberstufehorgen in unserem #garten.
8 — Wie beurteilt man guten Unterricht? Schulbesuch im Schulhaus Vogtsrain im Rahmen des CAS Pädagogische Schulführung.
6 — #feierabendbier
9 — Und zum Schluss des #phzh _ takeover ein #sieg im #siedler.
7 — Schülerband Oberstufe Wädenswil #osw am Kongress der #mosaikschulen. Toll! Danke für die Einladung.
Jeweils für zwei Wochen übernimmt eine Person aus dem Bildungsumfeld den Instagram-Account der PH Zürich (@ phzuerich) und fotografiert während dieser Zeit in ihrem Berufsalltag – in diesem Fall von Anfang bis Mitte März 2017. Die besten Bilder erscheinen an dieser Stelle in der Rubrik «Instagram #takeover».
Impressum «Akzente» erscheint viermal jährlich, 24. Jahrgang, Nr. 2, Mai 2017, ISSN 2296-7281 (Print), 2296-732X (Online). Herausgeberin: Pädagogische Hochschule Zürich. Redaktionskommission: Christoph Hotz (Redaktionsleitung), Redaktor Kommunikation; Daniel Ammann, Dozent für Medienbildung; Bettina Diethelm, wissenschaftliche Mitarbeiterin; Anne Bosche, wissenschaftliche Mitarbeiterin; Reto Klink, Leiter Kommunikation; Martina Meienberg, wissenschaftliche Mitarbeiterin; Michael Prusse, Abteilungsleiter Sek II Berufsbildung. Redaktionelle Mitarbeit: Melanie Keim, Olivia Rigoni, Corina Rainer, Fabia Bernet, Christian Wagner. Adresse: Pädagogische Hochschule Zürich, Redaktion «Akzente», Christoph Hotz, Lagerstrasse 2, 8090 Zürich, akzente@phzh.ch, www.phzh.ch/ akzente. Grafisches Konzept: Raffinerie AG für Gestaltung, Zürich. Layout: Regi Müller, Typografische Gestalterin PH Zürich. Druck: FO-Fotorotar, Egg ZH. Inserate: IEB AG, Gewerbestrasse 18, 8132 Egg, Tel. 043 833 80 40, Fax 043 833 80 44, info@ieb.ch, www.ieb.ch. Abonnemente: Jahresabonnement CHF 20.– inkl. Porto, Pädagogische Hochschule Zürich, Vera Honegger, Lagerstrasse 2, 8090 Zürich, vera.honegger@phzh.ch. Gedruckt auf FSC-zertifiziertem Papier.
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AKZENTE 2/2017
Fotos: Niels Anderegg
Instagra m #takeover
Der Fotograf
Inserate
ZHE – Zentrum für Hochschuldidaktik und Erwachsenenbildung
Anmeldungen für «Winterstart» 2018 bis 31. Oktober 2017
Bewährte Unterrichtshilfen für die Sekundarstufe I
Vom Dozierenden zum Lerncoach CAS Hochschuldidaktik Zertifikatslehrgang für Dozierende an Hochschulen – Berufsbegleitend und anwendungsorientiert – Aufbau eines persönlichen Netzwerks – Wahlmodule und integrierte Beratung phzh.ch/cas-hsd
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Von der Bildungsdirektion des Kantons Zürich bewilligte Privatschule
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+ 41 (0)43 888 70 70 | www.allegra-sprachen.ch | info@allegra-sprachen.ch
Infos unter: phzh.ch/cas WEITERBILDUNG UND BERATUNG
CAS Pädagogische Schulführung Was ist eine gute Schule? – In diesem CAS setzen Sie sich intensiv mit den Fragen der qualitativen Schulführung auseinander. Jetzt anmelden zur Infoveranstaltung: 8. Juni 2017.