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Teil 1 unserer neuen Kurzgeschichte Aus dem Tagebuch einer Klinke
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von Ralph D. Wienrich
Ja, ich bin eine Klinke. Aber eigentlich muss ich mich Ihnen ja gar nicht groß vorstellen. Jeder von Ihnen kennt meine Spezies, hat eine von uns schon einmal in seiner Hand gehabt, hat uns bewundert-der Eleganz, ja auch unserer Schönheit wegen. Und, auch das wissen Sie: nicht jeder kann sich uns leisten, zumindest nicht an all seinen Türen. In der Regel bestenfalls nur an den ganz wichtigen, prestigeträchtigen Pforten eines Refugiums werden wir als Veredlungsobjekt montiert.
Von “edlem” Geblüt Eines aber muss ich an dieser Stelle ganz ausdrücklich betonen, ich bin keine normale, herkömmliche Klinke, keine aus profanem Material, wie etwa aus ordinärem Stahl, Aluminium oder gar nur aus Holz, vielleicht noch aus Porzellan, nein, ich bin schon etwas Besonderes, ich bin eine sehr edle, fein gearbeitete gewissermaßen, keine „von“ aber dafür eine „aus“, nämlich eine aus Messing. Freimütig gebe ich allerdings zu, dass es meine Benutzer nicht immer leicht mit mir haben. Oftmals gestaltet sich der Umgang mit mir geradezu schwierig. Ich bin, zugegebenermaßen, ein wenig kompliziert. Nicht das Sie jetzt annehmen ich sei keine Verschwiegene und würde, wie auch immer, meine Erlebnisse der Indiskretion anheimfallen lassen. Nein, weit gefehlt. Bis auf einige wenige Ausnahmen weiß ich sehr wohl, was ich meiner edlen Herkunft schuldig bin. Aber das ist es ja, was mir mein Dasein nicht gerade ersprießlich erscheinen lässt.
Am liebsten in guten Händen Kein Wunder also das ich mich nicht selten in den Schoss meiner Familie zurücksehne. Was war das doch für eine Intime Geborgenheit, im Barren wohl behütet meiner Bestimmung entgegen zu fi ebern. Und nun, was ist heute mit mir als Klinke? Eigentlich nichts Besonderes außer dass ich in einer der aufregendsten und schönsten Städte Europas, nämlich in Palma de Mallorca, meinen Dienst versehen darf. Und das Besondere an diesem Job hier ist: mich nimmt jede Menge Prominenz in ihre Hand. Ich merke natürlich auf Anhieb, mit wem ich es zu tun habe. Nehmen wir die zupackenden Politiker, ich spüre das sofort an der Art, wie sie mich anfassen, da fühle ich mich sofort geborgen, oder tre ender gesagt in guten Händen. Weniger angenehm habe ich die Business-Leute in Erinnerung. Die geben sich mit mir nicht lange ab. Alles geht bei denen immer so schnell, so achtlos und gehetzt vor sich. In seine Hand nimmt mich von denen kaum einer. Es hat etwas Unwürdiges, wie sie so auf mir herum klopfen, nur um die Tür schnell zu ö nen, nein ich mag diese Leute ganz und gar nicht.
Von zarten Händen und rohen Pranken Aber ich will hier kein Klagelied anstimmen. So richtig wohl fühle ich mich bei einer ganz bestimmten Klientel. Wie soll ich Ihnen das jetzt verständlich machen, ohne dass ich missverstanden werde? Die weichen, zärtlichen Typen meine ich, keine Weicheier, nein, die, die sich selbst genug sind, die also ohne Frauen auskommen. Für mich ist das immer ein ganz besonderes Erlebnis. Wie die mit mir umgehen, einfach aufregend. Sie schmeicheln mir, legen zart ihre Hände auf mich, verweilen sinnlich auf meinem Körper, ja, sie gehen geradezu liebevoll mit mir um. Großartig! Aber es gibt natürlich auch Andere, die mich anfassen als sei ich ein Nichts, ein Niemand. Und damit habe ich als edle Klinke aus Messing manchmal so meine Schwierigkeiten. Prinzipiell entspricht es meiner Arbeitsplatzbeschreibung, dass ich mich in Erfüllung meiner Dienstpfl icht zum Zwecke des Ö nens und Schließens der mir anvertrauten Tür auch anfassen und betatschen lassen muss. Aber mal unter uns, schön ist das nicht immer. Haben Sie auch nur die geringste Vorstellung davon, mit was für Händen, was sag ich, mit was für Pranken so mancher Personen, ich vermeide hier bewusst die Unterscheidung zwischen Damen und Herren, ich es zu tun bekomme? Was musste ich da nicht alles schon erleben?
Beschmiert von Kids Von den kleinen Quälgeistern einmal ganz abgesehen. Diese süßen Monster mit ihren Nutella oder Schokolade verschmierten Patschhändchen, mit denen sie sich eigenwillig an mich hängen als wäre ich ein Turngerät und dann die Tür zwischen ihre Beinchen nehmen umso lustvoll hin und her zu schwingen, wobei sie mich in quälender Demütigung herunterdrücken, dass mir ganz unwohl dabei wird und ich, wenn es ganz unerträglich wird, sogar meinen edlen Glanz einbüße und unansehnlich anlaufe, so die amtliche Diagnose für derartige Unpässlichkeiten. Schadenfroh möchte ich allerdings gern zugeben, dass es für mich immer dann geradezu ein Happening ist, wenn hernach ein Erwachsener meine Dienste in Anspruch nimmt und mir einen Teil des süßen Schmiers abnimmt und so zwangsläufi g für eine rasche Reinigung meines Körpers sorgt.
Benutzt als Bazillenmutterschi Richtig ärgerlich könnte ich allerdings werden wenn sich wieder einmal-witterungsbedingt-eine Grippeund Erkältungswelle in dieser eleganten Stadt breitgemacht hat. Wie achtlos ich dann, ohne Rücksicht auf die Hygiene zu nehmen, fahrlässig als Bazillenmutterschi missbraucht werde, empört mich. Sicher, ich besitze diesbezüglich gewisse Abwehrkräfte, aber trotzdem genieße ich gerade in dieser tristen CoronaZEIT mein tägliches Sidol-Wellnessbad, aber denken Sie nun ja nicht, dass ich über eine längere Zeit clean sein könnte! Rasend schnell habe ich alles, was Sie auf eine solide Art krank macht, wieder auf meinem Körper. Kismet, mehr sag ich dazu nicht.